Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Aug. 2001 - 1 StR 354/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
1. Gegen das am 29. Januar 2001 in Anwesenheit der Angeklagten W. und des Angeklagten G. verkündete Urteil haben beide Angeklagte am 2. Februar 2001 Revision eingelegt. Die Angeklagte W. erhob zugleich mit der Revisionseinlegung die allgemeine Sachrüge; der Schriftsatz wurde von Rechtsanwalt K. – dem Sozius des bestellten Verteidigers Ka. – “i.V.” unterzeichnet. Am 6. April 2001 wurde das Urteil beiden Angeklagten – v or der am 9. April 2001 erfolgten Fertigstellung des Hauptverhandlungsprotokolls – zugestellt. Die Revisionsbegründung des Angeklagten G. wurde am 9. Mai 2001 beim Landgericht angebracht.
2. Mit Beschluß vom 29. Mai 2001 verwarf das Landgericht beide Revisionen als unzulässig (§ 346 Abs. 1 StPO). Die von Rechtsanwalt K. unterzeichneten Revisionserklärungen der Angeklagten W. seien mangels Vertretungsbefugnis unwirksam. Es liege ein Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachverteidigung vor (§ 146 StPO), da Rechtsanwalt K. Wahlverteidiger des Mitangeklagten G. sei; dieser habe Rechtsanwalt K. am sechsten Hauptverhandlungstag (27. Dezember 2000) Verteidigervollmacht
erteilt. Die Revisionsbegründung des Angeklagten G. sei erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen.
Die Angeklagten haben rechtzeitig auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO angetragen (§ 300 StPO).
3. Der Beschluß des Landgerichts unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
a) Die Revisionserklärungen der Angeklagten W. s ind rechtswirksam. Der Mitangeklagte G. hatte Rechtsanwalt K. ersichtlich nur für die Dauer der Erkrankung seines bestellten Verteidigers, Rechtsanwalt B. , zum Verteidiger in der Hauptverhandlung gewählt. Ab dem neunten Hauptverhandlungstag hatte der bestellte Verteidiger wieder die Verteidigung geführt. Damit liegt ein Fall der seit der Gesetzesänderung durch das StVÄ G 1987 nicht mehr verbotenen (vgl. BGH NStZ 1994, 500) sukzessiven Mehrfachverteidigung vor. Davon abgesehen hat das Landgericht die in § 146a Abs. 2 StPO getroffene Regelung übersehen. Auch der Umstand, daß die Revisionserklärungen nicht vom bestellten Verteidiger unterzeichnet wurden, macht diese nicht unwirksam, da davon auszugehen ist, daß Rechtsanwalt K. als dessen allgemeiner Vertreter (§ 53 Abs. 2 Satz 1 BRAO) tätig wurde (BGH NStZ 1992, 248). Schließlich war der Verwerfungsgrund fehlender Vertretungsbefugnis von der Verwerfungskompetenz des Tatgerichts nach § 346 Abs. 1 StPO nicht umfaßt (vgl. BGHSt 42, 365, 367; BGHR StPO § 346 Abs. 1 Form 1; BGH, Beschluß vom 8. November 2000 – 2 StR 426/00).
b) Der Angeklagte G. hat die Revisionsbegründungsfrist nicht versäumt. Die Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe war unwirksam, da das
Hauptverhandlungsprotokoll erst danach fertiggestellt wurde (§ 273 Abs. 4 StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 1995 – 1 StR 140/95 und vom 25. Juni 1998 – 1 StR 95/98).
c) Da bisher keine wirksame Urteilszustellung erfolgt ist, wurde die Frist zur Begründung der Revision für keinen der beiden Angeklagten in Lauf gesetzt.
Schäfer Nack Wahl
Schluckebier Schaal
moreResultsText
Annotations
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
Ein Verteidiger kann nicht gleichzeitig mehrere derselben Tat Beschuldigte verteidigen. In einem Verfahren kann er auch nicht gleichzeitig mehrere verschiedener Taten Beschuldigte verteidigen.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich.
(1) Ist jemand als Verteidiger gewählt worden, obwohl die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Satz 2 oder des § 146 vorliegen, so ist er als Verteidiger zurückzuweisen, sobald dies erkennbar wird; gleiches gilt, wenn die Voraussetzungen des § 146 nach der Wahl eintreten. Zeigen in den Fällen des § 137 Abs. 1 Satz 2 mehrere Verteidiger gleichzeitig ihre Wahl an und wird dadurch die Höchstzahl der wählbaren Verteidiger überschritten, so sind sie alle zurückzuweisen. Über die Zurückweisung entscheidet das Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist oder das für das Hauptverfahren zuständig wäre.
(2) Handlungen, die ein Verteidiger vor der Zurückweisung vorgenommen hat, sind nicht deshalb unwirksam, weil die Voraussetzungen des § 137 Abs. 1 Satz 2 oder des § 146 vorlagen.
(1) Der Rechtsanwalt muss für seine Vertretung sorgen, wenn er
- 1.
länger als eine Woche daran gehindert ist, seinen Beruf auszuüben, oder - 2.
sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernen will.
(2) Die Vertretung soll einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden. Sie kann auch durch Personen erfolgen, die die Befähigung zum Richteramt erworben oder mindestens zwölf Monate des Vorbereitungsdienstes nach § 5b des Deutschen Richtergesetzes absolviert haben. In den Fällen des Satzes 2 gilt § 7 entsprechend.
(3) Soll die Vertretung einem anderen Rechtsanwalt übertragen werden, so soll der Rechtsanwalt diesen selbst bestellen. Soll die Vertretung durch eine andere Person erfolgen oder findet der Rechtsanwalt keine Vertretung, so ist die Vertretung auf Antrag des Rechtsanwalts von der Rechtsanwaltskammer zu bestellen.
(4) Hat es ein Rechtsanwalt in den Fällen des Absatzes 1 unterlassen, eine Vertretung zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen, so soll die Rechtsanwaltskammer eine Vertretung von Amts wegen bestellen. Zuvor soll sie den Rechtsanwalt auffordern, die Vertretung selbst zu bestellen oder deren Bestellung zu beantragen. Ein Rechtsanwalt, der von Amts wegen als Vertretung bestellt wird, kann die Vertretung nur aus wichtigem Grund ablehnen.
(5) Die Bestellung kann jederzeit widerrufen werden.
(1) Ist die Revision verspätet eingelegt oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen.
(2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35a gilt entsprechend.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.