Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Feb. 2016 - 1 StR 646/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Februar 2016 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
a) im Gesamtstrafenausspruch,
b) soweit die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist. 2. Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). 3. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
I.
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen elf Einzeltaten zu insgesamt drei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Sie wurde wegen vorsätzlicher unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tatmehrheit mit fünf selbständigen Fällen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln unter Ein- beziehung der mit Entscheidung des Amtsgerichts Plauen vom 29. Oktober 2014 rechtskräftig festgesetzten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 15 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Weiter erfolgte eine Verurteilung der Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei selbständigen Fällen jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaubten Handeltreiben unter Einbeziehung der mit Entscheidung des Amtsgerichts Aue vom 16. Dezember 2014 rechtskräftig festgesetzten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 20 Euro zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Schließlich wurde die Angeklagte wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßigem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
- 2
- Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten. Ihr Rechtsmittel hat im Gesamtstrafenausspruch und – soweit eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist – Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es, wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 4. Januar 2016 ausgeführt hat, unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
II.
- 3
- 1. Der Ausspruch über die Gesamtstrafen ist rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben.
- 4
- a) Das Landgericht hat zunächst zutreffend erkannt, dass bei der Bildung der Gesamtstrafen für die vorliegend abzuurteilenden und zwischen April 2014 und März 2015 begangenen elf Einzeltaten auch die Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Plauen vom 29. Oktober 2014 (Tatzeit: 1. Mai 2014) und dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aue vom 16. Dezember 2014 (Tatzeit: 24. Mai 2014) einzubeziehen waren, nachdem die in diesen Verfahren jeweils verhängten Geldstrafen nach den Feststellungen des Landgerichts noch nicht bezahlt waren. Ohne Rechtsfehler geht das Landgericht hier auch weiter davon aus, dass der Verurteilung durch das Amtsgericht Plauen vom 29. Oktober 2014 eine zäsurbildende Wirkung zukommt.
- 5
- Zu Unrecht hat das Landgericht aber auch der zweiten Vorverurteilung, dem Strafbefehl des Amtsgerichts Aue vom 16. Dezember 2014, eine zweite Zäsurwirkung beigemessen, obwohl die dieser Entscheidung zu Grunde liegende Tat am 24. Mai 2014 bereits vor der ersten zäsurbildenden Verurteilung begangen wurde. Eine zweite Zäsur – wie vom Landgericht angenommen – und die Möglichkeit zur Zusammenfassung zu einer weiteren Gesamtstrafe kommt aber nur für Einzelstrafen wegen Taten in Betracht, die nach der ersten und vor der zweiten Verurteilung begangen wurden (BGH, Beschluss vom 24. März 1988 – 1 StR 83/88, BGHSt 35, 243, 245). Zweck des § 55 StGB ist es gerade, den Täter so zu stellen, als ob das Gericht bei der früheren Verurteilung von allen gesamtstrafenfähigen Taten gewusst und diese nach §§ 53, 54 StGB abgeurteilt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 – 1 StR 142/94, NStZ 1994, 482; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 55 Rn. 2 mwN).
- 6
- b) Richtigerweise hätte daher vom Landgericht aus den bis 29. Oktober 2014 im vorliegenden Verfahren beendeten Taten und den hierbei verhängten sechs Einzelstrafen sowie aus den beiden Geldstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Plauen vom 29. Oktober 2014 und dem Strafbefehl des Amtsge- richts Aue vom 16. Dezember 2014 eine Gesamtstrafe gebildet werden müssen. Eine zweite Gesamtstrafe wäre dann vom Landgericht aus allen für die weiteren fünf verfahrensgegenständlichen Taten verhängten Einzelstrafen, die nach dem 29. Oktober 2014 begangen wurden, zu bilden gewesen. Der Senat weist zudem darauf hin, dass die neu zu bildenden Gesamtstrafen wegen des Verschlechterungsverbots des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nur so hoch bemessen werden dürfen, dass sie zusammen die Summe der im angefochtenen Urteil verhängten drei Gesamtfreiheitsstrafen nicht übersteigen (BGH, Beschluss vom 18. August 2015 – 1 StR 305/15, NStZ-RR 2015, 305).
- 7
- 2. Auch die auf das Fehlen eines Hangs, Drogen im Übermaß zu konsumieren , gestützte Ablehnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
- 8
- a) Nach den Feststellungen des Landgerichts konsumierte die Angeklagte erstmals mit 19 Jahren Crystal, anfänglich nur gelegentlich ca. 0,5 Gramm Methamphetamin im Monat. Ihr Konsum steigerte sich im Laufe der Zeit auf 1 bis 1,5 Gramm pro Monat. Zuletzt konsumierte sie dann maximal 0,2 Gramm Methamphetamin zum Stressabbau täglich. Andere Substanzen nahm die Angeklagte nicht ein.
- 9
- Das Landgericht stellt auf dieser Grundlage bei der Angeklagten im Hinblick auf ihren Methamphetaminkonsum eine „behandlungsbedürftige Suchtmit- telabhängigkeit“ fest und kommt auch zu dem Ergebnis, dass sie die Taten zur Finanzierung ihres eigenen Konsums begangen habe. Die Nichtanordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begründet das sachverständig beratene Landgericht damit, dass bei der Angeklagten zwar eine Abhängigkeitserkrankung gegeben sei, was eine Langzeittherapie sinnvoll erscheinen lasse, jedoch kein besonders schweres Suchtgeschehen vorliege.Insbesondere läge ein monovalenter Konsum vor, keine Polytoxikomanie, und ansonsten läge auch kein intravenöser Konsum von Methamphetamin vor. Auch sei das Persönlichkeitsbild der Angeklagten durch den Drogenkonsum nicht in erkennbarem Umfang verändert; die Voraussetzungen einer Depravation seien nicht gegeben.
- 10
- b) Diese Ausführungen lassen besorgen, dass die Strafkammer rechtsfehlerhaft von einem zu engen Verständnis eines Hanges im Sinne des § 64 StGB ausgegangen ist.
- 11
- Für einen Hang ist nach ständiger Rechtsprechung ausreichend eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene Neigung, immer wieder Rauschmittel zu konsumieren, wobei diese Neigung noch nicht den Grad einer physischen Abhängigkeit erreicht haben muss. Ein übermäßiger Genuss von Rauschmitteln im Sinne des § 64 StGB ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Betreffende auf Grund seiner psychischen Abhängigkeit sozial gefährdet oder gefährlich erscheint (vgl. BGH, Urteile vom 14. Oktober 2015 – 1 StR 415/15 Rn. 7, vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04, NStZ 2005, 210 und vom 15. Mai 2014 – 3 StR 386/13). Insoweit kann dem Umstand, dass durch den Rauschmittelkonsum bereits die Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Betreffenden erheblich beeinträchtigt ist, zwar indizielle Bedeutung für das Vorliegen eines Hanges zukommen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 14. Dezember 2005 – 1 StR 420/05, NStZ-RR 2006, 103). Wenngleich solche Beeinträchtigungen in der Regel mit übermäßigem Rauschmittelkonsum einhergehen dürften, schließt deren Fehlen jedoch nicht notwendigerweise die Bejahung eines Hanges aus (BGH, Beschlüsse vom 1. April 2008 – 4 StR 56/08, NStZ-RR 2008, 198 und vom 2. April 2015 – 3 StR 103/15).
- 12
- c) Dies zu Grunde gelegt, drängt sich das Vorliegen eines Hanges hier schon angesichts der bei der Angeklagten festgestellten behandlungsbedürftigen Abhängigkeitserkrankung und ihres Konsumverhaltens auf. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Zugrundelegung des zutreffenden Maßstabs einen Hang angenommen hätte. Den bisher getroffenen Feststellungen ist auch nicht zu entnehmen, dass die Anordnung der Maßregel an dem symptomatischen Zusammenhang zwischen Hang und Taten, der Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten oder an der hinreichend konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg (§ 64 Satz 2 StGB) scheitern müsste.
- 13
- d) Alle bisherigen Feststellungen konnten aufrechterhalten bleiben, da sie vom aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen sind.
- 14
- Die Frage der Anordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf aber unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a Abs. 1 Satz 2 StPO) der erneuten Prüfung und Entscheidung sowie ergänzender Feststellungen. Der neue Tatrichter wird deshalb das Vorliegen eines Hanges der Angeklagten, Betäubungsmittel im Übermaß zu sich zu nehmen , neu zu beurteilen und auch Feststellungen zu treffen haben, inwieweit ein symptomatischer Zusammenhang zwischen Drogensucht und den Betäubungsmittelstraftaten der Angeklagten und eine hinreichend konkrete Therapieaussicht besteht. Der neue Tatrichter wird dabei auch § 67 Abs. 2 StGB zu beachten und mit sachverständiger Hilfe die erforderliche Therapiedauer zu bestimmen haben.
- 15
- Dass nur die Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; BGH, Urteil vom 10. November 2004 – 2 StR 329/04 und Beschluss vom 21. Oktober 2008 – 3 StR 382/08, NStZ-RR 2009, 59). Sie hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 – 2 StR 374/92, BGHSt 38, 362). Der Senat kann ausschließen, dass das Tatgericht bei Anordnung der Unterbringung auf geringere Freiheitsstrafen erkannt hätte. Raum Graf Cirener Radtke Bär
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt.
(2) Trifft Freiheitsstrafe mit Geldstrafe zusammen, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt. Jedoch kann das Gericht auf Geldstrafe auch gesondert erkennen; soll in diesen Fällen wegen mehrerer Straftaten Geldstrafe verhängt werden, so wird insoweit auf eine Gesamtgeldstrafe erkannt.
(3) § 52 Abs. 3 und 4 gilt sinngemäß.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Kommt in Betracht, dass die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden wird, so ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen. Gleiches gilt, wenn das Gericht erwägt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen.
(2) Ist Anklage erhoben worden wegen einer in § 181b des Strafgesetzbuchs genannten Straftat zum Nachteil eines Minderjährigen und kommt die Erteilung einer Weisung nach § 153a dieses Gesetzes oder nach den §§ 56c, 59a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 oder § 68b Absatz 2 Satz 2 des Strafgesetzbuchs in Betracht, wonach sich der Angeklagte psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen hat (Therapieweisung), soll ein Sachverständiger über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten vernommen werden, soweit dies erforderlich ist, um festzustellen, ob der Angeklagte einer solchen Betreuung und Behandlung bedarf.
(3) Hat der Sachverständige den Angeklagten nicht schon früher untersucht, so soll ihm dazu vor der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben werden.
(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.
(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.
(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.
(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.
(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.
(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.
(1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Das angefochtene Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Wird die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aufgehoben, hindert diese Vorschrift nicht, an Stelle der Unterbringung eine Strafe zu verhängen. Satz 1 steht auch nicht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt entgegen.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.