Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2018 - 1 StR 425/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 9. Oktober 2018 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht Landshut hat den Angeklagten wegen Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen in Tatmehrheit mit 16 Fällen des Betruges sowie wegen versuchten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und fünf Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 287.200 € angeordnet. Hiergegen richtet sich der Angeklagte mit der auf die Verletzung von Verfahrensrecht und auf die Sachrüge gestützten Revision.
- 2
- Das Rechtsmittel hat bereits mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die weitere Verfahrensrüge und die Sachrüge nicht bedarf.
- 3
- Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt: „Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Am dritten Hauptverhandlungstag, den 5. Februar 2018, teilte der Vorsitzende mit, dass in der Pause ein Rechtsgespräch zwischen Verteidiger, Staatsanwaltschaft und der Kammer in voller Besetzung stattgefunden hat und machte nähere Ausführungen zum möglichen Inhalt der Verständigung … Anschließend erklärte der Angeklagte, er sei mit dem Inhalt der Verständigung einverstanden, werde das Geständnis selbst abgeben und könne eine Schadenswiedergutmachung von 10.000 Euro leisten. Der Verteidiger und der Staatsanwalt stimmten der Verständigung ebenfalls zu. Erst danach belehrte der Vorsitzende den Angeklagten qualifiziert gemäß § 257c Abs. 4 und 5 StPO.
Danach rügt die Revision die Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO zu Recht. Denn der Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlages über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG (Kammer), NStZ 2014, 721; Senat, Beschluss vom 11. Mai 2016 - 1 StR 71/16, StV 2018, 11; BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2015 - 4 StR 595/14 mwN und vom 25. März 2015 - 5 StR 82/15).
Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO).“
- 4
- Dem schließt sich der Senat an.
- 5
- Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegten Taten weitgehend erst auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Neben anderen Beweismitteln hat die Strafkammer vor allem hierauf die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht; insbesondere ist mangels rechtsfehlerfreier Wiederholung des von dem Verfahrensfehler betroffenen Verfahrensabschnittes keine Heilung eingetreten (vgl. zu den Voraussetzungen BGH, Beschluss vom 21. März 2017 – 5 StR 73/17, NStZ-RR 2017, 151). Soweit der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe bereits zu Beginn der Hauptverhandlung einräumte, sich eine unechte Identitätskarte verschafft zu haben, um sich bei Kontrollen innerhalb der Europäischen Union ausweisen zu können, kann der Senat unter den hier gegebenen Umständen ebenfalls nicht ausschließen, dass der Belehrungsfehler das weitere Verteidigungsverhalten beeinflusst hat.
Hohoff Pernice
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht kann sich in geeigneten Fällen mit den Verfahrensbeteiligten nach Maßgabe der folgenden Absätze über den weiteren Fortgang und das Ergebnis des Verfahrens verständigen. § 244 Absatz 2 bleibt unberührt.
(2) Gegenstand dieser Verständigung dürfen nur die Rechtsfolgen sein, die Inhalt des Urteils und der dazugehörigen Beschlüsse sein können, sonstige verfahrensbezogene Maßnahmen im zugrundeliegenden Erkenntnisverfahren sowie das Prozessverhalten der Verfahrensbeteiligten. Bestandteil jeder Verständigung soll ein Geständnis sein. Der Schuldspruch sowie Maßregeln der Besserung und Sicherung dürfen nicht Gegenstand einer Verständigung sein.
(3) Das Gericht gibt bekannt, welchen Inhalt die Verständigung haben könnte. Es kann dabei unter freier Würdigung aller Umstände des Falles sowie der allgemeinen Strafzumessungserwägungen auch eine Ober- und Untergrenze der Strafe angeben. Die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Verständigung kommt zustande, wenn Angeklagter und Staatsanwaltschaft dem Vorschlag des Gerichtes zustimmen.
(4) Die Bindung des Gerichtes an eine Verständigung entfällt, wenn rechtlich oder tatsächlich bedeutsame Umstände übersehen worden sind oder sich neu ergeben haben und das Gericht deswegen zu der Überzeugung gelangt, dass der in Aussicht gestellte Strafrahmen nicht mehr tat- oder schuldangemessen ist. Gleiches gilt, wenn das weitere Prozessverhalten des Angeklagten nicht dem Verhalten entspricht, das der Prognose des Gerichtes zugrunde gelegt worden ist. Das Geständnis des Angeklagten darf in diesen Fällen nicht verwertet werden. Das Gericht hat eine Abweichung unverzüglich mitzuteilen.
(5) Der Angeklagte ist über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichtes von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach Absatz 4 zu belehren.