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Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/12
vom
25. September 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. September 2012 beschlossen
:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Detmold vom 30. März 2012 werden als unbegründet verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte B. wurde wegen Steuerhinterziehung in 20 Fällen , davon drei Fälle des Versuchs, zu einer Gesamtfreiheitstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Von der zeitlich ersten Tat abgesehen, hat er nach den Urteilsfeststellungen die Taten gemeinschaftlich mit dem Angeklagten M. begangen. Dieser wurde wegen Steuerhinterziehung in 19 Fällen, davon drei Fälle des Versuchs, ebenso zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
3
Der Angeklagte B. war alleiniger Gesellschafter der H. GmbH (künftig: H. ); der Angeklagte M. (formal) deren alleiniger Geschäftsführer.
4
Den Taten liegt im Kern zugrunde, dass in den für die H. abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen unberechtigter Vorsteuerabzug geltend gemacht wurde. Dieser ging auf Scheinrechnungen mit Umsatzsteuerausweis zurück, die bei der H. entsprechend verbucht worden waren.
5
Zu Vorgeschichte und Ablauf der Taten ist Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte B. war Alleinverantwortlicher der HAB, die mit gebrauchten Baumaschinen handelte. Sie hatte wirtschaftliche Schwierigkeiten, als er Ende 2008/Anfang 2009 den Angeklagten M. kennenlernte. Dieser hatte ebenfalls wirtschaftliche Schwierigkeiten. Mehrere von ihm geführte Unternehmen hatten Insolvenz anmelden müssen. Er war nach Verbüßung einer im Jahre 2003 wegen Umsatzsteuerhinterziehung (Schaden über 1,5 Mio. DM) verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten erwerbslos und musste von Angehörigen unterstützt werden. Die Angeklagten vereinbarten , künftig im Rahmen der H. gezielt Umsatzsteuer zu hinterziehen, „ähnlich wie M. … in der Vergangenheit“.
7
M. wurde nach der ersten Tat im Mai 2009 wegen der guten "Zusammenarbeit" zum (alleinigen) Geschäftsführer der H. bei einem Fixgehalt von 1.200 Euro netto bestellt. Von seiner Mitwirkung an den Steuerhinterziehungen abgesehen, hatte er mit den Geschäften der H. kaum zu tun, war in die Abgabe von Steuererklärungen nicht involviert und konnte nur begrenzt auf Firmenkonten zugreifen. „Eigentlicher Chef“ der H. war und blieb B. .
8
Durchgeführt wurden die Umsatzsteuerhinterziehungen wie folgt:
9
M. hatte und schuf Kontakte zu Verkäufern von Baumaschinen in den Niederlanden und erwarb dort Baumaschinen mit Bargeld, das ihm B. hierfür überlassen hatte. Dabei spiegelte M. den niederländischen Verkäufern vor, nicht für die H. , sondern für andere deutsche Firmen aufzutreten, sodass die Verkäufer ihre Ausgangsrechnungen auf die vermeintlich von M. vertretenen Firmen ausstellten. Als einer der Verkäufer mit der vermeintlich von M. vertretenen Firma in Kontakt treten wollte, sorgte M. dafür, dass ihn, „um die Legende nicht zu gefährden“, zu diesem Zweck der (hier wegen Beihilfe ebenfalls abgeurteilte, nicht revidierende) Mitangeklagte K. begleitete.
10
Soweit einzelne Baumaschinen in anderen EU-Ländern gekauft worden waren, war dort nicht M. , sondern ein Angestellter der H. mit Wissen und Wollen der Angeklagten so wie geschildert tätig geworden.
11
In der Buchhaltung der H. wurden hinsichtlich der Baumaschinenan- käufe Scheinrechnungen verbucht, aus denen sich „ein inländischer Erwerb ergab“. In den Rechnungsköpfen waren jeweils als Veräußerer verschiedene in Deutschland ansässige, allerdings nicht im Baumaschinenhandel tätige Firmen ausgewiesen.
12
Diese Scheinrechnungen „ließ(en) sich unter Ausnutzung von Kontakten des Angeklagten M. leicht“ erstellen. Er kannte den gesondert verfolgten I. , der aus früherer Tätigkeit über vorlagegeeignete Unterlagen dieser Firmen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen verfügte.
13
Auf der Grundlage von 194 Scheinrechnungen wurde vom ersten Quartal 2009 bis Dezember 2010 in insgesamt 20 Voranmeldungszeiträumen unberechtigter Vorsteuerabzug geltend gemacht. Den in den Umsatzsteuervoranmeldungen bis einschließlich Mai 2010 und nochmals im Juli und August 2010 jeweils geltend gemachten Erstattungen erteilte das Finanzamt die Zustimmung und es kam zur Auszahlung seitens des Finanzamts. Wegen dieser Auszahlungen kam es bereits im Frühjahr 2010 zu einer Umsatzsteuersonderprüfung. Auch wenn sie zunächst keine konkreten Verdachtsmomente ergab, führte sie dazu, dass die H. nunmehr Belege (also die Scheinrechnungen) vorlegen musste. Deren Überprüfung führte letztlich dazu, dass für die Voranmeldungszeiträume September bis November 2010 der jeweils geltend gemachten Auszahlung von Guthaben nicht mehr zugestimmt wurde. In den letztlich vergeblichen Versuch, in diesem Zusammenhang das Finanzamt zu täuschen, war auf Initiative M. s erneut auch K. verwickelt.
14
In den Voranmeldungszeiträumen Juni und Dezember 2010 meldete die H. Zahllasten an, so dass es einer Zustimmung des Finanzamts in diesen Fällen nicht bedurfte.
15
Insgesamt belief sich der unberechtigt geltend gemachte Vorsteuerabzug auf über 1,3 Mio. Euro.
16
Im weiteren Verlauf wurde ein gegen die H. gerichteter Insolvenzantrag mangels Masse abgewiesen.
17
Die Revision des Angeklagten B. ist näher ausgeführt auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützt, die Revision des Angeklagten M. auf die näher ausgeführte Sachrüge. Die Revisionen bleiben erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
18
I. Verfahrensrüge(n) des Angeklagten B. :
19
Das Vorbringen, „diverse“ Beweisanträge seien zurückgewiesen und Hilfsbeweisanträge „zum Teil“ nicht beschieden, genügt nicht den Anforderun- gen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und wäre unbegründet.
20
1. Die Strafkammer hat die von der Revision genannten Anträge mit einzelfallbezogener Begründung (z.B. wegen Bedeutungslosigkeit, Wahrunterstellung u.a.) abgelehnt.
21
Nach dem Revisionsvorbringen sollen sämtliche Beschlüsse im Kern (offenbar ) deshalb fehlerhaft sein, weil die Strafkammer die von ihr erhobenen Beweise nach Auffassung der Revision falsch gewürdigt hat. Insoweit, so die Revision selbst, „vermengt sich die … Prozessrüge mit der Sachrüge“. Auf die Ablehnung der einzelnen Anträge geht die Revision nur vereinzelt konkret ein.
22
Bei einer Reihe dieser Anträge handelte es sich nicht um Beweisanträge, sondern Beweisermittlungsanträge:
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a) Der Antrag auf Vernehmung sämtlicher in der Anklage aufgeführten (§ 200 Abs. 1 Satz 2 StPO), aber noch nicht vernommenen Zeugen nennt kein Beweisthema. Auch verdeutlicht das Revisionsvorbringen entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht, um welche Zeugen es sich konkret handelt.
24
b) Der Zeuge W. sollte bekunden, er hätte „entweder bei einer Baufirma oder einer Nutzfahrzeugshandelsfirma“ Fahrzeuge abgeholt, und dabei im Auf- trag M. s entweder „in dessen eigenem oder fremden Namen“ gehandelt. Sind mehrere, sich gegenseitig ausschließende Tatsachen in das Wissen eines Zeugen gestellt, fehlt auch bei einem einheitlichen Beweisziel eine bestimmte Tatsachenbehauptung (BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97 mwN).
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c) Der Antrag, zum Beweis des Herkunftsorts der Lieferungen des ersten Halbjahres 2009 die „entsprechenden Frachtpapiere“ zu verlesen,hätte erfordert , die einschlägigen Dokumente erst aus einer Vielzahl vergleichbarer Dokumente herauszusuchen (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98 mwN).
26
d) Ob der Antrag auf erneute Vernehmung eines Zeugen ein Beweisantrag ist, hängt davon ab, wozu er bereits ausgesagt hatte (BGH, Urteil vom 21. März 2002 - 5 StR 566/01 mwN). Hierzu ist jedoch nichts vorgetragen.
27
Eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch Zurückweisung dieser Anträge (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1997 - 1 StR 627/97 mwN) ist weder ausdrücklich noch der Sache nach in zulässiger Form geltend gemacht. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, was die Strafkammer zu weiteren Beweiserhebungen gedrängt hätte.
28
2. Die Behauptung, Hilfsbeweisanträge seien im Urteil übergangen, ist unbehelflich, da deren Inhalt nicht mitgeteilt ist.
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3. Auch hinsichtlich der verbleibenden Anträge ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, aus dem insgesamt pauschal gehaltenen Revisionsvorbringen und den Urteilsgründen Teile herauszufiltern, die zu einer hinreichend angebrachten Rüge zusammengefügt werden könnten. Dann bestimmte statt des hierzu berufenen Revisionsführers das Revisionsgericht selbst den Gegenstand seiner Überprüfung.

30
4. Selbst wenn man - in welchem Umfang auch immer - einzelne Verfahrensrügen für zulässig erhoben hielte (was, wie dargelegt, zu verneinen ist), wären sie unbegründet, wie dies der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat.
31
II. Zur Sachrüge hinsichtlich des Schuldspruchs:
32
1. Die Auffassung (Revisionsbegründung M. ), der Umfang der hinterzogenen Steuern sei mangels hinreichender Darlegung nicht überprüfbar, ist unzutreffend. Jede Scheinrechnung ist tabellarisch aufgeführt, ebenso die darin ausgewiesene Umsatzsteuer. Auch ist für jeden Voranmeldungszeitraum die sich daraus ergebende Gesamtsumme zu Unrecht geltend gemachter Vorsteuer ausdrücklich genannt.
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2. Auch sonst sind die Schuldsprüche rechtsfehlerfrei.
34
a) Angeklagter B. :
35
Das Revisionsvorbringen zeigt die Möglichkeit einer den Angeklagten belastenden rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung nicht auf.
36
b) Angeklagter M. :
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Die Strafkammer hat, ihren Beurteilungsspielraum bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe (BGH, Urteil vom 10. November 2004 - 5 StR 403/04) nicht überschritten. Zwar erbrachte M. seine Tatbeiträge lediglich im Vorfeld der falschen Steuererklärungen (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 28. Mai 1986 - 3 StR 103/86); aufgrund dieser Tatbeiträge kam ihm jedoch nach der rechtsfehlerfreien Wertung der Strafkammer eine „Schlüsselstellung“ bei den gemeinschaftlich geplanten Taten zu. Er verfügte über einschlägige Erfahrungen und die erforderlichen Kontakte und sorgte dafür, dass I. und K. die Taten unterstützten. Unter diesen Umständen brauchte die Strafkammer auch die Annahme von Mittäterschaft nicht breiter als geschehen zu begründen.
38
Auch sonst sind Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht ersichtlich.
39
III. Zur Sachrüge hinsichtlich der Strafaussprüche:
40
1. Zu den Strafrahmen:
41
Die Strafkammer hat die Strafrahmen nicht rechtsfehlerfrei bestimmt, jedoch ohne Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten:
42
a) Täuscht der Täter, wie hier, steuermindernde Umstände vor, indem er nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht, liegt (hier auf den jeweiligen Anmeldungszeitraum bezogen) ab einem Betrag von 50.000 Euro eine Steuerverkürzung großen Ausmaßes (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) vor. Dies hat die Strafkammer nicht verkannt, sie hat jedoch rechtsfehlerhaft nicht auf die allein maßgebliche Summe des zu Unrecht anerkannten (bzw. in den Versuchsfällen: geltend gemachten) Vorsteuerabzugs abgestellt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11). Vielmehr hat sie darauf abgestellt, ob es „zu Auszahlungen in Höhe von mehr als 50.000 Euro gekommen war“.
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b) Die Frage, ob und in welcher Höhe es zu Auszahlungen gekommen ist, sagt aber nichts über die Höhe der verkürzten Steuern aus. Vielmehr hängt die Höhe von Auszahlungen oder verbleibenden Zahllasten allein von der Höhe der gemäß § 16 Abs. 1 UStG berechneten Umsatzsteuer einerseits und der Höhe der insgesamt geltend gemachten Vorsteuerbeträge andererseits ab. In dieses Ergebnis (Saldo) können also auch wahrheitsgemäß geltend gemachte Vorgänge einfließen. Wahrheitsgemäße Angaben können aber auf die Höhe des durch falsche Angaben zu anderen Vorgängen verursachten Schadens keinen Einfluss haben.
44
c) Der aufgezeigte Mangel bei der Strafrahmenbestimmung bleibt hier im Ergebnis unschädlich. In den Fällen, in denen die Strafkammer von einer Steuerverkürzung großen Ausmaßes ausgegangen ist, lag der Verkürzungsbetrag stets über 50.000 Euro. Soweit die Strafkammer wiederholt, meist durch das Abstellen auf die Höhe der Auszahlungsbeträge (für die Abrechnungszeiträume zweites Quartal 2009, Dezember 2009, Februar 2010, Juni 2010, August 2010, September 2010, November 2010) zu Unrecht eine Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall verneint hat (zum Strafrahmen in den Versuchsfällen vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2010 - 1 StR 332/10 mwN), sind die Angeklagten nicht beschwert.
45
d) Soweit besonders schwere Fälle angenommen sind, bestehen zur subjektiven Seite (auch) des Angeklagten M. - anders als seine Revision meint - keine Bedenken. Er war bei der H. ausschließlich zum Zwecke der Steuerhinterziehung tätig und hat sie maßgeblich ermöglicht. Die Möglichkeit, dass sein Vorsatz eine Steuerhinterziehung in dem jeweilig gegebenen Umfang nicht umfasst hätte, liegt daher fern (in vergleichbarem Sinne BGH, Beschluss vom 26. März 2004 - 1 StR 567/03; Urteil vom 4. September 1996 - 2 StR 299/96), auch wenn er an der Erstellung der unrichtigen Steuererklärungen nicht unmittelbar beteiligt war. Fernliegende Möglichkeiten sind aber nicht erörterungsbedürftig.
46
2. Zur konkreten Strafzumessung:
47
a) Auch hierbei hat sich der aufgezeigte Mangel nicht zum Nachteil der Angeklagten ausgewirkt. In den meisten Fällen führte er dazu, dass die Strafkammer von einem zu niedrigen Hinterziehungsbetrag ausgegangen ist. Die für die Strafzumessung maßgebliche Größenordnung des Steuerschadens hat sich aber auch in den wenigen Fällen nicht verändert, in denen die Strafkammer von einem zu hohen Betrag ausgegangen ist.
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b) Das Revisionsvorbringen des Angeklagten M. zeigt die Möglichkeit beschwerender Rechtsfehler nicht auf:
49
(1) Zu Unrecht nicht strafmildernd gewertetes Verhalten des Finanzamts ist nicht ersichtlich. Das Revisionsvorbringen im Zusammenhang mit der Sonderprüfung - so sei etwa ein gebotener Abgleich von Steuernummern unterblieben - kann auf sich beruhen. Ein Straftäter hat keinen Anspruch darauf, dass staatliche Stellen rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern. (Vorwerfbares) Verhalten des Steuerfiskus kann regelmäßig allenfalls dann zu einer milderen Beurteilung von Steuerhinterziehung führen, wenn es das Täterverhalten unmittelbar beeinflusst hat und die Tatgenese den staatlichen Entscheidungsträgern vorzuwerfen ist (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10 mwN). Hierfür spricht vorliegend nichts. Vielmehr haben die Ermittlungen des Finanzamtes den (die) Angeklagten nicht von der Fortsetzung des bisherigen strafbaren Verhaltens abgehalten. Dies spricht für besondere kriminelle Hartnäckigkeit, ergibt aber offensichtlich keine strafmildernden Gesichtspunkte.
50
(2) Vergeblich macht die Revision geltend, die Strafkammer habe die strafmildernde Bedeutung serienmäßiger Tatbegehung verkannt:
51
Eine strafmildernde Berücksichtigung serienmäßiger Tatbegehung kann vor allem dann zu erwägen sein, wenn die einzelnen Taten räumlich, zeitlich oder sonst besonders eng verschränkt sind. Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen kann sich das Vorliegen einer Vielzahl gleichartiger Taten je nach den Umständen des Falles auf die Strafzumessung unterschiedlich auswirken (BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 - 2 StR 130/91 mwN). Allein die zunehmende Gewöhnung an die Begehung gleichartiger Straftaten wäre aber nicht strafmildernd (BGH, Urteil vom 18. September 1995 - 1 StR 463/95). Anderes ist hier nicht ersichtlich.
52
Der Senat bemerkt, dass der Unwertgehalt von Steuerstraftaten maßgeblich auch durch die Höhe des Steuerschadens bestimmt ist. Da serienmäßige Tatbegehung bei Steuerstraftaten zu höherem Steuerschaden führt, hat sie regelmäßig strafschärfende Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2011 - 1 StR 459/11; Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 jew. mwN).
53
(3) Die Revision meint, I. habe zwar einen „gleichgewichtigen oder gar noch gewichtigeren Tatbeitrag“ geleistet, sei aber dennoch bisher nicht angeklagt oder verurteilt worden. Dies hätte strafmildernd berücksichtigt werden müssen.
54
Die Urteilsgründe ergeben schon keine nachvollziehbare Grundlage für die genannte Gewichtung des Tatbeitrages von I. und bestätigen auch den behaupteten Verfahrensstand nicht.
55
Unabhängig davon hat aber der Stand eines Verfahrens gegen einen anderen Tatbeteiligten ohnehin für die Strafzumessung keine Bedeutung. Es gilt nichts anderes als hinsichtlich der Strafzumessung gegen Tatbeteiligte in anderen Urteilen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - 1 StR 282/11 mwN). Die Revision stützt ihre gegenteilige Auffassung auf Rechtsprechung zur Strafzu- messung gegen „Mauerschützen“ (BGH, Urteil vom 3.November 1992 - 5 StR 370/92) oder in vergleichbaren Fällen (BGH, Urteil vom 3. März 1993 - 5 StR 546/92), wonach auch eine Rolle spielte, dass damals hierarchisch übergeordnete Verantwortliche noch nicht abgeurteilt waren. Derartige Besonderheiten liegen hier nicht vor.
56
(4) Die Revision hält es unter Berufung auf BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01 für strafmildernd, dass der Angeklagte trotz seines verhältnismäßig geringen Beuteanteils gemäß § 71 AO als Haftungsschuldner für die gesamte hinterzogene Steuer herangezogen werden könne.
57
Der Senat teilt diese Auffassung nicht.
58
aa) § 71 AO hat Schadensersatzcharakter und ist keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten (vgl. zusammenfassend Rüsken in Klein, AO, 11. Aufl., § 71 Rn. 2 mwN). Letztlich muss derjenige, der sich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, für den von ihm (mit)verschuldeten Schaden ebenso einstehen, wie sonst ein Beteiligter an einer unerlaubten Handlung auch (§ 830 BGB). Allein die gesetzliche Pflicht, schuldhaft - hier vorsätzlich - (mit)verursachten Schaden ersetzen zu müssen, kann sich jedenfalls regelmäßig nicht strafmildernd auswirken.
59
bb) Es entspricht auch nicht der sonstigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , möglicherweise wegen der Straftat (bzw. des Strafurteils) zu erwartenden behördlichen Anordnungen strafzumessungsrechtliche Bedeutung zuzuerkennen, wenn die Verwaltungsbehörde dabei die Umstände des Einzelfalls in ihre Entschließung einzubeziehen hat (st. Rspr.; zu möglichen ausländerrechtlichen Konsequenzen einer Verurteilung vgl. nur BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 1 StR 407/11 mwN). Die Möglichkeit fachgerichtlicher Überprüfung dieser Maßnahmen schützt vor besonderen, vom Gesetzeszweck nicht umfassten Härten (BGH aaO).
60
Es liegt nahe, diese Grundsätze auch hier anzuwenden. Ein Haftungsbescheid gemäß §§ 71, 191 AO steht im Ermessen der Finanzbehörden (zu den dabei wesentlichen Gesichtspunkten vgl. Rüsken aaO § 191 Rn. 30 - 62 mwN). Eine entsprechende Entscheidung unterliegt finanzgerichtlicher Überprüfung ; dabei ist Besonderheiten des Einzelfalles erforderlichenfalls Rechnung zu tragen (vgl. nur BFH, Urteil vom 21. Januar 2004 - XI R 3/03; zu vorläufigem gerichtlichen Rechtsschutz vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 24. April 2012 - 2 V 233/11).
61
cc) Unabhängig davon käme eine strafmildernde Berücksichtigung einer möglichen Heranziehung gemäß § 71 AO allenfalls dann in Betracht, wenn der Angeklagte nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls tatsächlich mit seiner Heranziehung „rechnen muss“ (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2002 - 5 StR 600/01) und dies eine besondere Härte darstellen würde (vgl. BGH, Ur- teil vom 14. März 2007 - 5 StR 461/06). Anhaltspunkte für eine solche Prognose sind jedoch nicht erkennbar:
62
Der Angeklagte ist erwerbs- und vermögenslos. Daher würden ihn auch die praktischen Folgen eines Haftungsbescheides schwerlich in besonderem Maße belasten, selbst wenn das Finanzamt, das schon aus Zweckmäßigkeitserwägungen naheliegend auch berücksichtigt, bei wem der Steueranspruch „am schnellsten, leichtesten und sichersten realisiert werden kann“ (Rüsken aaO Rn. 60 mwN), einen solchen Bescheid gegen ihn erlassen sollte.
63
Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass fern liegende Möglichkeiten nicht erörtert werden müssen.
64
(5) Die Revision hält das Alter des (1949 geborenen) Angeklagten bei den Taten und bei einem (etwaigen) Strafantritt nicht für hinlänglich gewürdigt.
65
Das „fortgeschrittene Alter“ desAngeklagten ist bei der Strafzumessung genannt. Weitere Ausführungen waren nicht geboten.
66
Im Alter von 60 und 61 Jahren begangene Steuerhinterziehungen im Rahmen eines hierfür selbst geschaffenen komplexen Systems sprechen gegen einen für das Maß der Schuld und damit die Strafzumessung bedeutsamen Altersabbau. Dies gilt umso mehr bei einem Angeklagten, der gleichartige Taten auch schon früher begangen hat (BGH, Urteil vom 11. August 1998 - 1 StR 338/98 mwN).

67
Die Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe hat den Angeklagten nicht von einschlägigen neuen Taten abgehalten. Ohne konkrete Anhaltspunkte musste daher hier nicht allein wegen des Zeitablaufs seit der letzten Strafverbüßung erwogen werden, ob er jetzt gleichwohl durch den Strafvollzug voraussichtlich besonders stark beeindruckbar (haftempfindlich) sein könnte.
68
Schließlich ist auch nicht erkennbar, dass das Alter des Angeklagten hier die Erörterung seiner Chance, zu Lebzeiten „wieder der Freiheit teilhaftig zu werden“ (BGH, Urteil vom 27. April 2006 - 4 StR 572/05 mwN), erfordert hätte.
69
(6) Die Auffassung der Revision, für die Bemessung der Dauer des - angesichts seiner aus den Urteilsgründen ersichtlichen Komplexität ohne erkennbare Verzögerung durchgeführten - Verfahrens sei der Beginn des strafbaren Verhaltens maßgeblich, liegt neben der Sache.
70
(7) Gleiches gilt für die Ausführungen zu einer „Nähe der Tilgungsreife“ hinsichtlich der Vorstrafe. Diese wäre selbst bei straffreiem Verhalten erst 2020 tilgungsreif geworden (§ 46 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3, § 47 Abs. 3 BZRG).
71
(8) Schließlich gehen auch die Angriffe dagegen fehl, dass der Angeklagte ebenso hoch bestraft wurde wie der Angeklagte B. . Die Strafkammer hat insoweit zusammenfassend erwogen, dass B- zwar ein „größeres Eigeninteresse“ an den Taten hatte, also hiervon erheblich mehr pro- fitierte, dafür aber nicht vorbestraft ist. Die Ausführungen der Revision erschöpfen sich in dem unbehelflichen Versuch, rechtsfehlerfreies tatrichterliches Ermessen durch eigenes Ermessen zu ersetzen.
72
3. Auch sonst sind keine die Angeklagten beschwerenden rechtsfehlerhaften Strafzumessungserwägungen ersichtlich.

RiBGH Hebenstreit ist in den Ruhestand getreten und daher an der Unterschrift gehindert. Nack Wahl Nack Jäger Sander

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Bundesgerichtshof Beschluss, 26. März 2004 - 1 StR 567/03

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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2011 - 1 StR 459/11

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Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.

(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

5 StR 566/01

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 21. März 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Strafvereitelung im Amt
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
21. März 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt K ,
Rechtsanwalt B
als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 30. November 2000 im gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben, hinsichtlich der Freisprüche in den Fällen V b 1.3.8. und V c 1.5.6. der Urteilsgründe und des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt in drei Fällen zu einer aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von zehn Monaten und einer von einem Jahr und zwei Monaten gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Hinsichtlich weiterer acht gleicher Anklagevorwürfe und sechs angelasteter Vergehen der Bestechlichkeit ± in fünf Fällen in Tateinheit mit Einschleusungsdelikten ± wurde er freigesprochen. Der Angeklagte erstrebt die Aufhebung seiner Verurteilung, die Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, die der Freisprüche und der Gesamtfreiheitsstrafe.

I.


Der Angeklagte, ein früherer Berufssoldat, der zunächst bei der Nationalen Volksarmee, dann bei der Bundesmarine diente, war seit Mai 1993 als Polizeibeamter in der Dienststelle des Bundesgrenzschutzes in Krippen überwiegend zur Aufklärung von Delikten nach dem Ausländergesetz eingesetzt. Ergaben Beschuldigtenvernehmungen vorläufig festgenommener Fußschleuser Anhaltspunkte für deren Auftraggeber, war der Angeklagte verpflichtet , weitere Ermittlungen zur Aufklärung der Identität dieser Hintermänner und zum Tatablauf durchzuführen und die Ergebnisse mit Strafanzeigen der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Dies hat der Angeklagte hinsichtlich drei abschlußreifer Vorgänge in voller Kenntnis um die sich daraus ergebende Besserstellung von insgesamt sechs tatverdächtigen Hintermännern unterlassen und dadurch bewirkt, daß deren Strafverfolgung etwa knapp ein Jahr ± bis zur Verhaftung des Angeklagten am 2. März 1998 ± unterblieb.

II.


1. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten bleibt erfolglos , soweit sie sich gegen die Schuldsprüche richtet. Die Feststellungen belegen die Zuständigkeit des Angeklagten zur Strafverfolgung der tatverdächtigen Hintermänner gemäû § 12 Abs. 1 Nr. 2 BGSG, §§ 161, 163 StPO und das wissentliche Liegenlassen der Vorgänge (vgl. BGHSt 15, 18, 22), was zu einer für den Tatbestand der Strafvereitelung genügenden erheblichen Verzögerung der Strafverfolgung führte (vgl. BGHSt aaO und 45, 97, 100; BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1).
2. Allerdings begegnen die Strafaussprüche durchgreifenden Bedenken.

a) Der Angeklagte hat sich jeweils der Strafvereitelung im Amt durch Unterlassen schuldig gemacht (vgl. BGHSt 15, 18, 22; Stree in Schönke /Schröder, StGB 26. Aufl. § 258a Rdn. 3 und 10). Dies eröffnet nach § 13 Abs. 2 StGB eine Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 1 StGB. Die Prüfung , ob eine solche Strafrahmenverschiebung in Betracht kommt (vgl. BGH NJW 2001, 3638, 3641 m.w.N.), hat das Landgericht nicht vorgenommen.

b) Der Tatrichter hat zudem den Gesichtspunkt der Generalprävention in einer den Angeklagten beschwerenden Weise berücksichtigt, indem er ausdrücklich darauf abstellt, daû wegen des besonderen Interesses der Öffentlichkeit Tat, Strafmaû und Begründung in hohem Umfang bekannt würden und “daher geeignet (seien), potentielle Täter zur Überlegung zu bringen und abzuschrecken.” Diese Erwägung beschreibt keinen zur Begründung der Generalprävention zulässigerweise verwertbaren Umstand, der auûerhalb der bei Aufstellung eines bestimmten Strafrahmens vom Gesetzgeber bereits berücksichtigten allgemeinen Abschreckung liegt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme
solcher oder ähnlicher Straftaten, wie sie zur Aburteilung stehen, oder ein besonderes Ausmaû, in dem eine Tat den Rechtsfrieden zu stören geeignet ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 2 bis 4, 6 und 7). Die Erwägung des Landgerichts läût dagegen besorgen, daû die Bemessung der Strafen wegen der ± durch die Öffentlichkeitswirksamkeit ± besonders günstigen Möglichkeit der Beeinflussung potentieller Täter mitbestimmt war und dadurch der Einbindung des Strafzwecks der Generalprävention in den Spielraum der schuldangemessenen Strafe nicht genügend Beachtung geschenkt wurde (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Generalprävention 8).
Die somit gebotene Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe nach sich.
3. Auf die Revision des Angeklagten muû auch die Strafaussetzung zur Bewährung entfallen. Das Landgericht hat von der Möglichkeit, gemäû § 51 Abs. 1 Satz 2 StGB Untersuchungshaft nicht anzurechnen, keinen Gebrauch gemacht. Ist aber die Strafe ± wie hier ± infolge der Anrechnung bereits voll verbüût, scheidet eine Strafaussetzung begrifflich aus (BGHSt 31, 25, 27 ff.; BGH, Beschl. vom 8. Januar 2002 ± 3 StR 453/01). Die Strafaussetzung zur Bewährung beschwert den Angeklagten auch (BGH, Beschl. vom 25. November 1998 ± 2 StR 514/98).

III.


1. Der Revision der Staatsanwaltschaft bleibt mit ihren formellen Rügen der Erfolg versagt.

a) Die Verfahrensrügen sind nicht in zulässiger Weise erhoben, soweit die Ablehnung der Anträge auf Vernehmung von Zeugen beanstandet wird (Revisionsbegründung S. 9, 11 bis 23). Mit diesen Anträgen hatte die Staatsanwaltschaft die Vernehmung von Polizeibeamten erstrebt, die in der
Hauptverhandlung bereits zur Sache ausgesagt hatten (Polizeihauptmeister Br , UA S. 15; Polizeihauptmeister M , UA S. 47; Polizeiobermeisterin
L
, Protokollband 1, Bl. 177; Polizeihauptmeister H , Protokollband 1, Bl. 170; Polizeihauptmeister S , Protokollband 1, Bl. 158; Polizeihauptkommissar Mo , Protokollband 1, Bl. 61). Die Revision teilt entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht mit, daû und wozu diese Zeugen bereits ausgesagt hatten, so daû das Revisionsgericht nicht prüfen kann, ob das Beweisverlangen der Staatsanwaltschaft überhaupt einen Beweisantrag darstellt (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 6 Beweisantrag 16, 32; BGH, Urt. vom 13. Dezember 2001 ± 5 StR 322/01). Die Unzulässigkeit erfaût auch bei den Anträgen Nr. 2 (Revisionsbegründung S. 12), Nr. 3 (Revisionsbegründung S. 14), Nr. 6 (Revisionsbegründung S. 19) und Nr. 7 (Revisionsbegründung S. 20) die Beanstandung hinsichtlich des dort jeweils mitbenannten Zeugen aus der tschechischen Republik, weil alle Zeugen für jeweils ein Beweisthema eine Einheit bilden und die nicht mitgeteilten früheren Aussagen der Polizeibeamten, die jene Zeugen vernommen hatten, für die Beurteilung der Anträge erheblich sind.

b) Die erhobenen Aufklärungsrügen hinsichtlich der Zeugen Ma und T erfüllen ebenfalls nicht die Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, weil es die Revision unterläût, das erwartete Beweisergebnis mit der gebotenen Bestimmtheit mitzuteilen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 1).

c) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landgericht auch nicht gegen § 244 Abs. 3 StPO ± oder wie es zutreffenderweise hätte gerügt werden müssen die Vorschriften der §§ 245 Abs. 2 Satz 1, 250 Satz 2 StPO ± verstoûen. Die amtliche Auskunft des 8. Dezernats der Generaldirektion des Zolls der tschechischen Republik vom 22. September 1998 war nicht nach § 256 StPO verlesbar. Gegenstand waren Erkenntnisse aus Beobachtungen des Angeklagten, die die Grundlagen der Sachentscheidung
im anhängigen Verfahren betroffen hätten (vgl. BGHR StPO § 256 Abs. 1 Behördenauskunft 2). Die von der Staatsanwaltschaft mit der Anklageschrift vorgelegte Urkunde war im Verfahren zu Beweiszwecken bestimmt, weshalb sie gemäû § 250 Satz 2 StPO auch nicht nach § 249 Abs. 1 StPO verlesen werden durfte (vgl. BGH, Urt. vom 25. September 1962 ± 5 StR 306/62; BGHSt 20, 160, 161; BGHR StPO § 256 Abs. 1 Gutachten 1 m.w.N.). Letzteres gilt auch für die abgelehnte Verlesung einer amtlichen Niederschrift vom 16. September 1998 der Generaldirektion des Zolls der tschechischen Republik über Wahrnehmungen eines verdeckten Ermittlers.
2. Die Sachrüge führt zur Aufhebung der Freisprüche in den Fällen V b 1.3.8. und V c 1.5.6. der Urteilsgründe, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht standhält.
Zwar muû das Revisionsgericht grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter den Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters ; die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstöût (st. Rspr.; BGH NStZ 2002, 48; BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 33 m.w.N.).
Hier erweist sich die Beweiswürdigung des Landgerichts als lückenhaft. Freilich können und müssen die Gründe auch eines freisprechenden Urteils nicht jeden irgendwie beweiserheblichen Umstand ausdrücklich würdigen. Das Maû der gebotenen Darlegung hängt von der jeweiligen Beweislage und insoweit von den Umständen des Einzelfalls ab; dieser kann so beschaffen sein, daû sich die Erörterung bestimmter einzelner Beweisumstände erübrigt. Insbesondere wenn das Tatgericht auf Freispruch erkennt,
obwohl ± wie hier ± nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muû es allerdings in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen (BGH NStZ-RR 2000, 171). Dem wird das angefochtene Urteil nicht in jeder Hinsicht gerecht.

a) Im Fall V b 1. erachtet das Landgericht den Angeklagten für zuständig , aufgrund der Erkenntnisse aus der Beschuldigtenvernehmung des K vom 25. September 1996 gegen dessen Hintermann F Ermittlungen zu führen. Es hält die Einlassung des Angeklagten, er hätte erst später das Protokoll gelesen und nur überflogen, wobei ihm der Name F nicht aufgefallen sei, für nicht widerlegbar (UA S. 26 f.), zumal er es nicht pflichtwidrig unterlassen hätte, K Lichtbilder vorzulegen. Diese Würdigung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand, weil sie die sich hier aufdrängende Einbeziehung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen im Fall I b 1 ± in dem das Landgericht zur Verurteilung des Angeklagten wegen Strafvereitelung im Amt zum Vorteil des F kommt ± unterläût. Nach den Feststellungen dazu (UA S. 8) war F der Dienststelle und auch dem Angeklagten bereits am 16. Oktober 1995 als zentrale Schlüsselfigur in der Schleuserszene bekannt.

b) In den Fällen V b 8. und 3. hat das Landgericht zunächst rechtsfehlerfrei die objektiven Umstände einer Strafvereitelung im Amt festgestellt. Der Angeklagte hatte am 17. März 1997 von dem Beschuldigten R den Mar ± wie bereits am 10. März 1997 vom Beschuldigten P , was im Fall I b 2 zur Verurteilung des Angeklagten führte ± als Auftraggeber einer Schleusung benannt bekommen. Der Angeklagte kündigte gegenüber der Staatsanwaltschaft Görlitz die Aufnahme der Ermittlungen gegen Mar an.

Am 25. März 1997 hatte der Angeklagte einen Abschluûbericht über eine Einschleusung des Beschuldigten Pr der Staatsanwaltschaft Bautzen übersandt und ebenfalls die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den zuvor als Tatverdächtigen festgestellten Hintermann Bu angekündigt. In beiden Fällen unterlieû der Angeklagte bis zu seiner Verhaftung jede Förderung der Verfahren.
Die Würdigung des Landgerichts, mit der ein direkter Vorsatz des Angeklagten nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit als nachgewiesen angesehen wird, begegnet auch hier durchgreifenden Bedenken. Sie unterläût die gebotene Prüfung der Tatsachengrundlage der Einlassung des Angeklagten (vgl. BGHR StPO § 261 Einlassung 5; BGH NStZ 2002, 48) und betrachtet diese von einem unzutreffenden Ausgangspunkt aus (vgl. BGH NStZ 2001, 491, 492).
Das Landgericht ist in seiner Beweisführung ± der Aussage des Angeklagten folgend (UA S. 6, 29) ± zu Recht von einer dem Angeklagten bekannten Pflicht zur Vorlage der gegen die Hintermänner gewonnenen Erkenntnisse an die Staatsanwaltschaft ausgegangen. Es hat sich vom Vereitelungsvorsatz des Angeklagten aber nicht zweifelsfrei überzeugen können, weil der Angeklagte ± nach Ankündigung eigener Ermittlungen gegen Hintermänner ± hätte davon ausgehen können, daû die Staatsanwaltschaften Bautzen und Görlitz unabhängig von ihm Ermittlungen aufnehmen würden. Dieser Einlassung des Angeklagten folgte das Landgericht ohne ausreichende Prüfung einer Tatsachengrundlage. In der staatsanwaltschaftlichen und in der polizeilichen Praxis ist es allgemein verbreitet, daû die Polizei selbständig die erforderlichen Ermittlungen führt und ihre Ergebnisse erst nach Abschluû der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vorlegt (Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 4 und 24). Das Landgericht hat zudem in allen elf verhandelten Fällen wegen Strafvereitelung im Amt keine hiervon abwei-
chenden Anhaltspunkte feststellen können. Die Dienststelle des Angeklagten wurde auch nicht ± als Ergebnis eigener Ermittlungen der Staatsanwaltschaften ± um weitere Nachforschungen ersucht.
Das dem Angeklagten auf Grund seiner Einlassung zugebilligte Vertrauen hinsichtlich einer Aufnahme von Ermittlungen durch die zuständigen Staatsanwaltschaften war zudem auch aus sachlichrechtlichen Gründen nicht geeignet, einen Vereitelungsvorsatz des Angeklagten zu verneinen. Ein Eingreifen der Staatsanwaltschaften hätte nämlich lediglich zur Beendigung des vom Angeklagten durch erhebliche Verzögerungen der Strafverfolgung bereits hervorgerufenen Vereitelungserfolges (vgl. BGHSt 45, 97, 100; BGHR StGB § 258 Abs. 1 Vollendung 1) geführt. Bei noch nicht eingetretenem Erfolg wegen zeitnaher Aufnahme der Ermittlungen der Staatsanwaltschaften wären jedenfalls versuchte Strafvereitelungen in Betracht gekommen (vgl. BGHR aaO).
Schlieûlich hätte in die Erwägungen der Umstand einbezogen werden müssen, daû der Angeklagte ± wie vom Landgericht zutreffend festgestellt ± hinsichtlich des Beschuldigten Mar bereits in einem früheren Fall Vereitelungsvorsatz verwirklicht hatte (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 171; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 4).

c) Im Fall V c 1 (UA S. 33 bis 45) hatte sich das Landgericht nicht davon zu überzeugen vermocht, daû der Angeklagte am 13. Mai 1997 um 1.57 Uhr und 1.59 Uhr vom Dienstanschluû des Grenzschutzbeamten N aus den mit Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden gesondertverfolgten Ne angerufen hatte. Zwar sei der Angeklagte im Dienstgebäude anwesend gewesen und habe die persönliche Geheimnummer des N gekannt , mit der telefoniert wurde. Das Landgericht konnte aber nicht sicher ausschlieûen, daû eine andere Person angerufen hatte. Die dieses Ergebnis begründenden Erwägungen sind ebenfalls lückenhaft und lassen nicht er-
kennen, ob der Tatrichter alle gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen in die Beweiswürdigung einbezogen hat (BGH NStZ-RR 2000, 171 f. m.w.N.). Das Landgericht hat festgestellt, daû sich in dieser Nacht während einer Vernehmung eines Beschuldigten ± auûer dem Angeklagten, der ab 1.00 Uhr zugegen war ± vier namentlich benannte Personen und “weitere Grenzschutzbeamte” in der Dienststelle aufhielten (UA S. 37). Es unterläût aber Feststellungen darüber, welche Personen zum Zeitpunkt der Anrufe noch anwesend waren, welche dieser Personen ± auûer dem Angeklagten ± die Geheimnummer des Beamten N kannten und aus welchen Gründen diese als Anrufer in Betracht kommen oder ausscheiden.
Bei der Prüfung der Frage, ob der Angeklagte von der Schleuserorganisation des Ne 10.000 DM erhalten hatte, begegnet ferner die alleinige entlastende Bewertung der Aussage der Zeugin Ko , der Freundin des Angeklagten (UA S. 41), durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht sah in der Aussage der Zeugin, sie habe einen Umschlag mit einer Telefonnummer , aber keinen Umschlag mit Geld erhalten, eine Stütze für die bestreitende Einlassung des Angeklagten. Damit wird eine naheliegende belastende Bewertung übersehen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung , unzureichende 1 und 4). Eine solche drängte sich hier aber auf, weil es für den Empfang einer Telefonnummer, die vom Geldboten I der Schleuserorganisation des Ne stammte und von dessen Schleuser La übergeben wurde, keine plausible auf einen gesetzestreuen Hintergrund hindeutende Erklärung ersichtlich ist.

d) Mit dieser Beanstandung der Beweiswürdigung verliert die damit eng zusammenhängende Beweiswürdigung in den Fällen V c 5. und 6. ihre Grundlage. Auch in diesen Fällen sind angelastete Zahlungen der Schleuserorganisation des Ne an den Angeklagten Gegenstand des Verfah-
rens, deren Würdigung bei Erweislichkeit einer Verbindung des Angeklagten zu dessen Organisation neu vorzunehmen ist.
Unabhängig davon zeigt die Revision einen durchgreifenden Fehler der Beweiswürdigung hinsichtlich der Bewertung der Aussage des Zeugen I auf, weil das Landgericht mit widersprüchlichen und weiteren ersichtlich unzutreffenden Erwägungen die Glaubhaftigkeit seiner Aussage in Zweifel zieht. Dadurch hat es zu erkennen gegeben, daû es überspannte Anforderungen an die zur Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung gestellt hat (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Das Landgericht hat die Aussage des Zeugen, der in diesen Fällen den angelasteten Sachverhalt bestätigt hatte, als in sich widerspruchsfrei, sehr detailreich und konstant gewertet und ihn als sicher und selbstbewuût geschildert, der eigenes Erleben von Hörensagen klar hätte trennen können (UA S. 57). Der im Zeugenschutzprogramm befindliche Zeuge hätte keine klare Belastungstendenz erkennen lassen, mit seinen Aussagen für sich einen Schluûstrich gezogen und altruistische Ziele mitverfolgt. Gleichwohl gelangte das Landgericht zu erheblichen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen. So hätte er nicht alle seine Beteiligungen an den Schleusungshandlungen eingeräumt, in fünf Fällen sei er zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden und ca. 100 Schleusungsfälle seien von der Staatsanwaltschaft “pauschal” vorläufig eingestellt worden. Es bestehe daher der Verdacht, daû der Zeuge zum Nachteil des Angeklagten und um zur Belohnung selbst ein mildes Urteil mit Bewährungsaussetzung zu erhalten, mehr ausgeführt hätte, als er wahrheitsgemäû aus eigener Kenntnis gewuût hätte.
Diese Begründung übersieht, daû der Zeuge zum Zeitpunkt seiner Aussage bereits zu einer milden Strafe rechtskräftig verurteilt war, und belegt keine Anhaltspunkte für eine bevorstehende Wiederaufnahme der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen (vgl. BGHSt 37, 10, 13). Auch drohende neue Ermittlungen konnten entgegen der Auffassung des Landge-
richts keine Belastungstendenz begründen, weil der Zeuge (nur) bei seiner ersten Vernehmung im Hinblick darauf keine weiteren Aussagen treffen wollte (UA S. 58). Die Weigerung des Zeugen, die Frage zu beantworten, ob eine vermutlich von seinen Brüdern in Berlin betriebene Pizzeria als Anlaufstelle für Schwarzgeld diene, kann wegen des nahen Bezugs zur Familie des Zeugen und des fehlenden Zusammenhangs mit den Beweisthemen nicht zur Begründung einer mangelnden Glaubwürdigkeit herangezogen werden. Schlieûlich entbehren die Erwägungen des Landgerichts, der Zeuge könnte im Wege der Projektion den Angeklagten falsch angeschuldigt (UA S. 59; vgl. Bender/Nack Tatsachenfeststellung vor Gericht I 2. Aufl. Rdn. 153 ff.) und wirklich handelnde Personen ± die Bestechungsgelder hätten annehmen müssen ± durch den Angeklagten ersetzt haben, jeder Grundlage.
3. Die übrigen Freisprüche halten sachlichrechtlicher Prüfung stand.

a) Zwar hatte der Angeklagte in den weiter angelasteten Fällen einer Strafvereitelung im Amt (V b 2.4. 5.6.7.) die sich aus § 163 Abs. 2 Satz 1 StPO ergebende Unterrichtungspflicht gegenüber den Staatsanwaltschaften (vgl. Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 24) miûachtet und jeweils eine geraume Zeit die Ermittlungen nicht gefördert. Die Würdigung des Landgerichts, es liege kein Vorsatz vor, weil nach der von der Leitung der Dienststelle und den Staatsanwaltschaften offensichtlich hingenommenen Praxis eine Vorlagepflicht erst für ausermittelte Vorgänge angenommen wurde, ist nicht zu beanstanden.

b) In den Fällen V c 2.3.4. (UA S. 42 bis 55) ist die Beweiswürdigung des Landgerichts, die zur Unglaubhaftigkeit der belastenden Aussagen des Zeugen D wegen dessen belegten Belastungseifers um eigener strafrechtlicher Vorteile willen führt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Vertretbar hat das Landgericht auch die Unwahrscheinlichkeit der Tatabläufe unter Heranziehung der ± uneingeschränkt für glaubhaft gehaltenen ±
Aussagen des Zeugen I belegt (UA S. 46) und mögliche Verbindungen des D zur Schleuserorganisation des Ne ausgeschlossen.
4. Die Aufhebung der Freisprüche führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe.

IV.


Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daû die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern auch unter Einbeziehung ersichtlich wesentlicher gegen den Angeklagten sprechender Umstände in einer Gesamtwürdigung zu betrachten sein werden (vgl. BGH NStZ 2002, 48; 2001, 491, 492; NStZ-RR 2000, 171).
Harms Häger Raum Brause Schaal
5 StR 403/04

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 10. November 2004
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen versuchten schweren Raubes u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. November
2004, an der teilgenommen haben:
Richter Basdorf
als Vorsitzender,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt I
als Verteidiger des Angeklagten C ,
Rechtsanwalt K
als Verteidiger des Angeklagten L ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Görlitz vom 4. Mai 2004 werden mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte C in Fall II 1 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen verurteilt ist.
Die Kosten der Rechtsmittel und die hierdurch den Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten Ko wegen versuchten schweren Raubes und wegen Diebstahls mit Waffen in Tateinheit mit Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sieben Monaten, den Angeklagten C wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub und wegen Beihilfe zum Diebstahl mit Waffen in Tateinheit mit Beihilfe zum Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und den Angeklagten L wegen Beihilfe zum versuchten Diebstahl und wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchdiebstahl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen rügt die Staatsanwaltschaft, daß die Angeklagten C L und jeweils nur als Gehilfen verurteilt worden sind. Im Hinblick auf das von den Angeklagten Ko und C begangene Raubdelikt bean- standet sie, daß die Strafkammer insoweit einen minder schweren Fall im Sinne des § 250 Abs. 3 StGB angenommen hat. Die Rechtsmittel, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, haben keinen Erfolg. Das Urteil hält sachlichrechtlicher Prüfung stand.
1. Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, daß die Strafkammer die Angeklagten C und L im Fall II 1 nur wegen Beihilfe zum versuchten schweren Raub bzw. zum versuchten Diebstahl und im Fall II 2 beide ebenfalls nur als Gehilfen verurteilt hat.
Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, daß sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (vgl. BGHSt 37, 289, 291 m.w.N.). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für die ihm obliegende Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und den Sachverhalt vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 1984, 413, 414; 1985, 165; BGH NJW 1997, 3385, 3387; 2004, 3051, 3053 f.).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Landgerichts vertretbar, da die Strafkammer neben anderen Gesichtspunkten insbesondere auf die Rollenverteilung und den damit einhergehenden Mangel an Tatherrschaft bei den als Beihilfe gewerteten Tatbeiträgen abgestellt hat. Daß eine abweichende tatrichterliche Wertung, die sich am arbeitsteilig um- gesetzten Ziel der Beuteerlangung ausrichtete, nähergelegen hätte, berechtigt das Revisionsgericht noch nicht zum Eingreifen.
Im Fall II 1 holt der Senat die versehentlich unterbliebene (UA S. 23) Ausurteilung des tateinheitlichen mittäterschaftlich versuchten Diebstahls mit Waffen bei dem Angeklagten C nach, was strafzumessungsrechtlich ohne Auswirkung bleibt.
2. Es begegnet ebenfalls keinen Bedenken, daß die Strafkammer in Fall II 1 der Urteilsgründe im Hinblick auf die Angeklagten Ko und C einen minder schweren Fall des Raubes im Sinne von § 250 Abs. 3 StGB angenommen hat.
Die Strafzumessung, zu der auch die Frage gehört, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Welchen Umständen er bestimmendes Gewicht beimißt, ist im wesentlichen seiner Beurteilung überlassen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 179; 24, 268; BGHR StGB § 177 Abs. 5 Strafrahmenwahl 2 m.w.N.). Das Revisionsgericht darf die Gesamtwürdigung nicht selbst vornehmen, sondern nur nachprüfen, ob dem Tatrichter bei seiner Entscheidung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. BGHSt 29, 319, 320; BGH StV 2002, 20; BGH, Urt. vom 26. Juni 2001 – 5 StR 151/01). Das ist hier nicht der Fall. Nach dem aufgezeigten Prüfungsmaßstab zeigen auch die Einzelausführungen der Revisionen keinen Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat sich ersichtlich bei beiden Angeklagten – wenngleich die Urteilsbegründung , den Gehilfen C betreffend, etwas mißverständlich gefaßt ist (UA S. 26 f.) – maßgeblich vom Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs leiten lassen.
Basdorf Häger Gerhardt Raum Brause

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/11
vom
15. Dezember 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" des § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO beim "Griff in die Kasse des Staates".
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 26. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG, mit der geltend
gemacht wird, der Dolmetscher für die arabische Sprache eines Mitangeklagten
, K. , sei nicht gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden und
habe sich auch nicht auf seine - zuvor schon erfolgte - allgemeine Beeidigung
als Dolmetscher berufen, hat keinen Erfolg.

a) Allerdings zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Hauptverhandlungsprotokoll
- vor dessen Berichtigung - weder einen Hinweis darauf enthalten
hat, dass dieser Dolmetscher dahin beeidigt worden ist, treu und gewissenhaft
zu übertragen, noch, dass er sich auf seine allgemeine Beeidigung als Dolmetscher
berufen hat. Durch das Fehlen eines derartigen Hinweises wird der Verstoß
gegen § 189 GVG unwiderleglich bewiesen, denn bei der Vereidigung eines
Dolmetschers gemäß § 189 Abs. 1 GVG handelt es sich um eine wesentli-
che Förmlichkeit i.S.v. § 274 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1987 - 3
StR 285/87, BGHR GVG § 189 Beeidigung 1).

b) Die Verfahrensrüge dringt aber nicht durch, weil der Senat ausschließen
kann, dass das angefochtene Urteil auf diesem Verstoß beruht (aa). Zudem
wurde das Hauptverhandlungsprotokoll ordnungsgemäß dahin berichtigt,
dass sich der Dolmetscher K. auf seine allgemeine Vereidigung als
Dolmetscher für die arabische Sprache berufen hat (bb).
aa) Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer Nichtberufung des
Dolmetschers K. beruht, der für einen Mitangeklagten hinzugezogen
worden war.
Angesichts der Vereidigung der übrigen Dolmetscher in der Hauptverhandlung
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Dolmetscher
K. sein eigener allgemein geleisteter Eid aus dem Blick geraten sein könnte.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er deswegen nicht
treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist,
dass er sich seine allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt
hat. Vielmehr ist fernliegend, dass ein allgemein vereidigter Dolmetscher, der
jahrelang bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf seinen allgemein
geleisteten Eid berufen hat, sich seiner Verpflichtung im Einzelfall nicht bewusst
war und er deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli
2005 - 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705).
Es ist deshalb in Fällen wie hier, in denen keine Anzeichen dafür sprechen
, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung im konkreten
Fall nicht bewusst war, auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß
beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1997 - 2 StR
257/97, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Im vorliegenden Fall kommt noch
hinzu, dass in der Hauptverhandlung für einen anderen Mitangeklagten noch
ein weiterer vereidigter Dolmetscher für die arabische Sprache tätig war, der
jedenfalls die für ihn wahrnehmbare Dolmetschertätigkeit des Dolmetschers
K. auf ihre Richtigkeit hin prüfen konnte. Im Übrigen schließt der
Senat ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß
auch deswegen aus, weil der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt
hat und seine Angaben von zahlreichen Zeugen bestätigt worden sind (UA
S. 29).
bb) Die Verfahrensrüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Hauptverhandlungsprotokoll
im Hinblick auf die Verfahrensrüge zulässig berichtigt
und dabei das für eine Protokollberichtigung zu beachtende Verfahren eingehalten
worden ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss
vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298; BVerfG, Beschluss vom
15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Das Hauptverhandlungsprotokoll
ist wirksam dahin berichtigt worden, dass sich der Dolmetscher
K. auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Der ordnungsgemäß
erhobenen Verfahrensrüge ist damit die Tatsachengrundlage entzogen,
der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Im Hinblick auf den substantiierten Widerspruch des Revisionsverteidigers
hat der Senat die Gründe der Berichtigungsentscheidung im Rahmen der
Verfahrensrüge überprüft (vgl. dazu BGHSt 51, 298, 317). Die Gründe tragen
die Berichtigung; der Senat hat auch sonst keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
zu Recht erfolgt ist. Bei der Überprüfung hat der Senat neben dem
Umstand, dass sich der Kammervorsitzende und die Protokollführerin sicher
waren, der Dolmetscher K. habe sich auf den von ihm geleisteten
Eid berufen, insbesondere berücksichtigt, dass die von den weiteren Berufsrichtern
, dem Sitzungsstaatsanwalt und dem betroffenen Dolmetscher eingeholten
dienstlichen Stellungnahmen die Berichtigung ebenfalls tragen. Der Kammervorsitzende
hatte sogar noch die konkrete Erinnerung daran, überrascht
gewesen zu sein, dass von den beiden in dem Verfahren als Dolmetscher eingesetzten
Brüdern K. , die beide seit vielen Jahren als Dolmetscher beim
Landgericht Essen tätig waren, nur der Dolmetscher K. allgemein
vereidigt war. Der Senat hat bei seiner Überprüfung der vorgenommenen Protokollberichtigung
auch berücksichtigt, dass die beiden Instanzverteidiger angegeben
hatten, keine Erinnerung mehr an den tatsächlichen Verfahrensablauf
zu haben.
Die Auffassung der Revision, es sei selbst angesichts der von der Protokollführerin
gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen ausgeschlossen, dass
diese eine eigene sichere Erinnerung an den Vorgang haben könnte, teilt der
Senat nicht.
2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für die Strafzumessung.
Der Erörterung bedarf allerdings die Annahme des Landgerichts, es sehe
die Grenze für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 AO „entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bei 100.000 Euro“ (UA S. 40). Dies lässt besorgen, das Landgericht
sei der Auffassung, die Schwelle zur Hinterziehung „in großem Ausmaß“ sei
stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 Euro überschritten. Dies ist indes
nicht zutreffend.
Im Fall 1 der Urteilsgründe stellt das Landgericht zudem darauf ab, dass
das aufgrund der unrichtigen Angaben des Angeklagten in der Umsatzsteuerjahreserklärung
2009 errechnete Umsatzsteuerguthaben nur teilweise ausge-
zahlt, überwiegend aber mit anderen „Steuerschulden der Ka. GmbH,insbesondere
Lohnsteuer, verrechnet“ wurde (UA S. 15). Das Landgericht war of-
fenbar der - unzutreffenden - Auffassung, es mache für die Frage, ob eine Hin-
terziehung „in großem Ausmaß“ vorliege, einen Unterschied, ob ein durch die
Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderweitigen
Steuerschulden verrechnet werde.
Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals „in großem Ausmaß“ im
Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren
Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008
(1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal „in
großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach ob-
jektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag
50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich
dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen
vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunter-
nehmen („Griff in die Kasse“). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das
Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 -
1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR
81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu las-
sen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die
Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt
53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er
eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige
Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli
2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des
Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände
vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht
oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem
solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden
Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Um-
sätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des
Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden)
Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuer-
forderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal „in
großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen
einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa
beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vor-
steuerbeträgen, ist das Merkmal „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte
Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ
2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher
Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsan-
spruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet
worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung
gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für
sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro
geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von
100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644).

e) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede
einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige
Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht. Bei
mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
ist - nichts anderes gilt für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - das „Ausmaß“ des
jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung
im Sinne des § 52 StGB vorliegt (BGHSt 53, 71, 85).

f) Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob
eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt oder nicht, keine Bedeutung.
Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist
ein Umstand, der erst bei der Prüfung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
im Einzelfall widerlegt ist, und im Übrigen als bloße Zumessungserwägung in
die Strafzumessung einbezogen werden kann (vgl. im Übrigen zur Schadensverringerung
mit Geldmitteln unklarer Herkunft BGH, Beschluss vom 5. Mai
2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 645 Rn. 17, und einer solchen aufgrund
von Pfändungen BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 2011, 170).
Zutreffend hat das Landgericht daher den Umstand, dass „der Steuer-
schaden aufgrund der Beschlagnahme erheblicher Vermögenswerte der
Ka. GmbH nachträglich vollständig kompensiert“ wurde (UA S. 43), bei der
Frage, ob das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt ist, außer
Betracht gelassen, in die Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
widerlegt sein könnte, aber einbezogen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Die Steuer ist, soweit nicht § 20 gilt, nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 auszugehen, soweit für sie die Steuer in dem Besteuerungszeitraum entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Der Steuer sind die nach § 6a Abs. 4 Satz 2, nach § 14c sowie nach § 17 Abs. 1 Satz 6 geschuldeten Steuerbeträge hinzuzurechnen.

(1a) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18 Abs. 4c Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Abs. 5 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1b) Macht ein im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer (§ 13b Absatz 7 Satz 2) von § 18 Absatz 4e Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Bei der Berechnung der Steuer ist von der Summe der Umsätze nach § 3a Absatz 5 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1c) Macht ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer von § 18i Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18i in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1d) Macht ein Unternehmer von § 18j Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum das Kalendervierteljahr. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates und der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, sowie der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18j in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Lieferungen nach § 3 Absatz 3a Satz 1 innerhalb eines Mitgliedstaates, der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe nach § 3c Absatz 1 Satz 2 und 3 und der sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(1e) Macht ein Unternehmer oder ein in seinem Auftrag handelnder Vertreter von § 18k Gebrauch, ist Besteuerungszeitraum der Kalendermonat. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k im Inland angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3, die im Gemeinschaftsgebiet steuerbar sind, auszugehen, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Sofern die Teilnahme an dem Verfahren nach § 18k in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union angezeigt wurde, ist bei der Berechnung der Steuer von der Summe der Fernverkäufe nach § 3 Absatz 3a Satz 2 und § 3c Absatz 2 und 3 auszugehen, die im Inland steuerbar sind, soweit für sie in dem Besteuerungszeitraum die Steuer entstanden und die Steuerschuldnerschaft gegeben ist. Absatz 2 ist nicht anzuwenden.

(2) Von der nach Absatz 1 berechneten Steuer sind vorbehaltlich des § 18 Absatz 9 Satz 3 die in den Besteuerungszeitraum fallenden, nach § 15 abziehbaren Vorsteuerbeträge abzusetzen. § 15a ist zu berücksichtigen.

(3) Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so tritt dieser Teil an die Stelle des Kalenderjahres.

(4) Abweichend von den Absätzen 1, 2 und 3 kann das Finanzamt einen kürzeren Besteuerungszeitraum bestimmen, wenn der Eingang der Steuer gefährdet erscheint oder der Unternehmer damit einverstanden ist.

(5) Bei Beförderungen von Personen im Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen, die nicht im Inland zugelassen sind, wird die Steuer, abweichend von Absatz 1, für jeden einzelnen steuerpflichtigen Umsatz durch die zuständige Zolldienststelle berechnet (Beförderungseinzelbesteuerung), wenn eine Grenze zum Drittlandsgebiet überschritten wird. Zuständige Zolldienststelle ist die Eingangszollstelle oder Ausgangszollstelle, bei der der Kraftomnibus in das Inland gelangt oder das Inland verlässt. Die zuständige Zolldienststelle handelt bei der Beförderungseinzelbesteuerung für das Finanzamt, in dessen Bezirk sie liegt (zuständiges Finanzamt). Absatz 2 und § 19 Abs. 1 sind bei der Beförderungseinzelbesteuerung nicht anzuwenden.

(5a) Beim innergemeinschaftlichen Erwerb neuer Fahrzeuge durch andere Erwerber als die in § 1a Abs. 1 Nr. 2 genannten Personen ist die Steuer abweichend von Absatz 1 für jeden einzelnen steuerpflichtigen Erwerb zu berechnen (Fahrzeugeinzelbesteuerung).

(5b) Auf Antrag des Unternehmers ist nach Ablauf des Besteuerungszeitraums an Stelle der Beförderungseinzelbesteuerung (Absatz 5) die Steuer nach den Absätzen 1 und 2 zu berechnen. Die Absätze 3 und 4 gelten entsprechend.

(6) Werte in fremder Währung sind zur Berechnung der Steuer und der abziehbaren Vorsteuerbeträge auf Euro nach den Durchschnittskursen umzurechnen, die das Bundesministerium der Finanzen für den Monat öffentlich bekanntgibt, in dem die Leistung ausgeführt oder das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vor Ausführung der Leistung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4) vereinnahmt wird. Ist dem leistenden Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten gestattet (§ 20), so sind die Entgelte nach den Durchschnittskursen des Monats umzurechnen, in dem sie vereinnahmt werden. Das Finanzamt kann die Umrechnung nach dem Tageskurs, der durch Bankmitteilung oder Kurszettel nachzuweisen ist, gestatten. Macht ein Unternehmer von § 18 Absatz 4c oder 4e oder den §§ 18i, 18j oder 18k Gebrauch, hat er zur Berechnung der Steuer Werte in fremder Währung nach den Kursen umzurechnen, die für den letzten Tag des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellt worden sind. Sind für die in Satz 4 genannten Tage keine Umrechnungskurse festgestellt worden, hat der Unternehmer die Steuer nach den für den nächsten Tag nach Ablauf des Besteuerungszeitraums nach Absatz 1a Satz 1, Absatz 1b Satz 1, Absatz 1c Satz 1, Absatz 1d Satz 1 oder Absatz 1e Satz 1 von der Europäischen Zentralbank festgestellten Umrechnungskursen umzurechnen.

(7) Für die Einfuhrumsatzsteuer gelten § 11 Abs. 5 und § 21 Abs. 2.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 332/10
vom
28. Juli 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Juli 2010 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12. März 2010 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat: Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten rechtsfehlerfrei wegen versuchter Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung verurteilt. Auch die Strafrahmenwahl für diesen Fall, bei der das Landgericht die Strafe dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Angeklagte ließ beim Finanzamt Köln für die D. GbR betreffend den Monat Juni 2008 eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung einreichen. Darin wurde zu Unrecht ein Vorsteuerbetrag in Höhe von mehr als 534.000 Euro aus gefälschten Rechnungen der Firma E. , denen in Wirklichkeit keine Leistungen zugrunde lagen, geltend gemacht. Das Finanzamt, das Zweifel an der Richtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung hatte, zahlte die geltend gemachten Vorsteuern nicht als Erstattungsbetrag aus, sondern leitete eine Umsatzsteuersonderprüfung ein.

b) Auch wenn der Angeklagte hier nicht i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO „in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt hat“, weil eine Auszahlung des geltend gemachten Erstattungsbetrages vom Finanzamt verweigert worden war (vgl. § 168 Satz 2 AO), durfte das Landgericht die Strafe dennoch dem gemäß § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnehmen. Denn die Geltendmachung des unberechtigten Vorsteuerbetrages von mehr als 534.000 Euro zielte auf einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil in großem Ausmaß i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ab (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 84 ff.). Der Umstand, dass ebenso wie das Grunddelikt des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO auch das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nur versucht worden ist, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. November 1985 - 3 StR 291/85, BGHSt 33, 370; glA Joecks in Franzen/ Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 Rn. 276; Fischer, StGB 57. Aufl. § 46 Rn. 101). Für den Eintritt der Regelwirkung der Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 AO kann es bei der versuchten Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 2 AO) nur darauf ankommen, ob der Täter nach seiner Vorstellung zur Verwirklichung des Regelbeispiels bereits unmittelbar angesetzt hat. Denn bei der versuchten Steuerhinterziehung ist auch für die Indizwirkung der Regelbeispiele auf die subjektive Tatseite abzustellen. Dabei sind bei der Bestimmung des für den strafbaren Deliktsversuch geltenden Strafrahmens die Regelbeispiele besonders schwerer Steuerhinter- ziehung im Ergebnis wie ein Tatbestandsmerkmal zu behandeln, weil sie einen gegenüber dem Tatbestand erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt typisieren (BGHSt 33, 370, 374). Ist der Schuldgehalt der versuchten Tat geringer, kommt auch für den Strafrahmen des besonders schweren Falles der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 3 Satz 1 AO) die Strafrahmenverschiebung des § 23 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB in Betracht.
Gegenteiliges ergibt sich nicht aus einem Vergleich mit dem Regelbeispiel des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Var. 1 StGB, für das der Bundesgerichtshof annimmt, dass ein bloßer Betrugsversuch die Voraussetzungen des Regelbeispiels des „Herbeiführens eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes“ nicht erfüllen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2006 - 2 StR 388/06, BGHR § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Vermögensverlust 6; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2007 - 4 StR 428/06, wistra 2007, 183; BGH, Beschluss vom 24. März 2009 - 3 StR 598/08, NStZ-RR 2009, 206, 207). Denn der dort vom Gesetzgeber verwendete Begriff des Vermögensverlustes ist nach dem Wortsinn enger zu verstehen als die in anderem Zusammenhang verwendeten Begriffe des Vermögensschadens oder -nachteils und verbietet daher eine Ausdehnung auf bloße Gefährdungsschäden (BGH, Beschluss vom 7. Oktober 2003 - 1 StR 212/03, BGHSt 48, 354, 358 f.). Dies rechtfertigt, die im bloßen Ansetzen, einen Vermögensverlust herbeizuführen, liegende Gefährdung auch bei Versuchstaten für die Regelwirkung nicht ausreichen zu lassen. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass im Gegensatz hierzu § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ausdrücklich Bezug nimmt auf den Begriff der Steuerverkürzung und damit auf die Legaldefinition in § 370 Abs. 4 Satz 1 AO. Von dieser Definition werden auch Vermögensgefährdungen bei verspäteter oder zu niedriger Festsetzung erfasst (vgl. BGHSt 53, 71, 85 Rn. 39; Joecks aaO § 370 AO Rn. 51).
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 Abs. 3 AO gegeben ist, hat das Landgericht ausdrücklich berücksichtigt, dass es letztlich nicht zu einer Tatvollendung gekommen ist. Dabei musste es hier nicht ausdrücklich erörtern, ob das Vorliegen des vertypten Milderungsgrundes des Versuchs (§ 23 Abs. 2 StGB) ausnahmsweise zum Entfallen der Regelwirkung führen konnte. Denn die vom Landgericht erwogenen Strafzumessungsgründe legen eine solche Möglichkeit nicht nahe. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Höhe des geltend gemachten Erstattungsbetrages und des Umstandes, dass die Auszahlung nur durch die besondere „Wachsamkeit“ des Finanzamtes verhindert wurde. Im Übrigen wäre - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist - die verhängte Strafe auch angemessen (vgl. § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO).
Nack Wahl Hebenstreit RiBGH Prof. Dr. Sander ist in Urlaub und deshalb verhindert zu unterschreiben. Jäger Nack

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 567/03
vom
26. März 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Geldfälschung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. März 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 7. Oktober 2003 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Der Angeklagte wurde wegen Beihilfe zur Geldfälschung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Bei seiner Einreise in die Bundesrepublik führte er in seiner Jacke zwei Briefumschläge mit sich, die insgesamt 199 falsche 50 Euro-Scheine enthielten. Er hatte die Umschläge zu Beginn der Reise von einem Mitreisenden erhalten und sie während der Reise untersucht. Die Urteilsgründe verhalten sich jedenfalls nicht ausdrücklich dazu, ob er dabei die Umschläge geöffnet hatte oder nicht. Die Strafkammer hat "die Menge" des Geldes, also die Anzahl der Scheine und deren Nennwert, sowie die gute Fälschungsqualität strafschärfend berücksichtigt. Die Revision hält dies für rechtsfehlerhaft. Die vom Landgericht allein festgestellte Überprüfung der Umschläge belege weder die Kenntnis des
Angeklagten von Anzahl und Stückelung der Geldscheine noch von der Qualität der Fälschungen. Darauf kommt es jedoch nicht an. Wer sich am Verkehr mit Falschgeld beteiligt, ist regelmäßig mit jeder Möglichkeit einverstanden, die hinsichtlich Anzahl und Nennwert der Scheine und der Fälschungsqualität nach den Umständen des Falles in Betracht kommt. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist derjenige, der sich am Umsatz von Rauschgift beteiligt, hinsichtlich der Menge und des Wirkstoffgehalts des Rauschgifts regelmäßig mit jeder nach den Umständen des Falles in Betracht kommenden Möglichkeit einverstanden (NStZ-RR 1997, 121; vgl. auch Weber BtMG 2. Aufl. vor §§ 29 ff. Rdn. 740 m.w.N.). Beim Umgang mit Falschgeld können keine anderen Grundsätze gelten. Auch im übrigen hat die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 275/10
vom
14. Dezember 2010
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
BGHR: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________________
Eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1
Nr. 1 AO aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben entfällt nicht deshalb
, weil den zuständigen Finanzbehörden alle für die Steuerfestsetzung bedeutsamen
Tatsachen bekannt waren und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90
AO) bekannt und verfügbar waren.
BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 StR 275/10 - Landgericht München
I
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Dezember 2010 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 26. Januar 2010 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Der Angeklagte hat als im Einkauf tätiger Angestellter der Firma P. für diese Elektronikbauteile aus dem europäischen Ausland über eine Gruppe von Personen eingekauft , deren in Deutschland ansässige Firmen nur zum Zweck der Erlangung unberechtigter Vorsteuerabzüge zwischengeschaltet waren. In Kenntnis dieser Umstände und im Wissen, dass eine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht bestand, gab der Angeklagte Eingangsrechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer an die Buchhaltung der Firma P. zum Zwecke der Verbuchung und Vornahme des Vorsteuerabzugs weiter. Für Rechnungen datierend zwischen 1. August 2003 und 30. September 2004 wurden so für die P. vierzehn falsche Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, die erste davon ging am 16. Oktober 2003 beim zuständigen Finanzamt ein. Insgesamt wurde so Umsatzsteuer in Höhe von rund 5,18 Mio. Euro hinterzogen.
2
Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen Steuerhinterziehung in vierzehn Fällen zu vier Jahren und neun Monaten Ge- samtfreiheitsstrafe verurteilt. Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Der näheren Ausführung bedarf lediglich Folgendes:
4
I. Die Revision rügt eine Verletzung von § 244 Abs. 3 StPO wegen der Ablehnung des Beweisantrags Nr. 2 (nachfolgend 1.). Dies bleibt im Ergebnis erfolglos. Zwar zeigt die Revision insoweit Rechtsfehler auf (nachfolgend 2.), der Senat kann jedoch ausschließen, dass das Urteil hierauf beruht (nachfolgend 3.).
5
1. Folgendes liegt zugrunde:
6
a) Mit länger begründetem Beweisantrag vom 5. Januar 2010 macht die Verteidigung im Kern zweierlei geltend:
7
(1) Ein zunächst in anderer Sache in den Räumen der Firma P. ermittelnder Steuerfahnder aus München habe entgegen seiner Zeugenaussage vor der Strafkammer nicht erst im April 2005, sondern bereits am 19. September 2003 (also bevor die in Rede stehenden Vorsteueranmeldungen beim Finanzamt eingegangen waren) Kenntnis von „der steuerstrafrechtlichen Verdachtslage“ erlangt. Dies ergebe sich aus einem Vermerk über ein Telefonat dieses Steuerfahnders mit einem Steuerfahnder aus Hamburg, dessen Einvernahme nunmehr beantragt wird, sowie aus weiteren Schreiben und Vermerken, deren Verfasser ebenfalls als Zeugen gehört werden sollen. Es werde sich erweisen , dass die zuständigen Finanz- und Strafverfolgungsbehörden so frühzeitig Kenntnis „von dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt“ hatten, dass sie hätten verhindern können, dass größerer Schaden entsteht.
8
(2) Der Steuerfahnder aus München habe keine Maßnahmen ergriffen, Mitarbeiter der Firma P. zu informieren, sondern habe diese im Gegenteil, obgleich er ihnen gegenüber aufgetreten sei, „im guten Glauben … gelassen und darin bestärkt“. Hierzu solle eine Mitarbeiterin der Firma P. vernommen werden, die der Steuerfahnder trotz seines Wissens im Frühjahr 2004 um Auskunft „in Bezug auf die verfahrensgegenständlichen Sachverhalte“ gebeten habe, ohne den Hintergrund der Anfrage darzulegen.
9
b) Hinsichtlich der ersten Beweisbehauptung - Wissen des Steuerfahnders - lehnte die Strafkammer den Beweisantrag durch Beschluss vom 11. Januar 2010 mit der Begründung ab, die Kenntnis des Steuerfahnders - selbst wenn er nicht lediglich einen Anfangsverdacht gehabt hätte - sei für das Verfahren ohne Bedeutung. Der Fahnder hätte einWissen nicht offenbaren dürfen, um einen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Es könne sein, dass Verfahrensverzögerungen entstanden seien, dies spiele aber für die Frage, ob eine betrügerische Umsatzsteuerkette vorliege und inwieweit der Angeklagte hierin involviert war, keine Rolle. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass sich der von der Verteidigung gezogene Schluss auf die behauptete Kenntnis des Steuerfahnders weder aus dem ein Telefonat dokumentierenden noch aus dem weiteren Vermerk nachvollziehen lasse, dieser vielmehr „abwegig“ sei.
10
Zu den weiteren Beweisbehauptungen - „Schweigen“ des Steuerfahnders - hörte die Strafkammer den zuvor bereits vernommenen Steuerfahnder aus München erneut und lehnte sodann den Beweisantrag durch Beschluss vom 26. Januar 2010 mit der Begründung ab, der Steuerfahnder sei „zu der Tatsachenbehauptung“ gehört worden, „so dass der Beweis erhoben“ sei. In den Gründen wird ausgeführt, der Beweisantrag sei insoweit schon „unzulässig, als er keine konkrete, auf die Tat- und Schuldfrage bezogene Beweisbehauptung“ enthalte.
11
2. Die Ablehnungsbeschlüsse sind nicht frei von Rechtsfehlern.
12
a) Der Ablehnungsbeschluss vom 11. Januar 2010 verletzt § 244 Abs. 3 StPO, weil er eine Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung nicht belegt.
13
Eine Beweisbehauptung ist nur dann bedeutungslos, wenn sie weder den Schuld- noch den Rechtsfolgenausspruch zu beeinflussen vermag. Das Gericht muss daher - will es eine Beweisbehauptung (in deren vollen Tragweite, vgl. BGH, Beschluss vom 23. November 1982 - 1 StR 698/82, StV 1983, 90, 91) wegen Bedeutungslosigkeit ablehnen - beides in den Blick nehmen. Das Ergebnis dieser Prüfung ist im Ablehnungsbeschluss nachvollziehbar darzulegen, soweit es nicht für alle Beteiligten auf der Hand liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1999 - 1 StR 672/98, NStZ 2000, 46; BGH, Urteil vom 5. Januar 1982 - 5 StR 567/81, NStZ 1982, 170, 171; BGH, Beschluss vom 12. Juli 1979 - 3 StR 229/79).
14
(1) Es ist bereits nicht erkennbar, ob die angenommene Bedeutungslosigkeit auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht. Entsprechende Darlegungen sind jedoch regelmäßig geboten (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2000 - 3 StR 410/99, NStZ 2000, 267, 268; BGH, Beschluss vom 12. August 1986 - 5 StR 204/86, StV 1987, 45 f.; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 43a).
15
(2) Die von der Strafkammer zur Begründung der Bedeutungslosigkeit weiter herangezogene Annahme, der benannte Steuerfahnder hätte sein Wissen nicht offenbaren dürfen, um einen Ermittlungserfolg (offenbar im Gesamt- komplex) nicht zu gefährden, vermag zu belegen, dass die abgeurteilte Tat nicht verhindert worden wäre. Welche Schlüsse die Strafkammer hieraus auf die Bedeutung der explizit unter Beweis gestellten Behauptung, die Tat hätte verhindert werden können, gezogen hat, legt sie nicht dar. Solcher Darlegungen hätte es hier aber - wie regelmäßig (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2007 - 3 StR 114/07, StraFo 2007, 331) - bedurft. Denn aus dem Umstand, dass eine Tat nicht verhindert worden wäre, drängt sich der Schluss, dass eine bestehende , aber nicht wahrgenommene Möglichkeit zur Tatverhinderung im konkreten Fall für den Schuld- oder den Strafausspruch bedeutungslos sein kann, nicht ohne weiteres auf.
16
Die weiteren Erwägungen der Kammer, etwaige Verfahrensverzögerungen seien für die Frage nach dem Vorliegen einer betrügerischen Umsatzsteuerkette oder der Beteiligung des Angeklagten hieran bedeutungslos, lassen die Frage nach der Bedeutung von Verzögerungen für den Strafausspruch unerörtert.
17
(3) Die Ausführungen der Strafkammer, es sei „abwegig“, aus dem das Stattfinden eines verfahrensbezogenen Telefonats dokumentierenden Vermerk auf einen bestimmten Gesprächsinhalt zu schließen, geben zur Frage der Bedeutungslosigkeit der Beweisbehauptung keine Auskunft. Sie könnten überdies besorgen lassen, die Strafkammer habe die Beweisbehauptung in Zweifel gezogen. Bei der Ablehnung eines Beweisantrags wegen Bedeutungslosigkeit aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen ist jedoch die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie voll erwiesen, der Entscheidung zugrunde zu legen (BGH, Beschluss vom 12. Januar 2010 - 3 StR 519/09, NStZ-RR 2010, 212; BGH, Beschluss vom 6. März 2008 - 3 StR 9/08, StV 2008, 288). Die Ausführungen der Strafkammer geben dem Senat ferner Anlass zu der Anmerkung, dass einem Beweisantrag zwar abverlangt werden kann, dass darin ein verbindender Zusammenhang zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung dargelegt ist (vgl. Fischer in KK, StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 82 mwN), dies jedoch nicht die Darlegung erfordert, ein benannter Zeuge werde die Beweisbehauptung mit Sicherheit bekunden. Erforderlich - aber auch ausreichend - ist die Darlegung der Umstände, warum es dem Zeugen möglich sein kann, die Beweistatsache zu bekunden. Ist der Zeuge Teilnehmer eines Telefonats, dessen Verlauf, dessen Inhalt oder - wie hier - dessen Ergebnis unter Beweis gestellt werden soll, handelt es sich um einen unmittelbaren Zeugen, zu dem es regelmäßig nicht der Darlegung noch weiter ins Detail gehender Umstände bedarf, damit das Gericht den Antrag anhand der gesetzlichen Ablehnungsgründe sinnvoll prüfen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97, BGHSt 43, 321, 329 f.).
18
b) Soweit der Antrag die weiteren Beweisbehauptungen - betreffend das „Schweigen“ des Steuerfahnders - betrifft, lässt sich dem entgegen der Auffassung der Strafkammer im Beschluss vom 26. Januar 2010 eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung entnehmen (1). Über diese wurde entgegen dem Ablehnungsbeschluss nicht Beweis erhoben (2).
19
(1) Soweit die Strafkammer im Beschluss vom 26. Januar 2010 ausführt, der Antrag sei „unzulässig“, will sie damit offenbar zum Ausdruck bringen, es handle sich um einen Beweisermittlungsantrag. Auch ein solcher wäre indes nicht schon im Ansatz unzulässig oder unstatthaft, sondern statt nach § 244 Abs. 3 bis Abs. 5 StPO nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO zu bescheiden (zu unzulässigen Beweisanträgen vgl. Becker in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 198; Fischer in KK-StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 107 f.).
20
Zwar vermengt der Antrag hinsichtlich des behaupteten Tätig- oder Nichttätigwerdens des Steuerfahnders Beweisziel und Beweistatsachen, bei der gebotenen interessengerechten Auslegung (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 244 Rn. 39; Fischer in KK-StPO, 6. Aufl., § 244 Rn. 77 f.) lässt sich ihm aber die Behauptung entnehmen, der benannte Steuerfahnder habe bei einer zu vernehmenden Zeugin bereits im Frühjahr 2004 Unterlagen betreffend den nunmehr abgeurteilten Sachverhalt erbeten, und hierbei nicht über eine Verdachtslage gesprochen. Dies ist eine hinreichend konkrete Beweisbehauptung.
21
Fehlte es - wie die Strafkammer ausführt - an einer hinreichend konkreten Beweisbehauptung, könnte nicht - wie die Kammer im selben Beschluss ausführt - „zu der Tatsachenbehauptung … Beweis erhoben“ sein. Die Nennung verschiedener, sich widersprechender Ablehnungsgründe könnte je nach Lage des Falles sogar besorgen lassen, dass es der Tatrichter dem Revisionsgericht überlassen wollte, sich einen passenden Ablehnungsgrund „herauszusuchen“ (vgl. BGH, Beschluss vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51). Eine in dieser Weise widersprüchliche Begründung wird aber insbesondere der Informationsfunktion des Ablehnungsbeschlusses nicht gerecht (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2009 - 1 StR 520/09, StV 2010, 287, 288).
22
(2) Der beantragte Beweis wurde nicht erhoben.
23
Die zum Verhalten des Steuerfahnders gegenüber Mitarbeitern der Firma P. benannte Zeugin wurde nicht vernommen. Die Strafkammer konnte den Beweis auch nicht dadurch erheben, dass sie an deren Stelle den bereits zuvor gehörten Steuerfahnder erneut befragt. Im Rahmen des Beweisantragsrechts ist es Sache des Antragstellers, nicht nur das Beweisthema, sondern auch das zu benutzende Beweismittel selbst zu bestimmen. Zwar kommt ein Austausch der Beweismittel ausnahmsweise dann in Betracht, wenn das herangezogene Beweismittel zweifelsfrei gleichwertig ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1982 - 2 StR 139/82, NJW 1983, 126, 127). An dieser Gleichwertigkeit fehlt es jedoch regelmäßig, wenn nur der Zeuge, dessen bisherige Aussage widerlegt werden soll, erneut vernommen wird, nicht aber die anderen zur Widerlegung benannten Zeugen. Dieser Mangel wäre im Ergebnis nur dann unschädlich , wenn der Zeuge seine bisherigen Aussagen im Sinne der Beweisbehauptung korrigiert und die Beweisbehauptung deshalb als erwiesen behandelt wird. Dass dies hier der Fall wäre, die Strafkammer also angenommen hat, der Steuerfahnder habe trotz seines Wissens geschwiegen, ist nicht ersichtlich.
24
3. Der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht.
25
Das Landgericht durfte hier nämlich aus Rechtsgründen weder das behauptete „Wissen“ des ermittelnden Steuerfahnders, noch dessen „Schweigen“ für den Schuld- oder den Strafausspruch berücksichtigen. Es ist überdies auszuschließen , dass sich der Angeklagte bei rechtsfehlerfreier Ablehnung des Beweisantrags anders als geschehen gegen den Tatvorwurf hätte verteidigen können. Insofern wurde der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Verbescheidung des Antrags nicht in seiner Prozessführung beeinträchtigt oder benachteiligt.
26
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt der Tatbestand der Steuerhinterziehung in der hier einschlägigen Variante des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Abgabe unrichtiger oder unvollständiger Erklärungen) keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Dies folgt bereits aus dem vom Betrugstatbestand des § 263 StGB abweichenden Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es genügt daher, dass die unrichtigen oder un- http://www.juris.de/jportal/portal/t/1c6v/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006130976BJNE046407301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 11 - vollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2007 - 5 StR 127/07, NStZ 2007, 596, 597; BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1990 - 3 StR 90/90, BGHSt 37, 266, 285; so auch BFH, BStBl II 2006, 356, 357). Deshalb kommt es auch auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden von der Unrichtigkeit der gemachten Angaben nicht an. Dementsprechend würde der hier unter Beweis gestellte Verdacht des Münchner Steuerfahnders die Erfüllung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung auch dann nicht ausschließen, wenn der Beweis gelungen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64).
27
Darüber hinaus greift § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO selbst dann ein, wenn der zuständige Veranlagungsbeamte von allen für die Veranlagung bedeutsamen Tatsachen Kenntnis hat und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90 AO) bekannt und verfügbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 1999 - 5 StR 178/99, wistra 2000, 63, 64, wo die aufgezeigte Fragestellung nicht entscheidungserheblich war). Im Gegensatz zu § 370 Abs.1 Nr. 2 AO ist bei § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO - schon nach seinem Wortlaut - nicht auf eine Kenntnis oder Unkenntnis der Finanzbehörden abzustellen (so aber Schmitz/Wulf in MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 241) oder das ungeschriebene Merkmal der "Unkenntnis" der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt in den Tatbestand hineinzulesen (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 AO Rn. 198 f.). Dies stünde im Widerspruch zu der Wertung des Gesetzgebers in den Regelbeispielen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 und 3 AO, die die Mitwirkung eines Amtsträgers unabhängig von dessen Zuständigkeit als besonders strafwürdig einstufen. Anders als in der Unterlassungsvariante setzt der Täter bei Begehung durch aktives Tun mit Abgabe der dann der Veranlagung zugrunde gelegten - aber unrichtigen - Erklärung eine Ursache, die im tatbestandsmäßigen Erfolg (i.S.d. § 370 Abs. 4 Satz 1 AO) stets wesentlich fortwirkt. Der Erfolg wäre auch bei Kenntnis der Finanzbehörden vom zutreffenden Besteuerungssachverhalt - anders als in der Unterlassungsvariante - weder ganz noch zum Teil ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf eingetreten. Insofern realisiert sich gerade auch in dem Machen der falschen Angaben (neben einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhalten des die zutreffenden Besteuerungsgrundlagen kennenden Veranlagungsbeamten) die durch § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtlich missbilligte Gefahr einer Steuerverkürzung (so jetzt auch Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 42. Lfg. März 2010, § 370 Rn. 581 ff.).
28
Die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung kann auch nicht durch die mit dem Beweisantrag implizit aufgestellte Behauptung einer verzögerten Verfahrenseinleitung in Frage gestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 5 StR 191/04, wistra 2005, 148, 149).
29
b) Das Verhalten der Finanzbehörden konnte vorliegend auch keinen Einfluss auf den Strafausspruch haben.
30
Zwar kann ein Verhalten des Steuerfiskus (gleich einem Mitverschulden oder einer Mitverursachung des Verletzten) strafmildernd zu berücksichtigen sein. Es kann daher Fälle geben, in denen strafschärfend berücksichtigtes Verhalten eines Angeklagten (etwa Skrupellosigkeit, Raffinesse oder Hartnäckigkeit ) ins Verhältnis zum Verhalten der zum Schutze der staatlichen Vermögensinteressen berufenen Beamten zu setzen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1983 - 1 StR 25/83, wistra 1983, 145). Dies gilt jedoch allenfalls dann, wenn das staatlichen Stellen vorwerfbare Verhalten unmittelbar auf das Handeln des Angeklagten Einfluss genommen hat (etwa weil er bislang nicht tatgeneigt war oder ihm wenigstens die Tat erleichtert wurde) und den staatlichen Entscheidungsträgern die Tatgenese vorgeworfen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - 3 StR 474/08, NStZ-RR 2009, 167). Derartiges hätte weder durch den in Rede stehenden Beweisantrag bewiesen werden können, noch ist es sonst vorgetragen oder ersichtlich.
31
Ein Anspruch eines Straftäters darauf, dass die Ermittlungsbehörden rechtzeitig gegen ihn einschreiten, um seine Taten zu verhindern, besteht nicht. Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Artikel 6 Abs. 1 EMRK (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 - 1 StR 506/02, NStZ-RR 2003, 172 f.; BGH, Beschluss vom 17. Juli 2007 - 1 StR 312/07, NStZ 2007, 635). Es wäre daher rechtsfehlerhaft gewesen, dies hier zugunsten des Angeklagten zu werten.
32
Das Landgericht hat nicht nur im Beschluss, mit dem der Beweisantrag abgelehnt wurde, sondern im hier maßgeblichen Urteil Verfahrensverzögerungen angesprochen und die bedeutsamen Daten des Verfahrens beginnend mit einer Selbstanzeige am 18. September 2003 genannt. Der Senat kann daher ausschließen, dass die Kammer dies bei der Strafzumessung nicht auch im Blick hatte. Dass darüber hinaus Besonderheiten des Einzelfalles eine Strafmilderung ermöglicht hätten, weil sie ein Einschreiten der Finanz- und Ermittlungsbehörden unabweisbar geboten oder dazu geführt hätten, dass deren Verhalten mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens unvereinbar gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 - 5 StR 191/04, wistra 2005, 148, 149), ist auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht ersichtlich.
33
II. Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten einen Härteausgleich wegen einer einbeziehungsfähigen, aber bereits durch Be- zahlung vollstreckten Geldstrafe vorgenommen (UA S. 65). Eine ausgleichspflichtige Härte kann für den Angeklagten hier – anders als bei Vollstreckung einer Geldstrafe durch Ersatzfreiheitsstrafe – nicht entstehen (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 21 f. mwN). Durch den gleichwohl vorgenommenen Härteausgleich ist der Angeklagte indes nicht beschwert.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 459/11
vom
29. November 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2, § 354 Abs. 1a Satz 1 StPO beschlossen:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 12. Mai 2011 werden als unbegründet verworfen. 2. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten D. und O. wegen Steuerhinterziehung in 15 Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Kreditbetruges schuldig gesprochen und deswegen den Angeklagten D. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sowie den Angeklagten O. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Den Angeklagten M. hat es wegen Steuerhinterziehung in 28 tatmehrheitlichen Fällen, versuchter Steuerhinterziehung in 14 Fällen und Bankrotts in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die hiergegen gerichteten Revisionen der Angeklagten haben im Ergebnis keinen Erfolg.
3
Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seinen Antragsschriften vom 4. Oktober 2011 bemerkt der Senat lediglich :
4
1. Die Revisionen der Angeklagten D. und M. machen geltend, das Landgericht habe bei der Bestimmung des Schuldumfanges der Straftaten der Umsatzsteuerhinterziehung die „möglichen und notwendigen Rechnungsberichtigungen“ der Scheinrechnungen nicht berücksichtigt. Dieses Vorbringen hat schon deshalb keinen Erfolg, weil bei aufgrund unberechtigten Steuerausweises geschuldeter Steuer nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG eine Berichtigung des Steuerbetrages nur möglich gewesen wäre, wenn die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden wäre. Dies hätte jedoch gemäß § 14c Abs. 2 Satz 4 UStG vorausgesetzt, dass entweder der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen beim Rechnungsempfänger nicht durchgeführt oder aber die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden wäre. Beides lässt sich den landgerichtlichen Feststellungen nicht entnehmen; auf entsprechende Feststellungen gerichtete Verfahrensrügen wurden nicht erhoben.
5
2. Das Landgericht hat in 13 Fällen vollendeter gemeinschaftlicher Umsatzsteuerhinterziehung durch unberechtigten Vorsteuerabzug aus Scheinrechnungen im Rahmen der konkreten Strafzumessung rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet, dass zwei Regelbeispiele verwirklicht sind.
6
a) Zutreffend hat das Landgericht in diesen Fällen den erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO zugrunde gelegt, denn die Feststellungen des Landgerichts belegen, dass die Angeklagten als Mitglieder einer Bande im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 AO gehandelt haben.
7
b) In zehn Fällen wird allerdings die strafschärfend berücksichtigte Verwirklichung des Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO von den Feststellungen des Landgerichts von vorneherein nicht getragen. Denn bei den vom Landgericht in diesen Fällen festgestellten Verkürzungsbeträgen unter 50.000 Euro liegt nach der Rechtsprechung des Senats das Merkmal „in großem Aus- maß“ im Sinne dieses Regelbeispiels nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396; Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NJW 2011, 2450; Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).
8
c) Auch die Feststellungen des Landgerichts, nach denen die Angeklag- ten in drei weiteren Fällen „Schadenssummen“ zwischen 50.000 und 100.000 Euro herbeigeführt haben, belegen nicht die Verwirklichung des weiteren Regelbeispiels des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396; Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 StR 116/11, NJW 2011, 2450; Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71).
9
d) Die Strafaussprüche haben gleichwohl Bestand. Diese erachtet der Senat im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem Generalbundesanwalt angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten weiteren erheblichen Strafschärfungsgesichtspunkte als angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1a StPO. Die Anforderungen an die Anwendung der Vorschrift (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2007 - 2 BvR 1147/05, 2 BvR 136/05, BVerfGE 118, 212) sind daher gegeben. Die Straftaten der Angeklagten besaßen angesichts ihrer zeitlichen und sachlichen Verschränkung insbesondere Seriencharakter. Deswegen ist vorliegend bereits bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden entscheidend, sondern auch die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08, BGHR StGB § 46 Begründung 1 mwN). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 627/08
vom
17. März 2009
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
______________________
Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern bemisst sich der Umfang der verkürzten
Steuern oder erlangten Steuervorteile auch dann nach deren Nominalbetrag, wenn
die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen
Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne von § 18 Abs. 1 UStG liegt. Der Umstand,
dass in solchen Fällen im Hinblick auf die Verpflichtung zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung
(§ 18 Abs. 3 UStG) zunächst nur eine Steuerhinterziehung „auf
Zeit“ gegeben ist, führt nicht dazu, dass der tatbestandsmäßige Erfolg lediglich in der
Höhe der Hinterziehungszinsen zu erblicken wäre.
Zur Strafzumessung bei Tatserien.
BGH, Urt. vom 17. März 2009 - 1 StR 627/08 - LG Nürnberg-Fürth
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
17. März 2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Juli 2008 im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den umfassend geständigen Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 59 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren , deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Die Einzelstrafen hat das Landgericht im Hinblick auf eine „rezidivierende depressive Störung“ des Angeklagten jeweils dem nach den §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 370 Abs. 1 AO entnommen; von der Bildung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe hat es gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB abgesehen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer zu Ungunsten des Angeklag- ten eingelegten und auf den Strafausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet im Wesentlichen, dass das Landgericht hinsichtlich der Taten der Lohnsteuerhinterziehung sowie der Steuerhinterziehung durch Unterlassen der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen statt kurzer Freiheitsstrafen (§ 47 Abs. 1 StGB) lediglich Geldstrafen verhängt und bei der Gesamtstrafenbildung keine einheitliche Gesamtfreiheitsstrafe festgesetzt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Urteilsfeststellungen betrieb der Angeklagte seit dem Jahr 1999 als Einzelfirma einen Pizzalieferservice mit Filialen in Nürnberg, Fürth und Erlangen. Im Rahmen der betrieblichen Tätigkeit entnahm er in den Jahren 2002 bis 2006 einen erheblichen Teil der Betriebseinnahmen, ohne diese als Umsätze und Einnahmen in der Buchhaltung des Unternehmens zu erfassen; Lohnzahlungen an Aushilfskräfte erfasste er ebenfalls nicht. Auch seinen steuerlichen Erklärungspflichten kam er nicht ordnungsgemäß nach, so dass in zehn Fällen Umsatzsteuer, in jeweils drei Fällen Gewerbesteuer und Einkommensteuer und in 43 Fällen Lohnsteuer verkürzt wurde. Im Einzelnen hat das Landgericht hierzu festgestellt:
3
a) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte zunächst keine Umsatzsteuerjahreserklärungen ab. Nachdem das Finanzamt insoweit Schätzungsbescheide erlassen hatte, reichte er verspätet Umsatzsteuerjahreserklärungen ein, mit denen er geringere als die tatsächlich erzielten Umsätze erklärte. Hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 2004 gab er zwar fristgemäß eine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, nahm aber die in diesem Zeitraum erzielten Umsätze nicht vollständig auf. Für die Quartale I/2005 bis III/2006 gab der Angeklagte keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die Gesamtsumme der hin- sichtlich der Veranlagungszeiträume 2002 bis 2004 verkürzten Umsatzsteuern hat die Strafkammer mit 80.500,-- Euro beziffert. Im Hinblick auf die nicht eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2005 und 2006 hat sie lediglich den „Zinsverlust als Hinterziehungsschaden“ angesehen, den sie nach Maßgabe des § 238 Abs. 1 Satz 1 AO berechnet hat.
4
b) Für die Jahre 2002 und 2003 gab der Angeklagte auch keine Gewerbesteuer - und Einkommensteuererklärungen ab; in die für das Jahr 2004 eingereichten Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen nahm er nur solche Einkünfte auf, die in die Buchhaltung der Firma Eingang gefunden hatten. Die insoweit ergangenen Steuerbescheide - hinsichtlich der Jahre 2002 und 2003 Schätzungsbescheide - enthielten deshalb jeweils zu niedrige Steuerfestsetzungen ; als Gesamtverkürzungsumfang einschließlich Solidaritätszuschlag hat das Landgericht einen Betrag von mehr als 300.000,-- Euro errechnet.
5
c) Aufgrund von Schwarzlohnzahlungen, die der Angeklagte in seine Lohnsteueranmeldungen nicht aufnahm, verkürzte er in den Jahren 2002 bis 2006 in insgesamt 43 Fällen Lohnsteuern und Solidaritätszuschlag in Höhe von mehr als 200.000,-- Euro.
6
2. Den Ausführungen eines Sachverständigen für Psychiatrie und Psychologie folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund einer „rezidivierenden depressiven Störung“ im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert gewesen ist. Der Sachverständige habe dargelegt, es handele sich um eine krankhafte seelische Störung, die „beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkte, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei“ (UA S. 21).

II.


7
Die Beschränkung der Revision auf den Strafausspruch ist wirksam.
8
1. Eine isolierte Überprüfung der Strafzumessung ist möglich, ohne dass der Schuldspruch hiervon berührt wird (vgl. BGH NJW 1996, 2663, 2664 m.w.N.); denn nach den vom Landgericht zur „depressiven Störung“ des Angeklagten getroffenen Feststellungen ist sicher auszuschließen, dass sich aufgrund einer neuen Hauptverhandlung ein Au sschluss der Schuldfähigkeit des Angeklagten (§ 20 StGB) bei Begehung der Taten erweisen könnte. Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen bilden auch im Übrigen eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Strafausspruchs (BGHSt 33, 59).
9
2. Eine weitergehende, schlüssige Beschränkung der Revision auf die Nichtverhängung kurzer Einzelfreiheitsstrafen gemäß § 47 Abs. 1 StGB sowie auf den Gesamtstrafausspruch liegt nicht vor. Zwar wendet sich die Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich gegen die Annahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB; sie beanstandet aber die Zumessung der Einzelstrafen, bei der die Strafkammer jeweils den typisierten Strafmilderungsgrund der verminderten Schuldfähigkeit zur Strafrahmenverschiebung herangezogen hat. Das Revisionsvorbringen ist deshalb mit Rücksicht auf das erstrebte Anfechtungsziel dahin auszulegen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. April 2000 - 1 StR 55/00 - und vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10), dass der gesamte Strafausspruch angegriffen ist.
10
Eine Beschränkung der Revision auf die ausdrücklich genannten Angriffsziele wäre jedenfalls unwirksam, weil die Frage, ob der Angeklagte bei der Tatbegehung vermindert schuldfähig war, bei der Prüfung, ob die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB geboten war, nicht außer Betracht bleiben kann. Beide Fragen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang , der ohne die Gefahr von Widersprüchen eine isolierte Nachprüfung nicht zulässt.

III.


11
Die auf den Strafausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
12
1. Bereits die Erwägungen, aufgrund deren das Landgericht für den gesamten Tatzeitraum eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten im Sinne des § 21 StGB angenommen hat, sind nicht tragfähig.
13
a) Als Begründung für diese Annahme gibt das Landgericht in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des psychiatrischen Sachverständigen wieder, nach denen aus den von diesem vorgenommenen Untersuchungen zu folgern sei, „dass die depressive Problematik des Angeklagten ihren Ausgangspunkt im Jahre 2002 genommen habe. Bereits beim durchgeführten ambulanten Untersuchungsgespräch habe sich der Eindruck einer depressiven Verstimmung beim Angeklagten mit deutlicher Antriebsbeeinträchtigung ergeben; dieses Antriebsdefizit sei dauerhaft vorhanden. Insgesamt sei davon auszugehen, dass beim Angeklagten B. eine rezidivierende depressive Störung vorliege , die mit unterschiedlich schwer ausgeprägten depressiven Episoden einhergehe. Während zum aktuellen Untersuchungszeit- punkt (Mai 2008) von einer lediglich mittelgradigen Problematik auszugehen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass zu früheren Zeitabschnitten schwerwiegendere Auffälligkeiten zu Tage getreten seien. Die einzelnen depressiven Episoden seien mit Stimmungsveränderungen, Verlust von Freude und üblichen Interessen , Antriebsbeeinträchtigung, vermehrten Befürchtungen und Ängsten einhergegangen; vor diesem Hintergrund sei auch zu bewerten , dass der Angeklagte aufgrund wahnhafter Befürchtungen im Jahr 2002 über längere Zeit seine gewohnte soziale Umgebung verlassen hatte.“ Insgesamt habe die von dem Sachverständigen „klassifizierte krankhafte seelische Störung, d.h. die immer wieder in unterschiedlichem Ausmaß zutage tretende depressive Problematik , beim Angeklagten so weitgehende Veränderungen in dessen Denken und insbesondere Aktivitätsniveau (Antriebsdefizit) bewirkt, dass die Annahme einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit gerechtfertigt sei. Anhaltspunkte dafür, dass von einer aufgehobenen Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden könne , ließen sich hingegen nicht finden“ (UA S. 21 f.).
14
b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung bereits deshalb nicht stand, weil die Strafkammer von einem unzutreffenden Prüfungsansatz ausgegangen ist.
15
aa) Bei der Frage, ob eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit „erheblich“ im Sinne des § 21 StGB ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die das Tatgericht ohne Bindung an Äußerungen von Sachverständigen zu beantworten hat. Dabei fließen normative Erwägungen ein. Die rechtliche Erheblichkeit der Verminderung des Hemmungsvermögens hängt auch von den Ansprüchen ab, die die Rechtsordnung an das Verhalten des Einzelnen stellt. Dies zu beurteilen, ist allein Sache des Gerichts. Lediglich zur Beurteilung der Vorfrage nach den medizinisch-psychiatrischen Anknüpfungstatsachen bedarf es sachverständiger Hilfe, wenn es hierüber nicht aufgrund eigener Sachkunde befinden kann (BGHSt 43, 66, 77; BGH StV 1999, 309, 310).

16
bb) Ob eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit - und zwar „bei Begehung der Tat“ - vorliegt, hat das Tatgericht im Wege einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 43, 66, 78). Dabei ist zu klären, ob sich die Fähigkeit des Angeklagten, motivatorischen und situativen Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und sich normgemäß zu verhalten, im Vergleich mit dem „Durchschnittsbürger“ in einem solchen Maß verringert hat, dass die Rechtsordnung diesen Umstand bei der Durchsetzung ihrer Verhaltenserwartungen nicht übergehen darf (vgl. Fischer, StGB 56. Aufl. § 21 Rdn. 7a).
17
cc) Eine derartige Gesamtwürdigung hat die Strafkammer, die in den Urteilsgründen allein die „Feststellungen“ des Sachverständigen wiedergibt, nicht vorgenommen. Mehrere belangvolle Umstände, die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Taten von maßgeblicher Bedeutung sind, finden in den Urteilsgründen keine Erwähnung. So setzt sich die Strafkammer nicht mit der bei Annahme einer „depressiven Störung“ bedeutsamen Tatsache auseinander, dass der Angeklagte im Hinblick auf seine steuerlichen Erklärungspflichten nicht etwa gänzlich untätig geblieben ist, sondern zum Teil Steuererklärungen mit unrichtigem Inhalt eingereicht hat. Der Erörterung hätte auch bedurft, dass der Angeklagte in der Lage war, ein Unternehmen mit drei Filialen zu leiten, das in den Jahren 2005 und 2006 Bruttoumsätze von mehr als 100.000,-- Euro pro Monat tätigte und bei dem eine Mehrzahl von Arbeitnehmern mit einer monatlichen Lohnsumme von mehr als 20.000,-- Euro beschäftigt waren. Die Leitung eines Gewerbebetriebs dieses Umfangs erfordert nicht unerhebliche Organisationsmaßnahmen im Bereich des Kassenwesens, der Materialbeschaffung sowie der Auswahl und Überwachung des Personals. War der Angeklagte aber zur Wahrnehmung dieser Aufgaben in http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437 [Link] http://beck-online.beck.de/?typ=reference&y=300&z=NStZ&b=2004&s=437&i=438 - 11 - der Lage, hätte die Annahme, dass die „depressive Störung“ des Angeklagten so erheblich war, dass er seinen steuerrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, besonderer Begründung bedurft.
18
c) Die Ausführungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit des Angeklagten halten auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie nicht auf die jeweiligen Tatzeitpunkte bezogen sind. Eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit gemäß § 21 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Schuldfähigkeit „bei Begehung der Tat erheblich vermindert“ war. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei derjenige der Tathandlung im Sinne von § 8 Satz 1 StGB. Werden - wie hier - innerhalb eines längeren Zeitraums mehrere Taten begangen, ist deshalb die Prüfung nicht generell, sondern in Bezug auf jede einzelne Tat vorzunehmen (vgl. BGH NStZ 2004, 437, 438; NStZ-RR 2007, 105, 106). Daran fehlt es hier. Insbesondere hat das Landgericht nicht in den Blick genommen, dass der Angeklagte den Tatbestand der Steuerhinterziehung zum Teil durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), in den übrigen Fällen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) verwirklicht hat.
19
d) Die Erwägungen des Landgerichts zur Schuldfähigkeit sind zudem widersprüchlich ; denn die Strafkammer misst trotz Annahme erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit des Angeklagten dessen „planmäßiger“ Steuerhinterziehung strafschärfende Bedeutung bei.
20
e) Auf diesen Rechtsfehlern beruht der gesamte Strafausspruch. Der Senat muss deshalb besorgen, dass das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten für einzelne oder alle Taten verneint hätte, wenn es die gebotene Gesamtwürdigung der für die Schuldfä- higkeit des Angeklagten maßgeblichen Umstände rechtsfehlerfrei vorgenommen hätte.
21
2. Soweit der Angeklagte seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, fristgemäß Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben (Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe ), hält die Strafzumessung auch deswegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht als „Hinterziehungsschaden“ allein den sich aus der verspäteten Steuerfestsetzung ergebenden „Zinsverlust“ des Fiskus angesehen hat.
22
a) Tatbestandlicher Erfolg einer Steuerhinterziehung ist gemäß § 370 Abs. 1 AO die Steuerverkürzung bzw. die Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile. Der Umfang der verkürzten Steuern oder erlangten Steuervorteile bemisst sich dabei nach deren Nominalbetrag; denn die Steuerhinterziehung bezieht sich auf die Steuern und Steuervorteile, nicht auf die Hinterziehungszinsen. Dies gilt bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern auch dann, wenn die Tathandlung in der pflichtwidrigen Nichtabgabe oder der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung besteht. Der Umstand, dass der Unternehmer nicht nur Umsatzsteuervoranmeldungen, sondern für jedes Kalenderjahr auch eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
23
aa) Nach § 18 Abs. 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, bis zum 10. Tag nach Ablauf jedes Voranmeldungszeitraumes eine Umsatzsteuervoranmeldung abzugeben. Voranmeldungszeitraum ist dabei das Kalendervierteljahr (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG), unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Satz 2 UStG der Kalendermonat. In der Umsatzsteuervoranmeldung hat der Unternehmer die geschuldete Steuer selbst zu berechnen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 UStG), eine sich daraus ergebende Vorauszahlung ist nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG am 10. Tag nach Ablauf des Voranmeldungszeitraums fällig.
24
Nach Ablauf des Kalenderjahres hat der Unternehmer gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben, in der er die zu entrichtende Steuer oder einen sich zu seinen Gunsten ergebenden Überschuss selbst zu berechnen hat. Aufgrund der Jahreserklärung wird die Steuer für das Kalenderjahr als Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) erstmals festgesetzt (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 132). Die Umsatzsteuerjahreserklärung ist grundsätzlich bis zum 31. Mai des auf das jeweilige Veranlagungsjahr folgenden Jahres abzugeben (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit sich auf der Grundlage der Jahreserklärung abweichend zu den Voranmeldungen ein Unterschiedsbetrag zu Gunsten des Finanzamts ergibt, ist dieser nach § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG einen Monat nach Eingang der Steueranmeldung fällig. Die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen nach § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG wird dadurch nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG).
25
Die Umsatzsteuervoranmeldung und die Umsatzsteuerjahreserklärung sind Steueranmeldungen im Sinne von § 150 Abs. 1 Satz 3 AO. Sie stehen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Lediglich dann, wenn sich aus der Voranmeldung oder der Jahreserklärung eine Steuervergütung ergibt, tritt die Wirkung einer Steuerfestsetzung nach § 168 Satz 2 AO erst ein, wenn die Finanzbehörde zustimmt, was nach § 168 Satz 3 AO formlos möglich ist.
26
Die steuerlichen Verfahren betreffend die Umsatzsteuervoranmeldungen einerseits und die Umsatzsteuerjahreserklärung andererseits sind steuerrecht- lich selbstständig und können sich zeitlich überschneiden (vgl. Zeuner in Bunjes /Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23; Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 370 AO Rdn. 1364). Dabei löst die Festsetzung der Jahresumsatzsteuer die Vorauszahlungsfestsetzungen für die zukünftige sachlichrechtliche Beurteilung des Steueranspruchs ab, ohne aber die Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume aufzuheben oder zu ändern und ohne Aussagen über ihre materielle Richtigkeit zu treffen (vgl. Bülow in Vogel /Schwarz UStG Stand 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 131). Auch wird die Fälligkeit rückständiger Umsatzsteuervorauszahlungen durch die Fälligkeit eines sich eventuell aus der Jahreserklärung ergebenden Unterschiedsbetrags zu Gunsten des Finanzamts nicht berührt (§ 18 Abs. 4 Satz 3 UStG). Auf der anderen Seite ist ein sich gegebenenfalls aus einer Umsatzsteuervoranmeldung ergebender Überschuss nach Zustimmung des Finanzamtes (§ 168 Satz 2 AO) als Erstattungsbetrag ohne besonderen Antrag auszuzahlen; er ist nicht auf die Jahreserklärung vorzutragen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 24).
27
Aufgrund der verfahrensrechtlichen Selbstständigkeit beider Arten von Steueranmeldungen entbindet die Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen den Unternehmer nicht von der Pflicht zur Abgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung. Umgekehrt lässt eine zutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung die steuerrechtliche Pflicht zur Einreichung noch ausstehender Umsatzsteuervoranmeldungen nicht entfallen (vgl. Zeuner in Bunjes/Geist UStG 8. Aufl. § 18 Rdn. 23). Dies gilt selbst dann, wenn sich die Summe der Vorauszahlungen mit der Steuer für den Besteuerungszeitraum deckt (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb UStG Stand 60. Lfg. September 2008 § 18 UStG Rdn. 60).
28
bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der der Senat festhält, stehen Steuerhinterziehungen wegen der Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe wahrheitsgemäßer Umsatzsteuervoranmeldungen und solche, bezogen auf die Pflicht zur rechtzeitigen Einreichung einer zutreffenden Umsatzsteuerjahreserklärung, auch dann im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander , wenn sie dasselbe Kalenderjahr betreffen (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH wistra 2005, 66; 2005, 145, 146; 2005, 228, 229). Aufgrund der steuerrechtlichen Selbstständigkeit beider Besteuerungsverfahren (vgl. oben Abschnitt aa) kommt einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung (§ 18 Abs. 3 UStG) im Verhältnis zu vorangegangenen unzutreffenden monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen in demselben Kalenderjahr (§ 18 Abs. 1 UStG) in steuerstrafrechtlicher Hinsicht ein selbständiger Unrechtsgehalt zu. Jede Steueranmeldung hat einen eigenständigen Erklärungswert, der auch durch die Zusammenfassung in der Jahreserklärung nicht deckungsgleich wird (BGH NStZ 1996, 136, 137).
29
Somit verwirklicht der Täter mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung weiteres Handlungsunrecht und schafft zudem neues Erfolgsunrecht, indem er eine eigenständige Gefährdung für das Umsatzsteueraufkommen herbeiführt. Deshalb ist die Steuerhinterziehung aufgrund der Verletzung der Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung auch nicht mitbestrafte Nachtat, wenn der Täter bereits wegen Verletzung seiner Pflicht zur (rechtzeitigen) Abgabe zutreffender Umsatzsteuervoranmeldungen strafbar ist (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NStZ 1996, 136, 137). Dies gilt selbst dann, wenn die unrichtigen Angaben in der Umsatzsteuerjahresanmeldung und vorangegangenen Umsatzsteuervoranmeldungen inhaltlich übereinstimmen (a.A. offenbar OLG Frankfurt wistra 2006, 198).

30
Ausgehend von den Besonderheiten des umsatzsteuerlichen Besteuerungsverfahrens sind für jedes Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) bei vierteljährlichem Voranmeldungszeitraum (§ 18 Abs. 2 Satz 1 UStG) bis zu fünf und bei monatlich abzugebenden Voranmeldungen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 UStG) bis zu dreizehn materiell voneinander unabhängige Taten der Steuerhinterziehung möglich. Sie sind bei unrichtigen Angaben vollendet, sobald die jeweilige Anmeldung die Wirkung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung hat (BGHR AO § 370 Abs. 1 Vollendung 2), in den Fällen des § 168 Satz 1 AO also bereits mit Einreichung der Steueranmeldung, sonst mit Zustimmung der Finanzbehörde (§ 168 Satz 2 AO).
31
Von der Tatvollendung zu unterscheiden ist der - insbesondere für den Beginn der Strafverfolgungsverjährung maßgebliche - Zeitpunkt der Tatbeendigung als endgültigem Abschluss des Tatgeschehens. Wegen der engen Verzahnung der umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten, die sich jeweils auf dasselbe Kalenderjahr beziehen, ist das Tatgeschehen bei der Umsatzsteuerhinterziehung auch im Hinblick auf die unrichtigen oder pflichtwidrig nicht abgegebenen Umsatzsteuervoranmeldungen regelmäßig erst dann endgültig abgeschlossen , wenn diejenige Steuerhinterziehung beendet ist, die durch Nichteinreichung einer Umsatzsteuerjahreserklärung oder durch Abgabe einer unrichtigen Jahreserklärung begangen worden ist; lediglich diese Steuerhinterziehung ist im Zeitpunkt ihrer Vollendung zugleich beendet (vgl. BGHSt 38, 165, 171; BGH NJW 1989, 2140, 2141; BGH wistra 1991, 215, 216). Die vorsätzliche Verletzung mehrerer umsatzsteuerlicher Erklärungspflichten für ein und dasselbe Kalenderjahr gehört nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum selben geschichtlichen Ereignis und ist damit Teil derselben Tat im prozessualen Sinn im Sinne des § 264 StPO (BGHSt 49, 359).

32
Dem Umstand, dass die umsatzsteuerlichen Pflichten zur Abgabe für das jeweilige Kalenderjahr eng verzahnt sind und im Ergebnis der Durchsetzung desselben Steueranspruchs dienen, ist bei gleichzeitiger Aburteilung bei der Gesamtstrafbildung Rechnung zu tragen (BGH wistra 2005, 145, 147). Im Hinblick auf die Teilidentität im Unrechtsgehalt zwischen unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen und der dasselbe Jahr betreffenden Jahreserklärung wird aber das Tatgericht im Regelfall - schon aus Gründen der Vereinfachung - in Verfahren dieser Art gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Verfolgung entweder auf die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung oder die unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen beschränken können (vgl. BGHSt 49, 359, 365).
33
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“; erst die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung bewirkt die endgültige Steuerverkürzung, d.h. die Verkürzung „auf Dauer“ (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 2002, 185).
34
Diese aus dem System der Umsatzbesteuerung folgende Unterscheidung beschreibt nur die Art der Rechtsgutsverletzung; sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen auf die Bestimmung von Umsatzsteuervorauszahlungen gerichtet sind während die Jahresumsatzsteuer in einem eigenständigen Verfahren (§ 18 Abs. 3 UStG) festgesetzt wird. Eine Aussage über den tatbestandlichen Verkürzungsumfang ist damit aber nicht getroffen.
35
Aus der Differenzierung in eine Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und eine solche „auf Dauer“ folgt insbesondere nicht, dass bei einer nicht rechtzeitigen Steuerfestsetzung die tatbestandliche Steuerverkürzung allein im Zinsverlust des Fiskus bestehen würde. Zwar entspricht der durch eine Steuerverkürzung „auf Zeit“ verursachte Verspätungsschaden der Höhe nach dem Zinsverlust, der sich nach der Rechtsprechung nach Maßgabe der Vorschriften über die Hinterziehungszinsen (§§ 235, 238 AO) mit 0,5 Prozent des nicht rechtzeitig festgesetzten Steuerbetrages pro Monat errechnet (BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; ebenso BayObLG wistra 1991, 313; 318; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 78; a.A. Rolletschke in Rolletschke/Kemper, Steuerverfehlungen, Stand 88. Ergänzungslieferung Dezember 2008 § 370 AO Rdn. 99, der den jeweils geltenden Kapitalmarktzins zu Grunde legen will).
36
Die auf die Art der Rechtsgutsverletzung abstellende Differenzierung determiniert jedoch nicht die Höhe der tatbestandlichen Steuerverkürzung und beschränkt diese bei Umsatzsteuervorauszahlungen auch nicht auf den Zinsschaden. Soweit der Bundesgerichtshof in früheren Entscheidungen möglicherweise abweichende Aussagen getroffen hat (vgl. BGHSt 43, 270, 276; BGH wistra 1997, 262, 263; wistra 1998, 225, 226; wistra 1998, 146; freilich jeweils unter Bezugnahme auf BGHSt 38, 165 und BGH wistra 1996, 105, aus denen sich lediglich eine Differenzierung in eine Steuerverkürzung auf Zeit und eine solche auf Dauer ergeben könnte), hält der Senat an dieser Rechtsprechung nicht fest. Der tatbestandsmäßige Erfolg der Steuerhinterziehung ist vielmehr ausgehend vom Schutzzweck des verwirklichten Straftatbestandes zu bestimmen , wobei die gesetzgeberischen Wertungen des materiellen Steuerrechts, das die Blankettnorm des § 370 AO ausfüllt, zu berücksichtigen sind. Danach gilt Folgendes:
37
(1) Die Steuerhinterziehung ist zwar Erfolgsdelikt, jedoch - wie die Vorschrift des § 370 Abs. 4 Satz 1 AO zeigt - nicht notwendig Verletzungsdelikt (vgl. Senat wistra 2009, 114, 117). Die im Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ist vielmehr konkretes Gefährdungsdelikt (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 15), wobei die geschuldete Steuer bereits dann verkürzt ist, wenn die Steuer nicht rechtzeitig festgesetzt wird.
38
(2) Voranmeldungen nach § 18 Abs. 1 UStG dienen der zeitnahen Erfassung und Erhebung der Umsatzsteuer (vgl. Bülow in Vogel/Schwarz UStG 144. Lfg. 2/2009 § 18 UStG Rdn. 63; Peter/Burhoff/Stöcker Umsatzsteuer Stand 80. Lfg. 11/2008 § 18 UStG Rdn. 22). Bereits auf deren Grundlage und nicht erst nach Einreichung der Umsatzsteuerjahreserklärung soll dem Staat der wesentliche Teil des Umsatzsteueraufkommens zufließen. Deshalb hat der Unternehmer schon für die Voranmeldungszeiträume die geschuldeten Steuern binnen zehn Tagen nach Ablauf des jeweiligen Voranmeldungszeitraums nicht nur selbst zu berechnen, sondern auch an das Finanzamt abzuführen (§ 18 Abs. 1 Satz 1 und 3 UStG).
39
(3) Bei einer Verletzung der Pflichten zur Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen besteht die gemäß § 370 AO strafbewehrte Gefährdung des sich aus § 18 Abs. 1 und 2 UStG ergebenden Steueranspruchs unabhängig davon, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt - namentlich in der Umsatzsteuerjahreserklärung - falsche Angaben zu berichtigen bzw. fehlende Angaben nachzuholen, oder ob er eine Steuerverkürzung auf Dauer anstrebt. In jedem Fall bezweckt er zunächst eine unrichtige Festsetzung. Deren spätere Korrektur ist zwar möglich; diese ist aber von weiteren in der Zukunft liegenden und noch ungewissen Ereignissen abhängig. Unterschiedlich ist insoweit lediglich - in Abhängigkeit von den Planungen des Tä-ters - die Intensität der Gefährdung. Dieser Umstand ist zwar für die Strafzumessung von Bedeutung, lässt aber den Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs unberührt. In beiden Fällen ist das Erfolgsunrecht identisch (vgl. Franzen /Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 370 AO Rdn. 77).
40
(4) Im Hinblick auf den Charakter der Steuerhinterziehung als Gefährdungsdelikt unterscheiden sich daher bei der Umsatzsteuerhinterziehung die Verkürzung „auf Dauer“ und diejenige „auf Zeit“ nicht im Erfolgs-, sondern - im Hinblick auf das Vorstellungsbild des Täters - nur im Handlungsunrecht (vgl. Franzen/Gast/Joecks aaO). Will der Täter sich - was freilich nur in seltenen Fällen gegeben sein wird und deshalb sorgfältig zu prüfen ist - durch unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen lediglich auf Zeit Liquidität verschaffen und hat er vor, im Rahmen der Jahreserklärung zutreffende Angaben zu machen und den sich ergebenden Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG zu entrichten, ist sein Ziel nur eine Schadenswiedergutmachung. Es gilt dann Folgendes:
41
(a) Berichtigt der Täter - seinem Tatplan entsprechend - in der Umsatzsteuerjahreserklärung seine unrichtigen Angaben und zahlt er die zunächst hinterzogenen Steuern nach, stellt sich die Frage, wie die Steuerhinterziehung „auf Zeit“ zu ahnden ist, regelmäßig nicht, da in solchen Fällen zumeist die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige gemäß § 371 AO vorliegen (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht Stand 39. Lfg. Oktober 2008 § 371 AO Rdn. 64.2). Tritt ausnahmsweise keine Straffreiheit ein, ist - freilich erst - im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Täters zu berücksichtigen, dass sein Vorsatz nur auf eine Verkürzung „auf Zeit“ gerichtet war und er den Steuerschaden wiedergutgemacht hat.
42
(b) Berichtigt der Täter seine in den Voranmeldungen gemachten unrichtigen Angaben entgegen seinem ursprünglichen Vorhaben in der Umsatzsteuerjahreserklärung nicht, geht die als Verkürzung „auf Zeit“ geplante Hinterziehung in eine solche „auf Dauer“ über. Das bereits in den unrichtigen Voranmeldungen liegende Erfolgsunrecht der Gefährdung des Steueranspruchs wird dadurch nicht berührt. Es findet lediglich keine Schadenswiedergutmachung statt. Mit der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung begeht der Täter dann eine weitere Tat mit neuem Handlungsunrecht und weiterem Erfolgsunrecht , das in einer neuen und eigenständigen Gefährdung des Steueraufkommens besteht.
43
(c) Scheitert die vom Täter zunächst beabsichtigte Schadenswiedergutmachung daran, dass es ihm nach einer wahrheitsgemäßen Umsatzsteuerjahreserklärung aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich ist, den Unterschiedsbetrag im Sinne von § 18 Abs. 4 Satz 1 UStG nachzuentrichten, kommt es ebenfalls zu einer dauerhaften Verkürzung der Steuer. Im Rahmen der Strafzumessung kann dem Täter dann zwar zugute gehalten werden, dass er bei der Tatbegehung eine spätere Schadenswiedergutmachung vorhatte. Waren allerdings bereits bestehende finanzielle Schwierigkeiten Motiv für die Abgabe falscher Umsatzsteuervoranmeldungen, relativiert dies die strafmildernde Bedeutung der Wiedergutmachungsabsicht. Denn in solchen Fällen ist die spätere Unmöglichkeit der Entrichtung der vom Unternehmer wie von einem Treuhänder für den Staat verwalteten Umsatzsteuerbeträge regelmäßig vorhersehbar. Die „Absicht“ der Wiedergutmachung erweist sich dann als bloße - oft sogar unrealistische - „Hoffnung“. Eine andere Situation besteht, wenn - was eher selten vorkommen dürfte - die Unmöglichkeit der Schadenswiedergutmachung für den Unternehmer aus einem plötzlichen und unvorhersehbaren Ereignis resultiert. Waren aber von Anfang an ausreichend Zahlungsmittel für die Entrichtung der Steuern vorhanden, ist sorgfältig zu prüfen, ob der Steuerpflichtige bei Abgabe unrichtiger Steuervoranmeldungen tatsächlich nur eine Steuerverkürzung auf Zeit geplant hatte, da in einem solchen Fall die Schaffung von Liquidität als Tatmotiv regelmäßig ausscheidet.
44
b) Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Strafzumessung in den Fällen 4 bis 10 der Urteilsgründe auch deswegen einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten enthält, weil das Landgericht zu Unrecht lediglich die Hinterziehungszinsen als verkürzt angesehen und damit einen zu niedrigen Verkürzungsumfang angenommen hat. Hierauf beruht das Urteil. Denn das Landgericht hat bei der Strafzumessung auch nicht in den Blick genommen, ob es das Handlungsziel des Angeklagten war, die zunächst bewirkte Hinterziehung „auf Zeit“ später in eine solche „auf Dauer“ übergehen zu lassen (vgl. BGHSt 43, 270, 276). Dies liegt nach dem Tatbild aber nahe; für die Annahme, der Angeklagte könnte lediglich beabsichtigt haben, sich durch die Abgabe unrichtiger Umsatzsteuervoranmeldungen „auf Zeit“ einen Liquiditätsvorteil zu verschaffen , bestehen aufgrund der bisherigen Feststellungen keine Anhaltspunkte.
45
3. Soweit das Landgericht in sieben Fällen der Umsatzsteuerhinterziehung (Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen 2005 und 2006, Fälle 4 bis 10 der Urteilsgründe) sowie in den 43 Fällen der Lohnsteuerhinterziehung als Einzelstrafen jeweils lediglich Geldstrafen verhängt hat, weist das Urteil in der Strafzumessung ebenfalls einen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten auf.

46
a) Zwar unterliegt die Strafzumessung nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Denn es ist Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung des Tatgerichts ist aber dann zulässig und geboten, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen oder gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; st. Rspr.).
47
b) Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier vor; denn das Tatgericht hat bei der Verhängung von Einzelgeldstrafen das Vorliegen einer Tatserie nicht erkennbar berücksichtigt.
48
In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte , von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen nach § 47 StGB in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe. Denn in solchen Fällen ist nicht allein der jeweils durch die Einzeltat verursachte Schaden maßgeblich für die Bemessung der Einzelstrafe; vielmehr muss auch bei der Zumessung der Einzelstrafen die Gesamtserie und der dadurch verursachte Gesamtschaden in den Blick genommen werden (BGH NStZ 2001, 311; NStZ 2004, 554). Dies gilt auch bei Steuerstraftaten (vgl. BGH HFR 1995, 227).
49
Danach ist es zwar auch bei einer Tatserie nicht ausgeschlossen, neben Freiheitsstrafen auch Einzelgeldstrafen zu verhängen. Allerdings müssen dann die Urteilsgründe für das Revisionsgericht nachprüfbar erkennen lassen (vgl. Engelhardt in KK 6. Aufl. § 267 Rdn. 32; Theune in LK 12. Aufl. § 47 Rdn. 33), dass das Tatgericht bei der Zumessung der Einzelstrafen die Tatserie als solche und den durch sie verursachten Schaden gesehen und gewertet hat und aus welchen Gründen es gleichwohl in einem Teil der Fälle Freiheitsstrafen für geboten, im übrigen aber Geldstrafen für ausreichend erachtet hat. Der Umstand , dass nach § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen die Ausnahme ist, rechtfertigt für sich allein bei einer Tatserie nicht, von einer näheren Begründung des Nebeneinanders von Geld- und Freiheitsstrafen abzusehen.
50
Diesen Maßstäben genügt das Urteil nicht. Ob im Hinblick auf die Tatserie gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen anstelle der festgesetzten Geldstrafen geboten war, wird im Urteil nicht erörtert. Die pauschale Wendung, dass die Verhängung von Freiheitsstrafen unter sechs Monaten in den Fällen, in denen solche Strafen verhängt wurden, erforderlich gewesen sei, kann die gebotene Würdigung der Tatserie bei der Zumessung der Einzelstrafen nicht ersetzen. Das Urteil beruht auch auf dem Darlegungsmangel.
51
4. Die gebotene Aufhebung der Einzelstrafen entzieht dem Ausspruch über die Gesamtstrafen die Grundlage. Dieser könnte auch deshalb keinen Bestand haben, weil die Erwägungen, mit denen das Landgericht gemäß § 53 Abs. 2 Satz 2 StGB von der Verhängung einer einheitlichen Gesamtfreiheitsstrafe abgesehen hat, rechtlicher Nachprüfung nicht standhält. Angesichts der im wesentlichen gleich gelagerten Fälle, bei der die Bildung einer gesonderten Gesamtgeldstrafe fern liegt (vgl. BGH NStZ 2001, 311), erwecken sie den Eindruck , dass das Tatgericht nur deshalb von einer an sich schuldangemessenen Gesamtfreiheitsstrafe von über zwei Jahren abgesehen hat, damit die Vollstreckung nach § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden konnte; das aber wäre rechtlich zu beanstanden (vgl. BGHSt 29, 319, 321).
52
5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass bei der Verurteilung wegen Hinterziehung von Umsatzsteuern Vorsteuern, die der Täter zur Verheimlichung seiner Taten nicht geltend gemacht hat, im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind (BGH wistra 2005, 144, 145). Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander
Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja, aber ohne die Ausführungen zu II. 2a und 3a (Verfahrensrügen
)
Veröffentlichung: ja
BranntwMonG §
143
1. Für ein Entziehen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus
einem Steueraussetzungsverfahren reicht ein Verhalten aus, mit dem
eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Waren
beseitigt wird, so daß für die Zollbehörden die Eigenschaft der Waren
als verbrauchsteuerpflichtig, aber unversteuert nicht mehr erkennbar ist.
2. Jedes in den Gesamtablauf eingebundene Mitglied einer Schmuggelorganisation
ist zur Anmeldung der durch die Entziehung entstandenen
Verbrauchsteuern verpflichtet und damit tauglicher Täter einer Steuerhinterziehung
im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn es nach
allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen als Mittäter der Entziehung
anzusehen ist.
3. Zur Berücksichtigung der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder
einer Schmuggelorganisation für entstandene Verbrauchsteuern im
Rahmen der Strafzumessung.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 23. und 24. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H ,
Rechtsanwältin S
als Verteidiger des Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt St ,
Professor J
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger des Angeklagten T ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 24. Oktober 2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ha und R wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2001 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten T wird das ihn betreffende, weitere Urteil des Landgerichts Berlin vom selben Tage im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten Ha und R wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten T hat es nach Abtrennung des Verfahrens durch gesondertes Urteil wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten haben nur zum Strafausspruch Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die Angeklagten spätestens seit Herbst 1998 zu einer Personenvereinigung, die arbeitsteilig im Rahmen einer eingespielten Organisation fortgesetzt Alkohol in erheblichem Umfang aus der Europäischen Union an den Zollbehörden vorbei nach Polen schmuggelte. Dabei wurden im Zeitraum zwischen Mitte Dezember 1998 und Ende März 1999 von Mitgliedern dieser Schmuggelorganisation unter Mitwirkung der Angeklagten sieben Transporte mit je 28.600 Litern (ein Lkw) bzw. 57.200 Litern (zwei Lkw) extra reinen Alkohols (96 %iger Feinsprit) von Frankreich nach Polen geschmuggelt, die jeweils zunächst im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr in die Ukraine abgefertigt worden waren. Die von der Organisation für den Schwarzmarkt in Polen bestimmten Alkoholtransporte wurden, um das in Polen bestehende Einfuhrverbot für Alkohol zu umgehen und um die nicht ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union zu verschleiern, bei der Ausfuhr aus Deutschland als Chemikalien deklariert und unter Täuschung der Zollbehörden über die wahre Ladung nach Polen eingeführt. Dazu wurden auf deutschem Hoheitsgebiet die im Steueraussetzungsverfahren mitzuführenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) gegen gefälschte CMR-Frachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen. Anschließend wurde der jeweils bis dahin auf Lastkraftwagen beförderte und von Mitgliedern der Organisation in Personenkraftwagen begleitete Alkohol in Hamburg in Bahncontainer umgeladen und per Eisenbahn nach Polen versandt. Durch die Nichtanmeldung der dem Steuerversandverfahren in den sieben Fällen entnommenen Alkoholtransporte wurde Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM hinterzogen.
Im Rahmen der Arbeitsteilung bei Durchführung der Transporte war der Angeklagte T für den Einkauf des Alkohols in Frankreich und dessen Bezahlung zuständig. Hierbei erhielt er für jede Lkw-Ladung Alkohol von der Schmuggelorganisation eine „Belohnung“ von mindestens 3.000 DM. Insgesamt bestellte er bis März 1999 sechzig Lkw-Ladungen Alkohol. Zu der Organisation gehörte auch sein Bruder, der gesondert verfolgte P T , der zusammen mit weiteren, zumeist unbekannt gebliebenen Personen aus Polen die Transporte steuerte, die Tarnpapiere beschaffte und den Absatz des Alkohols auf dem Schwarzmarkt in Polen organisierte. In den Aufgabenbereich des Angeklagten Ha fiel die Abwicklung der Umladung der bereits mit gefälschten Frachtpapieren angelieferten Alkoholladungen in Bahncontainer sowie die Prüfung der gefälschten CMR-Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung. Zur Abwicklung der Umladung zog er den Angeklagten R hinzu, der als einer der geschäftsführenden Gesellschafter die Lagerei Sch im Hamburger Freihafen leitete. Für ihre Mitwirkung erhielten der Angeklagte Ha von der Organisation 3.000 DM je umgeladener Lkw-Ladung, der Angeklagte R 1.000 DM pro Container. Daneben durfte der Angeklagte R in den vier Fällen, in denen die Umladung auf dem Gelände der Firma Sch durchgeführt wurde (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), als „Risikozuschlag“ eine Rechnung mit einer Gewinnspanne von 500 DM statt üblicherweise 100 DM pro Container stellen.
Die verfahrensgegenständlichen Transporte gingen im einzelnen wie folgt vonstatten:
Der Alkohol wurde von der Organisation bei der Distillerie G in Aigre/Frankreich bezogen. Dort bestellte der Angeklagte T jeweils die entsprechende Abnahmemenge. Anschließend wickelte er die Bezahlung – zumeist persönlich in bar – über die Luxemburger Firma E des Zeugen K ab. Nachdem die Firma E der Herstellerfirma die Bezahlung des Kaufpreises bestätigt hatte, eröffnete diese als Versender ein
Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr aus dem Ver- brauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft über das Grenzzollamt Frankfurt/Oder. Als Empfänger wurde die Firma „V “ in Vinogradov/Ukraine angegeben, die von der Schmuggelorganisation speziell zu dem Zweck gegründet worden war, als Tarnempfängerin aufzutreten. Der Alkohol wurde dann von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit Lastzügen statt zum Ausgangszollamt Frankfurt/Oder nach Hamburg gebracht. Vor der Anlieferung im Hamburger Hafen wurden die französischen, bei Alkoholtransporten im Steuerversandverfahren mitzuführenden begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) auf deutschem Hoheitsgebiet gegen CMRFrachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen und als Versender deutsche Tarnadressen nannten. Bei den CMR-Frachtbriefen handelte es sich um Totalfälschungen, die von Mitgliedern der Organisation in Polen für diesen Zweck hergestellt worden waren. Die begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) wurden mit nachgemachten Ausfuhrstempeln an die Firma G , welche die Steuerversandverfahren eröffnet hatte, zurückgesandt. Damit sollte der Anschein einer ordnungsgemäßen Ausfuhr des Alkohols unter zollamtlicher Überwachung erweckt werden. Ziel des Austausches der Frachtpapiere war die Täuschung der polnischen Zollbehörden zur Umgehung des polnischen Einfuhrverbotes.
Der Angeklagte Ha prüfte sodann die gefälschten CMRFrachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung und wickelte mit dem Angeklagten R die Umladung der Alkoholtransporte zum Weiterversand mit Bahncontainern nach Polen ab. Zur Verschleierung der Alkoholtransporte schalteten sie die Firma I aus Campione, einer italienischen Enklave in der Schweiz ein, welche mit der Umladung von „Chemikalien“ und deren anschließenden Transport nach Polen unter Einschaltung der Spedition Rü beauftragt wurde. In den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe wurde der angelieferte Alkohol auf dem Gelände der Firma Sch C , in den übrigen Fällen bei einer anderen Firma im Hamburger Hafen, in Bahncontainer umgeladen.
Bei Abwicklung der Transporte hielt der Angeklagte Ha Kontakt zu P T und weiteren polnischen Hintermännern und übermittelte ihnen die Containernummern. Diese wurden ihm jeweils vom Angeklagten R mitgeteilt, der mit dem Geschäftsführer der Firma I in Verbindung stand und – sofern die Umladungen nicht auf seinem Firmengelände stattfanden – die Containernummern bei der Spedition Rü erfragte.
Alle drei Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, daß durch den Austausch der Frachtpapiere in Deutschland und einer damit verbundenen Entziehung der Alkoholtransporte aus der zollamtlichen Überwachung deutsche Branntweinsteuer entstand; dennoch gaben sie entsprechende Steueranmeldungen nicht ab. Sie hielten einerseits eine ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union mit anschließendem Einführen unter falscher Warenbezeichnung nach Polen wegen der Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Grenzkontrollstellen nicht für möglich; andererseits war für sie nur unversteuerter Alkohol auf dem Schwarzmarkt in Polen mit Gewinn absetzbar.

II.


Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet.
1. Revision des Angeklagten Ha

a) Die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher bereits unzulässig.

b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jeweils den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung.
aa) Eine unechte Urkunde gebraucht (im Sinne von § 267 Abs. 1 3. Alternative StGB), wer sie zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich macht (vgl. BGHSt 36, 64, 65; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 267 Rdn. 23).
Der Angeklagte hat vorsätzlich falsche Urkunden gebraucht, indem er die von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit den Alkoholtransporten angelieferten Totalfälschungen von CMR-Frachtbriefen für Chemikalienlieferungen nach dem Umladen auf Bahncontainer in Hamburg den Alkohollieferungen wieder beifügen ließ. Hierdurch sollten insbesondere die Zollbehörden beim Weitertransport des Alkohols auf der Schiene nach Polen über die Art der transportierten Ware getäuscht werden.
Die von dem Angeklagten begangene Urkundenfälschung erstreckt sich auch auf das von anderen Mitgliedern der Schmuggelorganisation auf deutschem Hoheitsgebiet schon vor dem Anliefern des Alkohols in Hamburg vorgenommene Austauschen der begleitenden Verwaltungsdokumente mit gefälschten CMR-Frachtbriefen. Deren Handeln ist dem Angeklagten wie eigenes Handeln zuzurechnen. Der Angeklagte war Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) aller im Rahmen des Alkoholschmuggels von Frankreich nach Polen von Mitgliedern der Schmuggelorganisation arbeitsteilig begangenen Straftaten. Der Alkoholschmuggel umfaßte das gesamte Tatgeschehen von der Beschaffung des Alkohols in Frankreich über den Transport nach Deutschland , den Austausch der Frachtpapiere, die Umladung in Bahncontainer bis hin zum Einschmuggeln an den polnischen Zollbehörden vorbei nach Polen.
(1) Mittäterschaftlich handelt derjenige, der aufgrund eines gemeinsamen Tatplans einen für die Deliktsbegehung förderlichen Tatbeitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen läßt. Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beant-
worten. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung können das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2 m. w. N.). Auf der Grundlage gemeinsamen Wollens kann dabei sogar eine bloße Mitwirkung bei der Tatvorbereitung oder eine sonstige Unterstützungshandlung ausreichen (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609). Allerdings kommt eine (sukzessive) Mittäterschaft dann nicht (mehr) in Betracht, wenn eine tatunterstützende „Beteiligungshandlung“ erst nach Beendigung einer Straftat – also nach dem Handlungsgeschehen, mit dem das Tatunrecht seinen Abschluß findet – einsetzt, selbst wenn die Mitwirkung vorher zugesagt worden ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13. August 2002 – 4 StR 208/02; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 22 Rdn. 6, § 25 Rdn. 9 m. w. N.).
Die tatrichterliche Bewertung zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ist dabei nur begrenzt der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 226/97). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für diese Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil – wie hier – erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387; NStZ-RR 1998, 136; jeweils m. w. N.).
(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die vom Landgericht vorgenommene , auf der Hand liegende Würdigung des Verhaltens des Angeklagten als Mittäterschaft und nicht als Beihilfe aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Der Angeklagte hatte erhebliches Eigeninteresse an den Taten. Auch wenn sein aus jedem Schmuggeltransport resultierender Gewinn von jeweils
3.000 DM im Hinblick auf das Gesamtvolumen der einzelnen Alkoholtrans- porte nicht sehr bedeutend erscheint, hatte diese Einnahmequelle für den Angeklagten erhebliche Bedeutung. Die Taten waren auf vielfache Tatbegehung in hoher Tatfrequenz ausgelegt. Jedenfalls durfte das Landgericht die Tatherrschaft des Angeklagten über einen wichtigen Teil des Gesamtgeschehens als ausschlaggebenden Grund für die Annahme einer Mittäterschaft heranziehen. Der Angeklagte war in der Schmuggelorganisation für den gesamten Bereich der Umladung des Alkohols, der einen hohen logistischen Aufwand und die Einschaltung mehrere Firmen erforderte, sowie für den Weiterversand der Ware nach Polen verantwortlich (UA S. 8 f.). Zu seinen Aufgaben gehörte die Überprüfung der gefälschten Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung (UA S. 8) und der Kontakt zu den polnischen Hintermännern , die nur aufgrund seiner Übermittlung der Containernummern die Container in Empfang nehmen und den Alkohol auf den Schwarzmarkt bringen konnten (UA S. 13). Der in den Tatplan eingeweihte (UA S. 8) Angeklagte hatte damit innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation (UA S. 14) während eines wesentlichen Teils des Geschehensablaufes eine fast alleinige Herrschaft über wertvolle Ware, auf der bei einer Überführung in den freien Verkehr Verbrauchsteuern je Lieferung von 700.000 DM bzw. 1,4 Mio. DM lasteten.
Die Taten waren, als der Angeklagte seine Tatbeiträge erbrachte, noch nicht beendet, weil der Gebrauch der falschen Frachtpapiere andauerte und die steuerlichen Erklärungspflichten fortbestanden.
bb) Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten auch wegen (mittäterschaftlich begangener) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt. Er hat in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation gegen die sich aus § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG ergebende Pflicht verstoßen, für die Alkohollieferungen nach Austausch der begleitenden Verwaltungsdokumente gegen
gefälschte CMR-Frachtbriefe unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben.
Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann freilich nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1). Diese Pflicht ergab sich indes hier für den Angeklagten daraus, daß er als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in eigener Person Steuerschuldner der Branntweinsteuer geworden war (vgl. § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG). Der aus Frankreich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren zum Zwecke der Ausfuhr in die Ukraine nach Deutschland transportierte Alkohol wurde diesem Verfahren im Inland entzogen; diese Entziehung ist dem Angeklagten zuzurechnen.
(1) Der nach den Urteilsfeststellungen im Inland erfolgte Austausch der Frachtpapiere stellt eine Entziehung des unter Steueraussetzung transportierten Alkohols aus diesem Verfahren im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG dar.
(a) Die Alkohollieferungen befanden sich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren und damit in einem Steueraussetzungsverfahren, als sie zum Zwecke der Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft (zunächst ) nach Deutschland transportiert wurden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Sie wurden von der Distillerie G in Aigre/Frankreich zur Ausfuhr aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union unter Steueraussetzung abgefertigt (vgl. Art. 302 L i.V.m. Art. 302 E des französischen Code Général des Impôts, CGI; diese Regelung entspricht § 142 Abs. 1 BranntwMonG ) und durften steuerfrei in diesem Verfahren durch das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden (§ 133 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Das Steueraussetzungsverfahren ist auch wirksam eröffnet worden. Dem steht nicht entgegen, daß die Schmuggelorganisation nicht die Absicht hatte, den Alkohol tatsächlich an die lediglich als Tarnempfänger angegebene Firma „V “ in der Ukraine zu liefern.
Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger im Inland geliefert wird (BFH ZfZ 2000, 312) oder wenn der Versender in dem begleitenden Verwaltungsdokument einen nicht existierenden Empfänger angibt und dies auch weiß (FG Düsseldorf ZfZ 2000, 385).
Diese Fälle liegen hier aber nicht vor. Der Versender, die Firma G , hat einen tatsächlich existierenden Empfänger, die Firma „V “ angegeben und wollte die Ware auch dorthin liefern. Bei dieser Firma handelte es sich um eine Tarnfirma, nicht um eine Scheinfirma. Die Tatsache, daß die Schmuggelorganisation von Anfang an die Absicht hatte, die Ware nicht in die Ukraine, sondern nach Polen zu bringen, spielt für die Wirksamkeit des eröffneten Steueraussetzungsverfahrens ebensowenig eine Rolle wie die Tatsache, daß die angegebene Empfängerfirma die Ware nicht empfangen wollte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Versender bei Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens die Ausfuhr an den angegebenen Empfänger tatsächlich beabsichtigte. Selbst wenn die Empfängerfirma als Scheinfirma anzusehen wäre, würde dies nicht dazu führen, ein von Anfang an unwirksames Steueraussetzungsverfahren annehmen zu können. Die Ware sollte ausgeführt werden und damit zu keiner Zeit im Inland an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger gelangen. Ob der Empfänger in einem Drittland bezugsberechtigt ist, bleibt für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens , das am Ausgangszollamt endet, ohne Bedeutung. Der Alkohol ist damit nicht bereits in Frankreich mit Verlassen des Steuerlagers des Herstellers des Alkohols in den freien Verkehr gelangt.
Nach der Abfertigung und Entfernung aus dem Steuerlager des Her- stellers wurde der Alkohol unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens mit den entsprechenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumenten (DCA) von Frankreich nach Deutschland transportiert.
(b) Der Alkohol wurde im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen.
(aa) Der Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG, der die Rechtsfolgen von Unregelmäßigkeiten im Verkehr unter Steueraussetzung regelt, ist weder im BranntwMonG noch im sonstigen nationalen Recht ausdrücklich definiert. Seine Bedeutung ist daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln.
Zwar führt die Auslegung allein anhand der Wortbedeutung nicht zu einem sicheren Ergebnis. Ihr ist aber immerhin zu entnehmen, daß die Entziehung ein Verhalten voraussetzt, mit dem eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Gegenstände beseitigt wird. Die historische, die teleologische und die systematische Auslegung – unter Orientierung am Europäischen Gemeinschaftsrecht – bestätigen dies.
Da das System der Steueraussetzung von Verbrauchsteuern im europäischen Warenverkehr – und damit auch § 143 BranntwMonG – auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht, sind vorrangig diese zur Auslegung des Begriffs des Entziehens heranzuziehen. Das Steueraussetzungsverfahren ist ein durch Gemeinschaftsrecht geschaffenes neues Institut des Verbrauchsteuerrechts , das nach Abschaffung der Erhebung von Verbrauchsteuern im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Errichtung des europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 eingeführt wurde. Es ermöglicht in Bezug auf verbrauchsteuerpflichtige Waren die Vornahme bestimmter Maßnahmen
– wie z.B. die Beförderung –, ohne daß dabei für die betroffenen Waren ein Steueranspruch entsteht oder besteht (vgl. Beermann DStZ 1993, 291). Die Vorschriften über das Steueraussetzungsverfahren wurden durch das Verbrauchsteuer -Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2150) als nationale Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG 1992 Nr. L 76 S. 1; im folgenden: Systemrichtlinie) in die deutschen Verbrauchsteuergesetze eingefügt; zugleich wurde zur Überwachung der Verbrauchsteuerverfahren , insbesondere zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung, eine verbrauchsteuerrechtliche Steueraufsicht geschaffen (vgl. § 209 ff. AO).
§ 143 BranntwMonG basiert auf Art. 20 (i.V.m. Art. 4 lit. c und Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Systemrichtlinie 92/12/EWG. Der in § 143 BranntwMonG verwendete Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren wird allerdings in der Systemrichtlinie ebenfalls nicht definiert. Art. 20 dieser Richtlinie spricht vielmehr von Unregelmäßigkeiten und Zuwiderhandlungen, aufgrund derer eine Verbrauchsteuer entsteht, und setzt damit die Steuerentstehung , die Folge des Entziehens, bereits voraus.
Art. 6 Abs. 1 der Systemrichtlinie regelt die Entstehungstatbestände. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer mit der „Überführung in den steuerlich freien Verkehr“, darunter auch durch „jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung“ (Art. 6 Abs. 1 lit. a). Allerdings überläßt es die Systemrichtlinie wieder dem nationalen Recht, was als Überführung in den freien Verkehr anzusehen ist. Nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie richten sich nämlich die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerlich freien Verkehr stattfindet.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zur Erläuterung, wann eine solche Entnahme vorliegt, mit Urteil vom 5. April 2001 in der Rechtssache C-325/99 – G. van de Water – (Slg. 2001, I-2729) unter Tz. 35 den Wortlaut der Systemrichtlinie wiederholt: „Nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie gelten als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nicht nur jede Herstellung oder Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, sondern auch jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Waren aus einem solchen Verfahren“.
Allerdings lassen die Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie (92/12/EWG) deutlich werden, daß das Funktionieren des gemeinschaftsrechtlichen Verbrauchsteuersystems die Möglichkeit eines jederzeitigen Zugriffs auf die verbrauchsteuerpflichtige Ware und damit die Kenntnis des Ortes, wo sich die Ware befindet, voraussetzt. So wird in der Begründung zur Richtlinie ausdrücklich festgestellt: „Die Durchsetzung des Steueranspruchs setzt ... eine Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren voraus. Es ist deshalb ein Begleitpapier für diese Waren vorzusehen. ... Jede Ware muß leicht identifizierbar sein.“
Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte hat bisher noch keine einheitlichen Auslegungskriterien für die Begriffe „Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren“ und „Überführung in den freien Verkehr durch unrechtmäßige Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren“ entwickelt. Während einerseits das FG Düsseldorf ein Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren immer dann für gegeben hält, wenn dieses Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist (ZfZ 1998, 211), und somit auch dann, wenn bei einer zur Ausfuhr in das Außengebiet im Steueraussetzungsverfahren bestimmten Ware aufgrund der Fälschung des begleitenden Verwaltungsdokuments der Transportweg von abhanden gekommenen Branntweinerzeugnissen nicht nachvollzogen werden kann (ZfZ 2000, 242), wird andererseits nicht in jedem Fall der bloße Aus-
tausch von Begleitpapieren vor der Ausfuhr einer Ware als Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren angesehen (vgl. FG München ZfZ 2001, 246 und Urt. vom 12. September 2001 – 3 K 2464/98). Wieder andere legen den Begriff des Entziehens im Sinne von § 143 BranntwMonG nach den zu Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) entwickelten Grundsätzen aus (vgl. FG Hamburg , Urt. vom 24. April 2001 – IV 285/98).
Allerdings gibt es zum zollrechtlichen Begriff „Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung“ (Art. 203 Abs. 1 ZK) eine gefestigte Rechtsprechung. Danach ist zur Aufrechterhaltung der Kontrollmöglichkeit über Waren, die sich im (zollrechtlichen) Versandverfahren befinden, grundsätzlich erforderlich , daß diese nur in einer mit dem Versandverfahren zu vereinbarenden Weise behandelt werden (BFH ZfZ 2000, 419). Steht die Behandlung des Zollversandguts in keinem Zusammenhang mit dieser Beförderung, so gerät es in der Regel außerhalb der Kontrolle im Rahmen der zollamtlichen Überwachung und ist damit entzogen (BFHE 144, 311, 313). Maßgebliches Kriterium für die Abgabenbefreiung in einem Versandverfahren ist die ständige Kontrollmöglichkeit der Ware durch die für das Verfahren zuständigen Behörden.
Noch deutlicher wird das Erfordernis der jederzeitigen Kontrollmöglichkeit für ein solches Versandverfahren in der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens aus zollamtlicher Überwachung: Mit Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-371/99 – Liberexim BV (ZfZ 2002, 338), das insoweit auch auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-66/99 (D. Wandel, Slg. 2001, I-873) Bezug nimmt, ist der Begriff der Entziehung so zu verstehen, „daß er jede Handlung oder Unterlassung umfaßt, die dazu führt, daß die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (Tz. 55), wobei es nicht erforderlich ist, daß insoweit ein subjektives Element vorliegt (Tz. 61).
Auch wenn diese Rechtsprechung zum zollrechtlichen Entziehungstatbestand nicht ohne weiteres auf die Entziehung aus dem Steuerausset- zungsverfahren bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren übertragen werden kann, so wird anhand einer systematischen Auslegung deutlich, daß den Begriffen des Entziehens aus einem (zollrechtlichen) externen Versandverfahren und des Entziehens aus einem Steueraussetzungsverfahren wegen der Parallelität der Regelungen und ihrer inneren Verzahnung zumindest weitgehend derselbe Bedeutungsgehalt zukommt.
Die Regelungssysteme des EG-Zollrechts und des EG-Verbrauchsteuerrechts haben beide ihre Rechtsquellen im Europäischen Gemeinschaftsrecht und dienen gemeinsam der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes (vgl. Art. 14 EG). Während das Europäische Zollrecht seine Grundlage im Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92/EWG des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und der zugehörigen Durchführungsverordnung Nr. 2454/93/EWG hat, ist das Verbrauchsteuerrecht in der Europäischen Union durch die System-, Struktur- und Steuersatzrichtlinien weitgehend harmonisiert; dabei sind die Steuerentstehungstatbestände durch die Systemrichtlinie Nr. 92/12/EWG bereits im einzelnen einheitlich festgelegt (Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3). Sowohl für das EG-Zollrecht als auch parallel dazu für das EG-Verbrauchsteuerrecht sind die Kontrollen an den Binnengrenzen zur Schaffung des Europäischen Binnenmarktes abgeschafft worden; sie wurden durch gemeinsame Zoll- und harmonisierte Verbrauchsteuerregelungen ersetzt (vgl. zum Verbrauchsteuerrecht Beermann DStZ 1993, 257 ff., 291 ff.; Wolffgang in Lenz, EG-Vertrag 2. Aufl. Art. 93 Rdn. 27 ff.).
Beiden Rechtssystemen ist auch gemeinsam, daß Waren, die zum Zwecke der Ausfuhr in einem Versandverfahren befördert werden, der zollamtlichen Überwachung unterliegen (Zoll: externes Versandverfahren, Art. 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Nr. 13 ZK, Art. 84 Abs. 1 lit. a, Art. 91 ZK; Verbrauchsteuern : Steueraussetzungsverfahren, Art. 5 Abs. 2, Art. 15 Abs. 1
Systemrichtlinie 92/12/EWG i.V.m. § 209 AO). Die zollamtliche Überwachung soll in diesen Fällen sicherstellen, daß für die Waren, wenn sie nicht bestimmungsgemäß ausgeführt werden, die gesetzlichen Abgaben erhoben werden. Wird eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 lit. a) transportiert, dann befindet sie sich automatisch auch unter Steueraussetzung (vgl. Art. 5 Abs. 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Für den Fall der Einfuhr verweisen die Verbrauchsteuergesetze sogar insgesamt auf die für Zölle geltenden Vorschriften (vgl. § 21 Abs. 2 UStG; § 147 Abs. 1 BranntwMonG; § 21 TabStG; § 13 KaffeeStG; § 23 MinöStG; § 13 Abs. 1 BierStG).
Sowohl mit dem zollrechtlichen Versandverfahren als auch mit dem Steueraussetzungsverfahren werden Transporterleichterungen für Waren normiert, die nicht im Gemeinschaftsgebiet in den freien Verkehr gelangen sollen. Beide Verfahren können als Massenverfahren aber nur dann dauerhaft funktionieren, ohne das Abgabensystem als solches zu gefährden, wenn der Aufenthaltsort der in dem Versandverfahren beförderten Ware stets bekannt ist. Nur dann ist nämlich sichergestellt, daß die anfallenden Abgaben erhoben werden können, wenn die Ware aus dem Verfahren heraus einer abgabepflichtigen Verwendung zugeführt wird. Solches kann aber dann nicht mehr festgestellt werden, wenn die zuständigen staatlichen Stellen keine Kenntnis mehr vom Aufenthaltsort der Ware haben. Deshalb ist das Steueraussetzungsverfahren – ebenso wie das zollrechtliche externe Versandverfahren – gekennzeichnet durch eine stattfindende zollamtliche Überwachung bzw. Steueraufsicht (vgl. Schroer-Schallenberg in: Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (Hrsg.), Hemmnisse und Sanktionen in der EU, S. 125).
Diese Parallelität und enge innere Verzahnung der beiden Regelungssysteme ließe eine wesentlich unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Entziehung systemwidrig und nicht nachvollziehbar erscheinen. Bei der Auslegung des Begriffs der Entziehung bzw. der Entnahme sind daher für die
zollrechtlichen und die verbrauchsteuerrechtlichen Versandverfahren weitge- hend dieselben Grundsätze zu beachten, insbesondere das Erfordernis einer ständigen Kontrollierbarkeit der Waren als Voraussetzung für den Ausnahmefall der Abgabenbefreiung. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, daß zollrechtlich eine Entziehung vorliegt, wenn „die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (vgl. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-66/99 – D. Wandel, Slg. 2001, I-873, Tz. 55), jedenfalls immer dann ein Entziehen aus einem Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn durch einen objektiven Verstoß gegen die Regeln der Steueraussetzung eine auch nur vorübergehende Unterbrechung der Steueraufsicht gegeben ist (so auch Reiche in Teichner /Alexander/Reiche, MinöStG § 18 Rdn. 35). In einem solchen Fall ist nämlich die Ware als in einem steuerrechtlich freien Verkehr befindlich anzusehen (vgl. Reiche aaO Rdn. 33; Beermann aaO S. 292; Soyk ZfZ 1998, 2, 4 f. m. w. N.). Die nach der Systemrichtlinie 92/12/EWG erforderliche Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist dann nicht mehr gegeben.
Einer Vorlage an den EuGH zur Klärung des Begriffes der Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Systemrichtlinie) in einem Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 Abs. 3 EG) bedarf es hier nicht. Art. 234 EG hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dabei soll mit Abs. 3 des Art. 234 EG durch das Auslegungsmonopol des EuGH für Regelungen des Gemeinschaftsrechts insbesondere verhindert werden, daß sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht in Einklang steht (EuGH NJW 1983, 2751). Eine Vorlage an den EuGH ist daher nur dann entbehrlich, wenn im konkreten Fall bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt
oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß kein vernünftiger Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (EuGH NJW 1983, 1257). Zwar hat der EuGH eine Auslegung des Begriffs der Entziehung für das Steueraussetzungsverfahren bisher noch nicht vorgenommen. Es besteht aber angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum zollrechtlichen Begriff des Entziehens unter Berücksichtigung der Systematik und der Entstehungsgeschichte der betroffenen Regelungsmaterien kein ernsthafter Zweifel daran, daß der EuGH für den Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zur selben Auslegung wie für den zollrechtlichen Begriff des Entziehens gelangen würde. Die gesicherte Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens im Zollrecht, die der Senat seiner Auslegung des Begriffs des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zugrundelegt, läßt neben der vom Senat vorgenommenen Auslegung keine weiteren vernünftigerweise möglichen Auslegungen mehr zu.
Damit lag im Entfernen der begleitenden Verwaltungsdokumente von der im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkohollieferung und der Ersetzung durch auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren lautende CMR-Frachtbriefe eine Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG. Für die zuständigen Behörden war es ab diesem Zeitpunkt auch bei einer möglichen Kontrolle der Begleitpapiere nicht mehr erkennbar, daß es sich bei der Ware um eine verbrauchsteuerpflichtige , aber unversteuerte Ware handelt.
(bb) Der Einwand, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern könne dann nicht gegeben sein, wenn der Nachweis erbracht sei, daß die Ware letztlich tatsächlich noch ausgeführt worden sei, greift nicht durch. Entgegen der Ansicht der Verteidigung steht die Tatsache der späteren Ausfuhr des Alkohols der Annahme einer (vorher erfolgten) Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren nicht entgegen. Wie dies bereits in den Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie 92/12/EWG zum Ausdruck kommt, sind Steueraussetzungsverfahren sehr formelle Verfahren, die auf eine hinreichende
Kontrollmöglichkeit der in diesen Verfahren transportierten Erzeugnisse angewiesen sind. Besteht diese Kontrollmöglichkeit für die zuständigen Steuerbehörden nicht mehr, ist die Ware in den freien Verkehr gelangt und damit der Besteuerungstatbestand erfüllt. Die Tatsache, daß Bewegungen dieser verbrauchsteuerpflichtigen Ware über einen längeren Zeitraum ohne Kenntnis der zuständigen Behörden vonstatten gegangen sind, steht mit den Grundprinzipien des Steueraussetzungsverfahrens so im Widerspruch, daß es für die Frage der Entziehung nicht darauf ankommen kann, ob die Ware letztlich einer steuerfreien Verwendung zugeführt wird oder nicht bzw. ob das mit dem Steueraussetzungsverfahren beabsichtigte Ziel der Ausfuhr noch erreicht wird. Der Verstoß gegen die Vorschriften des innergemeinschaftlichen Versandverfahrens ist auch so erheblich, daß er nicht lediglich als Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften angesehen werden kann. Entgegen Schroer-Schallenberg (aaO S. 130 f.) liegt darin nicht lediglich ein Verfahrensverstoß ohne steuerschuldrechtliche Konsequenzen. Das Steueraussetzungsverfahren ist nämlich hier durch die Ausfuhr unter Vorlage falscher Frachtpapiere überhaupt nicht abgeschlossen worden. Das Verfahren der Steueraussetzung ist erst dann erledigt, wenn die Ausgangszollstelle bescheinigt , daß die verbrauchsteuerpflichtigen Waren die Gemeinschaft verlassen haben (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Auch sind die in § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG für den Fall des Entziehens normierten Ausnahmen von der Steuerentstehung nicht gegeben. Der Alkohol ist weder nachweislich untergegangen, noch an Personen im Steuergebiet abgegeben worden, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung berechtigt sind; ein dem Untergang nach § 143 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG gleichstehender Schwund liegt ebenfalls nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 143 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG , die keine tatbestandlichen Einschränkungen für die Fälle der Steuerentstehung bei einer „echten“ Entziehung nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG enthält, sondern im Gegenteil für bestimmte – hier nicht vorliegende – Fallkonstellationen die Fiktion einer Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren normiert.
Im übrigen muß die Frage, ob eine Entziehung gegeben ist, zum Zeitpunkt einer möglichen Entziehung eindeutig zu klären sein. Ob eine Entziehung vorliegt, kann damit nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis (eventuelle tatsächliche Ausfuhr auf anderem als dem vorgesehenen Wege) abhängig gemacht werden; die tatsächliche Ausfuhr führt auch nicht zu einem automatischen nachträglichen Wegfall einer einmal entstandenen Verbrauchsteuer. Wird die Ware letztlich doch noch ausgeführt, kann dies steuerschuldrechtlich allenfalls – damit die Erhebung der Steuer für eine ausgeführte Ware nicht einer ungewollten Sanktion gleichkommt (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56) – für die Frage eines möglichen Erlasses der Steuer (vgl. § 227 AO; Art. 239 ZK) und steuerstrafrechtlich nur für die Frage der Strafzumessung von Bedeutung sein.
(2) Der Angeklagte Ha ist aufgrund des Besteuerungstatbestandes § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der durch die Entziehung anfallenden Branntweinsteuer geworden. Zwar hat der Angeklagte die Entziehung nicht in eigener Person vorgenommen – vielmehr wurde der Alkohol im Hamburger Hafen bereits mit den gefälschten CMRFrachtbriefen angeliefert (vgl. UA S. 8) –; ihm ist aber die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren durch andere Mitglieder der Organisation wie eigenes Tun zuzurechnen.
Das BranntwMonG definiert nicht, wer Verantwortlicher einer Entziehung im Sinne des § 143 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung sein kann.
Eine ausdifferenzierte Regelung, wer bei einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung Zollschuldner wird, findet sich in Art. 203 Abs. 3 Zollkodex (ZK): Es sind dies nicht nur die Personen, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen haben (1. Spiegelstrich), sondern auch diejenigen Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren (2. Spiegelstrich) und sogar die Personen, welche die Ware in Besitz gehabt
haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erhalts der Ware wußten oder billigerweise hätten wissen müssen, daß diese der zollamtlichen Überwachung entzogen war (3. Spiegelstrich).
Diese Regelung kann allerdings nicht auf die Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren übertragen werden. Sie legt nämlich nicht fest, wer als Entzieher anzusehen ist, sondern bestimmt lediglich, daß neben dem Entzieher weitere Personen, z. B. Gehilfen, Steuerhehler, weitere Zollschuldner werden. Eine solche Regelung enthält § 143 BranntwMonG nicht. Gegen eine Regelungslücke insoweit und eine analoge Anwendung von Art. 203 Abs. 3 ZK spricht, daß beide Vorschriften etwa zum selben Zeitpunkt (1992) Gesetz geworden sind, der Gesetzgeber jedoch unterschiedliche Regelungen getroffen hat. Allenfalls kann aus der Regelung des Art. 203 Abs. 3 ZK im Umkehrschluß geschlossen werden, daß bloße Gehilfen bei einer Entziehung nicht selbst als Entzieher anzusehen sind.
Wer als Täter einer Entziehung anzusehen ist, muß damit sowohl für § 143 BranntwMonG als auch für Art. 203 Abs. 3 ZK nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (zur Entziehung aus zollamtlicher Überwachung) ist Täter der Entziehungshandlung derjenige, der die Handlung selbst ausführt, wie auch derjenige, der die Handlung veranlaßt, d.h. die Tatherrschaft hat (vgl. BFHE 161, 266, 270; BFH ZfZ 2000, 419). Für die Bestimmung der Täterschaft einer vorsätzlich herbeigeführten Entziehung im Sinne von § 143 BranntwMonG sind damit die von der Rechtsprechung für die Mittäterschaft bei einer Straftat entwickelten Grundsätze (vgl. oben) entsprechend anzuwenden. Der Senat verkennt dabei nicht, daß es sich bei § 143 BranntwMonG um einen Steuerentstehungstatbestand und nicht um einen Straftatbestand handelt: Erst wenn feststeht, daß der Steuertatbestand erfüllt ist, ergeben sich im Sinne des § 370 AO strafrechtlich relevante steuerliche Verhaltenspflichten (die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung).
Die Haftungsnorm des § 143 Abs. 4 Satz 2 BrannwMonG hat aber zumindest für den Fall vorsätzlicher Entziehung einen deliktischen Charakter, was die Heranziehung der Grundsätze über die Mittäterschaft rechtfertigt.
Danach ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts, den Angeklagten Ha wegen seiner fast alleinigen Tatherrschaft über einen wesentlichen Teil des Geschehensablaufes innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation als Mittäter des gesamten Alkoholschmuggels (siehe oben) und damit auch als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren anzusehen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, daß der Alkohol bereits mit ausgetauschten Frachtpapieren in Hamburg angeliefert wurde, als der eigentliche Tatbeitrag des Angeklagten Ha erst einsetzte. Die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren war durch die bloße Auswechslung der Frachtpapiere noch nicht so weit abgeschlossen, daß eine Beteiligung des Angeklagten Ha an ihr nicht mehr möglich gewesen wäre und seine Handlungen damit nur noch dem Absatz (§ 374 AO) einer bereits dem Verfahren entzogenen Ware oder der Begünstigung (§ 257 StGB) anderer Personen hätten dienen können. Die Alkohollieferungen befanden sich bis zur Umladung durch die Angeklagten Ha und R noch in denselben Lkw, die in den ursprünglichen Versandpapieren als Transportmittel angegeben waren, und waren, bis sie in den Machtbereich der Angeklagten Ha und R gelangten, noch nicht zur Ruhe gekommen. Erst durch die Überprüfung der „neuen“ Frachtpapiere auf ihre Eignung zur Täuschung durch den Angeklagten Ha und die Umladung der Alkoholladungen in Bahncontainer wurde die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren endgültig abgeschlossen.
(3) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten damit als Mittäter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) angesehen. Er hat nach Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren als Steuerschuldner (§ 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG) in
bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation unterlassen , gemäß § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG unverzüglich für die entzogenen Erzeugnisse eine Steueranmeldung abzugeben. Auf diese Weise konnte die Organisation den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Branntweinsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn absetzen.

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die Beweise zu würdigen. Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sachbeschwerde nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie Rechtsfehler enthält. Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten Überlegungen des Tatrichters in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder sie gegen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist hier nicht gegeben.
aa) Das Landgericht hat sich auf ausreichender Tatsachengrundlage davon überzeugt, daß die in Hamburg umgeladenen Alkoholmengen mit dem bei der Firma G in Frankreich geladenen Alkohol identisch waren. Dieser Schluß ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Bei seiner Überzeugungbildung durfte das Landgericht der Tatsache, daß die Lastzüge während des Transportes nicht gewechselt wurden, hohes Gewicht beimessen (UA S. 23). Die Strafkammer hat hierbei die Möglichkeit nicht verkannt, daß eine Entladung des Alkohols und eine Beladung mit anderen Alkoholmengen durchaus möglich gewesen wäre, hat aber diese – eher fernliegende – Möglichkeit im Hinblick auf den erhöhten organisatorischen und finanziellen Aufwand, das höhere Entdeckungsrisiko und die mangelnde Eignung zur Verschleierung des Transportwegs bei Benutzung derselben Lastkraftwagen als unwahrscheinlich angesehen. Auch die festgestellte Differenz in der Grädigkeit des sichergestellten Alkohols von 0,3 % Vol. gegenüber den Herstellerangaben hat das Landgericht in seine Erwägungen einbezogen. Nach
vertretbarer Ansicht der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer liegt die Abweichung im Rahmen der üblichen Toleranz, so daß von einer Meßdifferenz auszugehen ist.
bb) Die Erwägungen, aufgrund derer das Landgericht zur Überzeugung gelangt ist, daß der Austausch der Frachtpapiere noch nicht in Frankreich , sondern erst in Deutschland erfolgt ist, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
Auch hier hat das Landgericht die Möglichkeit eines Austauschs bereits in Frankreich oder in den Benelux-Staaten gesehen und erörtert (UA S. 25). Wenn das Landgericht diese Möglichkeit dann aber unter Hinweis darauf wieder verworfen hat, daß zum einen die tatsächlich gefahrene Route nach Hamburg von der zu dem in den Frachtpapieren angegebenen Zielort Frankfurt/Oder erst auf deutschem Hoheitsgebiet abzweigt, zum anderen die verwendeten Tarnpapiere ausschließlich auf deutsche Tarnversender und polnische Empfänger ausgestellt waren, die in Frankreich oder den BeneluxStaaten Argwohn erweckt und zu einem höheren Risiko geführt hätten, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Im Ergebnis ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat sich das Landgericht auch davon überzeugt, daß der Angeklagte Ha zumindest billigend in Kauf genommen hat, daß durch die vorgenommene Abwicklung der Alkoholtransporte (auch) deutsche Verbrauchsteuer entstehen und durch die Nichtanmeldung hinterzogen werden könnte.
(1) Der Angeklagte Ha hat sich eingelassen, er habe nicht an die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere durch auf Chemikalien lautende Fälschungen gedacht (UA S. 16, 24). Er sei nur von einem Verstoß gegen polnische Zollformalitäten, die ihm egal gewesen seien, ausgegangen und habe nicht geglaubt, sich in Deutschland strafbar zu machen. Auch habe er nicht gewußt, daß der Alkohol bis Ham-
burg im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei. Der Pole, der ihn beauftragt habe und dessen Namen er nicht nennen wolle, habe ihm er- klärt, es sei Ware im Freiverkehr, nicht aus einem Steuerlager.
Das Landgericht konnte sich von einer positiven Kenntnis des Angeklagten , daß der Alkohol im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei (UA S. 27), nicht überzeugen. Die Strafkammer sieht es jedoch als erwiesen an, daß der Angeklagte den Transport im Steueraussetzungsverfahren , die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere und – ohne dies ausdrücklich zu erwähnen – seine Pflicht, dann die Ware bei den Steuerbehörden anzumelden, zumindest billigend in Kauf genommen hat.
(2) Die Erwägungen, aufgrund derer sich das Landgericht von einem bedingten Tatvorsatz des Angeklagten Ha überzeugt hat, lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen.
Der Eintritt einer Steuerverkürzung ist Tatbestandsmerkmal des § 370 AO. Damit setzt auch die innere Tatseite der Steuerhinterziehung voraus, daß der Täter den angegriffenen Steueranspruch dem Grunde nach kennt und dessen Höhe zumindest für möglich hält (BGH wistra 1989, 263; 1990, 193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226). Einer genauen Kenntnis der steuerlichen Vorschriften bedarf es insoweit nicht (BGH wistra 1998, 225, 226).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, nicht ohne weiteres den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrundezulegen. Vielmehr muß der Tatrichter auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Dies gilt im besonderen Maße bei der Behauptung eines dem Angeklagten günstigen inneren Vorgangs, ohne
daß objektivierbare Tatsachen, in denen die angebliche innere Einstellung einen erkennbaren Niederschlag gefunden hätte, deutlich würden (BGH wistra 1998, 225, 226; BGH, Urt. vom 7. September 1993 – 1 StR 325/93). Der Tatrichter muß allerdings die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden Würdigung unterziehen und dabei auch äußere Umstände bei der Beurteilung der subjektiven Seite mit heranziehen (vgl. BGH StPO § 261 Einlassung

5).


Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Wenn es mangels konkreterer Anhaltspunkte im wesentlichen auf die Umstände der Beauftragung des Angeklagten in Verbindung mit seinen langjährigen beruflichen Erfahrungen als selbständiger Vollkaufmann im Exportgeschäft mit den dort bestehenden Regeln und Usancen abstellt und deshalb die Einlassung des Angeklagten für widerlegt hält, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht durfte dabei auch den naheliegenden Schluß ziehen, daß der von dem Angeklagten angegebene Zweck seines Tuns, der Verkauf des Alkohols auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn, wegen der hohen Verbrauchsteuern mit in der Europäischen Union versteuertem Alkohol nicht zu erreichen gewesen wäre.
(3) Ein durchgreifender Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus der Erwägung des Landgerichts, daß die Angeklagten selbst dann vorsätzlich gehandelt hätten, wenn sie zu Unrecht davon ausgegangen sein sollten, der Austausch fände in Frankreich statt (UA S. 29).
Das Landgericht ist der Ansicht, daß in diesem Fall eine Verkürzung französischer Steuern vorliege; eine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf sei dennoch nicht gegeben, weil es sich bei der tatsächlich verkürzten deutschen Branntweinsteuer um eine harmonisierte Verbrauchsteuer handele, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise erhoben werde. Die Verkürzung der einem anderen Mitgliedstaat zustehenden Verbrauchsteuer sei gemäß
§ 370 Abs. 6 Satz 2 AO auch in Deutschland strafbar. Daß eine Verfolgung in Deutschland mangels der hierfür nach § 370 Abs. 6 Sätze 3 und 4 AO erforderlichen Rechtsverordnung und des daraus resultierenden Verfahrenshindernisses derzeit ausgeschlossen ist, sei für den Vorsatz unerheblich.
Diese Erwägung gefährdet den Schuldspruch nicht, da sie sich lediglich mit den Auswirkungen eines vom Gericht letztlich nicht auszuschließenden Irrtums über einen Umstand befaßt, der kein Merkmal betrifft, das zum gesetzlichen Tatbestand gehört.
Maßgebliches subjektives Tatbestandsmerkmal des § 370 AO ist der Vorsatz, Steuern zu hinterziehen. Durch seine mittäterschaftliche Beteiligung am gesamten den Alkoholschmuggel von Frankreich nach Polen betreffenden Gesamtgeschehen ist der Angeklagte aber unabhängig davon, ob der Austausch der Frachtpapiere in Deutschland oder in Frankreich erfolgt ist, Steuerschuldner deutscher Branntweinsteuer geworden.
Ist der Austausch der Frachtdokumente – wie vom Landgericht festgestellt – erst in Deutschland erfolgt, ist der Angeklagte gemäß § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der entstandenen Branntweinsteuer geworden.
Wäre der Austausch aber bereits in Frankreich vorgenommen worden, dann wäre ebenfalls deutsche Branntweinsteuer entstanden und der Angeklagte insoweit Steuerschuldner geworden. Zwar wäre durch eine Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in Frankreich zunächst französische Branntweinsteuer angefallen, die der Angeklagte hätte anmelden müssen. Zusätzlich wäre aber durch Weiterbeförderung des Alkohols nach Deutschland gemäß § 144 Abs. 2 BranntwMonG auch noch deutsche Branntweinsteuer entstanden, die der Angeklagte ebenfalls hätte anmelden und abführen müssen. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer nämlich auch dadurch, daß Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu ge-
werblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden, nachdem sie aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in das Steuergebiet Deutsch- lands verbracht worden sind. Dieser Fall läge hier dann vor, weil der Alkohol nach Austausch der Frachtpapiere in Frankreich und der Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren bereits in Frankreich in den freien Verkehr gelangt wäre. Indem der Angeklagte den Alkohol in Hamburg umladen ließ, um ihn nach Polen zur Veräußerung auf dem Schwarzmarkt weiterzuversenden , hat er den Alkohol nach dem Verbringen nach Deutschland erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Die Pflicht, unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben, ergibt sich in diesem Fall aus § 144 Abs. 4 Satz 1 BranntwMonG. Die entstandene französische Verbrauchsteuer würde dann wieder erlassen werden (vgl. § 148 BranntwMonG als entsprechende Regelung im deutschen Verbrauchsteuerrecht).
In jedem Fall ist damit – unabhängig vom Ort des Austauschs der Frachtpapiere – durch das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Entfernung der begleitenden Verwaltungsdokumente und der Umladung des Alkohols in Bahncontainer deutsche Branntweinsteuer entstanden.
Der Ort des Austauschs der Frachtpapiere hätte für den Vorsatz, deutsche Steuern zu hinterziehen nur dann Bedeutung gehabt, wenn der Angeklagte der Ansicht gewesen wäre, er würde nur französische aber keine deutschen Verbrauchsteuern hinterziehen. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Nicht einmal der Angeklagte selbst hat dies behauptet, sondern angegeben, überhaupt nicht an das Entstehen von Verbrauchsteuern gedacht zu haben. Dies hat das Landgericht mit tragfähigen Erwägungen widerlegt und hinreichend deutlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte aus Gewinnstreben (UA S. 27) billigend in Kauf genommen hat, (auch) deutsche Verbrauchsteuer zu hinterziehen, damit das Gesamtunternehmen der Schmuggelorganisation erfolgreich durchgeführt werden kann.
2. Revision des Angeklagten R

a) Die Verfahrensrügen entsprechen weitgehend nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
Mit Recht rügt die Revision, daß das Landgericht den Inhalt einer verlesenen Urkunde im Urteil unrichtig gewürdigt und damit gegen die Vorschrift des § 261 StPO verstoßen hat (vgl. BGH NStZ 1997, 294). Das Landgericht ist im Urteil davon ausgegangen, daß auch im Fall des verlesenen Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth der Alkoholschmuggel über die deutschpolnische Grenze erfolgt sei (UA S. 25), obwohl es sich dort um die deutschtschechische Grenze handelte.
Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht, weil das Landgericht den Inhalt des verlesenen Urteils nicht zu Beweiszwecken verwertet, sondern mit dem Hinweis auf die Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren lediglich das bereits getroffene Beweisergebnis bestätigt hat. Im übrigen ist nicht ersichtlich , weshalb im Hinblick auf das vorliegende Verfahren den Abläufen bei einem Alkoholschmuggel nach Tschechien ein minderer Indizwert als bei einem solchen nach Polen zukommen soll. In beiden Fällen geht es um ein „Durchschmuggeln“ durch die Bundesrepublik Deutschland.

b) Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten R wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Die Ausführungen zu diesen Taten beim Angeklagten Ha gelten für den Angeklagten R entsprechend.
Das Landgericht hat auch den Angeklagten R als Mittäter angesehen und nicht nur als Gehilfen des Angeklagten Ha . Diese aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommene – und nur einge-
schränkt überprüfbare (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387) – Wertung bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar wurde der Angeklagte R erst von dem Mitangeklagten Ha zur gemeinsamen Abwicklung der in dessen Aufgabenbereich fallenden Umladung der Alkoholtransporte in Hamburg gewonnen und nahm innerhalb der Schmuggelorganisation eine deutlich niedrigere Stellung als der Angeklagte Ha ein. Auch lag die Entlohnung des Angeklagten R für seine Mitwirkung nicht unerheblich unter der der Mitangeklagten Ha und T . Trotzdem durfte das Landgericht entscheidend auf die dennoch bestehende erhebliche Tatherrschaft des Angeklagten R über bedeutsame Teile des gesamten Tatgeschehens abstellen und ihn deshalb als Mittäter ansehen. Die Umladung der Alkoholladungen in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe fand auf dem Gelände der Lagerei Sch und unter Kontrolle des Angeklagten R statt, der Geschäftsführer dieser Firma war. Des weiteren hatte er eigenverantwortlich den Kontakt zur Firma I hergestellt und aufrechterhalten, welche zu Verschleierungszwecken mit der Umladung beauftragt worden war. Nur über den Angeklagten R , der insoweit eine Schlüsselstellung innehatte, war es auch dem Angeklagten Ha möglich, die Containernummern zu erfragen , welche die Hintermänner in Polen unbedingt benötigten, um die Container mit dem Alkohol in Empfang nehmen zu können.

c) Die Beweiswürdigung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern; es gilt das zum Angeklagten Ha Gesagte entsprechend. Der Angeklagte R hat sich darauf berufen, daß er ausschließlich daran gedacht habe, daß ein polnisches Einfuhrverbot umgangen werden sollte. Er sei zu einer Mitarbeit nur unter der Bedingung bereit gewesen, daß versteuerter Alkohol umgeladen werde (UA S. 17). Insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls langjährige Erfahrung des Angeklagten im Exportgeschäft als Geschäftsfüh-
rer einer Lagerei im Hamburger Hafen brauchte das Landgericht diese Einlassung nicht zu glauben.
3. Revision des Angeklagten T

a) Die erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
aa) Die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin (§ 338 Nr. 4 StPO) ist unbegründet. Hinsichtlich des Angeklagten T war der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Nach § 13 StPO ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das auch nur für eine der dem Angeklagten zur Last gelegten, gemäß § 3 StPO zusammenhängenden Straftaten örtlich zuständig ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Dabei liegt ein sachlicher Zusammenhang bei einer strafbaren, in dieselbe Richtung zielenden Mitwirkung an einer Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO vor (BGHSt 38, 376, 379). Bei der Prüfung des Zusammenhangs kommt es auf die tatsächliche Annahme an, die den Anschuldigungen bei Erhebung der Anklage und bei Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, und nicht auf die Feststellungen, die als Ergebnis des durchgeführten Hauptverfahrens getroffen worden sind (vgl. BGHSt 18, 238, 239; BGHR aaO).
Zum hierbei maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens vor dem Landgericht (vgl. BGHSt 18, 238, 239) bestand für die Fälle 3 bis 17 der Anklage wegen des Vorwurfes gemeinschaftlichen Handelns ein sachlicher Zusammenhang mit den den Angeklagten Ha und R zur Last liegenden Taten. Im Fall 2 der Anklage bestand wiederum ein sachlicher Zusammenhang der Taten der der Mittäterschaft beschuldigten Angeklagten Ha , R und Du . Da der frühere Mitangeklagte Du seinen Wohnsitz in Berlin hatte und damit für ihn der Gerichtsstand des Wohnsitzes
gegeben war (§ 8 Abs. 1 StPO), war für sämtliche dem Angeklagten T zur Last liegenden Taten der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Die Tatsache, daß das Verfahren gegen den Angeklagten Du später abgetrennt wurde, läßt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin nicht wieder entfallen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Eine Zuständigkeit, die durch die Verbindung zusammenhängender Strafsachen geschaffen worden ist, bleibt auch dann bestehen, wenn der Grund der Verbindung nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegfällt (BGHSt 16, 391, 393).
Der Angeklagte T kann im Revisionsverfahren nicht damit gehört werden, daß hinsichtlich des Falles 2 bei Eröffnung des Verfahrens kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Soweit das Kammergericht das Verfahren eröffnet hat, ist dies nicht anfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Anhaltspunkte dafür, daß bei der Anklageerhebung ein willkürlich erhobener Tatvorwurf dazu benutzt werden sollte, einen Gerichtsstand des Zusammenhangs zu begründen, sind nicht ersichtlich.
bb) Die gegen die Ablehnung der vier am 1. Juni 2001 gestellten Hilfsbeweisanträge erhobenen Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Die vom Landgericht zur Begründung der Ablehnung dieser Anträge auf Vernehmung von Zeugen dargelegten Erwägungen können aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Mit ihrem Versuch, Wertungen des Tatrichters durch eigene zu ersetzen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.
cc) Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet. Das Landgericht hat den Angeklagten T und seinen Verteidiger durch Beschluß für die Hauptverhandlungstermine am 9. und 13. Februar 2001 beurlaubt. Der Verteidiger des Angeklagten blieb daraufhin an diesen Tagen von der Hauptverhandlung fern. Die Beurlaubung war gesetzlich nur zulässig, wenn und soweit der Angeklagte von der Hauptverhandlung an
diesen Verhandlungstagen „nicht betroffen“ war (§ 231c Satz 1 StPO). An die Grenzen, die ihm durch diese Voraussetzung gezogen waren, hat sich das Landgericht gehalten. Es ging am 9. Februar 2001 nicht um einen für den Beschwerdeführer wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 17; BGH, Beschl. vom 24. Januar 1995 – 1 StR 744/94 m. w. N.). Dies gilt auch für den 13. Februar 2001, an welchem allein die strafrechtlichen Vorbelastungen eines Mitangeklagten behandelt wurden. Da mithin die Anwesenheit des Angeklagten an den genannten Verhandlungstagen nicht geboten war, kommt es nicht darauf an, daß er an diesen Tagen nicht verteidigt war.
dd) Die Rüge der Verletzung des § 229 StPO greift ebenfalls nicht durch. Die Freistellung des Angeklagten und seines Verteidigers nach § 231c StPO von der im übrigen fortgeführten Hauptverhandlung stellt keine Unterbrechung der Hauptverhandlung im Sinne von § 229 StPO dar; dessen zeitliche Beschränkungen gelten für die Beurlaubung nach § 231c StPO nicht (vgl. Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 231c Rdn. 15; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. § 231c Rdn. 18).
ee) Im übrigen sind die Formalrügen nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form erhoben und damit unzulässig.

b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch bei dem Angeklagten T den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Daß das Landgericht ihn nicht zugleich wegen jeweils tateinheitlich begangener Urkundenfälschung verurteilt hat, beschwert den Angeklagten nicht.
aa) Obwohl der Angeklagte zu einem großen Teil im Ausland gehandelt hat, sind die Taten im Inland begangen worden (vgl. § 3 StGB), weil die Steueranmeldungen für den dem Steueraussetzungsverfahren entzogenen Alkohol in Deutschland vorzunehmen gewesen wären (§ 9 Abs. 1 StGB).
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Angeklagten T als Mittäter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen angese- hen, weil es für das Gelingen des gemeinsamen Tatplans, den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Verbrauchsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt abzusetzen, erforderlich war, daß keiner der an dem „Alkoholschmuggel“ beteiligten Personen eine Steueranmeldung abgab.
Der Angeklagte konnte Täter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen sein (vgl. hierzu BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1), weil er zur Abgabe einer Steueranmeldung selbst verpflichtet war (§ 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG).
Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, daß der Angeklagte T an der Entziehung des Alkohols aus dem innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unmittelbar persönlich mitgewirkt hat. Das Landgericht durfte aber die auf einem gemeinsamen Tatplan beruhenden Handlungen der anderen Mitglieder der Schmuggelorganisation während der Alkoholtransporte dem Angeklagten wie eigenes Handeln zurechnen und ihn selbst als „Entzieher“ im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG behandeln. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen , daß das Landgericht in wertender Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt ist, seine Handlungen nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller anzusehen, und dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Der Angeklagte, der für seine Tatbeteiligung wie der Angeklagte Ha pro Transport einen Betrag von 3.000 DM erhielt, hatte maßgeblichen Einfluß auf die Durchführung der Alkoholtransporte , die ohne ihn in der durchgeführten Weise nicht hätten stattfinden können. Es fiel innerhalb der Schmuggelorganisation in seinen alleinigen Zuständigkeitsbereich, geeignete Lieferanten für entsprechende Alkoholmengen ausfindig zu machen, den Einkauf vorzunehmen einschließlich der Preisverhandlungen und schließlich durch eigenhändige Sicherstellung der
Bezahlung den Zeitpunkt der Alkoholtransporte mitzubestimmen. Die Tatsa- che, daß er damit bezüglich des späteren Entziehens nur eine Vorbereitungshandlung vorgenommen hat, steht der Annahme von Mittäterschaft nicht entgegen (vgl. BGHSt 40, 299, 301).

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe aus Gefälligkeit für seinen Bruder P T , der in Polen ein In- und Exportgeschäft für Feinsprit betrieben habe, neue Lieferanten gesucht. Dabei sei er davon ausgegangen , daß der Alkohol nicht für Polen bestimmt sei, ohne aber zu wissen für wen. Um den Transport selbst habe er sich nicht gekümmert; das Steueraussetzungsverfahren und die Bedeutung der begleitenden Verwaltungsdokumente seien ihm unbekannt gewesen. Einen falschen Paß auf den Namen F habe er auf Vorschlag seines Bruders nur deswegen verwendet, damit es keine Schwierigkeiten mit den alten Lieferanten gebe (UA S. 17 f.).
Das Landgericht war nicht gehalten, diese entlastenden Angaben des Angeklagten, für die es keinerlei Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrundezulegen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Ohne Rechtsfehler hat es in einer erschöpfenden Würdigung der vorhandenen Beweise die Einlassung des Angeklagten T für widerlegt angesehen und seinen Tatvorsatz bejaht. Hierbei durfte sich das Landgericht hinsichtlich seiner Kenntnisse über das Steueraussetzungsverfahren insbesondere auf die Angaben der im internationalen Handel mit Alkohol tätigen Zeugen W , Ri und M stützen, die übereinstimmend angegeben haben, den Angeklagten für einen im Handel mit Feinsprit erfahrenen Geschäftsmann gehalten zu haben (UA S. 25). Ergänzend konnte es die Angaben des Zeugen P heranziehen, daß der Angeklagte T bei Alkoholgeschäften mit ihm die begleitenden Verwaltungsdokumente jeweils selbst zurückgebracht habe und – unter Berufung auf den für das vorliegende Verfahren nicht zur Verfügung stehenden Zeugen K – die
zollrechtliche Abwicklung am Grenzzollamt Frankfurt/Oder selbst vorgenommen habe (UA S. 26). Hinzu kommt sein konspiratives Auftreten unter fal- schem Namen und sein Kontakt zur Tarn-Empfängerfirma „V “ in der Ukraine.

III.


Die angefochtenen Urteile können jedoch bei allen Angeklagten zum Strafausspruch keinen Bestand haben.
1. Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, z. B. weil der Tatrichter rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht läßt oder weil sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349). Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist hingegen ausgeschlossen (BGH aaO).
2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, daß das Landgericht die Höhe der jeweils hinterzogenen Branntweinsteuer strafschärfend berücksichtigt hat. Durch die Taten der Angeklagten sind trotz der letztlich erfolgten Ausfuhr tatsächlich und nicht nur theoretisch Verbrauchsteuern verkürzt worden.
Sind aber verkürzte Steuerforderungen des deutschen Steuerfiskus nur aus formalen Gründen entstanden, ist dies bei der Strafzumessung im Hinblick auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung zu berücksichtigen (vgl. BGH StV 2000, 497). Im europäischen Verbrauchsteuersystem soll grundsätzlich nur der Verbrauch von Waren im Steuergebiet der Europäischen Gemeinschaft besteuert werden; Ausfuhren sind daher regelmäßig steuerbefreit (§ 142 BranntwMonG). Somit war hier erheblich zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, daß keine Branntweinsteuer angefallen wäre, wenn der
Alkohol nicht heimlich und falsch deklariert, sondern ordnungsgemäß in dem dafür vorgesehenen innergemeinschaftlichen Versandverfahren unter Steueraussetzung (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; § 142 BranntwMonG) ausgeführt worden wäre. Die Erhebung der Branntweinsteuer kommt in einem solchen Fall einer systemwidrigen Sanktion gleich, weil die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf des Steuergebiets eingegangen sind (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56).
Diese Umstände sowie die Tatsache, daß der Alkohol zu keinem Zeitpunkt im Verbrauchsteuergebiet in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt ist, hat das Landgericht ausdrücklich zugunsten der Angeklagten berücksichtigt. Es hat auch gerade mit Hinweis darauf, daß dem Steuerfiskus im Vergleich mit der vorgesehenen Ausfuhr im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren kein wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist (vgl. auch BGH wistra 2001, 216, 217), trotz der hohen Hinterziehungsbeträge einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO verneint.
3. Das Landgericht hat jedoch einen wesentlichen Strafzumessungsgrund nicht erörtert, der sich zugunsten der Angeklagten auswirken könnte:
Die Angeklagten sind „Entzieher“ im Sinne des § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen, weil sie als „weitere“ Steuerschuldner selbst eine Steueranmeldung abzugeben hatten. Damit haften sie persönlich gemäß § 71 AO als Gesamtschuldner mit anderen – zum Großteil im Ausland befindlichen – Steuerschuldnern für die gesamte entstandene Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM und müssen auch mit ihrer Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung rechnen. Das Landgericht hätte den Umstand dieser Haftung vor dem Hintergrund nicht unerörtert lassen dürfen, daß die Angeklagten im Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Rolle spielten und an dem wirtschaftlichen Erfolg der Taten nur im geringen Umfang beteiligt waren. Bei
ihnen handelte es sich nach den Urteilsfeststellungen nicht um die führenden Mitglieder der Schmuggelorganisation; sie wurden entsprechend ihrer Rolle in der Organisation am Taterfolg nur mit einer geringen Entlohnung von wenigen tausend DM beteiligt. Die Angeklagten wurden daher durch die steuerliche Haftung für die gesamte entstehende Verbrauchsteuer erheblich stärker belastet, als es ihrer Rolle im Tatgeschehen und ihrer wirtschaftlichen Beteiligung am Taterfolg entsprach. Der Senat kann nicht ausschließen, daß unter Bedacht auf diesen gewichtigen Gesichtspunkt eine den Angeklagten günstigere Sanktion verhängt worden wäre. Dies führt zur Aufhebung des gegen die Angeklagten jeweils verhängten gesamten Strafausspruchs.
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Haben mehrere durch eine gemeinschaftlich begangene unerlaubte Handlung einen Schaden verursacht, so ist jeder für den Schaden verantwortlich. Das Gleiche gilt, wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.

(2) Anstifter und Gehilfen stehen Mittätern gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 407/11
vom
13. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges oder Computerbetruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München II vom 24. März 2011 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu
tragen.

Gründe:

1
1. Der Angeklagte hatte als Angestellter eines Telefon-Shops eine zentrale Rolle in einem näher geschilderten System zur Erlangung von Mobiltelefonen und Notebooks auf Kosten der Telefongesellschaft. Ihr wurde unter Vorlage manipulierter Personalpapiere vorgespiegelt, (überwiegend) nicht existierende oder (in einigen Fällen) wegen falscher Angaben kaum ermittelbare Personen wollten Mobilfunkverträge abschließen. Nachdem eine - im Einzelfall nicht mehr feststellbar - automatisiert oder durch einen Mitarbeiter der Gesellschaft durch Abgleich mit Schuldnerdateien vorgenommene Bonitätsprüfung wie eingeplant wegen der erfundenen Angaben nichts Negatives ergeben hatte, wurden die Geräte in den Shop übersandt, die der Angeklagte und weitere Beteiligte für sich behielten und verwerteten.
2
2. Auf Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wahlweise wegen (gewerbsmäßigen) Betrugs oder (gewerbsmäßigen) Computerbetrugs in 51 Fällen zu drei Jahren und drei Monaten Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.
3
3. Seine uneingeschränkt eingelegte, auf die Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). In der Revisionsbegründung des ge- richtlich bestellten Verteidigers heißt es, dass der „Tatbestand des gewerbsmäßigen Betrugs oder Computerbetrugs erfüllt“ sei; näher begründet ist bean- tragt (§ 344 Abs. 1 StPO), den Strafausspruch aufzuheben; im Übrigen, so heißt es abschließend, sei die Sachrüge allgemein erhoben. In einem späteren Schriftsatz legt eine Wahlverteidigerin dar, warum hier kein Betrug vorliege. Trotz des zum Revisionsumfang insgesamt nicht völlig klaren Vorbringens geht der Senat hier von einer umfassenden Urteilsanfechtung aus.
4
4. Die Revision meint, der Schuldspruch könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil der Angeklagte keinen Einfluss darauf gehabt habe, mit wem die Telefongesellschaft nach Durchführung einer Bonitätsprüfung einen Vertrag abschließe; da dies allein deren Risiko sei, liege keine Täuschung i.S.d. § 263 StGB vor. Dieses Vorbringen versagt. Grundsätzlich reicht es aus, wenn die Täuschung (eine mit falschem Namen und/oder Anschrift bezeichnete Person will einen Vertrag abschließen), den Irrtum des Getäuschten (diese Person ist „zahlungsfähig“, da sie nicht in Schuldnerdateien eingetragen ist), mitverur- sacht hat (vgl. Satzger in SSW-StGB, § 263 Rn. 86; Cramer/Perron in Schönke /Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn. 43; Tiedemann in LK, 11. Aufl., § 263 Rn. 93 jew. mwN). Dies gilt umso mehr, als der Irrtum über die „Zahlungsfähigkeit“ einer Person nur auf Grundlage des vom Angeklagten durch Täuschung hervorgerufenen Irrtums über deren Existenz entstehen konnte. Es war in dem in Kenntnis der Abläufe bei der Telefongesellschaft geschaffenen System angelegt , dass der im Abgleich der Schuldnerdateien liegende Überprüfungsmechanismus ins Leere gehen musste. Unter diesen Umständen stellt sich daher die Frage nach einer Risikoverteilung nicht, ohne dass der Senat der Frage nachgehen müsste, ob dies in anderen Fallgestaltungen Bedeutung gewinnen kann. Die Auffassung der Revision, die gebotene Übertragung der Grundsätze zur verfassungskonformen Auslegung des Untreuetatbestandes (vgl. BVerfG NJW 2010, 3209; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09 NJW 2011, 88; NJW 2011, 1747), ergebe (dennoch), dass hier mangels relevanter Täuschung kein Betrug vorliege, zeigt einen Rechtsirrtum des Landgerichts nicht auf.
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5. Entsprechendes gilt im Ergebnis für das sonstige Revisionsvorbringen. Ergänzend ist lediglich hinsichtlich des Strafausspruchs zu bemerken:
6
Der Angeklagte ist türkischer Staatsbürger, der seit seiner Geburt (1985) in Deutschland lebt. Wegen der Höhe der Strafe, so führt die Revision aus, lägen beim Angeklagten gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 56 Abs. 1 Nr. 2 und § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG die Voraussetzungen einer sog. „Re- gelausweisung“ vor; da somit die zuständige Behörde kein Ermessen habe, könnten besondere Härten nicht hinlänglich berücksichtigt werden. Dies hätte bei der Strafzumessung erörtert werden müssen.
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Der Senat sieht keinen Rechtsfehler.
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Ausländerrechtliche Folgen einer Tat sind regelmäßig keine bestimmenden Strafzumessungsgründe (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2010 - 1 StR 349/10; BGH, Beschluss vom 31. August 2007 - 2 StR 304/07, StV 2008, 298 mwN). Dies gilt auch bei einer zwingend vorgeschriebenen Ausweisung (BGH, Beschlüsse vom 31. August 2007 - 2 StR 304/07, StV 2008, 298 und 5. Dezember 2001 - 2 StR 273/01, NStZ 2002, 196 mwN); anderes kann nur dann gelten, wenn zusätzliche Umstände hinzutreten, die die Ausweisung als besondere Härte erscheinen lassen (BGH, aaO). Der Senat braucht jedoch nicht der Frage nachzugehen, wie derartige Umstände, die sich jedenfalls von den notwendig oder erfahrungsgemäß häufig mit einer Ausweisung verbundenen Belastungen wegen einzelfallbedingter Besonderheiten in klar erkennbarer Weise nachhaltig unterscheiden müssen, konkret beschaffen sein könnten. Hier fehlt es nämlich schon an einer zwingend vorgeschriebenen Ausweisung. Auch bei einer Regelausweisung gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 AufenthG kann nämlich die Ausländerbehörde bei bedeutsamen atypischen Umständen von einer Ausweisung absehen (vgl. Alexy in Hofmann/Hoffmann, AusländerR, § 56 AufenthG Rn. 25 ff. mwN). Es ist daher davon auszugehen, dass auch in derartigen Fällen die Ausländerbehörden ungewöhnliche Besonderheiten im Rahmen ihrer gerichtlich überprüfbaren Entscheidung zu bedenken haben (vgl. BGH, NStZ, aaO), eine Erörterung der Voraussetzungen einer Regelausweisung als wesentlicher Strafzumessungsgrund ist daher nicht geboten.
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6. Die Strafkammer hält es im Rahmen der Strafzumessung für „positiv“, dass gegen den Angeklagten - mehrere Monate lang auch vollzogene - Untersuchungshaft angeordnet werden musste. Dieser offenbar als stets strafmil- dernd angesehene Gesichtspunkt falle hier „umso stärker“ ins Gewicht, als es dem erstmals inhaftierten Angeklagten aus nicht konkret genannten Gesundheitsgründen dabei „nicht gut ging“. Untersuchungshaft ist jedoch, jedenfalls bei Verhängung einer zu verbüßenden Freiheitsstrafe, kein Strafmilderungsgrund (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2010 - 2 StR 102/10, NStZ 2011, 100; Urteil vom 19. Dezember 2002 - 3 StR 401/02, NStZ-RR 2003, 110; zusammenfassend Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 4. Aufl., Rn. 434 jew. mwN). Erstmaliger Vollzug von Untersuchungshaft (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 21. Dezember 1993 - 5 StR 683/93, NStZ 1994, 198; BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645) oder Krankheit während der Un- tersuchungshaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 25. November 1983 - 2 StR 717/83, StV 1984, 151 ) können allenfalls dann strafmildernd sein, wenn damit ungewöhnliche, über die üblichen deutlich hinausgehende Beschwernisse verbunden sind (zusammenfassend Fischer, StGB, 58. Aufl., § 46 Rn. 72, 73 mwN). Allein der Hinweis auf ein eingeschränktes Wohlbefinden belegt dies nicht. All dies hat sich aber nur zu Gunsten des Angeklagten ausgewirkt.
Nack Wahl Rothfuß RiBGH Prof. Dr. Jäger ist urlaubsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Graf Nack

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

(1) Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich oder elektronisch zu erteilen.

(2) Bevor gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer wegen einer Handlung im Sinne des § 69, die er in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, ein Haftungsbescheid erlassen wird, gibt die Finanzbehörde der zuständigen Berufskammer Gelegenheit, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Die Vorschriften über die Festsetzungsfrist sind auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anzuwenden. Die Festsetzungsfrist beträgt vier Jahre, in den Fällen des § 70 bei Steuerhinterziehung zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre, in den Fällen des § 71 zehn Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Tatbestand verwirklicht worden ist, an den das Gesetz die Haftungsfolge knüpft. Ist die Steuer, für die gehaftet wird, noch nicht festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist; andernfalls gilt § 171 Abs. 10 sinngemäß. In den Fällen der §§ 73 und 74 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt (§ 228) ist.

(4) Ergibt sich die Haftung nicht aus den Steuergesetzen, so kann ein Haftungsbescheid ergehen, solange die Haftungsansprüche nach dem für sie maßgebenden Recht noch nicht verjährt sind.

(5) Ein Haftungsbescheid kann nicht mehr ergehen,

1.
soweit die Steuer gegen den Steuerschuldner nicht festgesetzt worden ist und wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist auch nicht mehr festgesetzt werden kann,
2.
soweit die gegen den Steuerschuldner festgesetzte Steuer verjährt ist oder die Steuer erlassen worden ist.
Dies gilt nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat.

Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.

Nachschlagewerk: ja
BGHSt : ja, aber ohne die Ausführungen zu II. 2a und 3a (Verfahrensrügen
)
Veröffentlichung: ja
BranntwMonG §
143
1. Für ein Entziehen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren aus
einem Steueraussetzungsverfahren reicht ein Verhalten aus, mit dem
eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Waren
beseitigt wird, so daß für die Zollbehörden die Eigenschaft der Waren
als verbrauchsteuerpflichtig, aber unversteuert nicht mehr erkennbar ist.
2. Jedes in den Gesamtablauf eingebundene Mitglied einer Schmuggelorganisation
ist zur Anmeldung der durch die Entziehung entstandenen
Verbrauchsteuern verpflichtet und damit tauglicher Täter einer Steuerhinterziehung
im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn es nach
allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen als Mittäter der Entziehung
anzusehen ist.
3. Zur Berücksichtigung der gesamtschuldnerischen Haftung der Mitglieder
einer Schmuggelorganisation für entstandene Verbrauchsteuern im
Rahmen der Strafzumessung.
BGH, Urt. v. 24. Oktober 2002 – 5 StR 600/01
LG Berlin –

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 24. Oktober 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen Steuerhinterziehung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung
vom 23. und 24. Oktober 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt H ,
Rechtsanwältin S
als Verteidiger des Angeklagten Ha ,
Rechtsanwalt St ,
Professor J
als Verteidiger des Angeklagten R ,
Rechtsanwalt D
als Verteidiger des Angeklagten T ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 24. Oktober 2002 für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten Ha und R wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 8. Juni 2001 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Auf die Revision des Angeklagten T wird das ihn betreffende, weitere Urteil des Landgerichts Berlin vom selben Tage im Strafausspruch aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat die Angeklagten Ha und R wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit Urkundenfälschung , zu Gesamtfreiheitsstrafen von vier Jahren und sechs Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten T hat es nach Abtrennung des Verfahrens durch gesondertes Urteil wegen Steuerhinterziehung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die gegen ihre Verurteilung gerichteten Revisionen der Angeklagten haben nur zum Strafausspruch Erfolg.

I.


Nach den Feststellungen des Landgerichts gehörten die Angeklagten spätestens seit Herbst 1998 zu einer Personenvereinigung, die arbeitsteilig im Rahmen einer eingespielten Organisation fortgesetzt Alkohol in erheblichem Umfang aus der Europäischen Union an den Zollbehörden vorbei nach Polen schmuggelte. Dabei wurden im Zeitraum zwischen Mitte Dezember 1998 und Ende März 1999 von Mitgliedern dieser Schmuggelorganisation unter Mitwirkung der Angeklagten sieben Transporte mit je 28.600 Litern (ein Lkw) bzw. 57.200 Litern (zwei Lkw) extra reinen Alkohols (96 %iger Feinsprit) von Frankreich nach Polen geschmuggelt, die jeweils zunächst im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr in die Ukraine abgefertigt worden waren. Die von der Organisation für den Schwarzmarkt in Polen bestimmten Alkoholtransporte wurden, um das in Polen bestehende Einfuhrverbot für Alkohol zu umgehen und um die nicht ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union zu verschleiern, bei der Ausfuhr aus Deutschland als Chemikalien deklariert und unter Täuschung der Zollbehörden über die wahre Ladung nach Polen eingeführt. Dazu wurden auf deutschem Hoheitsgebiet die im Steueraussetzungsverfahren mitzuführenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) gegen gefälschte CMR-Frachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen. Anschließend wurde der jeweils bis dahin auf Lastkraftwagen beförderte und von Mitgliedern der Organisation in Personenkraftwagen begleitete Alkohol in Hamburg in Bahncontainer umgeladen und per Eisenbahn nach Polen versandt. Durch die Nichtanmeldung der dem Steuerversandverfahren in den sieben Fällen entnommenen Alkoholtransporte wurde Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM hinterzogen.
Im Rahmen der Arbeitsteilung bei Durchführung der Transporte war der Angeklagte T für den Einkauf des Alkohols in Frankreich und dessen Bezahlung zuständig. Hierbei erhielt er für jede Lkw-Ladung Alkohol von der Schmuggelorganisation eine „Belohnung“ von mindestens 3.000 DM. Insgesamt bestellte er bis März 1999 sechzig Lkw-Ladungen Alkohol. Zu der Organisation gehörte auch sein Bruder, der gesondert verfolgte P T , der zusammen mit weiteren, zumeist unbekannt gebliebenen Personen aus Polen die Transporte steuerte, die Tarnpapiere beschaffte und den Absatz des Alkohols auf dem Schwarzmarkt in Polen organisierte. In den Aufgabenbereich des Angeklagten Ha fiel die Abwicklung der Umladung der bereits mit gefälschten Frachtpapieren angelieferten Alkoholladungen in Bahncontainer sowie die Prüfung der gefälschten CMR-Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung. Zur Abwicklung der Umladung zog er den Angeklagten R hinzu, der als einer der geschäftsführenden Gesellschafter die Lagerei Sch im Hamburger Freihafen leitete. Für ihre Mitwirkung erhielten der Angeklagte Ha von der Organisation 3.000 DM je umgeladener Lkw-Ladung, der Angeklagte R 1.000 DM pro Container. Daneben durfte der Angeklagte R in den vier Fällen, in denen die Umladung auf dem Gelände der Firma Sch durchgeführt wurde (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe), als „Risikozuschlag“ eine Rechnung mit einer Gewinnspanne von 500 DM statt üblicherweise 100 DM pro Container stellen.
Die verfahrensgegenständlichen Transporte gingen im einzelnen wie folgt vonstatten:
Der Alkohol wurde von der Organisation bei der Distillerie G in Aigre/Frankreich bezogen. Dort bestellte der Angeklagte T jeweils die entsprechende Abnahmemenge. Anschließend wickelte er die Bezahlung – zumeist persönlich in bar – über die Luxemburger Firma E des Zeugen K ab. Nachdem die Firma E der Herstellerfirma die Bezahlung des Kaufpreises bestätigt hatte, eröffnete diese als Versender ein
Steuerversandverfahren unter Steueraussetzung zur Ausfuhr aus dem Ver- brauchsteuergebiet der Europäischen Gemeinschaft über das Grenzzollamt Frankfurt/Oder. Als Empfänger wurde die Firma „V “ in Vinogradov/Ukraine angegeben, die von der Schmuggelorganisation speziell zu dem Zweck gegründet worden war, als Tarnempfängerin aufzutreten. Der Alkohol wurde dann von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit Lastzügen statt zum Ausgangszollamt Frankfurt/Oder nach Hamburg gebracht. Vor der Anlieferung im Hamburger Hafen wurden die französischen, bei Alkoholtransporten im Steuerversandverfahren mitzuführenden begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) auf deutschem Hoheitsgebiet gegen CMRFrachtbriefe ausgetauscht, die als Ladung Chemikalien auswiesen und als Versender deutsche Tarnadressen nannten. Bei den CMR-Frachtbriefen handelte es sich um Totalfälschungen, die von Mitgliedern der Organisation in Polen für diesen Zweck hergestellt worden waren. Die begleitenden Verwaltungsdokumente (DCA) wurden mit nachgemachten Ausfuhrstempeln an die Firma G , welche die Steuerversandverfahren eröffnet hatte, zurückgesandt. Damit sollte der Anschein einer ordnungsgemäßen Ausfuhr des Alkohols unter zollamtlicher Überwachung erweckt werden. Ziel des Austausches der Frachtpapiere war die Täuschung der polnischen Zollbehörden zur Umgehung des polnischen Einfuhrverbotes.
Der Angeklagte Ha prüfte sodann die gefälschten CMRFrachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung und wickelte mit dem Angeklagten R die Umladung der Alkoholtransporte zum Weiterversand mit Bahncontainern nach Polen ab. Zur Verschleierung der Alkoholtransporte schalteten sie die Firma I aus Campione, einer italienischen Enklave in der Schweiz ein, welche mit der Umladung von „Chemikalien“ und deren anschließenden Transport nach Polen unter Einschaltung der Spedition Rü beauftragt wurde. In den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe wurde der angelieferte Alkohol auf dem Gelände der Firma Sch C , in den übrigen Fällen bei einer anderen Firma im Hamburger Hafen, in Bahncontainer umgeladen.
Bei Abwicklung der Transporte hielt der Angeklagte Ha Kontakt zu P T und weiteren polnischen Hintermännern und übermittelte ihnen die Containernummern. Diese wurden ihm jeweils vom Angeklagten R mitgeteilt, der mit dem Geschäftsführer der Firma I in Verbindung stand und – sofern die Umladungen nicht auf seinem Firmengelände stattfanden – die Containernummern bei der Spedition Rü erfragte.
Alle drei Angeklagten nahmen zumindest billigend in Kauf, daß durch den Austausch der Frachtpapiere in Deutschland und einer damit verbundenen Entziehung der Alkoholtransporte aus der zollamtlichen Überwachung deutsche Branntweinsteuer entstand; dennoch gaben sie entsprechende Steueranmeldungen nicht ab. Sie hielten einerseits eine ordnungsgemäße Ausfuhr aus der Europäischen Union mit anschließendem Einführen unter falscher Warenbezeichnung nach Polen wegen der Zusammenarbeit der deutschen und polnischen Grenzkontrollstellen nicht für möglich; andererseits war für sie nur unversteuerter Alkohol auf dem Schwarzmarkt in Polen mit Gewinn absetzbar.

II.


Die Revisionen der Angeklagten sind zum Schuldspruch unbegründet.
1. Revision des Angeklagten Ha

a) Die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher bereits unzulässig.

b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen jeweils den Schuldspruch wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Steuerhinterziehung.
aa) Eine unechte Urkunde gebraucht (im Sinne von § 267 Abs. 1 3. Alternative StGB), wer sie zum Zwecke der Täuschung im Rechtsverkehr der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich macht (vgl. BGHSt 36, 64, 65; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 267 Rdn. 23).
Der Angeklagte hat vorsätzlich falsche Urkunden gebraucht, indem er die von Mitgliedern der Schmuggelorganisation mit den Alkoholtransporten angelieferten Totalfälschungen von CMR-Frachtbriefen für Chemikalienlieferungen nach dem Umladen auf Bahncontainer in Hamburg den Alkohollieferungen wieder beifügen ließ. Hierdurch sollten insbesondere die Zollbehörden beim Weitertransport des Alkohols auf der Schiene nach Polen über die Art der transportierten Ware getäuscht werden.
Die von dem Angeklagten begangene Urkundenfälschung erstreckt sich auch auf das von anderen Mitgliedern der Schmuggelorganisation auf deutschem Hoheitsgebiet schon vor dem Anliefern des Alkohols in Hamburg vorgenommene Austauschen der begleitenden Verwaltungsdokumente mit gefälschten CMR-Frachtbriefen. Deren Handeln ist dem Angeklagten wie eigenes Handeln zuzurechnen. Der Angeklagte war Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) aller im Rahmen des Alkoholschmuggels von Frankreich nach Polen von Mitgliedern der Schmuggelorganisation arbeitsteilig begangenen Straftaten. Der Alkoholschmuggel umfaßte das gesamte Tatgeschehen von der Beschaffung des Alkohols in Frankreich über den Transport nach Deutschland , den Austausch der Frachtpapiere, die Umladung in Bahncontainer bis hin zum Einschmuggeln an den polnischen Zollbehörden vorbei nach Polen.
(1) Mittäterschaftlich handelt derjenige, der aufgrund eines gemeinsamen Tatplans einen für die Deliktsbegehung förderlichen Tatbeitrag leistet, welcher sich nach seiner Willensrichtung nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller darstellt, und der dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheinen läßt. Ob dies der Fall ist, ist in wertender Betrachtung zu beant-
worten. Wesentliche Anhaltspunkte für diese Wertung können das eigene Interesse am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2 m. w. N.). Auf der Grundlage gemeinsamen Wollens kann dabei sogar eine bloße Mitwirkung bei der Tatvorbereitung oder eine sonstige Unterstützungshandlung ausreichen (vgl. BGHSt 40, 299, 301; BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609). Allerdings kommt eine (sukzessive) Mittäterschaft dann nicht (mehr) in Betracht, wenn eine tatunterstützende „Beteiligungshandlung“ erst nach Beendigung einer Straftat – also nach dem Handlungsgeschehen, mit dem das Tatunrecht seinen Abschluß findet – einsetzt, selbst wenn die Mitwirkung vorher zugesagt worden ist (vgl. BGH, Beschl. vom 13. August 2002 – 4 StR 208/02; Tröndle/Fischer, StGB 50. Aufl. § 22 Rdn. 6, § 25 Rdn. 9 m. w. N.).
Die tatrichterliche Bewertung zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe ist dabei nur begrenzt der revisionsgerichtlichen Überprüfung zugänglich (vgl. BGH, Beschl. vom 23. Oktober 1997 – 4 StR 226/97). In Grenzfällen hat der Bundesgerichtshof dem Tatrichter für diese Wertung einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Läßt das angefochtene Urteil – wie hier – erkennen, daß der Tatrichter die genannten Maßstäbe erkannt und vollständig gewürdigt hat, so kann das gefundene Ergebnis vom Revisionsgericht auch dann nicht als rechtsfehlerhaft beanstandet werden, wenn eine andere tatrichterliche Beurteilung möglich gewesen wäre (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387; NStZ-RR 1998, 136; jeweils m. w. N.).
(2) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die vom Landgericht vorgenommene , auf der Hand liegende Würdigung des Verhaltens des Angeklagten als Mittäterschaft und nicht als Beihilfe aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Der Angeklagte hatte erhebliches Eigeninteresse an den Taten. Auch wenn sein aus jedem Schmuggeltransport resultierender Gewinn von jeweils
3.000 DM im Hinblick auf das Gesamtvolumen der einzelnen Alkoholtrans- porte nicht sehr bedeutend erscheint, hatte diese Einnahmequelle für den Angeklagten erhebliche Bedeutung. Die Taten waren auf vielfache Tatbegehung in hoher Tatfrequenz ausgelegt. Jedenfalls durfte das Landgericht die Tatherrschaft des Angeklagten über einen wichtigen Teil des Gesamtgeschehens als ausschlaggebenden Grund für die Annahme einer Mittäterschaft heranziehen. Der Angeklagte war in der Schmuggelorganisation für den gesamten Bereich der Umladung des Alkohols, der einen hohen logistischen Aufwand und die Einschaltung mehrere Firmen erforderte, sowie für den Weiterversand der Ware nach Polen verantwortlich (UA S. 8 f.). Zu seinen Aufgaben gehörte die Überprüfung der gefälschten Frachtbriefe auf ihre Eignung zur Täuschung (UA S. 8) und der Kontakt zu den polnischen Hintermännern , die nur aufgrund seiner Übermittlung der Containernummern die Container in Empfang nehmen und den Alkohol auf den Schwarzmarkt bringen konnten (UA S. 13). Der in den Tatplan eingeweihte (UA S. 8) Angeklagte hatte damit innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation (UA S. 14) während eines wesentlichen Teils des Geschehensablaufes eine fast alleinige Herrschaft über wertvolle Ware, auf der bei einer Überführung in den freien Verkehr Verbrauchsteuern je Lieferung von 700.000 DM bzw. 1,4 Mio. DM lasteten.
Die Taten waren, als der Angeklagte seine Tatbeiträge erbrachte, noch nicht beendet, weil der Gebrauch der falschen Frachtpapiere andauerte und die steuerlichen Erklärungspflichten fortbestanden.
bb) Zu Recht hat das Landgericht den Angeklagten auch wegen (mittäterschaftlich begangener) Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 25 Abs. 2 StGB) verurteilt. Er hat in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation gegen die sich aus § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG ergebende Pflicht verstoßen, für die Alkohollieferungen nach Austausch der begleitenden Verwaltungsdokumente gegen
gefälschte CMR-Frachtbriefe unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben.
Täter einer Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann freilich nur sein, wer selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1). Diese Pflicht ergab sich indes hier für den Angeklagten daraus, daß er als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in eigener Person Steuerschuldner der Branntweinsteuer geworden war (vgl. § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG). Der aus Frankreich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren zum Zwecke der Ausfuhr in die Ukraine nach Deutschland transportierte Alkohol wurde diesem Verfahren im Inland entzogen; diese Entziehung ist dem Angeklagten zuzurechnen.
(1) Der nach den Urteilsfeststellungen im Inland erfolgte Austausch der Frachtpapiere stellt eine Entziehung des unter Steueraussetzung transportierten Alkohols aus diesem Verfahren im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG dar.
(a) Die Alkohollieferungen befanden sich im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren und damit in einem Steueraussetzungsverfahren, als sie zum Zwecke der Ausfuhr aus der Europäischen Gemeinschaft (zunächst ) nach Deutschland transportiert wurden (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Sie wurden von der Distillerie G in Aigre/Frankreich zur Ausfuhr aus dem Verbrauchsteuergebiet der Europäischen Union unter Steueraussetzung abgefertigt (vgl. Art. 302 L i.V.m. Art. 302 E des französischen Code Général des Impôts, CGI; diese Regelung entspricht § 142 Abs. 1 BranntwMonG ) und durften steuerfrei in diesem Verfahren durch das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt werden (§ 133 Abs. 1 Nr. 2, § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BranntwMonG).
Das Steueraussetzungsverfahren ist auch wirksam eröffnet worden. Dem steht nicht entgegen, daß die Schmuggelorganisation nicht die Absicht hatte, den Alkohol tatsächlich an die lediglich als Tarnempfänger angegebene Firma „V “ in der Ukraine zu liefern.
Zwar ist dann kein wirksames Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger im Inland geliefert wird (BFH ZfZ 2000, 312) oder wenn der Versender in dem begleitenden Verwaltungsdokument einen nicht existierenden Empfänger angibt und dies auch weiß (FG Düsseldorf ZfZ 2000, 385).
Diese Fälle liegen hier aber nicht vor. Der Versender, die Firma G , hat einen tatsächlich existierenden Empfänger, die Firma „V “ angegeben und wollte die Ware auch dorthin liefern. Bei dieser Firma handelte es sich um eine Tarnfirma, nicht um eine Scheinfirma. Die Tatsache, daß die Schmuggelorganisation von Anfang an die Absicht hatte, die Ware nicht in die Ukraine, sondern nach Polen zu bringen, spielt für die Wirksamkeit des eröffneten Steueraussetzungsverfahrens ebensowenig eine Rolle wie die Tatsache, daß die angegebene Empfängerfirma die Ware nicht empfangen wollte. Entscheidend ist vielmehr, daß der Versender bei Eröffnung des Steueraussetzungsverfahrens die Ausfuhr an den angegebenen Empfänger tatsächlich beabsichtigte. Selbst wenn die Empfängerfirma als Scheinfirma anzusehen wäre, würde dies nicht dazu führen, ein von Anfang an unwirksames Steueraussetzungsverfahren annehmen zu können. Die Ware sollte ausgeführt werden und damit zu keiner Zeit im Inland an einen nicht bezugsberechtigten Empfänger gelangen. Ob der Empfänger in einem Drittland bezugsberechtigt ist, bleibt für die Wirksamkeit des Steueraussetzungsverfahrens , das am Ausgangszollamt endet, ohne Bedeutung. Der Alkohol ist damit nicht bereits in Frankreich mit Verlassen des Steuerlagers des Herstellers des Alkohols in den freien Verkehr gelangt.
Nach der Abfertigung und Entfernung aus dem Steuerlager des Her- stellers wurde der Alkohol unter Beachtung der Förmlichkeiten des Steueraussetzungsverfahrens mit den entsprechenden französischen begleitenden Verwaltungsdokumenten (DCA) von Frankreich nach Deutschland transportiert.
(b) Der Alkohol wurde im Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland dem Steueraussetzungsverfahren entzogen.
(aa) Der Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG, der die Rechtsfolgen von Unregelmäßigkeiten im Verkehr unter Steueraussetzung regelt, ist weder im BranntwMonG noch im sonstigen nationalen Recht ausdrücklich definiert. Seine Bedeutung ist daher nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen zu ermitteln.
Zwar führt die Auslegung allein anhand der Wortbedeutung nicht zu einem sicheren Ergebnis. Ihr ist aber immerhin zu entnehmen, daß die Entziehung ein Verhalten voraussetzt, mit dem eine bestehende Kontrolle oder Kontrollmöglichkeit über Gegenstände beseitigt wird. Die historische, die teleologische und die systematische Auslegung – unter Orientierung am Europäischen Gemeinschaftsrecht – bestätigen dies.
Da das System der Steueraussetzung von Verbrauchsteuern im europäischen Warenverkehr – und damit auch § 143 BranntwMonG – auf gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beruht, sind vorrangig diese zur Auslegung des Begriffs des Entziehens heranzuziehen. Das Steueraussetzungsverfahren ist ein durch Gemeinschaftsrecht geschaffenes neues Institut des Verbrauchsteuerrechts , das nach Abschaffung der Erhebung von Verbrauchsteuern im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Errichtung des europäischen Binnenmarktes zum 1. Januar 1993 eingeführt wurde. Es ermöglicht in Bezug auf verbrauchsteuerpflichtige Waren die Vornahme bestimmter Maßnahmen
– wie z.B. die Beförderung –, ohne daß dabei für die betroffenen Waren ein Steueranspruch entsteht oder besteht (vgl. Beermann DStZ 1993, 291). Die Vorschriften über das Steueraussetzungsverfahren wurden durch das Verbrauchsteuer -Binnenmarktgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 1992, 2150) als nationale Umsetzung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG 1992 Nr. L 76 S. 1; im folgenden: Systemrichtlinie) in die deutschen Verbrauchsteuergesetze eingefügt; zugleich wurde zur Überwachung der Verbrauchsteuerverfahren , insbesondere zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Besteuerung, eine verbrauchsteuerrechtliche Steueraufsicht geschaffen (vgl. § 209 ff. AO).
§ 143 BranntwMonG basiert auf Art. 20 (i.V.m. Art. 4 lit. c und Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Systemrichtlinie 92/12/EWG. Der in § 143 BranntwMonG verwendete Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren wird allerdings in der Systemrichtlinie ebenfalls nicht definiert. Art. 20 dieser Richtlinie spricht vielmehr von Unregelmäßigkeiten und Zuwiderhandlungen, aufgrund derer eine Verbrauchsteuer entsteht, und setzt damit die Steuerentstehung , die Folge des Entziehens, bereits voraus.
Art. 6 Abs. 1 der Systemrichtlinie regelt die Entstehungstatbestände. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer mit der „Überführung in den steuerlich freien Verkehr“, darunter auch durch „jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung“ (Art. 6 Abs. 1 lit. a). Allerdings überläßt es die Systemrichtlinie wieder dem nationalen Recht, was als Überführung in den freien Verkehr anzusehen ist. Nach Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie richten sich nämlich die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerlich freien Verkehr stattfindet.
Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat zur Erläuterung, wann eine solche Entnahme vorliegt, mit Urteil vom 5. April 2001 in der Rechtssache C-325/99 – G. van de Water – (Slg. 2001, I-2729) unter Tz. 35 den Wortlaut der Systemrichtlinie wiederholt: „Nach Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie gelten als Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr nicht nur jede Herstellung oder Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung, sondern auch jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Waren aus einem solchen Verfahren“.
Allerdings lassen die Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie (92/12/EWG) deutlich werden, daß das Funktionieren des gemeinschaftsrechtlichen Verbrauchsteuersystems die Möglichkeit eines jederzeitigen Zugriffs auf die verbrauchsteuerpflichtige Ware und damit die Kenntnis des Ortes, wo sich die Ware befindet, voraussetzt. So wird in der Begründung zur Richtlinie ausdrücklich festgestellt: „Die Durchsetzung des Steueranspruchs setzt ... eine Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren voraus. Es ist deshalb ein Begleitpapier für diese Waren vorzusehen. ... Jede Ware muß leicht identifizierbar sein.“
Auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und der Finanzgerichte hat bisher noch keine einheitlichen Auslegungskriterien für die Begriffe „Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren“ und „Überführung in den freien Verkehr durch unrechtmäßige Entnahme aus dem Steueraussetzungsverfahren“ entwickelt. Während einerseits das FG Düsseldorf ein Entziehen aus dem Steueraussetzungsverfahren immer dann für gegeben hält, wenn dieses Verfahren nicht ordnungsgemäß abgeschlossen worden ist (ZfZ 1998, 211), und somit auch dann, wenn bei einer zur Ausfuhr in das Außengebiet im Steueraussetzungsverfahren bestimmten Ware aufgrund der Fälschung des begleitenden Verwaltungsdokuments der Transportweg von abhanden gekommenen Branntweinerzeugnissen nicht nachvollzogen werden kann (ZfZ 2000, 242), wird andererseits nicht in jedem Fall der bloße Aus-
tausch von Begleitpapieren vor der Ausfuhr einer Ware als Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren angesehen (vgl. FG München ZfZ 2001, 246 und Urt. vom 12. September 2001 – 3 K 2464/98). Wieder andere legen den Begriff des Entziehens im Sinne von § 143 BranntwMonG nach den zu Art. 203 Abs. 1 Zollkodex (ZK) entwickelten Grundsätzen aus (vgl. FG Hamburg , Urt. vom 24. April 2001 – IV 285/98).
Allerdings gibt es zum zollrechtlichen Begriff „Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung“ (Art. 203 Abs. 1 ZK) eine gefestigte Rechtsprechung. Danach ist zur Aufrechterhaltung der Kontrollmöglichkeit über Waren, die sich im (zollrechtlichen) Versandverfahren befinden, grundsätzlich erforderlich , daß diese nur in einer mit dem Versandverfahren zu vereinbarenden Weise behandelt werden (BFH ZfZ 2000, 419). Steht die Behandlung des Zollversandguts in keinem Zusammenhang mit dieser Beförderung, so gerät es in der Regel außerhalb der Kontrolle im Rahmen der zollamtlichen Überwachung und ist damit entzogen (BFHE 144, 311, 313). Maßgebliches Kriterium für die Abgabenbefreiung in einem Versandverfahren ist die ständige Kontrollmöglichkeit der Ware durch die für das Verfahren zuständigen Behörden.
Noch deutlicher wird das Erfordernis der jederzeitigen Kontrollmöglichkeit für ein solches Versandverfahren in der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens aus zollamtlicher Überwachung: Mit Urteil des EuGH vom 11. Juli 2002 in der Rechtssache C-371/99 – Liberexim BV (ZfZ 2002, 338), das insoweit auch auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-66/99 (D. Wandel, Slg. 2001, I-873) Bezug nimmt, ist der Begriff der Entziehung so zu verstehen, „daß er jede Handlung oder Unterlassung umfaßt, die dazu führt, daß die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (Tz. 55), wobei es nicht erforderlich ist, daß insoweit ein subjektives Element vorliegt (Tz. 61).
Auch wenn diese Rechtsprechung zum zollrechtlichen Entziehungstatbestand nicht ohne weiteres auf die Entziehung aus dem Steuerausset- zungsverfahren bei verbrauchsteuerpflichtigen Waren übertragen werden kann, so wird anhand einer systematischen Auslegung deutlich, daß den Begriffen des Entziehens aus einem (zollrechtlichen) externen Versandverfahren und des Entziehens aus einem Steueraussetzungsverfahren wegen der Parallelität der Regelungen und ihrer inneren Verzahnung zumindest weitgehend derselbe Bedeutungsgehalt zukommt.
Die Regelungssysteme des EG-Zollrechts und des EG-Verbrauchsteuerrechts haben beide ihre Rechtsquellen im Europäischen Gemeinschaftsrecht und dienen gemeinsam der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes (vgl. Art. 14 EG). Während das Europäische Zollrecht seine Grundlage im Zollkodex (Verordnung Nr. 2913/92/EWG des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften) und der zugehörigen Durchführungsverordnung Nr. 2454/93/EWG hat, ist das Verbrauchsteuerrecht in der Europäischen Union durch die System-, Struktur- und Steuersatzrichtlinien weitgehend harmonisiert; dabei sind die Steuerentstehungstatbestände durch die Systemrichtlinie Nr. 92/12/EWG bereits im einzelnen einheitlich festgelegt (Art. 6 Abs. 1, Art. 14 Abs. 3). Sowohl für das EG-Zollrecht als auch parallel dazu für das EG-Verbrauchsteuerrecht sind die Kontrollen an den Binnengrenzen zur Schaffung des Europäischen Binnenmarktes abgeschafft worden; sie wurden durch gemeinsame Zoll- und harmonisierte Verbrauchsteuerregelungen ersetzt (vgl. zum Verbrauchsteuerrecht Beermann DStZ 1993, 257 ff., 291 ff.; Wolffgang in Lenz, EG-Vertrag 2. Aufl. Art. 93 Rdn. 27 ff.).
Beiden Rechtssystemen ist auch gemeinsam, daß Waren, die zum Zwecke der Ausfuhr in einem Versandverfahren befördert werden, der zollamtlichen Überwachung unterliegen (Zoll: externes Versandverfahren, Art. 59 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Nr. 13 ZK, Art. 84 Abs. 1 lit. a, Art. 91 ZK; Verbrauchsteuern : Steueraussetzungsverfahren, Art. 5 Abs. 2, Art. 15 Abs. 1
Systemrichtlinie 92/12/EWG i.V.m. § 209 AO). Die zollamtliche Überwachung soll in diesen Fällen sicherstellen, daß für die Waren, wenn sie nicht bestimmungsgemäß ausgeführt werden, die gesetzlichen Abgaben erhoben werden. Wird eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 lit. a) transportiert, dann befindet sie sich automatisch auch unter Steueraussetzung (vgl. Art. 5 Abs. 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Für den Fall der Einfuhr verweisen die Verbrauchsteuergesetze sogar insgesamt auf die für Zölle geltenden Vorschriften (vgl. § 21 Abs. 2 UStG; § 147 Abs. 1 BranntwMonG; § 21 TabStG; § 13 KaffeeStG; § 23 MinöStG; § 13 Abs. 1 BierStG).
Sowohl mit dem zollrechtlichen Versandverfahren als auch mit dem Steueraussetzungsverfahren werden Transporterleichterungen für Waren normiert, die nicht im Gemeinschaftsgebiet in den freien Verkehr gelangen sollen. Beide Verfahren können als Massenverfahren aber nur dann dauerhaft funktionieren, ohne das Abgabensystem als solches zu gefährden, wenn der Aufenthaltsort der in dem Versandverfahren beförderten Ware stets bekannt ist. Nur dann ist nämlich sichergestellt, daß die anfallenden Abgaben erhoben werden können, wenn die Ware aus dem Verfahren heraus einer abgabepflichtigen Verwendung zugeführt wird. Solches kann aber dann nicht mehr festgestellt werden, wenn die zuständigen staatlichen Stellen keine Kenntnis mehr vom Aufenthaltsort der Ware haben. Deshalb ist das Steueraussetzungsverfahren – ebenso wie das zollrechtliche externe Versandverfahren – gekennzeichnet durch eine stattfindende zollamtliche Überwachung bzw. Steueraufsicht (vgl. Schroer-Schallenberg in: Europäisches Forum für Außenwirtschaft, Verbrauchsteuern und Zoll e.V. (Hrsg.), Hemmnisse und Sanktionen in der EU, S. 125).
Diese Parallelität und enge innere Verzahnung der beiden Regelungssysteme ließe eine wesentlich unterschiedliche Auslegung des Begriffs der Entziehung systemwidrig und nicht nachvollziehbar erscheinen. Bei der Auslegung des Begriffs der Entziehung bzw. der Entnahme sind daher für die
zollrechtlichen und die verbrauchsteuerrechtlichen Versandverfahren weitge- hend dieselben Grundsätze zu beachten, insbesondere das Erfordernis einer ständigen Kontrollierbarkeit der Waren als Voraussetzung für den Ausnahmefall der Abgabenbefreiung. Auf der Grundlage dieser Erwägungen ist mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH, daß zollrechtlich eine Entziehung vorliegt, wenn „die zuständige Zollbehörde auch nur zeitweise am Zugang zu einer unter zollamtlicher Überwachung stehenden Ware und an der Durchführung der vom gemeinschaftlichen Zollrecht vorgesehenen Prüfungen gehindert wird“ (vgl. Urteil des EuGH in der Rechtssache C-66/99 – D. Wandel, Slg. 2001, I-873, Tz. 55), jedenfalls immer dann ein Entziehen aus einem Steueraussetzungsverfahren gegeben, wenn durch einen objektiven Verstoß gegen die Regeln der Steueraussetzung eine auch nur vorübergehende Unterbrechung der Steueraufsicht gegeben ist (so auch Reiche in Teichner /Alexander/Reiche, MinöStG § 18 Rdn. 35). In einem solchen Fall ist nämlich die Ware als in einem steuerrechtlich freien Verkehr befindlich anzusehen (vgl. Reiche aaO Rdn. 33; Beermann aaO S. 292; Soyk ZfZ 1998, 2, 4 f. m. w. N.). Die nach der Systemrichtlinie 92/12/EWG erforderliche Kenntnis der Bewegungen der verbrauchsteuerpflichtigen Waren ist dann nicht mehr gegeben.
Einer Vorlage an den EuGH zur Klärung des Begriffes der Entnahme verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus dem Verfahren der Steueraussetzung (Art. 6 Abs. 1 lit. a der Systemrichtlinie) in einem Vorabentscheidungsverfahren (Art. 234 Abs. 3 EG) bedarf es hier nicht. Art. 234 EG hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen. Dabei soll mit Abs. 3 des Art. 234 EG durch das Auslegungsmonopol des EuGH für Regelungen des Gemeinschaftsrechts insbesondere verhindert werden, daß sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht in Einklang steht (EuGH NJW 1983, 2751). Eine Vorlage an den EuGH ist daher nur dann entbehrlich, wenn im konkreten Fall bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt
oder die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß kein vernünftiger Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt (EuGH NJW 1983, 1257). Zwar hat der EuGH eine Auslegung des Begriffs der Entziehung für das Steueraussetzungsverfahren bisher noch nicht vorgenommen. Es besteht aber angesichts der Rechtsprechung des EuGH zum zollrechtlichen Begriff des Entziehens unter Berücksichtigung der Systematik und der Entstehungsgeschichte der betroffenen Regelungsmaterien kein ernsthafter Zweifel daran, daß der EuGH für den Begriff des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zur selben Auslegung wie für den zollrechtlichen Begriff des Entziehens gelangen würde. Die gesicherte Rechtsprechung des EuGH zum Begriff des Entziehens im Zollrecht, die der Senat seiner Auslegung des Begriffs des Entziehens aus dem Steueraussetzungsverfahren zugrundelegt, läßt neben der vom Senat vorgenommenen Auslegung keine weiteren vernünftigerweise möglichen Auslegungen mehr zu.
Damit lag im Entfernen der begleitenden Verwaltungsdokumente von der im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren beförderten Alkohollieferung und der Ersetzung durch auf nicht verbrauchsteuerpflichtige Waren lautende CMR-Frachtbriefe eine Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren im Sinne des § 143 BranntwMonG. Für die zuständigen Behörden war es ab diesem Zeitpunkt auch bei einer möglichen Kontrolle der Begleitpapiere nicht mehr erkennbar, daß es sich bei der Ware um eine verbrauchsteuerpflichtige , aber unversteuerte Ware handelt.
(bb) Der Einwand, eine Verkürzung von Verbrauchsteuern könne dann nicht gegeben sein, wenn der Nachweis erbracht sei, daß die Ware letztlich tatsächlich noch ausgeführt worden sei, greift nicht durch. Entgegen der Ansicht der Verteidigung steht die Tatsache der späteren Ausfuhr des Alkohols der Annahme einer (vorher erfolgten) Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren nicht entgegen. Wie dies bereits in den Begründungserwägungen zur Systemrichtlinie 92/12/EWG zum Ausdruck kommt, sind Steueraussetzungsverfahren sehr formelle Verfahren, die auf eine hinreichende
Kontrollmöglichkeit der in diesen Verfahren transportierten Erzeugnisse angewiesen sind. Besteht diese Kontrollmöglichkeit für die zuständigen Steuerbehörden nicht mehr, ist die Ware in den freien Verkehr gelangt und damit der Besteuerungstatbestand erfüllt. Die Tatsache, daß Bewegungen dieser verbrauchsteuerpflichtigen Ware über einen längeren Zeitraum ohne Kenntnis der zuständigen Behörden vonstatten gegangen sind, steht mit den Grundprinzipien des Steueraussetzungsverfahrens so im Widerspruch, daß es für die Frage der Entziehung nicht darauf ankommen kann, ob die Ware letztlich einer steuerfreien Verwendung zugeführt wird oder nicht bzw. ob das mit dem Steueraussetzungsverfahren beabsichtigte Ziel der Ausfuhr noch erreicht wird. Der Verstoß gegen die Vorschriften des innergemeinschaftlichen Versandverfahrens ist auch so erheblich, daß er nicht lediglich als Verletzung bloßer Ordnungsvorschriften angesehen werden kann. Entgegen Schroer-Schallenberg (aaO S. 130 f.) liegt darin nicht lediglich ein Verfahrensverstoß ohne steuerschuldrechtliche Konsequenzen. Das Steueraussetzungsverfahren ist nämlich hier durch die Ausfuhr unter Vorlage falscher Frachtpapiere überhaupt nicht abgeschlossen worden. Das Verfahren der Steueraussetzung ist erst dann erledigt, wenn die Ausgangszollstelle bescheinigt , daß die verbrauchsteuerpflichtigen Waren die Gemeinschaft verlassen haben (Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Systemrichtlinie 92/12/EWG). Auch sind die in § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG für den Fall des Entziehens normierten Ausnahmen von der Steuerentstehung nicht gegeben. Der Alkohol ist weder nachweislich untergegangen, noch an Personen im Steuergebiet abgegeben worden, die zum Bezug von Erzeugnissen unter Steueraussetzung berechtigt sind; ein dem Untergang nach § 143 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG gleichstehender Schwund liegt ebenfalls nicht vor. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Vorschrift des § 143 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG , die keine tatbestandlichen Einschränkungen für die Fälle der Steuerentstehung bei einer „echten“ Entziehung nach § 143 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG enthält, sondern im Gegenteil für bestimmte – hier nicht vorliegende – Fallkonstellationen die Fiktion einer Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren normiert.
Im übrigen muß die Frage, ob eine Entziehung gegeben ist, zum Zeitpunkt einer möglichen Entziehung eindeutig zu klären sein. Ob eine Entziehung vorliegt, kann damit nicht von einem zukünftigen ungewissen Ereignis (eventuelle tatsächliche Ausfuhr auf anderem als dem vorgesehenen Wege) abhängig gemacht werden; die tatsächliche Ausfuhr führt auch nicht zu einem automatischen nachträglichen Wegfall einer einmal entstandenen Verbrauchsteuer. Wird die Ware letztlich doch noch ausgeführt, kann dies steuerschuldrechtlich allenfalls – damit die Erhebung der Steuer für eine ausgeführte Ware nicht einer ungewollten Sanktion gleichkommt (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56) – für die Frage eines möglichen Erlasses der Steuer (vgl. § 227 AO; Art. 239 ZK) und steuerstrafrechtlich nur für die Frage der Strafzumessung von Bedeutung sein.
(2) Der Angeklagte Ha ist aufgrund des Besteuerungstatbestandes § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der durch die Entziehung anfallenden Branntweinsteuer geworden. Zwar hat der Angeklagte die Entziehung nicht in eigener Person vorgenommen – vielmehr wurde der Alkohol im Hamburger Hafen bereits mit den gefälschten CMRFrachtbriefen angeliefert (vgl. UA S. 8) –; ihm ist aber die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren durch andere Mitglieder der Organisation wie eigenes Tun zuzurechnen.
Das BranntwMonG definiert nicht, wer Verantwortlicher einer Entziehung im Sinne des § 143 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung sein kann.
Eine ausdifferenzierte Regelung, wer bei einer Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung Zollschuldner wird, findet sich in Art. 203 Abs. 3 Zollkodex (ZK): Es sind dies nicht nur die Personen, welche die Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen haben (1. Spiegelstrich), sondern auch diejenigen Personen, die an dieser Entziehung beteiligt waren (2. Spiegelstrich) und sogar die Personen, welche die Ware in Besitz gehabt
haben, obwohl sie im Zeitpunkt des Erhalts der Ware wußten oder billigerweise hätten wissen müssen, daß diese der zollamtlichen Überwachung entzogen war (3. Spiegelstrich).
Diese Regelung kann allerdings nicht auf die Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren übertragen werden. Sie legt nämlich nicht fest, wer als Entzieher anzusehen ist, sondern bestimmt lediglich, daß neben dem Entzieher weitere Personen, z. B. Gehilfen, Steuerhehler, weitere Zollschuldner werden. Eine solche Regelung enthält § 143 BranntwMonG nicht. Gegen eine Regelungslücke insoweit und eine analoge Anwendung von Art. 203 Abs. 3 ZK spricht, daß beide Vorschriften etwa zum selben Zeitpunkt (1992) Gesetz geworden sind, der Gesetzgeber jedoch unterschiedliche Regelungen getroffen hat. Allenfalls kann aus der Regelung des Art. 203 Abs. 3 ZK im Umkehrschluß geschlossen werden, daß bloße Gehilfen bei einer Entziehung nicht selbst als Entzieher anzusehen sind.
Wer als Täter einer Entziehung anzusehen ist, muß damit sowohl für § 143 BranntwMonG als auch für Art. 203 Abs. 3 ZK nach allgemeinen Grundsätzen bestimmt werden.
Nach der Rechtsprechung des BFH (zur Entziehung aus zollamtlicher Überwachung) ist Täter der Entziehungshandlung derjenige, der die Handlung selbst ausführt, wie auch derjenige, der die Handlung veranlaßt, d.h. die Tatherrschaft hat (vgl. BFHE 161, 266, 270; BFH ZfZ 2000, 419). Für die Bestimmung der Täterschaft einer vorsätzlich herbeigeführten Entziehung im Sinne von § 143 BranntwMonG sind damit die von der Rechtsprechung für die Mittäterschaft bei einer Straftat entwickelten Grundsätze (vgl. oben) entsprechend anzuwenden. Der Senat verkennt dabei nicht, daß es sich bei § 143 BranntwMonG um einen Steuerentstehungstatbestand und nicht um einen Straftatbestand handelt: Erst wenn feststeht, daß der Steuertatbestand erfüllt ist, ergeben sich im Sinne des § 370 AO strafrechtlich relevante steuerliche Verhaltenspflichten (die Pflicht zur Abgabe einer Steueranmeldung).
Die Haftungsnorm des § 143 Abs. 4 Satz 2 BrannwMonG hat aber zumindest für den Fall vorsätzlicher Entziehung einen deliktischen Charakter, was die Heranziehung der Grundsätze über die Mittäterschaft rechtfertigt.
Danach ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts, den Angeklagten Ha wegen seiner fast alleinigen Tatherrschaft über einen wesentlichen Teil des Geschehensablaufes innerhalb einer arbeitsteilig und konspirativ handelnden Schmuggelorganisation als Mittäter des gesamten Alkoholschmuggels (siehe oben) und damit auch als Entzieher des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren anzusehen, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dem steht nicht entgegen, daß der Alkohol bereits mit ausgetauschten Frachtpapieren in Hamburg angeliefert wurde, als der eigentliche Tatbeitrag des Angeklagten Ha erst einsetzte. Die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren war durch die bloße Auswechslung der Frachtpapiere noch nicht so weit abgeschlossen, daß eine Beteiligung des Angeklagten Ha an ihr nicht mehr möglich gewesen wäre und seine Handlungen damit nur noch dem Absatz (§ 374 AO) einer bereits dem Verfahren entzogenen Ware oder der Begünstigung (§ 257 StGB) anderer Personen hätten dienen können. Die Alkohollieferungen befanden sich bis zur Umladung durch die Angeklagten Ha und R noch in denselben Lkw, die in den ursprünglichen Versandpapieren als Transportmittel angegeben waren, und waren, bis sie in den Machtbereich der Angeklagten Ha und R gelangten, noch nicht zur Ruhe gekommen. Erst durch die Überprüfung der „neuen“ Frachtpapiere auf ihre Eignung zur Täuschung durch den Angeklagten Ha und die Umladung der Alkoholladungen in Bahncontainer wurde die Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren endgültig abgeschlossen.
(3) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Angeklagten damit als Mittäter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) angesehen. Er hat nach Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren als Steuerschuldner (§ 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG) in
bewußtem und gewolltem Zusammenwirken mit den anderen für den Austausch der Frachtpapiere verantwortlichen Mitgliedern der Organisation unterlassen , gemäß § 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG unverzüglich für die entzogenen Erzeugnisse eine Steueranmeldung abzugeben. Auf diese Weise konnte die Organisation den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Branntweinsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn absetzen.

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, die Beweise zu würdigen. Das Revisionsgericht kann die tatrichterliche Beweiswürdigung auf die Sachbeschwerde nur unter dem Gesichtspunkt würdigen, ob sie Rechtsfehler enthält. Dies ist dann der Fall, wenn die im Urteil mitgeteilten Überlegungen des Tatrichters in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder sie gegen Denkgesetze oder anerkannte Erfahrungssätze verstoßen (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2). Solches ist hier nicht gegeben.
aa) Das Landgericht hat sich auf ausreichender Tatsachengrundlage davon überzeugt, daß die in Hamburg umgeladenen Alkoholmengen mit dem bei der Firma G in Frankreich geladenen Alkohol identisch waren. Dieser Schluß ist möglich, zwingend braucht er nicht zu sein. Bei seiner Überzeugungbildung durfte das Landgericht der Tatsache, daß die Lastzüge während des Transportes nicht gewechselt wurden, hohes Gewicht beimessen (UA S. 23). Die Strafkammer hat hierbei die Möglichkeit nicht verkannt, daß eine Entladung des Alkohols und eine Beladung mit anderen Alkoholmengen durchaus möglich gewesen wäre, hat aber diese – eher fernliegende – Möglichkeit im Hinblick auf den erhöhten organisatorischen und finanziellen Aufwand, das höhere Entdeckungsrisiko und die mangelnde Eignung zur Verschleierung des Transportwegs bei Benutzung derselben Lastkraftwagen als unwahrscheinlich angesehen. Auch die festgestellte Differenz in der Grädigkeit des sichergestellten Alkohols von 0,3 % Vol. gegenüber den Herstellerangaben hat das Landgericht in seine Erwägungen einbezogen. Nach
vertretbarer Ansicht der insoweit sachverständig beratenen Strafkammer liegt die Abweichung im Rahmen der üblichen Toleranz, so daß von einer Meßdifferenz auszugehen ist.
bb) Die Erwägungen, aufgrund derer das Landgericht zur Überzeugung gelangt ist, daß der Austausch der Frachtpapiere noch nicht in Frankreich , sondern erst in Deutschland erfolgt ist, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken.
Auch hier hat das Landgericht die Möglichkeit eines Austauschs bereits in Frankreich oder in den Benelux-Staaten gesehen und erörtert (UA S. 25). Wenn das Landgericht diese Möglichkeit dann aber unter Hinweis darauf wieder verworfen hat, daß zum einen die tatsächlich gefahrene Route nach Hamburg von der zu dem in den Frachtpapieren angegebenen Zielort Frankfurt/Oder erst auf deutschem Hoheitsgebiet abzweigt, zum anderen die verwendeten Tarnpapiere ausschließlich auf deutsche Tarnversender und polnische Empfänger ausgestellt waren, die in Frankreich oder den BeneluxStaaten Argwohn erweckt und zu einem höheren Risiko geführt hätten, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Im Ergebnis ohne durchgreifenden Rechtsfehler hat sich das Landgericht auch davon überzeugt, daß der Angeklagte Ha zumindest billigend in Kauf genommen hat, daß durch die vorgenommene Abwicklung der Alkoholtransporte (auch) deutsche Verbrauchsteuer entstehen und durch die Nichtanmeldung hinterzogen werden könnte.
(1) Der Angeklagte Ha hat sich eingelassen, er habe nicht an die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere durch auf Chemikalien lautende Fälschungen gedacht (UA S. 16, 24). Er sei nur von einem Verstoß gegen polnische Zollformalitäten, die ihm egal gewesen seien, ausgegangen und habe nicht geglaubt, sich in Deutschland strafbar zu machen. Auch habe er nicht gewußt, daß der Alkohol bis Ham-
burg im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei. Der Pole, der ihn beauftragt habe und dessen Namen er nicht nennen wolle, habe ihm er- klärt, es sei Ware im Freiverkehr, nicht aus einem Steuerlager.
Das Landgericht konnte sich von einer positiven Kenntnis des Angeklagten , daß der Alkohol im Steueraussetzungsverfahren transportiert worden sei (UA S. 27), nicht überzeugen. Die Strafkammer sieht es jedoch als erwiesen an, daß der Angeklagte den Transport im Steueraussetzungsverfahren , die Entstehung von Verbrauchsteuern durch den Austausch der Frachtpapiere und – ohne dies ausdrücklich zu erwähnen – seine Pflicht, dann die Ware bei den Steuerbehörden anzumelden, zumindest billigend in Kauf genommen hat.
(2) Die Erwägungen, aufgrund derer sich das Landgericht von einem bedingten Tatvorsatz des Angeklagten Ha überzeugt hat, lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen.
Der Eintritt einer Steuerverkürzung ist Tatbestandsmerkmal des § 370 AO. Damit setzt auch die innere Tatseite der Steuerhinterziehung voraus, daß der Täter den angegriffenen Steueranspruch dem Grunde nach kennt und dessen Höhe zumindest für möglich hält (BGH wistra 1989, 263; 1990, 193, 194; 1995, 191; 1998, 225, 226). Einer genauen Kenntnis der steuerlichen Vorschriften bedarf es insoweit nicht (BGH wistra 1998, 225, 226).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, nicht ohne weiteres den Urteilsfeststellungen als unwiderlegbar zugrundezulegen. Vielmehr muß der Tatrichter auf der Grundlage des gesamten Beweisergebnisses entscheiden, ob diese Angaben geeignet sind, seine Überzeugungsbildung zu beeinflussen (BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Dies gilt im besonderen Maße bei der Behauptung eines dem Angeklagten günstigen inneren Vorgangs, ohne
daß objektivierbare Tatsachen, in denen die angebliche innere Einstellung einen erkennbaren Niederschlag gefunden hätte, deutlich würden (BGH wistra 1998, 225, 226; BGH, Urt. vom 7. September 1993 – 1 StR 325/93). Der Tatrichter muß allerdings die vorhandenen Beweise einer erschöpfenden Würdigung unterziehen und dabei auch äußere Umstände bei der Beurteilung der subjektiven Seite mit heranziehen (vgl. BGH StPO § 261 Einlassung

5).


Diese Grundsätze hat das Landgericht beachtet. Wenn es mangels konkreterer Anhaltspunkte im wesentlichen auf die Umstände der Beauftragung des Angeklagten in Verbindung mit seinen langjährigen beruflichen Erfahrungen als selbständiger Vollkaufmann im Exportgeschäft mit den dort bestehenden Regeln und Usancen abstellt und deshalb die Einlassung des Angeklagten für widerlegt hält, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht durfte dabei auch den naheliegenden Schluß ziehen, daß der von dem Angeklagten angegebene Zweck seines Tuns, der Verkauf des Alkohols auf dem polnischen Schwarzmarkt mit Gewinn, wegen der hohen Verbrauchsteuern mit in der Europäischen Union versteuertem Alkohol nicht zu erreichen gewesen wäre.
(3) Ein durchgreifender Rechtsfehler ergibt sich auch nicht aus der Erwägung des Landgerichts, daß die Angeklagten selbst dann vorsätzlich gehandelt hätten, wenn sie zu Unrecht davon ausgegangen sein sollten, der Austausch fände in Frankreich statt (UA S. 29).
Das Landgericht ist der Ansicht, daß in diesem Fall eine Verkürzung französischer Steuern vorliege; eine wesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf sei dennoch nicht gegeben, weil es sich bei der tatsächlich verkürzten deutschen Branntweinsteuer um eine harmonisierte Verbrauchsteuer handele, die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft in gleicher Weise erhoben werde. Die Verkürzung der einem anderen Mitgliedstaat zustehenden Verbrauchsteuer sei gemäß
§ 370 Abs. 6 Satz 2 AO auch in Deutschland strafbar. Daß eine Verfolgung in Deutschland mangels der hierfür nach § 370 Abs. 6 Sätze 3 und 4 AO erforderlichen Rechtsverordnung und des daraus resultierenden Verfahrenshindernisses derzeit ausgeschlossen ist, sei für den Vorsatz unerheblich.
Diese Erwägung gefährdet den Schuldspruch nicht, da sie sich lediglich mit den Auswirkungen eines vom Gericht letztlich nicht auszuschließenden Irrtums über einen Umstand befaßt, der kein Merkmal betrifft, das zum gesetzlichen Tatbestand gehört.
Maßgebliches subjektives Tatbestandsmerkmal des § 370 AO ist der Vorsatz, Steuern zu hinterziehen. Durch seine mittäterschaftliche Beteiligung am gesamten den Alkoholschmuggel von Frankreich nach Polen betreffenden Gesamtgeschehen ist der Angeklagte aber unabhängig davon, ob der Austausch der Frachtpapiere in Deutschland oder in Frankreich erfolgt ist, Steuerschuldner deutscher Branntweinsteuer geworden.
Ist der Austausch der Frachtdokumente – wie vom Landgericht festgestellt – erst in Deutschland erfolgt, ist der Angeklagte gemäß § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG Steuerschuldner der entstandenen Branntweinsteuer geworden.
Wäre der Austausch aber bereits in Frankreich vorgenommen worden, dann wäre ebenfalls deutsche Branntweinsteuer entstanden und der Angeklagte insoweit Steuerschuldner geworden. Zwar wäre durch eine Entziehung des Alkohols aus dem Steueraussetzungsverfahren in Frankreich zunächst französische Branntweinsteuer angefallen, die der Angeklagte hätte anmelden müssen. Zusätzlich wäre aber durch Weiterbeförderung des Alkohols nach Deutschland gemäß § 144 Abs. 2 BranntwMonG auch noch deutsche Branntweinsteuer entstanden, die der Angeklagte ebenfalls hätte anmelden und abführen müssen. Nach dieser Vorschrift entsteht die Verbrauchsteuer nämlich auch dadurch, daß Erzeugnisse erstmals im Steuergebiet zu ge-
werblichen Zwecken in Besitz gehalten oder verwendet werden, nachdem sie aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in das Steuergebiet Deutsch- lands verbracht worden sind. Dieser Fall läge hier dann vor, weil der Alkohol nach Austausch der Frachtpapiere in Frankreich und der Entziehung aus dem Steueraussetzungsverfahren bereits in Frankreich in den freien Verkehr gelangt wäre. Indem der Angeklagte den Alkohol in Hamburg umladen ließ, um ihn nach Polen zur Veräußerung auf dem Schwarzmarkt weiterzuversenden , hat er den Alkohol nach dem Verbringen nach Deutschland erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten. Die Pflicht, unverzüglich eine Steueranmeldung abzugeben, ergibt sich in diesem Fall aus § 144 Abs. 4 Satz 1 BranntwMonG. Die entstandene französische Verbrauchsteuer würde dann wieder erlassen werden (vgl. § 148 BranntwMonG als entsprechende Regelung im deutschen Verbrauchsteuerrecht).
In jedem Fall ist damit – unabhängig vom Ort des Austauschs der Frachtpapiere – durch das Verhalten des Angeklagten im Zusammenhang mit der Entfernung der begleitenden Verwaltungsdokumente und der Umladung des Alkohols in Bahncontainer deutsche Branntweinsteuer entstanden.
Der Ort des Austauschs der Frachtpapiere hätte für den Vorsatz, deutsche Steuern zu hinterziehen nur dann Bedeutung gehabt, wenn der Angeklagte der Ansicht gewesen wäre, er würde nur französische aber keine deutschen Verbrauchsteuern hinterziehen. Dafür bestehen aber keine Anhaltspunkte. Nicht einmal der Angeklagte selbst hat dies behauptet, sondern angegeben, überhaupt nicht an das Entstehen von Verbrauchsteuern gedacht zu haben. Dies hat das Landgericht mit tragfähigen Erwägungen widerlegt und hinreichend deutlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß der Angeklagte aus Gewinnstreben (UA S. 27) billigend in Kauf genommen hat, (auch) deutsche Verbrauchsteuer zu hinterziehen, damit das Gesamtunternehmen der Schmuggelorganisation erfolgreich durchgeführt werden kann.
2. Revision des Angeklagten R

a) Die Verfahrensrügen entsprechen weitgehend nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und sind daher unzulässig. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
Mit Recht rügt die Revision, daß das Landgericht den Inhalt einer verlesenen Urkunde im Urteil unrichtig gewürdigt und damit gegen die Vorschrift des § 261 StPO verstoßen hat (vgl. BGH NStZ 1997, 294). Das Landgericht ist im Urteil davon ausgegangen, daß auch im Fall des verlesenen Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth der Alkoholschmuggel über die deutschpolnische Grenze erfolgt sei (UA S. 25), obwohl es sich dort um die deutschtschechische Grenze handelte.
Auf diesem Fehler beruht das Urteil indes nicht, weil das Landgericht den Inhalt des verlesenen Urteils nicht zu Beweiszwecken verwertet, sondern mit dem Hinweis auf die Erkenntnisse aus anderen Strafverfahren lediglich das bereits getroffene Beweisergebnis bestätigt hat. Im übrigen ist nicht ersichtlich , weshalb im Hinblick auf das vorliegende Verfahren den Abläufen bei einem Alkoholschmuggel nach Tschechien ein minderer Indizwert als bei einem solchen nach Polen zukommen soll. In beiden Fällen geht es um ein „Durchschmuggeln“ durch die Bundesrepublik Deutschland.

b) Die getroffenen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten R wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung. Die Ausführungen zu diesen Taten beim Angeklagten Ha gelten für den Angeklagten R entsprechend.
Das Landgericht hat auch den Angeklagten R als Mittäter angesehen und nicht nur als Gehilfen des Angeklagten Ha . Diese aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände vorgenommene – und nur einge-
schränkt überprüfbare (vgl. BGH NJW 1997, 3385, 3387) – Wertung bei der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Zwar wurde der Angeklagte R erst von dem Mitangeklagten Ha zur gemeinsamen Abwicklung der in dessen Aufgabenbereich fallenden Umladung der Alkoholtransporte in Hamburg gewonnen und nahm innerhalb der Schmuggelorganisation eine deutlich niedrigere Stellung als der Angeklagte Ha ein. Auch lag die Entlohnung des Angeklagten R für seine Mitwirkung nicht unerheblich unter der der Mitangeklagten Ha und T . Trotzdem durfte das Landgericht entscheidend auf die dennoch bestehende erhebliche Tatherrschaft des Angeklagten R über bedeutsame Teile des gesamten Tatgeschehens abstellen und ihn deshalb als Mittäter ansehen. Die Umladung der Alkoholladungen in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe fand auf dem Gelände der Lagerei Sch und unter Kontrolle des Angeklagten R statt, der Geschäftsführer dieser Firma war. Des weiteren hatte er eigenverantwortlich den Kontakt zur Firma I hergestellt und aufrechterhalten, welche zu Verschleierungszwecken mit der Umladung beauftragt worden war. Nur über den Angeklagten R , der insoweit eine Schlüsselstellung innehatte, war es auch dem Angeklagten Ha möglich, die Containernummern zu erfragen , welche die Hintermänner in Polen unbedingt benötigten, um die Container mit dem Alkohol in Empfang nehmen zu können.

c) Die Beweiswürdigung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern; es gilt das zum Angeklagten Ha Gesagte entsprechend. Der Angeklagte R hat sich darauf berufen, daß er ausschließlich daran gedacht habe, daß ein polnisches Einfuhrverbot umgangen werden sollte. Er sei zu einer Mitarbeit nur unter der Bedingung bereit gewesen, daß versteuerter Alkohol umgeladen werde (UA S. 17). Insbesondere im Hinblick auf die ebenfalls langjährige Erfahrung des Angeklagten im Exportgeschäft als Geschäftsfüh-
rer einer Lagerei im Hamburger Hafen brauchte das Landgericht diese Einlassung nicht zu glauben.
3. Revision des Angeklagten T

a) Die erhobenen Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
aa) Die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin (§ 338 Nr. 4 StPO) ist unbegründet. Hinsichtlich des Angeklagten T war der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Nach § 13 StPO ist ein Gerichtsstand bei jedem Gericht begründet, das auch nur für eine der dem Angeklagten zur Last gelegten, gemäß § 3 StPO zusammenhängenden Straftaten örtlich zuständig ist (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Dabei liegt ein sachlicher Zusammenhang bei einer strafbaren, in dieselbe Richtung zielenden Mitwirkung an einer Tat im Sinne des § 264 Abs. 1 StPO vor (BGHSt 38, 376, 379). Bei der Prüfung des Zusammenhangs kommt es auf die tatsächliche Annahme an, die den Anschuldigungen bei Erhebung der Anklage und bei Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, und nicht auf die Feststellungen, die als Ergebnis des durchgeführten Hauptverfahrens getroffen worden sind (vgl. BGHSt 18, 238, 239; BGHR aaO).
Zum hierbei maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens vor dem Landgericht (vgl. BGHSt 18, 238, 239) bestand für die Fälle 3 bis 17 der Anklage wegen des Vorwurfes gemeinschaftlichen Handelns ein sachlicher Zusammenhang mit den den Angeklagten Ha und R zur Last liegenden Taten. Im Fall 2 der Anklage bestand wiederum ein sachlicher Zusammenhang der Taten der der Mittäterschaft beschuldigten Angeklagten Ha , R und Du . Da der frühere Mitangeklagte Du seinen Wohnsitz in Berlin hatte und damit für ihn der Gerichtsstand des Wohnsitzes
gegeben war (§ 8 Abs. 1 StPO), war für sämtliche dem Angeklagten T zur Last liegenden Taten der Gerichtsstand des Zusammenhangs (§§ 3, 13 StPO) gegeben.
Die Tatsache, daß das Verfahren gegen den Angeklagten Du später abgetrennt wurde, läßt die Zuständigkeit des Landgerichts Berlin nicht wieder entfallen (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Zuständigkeit 1). Eine Zuständigkeit, die durch die Verbindung zusammenhängender Strafsachen geschaffen worden ist, bleibt auch dann bestehen, wenn der Grund der Verbindung nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegfällt (BGHSt 16, 391, 393).
Der Angeklagte T kann im Revisionsverfahren nicht damit gehört werden, daß hinsichtlich des Falles 2 bei Eröffnung des Verfahrens kein hinreichender Tatverdacht bestanden habe. Soweit das Kammergericht das Verfahren eröffnet hat, ist dies nicht anfechtbar (§ 210 Abs. 1 StPO). Anhaltspunkte dafür, daß bei der Anklageerhebung ein willkürlich erhobener Tatvorwurf dazu benutzt werden sollte, einen Gerichtsstand des Zusammenhangs zu begründen, sind nicht ersichtlich.
bb) Die gegen die Ablehnung der vier am 1. Juni 2001 gestellten Hilfsbeweisanträge erhobenen Verfahrensrügen greifen ebenfalls nicht durch. Die vom Landgericht zur Begründung der Ablehnung dieser Anträge auf Vernehmung von Zeugen dargelegten Erwägungen können aus Rechtsgründen nicht beanstandet werden. Mit ihrem Versuch, Wertungen des Tatrichters durch eigene zu ersetzen, zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf.
cc) Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet. Das Landgericht hat den Angeklagten T und seinen Verteidiger durch Beschluß für die Hauptverhandlungstermine am 9. und 13. Februar 2001 beurlaubt. Der Verteidiger des Angeklagten blieb daraufhin an diesen Tagen von der Hauptverhandlung fern. Die Beurlaubung war gesetzlich nur zulässig, wenn und soweit der Angeklagte von der Hauptverhandlung an
diesen Verhandlungstagen „nicht betroffen“ war (§ 231c Satz 1 StPO). An die Grenzen, die ihm durch diese Voraussetzung gezogen waren, hat sich das Landgericht gehalten. Es ging am 9. Februar 2001 nicht um einen für den Beschwerdeführer wesentlichen Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGHR StPO § 338 Nr. 5 Angeklagter 17; BGH, Beschl. vom 24. Januar 1995 – 1 StR 744/94 m. w. N.). Dies gilt auch für den 13. Februar 2001, an welchem allein die strafrechtlichen Vorbelastungen eines Mitangeklagten behandelt wurden. Da mithin die Anwesenheit des Angeklagten an den genannten Verhandlungstagen nicht geboten war, kommt es nicht darauf an, daß er an diesen Tagen nicht verteidigt war.
dd) Die Rüge der Verletzung des § 229 StPO greift ebenfalls nicht durch. Die Freistellung des Angeklagten und seines Verteidigers nach § 231c StPO von der im übrigen fortgeführten Hauptverhandlung stellt keine Unterbrechung der Hauptverhandlung im Sinne von § 229 StPO dar; dessen zeitliche Beschränkungen gelten für die Beurlaubung nach § 231c StPO nicht (vgl. Tolksdorf in KK 4. Aufl. § 231c Rdn. 15; Gollwitzer in Löwe/Rosenberg 25. Aufl. § 231c Rdn. 18).
ee) Im übrigen sind die Formalrügen nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form erhoben und damit unzulässig.

b) Die Urteilsfeststellungen tragen auch bei dem Angeklagten T den Schuldspruch wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Daß das Landgericht ihn nicht zugleich wegen jeweils tateinheitlich begangener Urkundenfälschung verurteilt hat, beschwert den Angeklagten nicht.
aa) Obwohl der Angeklagte zu einem großen Teil im Ausland gehandelt hat, sind die Taten im Inland begangen worden (vgl. § 3 StGB), weil die Steueranmeldungen für den dem Steueraussetzungsverfahren entzogenen Alkohol in Deutschland vorzunehmen gewesen wären (§ 9 Abs. 1 StGB).
bb) Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht auch den Angeklagten T als Mittäter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen angese- hen, weil es für das Gelingen des gemeinsamen Tatplans, den Alkohol ohne Belastung mit deutscher Verbrauchsteuer auf dem polnischen Schwarzmarkt abzusetzen, erforderlich war, daß keiner der an dem „Alkoholschmuggel“ beteiligten Personen eine Steueranmeldung abgab.
Der Angeklagte konnte Täter der Steuerhinterziehung durch Unterlassen sein (vgl. hierzu BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 1), weil er zur Abgabe einer Steueranmeldung selbst verpflichtet war (§ 143 Abs. 4 Satz 3 BranntwMonG).
Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen dazu getroffen, daß der Angeklagte T an der Entziehung des Alkohols aus dem innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren unmittelbar persönlich mitgewirkt hat. Das Landgericht durfte aber die auf einem gemeinsamen Tatplan beruhenden Handlungen der anderen Mitglieder der Schmuggelorganisation während der Alkoholtransporte dem Angeklagten wie eigenes Handeln zurechnen und ihn selbst als „Entzieher“ im Sinne von § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG behandeln. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen , daß das Landgericht in wertender Betrachtung zu dem Ergebnis gelangt ist, seine Handlungen nicht als bloße Förderung fremden Tuns, sondern als Teil der Tätigkeit aller anzusehen, und dementsprechend die Handlungen der anderen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils zu bewerten (vgl. BGHR StGB § 25 Abs. 2 Tatinteresse 2). Der Angeklagte, der für seine Tatbeteiligung wie der Angeklagte Ha pro Transport einen Betrag von 3.000 DM erhielt, hatte maßgeblichen Einfluß auf die Durchführung der Alkoholtransporte , die ohne ihn in der durchgeführten Weise nicht hätten stattfinden können. Es fiel innerhalb der Schmuggelorganisation in seinen alleinigen Zuständigkeitsbereich, geeignete Lieferanten für entsprechende Alkoholmengen ausfindig zu machen, den Einkauf vorzunehmen einschließlich der Preisverhandlungen und schließlich durch eigenhändige Sicherstellung der
Bezahlung den Zeitpunkt der Alkoholtransporte mitzubestimmen. Die Tatsa- che, daß er damit bezüglich des späteren Entziehens nur eine Vorbereitungshandlung vorgenommen hat, steht der Annahme von Mittäterschaft nicht entgegen (vgl. BGHSt 40, 299, 301).

c) Die Beweiswürdigung hält ebenfalls rechtlicher Nachprüfung stand.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe aus Gefälligkeit für seinen Bruder P T , der in Polen ein In- und Exportgeschäft für Feinsprit betrieben habe, neue Lieferanten gesucht. Dabei sei er davon ausgegangen , daß der Alkohol nicht für Polen bestimmt sei, ohne aber zu wissen für wen. Um den Transport selbst habe er sich nicht gekümmert; das Steueraussetzungsverfahren und die Bedeutung der begleitenden Verwaltungsdokumente seien ihm unbekannt gewesen. Einen falschen Paß auf den Namen F habe er auf Vorschlag seines Bruders nur deswegen verwendet, damit es keine Schwierigkeiten mit den alten Lieferanten gebe (UA S. 17 f.).
Das Landgericht war nicht gehalten, diese entlastenden Angaben des Angeklagten, für die es keinerlei Beweise gibt, den Urteilsfeststellungen ohne weiteres als unwiderlegbar zugrundezulegen (vgl. BGHSt 34, 29, 34; BGH wistra 1998, 225, 226). Ohne Rechtsfehler hat es in einer erschöpfenden Würdigung der vorhandenen Beweise die Einlassung des Angeklagten T für widerlegt angesehen und seinen Tatvorsatz bejaht. Hierbei durfte sich das Landgericht hinsichtlich seiner Kenntnisse über das Steueraussetzungsverfahren insbesondere auf die Angaben der im internationalen Handel mit Alkohol tätigen Zeugen W , Ri und M stützen, die übereinstimmend angegeben haben, den Angeklagten für einen im Handel mit Feinsprit erfahrenen Geschäftsmann gehalten zu haben (UA S. 25). Ergänzend konnte es die Angaben des Zeugen P heranziehen, daß der Angeklagte T bei Alkoholgeschäften mit ihm die begleitenden Verwaltungsdokumente jeweils selbst zurückgebracht habe und – unter Berufung auf den für das vorliegende Verfahren nicht zur Verfügung stehenden Zeugen K – die
zollrechtliche Abwicklung am Grenzzollamt Frankfurt/Oder selbst vorgenommen habe (UA S. 26). Hinzu kommt sein konspiratives Auftreten unter fal- schem Namen und sein Kontakt zur Tarn-Empfängerfirma „V “ in der Ukraine.

III.


Die angefochtenen Urteile können jedoch bei allen Angeklagten zum Strafausspruch keinen Bestand haben.
1. Allerdings ist die Strafzumessung grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn ein Rechtsfehler vorliegt, z. B. weil der Tatrichter rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht läßt oder weil sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (st. Rspr., vgl. nur BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349). Eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist hingegen ausgeschlossen (BGH aaO).
2. Es stellt keinen Rechtsfehler dar, daß das Landgericht die Höhe der jeweils hinterzogenen Branntweinsteuer strafschärfend berücksichtigt hat. Durch die Taten der Angeklagten sind trotz der letztlich erfolgten Ausfuhr tatsächlich und nicht nur theoretisch Verbrauchsteuern verkürzt worden.
Sind aber verkürzte Steuerforderungen des deutschen Steuerfiskus nur aus formalen Gründen entstanden, ist dies bei der Strafzumessung im Hinblick auf die verschuldeten Auswirkungen der Tat (§ 46 Abs. 2 Satz 2 StGB) in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung zu berücksichtigen (vgl. BGH StV 2000, 497). Im europäischen Verbrauchsteuersystem soll grundsätzlich nur der Verbrauch von Waren im Steuergebiet der Europäischen Gemeinschaft besteuert werden; Ausfuhren sind daher regelmäßig steuerbefreit (§ 142 BranntwMonG). Somit war hier erheblich zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, daß keine Branntweinsteuer angefallen wäre, wenn der
Alkohol nicht heimlich und falsch deklariert, sondern ordnungsgemäß in dem dafür vorgesehenen innergemeinschaftlichen Versandverfahren unter Steueraussetzung (§ 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; § 142 BranntwMonG) ausgeführt worden wäre. Die Erhebung der Branntweinsteuer kommt in einem solchen Fall einer systemwidrigen Sanktion gleich, weil die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf des Steuergebiets eingegangen sind (vgl. BFH DStRE 2002, 54, 56).
Diese Umstände sowie die Tatsache, daß der Alkohol zu keinem Zeitpunkt im Verbrauchsteuergebiet in den wirtschaftlichen Verkehr gelangt ist, hat das Landgericht ausdrücklich zugunsten der Angeklagten berücksichtigt. Es hat auch gerade mit Hinweis darauf, daß dem Steuerfiskus im Vergleich mit der vorgesehenen Ausfuhr im innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahren kein wirtschaftlicher Nachteil eingetreten ist (vgl. auch BGH wistra 2001, 216, 217), trotz der hohen Hinterziehungsbeträge einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO verneint.
3. Das Landgericht hat jedoch einen wesentlichen Strafzumessungsgrund nicht erörtert, der sich zugunsten der Angeklagten auswirken könnte:
Die Angeklagten sind „Entzieher“ im Sinne des § 143 Abs. 4 Satz 2 BranntwMonG und damit Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen, weil sie als „weitere“ Steuerschuldner selbst eine Steueranmeldung abzugeben hatten. Damit haften sie persönlich gemäß § 71 AO als Gesamtschuldner mit anderen – zum Großteil im Ausland befindlichen – Steuerschuldnern für die gesamte entstandene Branntweinsteuer in Höhe von mehr als 7,7 Mio. DM und müssen auch mit ihrer Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung rechnen. Das Landgericht hätte den Umstand dieser Haftung vor dem Hintergrund nicht unerörtert lassen dürfen, daß die Angeklagten im Gesamtgeschehen nur eine untergeordnete Rolle spielten und an dem wirtschaftlichen Erfolg der Taten nur im geringen Umfang beteiligt waren. Bei
ihnen handelte es sich nach den Urteilsfeststellungen nicht um die führenden Mitglieder der Schmuggelorganisation; sie wurden entsprechend ihrer Rolle in der Organisation am Taterfolg nur mit einer geringen Entlohnung von wenigen tausend DM beteiligt. Die Angeklagten wurden daher durch die steuerliche Haftung für die gesamte entstehende Verbrauchsteuer erheblich stärker belastet, als es ihrer Rolle im Tatgeschehen und ihrer wirtschaftlichen Beteiligung am Taterfolg entsprach. Der Senat kann nicht ausschließen, daß unter Bedacht auf diesen gewichtigen Gesichtspunkt eine den Angeklagten günstigere Sanktion verhängt worden wäre. Dies führt zur Aufhebung des gegen die Angeklagten jeweils verhängten gesamten Strafausspruchs.
Harms Häger Gerhardt Raum Schaal
5 StR 461/06

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 14. März 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
14. März 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Häger,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Jäger
alsbeisitzendeRichter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof ,
Richterin
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
alsVerteidigerdesAngeklagtenY. C. ,
Rechtsanwalt A.
alsVerteidigerdesAngeklagten C. C. ,
Rechtsanwalt B.
alsVerteidigerdes Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt Se.
alsVerteidigerdesA ngeklagten G. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Mai 2006 werden verworfen. Jedoch werden die Schuldsprüche teilweise geändert und wie folgt neu gefasst :
a) Der Angeklagte Y. C. ist schuldig der Steuerhinterziehung in vier Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in zehn Fällen.

b) Der Angeklagte C. C. ist schuldig der Steuerhinterziehung in drei Fällen sowie des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in zehn Fällen.

c) Der Angeklagte S. ist schuldig des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels in sechs Fällen.

d) Der Angeklagte G. ist schuldig der Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel.
2. Jeder Angeklagte hat die Kosten seines Rechtmittels zu tragen. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten durch diese Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten Y. C. wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Schmuggels in drei Fällen, gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in neun Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zehn Monaten verurteilt , den Angeklagten C. C. wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen, gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in neun Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren. Gegen den Angeklagten S. hat es wegen gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in vier Fällen sowie versuchten gemeinschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Schmuggels in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verhängt, gegen den Angeklagten G. wegen Beihilfe zum gemeinschaftlichen bandenmäßigen Schmuggel in neun tateinheitlichen Fällen, hiervon zum versuchten gemeinschaftlichen bandenmäßigen Schmuggel in zwei tateinheitlichen Fällen, eine Freiheitsstrafe von drei Jahren.
2
Gegen das Urteil wenden sich, jeweils mit dem Rechtsmittel der Revision , sowohl die Angeklagten als auch zu deren Ungunsten die Staatsanwaltschaft. Alle Angeklagten rügen die Verletzung materiellen Rechts. Von den Angeklagten Y. C. und C. C. wird zudem das Verfahren beanstandet. Die Staatsanwaltschaft hat die von ihr ausschließlich erhobene Sachrüge auf einzelne Beschwerdepunkte beschränkt. Infolge der Herausnahme der gewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung (§ 370a AO) aus den von der Verfolgung erfassten Gesetzesverletzungen (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 370a AO BGH wistra 2005, 30, 31 f.; NJW 2004, 2990, 2991 f.) durch Beschluss gemäß § 154a Abs. 2 StPO erstrecken sich die Revisionen der Staatsanwalt- schaft – außer hinsichtlich des Angeklagten G. – nur noch auf die Strafaussprüche.
3
Sämtliche Rechtsmittel bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Lediglich die Schuldsprüche sind, wie aus dem Tenor ersichtlich, teilweise abzuändern und neu zu fassen.
4
I. Urteil des Landgerichts
5
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt:
6
Der Angeklagte Y. C. beschloss im Jahr 2003 nach Absprache mit unbekannt gebliebenen Hinterleuten, wiederholt unter Tarnladungen versteckte unverzollte und unversteuerte Zigaretten über Deutschland nach Großbritannien zu transportieren. Der Einkauf der Zigaretten und deren Verkauf in England wurden von den Hinterleuten organisiert. Diese übernahmen auch die Einfuhr der aus der Türkei stammenden Zigaretten auf dem Landweg in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft und gestellten die Zigaretten plangemäß nicht. Insgesamt wurden bis März 2004 in vier Fällen (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe) Ladungen von 256.000, 437.400, 600.000 und 2,4 Mio. unverzollter Zigaretten in die Europäische Gemeinschaft eingeführt.
7
Nachdem der Angeklagte Y. C. von dem Eintreffen der jeweiligen Lieferung informiert worden war, ließ er die Zigarettenladungen in Belgien (Fall 1) bzw. Österreich (Fall 2) übernehmen und mit Lkw in ein Lager in Kranzberg (Bayern) befördern. Dort ließ er die Zigaretten umverpacken und auf anderen Lkw – unter Nudeln oder anderen Lebensmitteln als Tarnware versteckt – nach England bringen. In den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe wurden die Zigaretten von den Hinterleuten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland gebracht und dort von dem Angeklagten Y.
C. übernommen. Weder beim Grenzübertritt nach Deutschland noch zu einem späteren Zeitpunkt wurden für die Zigaretten, die nicht mit einem deutschen Tabaksteuerzeichen (Banderole) versehen waren, Steuererklärungen abgegeben. Hierdurch wurde deutsche Tabaksteuer in Höhe von insgesamt rund 400.000 Euro hinterzogen.
8
Ab Fall 2 der Urteilsgründe wurde Y. C. von seinem Bruder, dem Angeklagten C. C. , unterstützt, der die Zigarettentransporte zum Teil selbst begleitete, die Zollformalitäten hinsichtlich der Tarnware erledigte und am Umpacken der Ware beteiligt war. Spätestens unmittelbar vor dem Ende März 2004 durchgeführten vierten Zigarettentransport schloss sich der anderweitig verfolgte G. Se. mit den Angeklagten Y. und C. C. mit dem Ziel zusammen, in der Zukunft gemeinsam arbeitsteilig Zigarettenschmuggel in der beschriebenen Weise zu betreiben. Y. C. übernahm die Stellung des „Chefs“, dessen Anweisungen die anderen Folge zu leisten hatten. Er hielt die Kontakte zu den Lieferanten und den Abnehmern der Zigaretten und handelte die Konditionen zur Durchführung der Transporte, insbesondere die Bezahlung, aus. Später stießen zu unterschiedlichen Zeitpunkten die anderweitig Verfolgten D. A. und O. Se. sowie die Angeklagten G. (zwischen Ostern und Juni 2004) und S. (Oktober 2004) zu der Gruppe hinzu und wirkten entsprechend ihrer beim Beitritt getroffenen Absprache, zukünftig gemeinsam Zigaretten zu schmuggeln, an den Transporten mit. C. C. übernahm die konkrete Organisation der Transporte von Deutschland nach England, beispielsweise die Beauftragung von Speditionsunternehmen. Auch er war gegenüber G. und O. Se. weisungsbefugt, die das Abladen, Lagern, Umpacken und Aufladen der Ware übernahmen. Y. und C. C. entschieden gemeinsam, wieviel Geld jedes Bandenmitglied erhielt. Bis auf den Angeklagten G. handelten alle Beteiligten in der Absicht, sich selbst aus den Taten auf Dauer eine nicht unerhebliche Einnahmequelle zu verschaffen.
9
Mitte des Jahres 2004 vereinbarte der Angeklagte Y. C. mit den Hinterleuten, künftig die Lieferungen nicht mehr über den Landweg aus der Türkei durchzuführen, sondern die Zigaretten in Seecontainern aus Asien per Schiff über die Freihäfen Hamburg und Bremerhaven in die Bundesrepublik Deutschland einzuschmuggeln. Gemäß dem Tatplan wurden im Zeitraum von Juli 2004 bis März 2005 acht aus China und Malaysia stammende Lieferungen von jeweils 3,8 Mio. (Fälle 5 bis 7 und 9 bis 12 der Urteilsgründe), einmal von 7,6 Mio. Zigaretten (Fall 8 der Urteilsgründe) – versteckt unter Tarnware – über den Freihafen Hamburg abgewickelt. Mit der Zollanmeldung wurden jeweils gutgläubige Spediteure beauftragt, die – getäuscht über den wahren Inhalt der Container – gegenüber den Zollbehörden nur die Tarnware (Schnellkochnudeln, Pilze bzw. Kabelschächte) gestellten und anmeldeten. Die Zigaretten wurden anschließend in den Lagern der Gruppierung umgepackt und unter Tarnwaren mittels Lkw nach England weitertransportiert. Insgesamt wurden Einfuhrabgaben (Zoll, deutsche Tabaksteuer und deutsche Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von 4,67 Mio. Euro verkürzt.
10
Nach am 5. Oktober 2004 bei den Angeklagten Y. und C. C. durchgeführten Durchsuchungen vereinbarten die Gruppenmitglieder, dass diese beiden Angeklagten bei der Abwicklung der Transporte nach außen nicht mehr in Erscheinung treten sollten. Deshalb weihte der Angeklagte C. C. noch im Oktober 2004 den Angeklagten S. in den gesamten Organisationsablauf ein und bat ihn, künftig seine Stellung innerhalb der Gruppierung, insbesondere die Organisation der Zollabfertigung, der Transporte von Hamburg in ein Lager in Freising sowie der Weitertransporte nach England zu übernehmen. Der Angeklagte S. , der für jeden transportierten Container 10.000 Euro erhalten sollte, erklärte sich aufgrund seiner schwierigen finanziellen Lage dazu bereit. Tatsächlich wurden ihm insgesamt lediglich 8.000 Euro ausgezahlt. Die von Deutschland aus agierende Gruppierung bestand nun aus Y. und C. C. , S. , G. , O. und G. Se. sowie D. A. .
11
Im Mai 2005 führte die Gruppierung in derselben Weise noch zwei weitere, aus Malaysia stammende Zigarettentransporte (Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe) durch, bei denen unter Nudeln bzw. Kabelschächten als Tarnwaren in Schiffscontainern versteckte Zigaretten auf dem Seeweg über den Freihafen Bremerhaven in die Europäische Gemeinschaft eingeschmuggelt wurden. Die Zollanmeldungen enthielten keine Angaben zu den eingeführten Zigaretten. Infolgedessen wurden bei der Zollabfertigung lediglich die Einfuhrabgaben für die Tarnwaren festgesetzt. Aufgrund einer jeweils nach Erledigung der Zollformalitäten vom Hauptzollamt Bremen angeordneten Zollbeschau wurden die Zigaretten jedoch in beiden Fällen noch entdeckt und beschlagnahmt, bevor sie von den Angeklagten abtransportiert werden konnten.
12
Der Angeklagte G. , der im Unterschied zu den anderen Angeklagten nicht an den Verkaufserlösen beteiligt werden sollte, unterstützte die Tätigkeit der Gruppe ab Juli 2004 mit verschiedenen Tatbeiträgen. So sagte er den Angeklagten Y. und C. C. zu, ihnen beim Absatz der als Tarnware verwendeten Pilze und Nudeln zu helfen. Im August 2004 reiste G. mit Y. C. nach China, um dort Kontakt mit den Lieferanten der Zigaretten und der Tarnwaren aufzunehmen. Danach übersetzte er mehrere gemeinsam mit dem Angeklagten Y. C. an dessen Computer verfasste E-Mails, die Zigarettentransporte betrafen, in die englische Sprache und stellte seine Mobiltelefonnummer für Rückfragen zur Verfügung. Im November 2004 holte der Angeklagte G. über 20.000 englische Pfund von einem Abnehmer der Zigaretten in England ab und übergab das Geld in Deutschland nach Abzug der ihm für die Chinareise entstandenen Auslagen dem Angeklagten Y. C. . Im Februar und März 2005 versuchte er bei Problemen mit dem Absatz der Zigaretten mehrfach telefonisch , mit Abnehmern in London in Kontakt zu treten, da weder Y. noch C. C. englische Sprachkenntnisse hatten. Anschließend wirkte er in London an der Erkundung und Anmietung einer geeigneten Lagerhalle mit, die das Aufgriffsrisiko bei den Transporten verringern sollte. In diesem Zu- sammenhang übergab der Angeklagte G. dem anderweitig verfolgten D. A. 3.500 britische Pfund sowie Unterlagen für die Anmietung des Lagers und reichte weitere 16.500 Pfund an den Angeklagten C. C. weiter, die er in London im Zusammenhang mit diesen Geschäften in einer Plastiktüte erhalten hatte. Er nahm hierbei billigend in Kauf, dass diese Beträge aus dem Verkauf von geschmuggelten Zigaretten stammten.
13
2. Das Landgericht hat seine Überzeugung vom festgestellten Sachverhalt im Wesentlichen auf weitgehende Teilgeständnisse der Angeklagten Y. und C. C. sowie S. und auf die Angaben von als Zeugen vernommenen weiteren Tatbeteiligten gestützt. Vom Vorsatz des Angeklagten G. , der den objektiven Sachverhalt eingeräumt hatte, hat sich das Landgericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände einschließlich der vom Angeklagten G. verfassten E-Mails und des Inhalts der von ihm geführten Telefonate überzeugt.
14
3. Das Landgericht hat die Angeklagten Y. und C. C. sowie S. für jeden Zigarettentransport, an dem sie beteiligt waren, wegen einer selbständigen Tat (§ 53 StGB) des gewerbsmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1 AO), ab Fall 4 der Urteilsgründe des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO) verurteilt. In den Fällen, in denen die Zigaretten über einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften nach Deutschland verbracht wurden (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe ), hat die Strafkammer als Steuerschaden lediglich die deutsche Tabaksteuer berücksichtigt. Soweit die eingeführten Zigaretten nach Durchführung einer vom Hauptzollamt Bremen angeordneten Gesamtbeschau beschlagnahmt wurden (Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe), hat das Landgericht – ungeachtet der unrichtigen Festsetzung der Einfuhrabgaben vor der Beschlagnahme – lediglich eine versuchte Tatbegehung angenommen.
15
Die einzelnen Tatbeiträge des Angeklagten G. konnte die Strafkammer bestimmten Haupttaten nicht zuzuordnen; sie hat ihn deshalb wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Schmuggel in neun tateinheitlichen Fällen – davon zwei nur versuchte Taten –, verurteilt.
16
II. Revision des Angeklagten Y. C.
17
Die Revision des Angeklagten Y. C. führt lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen Schuldspruchänderung in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe.
18
1. Mit den erhobenen Verfahrensrügen zeigt der Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler auf. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bemerkt der Senat:
19
a) Die Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht Erkenntnisse aus rechtswidrig angeordneten Telekommunikationsüberwachungen als Beweismittel verwertet, hat keinen Erfolg.
20
aa) Der Angeklagte Y. C. macht geltend, das Landgericht habe gegen seinen ausdrücklichen Widerspruch die Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen im Urteil verwertet, obwohl bei deren Anordnung der Verdacht einer Katalogtat des § 100a StPO nicht vorgelegen habe, insbesondere nicht der vom Ermittlungsrichter angenommene Tatverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB).
21
bb) Die Verfahrensbeanstandung entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und ist deshalb bereits unzulässig.
22
Zur Begründung einer Verfahrensrüge ist der Beschwerdeführer verpflichtet , „die den Mangel enthaltenden Tatsachen“ anzugeben. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu geschehen, dass das Revisionsgericht allein auf Grund der Revisionsrechtfertigungs- schrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorläge, wenn die behaupteten Tatsachen erwiesen wären (vgl. BVerfG NJW 2005, 1999, 2001; BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 7). Daran fehlt es hier, denn der Beschwerdeführer hat den Inhalt des Zwischenberichts des Zollfahndungsamts München vom 22. Juli 2004 nicht mitgeteilt. Diese Mitteilung wäre schon deswegen erforderlich gewesen, weil die regelmäßig schwierige Abgrenzung zwischen einer (bloß) bandenmäßigen Begehung (§ 373 Abs. 2 Nr. 3 AO) und dem Tätigwerden einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) nur anhand der Besonderheiten des Einzelfalls getroffen werden kann (vgl. dazu BGH wistra 2006, 462). Angesichts des Umfangs und der Vielzahl sowie der professionellen Durchführung der verfahrensgegenständlichen Schmuggeltransporte hätte es insbesondere auch der Mitteilung der in diesem Fahndungsbericht enthaltenen Erkenntnisse zwingend bedurft. Ohne sie kann der Senat nicht prüfen, ob der Tatrichter bei der Wertung, bei Anordnung der Maßnahmen zur Telekommunikationsüberwachung habe der Verdacht des Tätigwerdens einer kriminellen Vereinigung bestanden, den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum verlassen hat; nur dann käme ein Beweisverwertungsverbot in Betracht (vgl. BGHSt 41, 30, 32 ff.; 47, 362, 365 ff.). Da die der Telefonüberwachung zugrunde liegenden Beschlüsse des Amtsgerichts Landshut im vorliegenden Verfahren erlassen wurden und ihre Grundlagen daher aktenkundig sind, war der Beschwerdeführer von der Verpflichtung zu entsprechendem Sachvortrag nicht entbunden (vgl. BGH NStZ 2007, 117).
23
cc) In der Sache könnte die Verfahrensrüge ebenfalls keinen Erfolg haben. Es kann dahinstehen, ob – was bereits nach dem Sachvortrag der Revision und den Beschlussbegründungen des Amtsgerichts Landshut eher fern liegt – der Ermittlungsstand die Überwachungsanordnungen nicht gerechtfertigt hat. Jedenfalls könnte das Urteil hier nicht auf einem etwaigen Verstoß gegen die Vorschrift des § 100a StPO beruhen.
24
Das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft der Angeklagten Y. und C. C. und den von diesen begangenen Taten – anders als hinsichtlich der Tatbeteiligung des Angeklagten G. (UA S. 81 ff.), der das Verfahren nicht beanstandet – nicht auf die Erkenntnisse aus Telefonüberwachungsmaßnahmen gestützt (UA S. 60 ff.). Vielmehr hat es seiner Überzeugungsbildung in erster Linie die weitgehenden, hinsichtlich einiger Taten sogar vollumfänglichen, erst in der Hauptverhandlung abgegebenen Geständnisse der Angeklagten Y. und C. C. sowie die übereinstimmenden Geständnisse des Angeklagten S. und weiterer Tatbeteiligter zugrundegelegt. Soweit die Einlassungen der Angeklagten Y. und C. C. in einzelnen Punkten von den Feststellungen abweichen, hat das Landgericht diese Angaben mit rechtsfehlerfrei als glaubhaft eingestuften Aussagen der übrigen Angeklagten und von Zeugen sowie mit den Erkenntnissen aus den in den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe sichergestellten Zigarettenmengen, nicht aber unter Verwertung der Protokolle über die Telefonüberwachung, widerlegt. Den in die Hauptverhandlung eingeführten Tonbandaufzeichnungen kam somit – selbst im Fall 9 der Urteilsgründe (UA S. 72) – für die Überführung der Angeklagten Y. und C. C. keine Bedeutung zu.
25
b) Die Rüge des Beschwerdeführers, das Landgericht habe in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe gegen die sich aus § 265 Abs. 1 StPO ergebende Hinweispflicht verstoßen, dringt ebenfalls nicht durch. Der Generalbundesanwalt hat im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass sich der Angeklagte Y. C. in diesen Fällen – in Übereinstimmung mit der Anklage – der Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO schuldig gemacht hat; damit liegt eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nicht vor. Allerdings ergibt sich diese rechtliche Würdigung für die insoweit allein noch verfahrensgegenständliche Verkürzung deutscher Tabaksteuer bereits aus der gebotenen Anwendung des § 19 TabStG.
26
2. Auf die Sachrüge des Angeklagten Y. C. ändert der Senat den diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe auf Steuerhinterziehung ab; die Liste der angewendeten Vorschriften (§ 260 Abs. 5 StPO) ist um § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ergänzen (vgl. BGH NJW 1986, 1116, 1117; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 260 Rdn. 62).
27
a) Die Verurteilung wegen gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels (§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 AO) für die im Zeitraum von 2003 bis März 2004 begangenen Taten (Fälle 1 bis 4 der Urteilsgründe) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gleichwohl führt dieser Rechtsfehler nur zu einer Schuldspruchänderung ; er lässt die verhängten Einzelstrafen unberührt.
28
aa) Verfahrensgegenstand ist in diesen Fällen ausschließlich der Tatvorwurf der Verkürzung der beim Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entstandenen deutschen Tabaksteuer, weil die Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung die Strafverfolgung hierauf beschränkt hat (Anklageschrift Abschnitt V.2.k). Der Umstand, dass sie die Beschränkung gemäß § 154 Abs. 1 StPO und nicht gemäß § 154a StPO vorgenommen hat, steht deren Wirksamkeit nicht entgegen.
29
bb) Die in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe festgestellte Hinterziehung deutscher Tabaksteuer stellt keinen Schmuggel (§ 373 AO) dar. § 373 AO erfasst diese Verbrauchsteuer als Einfuhrabgabe nur dann, wenn die Zigaretten unmittelbar aus einem Nicht-Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften in die Bundesrepublik Deutschland verbracht werden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 372/06, zur Veröffentlichung bestimmt). Dies ist bei den Transporten aus der Türkei über den Landweg nach Deutschland nicht der Fall.
30
cc) Die rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen belegen indes , dass sich der Angeklagte Y. C. hinsichtlich der bei dem Verbringen der Zigaretten nach Deutschland entstandenen Tabaksteuer der Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 19 TabStG) schuldig gemacht hat.
31
(1) Gemäß § 19 TabStG entsteht die deutsche Tabaksteuer, wenn Tabakwaren unzulässigerweise entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht werden.
32
Die in den Fällen 1 bis 4 der Urteilsgründe vorschriftswidrig (vgl. Art. 40 ZK) in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften eingeführten Zigaretten befanden sich dort im steuerrechtlich freien Verkehr. Das Überführen dieser auf dem Schwarzmarkt zu veräußernden Zigaretten nach Deutschland ohne Inanspruchnahme des innergemeinschaftlichen Steuerversandverfahrens (§ 16 Abs. 1 Satz 1 TabStG) ist ein gewerbliches unversteuertes Verbringen. Für die Zigaretten war deshalb unverzüglich nach dem Verbringen in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Steuererklärung abzugeben (§ 19 Satz 3 TabStG). Mit der Missachtung dieser Pflicht wurde die deutsche Tabaksteuer gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 AO verkürzt (vgl. zum Ganzen BGH aaO m.w.N.).
33
(2) Der Angeklagte Y. C. war als Verbringer (Fälle 1 und 2) bzw. als Empfänger der Zigaretten (Fälle 3 und 4) Schuldner der entstandenen Tabaksteuer und damit Erklärungspflichtiger.
34
Steuerschuldner ist gemäß § 19 Satz 2 TabStG derjenige, der verbringt oder versendet, und der Empfänger, sobald er Besitz an den Tabakwaren erlangt hat. Bei der Auslegung dieser Tatbestandsmerkmale ist die Richtlinie Nr. 92/12 (EWG) des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. EG Nr. L 76/1 – „Systemrichtlinie“) zu beachten, denn das deutsche Tabaksteuergesetz beruht auf dieser Richtlinie. Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie wird die Verbrauchsteuer je nach Fallgestaltung u. a. von der Person geschuldet, die eine Lieferung vornimmt oder die die zur Lieferung bestimmten Waren besitzt (vgl. ferner Art. 9 Abs. 1 der Systemrichtlinie). Steuerschuldner ist damit beim Verbringen einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware in das inländische Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken jedenfalls derjenige, der beim Verbringen der Ware oder als Empfänger einer Lieferung Herrschaft über die Ware hat.
35
Diese Auslegung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Urteil vom 4. März 2004 in den Rechtssachen C-238/02 [V. ] und C-246/02 [J. ] zum Begriff des „Verbringens“ in Art. 40, 38 i.V.m. Art. 202 ZK. Art. 202 Abs. 3 ZK knüpft für die Bestimmung des Zollschuldners alternativ an die Beteiligung am Verbringen und an den Besitz an der in das Zollgebiet verbrachten Ware an. Als Verbringer sieht der Gerichtshof bei einer Einfuhr mit einem Kraftfahrzeug denjenigen an, der bei der Einfuhr die Herrschaft über das Transportfahrzeug hat (EuGH wistra 2004, 376, 378; vgl. hierzu BGH aaO). Wegen der Ähnlichkeit der Sachverhalte und der inneren Verzahnung der Regelungssysteme des Zollrechts und des Verbrauchsteuerrechts im europäischen Gemeinschaftsrecht (vgl. § 21 TabStG; Art. 5 Systemrichtlinie), die gemeinsam der Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts dienen (vgl. Art. 14 EGV), liegt es nahe, in dem durch die System-, Struktur- und Steuersatzrichtlinien weitgehend harmonisierten Verbrauchsteuerrecht dieselben Maßstäbe anzulegen (vgl. BGHSt 48, 52, 63).
36
Die Feststellungen belegen, dass der Angeklagte Y. C. ein ausreichendes Maß an Sachherrschaft an den Tabakwaren bei ihrem Verbringen nach Deutschland hatte (Fälle 1 und 2 der Urteilsgründe) und im Übrigen als Empfänger den Besitz über die Zigaretten ausübte (Fälle 3 und 4 der Urteilsgründe).
37
dd) Der Senat schließt aus, dass sich der weitgehend geständige Angeklagte Y. C. bei einem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265 Abs. 1 StPO) – Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Grundtatbestand) statt Schmuggel gemäß § 373 AO (unselbständige Qualifikation) – anders als geschehen hätte verteidigen können.
38
ee) Ob sich der Angeklagte Y. C. bei Verbringen der Zigaretten über den Landweg in die Europäische Gemeinschaft auch wegen Hinterziehung der in dem Mitgliedstaat der Einfuhr entstandenen Einfuhrabgaben (Zollschuld, nationale Tabak- und Einfuhrumsatzsteuern) strafbar gemacht hat (vgl. § 370 Abs. 1, Abs. 6 Satz 1, Abs. 7 AO i.V.m. Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2, Art. 40, 38 ZK), hat im Hinblick auf die vorgenommene Verfahrensbeschränkung dahinzustehen.
39
Solches liegt hier freilich nahe, denn für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (BGH NStZ 1995, 120; 1999, 609). Hierfür genügt auch ein Tatbeitrag, der erst im Zeitraum zwischen Vollendung und Beendigung erbracht wird (BGH NStZ 1999, 609; vgl. auch BGHSt 48, 52, 56). Hier hat das Landgericht festgestellt, dass die Hinterleute sowohl den Einkauf der Zigaretten als auch deren Verkauf in England organisiert haben. Dies deutet darauf hin, dass die von den Angeklagten Y. und C. C. geführte deutsche Gruppierung Teil einer international agierenden Schmuggelorganisation war und der Angeklagte Y. C. aufgrund seiner Beteiligung gemäß dem Tatplan auch in diesen Fällen als Mittäter die in dem anderen Mitgliedstaat entstandenen Einfuhrabgaben hinterzogen hat.
40
Eine solche Tat kann, wenn sie beim Verbringen der Zigaretten in das Steuergebiet der Bundesrepublik Deutschland noch nicht beendet war, mit der Hinterziehung der deutschen Tabaksteuer tateinheitlich zusammentreffen. Denn die „Schmuggeltat“ ist erst dann beendet, wenn das geschmuggelte Gut in Sicherheit gebracht und „zur Ruhe gekommen“ ist (BGH wistra 2000, 425; BGHSt 3, 40, 44). Wann dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich für die Beendigung des Schmuggels ist, ob die Schmuggelware die gefährliche Phase des Grenzübertritts passiert und der Schmuggler sein Unternehmen insgesamt erfolgreich abgeschlossen hat (BGHSt 3, 40, 44 f.). In der Regel wird der Schmuggel erst dann beendet sein, wenn das Schmuggelgut seinen Bestimmungsort erreicht hat (vgl. zu den Einzelheiten BGH, Beschluss vom 1. Februar 2007 – 5 StR 372/06 und BGH wistra 2000, 425).
41
ff) Trotz des geänderten Schuldspruchs und bei der Anwendung des § 370 Abs. 1 AO gegenüber § 373 AO nach unten erweiterten Strafrahmens haben die vom Landgericht insoweit verhängten Einzelstrafen Bestand. Da diese Änderung den Umfang der verkürzten Steuern und auch die übrigen Strafzumessungserwägungen unberührt lässt, schließt der Senat aus, dass sich die fehlerhafte rechtliche Einordnung des Tatgeschehens durch das Landgericht auf den Strafausspruch ausgewirkt hat.
42
b) Die Überprüfung des Urteils im Übrigen hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten Y. C. ergeben. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, auf die insbesondere hinsichtlich der Angriffe des Beschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung und die Strafzumessung des Tatgerichts Bezug genommen wird, bemerkt der Senat:
43
aa) Das Landgericht hat die Fälle 5 bis 14 der Urteilsgründe, in denen die aus Asien stammenden Zigaretten per Schiff nach Deutschland transportiert und über die Freihäfen Hamburg und Bremerhaven eingeführt wurden, rechtsfehlerfrei als gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggel (§ 373 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) gewertet. Der Angeklagte Y. C. hat als mittelbarer Täter bewirkt, dass durch die mit der Erledigung der Zollformalitäten beauftragten gutgläubigen Spediteure unvollständige Zollanmeldungen abgegeben und infolgedessen für die eingeführten Zigaret- ten keine Einfuhrabgaben festgesetzt wurden (§§ 373, 370 Abs. 4 Satz 1 AO i.V.m. § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB). Soweit das Landgericht in den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe lediglich eine Strafbarkeit wegen versuchten Schmuggels angenommen hat, beschwert dies den Angeklagten nicht.
44
Die Zollschuld entstand in diesen zehn Fällen aufgrund des vorschriftswidrigen Verbringens der Zigaretten in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft gemäß Art. 202 Abs. 1 Buchstabe a, Art. 40, Art. 4 Nr. 19 ZK; dasselbe gilt angesichts der Verweisungsnormen § 21 Abs. 2 UStG und § 21 Satz 1 TabStG für die Einfuhrumsatzsteuer und die Tabaksteuer. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bewirkt auch eine im Zusammenhang mit der Gestellung abgegebene unrichtige oder unvollständige Zollanmeldung, dass die nicht angemeldeten Schmuggelwaren von der Gestellung nicht erfasst und damit vorschriftswidrig verbracht sind (EuGH ZfZ 2005, 192, 194, Ziffer 31). Infolge der unvollständigen Gestellung und Zollanmeldung wurden die Einfuhrabgaben auf die Zigaretten, die bei steuerehrlichem Verhalten zu einem Zollverfahren (Art. 4 Nr. 16 ZK) hätten angemeldet werden müssen, nicht festgesetzt (Art. 217 ff., 221 ZK) und damit verkürzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO).
45
bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers lässt auch die Berechnungsdarstellung der hinterzogenen Einfuhrabgaben keinen Rechtsfehler erkennen. Sie genügt den vom Senat aufgestellten Grundsätzen (vgl. BGHR AO § 370 Abs. 1 Berechnungsdarstellung 10; Jäger StraFo 2006, 477, 479 ff. m.N.). Insbesondere enthalten die Urteilsgründe neben der Angabe der angewandten Vorschriften des Zoll- und Steuerrechts die erforderlichen Angaben zu der – zum Teil durch Schätzung – ermittelten Anzahl der eingeführten Zigaretten sowie zum Zollwert und zum Kleinverkaufspreis.
46
cc) Ohne Erfolg rügt der Beschwerdeführer, in den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe (Schmuggel von Zigaretten über den Freihafen Bremerhaven ) habe keine tatbestandsmäßige Handlung vorgelegen. Das Landgericht ist zutreffend von mittelbarer Täterschaft durch den Angeklagten ausgegangen. Indem er vorsatzlos handelnde Spediteure bei den Zollbehörden unvollständige Zollanmeldungen einreichen ließ, überschritt er die Schwelle zum Versuch des Schmuggels (vgl. BGHR AO § 373 Versuch 1).
47
Vielmehr rechtfertigen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen sogar auch in diesen Fällen die Verurteilung wegen vollendeten gewerbsund bandenmäßigen Schmuggels. Denn das Festsetzungsverfahren war nach den insoweit nicht beanstandeten Urteilsfeststellungen bereits abgeschlossen. Infolge der unvollständigen Zollanmeldungen waren die Einfuhrabgaben nur auf die Tarnware, aber nicht auf die Zigaretten festgesetzt und damit verkürzt (§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO, § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB i.V.m. Art. 217 ff., 221 ZK). Erst nach der Festsetzung wurden bei Durchführung einer Gesamtbeschau der angemeldeten Waren (vgl. Art. 68 f. ZK) die Zigaretten entdeckt und beschlagnahmt. Der Senat ändert daher den Schuldspruch entsprechend ab. Dem steht das in § 358 Abs. 2 StPO enthaltene Verbot der Schlechterstellung nicht entgegen (vgl. MeyerGoßner aaO § 331 Rdn. 8 m.w.N.).
48
c) Zur Vereinfachung der Urteilsformel lässt der Senat die entbehrliche Kennzeichnung der Taten als „gemeinschaftlich begangen“ entfallen (vgl. BGHSt 27, 287, 289; BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2006 – 5 StR 315/06).
49
III. Revision des Angeklagten C. C.
50
Die mit dem Rechtsmittel des Angeklagten Y. C. inhaltlich weitestgehend übereinstimmende Revision des Angeklagten C. C. führt ebenfalls lediglich zur Schuldspruchänderung in den Fällen 2 bis 4 der Urteilsgründe. Die Ausführungen zu oben II. gelten entsprechend.
51
IV. Revisionen der Angeklagten S. und G.
52
Die mit näher ausgeführten Sachrügen begründeten Revisionen der Angeklagten S. und G. haben keinen Erfolg. Sie sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Ergänzend bemerkt der Senat:
53
Angesichts des Aufgabengebietes des Angeklagten S. bei der Organisation der Schmuggeltransporte und dessen Beteiligung an den Verkaufserlösen bedurfte es im Rahmen der Strafzumessung keiner ausdrücklichen Erörterung der Haftung für verkürzte Steuern nach § 71 AO als steuerrechtlicher Folge jeder Steuerstraftat (vgl. BGHSt 48, 52, 76). Eine sich aus der Haftung ergebende besondere Härte oder etwa Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung hat das Landgericht nicht festgestellt. Auch etwaige den Angeklagten S. treffende ausländerrechtliche Folgen waren keine Umstände, die das Tatgericht bei der Strafzumessung zwingend hätte erörtern müssen (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Ausländer 6 und BGH NStZ-RR 2004, 11).
54
V. Revisionen der Staatsanwaltschaft
55
1. Revisionen betreffend die Angeklagten Y. und C. C. sowie S.
56
Die zu Ungunsten der Angeklagten mit Sachrügen geführten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten werden, sind unbegründet.
57
a) Dass die Strafkammer die Angeklagten in den Fällen 13 und 14 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft lediglich wegen versuchten gewerbs- und ban- denmäßigen Schmuggels verurteilt hat, wird mit der Strafmaßrevision der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet.
58
b) Rechtsfehlerhaft ist, dass das Landgericht in diesen beiden Fällen der Strafzumessung als Steuerschaden lediglich die hinterzogene Tabaksteuer , nicht aber die ebenfalls verkürzten (vgl. § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 AO, § 25 Abs. 1 zweite Variante StGB i.V.m. Art. 217 ff., 221 ZK) Zollund Einfuhrumsatzsteuerschulden zugrundegelegt hat. Zwar erlischt die Zollschuld gemäß Art. 233 Satz 1 Buchstabe d ZK – und hieran anknüpfend nach § 21 Satz 1 TabStG die Einfuhrumsatzsteuer –, wenn Waren, für die gemäß Art. 202 ZK die Zollschuld entstanden ist, bei dem vorschriftswidrigen Verbringen beschlagnahmt und gleichzeitig oder später eingezogen werden. Diese – bereits vor dem Erlöschen hinterzogenen – Abgaben gelten jedoch gemäß Art. 233 Satz 2 ZK für das Strafverfahren als nicht erloschen. Der Senat kann angesichts der vom Landgericht in den Fällen 5 bis 12 der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass – anders als in jenen Fällen – die Zigaretten in den Fällen 13 und 14 beim Verbringen in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft beschlagnahmt wurden und nicht in den freien Verkehr gelangten.
59
c) Auch die im Rahmen der Strafzumessung rechtsfehlerhaft zugunsten der Angeklagten angeführte Erwägung des Landgerichts, „dass bei ordnungsgemäßer Gestellung der nach England weitergelieferten Zigaretten im Transitweg ein Schaden nicht entstanden wäre“ (UA S. 113 u. a.), gefährdet hier den Bestand der Strafaussprüche im Ergebnis nicht. Mit dieser Formulierung meint das Landgericht offensichtlich, dass dem deutschen Fiskus nur „aus formalen Gründen“ ein Schaden entstanden sei, der „eigentliche“ Schaden aber beim englischen Fiskus liege, da die Zigaretten erst in England an die Endverbraucher verkauft werden sollten. Dies ist jedoch kein strafmildernder Gesichtspunkt, wenn die aus Drittländern eingeführte Tabakwaren – anders als bei der Ausfuhr in Staaten außerhalb der Europäischen Ge- meinschaft (vgl. dazu BGHSt 48, 52, 75 f.; 48, 108, 118 f.) – im Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft in den zollrechtlich freien Verkehr überführt werden sollen, ohne dass die hierfür erforderlichen Einfuhrabgaben entrichtet werden.
60
Ohnehin ist es die Europäische Gemeinschaft, die hinsichtlich des hinterzogenen Zolls und des ihr zustehenden Einfuhrumsatzsteueranteils materiell geschädigt wird, und nicht die Bundesrepublik Deutschland oder das Königreich Großbritannien (vgl. BGH wistra 2005, 461, 463). Dieser Teil der Einfuhrabgaben wird nämlich von den Mitgliedstaaten lediglich verwaltet, bevor er dem Gemeinschaftshaushalt zufließt. Liegt die Verwaltung dieser Abgaben bei der Bundesrepublik Deutschland, so ist deren Hinterziehung nach § 370 Abs. 1 AO strafbewehrt (vgl. § 3 Abs. 3 AO i.V.m. Art. 4 Nr. 10 ZK für den Zoll und § 3 Abs. 1 AO i.V.m. § 21 UStG für die Einfuhrumsatzsteuer). Beim Schmuggel aus dem Drittlandsgebiet wollen die Täter überhaupt keine Abgaben entrichten, und zwar unabhängig davon, welcher Mitgliedstaat im Einzelfall die Abgaben zu verwalten hat. Damit den Tätern der Absatz der Tabakwaren auf dem Schwarzmarkt gelingt, werden sie diese regelmäßig gegenüber jedem Mitgliedstaat, den die Ware bis zum Erreichen des Bestimmungsorts passiert, verschweigen.
61
Aber auch hinsichtlich der deutschen Tabaksteuer als nationaler Verbrauchsteuer, die anlässlich der Einfuhr erhoben wird, handelt es sich nicht um eine Steuerverkürzung „aus formalen Gründen“. Denn ausschlaggebend für das Entstehen dieser Steuer ist nicht der Verkauf an den Endverbraucher , sondern die Überführung in den freien Verkehr im deutschen Steuergebiet. Ein Fall, in dem die deutsche Tabaksteuer wegen des Verbringens nach England wieder zu erstatten wäre, liegt schon deshalb nicht vor, weil auch die dort entstandenen Verbrauchsteuern nicht entrichtet wurden (vgl. Art. 22 Abs. 3 der Systemrichtlinie).
62
Die Einfuhrabgaben wären sogar dann entstanden und von den Angeklagten zu entrichten gewesen, wenn die Zigaretten erst nach Abschluss eines Steueraussetzungsverfahrens in England in den freien Verkehr überführt worden wären. Selbst wenn die Angeklagten erst zu diesem Zeitpunkt die dort entstandenen Einfuhrabgaben hinterzogen hätten, wäre dies in Deutschland strafbewehrt gewesen. Denn von § 370 Abs. 6 Satz 1 AO werden Einfuhrabgaben auch dann als den deutschen Steueransprüchen gleichwertige Forderungen erfasst, wenn sie nicht von der Bundesrepublik Deutschland, sondern von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften verwaltet werden.
63
Allerdings schließt der Senat – insbesondere im Hinblick auf die gewichtigen gegen die Angeklagten Y. und C. C. verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von sechs Jahren und zehn Monaten bzw. sechs Jahren – aus, dass das Landgericht ohne seine rechtsfehlerhafte Erwägung zu noch höheren Gesamtfreiheitsstrafen hätte gelangen können.
64
d) Weitere Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil (§ 301 StPO) der Angeklagten zeigen die Revisionen nicht auf. Insbesondere hält es rechtlicher Nachprüfung noch stand, dass das Landgericht die Einzelstrafen nicht dem erhöhten Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO entnommen hat. Die auf eine Gesamtwürdigung der Tatumstände gestützte Wertung der Strafkammer, es liege noch kein Handeln aus grobem Eigennutz im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO vor, ist angesichts des Umstandes, dass ein Großteil des Erlöses aus den Taten den Hinterleuten in der Türkei zugeflossen ist, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch mit der Verneinung unbenannter besonders schwerer Fälle im Sinne von § 370 Abs. 3 Satz 1 AO verlässt das Landgericht hier trotz des „hohen und professionellen Organisationsgrads“ und der hohen Steuerschäden noch nicht den dem Tatrichter zustehenden Beurteilungsspielraum, zumal da der Qualifikationstatbestand des § 373 AO ohnehin im Vergleich zum Grundtatbestand der Steuerhinterziehung ein erhöhtes Mindeststrafmaß vorsieht. Die Entscheidung des Landgerichts ist da- her zu respektieren, auch wenn hier eine andere Beurteilung möglich gewesen wäre und sogar näher gelegen hätte.
65
2. Revision betreffend den Angeklagten G.
66
Auch die den Angeklagten G. betreffende Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Ergänzend zu den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift bemerkt der Senat :
67
a) Die vom Landgericht in wertender Betrachtung der maßgeblichen Umstände (vgl. BGHSt 37, 289, 291 m.w.N.) vorgenommene Würdigung des Verhaltens des Angeklagten G. als Beihilfe und nicht als Mittäterschaft hält sich noch im Rahmen des tatrichterlichen Beurteilungsspielraums (vgl. BGH wistra 2005, 380, 381).
68
b) Auch die Würdigung der Unterstützungsaktivitäten des Angeklagten G. als eine einheitliche Beihilfe gemäß § 27 StGB ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar liegt Tatmehrheit vor, wenn durch mehrere selbständige Hilfeleistungen mehrere selbständige Haupttaten gefördert werden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 27 Rdn. 13). Die fortlaufende Förderung der Schmuggeltaten durch den Angeklagten Greschner stellt sich hier jedoch in einer Gesamtschau als nur eine – dauerhafte – Beihilfehandlung des Angeklagten zu neun Haupttaten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 – 1 StR 556/06; BGHR StGB § 27 Abs. 1 Hilfeleisten 9).

69
In Fällen wie dem hier vorliegenden ist es nicht erforderlich, die Anzahl der Haupttaten, zu denen der Angeklagte Beihilfe geleistet hat, in den Tenor aufzunehmen. Zur Vereinfachung der Urteilsformel ändert daher der Senat den Schuldspruch entsprechend ab (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Dezember 2006 – 1 StR 556/06).
Basdorf Häger Gerhardt Raum Jäger

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 572/05
vom
27. April 2006
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
____________________
Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten
Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in
die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen
Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse
zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben.
BGH, Urteil vom 27. April 2006 – 4 StR 572/05 – Landgericht Hagen
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen schweren Raubes u. a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. April
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Wilfried A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten Lothar A. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten R. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 10. Juni 2005 werden verworfen. 2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten Wilfried A. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in 12 Fällen, versuchter schwerer räuberischer Erpressung und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - zum Teil in Tateinheit mit Waffendelikten - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren, den Angeklagten Lothar A. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in 12 Fällen und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - teilweise in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenführen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und den Angeklagten R. wegen schweren Raubes bzw. schwerer räuberischer Erpressung in neun Fällen und Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung - ebenfalls zum Teil in Tateinheit mit unerlaubtem Waffenführen - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen, mit denen sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie beanstanden insbesondere die Strafzumessung des Landgerichts. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen begingen die erheblich und einschlägig vorbestraften Angeklagten in der Zeit von Ende 1988 bis zum 15. Januar 2004 gemeinschaftlich neun Raubüberfälle auf Bankinstitute, drei weitere Überfälle verübten nur die Angeklagten Wilfried und Lothar A. gemeinsam - wobei der Angeklagte Wilfried A. wegen einer dieser Taten bereits im Jahre 1989 mit zehn Jahren Freiheitsstrafe bestraft worden war -, zwei Banküberfälle beging der Angeklagte Wilfried A. allein, dabei blieb es in einem Fall beim Versuch. Den letzten Überfall planten die drei Angeklagten für den 4. November 2004. An diesem Tag wurden sie festgenommen. Die Banküberfälle wurden jeweils mit geladenen scharfen Schusswaffen durchgeführt. Die Beute betrug insgesamt fast eine Million Euro.
3
Nach ihrer Festnahme wurden bei den Angeklagten vier halbautomatische Selbstladepistolen, eine Maschinenpistole, Munition, drei scharfe Handgranaten und insgesamt ca. 417.800 € sichergestellt.
4
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen die Schuldsprüche. Auch die Strafaussprüche halten sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand.
5
a) Die zum Teil fehlerhafte Anwendung neuen Rechts statt des TatzeitRechts durch das Landgericht bei § 250 StGB und den Waffendelikten (Fälle II 1, 2, 4a bis 4h der Urteilsgründe) beschwert die Angeklagten nicht, weil das Tatzeit-Recht bei der gebotenen konkreten Betrachtung (vgl. BGHSt 45, 92 f.; Tröndle/Fischer, StGB 53. Aufl. § 2 Rdn. 10 ff.) nicht milder war als das geltende Recht (§ 2 Abs. 1, 3 StGB).
6
b) Im Übrigen bedarf der näheren Erörterung nur die von den Beschwerdeführern und vom Generalbundesanwalt aufgeworfene Frage, ob die Ablehnung minder schwerer Fälle durch das Landgericht insbesondere wegen des fortgeschrittenen Alters der Angeklagten (der Angeklagte R. ist 75, der Angeklagte Wilfried A. 74, der Angeklagte Lothar A. fast 65 Jahre alt) rechtsfehlerhaft war. Wegen der weiteren sachlich-rechtlichen Angriffe der Beschwerdeführer gegen die Strafzumessung - namentlich der gerügten Verstöße gegen § 46 Abs. 3 StGB -, die insgesamt unbegründet sind, nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Januar 2006 Bezug.
7
aa) Das Landgericht hat minder schwere Fälle des schweren Raubes, der schweren räuberischen Erpressung, der versuchten schweren räuberischen Erpressung, des unerlaubten Führens von Schusswaffen, des ungenehmigten Ausübens der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen und der Verabredung zur schweren räuberischen Erpressung "schon angesichts der Vielzahl und der Gefährlichkeit der Taten, des harten und kompromisslosen Vorgehens der Angeklagten sowie der Auswirkungen der Taten auf die betroffenen Bankangestellten und Kunden" abgelehnt. Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat es u. a. weiter ausgeführt:
8
Zu Lasten der Angeklagten sei zu berücksichtigen: - die Vielzahl der Taten - die Vielzahl der - auch einschlägigen - Vorstrafen (der Angeklagte Wilfried A. hat bereits mehr als 36 Jahre in Strafhaft verbracht, der Angeklagte R. mehr als 15 Jahre und der Angeklagte Lothar A. etwa 8 Jahre) - die bei den Taten aufgewendete kriminelle Energie und die jeweils über den Normalfall eines Banküberfalls hinausgehenden Folgen für die Tatopfer - das durch den Einsatz scharfer geladener Schusswaffen über den Normalfall eines Banküberfalls hinausgehende Gefährdungspotential - der lange Tatzeitraum und die jeweils hohe Beuteerwartung und - die Verwirklichung von zum Teil mehreren Straftatbeständen.
9
Zugunsten der Angeklagten wirke sich aus: - dass sie - zum Teil schon frühzeitig - geständig waren, - dass das erbeutete Geld zum großen Teil sichergestellt werden konnte, - dass die Angeklagten sich bei von den Überfällen betroffenen Bankangestellten entschuldigt und - dass sie sich zivilrechtlich dem Inventarversicherer betroffener Sparkassen gegenüber verpflichtet haben, Schadenswiedergutmachung zu leisten.
10
Gewichtigster Milderungsgrund sei allerdings das Alter und die damit verbundene erhöhte Haftempfindlichkeit der Angeklagten; dies gelte für alle Angeklagten, wenn auch beim Angeklagten Lothar A. (dem "Jüngsten" der Angeklagten) in geringerem Ausmaß. Unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Strafmilderung bei einer reduzierten Lebenserwartung seien sowohl die Einzelstrafen als auch die Gesamtstrafen derart zu mildern, dass den Angeklagten die Hoffnung bleibe, ihre Entlassung aus dem Strafvollzug noch erleben zu können. Hierbei sei allerdings zu bedenken , dass es keinen übermäßigen "Altersrabatt" geben dürfe, da sonst das "Signal" gegeben werden könnte, im Alter Straftaten zu begehen, weil im Falle der Ergreifung nur eine geringe Strafe drohe.
11
Unter Berücksichtigung der genannten Strafzumessungserwägungen hat das Landgericht für die abgeurteilten Taten - jeweils gesondert begründete - Einzelfreiheitsstrafen zwischen drei Jahren und sechs Monaten und acht Jahren und sechs Monaten verhängt. Bei der Bildung der Gesamtstrafen hat es das hohe Alter der Angeklagten nochmals ausdrücklich mildernd gewertet. Die Un- terbringung in der Sicherungsverwahrung (§ 66 Abs. 2 StGB) hat es insbesondere auch im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter der Angeklagten nicht angeordnet , weil nicht zu besorgen sei, dass die Angeklagten nach der Haftentlassung für die Allgemeinheit (noch) gefährlich seien.
12
bb) Die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts halten rechtlicher Nachprüfung stand. Insbesondere unterliegt es keinen rechtlichen Bedenken , dass das Landgericht die Voraussetzungen für das Vorliegen minder schwerer Fälle verneint hat. Auch für die Strafrahmenwahl gilt, dass die Strafzumessung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist, weil er am ehesten in der Lage ist, sich aufgrund der Hauptverhandlung einen umfassenden Eindruck von Tat und Täter zu verschaffen und die für die Strafrahmenwahl wesentlichen Umstände zu gewichten. Das Revisionsgericht kann daher auch insoweit - ebenso wie bei der Strafhöhenbemessung - nur eingreifen, wenn die durch den Tatrichter vorgenommene Bewertung Rechtsfehler aufweist, etwa weil die maßgeblichen Erwägungen rechtlich anerkannten Strafzumessungsgrundsätzen zuwiderlaufen, sie in sich widersprüchlich oder sie in dem Sinne lückenhaft sind, dass nahe liegende, sich aufdrängende Gesichtspunkte nicht bedacht wurden (st. Rspr.; vgl. nur BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 7, 8; Tröndle/Fischer aaO § 46 Rdn. 108 ff.). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
13
Das Landgericht hat alle für die Strafzumessung bestimmenden Umstände gesehen und in dem Sinne, dass die Strafen gerechter Schuldausgleich sein müssen (vgl. BGHSt 24, 132, 134; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 25, 27, 29), rechtsfehlerfrei gewichtet. Insbesondere hat es sich, anders als vom Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang beanstandete Entscheidungen (vgl. etwa BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 20), ausführlich mit dem fortgeschrittenen Alter der Angeklagten und der Wirkung der Strafen auf ihr zukünftiges Leben auseinandergesetzt und auf Strafen erkannt, die den Angeklagten noch die Hoffnung lassen, ihre Entlassung aus dem Strafvollzug erleben zu können. Einen Rechtssatz des Inhalts, dass jeder Straftäter schon nach dem Maß der verhängten Strafe die Gewissheit haben muss, im Anschluss an die Strafverbüßung in die Freiheit entlassen zu werden, gibt es nicht. Insbesondere kann sich aus dem hohen Lebensalter eines Angeklagten, etwa unter Berücksichtigung statistischer Erkenntnisse zur Lebenserwartung, keine Strafobergrenze ergeben. Allerdings muss ihm unter Vollstreckungsgesichtspunkten grundsätzlich eine Chance verbleiben, wieder der Freiheit teilhaftig zu werden (vgl. BVerfGE 45, 187, 228 f., 239, 242, 245; 64, 261, 270 ff., 281; 72, 105, 113 ff.; 86, 288, 312; BVerfG NStZ 1996, 53, 54 f.). Das hat das Landgericht bedacht und - im Erkenntnisverfahren - die Rechtsfolgen, auch durch das Absehen von der Anordnung der Sicherungsverwahrung, entsprechend bemessen.
14
Die Besorgnis der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts, das Landgericht könne die bei der Strafzumessung in engerem Sinne erörterten strafmildernden Gesichtspunkte - insbesondere das fortgeschrittene Alter der Angeklagten - bei der Strafrahmenwahl nicht in Betracht gezogen haben, teilt der Senat nicht. Das Landgericht hat zunächst - wozu es gehalten war (st. Rspr.; vgl. nur BGH NStZ 1983, 407) - entschieden, von welchem Strafrahmen es ausgeht, danach - allgemein - die zu Lasten und zu Gunsten der Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte erwogen und schließlich die Strafzumessung für jeden Angeklagten und die einzelnen Taten vorgenommen.
Dieser Urteilsaufbau lässt nach Auffassung des Senats nicht besorgen, dass die Strafkammer die bei den weiteren Strafzumessungserwägungen ausführlich erörterten Umstände bei der Strafrahmenwahl aus dem Blick verloren haben könnte. Tepperwien Maatz Kuckein Ernemann Sost-Scheible

(1) Die Tilgungsfrist beträgt

1.
fünf Jahrebei Verurteilungen
a)
zu Geldstrafe von nicht mehr als neunzig Tagessätzen, wenn keine Freiheitsstrafe, kein Strafarrest und keine Jugendstrafe im Register eingetragen ist,
b)
zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist,
c)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr,
d)
zu Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden ist,
e)
zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
f)
zu Jugendstrafe, wenn der Strafmakel gerichtlich oder im Gnadenweg als beseitigt erklärt worden ist,
g)
durch welche eine Maßnahme (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 des Strafgesetzbuchs) mit Ausnahme der Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis für immer und des Berufsverbots für immer, eine Nebenstrafe oder eine Nebenfolge allein oder in Verbindung miteinander oder in Verbindung mit Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln angeordnet worden ist,
1a.
zehn Jahrebei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches, wenn
a)
es sich um Fälle der Nummer 1 Buchstabe a bis f handelt,
b)
durch sie allein die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet worden ist,
2.
zehn Jahrebei Verurteilungen zu
a)
Geldstrafe und Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten, wenn die Voraussetzungen der Nummer 1 Buchstabe a und b nicht vorliegen,
b)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist,
c)
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, außer in den Fällen der Nummer 1 Buchstabe d bis f,
d)
(weggefallen)
3.
zwanzig Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr,
4.
fünfzehn Jahrein allen übrigen Fällen.

(2) Die Aussetzung der Strafe oder eines Strafrestes zur Bewährung oder die Beseitigung des Strafmakels bleiben bei der Berechnung der Frist unberücksichtigt, wenn diese Entscheidungen widerrufen worden sind.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe e, Nr. 2 Buchstabe c sowie Nummer 3 und 4 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrestes oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1a verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Jugendstrafe.

(1) Für die Feststellung und Berechnung der Frist gelten die §§ 35, 36 entsprechend.

(2) Die Tilgungsfrist läuft nicht ab, solange sich aus dem Register ergibt, daß die Vollstreckung einer Strafe oder eine der in § 61 des Strafgesetzbuchs aufgeführten Maßregeln der Besserung und Sicherung noch nicht erledigt oder die Strafe noch nicht erlassen ist. § 37 Abs. 1 gilt entsprechend.

(3) Sind im Register mehrere Verurteilungen eingetragen, so ist die Tilgung einer Eintragung erst zulässig, wenn für alle Verurteilungen die Voraussetzungen der Tilgung vorliegen. Die Eintragung einer Verurteilung, durch die eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis für immer angeordnet worden ist, hindert die Tilgung anderer Verurteilungen nur, wenn zugleich auf eine Strafe erkannt worden ist, für die allein die Tilgungsfrist nach § 46 noch nicht abgelaufen wäre.