Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Feb. 2014 - 1 StR 700/13

bei uns veröffentlicht am06.02.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 S t R 7 0 0 / 1 3
vom
6. Februar 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Februar 2014 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 10. Juli 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
1. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht ankommt.
2
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
3
a) Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussage- teils des Belastungszeugen herausstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Oktober 2000 – 1 StR 439/00, NStZ 2001, 161, 162).
4
b) Diesen besonderen Anforderungen genügt die Beweiswürdigung nicht.
5
aa) Vorliegend handelt es sich um einen Fall, in dem zu der entscheidenden Frage, ob der Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin einvernehmlich erfolgte (wie der Angeklagte behauptet) oder vom Angeklagten erzwungen wurde (wie die Nebenklägerin behauptet), letztlich Aussage gegen Aussage steht (vgl. insoweit auch BGH, Beschluss vom 3. April 2002 – 3 StR 33/02, NStZ 2002, 494). Zudem hat die Nebenklägerin mehrfach nachweislich die Unwahrheit gesagt (beim Notruf, hinsichtlich ihres in der Wohnung aufhältlichen Bruders, zum Nachtatgeschehen) und dabei nicht nur wiederholt die Polizei, sondern auch das Gericht angelogen.
6
bb) Nicht einbezogen in die bei dieser Lage notwendige besonders sorgfältige Gesamtwürdigung hat die Kammer den Inhalt eines vom Angeklagten aufgezeichneten Streitgesprächs zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin , das nach den Feststellungen der Kammer nach dem anklagegegenständlichen Vorfall stattgefunden hat. In diesem Gespräch wirft die Nebenklägerin dem Angeklagten im Kern vor, er nutze sie aus, weil er das Geld, das er verdiene, seinen Verwandten schicke. Er solle seine Sachen holen und die Wohnung verlassen, sonst werde die Nebenklägerin ihn erstechen und dafür ins Gefängnis gehen. Wörtlich sagte die Nebenklägerin in diesem Zusammen- hang: „Ich bin so dumm, weil ich jedesMal, wenn du Sex haben willst, es dir auch gebe.“ Vor dem Hintergrund, dass der Angeklagte kurz zuvor die Neben- klägerin vergewaltigt haben soll, war dieser Inhalt des Streitgesprächs für die Beweiswürdigung ersichtlich von besonderem Belang und hätte deshalb in die Gesamtwürdigung einbezogen werden müssen.
7
cc) Soweit die Kammer meint, das Verletzungsbild bei dem Angeklagten lasse sich mit den Angaben der Nebenklägerin besser in Einklang bringen als mit der Einlassung des Angeklagten, ist dies nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Kammer findet es näherliegend, dass die Nebenklägerin – wie sie angibt – dem Angeklagten eine größere Kratzverletzung an der Brust unter seinem T-Shirt zugefügt hat, indem sie, als er zur Ausübung des Geschlechtsverkehrs auf ihr lag, den Halsausschnitt seines T-Shirts nach unten gezogen und über den Halsausschnitt unter sein T-Shirt gefasst und ihn gekratzt habe. Demgegenüber sei fernerliegend, dass diese Verletzung – wie der Angeklagte behauptet – erst später entstanden sei, als sich beide in der Wohnung gegenüber gestanden hätten, denn dann hätte die Nebenklägerin dem ihr körperlich überlegenen Angeklagten unter das T-Shirt fassen müssen. Dabei erörtert die Kammer indes nicht die Einlassung des Angeklagten, der angegeben hat, sein Unterhemd sei kaputt gegangen, als ihn die Nebenklägerin aus dem Bett gezogen habe, und erst anschließend sei die Verletzung an seiner Brust erfolgt. Träfe die Einlassung des Angeklagten zu, hätte die Nebenklägerin zur Verursachung des Kratzers womöglich nicht unter ein T-Shirt des Angeklagten fassen müssen.
8
dd) Zu weiten Teilen der Einlassung des Angeklagten, eben auch zu der Frage, ob er – wie er behauptet – ein Unterhemd anhatte, das die Nebenklägerin kaputt gemacht hat, verhält sich das Urteil nicht. In den Urteilsgründen heißt es insoweit, dass die Kammer die Einlassung des Angeklagten zum Nachtatgeschehen zum Teil als unwiderleglich erachtet. Welche Teile der umfangreichen Einlassung des Angeklagten (mit Ausnahme des aufgezeichneten Telefonge- sprächs) dies sind, wird aus dem Urteil nicht hinreichend deutlich. Die Kammer teilt auch nicht für das Revisionsgericht nachvollziehbar mit, welchen Teilen der Einlassung des Angeklagten (mit Ausnahme des unmittelbaren Tatgeschehens) sie aus welchen Gründen keinen Glauben schenkt und sie für widerlegt erachtet.
9
ee) Nicht ohne weiteres nachvollziehbar sind für den Senat in diesem Zusammenhang auch die Schlussfolgerungen, welche die Kammer aus dem Spurenbild an der Unterhose der Nebenklägerin gezogen hat. Einige der Spuren , die sich aus den im Urteil in Bezug genommenen Lichtbildern (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) ergeben, scheinen jedenfalls auf den ersten Blick nicht ohne weiteres mehr für die Schilderung der Nebenklägerin als für diejenige des Angeklagten zu sprechen.
10
ff) Hinzu kommt, dass das Landgericht die gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Indizien jeweils eher isoliert in den Blick genommen hat. Bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Tatopfers sowie der Glaubhaftigkeit seiner Angaben darf sich der Tatrichter indes nicht darauf beschränken, Umstände, die gegen die Zuverlässigkeit der Aussage sprechen können, gesondert und einzeln zu erörtern sowie getrennt voneinander zu prüfen, um festzustellen, dass sie jeweils nicht geeignet seien, die Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Selbst wenn nämlich jedes einzelne Glaubwürdigkeit oder Glaubhaftigkeit möglicherweise in Frage stellende Indiz noch keine Bedenken gegen die den Angeklagten belastende Aussage aufkommen ließe, so kann doch eine Häufung von – jeweils für sich erklärbaren – Fragwürdigkeiten bei einer Gesamtschau zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit eines Tatvorwurfs führen (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 – 2 StR 394/08).
11
3. Die Gesamtwürdigung der Beweise, die für und gegen die Glaubhaftigkeit der Tatschilderungen der einzigen Belastungszeugin sprechen, erscheint daher insgesamt unvollständig und leidet unter Darstellungsmängeln. Die Sache bedarf deshalb neuer tatrichterlicher Prüfung. Angesichts der besonderen Umstände des Falls (mehrfache Falschangaben der Hauptbelastungszeugin) kann sich für das neue Tatgericht ausnahmsweise auch die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens anbieten (vgl. BGH, Urteil vom 12. November 2003 – 2 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 87 f.).
Wahl Rothfuß Graf
Jäger Mosbacher

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 439/00
vom
19. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Oktober 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 26. Mai 2000 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung und sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu einer Einschränkung des Schuldumfangs und infolgedessen zur Aufhebung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte in dem Zeitraum von 1989 bis 1994 in acht Fällen sexuelle Handlungen an seiner im Jahre 1979 geborenen Nichte M. M. vorgenommen. Diese Handlungen bestanden insbesondere darin, daß er die Brüste der Geschädigten betastete , mit einer Hand an der unbedeckten Scheide manipulierte und dabei bis zum Samenerguß onanierte. In zwei Fällen (II. 2. und 7. der Urteilsgründe) mußte die Geschädigte ihn selbst mit der Hand bis zum Samenerguß befriedigen. In zwei weiteren Fällen (II. 5. und 8. der Urteilsgründe) legte sich der Angeklagte zusätzlich auf die Geschädigte und rieb seinen Penis an deren Scheide. 2. Der Angeklagte hat die sexuellen Handlungen bestritten. Das Landgericht stützt sich bei seiner Überzeugungsbildung im wesentlichen auf die belastenden Bekundungen der Geschädigten, die es - in Übereinstimmung mit dem Glaubwürdigkeitsgutachter - für glaubhaft hält. Die Zeugin habe zwar - was auf eine histrionische Persönlichkeitsstörung zurückzuführen sei - mehrfach wahrheitswidrig zu ihrem Nachteil begangene Straftaten - auch sexueller Art - bei der Polizei angezeigt, und es habe sich auch die Darstellung der Zeugin als unwahr herausgestellt, daß der Angeklagte mit mehreren Fingern oder mit dem Penis in ihre Scheide eingedrungen sei. Im Umfang der getroffenen Feststellungen sei jedoch den Angaben der Zeugin auf Grund ihres Aussageverhaltens , der im Gegensatz zu den vorgetäuschten Straftaten detailhaften Schilderungen und gewichtiger außerhalb der Zeugenaussage liegender Indizien zu folgen.

II.

1. Anklage und Eröffnungsbeschluß sind wirksam; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in der Antragsschrift Bezug genommen. 2. Die von der Revision erhobene Sachrüge gibt keinen Anlaß zur Beanstandung des Schuldspruchs. Jedoch hat das Landgericht die Frage, ob der Angeklagte in den Fällen II. 5., 7. und 8. zusätzliche Tatmodalitäten erfüllt hat, nicht rechtsfehlerfrei behandelt. Dieser Fehler berührt indessen nur den Schuldumfang und damit den Strafausspruch. Wenn Aussage gegen Aussage steht und die Entscheidung im wesentlichen davon abhängt, welchen Angaben das Gericht folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, daß der Tatrichter alle Umstände, die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st.Rspr., vgl. nur BGH NStZ-RR 1999, 108). Das gilt besonders, wenn sich sogar die Unwahrheit eines Aussageteils herausstellt. Dann muß der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im übrigen dennoch zu glauben (BGHSt 44, 153, 158; 44, 256, 257).
a) Diesen erhöhten Anforderungen ist das angefochtene Urteil zwar zu der grundsätzlichen Frage, ob in den einzelnen zur Entscheidung stehenden Fällen überhaupt sexuelle Übergriffe des Angeklagten gegenüber der Zeugin M. M. stattgefunden haben, noch gerecht geworden. Die insoweit ausführliche Glaubwürdigkeitsprüfung läßt relevante Lükken nicht erkennen. Die Strafkammer hat insbesondere die hier durchaus naheliegende Möglichkeit einer auf die histrionische Persönlichkeitsstörung der
Zeugin zurückzuführenden bewußt unwahren Aussage mit rechtlich nicht zu beanstandender Begründung ausgeschlossen. Sie begründet dies nicht nur mit dem Aussageverhalten der Zeugin in der Hauptverhandlung und den im Gegensatz zu den vorgetäuschten Straftaten detailhaften Schilderungen, sondern vor allem auch mit außerhalb der Zeugenaussage liegenden gewichtigen Indizien. Hierzu zählen die für glaubhaft erachteten Bekundungen des Zeugen

A.

M. über Angaben der Zeugin zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten, die diese ihm gegenüber bereits als Acht- oder Neunjährige und damit v or Entwicklung der Persönlichkeitsstörung gemacht hatte. Ferner hat die Kammer die Feststellungen zu vergleichbaren Übergriffen auf die Zeugin S. und auf C. H. , die Tochter der Zeugin S. H. , herangezogen, die auf die Angaben der Zeugin S. z u derartigen Übergriffen und auf der - durch weitere Beweisanzeichen bestätigten - Aussage der Zeugin S. H. z u einem Bericht ihrer Tochter C. gestützt werden. Weitere Indizien ergeben sich aus den Angaben der Zeugin Dr. Me. über Anhaltspunkte für einen sexuellen Mißbrauch und des Zeugen Z. über Rufe der Geschädigten im Schlaf. Wenn die Strafkammer in der Gesamtschau dieser Indizien zur Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin gelangt ist, läßt dies insoweit einen Rechtsfehler nicht erkennen, als es um die Frage geht, ob es in den zur Entscheidung stehenden Fällen überhaupt zu sexuellen Übergriffen des Angeklagten gekommen ist.
b) Das Landgericht hält indessen über die Grundstruktur alle angeklagten Fälle - Betasten des nackten Körpers des Opfers und Onanieren - hinausgehend auch für erwiesen, daß in den Fällen II. 2. und 7.M. M. zu-
sätzlich den Angeklagten mit der Hand befriedigen mußte und daß in den Fällen II. 5. und 8. der Angeklagte sich zusätzlich auf M. M. legte und seinen Penis an deren Scheide rieb. Hierbei stützt es sich allein auf die Aussage der Geschädigten. Diese weitergehenden Tatmodalitäten erfahren in keiner anderen Zeugenaussage eine Bestätigung. Die Zeuginnen S. und S. H. s prechen hinsichtlich der vergleichbaren anderen sexuellen Übergriffe des Angeklagten gegenüber Kindern ausdrücklich nur von einem Onanieren im Beisein des jeweiligen Tatopfers. Auch der Zeuge A. M. bestätigt nur, die Geschädigte habe ihm bereits früher erzählt, der Angeklagte habe s ie "im Brustbereich betatscht und ihr zwischen die Beine gelangt". Objektive Indizien für weitergehende sexuelle Handlungen fehlen. Das Urteil genügt daher insoweit nicht den für derartige Fallgestaltungen geltenden Grundsätzen der Beweiswürdigung. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist zudem widersprüchlich, wenn dieses keinen Zweifel an den weitergehenden, sich nur aus der Aussage der Geschädigten ergebenden Tatmodalitäten hat, obwohl es selbst davon ausgeht, daß die Geschädigte im Hinblick auf die histrionische Persönlichkeitsstörung bei der Schilderung der sexuellen Übergriffe zu Übertreibungen - insbesondere hinsichtlich der Intensität der Übergriffe - neigt (UA S. 22). Der aufgezeigte Fehler betrifft nicht den Schuldspruch insgesamt, sondern nur den Schuldumfang. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin hinsichtlich des Grundgeschehens aller acht sexuellen Übergriffe wird dadurch, daß ihr hinsichtlich zum Teil weitergehender Tathandlungen nicht geglaubt werden kann, nicht in Frage gestellt.
c) Daß in einer neuen Hauptverhandlung zu den Fällen II. 2., 5., 7. und 8. weitergehende Feststellungen getroffen werden können, kann ausgeschlos-
sen werden. Der Senat sieht deshalb - was zudem auch dem Gedanken des Opferschutzes entgegenkommt (BGH NStZ 1995, 178; BGHR StPO § 354 Abs. 1 Sachentscheidung 5) - von einer Aufhebung des Schuldspruchs auch nur in diesem Umfang und einer entsprechenden Zurückverweisung zur neuen Verhandlung zum Schuldspruch ab (vgl. Senatsbeschluß vom 25. März 1997 - 1 StR 93/97) und schränkt den Schuldumfang dahin ein, daß dem Angeklagten nicht angelastet wird, daß in den Fällen II. 2. und 7. die Geschädigte ihn mit der Hand befriedigen mußte und daß in den Fällen II. 5. und 8. der Antragsteller sich auf die Geschädigte legte und seinen Penis an deren Scheide rieb. Da das Landgericht diese weitergehenden Tatmodalitäten bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, ist davon auszugehen, daß es bei einem geringeren Schuldumfang mildere Strafen verhängt hätte. Diese sind, wie auch die Gesamtstrafe, neu zu bemessen.
Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht. Der neue Tatrichter wird die Einzelstrafen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen haben, ohne gegebenenfalls an ergänzenden Feststellungen gehindert zu sein. Schäfer Nack Schluckebier Kolz Schaal

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.