Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2012 - 1 StR 662/11

bei uns veröffentlicht am07.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 662/11
vom
7. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2012 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten S. gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14. September 2011 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass er wegen einer Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt ist, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt ist. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "Anstiftung zu 115 Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt, jeweils rechtlich zusammentreffend mit gewerbsmäßigem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird".
2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des angefochtenen Urteils (§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO).
3
I. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor; Verfolgungsverjährung ist für die im Zeitraum 2001 bis 2003 begangenen Taten nicht eingetreten.
4
Der vorliegende konkrete Einzelfall gibt dem Senat keinen Anlass von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, dass bei echten Unterlassungsdelikten wie § 266a Abs. 1 StGB und § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB die Taten erst beendet sind, wenn die Beitragspflicht erloschen ist, sei es durch Beitragsentrichtung , sei es durch Wegfall des Beitragsschuldners (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 11. August 2011 - 1 StR 295/11; Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 - 1 StR 111/10 mwN; BGH, Beschluss vom 27. September 1991 - 2 StR 315/91).
5
II. Der Schuldspruch (§ 26 StGB zu § 266a StGB in Tateinheit mit § 263 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
1. Das Landgericht hat die im Entscheidungszeitpunkt geänderte, dem Angeklagten günstigere Rechtslage nicht berücksichtigt.
7
Von dem durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842) neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst, so dass die Vorenthaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen nach neuem Recht dem Betrug als lex specialis vorgeht (vgl. BTDrucks. 15/2573 S. 28; Senatsbeschluss vom 24. April 2007 - 1 StR 639/06 mwN). Diese Gesetzeslage ist bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise als die dem Angeklagten günstigere gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen. Dies gilt hier schon deshalb, weil die Strafkammer das Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB bejaht hat (vgl. hierzu Senatsbeschluss aaO und BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2007 - 5 StR 481/07 und 5 StR 482/07).
8
Daher hat die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Betruges zu entfallen.
9
Entgegen der Auffassung des Revisionsführers wäre ansonsten die Bejahung eines Betruges grundsätzlich nicht zu beanstanden gewesen. Denn den Urteilsgründen (insbesondere UA S. 10 und UA S. 11 ff.) lassen sich hinreichend die jeweiligen Einzugsstellen entnehmen und, dass der Arbeitgeber dort erfasst ist (vgl. zur Problematik auch Senatsbeschluss vom 18. Mai 2010 - 1 StR 111/10). Nach den Feststellungen wurden die zuständigen Einzugsstellen über die jeweils fortbestehende Verpflichtung zur Abführung der Beiträge getäuscht (vgl. auch Senatsurteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10 Rn. 29).
10
2. Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass der Angeklagte in rechtlicher Hinsicht nur eine Anstiftungshandlung (zu 115 Fällen) begangen hat und auch deshalb der Schuldspruch entsprechend zu ändern ist.
11
Der Senat schließt aus, dass der Angeklagte sich bei einem Hinweis gemäß § 265 StPO anders, insbesondere erfolgreicher hätte verteidigen können und stellt daher den Schuldspruch selbst in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang um.
12
III. Die Änderung des Schuldspruchs hat den Fortfall der vom Landgericht festgesetzten Einzelstrafen zur Folge. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass bei richtiger Bewertung des Konkurrenzverhältnisses (einerseits betreffend die Anzahl der Taten und andererseits hinsichtlich des Zurücktretens des Betruges) und bei Berücksichtigung auch der Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 28, 49 StGB im Ergebnis eine (noch) niedrigere Strafe verhängt worden wäre. In Übereinstimmung mit dem Antrag des Generalbundesanwalts ist der Senat der Überzeugung, dass nach dem Tatbild und dem durch die Anstiftungshandlung des Angeklagten verwirklichten Un- recht der Tatrichter auf keine geringere Strafe als die - zur Bewährung ausgesetzte - Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten erkannt hätte.
13
Auf die Frage, ob diese in Anbetracht aller Umstände milde Strafe gemäß § 354 Abs. 1a StPO ohnehin angemessen wäre, kommt es danach nicht an.
14
IV. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Sander

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 295/11
vom
11. August 2011
BGHSt: nein
BGHR: nein
Nachschlagewerk: nein
Veröffentlichung: ja
____________________________
Bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, die den Tatbestand des § 266a
Abs. 2 erfüllen, wirkt die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung - anders als im
originären Anwendungsbereich des § 266a Abs. 1 StGB (vgl. insoweit BGH,
Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318) - regelmäßig nicht
tatbestandsausschließend.
BGH, Beschluss vom 11. August 2011 - 1 StR 295/11 - LG Coburg
in der Strafsache
gegen
wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. August 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Coburg vom 16. Februar 2011 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen waren die in den
„Drückerkolonnen“ des Angeklagten beschäftigten Personen vollständig in den
Betrieb des Unternehmens des Angeklagten eingegliedert und dessen Weisungen
unterworfen. Diese Feststellungen tragen die rechtliche Wertung des
Landgerichts, dass der Angeklagte Arbeitgeber der in seinem Unternehmen
beschäftigten Personen war. Für die Beurteilung, ob ein sozialversicherungsund
lohnsteuerpflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, sind allein die tatsächlichen
Gegebenheiten maßgeblich. Liegt danach ein Arbeitsverhältnis vor, können die
Vertragsparteien die sich hieraus ergebenden Beitragspflichten nicht durch eine
abweichende vertragliche Gestaltung beseitigen (vgl. BGH, Beschluss vom
7. Oktober 2009 - 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337 mwN). Dem steht auch die
von der Revision angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom
9. Juni 2010 (5 AZR 332/09, NJW 2010, 2455) nicht entgegen. Danach ist bei
der Gesamtwürdigung eines Sachverhaltes zur Klärung der Frage, ob ein Ar-
beitsverhältnis vorliegt „zudem die Vertragstypenwahl der Parteien zu berücksichtigen“.
Lediglich dann, „wenn die tatsächliche Handhabung nicht zwingend
für ein Arbeitsverhältnis spricht, müssen sich die Parteien an dem von ihnen
gewählten Vertragstypus festhalten lassen“ (BAG aaO 2457). Vorliegend sind
indes auf Grundlage der getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen eines
Arbeitsverhältnisses zweifelsfrei gegeben.
2. Das Landgericht hat der Verurteilung auch keine zu hohen Schwarzlohnsummen
zu Grunde gelegt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang geltend
macht, die Einbeziehung der Zahlungen des Angeklagten für Verpflegung
und Unterkunft der Arbeitnehmer sei zu Unrecht erfolgt, verkennt sie, dass die
Zahlungen nicht zusätzlich, sondern anstatt des Gehaltes gezahlt worden sind.
Bereits aus diesem Grund greift die Einschränkung des § 1 ArEV bzw. des § 1
Abs. 1 Nr. 1 SvEV nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juli 2009 - 1 StR 150/09,
NStZ-RR 2009, 339).
3. Angesichts der Tatsache, dass das Landgericht sowohl die Höhe der an die
Arbeitnehmer gezahlten Schwarzlöhne als auch die Beitragssätze der zuständigen
Krankenkassen rechtsfehlerfrei festgestellt hat, ist dem Senat auch ohne
weiteres die Überprüfung der durch die Taten verursachten Schäden möglich.
Die auf Grundlage der getroffenen Feststellungen vorzunehmende Hochrechnung
der Schwarzlöhne nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV und die sich daran
anschließende Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge ist
Rechtsanwendung. Insoweit gilt ebenso wie bei der Berechnungsdarstellung im
Falle der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung, dass das Tatgericht nicht
gehalten ist, den eigentlichen Berechnungsvorgang als Teil der Subsumtion im
Urteil darzustellen, sofern dieser vom Revisionsgericht selbst durchgeführt wer-
den kann. Freilich empfiehlt sich eine solche Berechnungsdarstellung auch bei
der Verurteilung wegen Taten nach § 266a StGB, weil sie die Nachvollziehbarkeit
des Urteils erleichtert. Zudem bietet die Berechnungsdarstellung die Möglichkeit
zu kontrollieren, ob die im konkreten Fall erheblichen Tatsachen im angefochtenen
Urteil festgestellt sind (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 12. Mai
2009 - 1 StR 718/08, NStZ 2009, 639).
4. Dass - wie von der Revision behauptet - dem Angeklagten die Zahlung der
Sozialversicherungsbeiträge unmöglich gewesen wäre, ergibt sich - wie der
Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend feststellt - aus den
Urteilsgründen nicht. Anhaltspunkte, die weitere Feststellungen der Strafkammer
zur Zahlungsfähigkeit geboten hätten, sind nicht ersichtlich. Auch die Revision
trägt insoweit keine Umstände von Gewicht vor.
Dessen ungeachtet wirkt in Fällen der vorliegenden Art - d.h. bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen
- die Unmöglichkeit der Beitragsentrichtung - anders
als im originären Anwendungsbereich des § 266a Abs. 1 StGB (vgl. insoweit
BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318) - regelmäßig
nicht tatbestandsausschließend.
Anders als im Rahmen von § 266a Abs. 1 StGB besteht vorliegend die Tathandlung
nicht im Vorenthalten - also dem schlichten Nichtzahlen - der Sozialversicherungsbeiträge.
Hier ist das Vorenthalten vielmehr Folge der in § 266a
Abs. 2 StGB definierten Tathandlungen. Bei dem Tatbestand des § 266a
Abs. 2 Nr. 1 StGB handelt es sich dabei um ein Erfolgsdelikt, das an einem aktiven
Tun anknüpft. Lediglich im Rahmen des Tatbestands des § 266a Abs. 2
Nr. 2 StGB ist ein echtes Unterlassungsdelikt gegeben (Fischer, StGB 58. Aufl.,
§ 266a Rn. 21). Anders als § 266a Abs. 1 StGB enthält der Tatbestand des
§ 266a Abs. 2 StGB mithin über die Nichtzahlung hinausgehende Unrechtselemente
(vgl. Wiedner in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht,
1. Aufl. 2011, § 266a Rn. 64: „Die Pflichtverletzungen des Arbeitgebers nach
Nr. 1 und 2 verkörpern ein erhöhtes Unrecht und eine typische Gefahrerhöhung
im Hinblick auf die eintretende Beitragsvorenthaltung“).
Hierbei ist zwischen den das Unrecht des Tatbestands prägenden Tathandlungen
des § 266a Abs. 2 StGB und dem Vorenthalten als deren Folge keine strikte
äquivalente Kausalität in dem Sinne erforderlich, dass der Arbeitgeber ohne
die Tathandlung - also bei ordnungsgemäßen Angaben - die Beiträge gezahlt
haben müsste. Der Zusammenhang ist vielmehr wie im Fall des gleichlautenden
§ 370 Abs. 1 AO funktional zu verstehen (vgl. Wiedner aaO), was auch der
Absicht des Gesetzgebers entspricht, die Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen
bei Verletzung von Erklärungspflichten in Anlehnung an § 370
AO unter Strafe zu stellen (BT-Drucks. 15/2573 S. 28).
Die bei Verwirklichung des Tatbestandes des § 266a Abs. 1 StGB als echtem
Unterlassensdelikt geltenden allgemeinen Grundsätze, wonach dem Handlungspflichtigen
die Erfüllung seiner gesetzlichen Pflicht möglich und zumutbar
sein müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47,
318, 320), können daher hinsichtlich der Tatbestandsalternative des § 266a
Abs. 2 Nr. 1 StGB von vornherein keine Anwendung finden. Lediglich bei dem
echten Unterlassungsdelikt des § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB sind sie zu beachten.
Möglich und zumutbar muss dann allerdings nur die Erfüllung der Handlungspflichten
sein, deren Verletzung im Tatbestand vorausgesetzt wird. Das sind die
sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten, namentlich die nach § 28a SGB
IV. Demgegenüber gelten sie nicht im Hinblick auf die Folge des Unterlassens,
d.h. dem Vorenthalten der Sozialversicherungsbeiträge.
Soweit in Fällen der vorliegenden Art der Tatbestand des § 266a Abs. 1 StGB
ebenfalls durch betrugsähnliche, in § 266a Abs. 2 StGB beschriebene Handlungen
verwirklicht und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vorenthalten
werden, finden die für echte Unterlassensdelikte geltenden allgemeinen
Grundsätze aufgrund der vorstehenden Erwägungen ebenfalls keine Anwendung.
Denn der Gesetzgeber beabsichtigte insoweit eine einheitliche Anwendung
beider Absätze in der Praxis (BT-Drucks. 15/2573 S. 28), die im Hinblick
auf den über das schlichte Nichtzahlen der angemeldeten Sozialversicherungsbeiträge
hinausgehenden Unrechtsgehalt der Taten auch geboten ist. Hinzu
kommt, dass im Hinblick auf eine eventuelle Unmöglichkeit der Zahlung der
Arbeitnehmeranteile in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig ein schuldhaftes
Vorverhalten gegeben ist („omissio libera in causa“, vgl. insoweit BGH, Be-
schluss vom 28. Mai 2002 - 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320 ff.), so dass die
Unmöglichkeit der Zahlung der Beiträge zum Fälligkeitszeitpunkt ohnehin nicht
tatbestandsausschließend wirken würde (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Mai
1987 - 3 StR 460/86, wistra 1987, 290, 291 f.).
Dem steht auch § 266a Abs. 6 StGB nicht entgegen. Ungeachtet des ohnehin
eingeschränkten Anwendungsbereichs, den die Vorschrift bei Taten nach
§ 266a Abs. 2 StGB hat (vgl. Laitenberger NJW 2004, 2703, 2706; Joecks
wistra 2004, 441, 443), bleibt der Strafaufhebungsgrund des § 266a Abs. 6
StGB erhalten, soweit die Tat nach § 266a Abs. 2 StGB begangen wurde, weil
eine fristgemäße Zahlung nicht möglich war. In Fällen der vorliegenden Art, bei
denen die Tat keine Reaktion auf wirtschaftliche Probleme des Arbeitgebers,
sondern vielmehr Folge eines von vornherein auf Umgehung der Beitragszahlungen
angelegten Tatplans war, ist demgegenüber für die Anwendung des
§ 266a Abs. 6 StGB ohnehin kein Raum (vgl. Laitenberger aaO).
Die vorstehende, sich aus Wortlaut und Systematik der Vorschrift ergebende
Auslegung wird zudem - neben den bereits angeführten Gesichtspunkten aus
der Entstehungsgeschichte des Tatbestands - vom Willen des Gesetzgebers
getragen. Mit der Einführung des neuen § 266a Abs. 2 StGB durch das Gesetz
zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender
Steuerhinterziehung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I, 1842) sollten die
Strafbarkeitslücken geschlossen werden, die bis dahin in Fällen des Beitragsbetrugs
gegeben waren (vgl. BT-Drucks. 15/2573 S. 28). Der Tatbestand des
§ 263 StGB war in Fällen der vorliegenden Art nach zutreffender Auffassung
bereits dann erfüllt, wenn die Beitragsforderungen irrtumsbedingt nicht festgesetzt
und beigetrieben wurden (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1983 - 4 StR
477/83, wistra 1984, 66, 67; BGH, Urteil vom 25. Januar 1984 - 3 StR 278/83,
BGHSt 32, 236, 240; BGH, Urteil vom 13. Mai 1987 - 3 StR 460/86, wistra
1987, 290, 291 f.; a.A. obiter dictum BGH, Beschluss vom 12. Februar 2003
- 5 StR 165/02, NJW 2003, 1821, 1824). Dass der Gesetzgeber dahinter zurückbleiben
wollte, ist nicht ersichtlich.
Der Schriftsatz der Verteidigung vom 8. August 2011 lag dem Senat bei dieser
Entscheidung vor.
Nack Elf Graf
RiBGH Prof. Dr. Jäger ist
urlaubsabwesend und deshalb
an der Unterschrift gehindert.
Nack Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 111/10
vom
18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 27. Oktober 2009 in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe (Beitragszeiträume Januar 1996 bis einschließlich Juni 2004) und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Die Feststellungen zur Höhe der vorenthaltenen und veruntreuten Beiträge zur Sozialversicherung in den Fällen 1 bis einschließlich 79 der Urteilsgründe werden ebenfalls aufgehoben. Die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zehn Fällen schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 102 Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt jeweils in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in zehn Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Diese hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte alleiniger Geschäftsführer der Firma B. GmbH. Die Gesellschaft beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, für die die vorgeschriebenen Meldungen nach § 28f Abs. 3, § 28a SGB IV und nach § 41a EStG abgegeben wurden, daneben aber auch zwischen Januar 1996 und April 2005 eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer, ohne diese Arbeitsverhältnisse den zuständigen Sozialversicherungsträgern und dem zuständigen Finanzamt zu melden. Zur Verschleierung dieser Arbeitsverhältnisse schloss der Angeklagte mit den Arbeitnehmern zum Schein Werkverträge , um den Eindruck zu erwecken, insoweit handele es sich um selbstständige Subunternehmer der B. GmbH.
4
Durch die pflichtwidrig unterlassenen Meldungen an die Sozialversicherungsträger wurden nach den Feststellungen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.918.546,25 Euro vorenthalten. Hierbei handelt es sich allein um Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung, da die Gehälter der Arbeitnehmer über der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V lagen, so dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse bestand.
5
Das Landgericht wertete das Unterlassen der Meldungen an die Sozialversicherungsträger für die Beitragszeiträume zwischen Januar 1996 und Juni 2004 als Betrug i.S.v. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB. Für den Zeitraum zwischen Juli 2004 bis April 2005 ist der Angeklagte nach der Wertung des Landgerichts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 2 StGB schuldig.
6
2. Die Feststellungen tragen in den Fällen 103 bis 112 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Insoweit berichtigt der Senat lediglich den Schuldspruch. In Fällen der vorliegenden Art ist im Tenor eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 266a StGB nur als „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ zum Ausdruck zu bringen. Die neben § 266a Abs. 1 StGB erfolgende Anwendung des § 266a Abs. 2 StGB wirkt sich lediglich auf den Schuldumfang aus und führt nicht zu einer tateinheitlichen Verwirklichung verschiedener Tatbestände (vgl. BGH NStZ 2007, 527; wistra 2008, 180; StraFo 2008, 219). Auch der Schuldumfang wurde in diesen Fällen von der Strafkammer auf der Grundlage eines nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV hochgerechneten Bruttolohns (vgl. BGHSt 53, 71) zutreffend bestimmt.
7
3. Demgegenüber tragen die bisherigen Feststellungen eine Verurteilung wegen Betruges in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe nicht.
8
a) Für den insoweit fraglichen Tatzeitraum kommt zwar grundsätzlich beim Unterlassen der Meldung von Arbeitnehmern an die zuständigen Sozialversicherungsträger eine Verurteilung wegen Betruges in Betracht. Denn den Arbeitgeber trifft nach § 28a SGB IV eine Meldepflicht, wonach er die für die Bemessung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags maßgeblichen - im Gesetz im Einzelnen aufgeführten - Anknüpfungstatsachen hinsichtlich aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der Einzugsstelle mitzuteilen hat. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, indem er bewusst unwahre oder unvollständige Angaben macht, die zu einem geringeren Gesamtsozialversicherungsbeitrag führen, kann dies eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellen.
9
b) Eine Täuschung kann in solchen Fällen jedoch nur angenommen werden , wenn durch das Unterlassen der Meldung der Arbeitnehmer gegenüber einem Mitarbeiter einer Einzugsstelle zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht wird, dass keine oder lediglich die gemeldeten Arbeitnehmer tatsächlich bei dem fraglichen Arbeitgeber beschäftigt sind. Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt: „Täuschungen und korrespondierende Irrtümer von Mitarbeitern einer Einzugsstelle durch unrichtige Meldungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern kommen nur in Betracht, wenn und soweit hinsichtlich der beschäftigten Arbeitnehmer Meldungen an diese Einzugsstelle hätten erfolgen müssen (vgl. § 28f, 28i SGB IV). Darauf beschränkt sich der Erklärungswert der Meldungen und die Mitarbeiter der Einzugsstelle machen sich nur insoweit Gedanken über die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen. Falls gegenüber den für beschäftigte Arbeitnehmer zuständigen Einzugsstellen keine Erklärungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern erfolgen, kann bei den Mitarbeitern der zuständigen Einzugsstellen ein Irrtum nur vorliegen , wenn der Arbeitgeber dort erfasst ist (vgl. BGHR StGB § 266a Arbeitgeber 1; BGHR StGB § 263 Abs 1 Irrtum 5 und 8; BayObLG Beschluss vom 19.03.2002 - 5 St R R 33/02 -; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 3. Aufl. Kap. 17 Rn. 52; Fischer StGB 57. Aufl. § 263 StGB Rn. 57; LK/Gribbohm 11. Aufl. § 266a StGB Rn. 115 f.; LK/Tiedemann 11. Aufl. § 263 StGB Rn. 78; Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 36 Rn. 67). Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass im Tatzeitraum einzelne Arbeitnehmer angemeldet waren, weitere vierzig Arbeitnehmer dagegen nicht (UA S. 16). Es bleibt danach offen, an welche Einzugsstelle Meldungen erfolgten (UA S. 16: ‚bei den Sozialversicherungsträgern gemeldeten Arbeitnehmern’).“
10
Es hätte mithin weiterer Feststellungen dazu bedurft, gegenüber welchen Krankenkassen der Angeklagte sozialversicherungsrechtliche Meldungen abgeben hatte. Allein dann, wenn sich unter diesen Krankenkassen die für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen befunden haben, kommt aufgrund der vorstehenden Erwägungen eine Verurteilung wegen Betruges in Betracht. Sollten sich die für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen nicht unter den Krankenkassen befinden, gegenüber denen der Angeklagte Meldungen abgab und war die B. GmbH als Arbeitgeber auch nicht aus anderen Gründen bei den für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen erfasst, kommt in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe lediglich eine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB in Betracht.
11
Darüber hinaus hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, welche Krankenkasse für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständig war. Insoweit führt der Generalbundesanwalt aus: „Hinsichtlich der nicht gemeldeten vierzig Arbeitnehmer beschränken sich die Urteilsgründe darauf, die BKK als zuständige Einzugsstelle zu bezeichnen. Diese rechtliche Bewertung ist nicht durch Tatsachen belegt. Zudem dürfte es angesichts der aus den Urteilsgründen ersichtlichen früheren Beschäftigungsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer ausgeschlossen sein, dass für alle die bezeichnete Krankenkasse zuständig war oder gewesen wäre (vgl. UA S. 16 ff., 73 ff.). Es liegt nahe, dass das Landgericht sich an der Auffangzuständigkeit nach § 28i S. 2 SGB IV i.V.m. §§ 28f Abs. 2 SGB IV, 175 Abs. 3 S. 3 SGB V orientiert hat (vgl. UA S. 15).“
12
Dem schließt sich der Senat an.
13
4. Das Landgericht hat zudem in den Fällen 1 bis 79 der Urteilsgründe (Beitragszeitraum Januar 1996 bis Juli 2002) der Verurteilung einen unzutreffenden Schuldumfang zu Grunde gelegt. Bis zur Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV konnte in Fällen illegaler Beschäftigung eine Nettolohnabrede nicht angenommen werden (vgl. BGHSt 53, 71 m.w.N.). Demnach war der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge der tatsächlich an die illegal beschäftigten Arbeitnehmern gezahlte Lohn zu Grunde zu legen.
14
Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Strafkammer zum Beleg ihrer Rechtsauffassung zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urt. vom 22. September 1988 - 12 RK 36/86 - = BSGE 64, 110). Dort ist vielmehr lediglich festgestellt, dass nach Aufdeckung eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses und damit einhergehender erfolgreicher Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Zahlung von bis dahin vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer für den Arbeitnehmer durch die Befreiung der ihn treffenden Belastungen weiteres sozialversicherungspflichtiges Entgelt gegeben ist. Dies führt zu einer Beitragsnachzahlung durch den Arbeitgeber. Zu den Tatzeitpunkten der Vergehen nach § 266a bzw. § 263 StGB bemessen sich die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge indes allein auf der Grundlage des Schwarzlohnes.
15
5. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe zur Aufhebung der Verurteilung wegen Betruges. Die diesbezüglichen Feststellungen können indes aufrechterhalten bleiben, da sie lediglich lückenhaft sind bzw. - soweit die Strafkammer in den Fällen 1 bis 79 der Urteilsgründe der Verurteilung einen zu großen Schuldumfang zu Grunde gelegt hat - auf rechtlichen Wertungsfehlern beruhen. Insoweit bedarf es in diesen Fällen lediglich der Aufhebung der Feststellungen zur Höhe der vorenthaltenen Sozial- versicherungsbeiträge. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich (§ 349 Abs. 4 StPO).
16
6. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, Folgendes zu berücksichtigen :
17
a) In den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe kann aus prozessökonomischen Gründen eine Beschränkung des Verfahrens nach § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Betracht kommen. Insoweit würde sich der tatbestandsmäßige Schuldumfang auf die Höhe der vorenthaltenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung reduzieren.
18
b) Soweit in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe die Voraussetzungen des Sozialversicherungsbetruges festgestellt werden können, kann § 266a Abs. 2 StGB nF als milderes Gesetz i.S.v. § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden sein (BGH wistra 2007, 307; wistra 2008, 180; StraFo 2008, 219). Zudem wurde durch das 6. StrRG § 263 Abs. 3 StGB geändert.
19
c) Für die Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe bedarf es im Hinblick auf § 55 StGB weitergehender Feststellungen dazu, wann die B. GmbH im Handelsregister gelöscht wurde und insoweit als Beitragsschuldnerin weggefallen ist, was zum Erlöschen der Beitragspflicht führt. Denn Taten nach § 266a Abs. 1 StGB sind erst beendet, wenn die Beitragspflicht erloschen ist (BGHSt 53, 24; wistra 1992, 23). Gleiches gilt bei § 266a Abs. 2 StGB und § 263 StGB in den Fällen des Sozialversicherungsbetruges, bei denen es sich um Erfolgsdelikte handelt. Beendigung ist insoweit erst mit dem vollständigen Eintritt des angestrebten Erfolges gegeben. Die Frage, wann für die einzelnen Taten des vorliegenden Verfahrens Tatbeendigung gegeben ist, ist aber entscheidend dafür , ob und ggfs. in welchem Umfang nach § 55 Abs. 1 StGB zu verfahren ist. Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt: „‚Begangen’ i.S.v. § 55 Abs. 1 S. 1 StGB ist eine Tat erst mit deren Beendigung (Fischer StGB 57. Aufl. § 55 StGB Rn. 7; LK/Rissing-van-Saan 12. Aufl. § 55 StGB Rn. 9 jew. m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten). Dies gilt auch für echte Unterlassungsdelikte (Senat BGHR StGB § 55 Abs 1 Begehung 1; zu Dauerdelikten Senat Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03; BGH NJW 1999, 1344).“ Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Jäger

Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 639/06
vom
24. April 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. April 2007 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landsgerichts Bamberg vom 26. September 2006
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 36 Fällen schuldig ist;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 55 Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die erhobenen Verfahrensrügen genügen aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. Februar 2007 dargelegten Gründen nicht den formellen Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
3
2. Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge führt zu einer Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung der Einzelstrafaussprüche und des Gesamtstrafenausspruchs.
4
a) Das Landgericht ist auf Grundlage der im Tatzeitraum - Januar 2001 bis Dezember 2002 - geltenden Rechtslage zutreffend von einem Vorrang von § 263 StGB gegenüber § 266a StGB aF ausgegangen (vgl. hierzu BGH NStZ-RR 2006, 308). Es hat jedoch die im Entscheidungszeitpunkt geänderte, dem Angeklagten günstigere Rechtslage nicht berücksichtigt.
5
Von dem durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1842) neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst, sodass die Vorenthaltung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen nach neuem Recht dem Betrug als lex specialis vorgeht (vgl. BTDrucks. 15/2573 S. 28; Lackner/Kühl, StGB 25. Aufl. § 266a Rdn. 20; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 266a Rdn. 28). Diese Gesetzeslage ist bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise (vgl. Tröndle/ Fischer, StGB 54. Aufl. § 2 Rdn. 10) als die dem Angeklagten günstigere gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen. Denn das Landgericht ist bei seiner Strafzumessung jeweils von besonders schweren Fällen des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB aufgrund gewerbsmäßiger Handlungsweise ausgegangen; gegenüber dem hierdurch eröffneten Strafrahmen einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren sieht § 266a Abs. 1 und 2 StGB die mildere Strafandrohung vor (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe). Dass das Landgericht bei Anwendung von § 266a StGB gleichfalls zur Annahme eines - auch unbenannten - besonders schweren Falles gemäß § 266a Abs. 4 StGB gelangt wäre, ist in Anbetracht der getroffenen Feststellungen auszuschließen, zumal auch der gewerbsmäßigen Begehungsweise als ein dem Tatbestand des § 266a StGB immanentes Merkmal im Regelfall keine strafschärfende Bedeutung zukommen kann.
6
b) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht beachtet, dass bei gleichzeitigem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen für mehrere Arbeitnehmer gegenüber derselben Einzugsstelle nur eine Tat anzunehmen ist (vgl. Gribbohm in LK 11. Aufl. § 266a Rdn. 108). Wie der Generalbundesanwalt im Einzelnen ausführt, verbleiben auf Grundlage der - fehlerfrei getroffenen - Feststellungen bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Betrachtung 36 Fälle des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt.
7
c) Der Rechtsfolgenausspruch kann trotz des im Hinblick auf die Höhe der hinterzogenen Beiträge unveränderten Schuldgehalts der festgestellten Taten keinen Bestand haben. Der neue Tatrichter wird die Einzelstrafen und die Gesamtstrafe unter Anwendung des zutreffenden Strafrahmens und auf Grundlage der geänderten konkurrenzrechtlichen Bewertung neu zu bestimmen haben. Soweit er dabei neue Einzelstrafen hinsichtlich der zu einer Tat zusammengezogenen gleichzeitigen Beitragsvorenthaltung gegenüber derselben Einzugsstelle festzusetzen hat, ist er durch das Verschlechterungsverbot nur gehindert , eine die Summe aus den bisherigen Einzelstrafen übersteigende neue Einzelstrafe zu verhängen (vgl. BGHR StPO § 358 Abs. 2 Nachteil 12; BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 - 4 StR 150/04 in NStZ-RR 2004, 294 insoweit nicht abgedruckt). Nack Wahl Kolz Hebenstreit Graf

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

5 StR 481/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007

beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 15. Dezember 2006 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch werden nach § 349 Abs. 4 StPO
a) der Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte – neben dem Vergehen nach dem Waffengesetz – der Steuerhinterziehung in 71 Fällen, des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 41 Fällen, der Beihilfe zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in zwei Fällen, der Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen, der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und der tateinheitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt schuldig ist,
b) die in den Fällen 285 bis 320 der Anklage verhängten Einzelstrafen auf jeweils vier Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 71 Fällen, wegen Betrugs in 36 Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in fünf Fällen, wegen Beihilfe zum Betrug in vier Fällen, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung, wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung , zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt sowie wegen eines Waffendelikts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist überwiegend unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Sie führt lediglich zu einer Schuldspruchänderung sowie zur Herabsetzung der in den Fällen täterschaftlichen Betrugs verhängten Einzelfreiheitsstrafen.
2
1. In den Fällen 215, 218 und 285 bis 320 der Anklage sowie in den (rechtsfehlerfrei zu einer Tat im Sinne des § 52 StGB zusammengezogenen) Fällen 326 bis 329 der Anklage hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht umfassend stand. Soweit das Landgericht in diesen Fällen das Verhalten des Angeklagten als Betrug bzw. als Beihilfe zum Betrug gewertet hat, ist der Angeklagte des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt bzw. der Beihilfe hierzu schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
3
a) Das Landgericht hat – im Ausgangspunkt zutreffend – auf der Grundlage der im Tatzeitraum bis Juli 2004 geltenden Rechtslage einen Vorrang des Straftatbestandes des Betrugs (§ 263 StGB) gegenüber der Strafnorm des § 266a StGB a.F. angenommen (vgl. BGH wistra 2003, 262, 265; 2006, 425, 426). Es hat jedoch – anders als in den Fällen 321 bis 325 der Anklage – nicht bedacht, dass die Vorschrift des § 266a StGB durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842) neu gefasst wurde.
4
aa) Danach gilt für die vor dem 1. August 2004 begangenen Fälle 215, 218 und 285 bis 320 der Anklage, dass die Vorschrift des § 266a StGB n.F. als das mildere Gesetz anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB).
5
(1) Von dem neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst. Die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen geht deshalb nach neuem Recht derjenigen wegen Betrugs als lex specialis vor (BGH wistra 2007, 307 m.w.N.).
6
(2) Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise erweist sich § 266a StGB n.F. als das für den Angeklagten günstigere Gesetz. Das Landgericht ist bei der Strafzumessung aufgrund der – an sich rechtsfehlerfrei angenommenen – gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten von einem besonders schweren Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) ausgegangen. Es hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, den es in den Fällen der Beihilfe gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. § 266a StGB n.F. enthält hingegen nicht die Gewerbsmäßigkeit als Regelbeispiel (vgl. dazu auch BGH aaO).
7
Dass das Landgericht bei Anwendung von § 266a StGB n.F. gleichfalls zur Annahme eines – auch unbenannten – besonders schweren Falles gemäß § 266a Abs. 4 n.F. StGB gelangt wäre, ist für die Fälle 215 und 218 der Anklage nicht sicher anzunehmen und für die Fälle 285 bis 320 der Anklage sogar auszuschließen. Denn das Landgericht hat den Straftatbestand des § 266a StGB n.F. auf die nach dem 1. August 2004 begangenen, den Fällen 285 bis 320 der Anklage gleichgelagerten Taten angewendet; dabei hat es diese jedoch nicht als besonders schwere Fälle im Sinne von § 266a Abs. 4 StGB n.F. eingestuft.
8
bb) Bezüglich der Fälle 326 bis 329 der Anklage folgt die Anwendung des § 266a StGB n.F. bereits aus § 2 Abs. 1 StGB. Denn der Angeklagte beging einen Teil seiner – hier zutreffend als eine einheitliche Beihilfehilfehandlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB gewerteten – Tatbeiträge nach dem 1. August 2004. In diesem Punkt kann freilich angesichts eines Mindestscha- dens von 780.000 € die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles keinen Zweifeln unterliegen und ausgeschlossen werden, dass die Strafe danach geringer ausgefallen wäre.
9
b) Die Fälle 334 und 335 der Anklage, die das Landgericht ebenfalls als Beihilfe zum Betrug gewertet hat, sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen. Sie beziehen sich nicht auf das Vorenthalten oder Veruntreuen von Arbeitsentgelt.
10
2. Der Senat setzt die Einzelstrafen in den Fällen 285 bis 320 der Anklage in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils von sechs Monaten auf vier Monate Freiheitsstrafe herab.
11
a) Das Landgericht hat den Angeklagten in den Fällen 321 bis 325 der Anklage (Tatzeitraum August bis Dezember 2004) rechtsfehlerfrei aus dem Strafrahmen des Grundtatbestandes des § 266a StGB n.F. zu kurzen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils vier Monaten verurteilt. Diese Taten bilden mit den zeitlich vorangehenden Fällen 285 bis 320 der Anklage, die sich weder in der Begehungsweise noch hinsichtlich des Hinterziehungsumfangs von den nachfolgenden unterscheiden, aber noch vor der Gesetzesänderung begangen wurden, eine einheitliche Tatserie. Das Landgericht hätte ersichtlich in allen gleichgelagerten Fällen der Tatserie Freiheitsstrafen von vier Monaten verhängt, wenn es jeweils neues Recht angewendet hätte.
12
b) Demgegenüber schließt der Senat bezüglich der Fälle 215 und 218 der Anklage aus, dass das Landgericht bei Anwendung des § 266a StGB n.F. auch aus einem nicht erhöhten Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen als die festgesetzten Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr und drei Monaten verhängt hätte. Dies ergibt sich aus folgenden tatrichterlichen Feststellungen: Der Angeklagte unterstützte in diesen Fällen als „Serviceunternehmer“ durch das Ausstellen und Weitergeben von Scheinrechnungen die systematische Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie von Lohn- und Um- satzsteuern im Baugewerbe in großem Umfang. Er verursachte dadurch Mindestschäden von jeweils über 150.000 Euro. Der Angeklagte war innerhalb einer Subunternehmerkette Teil eines gut organisierten Hinterziehungssystems , lebte von dem Handel mit Scheinrechnungen und betrieb damit die Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern „als Gewerbe“ (vgl. BGH wistra 2006, 428, 429; 2007, 145, 146 f. m.w.N.; Joecks wistra 2002, 201, 203 f.).
13
3. Die Herabsetzung der Einzelstrafen von sechs auf vier Monate Freiheitsstrafe in den genannten Fällen lässt die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren unberührt. Angesichts der Höhe der übrigen und zum Teil gewichtigeren Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe, der Vielzahl der Taten mit einem hohen Gesamtschaden sowie der vorstehend geschilderten Beteiligung des Angeklagten an der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern schließt der Senat aus, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der geänderten Einzelstrafen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte.
Basdorf Raum RiBGH Dr. Brause ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Basdorf Schaal Jäger
5 StR 482/07

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 20. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2007

beschlossen:
1. Die Revisionen des Angeklagten R. und des Angeklagten A. gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 30. März 2007 werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Jedoch werden auf die Revision des Angeklagte R. , soweit das Urteil diesen Angeklagten betrifft, nach § 349 Abs. 4 StPO
a) der Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte der Steuerhinterziehung in 97 Fällen, des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in 48 Fällen, des Betrugs in zwölf Fällen, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen, der tateinheitlichen Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in drei Fällen und des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist,
b) die in den Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129 sowie II. 144 bis II. 150 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen auf jeweils drei Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt.
2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten R. – unter Freisprechung im Übrigen – wegen Steuerhinterziehung in 97 Fällen, wegen Betrugs in 53 Fällen, wegen Vorenthaltens von Arbeitsentgelt in sieben Fällen, wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Ausschreibungen in zwei Fällen , wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung und zum Betrug, wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt in zwei Fällen sowie wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten R. führt lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs und zur Herabsetzung von Einzelfreiheitsstrafen. Sein weitergehendes Rechtsmittel ist – wie die Revision des unter anderem wegen Steuerhinterziehung und wegen tateinheitlicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zum Betrug und zum Vorenthalten von Arbeitsentgelt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilten Mitangeklagten A. insgesamt – aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung des Angeklagten R. hält in den Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129, II. 144 bis II. 150 und II. 158 bis II. 160 der Urteilsgründe rechtlicher Nachprüfung nicht umfassend stand. Die dadurch bedingte Herabsetzung eines Teils der Einzelstrafen lässt die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe unberührt.
3
a) Soweit das Landgericht in den genannten Fällen das Verhalten des Angeklagten als Betrug oder Beihilfe zum Betrug gewertet hat, ist der Angeklagte des Vorenthaltens von Arbeitsentgelt bzw. der Beihilfe hierzu schuldig. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. Er schließt aus, dass sich der Angeklagte bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
4
Das Landgericht hat – im Ausgangspunkt zutreffend – auf der Grundlage der im Tatzeitraum bis Juli 2004 geltenden Rechtslage einen Vorrang des Straftatbestandes des Betrugs (§ 263 StGB) gegenüber der Strafnorm des § 266a StGB a.F. angenommen (vgl. BGH wistra 2003, 262, 265; 2006, 425, 426). Es hat jedoch – anders als in den Fällen II. 151 bis II. 157 der Urteilsgründe – nicht bedacht, dass die Vorschrift des § 266a StGB durch Gesetz vom 23. Juli 2004 (BGBl I S. 1842) neu gefasst wurde.
5
aa) Danach gilt für die vor dem 1. August 2004 begangenen Fälle II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129, II. 144 bis II. 150 und II. 158 der Urteilsgründe , dass § 266a StGB n.F. als das mildere Gesetz anzuwenden ist (§ 2 Abs. 3 StGB).
6
(1) Von dem neu gefassten Tatbestand des § 266a StGB sind nunmehr auch betrugsähnliche Begehungsweisen erfasst. Die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen geht deshalb nach neuem Recht derjenigen wegen Betrugs als lex specialis vor (BGH wistra 2007, 307 m.w.N.).
7
(2) Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise erweist sich § 266a StGB n.F. als das für den Angeklagten günstigere Gesetz. Das Landgericht ist bei der Strafzumessung aufgrund der – an sich rechtsfehlerfrei angenommenen – gewerbsmäßigen Handlungsweise des Angeklagten von einem besonders schweren Fall des Betrugs (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB) ausgegangen. Es hat deshalb die Einzelstrafen jeweils dem Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB entnommen, den es in den Fällen der Beihilfe gemäß § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat. § 266a StGB n.F. enthält hingegen nicht die Gewerbsmäßigkeit als Regelbeispiel (vgl. dazu auch BGH aaO).
8
Dass das Landgericht bei Anwendung von § 266a StGB n.F. gleichfalls zur Annahme eines – auch unbenannten – besonders schweren Falles gemäß § 266a Abs. 4 n.F. StGB gelangt wäre, ist für den Fall II. 158 der Urteilsgründe nicht sicher anzunehmen und für die Fälle II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129 und II. 144 bis II. 150 der Urteilsgründe sogar auszuschließen. Denn das Landgericht hat den Straftatbestand des § 266a StGB n.F. auf die nach dem 1. August 2004 begangenen, den Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129 und II. 144 bis II. 150 der Urteilsgründe gleichgelagerten Taten angewendet ; dabei hat es diese jedoch nicht als besonders schwere Fälle im Sinne von § 266a Abs. 4 StGB n.F. eingestuft.
9
bb) Bezüglich der Fälle II. 159 und II. 160 der Urteilsgründe folgt die Anwendung des § 266 StGB n.F. bereits aus § 2 Abs. 1 StGB. Denn der Angeklagte beging einen Teil seiner – hier jeweils zutreffend als eine einheitliche Beihilfehilfehandlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB gewerteten – Tatbeiträge nach dem 1. August 2004.
10
b) Der Senat setzt die Einzelstrafen in den Fällen II. 84 bis II. 93, II. 106 bis II. 129 sowie II. 144 bis II. 150 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO jeweils von sechs Monaten auf drei Monate Freiheitsstrafe herab.
11
Das Landgericht hat den Angeklagten R. in den Fällen II. 151 bis II. 157 der Urteilsgründe (Tatzeitraum August 2004 bis Februar 2005) rechtsfehlerfrei aus dem Strafrahmen des Grundtatbestandes des § 266a StGB n.F. zu kurzen Einzelfreiheitsstrafen von jeweils drei Monaten verurteilt, ohne nach der Hinterziehungshöhe zu differenzieren. Da diese Taten den genannten – auch in der Begehungsweise – entsprechen, bestehen keine Zweifel, dass das Landgericht in allen gleichgelagerten Fällen der Tatserie Freiheitsstrafen von drei Monaten verhängt hätte, wenn es jeweils neues Recht angewendet hätte.
12
c) Demgegenüber schließt der Senat bezüglich der Fälle II. 158 bis II. 160 der Urteilsgründe aus, dass das Landgericht bei Anwendung des § 266a StGB n.F. auch aus einem nicht erhöhten Strafrahmen niedrigere Einzelstrafen als die festgesetzten Freiheitsstrafen von neun Monaten bzw. zweimal von einem Jahr sechs Monaten verhängt hätte. Dies ergibt sich aus folgenden tatrichterlichen Feststellungen: Der Angeklagte R. unterstützte in diesen Fällen als „Serviceunternehmer“ innerhalb einer Subunternehmerkette – insbesondere durch das Ausstellen und Weitergeben von Scheinrechnungen – seine Auftraggeber bei der systematischen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen sowie von Lohn- und Umsatzsteuern im Baugewerbe in großem Umfang. Die Scheinrechnungen dienten anderen Firmen innerhalb der Kette dazu, in ihrer Buchhaltung Lohnzahlungen „abzudecken“ und tatsächlich nicht entstandene Vorsteuerbeträge geltend zu machen. Der Angeklagte beteiligte sich damit an einem gut organisierten Hinterziehungssystem , lebte von dem Handel mit Scheinrechnungen und betrieb damit die Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern „als Gewerbe“ (vgl. BGH wistra 2006, 428, 429; 2007, 145, 146 f. m.w.N.; Joecks wistra 2002, 201, 203 f.). Er verursachte in diesen Fällen Mindestschäden von fast 40.000 Euro, rund 195.000 Euro sowie von mehr als 290.000 Euro und konnte durch seine Straftaten insgesamt ein erhebliches Vermögen bilden (UA S. 5, 146).
13
d) Die Herabsetzung der Einzelstrafen von sechs auf drei Monate Freiheitsstrafe in den genannten Fällen lässt die Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten unberührt. Angesichts der Höhe der übrigen und zum Teil gewichtigeren Einzelstrafen, darunter der Einsatzstrafe, der Vielzahl der Taten mit einem hohen Gesamtschaden sowie der vorstehend geschilderten Beteiligung des Angeklagten an der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern schließt der Senat aus, dass das Landgericht unter Berücksichtigung der geänderten Einzelstrafen eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hätte.
14
2. Der aufgezeigte Rechtsfehler wirkt sich beim Mitangeklagten A. nicht aus. Denn das Landgericht hat bei diesem Angeklagten in den drei ein- schlägigen Fällen (II. 198, II. 199 und II. 201 der Urteilsgründe) – ebenso wie beim Angeklagten R. in den Fällen II. 94 bis II. 105 der Urteilsgründe (UA S. 149) – nicht den Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB zugrundegelegt (UA S. 153).
Basdorf Raum RiBGH Dr. Brause ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben. Basdorf Schaal Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 111/10
vom
18. Mai 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Mai 2010 beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 27. Oktober 2009 in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe (Beitragszeiträume Januar 1996 bis einschließlich Juni 2004) und im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Die Feststellungen zur Höhe der vorenthaltenen und veruntreuten Beiträge zur Sozialversicherung in den Fällen 1 bis einschließlich 79 der Urteilsgründe werden ebenfalls aufgehoben. Die übrigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten.
2. Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in zehn Fällen schuldig ist.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 102 Fällen und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt jeweils in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in zehn Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die mit der allgemeinen Sachrüge begründete Revision des Angeklagten. Diese hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte alleiniger Geschäftsführer der Firma B. GmbH. Die Gesellschaft beschäftigte mehrere Arbeitnehmer, für die die vorgeschriebenen Meldungen nach § 28f Abs. 3, § 28a SGB IV und nach § 41a EStG abgegeben wurden, daneben aber auch zwischen Januar 1996 und April 2005 eine Vielzahl weiterer Arbeitnehmer, ohne diese Arbeitsverhältnisse den zuständigen Sozialversicherungsträgern und dem zuständigen Finanzamt zu melden. Zur Verschleierung dieser Arbeitsverhältnisse schloss der Angeklagte mit den Arbeitnehmern zum Schein Werkverträge , um den Eindruck zu erwecken, insoweit handele es sich um selbstständige Subunternehmer der B. GmbH.
4
Durch die pflichtwidrig unterlassenen Meldungen an die Sozialversicherungsträger wurden nach den Feststellungen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.918.546,25 Euro vorenthalten. Hierbei handelt es sich allein um Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung, da die Gehälter der Arbeitnehmer über der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V lagen, so dass keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenkasse bestand.
5
Das Landgericht wertete das Unterlassen der Meldungen an die Sozialversicherungsträger für die Beitragszeiträume zwischen Januar 1996 und Juni 2004 als Betrug i.S.v. § 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB. Für den Zeitraum zwischen Juli 2004 bis April 2005 ist der Angeklagte nach der Wertung des Landgerichts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 1 StGB in zehn Fällen jeweils in Tateinheit mit Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a Abs. 2 StGB schuldig.
6
2. Die Feststellungen tragen in den Fällen 103 bis 112 der Urteilsgründe die Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Insoweit berichtigt der Senat lediglich den Schuldspruch. In Fällen der vorliegenden Art ist im Tenor eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 266a StGB nur als „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“ zum Ausdruck zu bringen. Die neben § 266a Abs. 1 StGB erfolgende Anwendung des § 266a Abs. 2 StGB wirkt sich lediglich auf den Schuldumfang aus und führt nicht zu einer tateinheitlichen Verwirklichung verschiedener Tatbestände (vgl. BGH NStZ 2007, 527; wistra 2008, 180; StraFo 2008, 219). Auch der Schuldumfang wurde in diesen Fällen von der Strafkammer auf der Grundlage eines nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV hochgerechneten Bruttolohns (vgl. BGHSt 53, 71) zutreffend bestimmt.
7
3. Demgegenüber tragen die bisherigen Feststellungen eine Verurteilung wegen Betruges in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe nicht.
8
a) Für den insoweit fraglichen Tatzeitraum kommt zwar grundsätzlich beim Unterlassen der Meldung von Arbeitnehmern an die zuständigen Sozialversicherungsträger eine Verurteilung wegen Betruges in Betracht. Denn den Arbeitgeber trifft nach § 28a SGB IV eine Meldepflicht, wonach er die für die Bemessung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags maßgeblichen - im Gesetz im Einzelnen aufgeführten - Anknüpfungstatsachen hinsichtlich aller bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer der Einzugsstelle mitzuteilen hat. Verletzt der Arbeitgeber diese Verpflichtung, indem er bewusst unwahre oder unvollständige Angaben macht, die zu einem geringeren Gesamtsozialversicherungsbeitrag führen, kann dies eine Täuschung im Sinne des § 263 StGB darstellen.
9
b) Eine Täuschung kann in solchen Fällen jedoch nur angenommen werden , wenn durch das Unterlassen der Meldung der Arbeitnehmer gegenüber einem Mitarbeiter einer Einzugsstelle zumindest konkludent zum Ausdruck gebracht wird, dass keine oder lediglich die gemeldeten Arbeitnehmer tatsächlich bei dem fraglichen Arbeitgeber beschäftigt sind. Der Generalbundesanwalt hat insoweit zutreffend ausgeführt: „Täuschungen und korrespondierende Irrtümer von Mitarbeitern einer Einzugsstelle durch unrichtige Meldungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern kommen nur in Betracht, wenn und soweit hinsichtlich der beschäftigten Arbeitnehmer Meldungen an diese Einzugsstelle hätten erfolgen müssen (vgl. § 28f, 28i SGB IV). Darauf beschränkt sich der Erklärungswert der Meldungen und die Mitarbeiter der Einzugsstelle machen sich nur insoweit Gedanken über die Geltendmachung von Sozialversicherungsbeiträgen. Falls gegenüber den für beschäftigte Arbeitnehmer zuständigen Einzugsstellen keine Erklärungen über die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von Arbeitnehmern erfolgen, kann bei den Mitarbeitern der zuständigen Einzugsstellen ein Irrtum nur vorliegen , wenn der Arbeitgeber dort erfasst ist (vgl. BGHR StGB § 266a Arbeitgeber 1; BGHR StGB § 263 Abs 1 Irrtum 5 und 8; BayObLG Beschluss vom 19.03.2002 - 5 St R R 33/02 -; Boxleitner in Wabnitz/Janovsky Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts 3. Aufl. Kap. 17 Rn. 52; Fischer StGB 57. Aufl. § 263 StGB Rn. 57; LK/Gribbohm 11. Aufl. § 266a StGB Rn. 115 f.; LK/Tiedemann 11. Aufl. § 263 StGB Rn. 78; Heitmann in MüllerGugenberger /Bieneck Wirtschaftsstrafrecht 4. Aufl. § 36 Rn. 67). Das Landgericht hat lediglich festgestellt, dass im Tatzeitraum einzelne Arbeitnehmer angemeldet waren, weitere vierzig Arbeitnehmer dagegen nicht (UA S. 16). Es bleibt danach offen, an welche Einzugsstelle Meldungen erfolgten (UA S. 16: ‚bei den Sozialversicherungsträgern gemeldeten Arbeitnehmern’).“
10
Es hätte mithin weiterer Feststellungen dazu bedurft, gegenüber welchen Krankenkassen der Angeklagte sozialversicherungsrechtliche Meldungen abgeben hatte. Allein dann, wenn sich unter diesen Krankenkassen die für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen befunden haben, kommt aufgrund der vorstehenden Erwägungen eine Verurteilung wegen Betruges in Betracht. Sollten sich die für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen nicht unter den Krankenkassen befinden, gegenüber denen der Angeklagte Meldungen abgab und war die B. GmbH als Arbeitgeber auch nicht aus anderen Gründen bei den für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständigen Krankenkassen erfasst, kommt in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe lediglich eine Verurteilung wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB in Betracht.
11
Darüber hinaus hätte es weiterer Feststellungen dazu bedurft, welche Krankenkasse für die nicht gemeldeten Arbeitnehmer zuständig war. Insoweit führt der Generalbundesanwalt aus: „Hinsichtlich der nicht gemeldeten vierzig Arbeitnehmer beschränken sich die Urteilsgründe darauf, die BKK als zuständige Einzugsstelle zu bezeichnen. Diese rechtliche Bewertung ist nicht durch Tatsachen belegt. Zudem dürfte es angesichts der aus den Urteilsgründen ersichtlichen früheren Beschäftigungsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer ausgeschlossen sein, dass für alle die bezeichnete Krankenkasse zuständig war oder gewesen wäre (vgl. UA S. 16 ff., 73 ff.). Es liegt nahe, dass das Landgericht sich an der Auffangzuständigkeit nach § 28i S. 2 SGB IV i.V.m. §§ 28f Abs. 2 SGB IV, 175 Abs. 3 S. 3 SGB V orientiert hat (vgl. UA S. 15).“
12
Dem schließt sich der Senat an.
13
4. Das Landgericht hat zudem in den Fällen 1 bis 79 der Urteilsgründe (Beitragszeitraum Januar 1996 bis Juli 2002) der Verurteilung einen unzutreffenden Schuldumfang zu Grunde gelegt. Bis zur Einführung des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV konnte in Fällen illegaler Beschäftigung eine Nettolohnabrede nicht angenommen werden (vgl. BGHSt 53, 71 m.w.N.). Demnach war der Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge der tatsächlich an die illegal beschäftigten Arbeitnehmern gezahlte Lohn zu Grunde zu legen.
14
Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Strafkammer zum Beleg ihrer Rechtsauffassung zitierten Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urt. vom 22. September 1988 - 12 RK 36/86 - = BSGE 64, 110). Dort ist vielmehr lediglich festgestellt, dass nach Aufdeckung eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses und damit einhergehender erfolgreicher Inanspruchnahme des Arbeitgebers auf Zahlung von bis dahin vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen und Lohnsteuer für den Arbeitnehmer durch die Befreiung der ihn treffenden Belastungen weiteres sozialversicherungspflichtiges Entgelt gegeben ist. Dies führt zu einer Beitragsnachzahlung durch den Arbeitgeber. Zu den Tatzeitpunkten der Vergehen nach § 266a bzw. § 263 StGB bemessen sich die vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge indes allein auf der Grundlage des Schwarzlohnes.
15
5. Die aufgezeigten Rechtsfehler führen in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe zur Aufhebung der Verurteilung wegen Betruges. Die diesbezüglichen Feststellungen können indes aufrechterhalten bleiben, da sie lediglich lückenhaft sind bzw. - soweit die Strafkammer in den Fällen 1 bis 79 der Urteilsgründe der Verurteilung einen zu großen Schuldumfang zu Grunde gelegt hat - auf rechtlichen Wertungsfehlern beruhen. Insoweit bedarf es in diesen Fällen lediglich der Aufhebung der Feststellungen zur Höhe der vorenthaltenen Sozial- versicherungsbeiträge. Die Aufhebung des Urteils in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich (§ 349 Abs. 4 StPO).
16
6. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, Folgendes zu berücksichtigen :
17
a) In den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe kann aus prozessökonomischen Gründen eine Beschränkung des Verfahrens nach § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Betracht kommen. Insoweit würde sich der tatbestandsmäßige Schuldumfang auf die Höhe der vorenthaltenen Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung reduzieren.
18
b) Soweit in den Fällen 1 bis 102 der Urteilsgründe die Voraussetzungen des Sozialversicherungsbetruges festgestellt werden können, kann § 266a Abs. 2 StGB nF als milderes Gesetz i.S.v. § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden sein (BGH wistra 2007, 307; wistra 2008, 180; StraFo 2008, 219). Zudem wurde durch das 6. StrRG § 263 Abs. 3 StGB geändert.
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c) Für die Bildung der neuen Gesamtfreiheitsstrafe bedarf es im Hinblick auf § 55 StGB weitergehender Feststellungen dazu, wann die B. GmbH im Handelsregister gelöscht wurde und insoweit als Beitragsschuldnerin weggefallen ist, was zum Erlöschen der Beitragspflicht führt. Denn Taten nach § 266a Abs. 1 StGB sind erst beendet, wenn die Beitragspflicht erloschen ist (BGHSt 53, 24; wistra 1992, 23). Gleiches gilt bei § 266a Abs. 2 StGB und § 263 StGB in den Fällen des Sozialversicherungsbetruges, bei denen es sich um Erfolgsdelikte handelt. Beendigung ist insoweit erst mit dem vollständigen Eintritt des angestrebten Erfolges gegeben. Die Frage, wann für die einzelnen Taten des vorliegenden Verfahrens Tatbeendigung gegeben ist, ist aber entscheidend dafür , ob und ggfs. in welchem Umfang nach § 55 Abs. 1 StGB zu verfahren ist. Der Generalbundesanwalt hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt: „‚Begangen’ i.S.v. § 55 Abs. 1 S. 1 StGB ist eine Tat erst mit deren Beendigung (Fischer StGB 57. Aufl. § 55 StGB Rn. 7; LK/Rissing-van-Saan 12. Aufl. § 55 StGB Rn. 9 jew. m.w.N. auch zu abweichenden Ansichten). Dies gilt auch für echte Unterlassungsdelikte (Senat BGHR StGB § 55 Abs 1 Begehung 1; zu Dauerdelikten Senat Urteil vom 02.12.2003 - 1 StR 102/03; BGH NJW 1999, 1344).“ Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Jäger
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a) In den Fällen II. 2 bis 7 der Urteilsgründe (Straftaten zum Nachteil von Sozialversicherungsträgern) betreffend die Beitragsmonate November und Dezember 2003 sowie März bis Juni 2004 tragen die Feststellungen des Landgerichts die Verurteilung wegen Betruges gemäß § 263 StGB. Der Angeklagte hat in diesen Fällen die von ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht den zuständigen Sozialversicherungsträgern gemeldet, obwohl er hierzu gemäß § 28a SGB IV verpflichtet war. Infolgedessen haben diese von der Beitreibung der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge abgesehen. Die auch bei Betrug durch Unterlassen erforderliche Täuschung mit Irrtumserregung beim Getäuschten (hier: Einzugsstelle) hat das Landgericht vorliegend ausdrücklich festgestellt.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Fehlen besondere persönliche Merkmale (§ 14 Abs. 1), welche die Strafbarkeit des Täters begründen, beim Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe), so ist dessen Strafe nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(2) Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Merkmale die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen, so gilt das nur für den Beteiligten (Täter oder Teilnehmer), bei dem sie vorliegen.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.