Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

5 StR 569/10
(alt: 5 StR 143/10)

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 26. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Totschlag u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Januar 2011

beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 22. September 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Jugendkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten zunächst mit Urteil vom 3. Dezember 2009 wegen eines am 19. Dezember 2001 begangenen Totschlags – in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge – unter Einbeziehung einer Verurteilung des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. Mai 2009 zu einer Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 (5 StR 143/10, StraFo 2010, 296) den Schuldspruch auf Beihilfe umgestellt und den Strafausspruch hinsichtlich der Höhe der Jugendstrafe – unter Aufrechterhaltung sämtlicher Feststellungen – aufgehoben.
2
Nunmehr hat das Landgericht – wiederum unter Einbeziehung der genannten Verurteilung – auf eine Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren erkannt. Die Bemessung dieser Strafe enthält durchgreifende Rechtsfehler. Dies begründet die Revision.
3
1. Das Landgericht war zwar durch den zurückverweisenden Senatsbeschluss hier nicht gehindert, das Vorliegen von schädlichen Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG auf neue Feststellungen zu polnischen Vorverurteilungen zu stützen, wozu es im vorangegangenen Urteil an Feststellungen gefehlt hatte. Das Landgericht durfte daher – wie geschehen – auf vier vor der verfahrensgegenständlichen Tat vom 19. Dezember 2001 in Polen begangene Diebstahlstaten abstellen. Indes enthält die Begründung des Landgerichts , warum schädliche Neigungen noch zum Urteilszeitpunkt bestanden haben und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (BGH, Beschluss vom 10. März 1992 – 1 StR 105/92, BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5 mwN), den Angeklagten belastende Wertungsfehler.
4
aa) Das Landgericht entnimmt dem Verhalten des Angeklagten in der seit dem 12. Mai 2009 andauernden Untersuchungshaft keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung seiner bisherigen Lebensauffassung und den Abbau seiner in der Tat vom 19. Dezember 2001 deutlich gewordenen Gewaltbereitschaft (UA S. 11). Diese Wertung wird jedoch durch den im Urteil UA S. 9 referierten Bericht der JVA Wulkow nicht im Mindesten belegt. Die weitere Würdigung des Verhaltens des Angeklagten (UA S. 6), er trete unauffällig in Erscheinung, verhalte sich angemessen, verfolge die ihm erteilten Weisungen diskussionslos und wirke bei auftretenden Problemen mitunter verbal aggressiv und bedrohlich, bildet ebenfalls keine Grundlage für die Annahme einer seit 2001 fortdauernden Gewaltbereitschaft.
5
bb) Soweit das Landgericht zur weiteren Begründung darauf abstellt, der Angeklagte habe in der erneuten Hauptverhandlung nicht zu erkennen gegeben, dass er Reue oder Bedauern in Bezug auf die rechtskräftig festgestellte Tat empfinde (UA S. 11), besorgt der Senat, dass die Jugendkammer eine in fortdauernder Untersuchungshaft bei dem im gesamten Verfahren zum Tatvorwurf schweigenden Angeklagten gar nicht zu erwartende Aufarbeitung der Straftat dem Angeklagten benachteiligend angelastet hat.
6
cc) Der Senat kann eine weitere Gewaltbereitschaft des Angeklagten auch nicht aus dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnehmen. Das Landgericht hat eine Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht Słubice vom 16. März 2009 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten wegen einer auf dem Bahnhof von Kostrzyn am 29. März 2008 begangenen Schlägerei und Körperverletzung in diesem Zusammenhang nicht bewertet. Indes ist mangels jeder näheren Darlegung der Tatumstände die Annahme, aus diesen spreche eine auf der Hand liegende und seit 2001 fortdauernde Gewaltbereitschaft, nicht möglich.
7
2. Das Landgericht hat es unterlassen, die infolge des referierten Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 29. Oktober 2009 bewilligte Auslieferung des Angeklagten zur Vollstreckung eines Strafrestes von über acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Słubice vom 16. März 2009 in Polen in seine Erwägungen zur Bewertung eines Gesamtstrafübels einzubeziehen.
8
Hätte es sich hierbei um die Verurteilung eines deutschen Gerichts gehandelt, wäre eine Einbeziehung des Urteils gemäß § 105 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG möglich gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Mai 2010 – 5 StR 143/10 mwN). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 27. Januar 2010 (5 StR 432/09, BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 19) näher dargelegt, dass eine vollstreckte ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das Gesamtstrafübel zu berücksichtigen ist. Dies gilt wegen gleicher Interessenlage auch bei einer – wie hier – sicher zu vollstreckenden Strafe durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und für die hier festzusetzende Jugendstrafe wegen einer Tat eines seit vielen Jahren erwachsenen Heranwachsenden. Das Landgericht hat die Jugendstrafe nämlich mangels kaum noch möglicher Erziehung des Angeklagten nicht – wie es § 18 Abs. 2 JGG an sich gebietet – an der Zeitdauer der erforderlichen erzieherischen Einwirkung ausrichten können, sondern auf Schuldgesichtspunkte abgestellt (UA S. 12). Somit ist auch bei der Bemessung einer Jugendstrafe unter diesen Prämissen Raum zur Berück- sichtigung eines im allgemeinen strafzumessungsrechtlichen Sinne verstandenen Gesamtstrafübels (vgl. BGH aaO).
9
3. Die ergänzenden Feststellungen im angefochtenen Urteil hebt der Senat auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neu berufene Tatgericht wird die Strafe aufgrund der im ersten Urteil getroffenen, vom Senat aufrechterhaltenen Feststellungen neu zu bemessen haben. Zulässig sind lediglich solche ergänzenden Feststellungen, die den bisherigen nicht widersprechen. Es besteht Anlass zu dem Hinweis, dass auch die Feststellungen zur Person des Angeklagten nicht – wie im angegriffenen Urteil fälschlicherweise geschehen – neu zu treffen sind.
Basdorf Raum Brause Schneider Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10 zitiert 9 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 18 Dauer der Jugendstrafe


(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so is

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen


(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtm

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 17 Form und Voraussetzungen


(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Jan. 2010 - 5 StR 432/09

bei uns veröffentlicht am 27.01.2010

Nachschlagewerk: ja BGHSt : nein Veröffentlichung : ja StGB § 46 Abs. 2, § 55 Abs. 1 Satz 1 Eine ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, ist im Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Mai 2010 - 5 StR 143/10

bei uns veröffentlicht am 18.05.2010

5 StR 143/10 BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS vom 18. Mai 2010 in der Strafsache gegen wegen Totschlags u. a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010 beschlossen: 1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgeric
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2011 - 5 StR 569/10.

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Juni 2017 - 1 StR 670/16

bei uns veröffentlicht am 24.06.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 670/16 vom 24. Juni 2017 in der Strafsache gegen wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern ECLI:DE:BGH:2017:240617B1STR670.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

5 StR 143/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 3. Dezember 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Totschlag in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge verurteilt ist, und im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bestimmung einer neuen Jugendstrafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Nichtrevidenten D. und Da. wegen Freiheitsberaubung, den Nichtrevidenten V. wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu jeweils zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen verurteilt. Den Angeklagten hat es wegen (gemeinschaftlichen) Totschlags in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge unter Einbeziehung einer nach Tatbegehung ergangenen, nicht erledigten Verurteilung des Angeklagten nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) D. und R. betrieben in den Jahren 2000 und 2001 mehrere Bordelle im Umkreis von Neuruppin in Konkurrenz zueinander, aber auch teilweise in finanzieller Teilhaberschaft. Der Umgang mit R. gestaltete sich wegen dessen übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums zunehmend schwieriger. Der „Sicherheitsbeauftragte“ des R. , L. , verfolgte eigene geschäftliche Ziele und kam mit D. überein, R. unter Zuhilfenahme der Kontakte des V. in das Bordellmilieu nach Polen verschleppen zu lassen und mittels einer fingierten Vergewaltigung einer Minderjährigen durch eine dieserhalb zu erwartende Haftstrafe für längere Zeit dem heimischen Rotlichtmillieu zu entziehen.
4
Der Plan zur Entführung des R. wurde am 19. Dezember 2001 verwirklicht. L. teilte D. telefonisch mit, dass er R. „eingepackt“ habe (UA S. 9). D. wies „seine rechte Hand“ Da. an, R. mit dem Pkw aus Planitz abzuholen. Da. fuhr den bereits misshandelten , gefesselten R. , dessen Augen und Mund verklebt waren, nach Dabergotz bei Neuruppin, wo ihn D. in seinen Transporter übernahm. V. besorgte D. die Telefonnummer eines Polen namens T. , der den Auftrag übernahm, R. nach Polen zu verschleppen. Gegen Mitternacht erschien Da. am vereinbarten Übernahmeort in der Nähe der polnischen Grenze bei Seelow. In einem polnischen Taxi trafen 30 Minuten später T. und der damals 19 Jahre alte Angeklagte ein „und hievten den R. von dem Transporter des D. etwa zwei Meter hinüber in den Kofferraum des Taxis. In Abkehr vom ursprünglichen Tatplan der Verschleppung des R. nach Polen holten der unbekannt gebliebene T. und der Angeklagte noch zur Nachtzeit den R. in der Nähe der Ortschaft Libbenichen aus dem Kofferraum und brachten ihn an einen abgelegenen Wanderweg. Dort schlug einer der beiden dem R. mit einer Glasflasche auf den Kopf, wodurch dieser eine tiefreichende, bis auf den Schädelknochen durchdringende Kopfschwartenplatzwunde erlitt und vermutlich das Bewusstsein verlor. Anschließend ließen sie den sichtbar schwer verletzten und immer noch an Händen und Füßen gefesselten Mann bei winterlichen Temperaturen an Ort und Stelle zurück. Dabei wussten sie, dass das Opfer – wenn es nicht schon an der Kopfverletzung sterben – voraussichtlich erfrieren würde und nahmen dessen Tod billigend in Kauf. Tatsächlich verstarb R. am Ablageort durch Einatmen von Blut infolge seiner massiven Gesichtsverletzungen im Zusammenwirken mit einer Unterkühlung am 20. Dezember 2001“ (UA S. 10 f.).
5
b) Das Landgericht hat sich von einer Mittäterschaft des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten durch von diesem und in schwacher Ausprägung von dem Opfer stammende DNA auf einem in Tatortnähe gefundenen Zellstofftaschentuch und den Inhalt zweier von V. bekundeter Gespräche mit T. überzeugt. Dessen Mitteilung hat das Landgericht als erlebnisfundiert bewertet. Gegen Weihnachten 2001 habe T. , der eine Hand verbunden gehabt habe, dem V. berichtet, dass er für D. etwas erledigt habe. Nach Kenntnisnahme vom Tod des R. habe T. während des zweiten Treffens dem V. mitgeteilt, dass er mit einem weiteren Polen R. in ein polnisches Taxi übernommen habe. „Nach einer Weile des Herumfahrens auf deutscher Seite hätten sie den R. irgendwo rausgelassen, und der andere ‚T. ’ habe dem R. spontan eine Flasche auf den Kopf geschlagen. Dort hätten sie das Opfer dann liegenlassen und seien weggefahren“ (UA S. 17).
6
Zusätzlich hat sich das Landgericht zur Identifizierung des Angeklagten auf die Täterbeschreibung des D. gestützt, es habe sich um einen jungen Polen Anfang 20 gehandelt, der ebenfalls T. gerufen worden sei. Dem Angeklagten sei trotz einer Einschränkung der Beweglichkeit seines rechten Armes und der Verkürzung der Finger der rechten Hand bis zum jeweiligen Fingermittelgelenk ein von D. in dessen polizeilicher Ver- nehmung mitgeteilter körperlicher Einsatz, der nur in einer leichten Hilfestellung hätte bestehen müssen, möglich gewesen.
7
c) Das Landgericht hat „anhand der durch den Angeklagten V. nur vom Hörensagen wiedergegebenen Tatschilderung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, welcher der beiden Polen den Schlag mit der Flasche ausgeführt hat, so muss sich der Angeklagte im Falle der Schlagausführung durch den anderen T. dessen Handlung mit Blick auf die sich anschließende gemeinsame Tatvollendung in der Weise des Zurücklassens des geschundenen und gefesselten Opfers unter lebensgefährlichen Bedingungen zurechnen lassen“ (UA S. 24 f.).
8
2. Das Urteil hat keinen Bestand, soweit das Landgericht den Angeklagten als Mittäter angesehen hat.
9
a) Zwar ist die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen von Täterschaft oder Teilnahme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (BGHSt 48, 52, 56; BGH NJW 2010, 92, 97 m.w.N.). Das Landgericht ist indes nur befugt, Mittäterschaft aufgrund rechtlich zutreffender Anknüpfungstatsachen anzunehmen. Daran fehlt es hier.
10
Das Landgericht ist von einer sukzessiven Mittäterschaft durch aktives Tun des Angeklagten ausgegangen, weil diesem der – nach dem Grundsatz in dubio pro reo (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8; BGH StV 2007, 284, 286; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – 5 StR 459/06 Tz. 5) dem unbekannten T. zugeschriebene – verletzungsintensive Schlag mit der Flasche wegen anschließender gemeinsamer Tatvollendung durch Zurücklassen des Opfers zuzurechnen sei. Hierbei hat das Landgericht indes übersehen, dass der Angeklagte durch das bloße Zurücklassen des dem Tod geweihten Opfers die weitere Tatausführung nicht mehr fördern konnte, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan worden war. Mangels eines Beitrags zu einer aktiven Tatbestandsverwirklichung scheidet hier die Annahme sukzessiver aktiver Mittäterschaft aus (vgl. BGH NStZ 1984, 548, 549 m.w.N.; BGH StV 2007, 284, 285).
11
b) Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber auch im Übrigen nicht die Annahme eines mittäterschaftlichen Totschlags und einer mittäterschaftlichen Freiheitsberaubung. Es fehlt insoweit an der gebotenen umfassenden Würdigung des Beweisergebnisses (vgl. BGH NJW 2010, 92, 97 m.w.N.).
12
Zwar vermag der Senat dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen, dass der Angeklagte – wie es das Landgericht bei der Verbringung des R. in das Taxi beweiswürdigend überzeugend dargelegt hat – auch aktiv beim Ausladen des Verletzten aus diesem Fahrzeug mitgewirkt hat. Dieses aktive Handeln scheidet indes als Grundlage für die Annahme mittäterschaftlichen Handelns ebenfalls aus. Das Landgericht hat die festgestellten Tatbeiträge des schweigenden Angeklagten weder dahingehend gewürdigt, ob sie in einem Unterordnungsverhältnis zu denen des unbekannt gebliebenen T. stehen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 5 StR 219/08 Tz. 299), noch hat es Erwägungen zum Bestehen und des Umfangs eines Tatinteresses des Angeklagten angestellt (vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – 5 StR 459/06 Tz. 6).
13
c) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen drängten hier zu der Annahme, der Angeklagte habe lediglich als Gehilfe des T. gehandelt.
14
Ausführender des Entführungsauftrags war nicht der Angeklagte, sondern der unbekannt gebliebene T. , der zudem das polnische Tatfahrzeug stellte und allein über Kontakte zu den deutschen Auftraggebern verfügte. Das Landgericht hat diesen selbst als Haupttäter und den Angeklagten als dessen jüngeren Begleiter bezeichnet (UA S. 19). Im Rahmen der Straf- zumessung hat es dem Angeklagten zugute gebracht, dass er „nach den möglichen Feststellungen nicht der ‚treibende Keil’ bei der Tatausführung gewesen ist“ (UA S. 28). Bei der gemeinsamen Verbringung des R. in das Tatfahrzeug ist das Landgericht lediglich von einer leichten Hilfestellung des am rechten Arm und an der rechten Hand behinderten Angeklagten ausgegangen.
15
3. Der Senat schließt im Blick auf die äußerst eingeschränkte Beweislage aus, dass ein neues Tatgericht weitergehende Feststellungen wird treffen können, die eine mittäterschaftliche Begehung des Freiheitsberaubungsund Tötungsverbrechens oder – bei Annahme von Beihilfe – zusätzlich für einen Verdeckungsmord durch Unterlassen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 13 Rdn. 32) wird tragen können, und entscheidet entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Beihilfe durch (vgl. BGH StV 2007, 284, 286; 2009, 176, 177; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 5 StR 219/08 Tz. 9).
16
4. Die neu berufene Jugendstrafkammer wird danach die für das Verbrechen wegen Schwere der Schuld festzusetzende Jugendstrafe auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen neu zu bestimmen haben. Bei dem zur Tatzeit nicht vorbestraften Angeklagten dürfte die zusätzliche Annahme schädlicher Neigungen aber ausgeschlossen sein (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 StR 55/09 Tz. 9 f.).
17
Die erfolgte Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. Mai 2009 wegen vierfachen Diebstahls (Gesamtfreiheitsstrafe elf Monate unter Strafaussetzung zur Bewährung) gemäß § 105 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG lässt trotz bisher fehlender ausdrücklicher Begründung keinen Rechtsfehler erkennen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das später unter Anwendung von Jugendstrafrecht ausgeurteilte Tötungsverbrechen im Vergleich zu dem milde sanktionierten Diebstählen hier das Schwergewicht im Sinne das entsprechend anzuwendenden § 32 Satz 1 JGG bildet (vgl. BGHR JGG § 32 Gesamtstrafe 2) und es deshalb bei der gebotenen Bildung einer einheitlichen Jugendstrafe bleibt (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 3 bis 5). Eine Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf die Tat und eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB ist hierdurch ausgeschlossen (vgl. BGHR JGG § 32 Gesamtstrafe 2).
Basdorf Raum Brause Schneider Bellay

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt das Gericht nur einheitlich Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest. Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8), können ungleichartige Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen nicht überschritten werden.

(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die Schuld festgestellt oder eine Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt oder sonst erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur einheitlich auf Maßnahmen oder Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrestes steht im Ermessen des Gerichts, wenn es auf Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3 und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.

(3) Ist es aus erzieherischen Gründen zweckmäßig, so kann das Gericht davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei kann es Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es auf Jugendstrafe erkennt.

5 StR 143/10

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010

beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 3. Dezember 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Schuldspruch dahingehend abgeändert , dass der Angeklagte wegen Beihilfe zum Totschlag in Tateinheit mit Beihilfe zur Freiheitsberaubung mit Todesfolge verurteilt ist, und im Ausspruch über die Höhe der Jugendstrafe aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
3. Die Sache wird zur Bestimmung einer neuen Jugendstrafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat die Nichtrevidenten D. und Da. wegen Freiheitsberaubung, den Nichtrevidenten V. wegen Beihilfe zur Freiheitsberaubung zu jeweils zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafen verurteilt. Den Angeklagten hat es wegen (gemeinschaftlichen) Totschlags in Tateinheit mit Freiheitsberaubung mit Todesfolge unter Einbeziehung einer nach Tatbegehung ergangenen, nicht erledigten Verurteilung des Angeklagten nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Einheitsjugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
a) D. und R. betrieben in den Jahren 2000 und 2001 mehrere Bordelle im Umkreis von Neuruppin in Konkurrenz zueinander, aber auch teilweise in finanzieller Teilhaberschaft. Der Umgang mit R. gestaltete sich wegen dessen übermäßigen Alkohol- und Drogenkonsums zunehmend schwieriger. Der „Sicherheitsbeauftragte“ des R. , L. , verfolgte eigene geschäftliche Ziele und kam mit D. überein, R. unter Zuhilfenahme der Kontakte des V. in das Bordellmilieu nach Polen verschleppen zu lassen und mittels einer fingierten Vergewaltigung einer Minderjährigen durch eine dieserhalb zu erwartende Haftstrafe für längere Zeit dem heimischen Rotlichtmillieu zu entziehen.
4
Der Plan zur Entführung des R. wurde am 19. Dezember 2001 verwirklicht. L. teilte D. telefonisch mit, dass er R. „eingepackt“ habe (UA S. 9). D. wies „seine rechte Hand“ Da. an, R. mit dem Pkw aus Planitz abzuholen. Da. fuhr den bereits misshandelten , gefesselten R. , dessen Augen und Mund verklebt waren, nach Dabergotz bei Neuruppin, wo ihn D. in seinen Transporter übernahm. V. besorgte D. die Telefonnummer eines Polen namens T. , der den Auftrag übernahm, R. nach Polen zu verschleppen. Gegen Mitternacht erschien Da. am vereinbarten Übernahmeort in der Nähe der polnischen Grenze bei Seelow. In einem polnischen Taxi trafen 30 Minuten später T. und der damals 19 Jahre alte Angeklagte ein „und hievten den R. von dem Transporter des D. etwa zwei Meter hinüber in den Kofferraum des Taxis. In Abkehr vom ursprünglichen Tatplan der Verschleppung des R. nach Polen holten der unbekannt gebliebene T. und der Angeklagte noch zur Nachtzeit den R. in der Nähe der Ortschaft Libbenichen aus dem Kofferraum und brachten ihn an einen abgelegenen Wanderweg. Dort schlug einer der beiden dem R. mit einer Glasflasche auf den Kopf, wodurch dieser eine tiefreichende, bis auf den Schädelknochen durchdringende Kopfschwartenplatzwunde erlitt und vermutlich das Bewusstsein verlor. Anschließend ließen sie den sichtbar schwer verletzten und immer noch an Händen und Füßen gefesselten Mann bei winterlichen Temperaturen an Ort und Stelle zurück. Dabei wussten sie, dass das Opfer – wenn es nicht schon an der Kopfverletzung sterben – voraussichtlich erfrieren würde und nahmen dessen Tod billigend in Kauf. Tatsächlich verstarb R. am Ablageort durch Einatmen von Blut infolge seiner massiven Gesichtsverletzungen im Zusammenwirken mit einer Unterkühlung am 20. Dezember 2001“ (UA S. 10 f.).
5
b) Das Landgericht hat sich von einer Mittäterschaft des in der Hauptverhandlung schweigenden Angeklagten durch von diesem und in schwacher Ausprägung von dem Opfer stammende DNA auf einem in Tatortnähe gefundenen Zellstofftaschentuch und den Inhalt zweier von V. bekundeter Gespräche mit T. überzeugt. Dessen Mitteilung hat das Landgericht als erlebnisfundiert bewertet. Gegen Weihnachten 2001 habe T. , der eine Hand verbunden gehabt habe, dem V. berichtet, dass er für D. etwas erledigt habe. Nach Kenntnisnahme vom Tod des R. habe T. während des zweiten Treffens dem V. mitgeteilt, dass er mit einem weiteren Polen R. in ein polnisches Taxi übernommen habe. „Nach einer Weile des Herumfahrens auf deutscher Seite hätten sie den R. irgendwo rausgelassen, und der andere ‚T. ’ habe dem R. spontan eine Flasche auf den Kopf geschlagen. Dort hätten sie das Opfer dann liegenlassen und seien weggefahren“ (UA S. 17).
6
Zusätzlich hat sich das Landgericht zur Identifizierung des Angeklagten auf die Täterbeschreibung des D. gestützt, es habe sich um einen jungen Polen Anfang 20 gehandelt, der ebenfalls T. gerufen worden sei. Dem Angeklagten sei trotz einer Einschränkung der Beweglichkeit seines rechten Armes und der Verkürzung der Finger der rechten Hand bis zum jeweiligen Fingermittelgelenk ein von D. in dessen polizeilicher Ver- nehmung mitgeteilter körperlicher Einsatz, der nur in einer leichten Hilfestellung hätte bestehen müssen, möglich gewesen.
7
c) Das Landgericht hat „anhand der durch den Angeklagten V. nur vom Hörensagen wiedergegebenen Tatschilderung nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, welcher der beiden Polen den Schlag mit der Flasche ausgeführt hat, so muss sich der Angeklagte im Falle der Schlagausführung durch den anderen T. dessen Handlung mit Blick auf die sich anschließende gemeinsame Tatvollendung in der Weise des Zurücklassens des geschundenen und gefesselten Opfers unter lebensgefährlichen Bedingungen zurechnen lassen“ (UA S. 24 f.).
8
2. Das Urteil hat keinen Bestand, soweit das Landgericht den Angeklagten als Mittäter angesehen hat.
9
a) Zwar ist die tatrichterliche Bewertung über das Vorliegen von Täterschaft oder Teilnahme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur einer eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle zugänglich (BGHSt 48, 52, 56; BGH NJW 2010, 92, 97 m.w.N.). Das Landgericht ist indes nur befugt, Mittäterschaft aufgrund rechtlich zutreffender Anknüpfungstatsachen anzunehmen. Daran fehlt es hier.
10
Das Landgericht ist von einer sukzessiven Mittäterschaft durch aktives Tun des Angeklagten ausgegangen, weil diesem der – nach dem Grundsatz in dubio pro reo (vgl. BGHR StPO § 261 in dubio pro reo 8; BGH StV 2007, 284, 286; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – 5 StR 459/06 Tz. 5) dem unbekannten T. zugeschriebene – verletzungsintensive Schlag mit der Flasche wegen anschließender gemeinsamer Tatvollendung durch Zurücklassen des Opfers zuzurechnen sei. Hierbei hat das Landgericht indes übersehen, dass der Angeklagte durch das bloße Zurücklassen des dem Tod geweihten Opfers die weitere Tatausführung nicht mehr fördern konnte, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan worden war. Mangels eines Beitrags zu einer aktiven Tatbestandsverwirklichung scheidet hier die Annahme sukzessiver aktiver Mittäterschaft aus (vgl. BGH NStZ 1984, 548, 549 m.w.N.; BGH StV 2007, 284, 285).
11
b) Die fehlerfrei getroffenen Feststellungen rechtfertigen aber auch im Übrigen nicht die Annahme eines mittäterschaftlichen Totschlags und einer mittäterschaftlichen Freiheitsberaubung. Es fehlt insoweit an der gebotenen umfassenden Würdigung des Beweisergebnisses (vgl. BGH NJW 2010, 92, 97 m.w.N.).
12
Zwar vermag der Senat dem Zusammenhang der Urteilsgründe noch zu entnehmen, dass der Angeklagte – wie es das Landgericht bei der Verbringung des R. in das Taxi beweiswürdigend überzeugend dargelegt hat – auch aktiv beim Ausladen des Verletzten aus diesem Fahrzeug mitgewirkt hat. Dieses aktive Handeln scheidet indes als Grundlage für die Annahme mittäterschaftlichen Handelns ebenfalls aus. Das Landgericht hat die festgestellten Tatbeiträge des schweigenden Angeklagten weder dahingehend gewürdigt, ob sie in einem Unterordnungsverhältnis zu denen des unbekannt gebliebenen T. stehen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 5 StR 219/08 Tz. 299), noch hat es Erwägungen zum Bestehen und des Umfangs eines Tatinteresses des Angeklagten angestellt (vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – 5 StR 459/06 Tz. 6).
13
c) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen drängten hier zu der Annahme, der Angeklagte habe lediglich als Gehilfe des T. gehandelt.
14
Ausführender des Entführungsauftrags war nicht der Angeklagte, sondern der unbekannt gebliebene T. , der zudem das polnische Tatfahrzeug stellte und allein über Kontakte zu den deutschen Auftraggebern verfügte. Das Landgericht hat diesen selbst als Haupttäter und den Angeklagten als dessen jüngeren Begleiter bezeichnet (UA S. 19). Im Rahmen der Straf- zumessung hat es dem Angeklagten zugute gebracht, dass er „nach den möglichen Feststellungen nicht der ‚treibende Keil’ bei der Tatausführung gewesen ist“ (UA S. 28). Bei der gemeinsamen Verbringung des R. in das Tatfahrzeug ist das Landgericht lediglich von einer leichten Hilfestellung des am rechten Arm und an der rechten Hand behinderten Angeklagten ausgegangen.
15
3. Der Senat schließt im Blick auf die äußerst eingeschränkte Beweislage aus, dass ein neues Tatgericht weitergehende Feststellungen wird treffen können, die eine mittäterschaftliche Begehung des Freiheitsberaubungsund Tötungsverbrechens oder – bei Annahme von Beihilfe – zusätzlich für einen Verdeckungsmord durch Unterlassen (vgl. Fischer, StGB 57. Aufl. § 13 Rdn. 32) wird tragen können, und entscheidet entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf Beihilfe durch (vgl. BGH StV 2007, 284, 286; 2009, 176, 177; BGH, Beschluss vom 25. Juni 2008 – 5 StR 219/08 Tz. 9).
16
4. Die neu berufene Jugendstrafkammer wird danach die für das Verbrechen wegen Schwere der Schuld festzusetzende Jugendstrafe auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen neu zu bestimmen haben. Bei dem zur Tatzeit nicht vorbestraften Angeklagten dürfte die zusätzliche Annahme schädlicher Neigungen aber ausgeschlossen sein (vgl. BGHR JGG § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5; BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 5 StR 55/09 Tz. 9 f.).
17
Die erfolgte Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. Mai 2009 wegen vierfachen Diebstahls (Gesamtfreiheitsstrafe elf Monate unter Strafaussetzung zur Bewährung) gemäß § 105 Abs. 2, § 31 Abs. 2 Satz 1 JGG lässt trotz bisher fehlender ausdrücklicher Begründung keinen Rechtsfehler erkennen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass das später unter Anwendung von Jugendstrafrecht ausgeurteilte Tötungsverbrechen im Vergleich zu dem milde sanktionierten Diebstählen hier das Schwergewicht im Sinne das entsprechend anzuwendenden § 32 Satz 1 JGG bildet (vgl. BGHR JGG § 32 Gesamtstrafe 2) und es deshalb bei der gebotenen Bildung einer einheitlichen Jugendstrafe bleibt (vgl. BGHR JGG § 32 Schwergewicht 3 bis 5). Eine Anwendung von Erwachsenenstrafrecht auf die Tat und eine Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB ist hierdurch ausgeschlossen (vgl. BGHR JGG § 32 Gesamtstrafe 2).
Basdorf Raum Brause Schneider Bellay
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : nein
Veröffentlichung : ja
Eine ausländische Vorverurteilung, die an innerstaatlichen
Maßstäben gemessen gesamtstrafenfähig wäre, ist im
Rahmen der allgemeinen Strafzumessung mit Blick auf das
Gesamtstrafübel zu berücksichtigen.
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 StR 432/09
LG Hamburg –

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 27. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Betruges u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Januar 2010

beschlossen:
1. Der Antrag des Angeklagten P. auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anbringung einer Verfahrensrüge wird zurückgewiesen.
2. Seine Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 20. November 2008 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet mit der Maßgabe (§ 349 Abs. 4 StPO) verworfen, dass der Angeklagte neben einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt ist.
3. Die Revisionen der Angeklagten Y. K. und H. K. gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
4. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. K. wegen Computerbetruges in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen Hehlerei in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, den Angeklagten Y. K. wegen Computerbetruges in acht Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung sowie wegen Heh- lerei zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafen hat es für beide Angeklagte zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten P. hat die Strafkammer wegen Urkundenfälschung in zwei Fällen sowie wegen Betruges unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem bislang nicht vollstreckten amtsgerichtlichen Urteil vom 21. Juni 2006 und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtgeldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt sowie eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten wegen Urkundenfälschung in acht Fällen sowie wegen versuchten Betruges und Betruges in vier Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, verhängt. Die auf formelle wie sachlichrechtliche Rügen gestützten Revisionen der Angeklagten Y. K. und H. K. bleiben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg; dagegen hat die Revision des Angeklagten P. im Strafausspruch in geringem Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Hinsichtlich des Angeklagten P. sind der Schuldspruch, sämtliche Einzelstrafen sowie der erste Gesamtstrafausspruch (IV. 1.3 der Urteilsgründe) frei von Rechtsfehlern.
3
Auch die Rüge einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK wegen eines Versehens bei der Zustellung des Urteils dringt nicht durch. Aufgrund der Sachrüge vermag der Senat den geltend gemachten Rechtsfehler hier nicht zu überprüfen. Die in diesem Fall erforderliche Rüge einer rechtsstaatswidrigen und kompensationspflichtigen Verfahrensverzögerung hat der Angeklagte nicht form- und fristgerecht angebracht (vgl. BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 Verfahrensverzögerung 32).
4
Der nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist vom Beschwerdeführer gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachho- lung der Begründung dieser Rüge ist schon deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer die Verfahrensrüge erneut nicht formgerecht ausgeführt und damit die versäumte Handlung nicht fristgerecht nachgeholt hat (§ 45 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 StPO). Dem unvollständigen Rügevortrag vermag der Senat nicht zu entnehmen, welche Verzögerung konkret wegen des geltend gemachten Zustellungsmangels eingetreten und gegebenenfalls zu kompensieren ist. Um die dafür erforderliche Berechnung anhand der (gestaffelten) Höchstfristen des § 275 Abs. 1 StPO vornehmen zu können, wäre zumindest die Anzahl der Hauptverhandlungstage mitzuteilen gewesen.
5
2. Die Begründung der zweiten im Urteil gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe (VI. 1.6 der Urteilsgründe) begegnet durchgreifenden sachlichrechtlichen Bedenken. Die Strafkammer hat zwar zu Recht aus den vom Amtsgericht Hamburg-St. Georg durch rechtskräftiges Urteil vom 21. Juni 2006 verhängten Einzelgeldstrafen und der Einzelfreiheitsstrafen für die Fälle II.1, II.2 und II.11 der Urteilsgründe eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe gebildet. Sie hat auch den mit der Zäsurwirkung der amtsgerichtlichen Verurteilung verbundenen Nachteil mehrerer zu bildender Gesamtfreiheitsstrafen noch hinreichend berücksichtigt. Die Erwägungen der Strafkammer sind indes lückenhaft , soweit eine ausländische Vorverurteilung im Rahmen dieser Gesamtstrafenbildung soweit ersichtlich unberücksichtigt geblieben ist:
6
Zu dieser Vorverurteilung hat das Landgericht festgestellt, dass der Beschwerdeführer „anlässlich eines Diebstahls im Frühjahr 2007 in Dänemark verhaftet und zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt“ worden ist. Die Freiheitsstrafe verbüßte er „bis Juni 2007“ (UA S. 10).
7
a) Zwar war keine nachträgliche Gesamtstrafe im Sinne des § 55 StGB aus diesem dänischen Erkenntnis und den übrigen durch die Strafkammer festgesetzten Einzelfreiheitsstrafen zu bilden. Im Ausland verhängte Strafen sind der nachträglichen Gesamtstrafenbildung über § 55 StGB nicht zugänglich, weil eine Gesamtstrafe mit einer von einem ausländischen Ge- richt verhängten Strafe schon wegen des damit verbundenen Eingriffs in deren Vollstreckbarkeit ausgeschlossen ist (vgl. BGHSt 43, 79; BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 16; BGH NStZ 2008, 709, 710).
8
b) Mit Rücksicht auf die insoweit tragende Entscheidung des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 16) musste sich das Tatgericht auch nicht veranlasst sehen, den in der Rechtsprechung zum Recht der Gesamtstrafenbildung entwickelten Rechtsgedanken des sogenannten Härteausgleichs auf diesen Fall zu übertragen. Ein Härteausgleich dieser Art scheidet demzufolge aus, wenn eine Aburteilung im Ausland begangener Straftaten in Deutschland mangels entsprechender rechtlicher und tatsächlicher Voraussetzungen grundsätzlich nicht oder allenfalls theoretisch unter dem Aspekt der stellvertretenden Strafrechtspflege möglich ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB). Der Nachteilsausgleich für eine unterbliebene Gesamtstrafenbildung sei in diesen Fällen nicht geboten, weil die Möglichkeit der Verhängung einer milderen Strafe in einem einzigen Verfahren in Deutschland tatsächlich nie bestanden habe. So lag es im Falle des polnischen Angeklagten P. auch hier.
9
c) An seinen im Anfrageverfahren des 2. Strafsenats (Beschluss vom 29. Oktober 2008 – 2 StR 386/08) geäußerten Bedenken gegen die Ausgangsüberlegung (vgl. BGH StraFo 2009, 302) hält der erkennende Senat allerdings ausdrücklich fest. Er vermag insbesondere der vom 2. Strafsenat vorgenommenen Auslegung des Rahmenbeschlusses des Rates vom 24. Juli 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren (2008/675/JI ABl. L 220 vom 15. August 2008, S. 32) nicht zu folgen, soweit daraus keine Rechtsfolgen für die Behandlung grundsätzlich gesamtstrafenfähiger Verurteilungen im In- und Ausland nach deutschem Strafrecht herzuleiten seien (BGHR aaO). Freilich bezweckt der Rahmenbeschluss nicht, dass in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Verurteilungen vollstreckt werden (vgl. Art. 3 Abs. 3 und Erwägungsgrund 6 Satz 1 des Rahmenbe- schlusses). In einem anderen Staat ergangene Verurteilungen müssen nach dem Willen des Rates indes „in dem Maße berücksichtigt werden, wie im Inland nach innerstaatlichem Recht ergangene Verurteilungen“ und sollten „gleichwertige Wirkungen“ entfalten wie eine im Inland ergangene Entscheidung (Erwägungsgründe 5 Satz 2 und 7 des Rahmenbeschlusses). Schon dem entnimmt der Senat ein Gebot zur Berücksichtigung früherer Verurteilungen in anderen Mitgliedstaaten im deutschen Strafzumessungsrecht. Dementsprechend heißt es in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutsches Bundestages vom 1. Juli 2009, „eine Beschränkung dieses Ausgleichs auf ausländische Verurteilungen, denen Taten zugrunde liegen, auf die auch deutsches Strafrecht hätte Anwendung finden können, wäre hingegen bei Verurteilungen aus anderen EU-Staaten mit den Vorgaben des Rahmenbeschlusses, der keine solche Beschränkung vorsieht, nicht zu vereinbaren“ (BT-Drucks. 16/13673, S. 5).
10
Ein Anfrageverfahren wegen einer Divergenz zur Rechtsauffassung des 2. Strafsenats ist gleichwohl nicht veranlasst (§ 132 Abs. 3 Satz 1 GVG). Der 2. Strafsenat zieht seine abweichende Auslegung des Rahmenbeschlusses lediglich ergänzend für die Versagung einer entsprechenden Anwendung des Härteausgleichs wegen unterbliebener Gesamtstrafenbildung mit Verurteilungen im In- und Ausland heran. Wird der Begriff des Härteausgleichs zutreffend eng auf im Einzelfall entgangene Rechtsvorteile grundsätzlich anwendbarer innerstaatlicher Gesamtstrafenbildung bezogen (vgl. näher d a.E.), ist er auf einen Fall der hier vorliegenden Art in der Tat nicht anzuwenden.
11
Auch ein Vorlageverfahren nach Art. 234 EUV ist nicht angezeigt. Dem im Rahmenbeschluss enthaltenen, auf das Recht der Mitgliedstaaten jeweils unmittelbar wirkenden Gebot (vgl. nur EuGH, Urteil vom 10. Juni 2005 Rs-C 105/03 – Pupino, NJW 2005, 2839) gegenseitiger Rücksichtnahme auf strafgerichtliche Verurteilungen anderer Mitgliedstaaten kann durch die nationalen Gerichte im deutschen Strafrecht ohne weiteres Geltung verschafft werden. Eine entsprechende Anwendung des sogenannten Härteausgleichs ist dazu nicht zwingend erforderlich. Zureichend ist die Berücksichtigung einer gemessen an innerstaatlichen Maßstäben gesamtstrafenfähigen ausländischen Vorverurteilung im Rahmen der allgemeinen tatrichterlichen Strafzumessung nach § 46 StGB (ähnlich BGH NStZ-RR 2009, 200). Diese freilich ist gemeinschaftsrechtlich eindeutig geboten.
12
d) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass mit Rücksicht auf die Wirkungen der Strafe, die für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten sind, das Gesamtstrafübel bei Festsetzung der neuen Strafe nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB im Blick behalten werden muss (vgl. BGHSt 41, 310, 314; Theune in LK StGB 12. Aufl. § 46 Rdn. 10 ff. m.N.). Der Tatrichter hat danach grundsätzlich das gesamte Gewicht der verhängten Strafe und ihrer Folgen in seine Entscheidung einzustellen (vgl. nur BGH aaO; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung 4. Aufl. 2008 Rdn. 415 ff. m.N.). In diesem Sinne ist ein wegen der neuerlichen Verurteilung drohender Widerruf einer vormals gewährten Strafaussetzung zur Bewährung und damit ein insgesamt längerer Freiheitsentzug zu berücksichtigen (vgl. BGHSt aaO). Gleiches gilt für eine drohende Ist-Ausweisung, sofern diese im Einzelfall eine außergewöhnliche Härte für den Angeklagten darstellt (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 5; BGH StV 2008, 298), und für berufs- oder dienstrechtliche Folgen einer Verurteilung (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 8 und 18; Schäfer /Sander/van Gemmeren aaO Rdn. 430).
13
Dieses im allgemeinen strafzumessungsrechtlichen Sinne verstandene Gesamtstrafübel ist auch nicht etwa deckungsgleich mit dem vom 2. Strafsenat für Fälle der vorliegenden Art ausgeschlossenen sogenannten Härteausgleich. Während der Härteausgleich den spezifischen und systemimmanenten Zufälligkeiten der Gesamtstrafenbildung geschuldeten Nachteilen Rechnung tragen soll (vgl. Rissing-van Saan in LK 12. Aufl. § 55 Rdn. 34 m.N.; Bringewat, Die Bildung der Gesamtstrafe 1987 Rdn. 250 ff., 257), hat der Gesichtspunkt des Gesamtstrafübels die Auswirkungen der Strafe auf den Angeklagten im Blick. Mit Rücksicht auf die durch die ausländische Vorverurteilung bewirkte Zusatzbelastung kann es letztlich auch keinen Unterschied machen, ob die an sich gesamtstrafenfähige Vorverurteilung aus einem Mitgliedstaat oder einem Drittstaat herrührt. Das gebietet schon der Grundsatz der Strafgerechtigkeit.
14
e) Um jedenfalls dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme Rechnung zu tragen, ist eine Erörterung des mit der ausländischen Vorverurteilung möglicherweise verbundenen Gesamtstrafübels in den schriftlichen Urteilsgründen regelmäßig notwendig. Aus Gründen der Strafgerechtigkeit muss dies auch für feststehende entsprechende Bestrafungen in Drittländern gelten. Die Strafzumessung muss dabei erkennen lassen , inwieweit diesem Umstand strafmildernde Wirkung beigemessen worden ist. Angesichts grundsätzlicher Geltung der gesetzlichen Grenzen der Strafrahmen (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 200) wird in ganz anders als hier gelagerten Fällen eine Anwendung der Vollstreckungslösung zu erwägen sein (vgl. BGHSt 52, 124 sowie Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2009 – 5 StR 433/09 Tz. 10 m.N., zur Aufnahme in BGHSt bestimmt, für den Fall nicht mehr möglicher Gesamtstrafenbildung von Geldstrafe mit lebenslanger Freiheitsstrafe). In Ermangelung eines echten Härteausgleichs (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 26. Januar 2010 – 5 StR 478/09) hält der Senat zunächst indes die generelle Anwendung der Vollstreckungslösung auf Fälle dieser Art nicht für zwingend.
15
3. Das Landgericht hat es hier unterlassen, das mit der zweiten Gesamtfreiheitsstrafe und der dänischen Vorverurteilung verbundene Gesamtstrafübel in seinen Urteilsgründen darzulegen. Angesichts der Höhe der Einzelstrafen und des engen zeitlichen Zusammenhangs war eine ausdrückliche Erörterung hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich (vgl. BGH NStZ 2000, 137, 138). Ein Beruhen auf diesem Rechtsfehler vermag der Senat nicht auszuschließen; es liegt vielmehr in Ermangelung jeglicher damit zusam- menhängender Strafmilderung auf der Hand. Vor dem Hintergrund der ansonsten ausführlichen Strafzumessungserwägungen der Strafkammer und zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung bei der angesichts der Kürze der im Ausland verhängten Strafe begrenzten strafmildernden Wirkung sieht der Senat von einer Teilaufhebung und Zurückverweisung ab; er vermindert von sich aus die betroffene zweite Gesamtfreiheitsstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO um zwei Monate (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 43, 44).
16
Trotz des geringen Teilerfolgs der Revision des angeklagten P. hält es der Senat nicht für unbillig, auch diesen Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Basdorf Raum Schaal Schneider König

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.

(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.