Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13

bei uns veröffentlicht am16.09.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 264/13
vom
16. September 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. September 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision der Angeklagten Z. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 3. Dezember 2012, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben
a) im Schuldspruch, soweit die Angeklagte wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion verurteilt worden ist, jedoch mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen,
b) im gesamten Strafausspruch.
2. Auf die Revision des Angeklagten T. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben.
3. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


I.


1
1. Das Landgericht hat die Angeklagte Z. wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tatmehrheit mit versuchtem Betrug in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren sechs Monaten, den Angeklagten T. wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren elf Monaten verurteilt.
2
Nach den Feststellungen der Strafkammer betrieb die Angeklagte Z. bis zum Jahr 2012 auf einem ihr gehörenden Grundstück innerhalb der denkmalgeschützten Klosteranlage in P. die Gastwirtschaft „ K. “. Die ursprünglich rentable Gastwirtschaft warf ab dem Jahr 2005 im- mer weniger Gewinne ab. Bis zum Jahr 2011 verschlechterte sich die Situation so sehr, dass die Angeklagte laufende Verbindlichkeiten, insbesondere ein ihr gewährtes Darlehen in Höhe von 260.000 Euro, nicht mehr regelmäßig bedienen konnte. Daneben ordnete die Lebensmittelüberwachung seit dem Jahr 2010 wiederholt Instandsetzungsmaßnahmen an und setzte im Jahr 2011 ein Bußgeld gegen sie fest. Alle Bemühungen der Angeklagten, Grundstück und Gastwirtschaft zu verkaufen, schlugen fehl.
3
Bereits seit 2010 hatte die Angeklagte Z. deshalb erwogen, sich der finanziellen Lasten durch die Verursachung eines Brandes oder einer Explosion des „K. “ zu entledigen. Ende 2011gewann sie den Angeklagten T. , der im „K. “ als Hilfskoch beschäftigt war, für die Durchführung ihres Planes. Nach ihrer Vorstellung sollte der Angeklagte T. während der jährlichen Betriebsruhe zum Jahreswechsel 2011/2012 durch Manipulationen an der Gas- oder Stromleitung eine Explosion oder einen Brand auslösen. Die Angeklagte Z. beabsichtigte, die Entschädigungsleistungen aus den für das „K. “ abgeschlossenen Versicherungsverträgen, insgesamt ca. 630.000 Euro, zu kassieren. Dem Angeklagten T. , der für seine Mitwirkung ein Überbrückungsgeld in Höhe von 1.000 Euro gefordert hatte, bot sie ein Drittel der Versicherungssumme als Belohnung an.
4
Am 3. Januar 2012 trafen sich die Angeklagten gegen 18:00 Uhr in der Gaststube des „K. “. Nach Aushändigung einer Teilsumme des geforder- ten Überbrückungsgeldes erklärte der Angeklagte T. der Angeklagten Z. , er werde die Gasleitung in der Küche an zwei Stellen öffnen. Entweder entzünde sich das Gas über Nacht von selbst, oder er werde es am Folgetag mittels eines langstieligen Feuerzeugs von einem Nachbarraum aus anzünden. Während sich die Angeklagte Z. in der Folge bis etwa 19:00 Uhr in ihrer über der Gaststube gelegenen Wohnung aufhielt, öffnete der Angeklagte T. die Gasleitung. Als die Angeklagte Z. nach dem Abschluss seiner Tathandlungen nicht erschien, wartete er zunächst innerhalb, sodann außerhalb des Hauses auf sie, entfernte sich aber schließlich allein vom Gelände. Die Angeklagte Z. verließ dieses zu einem nicht genauer bestimmbaren Zeitpunkt während des Abends, um bei ihrem Lebensgefährten zu übernachten.
5
Am 4. Januar 2012 um 4:15 Uhr kam es durch eine nicht näher bekannte Zündquelle zur Explosion, die das gesamte Gebäude bis zur Abbruchreife beschädigte. Durch die Druckwelle und herumfliegende Trümmer wurden die im Umkreis von acht bis vierzig Meter stehenden, teils bewohnten Gebäude erheblich beschädigt. Die in der angrenzenden Reithalle untergestellten Pferde kamen nur durch einen Zufall nicht zu Schaden. Eine konkrete Gefahr für Men- schen bestand nur deshalb nicht, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine Personen im Umkreis des Gebäudes tätig waren.
6
Nach den Feststellungen der Strafkammer war die für eine Explosion ausreichende Menge ausgeströmten Propangases bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung erreicht und dadurch ein für die Angeklagten, wie von ihnen gebilligt, im Weiteren unkontrollierbarer Verlauf in Gang gesetzt worden. Beide wussten, dass es sich um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte; sie nahmen zugleich billigend in Kauf, dass die Explosion auch wesentlich stärker hätte ausfallen können und dadurch nicht nur das „K. “ selbst, sondern auch Menschen, die sich zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich hätten gefährdet werden können.
7
In den Tagen nach der Tat ließ die Angeklagte Z. durch ihren Cousin und ihre Rechtsanwältin bei zwei Versicherern Ansprüche erheben. Wegen des bereits kurz nach der Tat aufkommenden Manipulationsverdachts erfolgten jedoch bis heute keine Entschädigungsleistungen.
8
2. Mit ihren Revisionen rügen beide Angeklagten die Verletzung sachlichen Rechts, die Angeklagte Z. darüber hinaus die Verletzung von Verfahrensrecht. Beide Revisionen erzielen mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

II.


9
Die Verfahrensrüge, mit der die Angeklagte Z. die Unverwertbarkeit zweier Mitschnitte eines Gesprächs beider Angeklagter am 8. März 2012 beanstandet , das mit Wissen und unter Mithilfe des Angeklagten T. von den Ermittlungsbehörden abgehört und aufgezeichnet worden war, bleibt erfolglos.
10
Mit ihrem Vortrag, der Verteidiger habe zum Abspielen des zunächst am 11. Hauptverhandlungstag eingeführten ersten Mitschnitts („Kurzversion“) eine „Erklärung“ abgegeben, genügt die Revision bereits nicht den Darlegungsanfor- derungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Sie teilt nicht mit, ob die Angeklagte durch diese „Erklärung“ ihres Verteidigers der Verwertung der Aufzeichnung rechtzeitig widersprochen oder ihr zugestimmt hat. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, weil ein etwa bestehendes Verwertungsverbot für sie disponibel war (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05, BGHSt 51, 1). Die von der Revision für ihre abweichende Auffassung in Bezug genommene Entscheidung des Senats vom 22. August 1995 (1 StR 458/95) ist auf Fälle wie den vorliegenden nicht anwendbar.
11
Soweit die Revision zudem die Verwertung eines am 16. Hauptver- handlungstag eingeführten weiteren Mitschnitts desselben Gesprächs („Langversion“ ) beanstandet, ist die Rüge unbegründet. Die Revision trägt vor, der Verteidiger habe diese Aufzeichnung zunächst eigens von einem Tontechniker bearbeiten lassen und sie sodann am 16. Hauptverhandlungstag dem Gericht übergeben. Gegen das angekündigte Abspielen dieser Aufzeichnung wurden allseits „keine Einwendungen erhoben“. Durch dieses Geschehen hat die Ange- klagte jedoch deutlich gemacht, dass sie den Mitschnitt gerade in die Hauptverhandlung einzuführen wünschte; infolgedessen ist ihr die Berufung auf ein Ver- wertungsverbot in der Revisionsinstanz versagt (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05, BGHSt 50, 272 mwN).

III.


12
Bei sachlich-rechtlicher Überprüfung des Urteils hält der Schuldspruch wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion hinsichtlich beider Angeklagter revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
13
1. Die Wertung der Strafkammer, die Angeklagten hätten nicht nur vor- sätzlich die Explosion des „K. “ herbeigeführt, sondern auch die Gefähr- dung von Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremder Sachen von bedeutendem Wert billigend in Kauf genommen, beruht nicht auf einer tragfähigen Beweiswürdigung.
14
Die hierzu von der Strafkammer getroffenen Feststellungen, - die Angeklagten hätten zumindest billigend in Kauf genommen, dass aufgrund der Öffnung der Gasleitung so viel Propangas in die Küche ausströmte, dass die hinsichtlich einer Explosion „gefahrdrohende Gasmenge bereits unmittelbar mit dem manipulativen Aufdrehen der Gaszufuhr praktisch erreicht“ war, und - die Angeklagten hätten gewusst, „dass es sich nach dem Öffnen der Gasleitungen um einen für sie völlig unkontrollierbaren Vorgang handelte“ , und dabei zugleich billigend in Kauf genommen, „dass die Explosion auch wesentlich stärker ausfallen könnte und dadurch (…) nicht nur das ‚K. ‘ selbst (…),sondern auch Menschen, die sich zufällig gerade in der Nähe aufhielten, und fremde Nachbargebäude sowie die Pferde im Reitstall jedenfalls erheblich gefährdet (…) werden würden“, werden von der Beweiswürdigung nicht getragen.
15
a) Zum Beleg eines Fremdgefährdungsvorsatzes stützt sich die Strafkammer - auch hinsichtlich der insgesamt bestreitenden Angeklagten Z. - auf die Angaben des Angeklagten T. .
16
Nach dessen subjektiver Vorstellung, über die er auch die Angeklagte Z. informiert hatte, habe es zwei mögliche Geschehensabläufe gegeben: Entweder komme es nach dem Öffnen der Gasleitung ohne weitere Einwirkung im Verlauf der Nacht zur Explosion, oder er selbst werde das Gas am nächsten Tag durch eine Verbindungstür zur Küche mittels eines langstieligen Feuerzeugs anzünden. Den zweiten Geschehensablauf habe er für wahrscheinlicher gehalten; die Angeklagte Z. habe ihm deshalb auch einen Hausschlüssel ausgehändigt. Nach dem Abschluss der Arbeiten an der Gasleitung, während derer die Angeklagte Z. mehrfach aus ihrer im Obergeschoss gelegenen Wohnung herunter gekommen sei und sich danach erkundigt habe, wie lange es noch dauere, habe er - zunächst im Haus und sodann außerhalb des Hauses - noch einige Zeit auf sie gewartet; sie sei jedoch nicht gekommen, weshalb er alleine weggegangen sei. Am Folgetag habe sie ihm telefonisch mitgeteilt, er brauche nicht mehr zu kommen, weil „es“ schon passiert sei.
17
Zu seiner Vorstellung von den zu erwartenden Schäden und Gefahren hat der Angeklagte T. angegeben, es sei entweder eine Explosion oder ein Brand geplant gewesen. Vorrangig habe die Küche brennen sollen, das Übergreifen des Feuers auf andere Gebäudeteile sei aber ebenso wie eine Explosion einkalkuliert gewesen. Die Angeklagte Z. habe ihm gegenüber geäu- ßert, es habe „bumm“ machen und die Küche bzw. das Gasthaus habe brennen sollen. Er habe mit dem tatsächlichen Ausmaß der Explosion nicht gerechnet; erst durch die Berichterstattung in den Fernsehnachrichten sei ihm bewusst geworden, dass er selbst hätte getötet werden können.
18
b) Aus diesen von der Strafkammer als glaubhaft erachteten Angaben ergibt sich indes nicht, dass der Angeklagte T. davon ausging, bereits unmittelbar nach dem Öffnen der Gasleitung sei die für eine Explosion erforderliche Gasmenge erreicht gewesen. Gleiches gilt für die Angeklagte Z. , die ihr Wissen über den technischen Ablauf des Vorhabens ausschließlich über den Angeklagten T. bezog. Die Beweiswürdigung belegt vielmehr für beide Angeklagte eine auf einen späteren, gegebenenfalls sogar zusätzliches aktives Eingreifen erfordernden Erfolg ausgerichtete subjektive Vorstellung.
19
c) Es ist im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte T. einerseits von einer für ihn selbst gefahrlosen späteren Entzündung des Gases aus dem Nachbarraum, andererseits aber von einem von Beginn an unkontrollierbaren Vorgang ausgegangen sein soll, der eine erhebliche Gefährdung außerhalb des Hauses befindlicher fremder Sachwerte mit sich brachte. Gleiches gilt für die Angeklagte Z. , die nicht nur aufgrund des ihr vonT. in Aussicht gestellten Geschehensablaufs diesem den Haustürschlüssel ausgehändigt , sondern sich selbst noch über einen längeren Zeitraum in dem Gebäude aufgehalten hat, ohne sich in Gefahr zu wähnen.
20
2. Im Übrigen hat die sachlich-rechtliche Überprüfung des Urteils Rechtsfehler weder zum Nachteil der Angeklagten Z. noch zum Nachteil des Angeklagten T. ergeben.

IV.


21
1. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion bedingt hinsichtlich des Angeklagten T. auch die Aufhebung der Verurteilung wegen der tateinheitlich begangenen Beihilfe zum versuchten Betrug in zwei Fällen und der verhängten Freiheitsstrafe.
22
Auch bei der Revision der Angeklagten Z. führt die Aufhebungder Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs einschließlich der für die beiden versuchten Betrugstaten verhängten Einzelstrafen. Die Höhe dieser Einzelstrafen ist durch die aufgehobene Verurteilung wegen vorsätzlichen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion ersichtlich beeinflusst, denn die Strafkammer hat jeweils die Voraussetzungen eines (unbenannten) besonders schweren Falles (§ 263 Abs. 3 Satz 1 StGB) bejaht und dies maßgeblich mit der Anknüpfung dieser Taten an die Explosionstat und an die dadurch bewirkte, wegen des von den Angeklagten in Kauf genommenen „nicht mehr zu kontrollierenden Geschehensablaufes“ bestehende Gefährdung fremder Rechtsgüter begründet.
23
2. Die Feststellungen zum äußeren Geschehensablauf werden von den dargestellten Mängeln nicht berührt; sie können daher bestehen bleiben.

V.


24
Die Abfassung des Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, dass die Urteilsgründe nicht die Aufgabe haben, den Gang der Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie mit der Tat nicht im Zusammenhang stehendes Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben. Eine detaillierte Wiedergabe sämtlicher Aussageinhalte ist regelmäßig nicht veranlasst; darin liegt eine Beweisdokumentation , aber keine Beweiswürdigung (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2009 - 2 StR 147/09; Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 167/01, NStZ 2002,

49).


VI.


25
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass unter Berücksichtigung der neu zu treffenden Feststellungen zur inneren Tatseite auch eine Verurteilung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt eines (versuchten) Brandstiftungsdelikts in Betracht kommen kann.
Raum Rothfuß Graf
Radtke Mosbacher

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13 zitiert 3 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 263 Betrug


(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2005 - 1 StR 447/05

bei uns veröffentlicht am 09.11.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 447/05 vom 9. November 2005 in der Strafsache gegen Nachschlagewerk: ja BGHSt: ja Veröffentlichung: ja _________________________ StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2; Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 G

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. März 2006 - 1 StR 316/05

bei uns veröffentlicht am 07.03.2006

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 316/05 vom 7. März 2006 in der Strafsache gegen BGHSt: nein Veröffentlichung: ja ________________________ StPO §§ 100a, 238, 267 1. Die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer TelekommunikationsÜberwach

Bundesgerichtshof Urteil, 17. Aug. 2001 - 2 StR 167/01

bei uns veröffentlicht am 17.08.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 167/01 vom 17. August 2001 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 2001, a
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Sept. 2013 - 1 StR 264/13.

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2018 - 4 StR 191/18

bei uns veröffentlicht am 27.09.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 191/18 vom 27. September 2018 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. ECLI:DE:BGH:2018:270918B4STR191.18.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgericht

Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Jan. 2018 - 4 StR 305/17

bei uns veröffentlicht am 17.01.2018

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 305/17 vom 17. Januar 2018 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Computerbetruges u.a. ECLI:DE:BGH:2018:170118B4STR305.17.0 Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - 1 StR 454/14

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 S t R 4 5 4 / 1 4 vom 13. Januar 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar 20

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 316/05
vom
7. März 2006
in der Strafsache
gegen
BGHSt: nein
Veröffentlichung: ja
________________________
1. Die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahme
zu Beweiszwecken muss der Tatrichter in der
Hauptverhandlung ausdrücklich nur dann prüfen, wenn der Angeklagte der
Verwertung rechtzeitig widerspricht.
2. Im Fall einer Kette von aufeinander beruhenden TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahmen
ist der Prüfungsumfang für die Frage der Verwertbarkeit
auf die Überwachungsmaßnahme beschränkt, der die Erkenntnisse
unmittelbar entstammen.
BGH, Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 316/05 - Landgericht NürnbergFürth
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. März 2006 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 28. Februar 2005 wird verworfen. 2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit einer Verfahrensrüge und der Sachbeschwerde.
2
Die Revision hat keinen Erfolg, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Näherer Erörterung bedarf lediglich die Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte die Verwertung von Erkenntnissen aus der Überwachung von Telefonanschlüssen beanstandet.
4
1. Die Verurteilung wegen neun Fällen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge stützt sich im Wesentlichen auf Zufallserkenntnisse, die anlässlich der Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation beim gesondert Verfolgten B. in dem gegen diesen geführten Ermittlungsverfahren gewonnen wurden. Gegen B. hatte der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Halle-Saalkreis nach §§ 100a, 100b StPO mit Beschlüssen vom 27. Februar 2003 und vom 21. Mai 2003 Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) angeordnet. Der diesen Beschlüssen zugrunde liegende Verdacht gegen B. gründete sich auf Erkenntnisse aus einer weiteren Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme beim gesondert Verfolgten Ba. . Gegen diesen hatte der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Halle-Saalkreis am 13. Februar und 9. Mai 2003 Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen nach §§ 100a, 100b StPO angeordnet, wobei die den Verdacht gegen Ba. begründenden Erkenntnisse ihrerseits einer Telekommunikations -Überwachungsmaßnahme beim gesondert Verfolgten F. entstammten.
5
Die Zufallserkenntnisse aus der Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme bei B. sind gegen den rechtzeitig erhobenen Widerspruch eines Verteidigers des Angeklagten im Wege des Augenscheins und durch Vernehmung eines ermittelnden Polizeibeamten nach einem entsprechenden Gerichtsbeschluss in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten bei den neun Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge begründet das Landgericht im Wesentlichen mit den Zufallserkenntnissen aus der Telekommunikations -Überwachungsmaßnahme bei B. .
6
2. Die Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass die Erkenntnisse aus der Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme bei B. nicht hätten verwertet werden dürfen, hat keinen Erfolg.
7
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dürfen mit Blick auf die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens die aus einer Telekommunikations -Überwachungsmaßnahme gewonnenen Erkenntnisse nicht als Beweismittel verwendet werden, falls wesentliche sachliche Voraussetzungen für die Anordnung der Überwachungsmaßnahme fehlten (vgl. BGHSt 31, 304, 308 f.; 32, 68, 70; 41, 30, 31; 48, 240, 248). Dies gilt auch für die Verwertbarkeit von Zufallserkenntnissen i.S.v. § 100b Abs. 5 StGB (vgl. BGHSt 48, 240, 249; BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 10).
8
b) Grundsätzlich ist jedoch nach Auffassung des Senats ein Verwertungsverbot für den Angeklagten disponibel. Der Angeklagte muss in dem Fall, dass wesentliche sachliche Voraussetzungen für die Überwachungs-Anordnung fehlten, selbst entscheiden können, ob er die Verwertung der Erkenntnisse aus einer solchen Maßnahme gleichwohl wünscht oder nicht. Denn er kann ein gewichtiges Interesse an der Verwertung für ihn günstiger Erkenntnisse haben, etwa um einen Entlastungsbeweis zu führen oder um seine Einlassung zu untermauern , sein Tatbeitrag sei allenfalls untergeordneter Natur oder seine Schuldfähigkeit sei beeinträchtigt gewesen. Dass derartige Fallgestaltungen in der Praxis nicht selten sind, zeigt sich daran, dass bei etwa 80 Prozent aller Verfahrensrügen im Zusammenhang mit Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen vom Angeklagten geltend gemacht wird (§ 244 Abs. 2 StPO), zur Entlastung hätten weitere Überwachungsprotokolle eingeführt werden müssen (vgl. Nack, Die Telekommunikationsüberwachung in der strafverfahrensrechtlichen Praxis, Bericht über das 24. Triberger Symposium 2003 S. 48). Hieraus folgt, dass der Tatrichter in der Hauptverhandlung die Rechtmäßigkeit einer Te- lekommunikationsmaßnahme regelmäßig nur dann zu überprüfen braucht, wenn der Angeklagte der Verwertung rechtzeitig widerspricht (vgl. BGHR StPO § 100a Verwertungsverbot 11), wie auch der Richter während des Hauptverfahrens ohnehin nicht gehalten ist, die materielle Rechtmäßigkeit jeder Ermittlungshandlung während des Vorverfahrens von vorneherein in Zweifel zu ziehen. Das erkennende Gericht darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass das Ermittlungsverfahren entsprechend den gesetzlichen Vorgaben geführt wurde. Dies gilt erst Recht bei Ermittlungsmaßnahmen, die einer vorherigen Überprüfung im Rahmen einer notwendigen richterlichen Gestattung (vgl. § 162 Abs. 3 StPO) unterliegen, wie z.B. die Durchsuchung, die Beschlagnahme oder eben auch die Überwachung der Telekommunikation, zumal dann für eine zusätzliche - in aller Regel auch bei Erledigung der Maßnahme - nachträgliche Kontrolle schon während des Vorverfahrens das Beschwerdeverfahren offen steht (soweit nicht § 304 Abs. 4, 5 StPO Ausnahmen vorsieht).
9
Dem Vorsitzenden und dem Gericht ist es freilich nicht verwehrt, die in die Hauptverhandlung einzuführenden Beweismittel auf ihre Verwertbarkeit zu prüfen. Für Erkenntnisse aus einer Telekommunikations-Überwachung gilt:
10
Gelangt der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass der Kernbereich der privaten Lebensgestaltung (vgl. BVerfGE 109, 279; Senat NJW 2005, 3295) berührt ist und deshalb ein Beweisverwertungsverbot vorliegt, so sieht er von der Aufnahme des Beweises ab. Wollen die Verfahrensbeteiligten - weil sie anderer Ansicht sind - gleichwohl den Beweis erheben lassen, so müssen sie einen hierauf gerichteten Antrag stellen. Auch über ein derartiges Verwertungsverbot kann der Angeklagte disponieren, soweit allein seine eigene Sphäre tangiert ist (vgl. Senat NJW 2005, 3295, 3298).
11
Hat der Tatrichter im Übrigen Bedenken gegen die Verwertbarkeit, kann er darauf verzichten, dieses Beweismittel zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen. Es ist ihm, auch wenn er aus Rechtsgründen dazu nicht verpflichtet ist, nicht verwehrt, die Verfahrensbeteiligten entsprechend zu unterrichten. Wollen die Verfahrensbeteiligten gleichwohl das Beweismittel in die Hauptverhandlung einführen, so müssen sie dies beantragen.
12
Ordnet der Vorsitzende die Aufnahme des Beweises an, so müssen die Verfahrensbeteiligten, wenn sie ein Verwertungsverbot geltend machen wollen, der Anordnung widersprechen und gegebenenfalls einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO herbeiführen.
13
Soweit der 3. Strafsenat in BGHSt 47, 362, 366 f. ausgeführt hat, der Tatrichter habe den Beschluss über die Anordnung von TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahmen s t e t s von Amts wegen zu überprüfen, wobei das Unterlassen der Überprüfung einen eigenständigen revisiblen Rechtsfehler darstelle, der im Einzelfall zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils in der Revision führen könne, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Unabhängig davon, dass es auf diese Frage im vorliegenden Fall nicht ankommt, wäre der Senat an die Auffassung des 3. Strafsenats nicht gebunden, weil dessen Ausführungen nicht tragend sind; denn in jenem Fall hatten die Angeklagten die Verwertung ausdrücklich beanstandet (vgl. BGHSt 47, 362, 363). Hier ist das Landgericht zudem den in BGHSt 47, 362 formulierten Anforderungen nachgekommen.
14
c) Des Weiteren ist es nach Auffassung des Senats von Rechts wegen nicht geboten, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen die Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus einer Telekommunikations-Überwachung darlegt. Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln sind von § 267 StPO nicht vorge- schrieben. Die Frage, ob die ermittlungsrichterliche Anordnung von Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen rechtens ist, unterliegt wie jede Verfahrensfrage dem Freibeweis. Im Urteil sind deshalb Ausführungen zur Verwertbarkeit nicht veranlasst, wenn der Tatrichter die Beweisaufnahme auf Aufzeichnungen aus einer Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme erstreckt hat. Auf eine entsprechende Verfahrensrüge hin prüft das Revisionsgericht freibeweislich, ob die Erkenntnisse aus der TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahme unverwertbar sind und das Urteil hierauf beruht.
15
d) Die Revision rügt vorliegend, die Kammer habe ihre Prüfungspflicht verletzt, indem sie nicht hinreichend aufgeklärt habe, ob die gegen B. erlassenen Beschlüsse rechtmäßig waren oder nicht. Zudem habe es die Kammer unterlassen, den kompletten Aktenbestand in den Verfahren gegen B. , Ba. und F. beizuziehen und auszuwerten. Schließlich habe sie nur die gegen B. erlassenen Beschlüsse einer näheren Überprüfung unterzogen. Da die verwerteten Zufallserkenntnisse auf einer Kette von Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen beruhten, hätten aber alle Maßnahmen - also auch hinsichtlich Ba. und F. - entsprechend geprüft werden müssen. Dass der Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Halle-Saalkreis die Beschlüsse vom 27. Februar und 21. Mai 2003, mit denen er Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen gegen B. anordnete, nicht hätte erlassen dürfen, behauptet die Revision jedoch nicht.
16
Die Rüge orientiert sich damit an den vom 3. Strafsenat (in BGHSt 47, 362) formulierten Anforderungen für die Überprüfung von Anordnungen von Maßnahmen zur Telekommunikations-Überwachung. Während es in dem vom 3. Strafsenat entschiedenen Fall allerdings allein um die Anordnung der Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen ging, der die in der Hauptverhandlung verwerteten Erkenntnisse entstammten, will der Beschwerdeführer die Grundsätze auch auf eine Kette von Überwachungsmaßnahmen übertragen, wenn nämlich Ergebnisse einer Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme verwertet werden sollen, deren Anordnung ihrerseits auf Erkenntnissen aus einer vorangegangenen Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme beruht.
17
aa) Die Anordnungen von Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen gegen B. sind frei von Rechtsfehlern, welche ein Beweisverwertungsverbot begründen könnten. Die Kammer hat aufgrund eigenständiger Prüfung festgestellt, dass die Anordnungsvoraussetzungen des § 100a Satz 1 StPO beim Erlass vorlagen.
18
Das Landgericht hat die Anordnungen der Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen durch den zuständigen Ermittlungsrichter gegen B. auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft. Es hat den Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung rekonstruiert und auf dieser Grundlage die Anordnungen nach Maßgabe der Rechtsprechung (vgl. BGHSt 41, 30, 33 f.; 47, 362, 365 f.; 48, 240, 248) geprüft. Die Kammer hat insbesondere die vom Ermittlungsrichter in Bezug genommenen Überwachungsprotokolle, die im Rahmen der Maßnahmen gegen Ba. erstellt wurden und auf die sich auch der Verdacht gegen B. stützte, in die Prüfung einbezogen und ausgewertet (UA S. 13 f.). Daraus hat das Landgericht gefolgert, dass sich zum Anordnungszeitpunkt aus den vom Ermittlungsrichter in Bezug genommenen Verfahrensunterlagen schlüssig der Verdacht einer Katalogtat i.S.v. § 100a Satz 1 Nr. 4 StPO ergab, nämlich zumindest der des gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG (UA S. 15). Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die Strafkammer hat auch rechtsfehlerfrei die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes und die Vertretbarkeit der zweiten Anordnung von Telekommunikations-Überwa- chungsmaßnahmen vom 21. Mai 2003 bejaht (UA S. 16), was angesichts der insoweit eindeutigen Sachlage keiner näheren Begründung bedurfte.
19
Soweit angebracht, hat die Kammer zudem die Ermittlungsakten hinsichtlich B. ausgewertet und den Prozessbeteiligten zur Kenntnis gebracht. Zwar hat sie nicht den kompletten das Verfahren gegen B. betreffenden Aktenbestand beigezogen; jedoch war eine Beiziehung auch nur insoweit erforderlich, als es den Ermittlungsstand im damaligen Verfahren zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungen nach § 100a StPO betraf. Folgende Unterlagen lagen der Strafkammer vor: Die gegen B. ergangenen Anordnungen waren ohnehin Teil der im Verfahren gegen den Angeklagten angelegten Ermittlungsakten. Daneben hat das Landgericht die beiden gegen Ba. ergangenen Beschlüsse, den entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass des ersten Beschlusses sowie 36 Abschriften der im Rahmen der Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen bei Ba. erstellten Aufzeichnungen von Telefongesprächen beigezogen. Diese Unterlagen haben vorliegend ausgereicht, um die erforderliche Überprüfung durchführen zu können.
20
bb) Auch die Rüge, die Kammer habe die vorausgegangenen Telekommunikations -Überwachungsmaßnahmen gegen Ba. und F. nicht hinreichend in ihre Prüfung mit einbezogen, dringt nicht durch.
21
Im Fall einer Kette von aufeinander beruhenden Überwachungsmaßnahmen ist die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf die Anordnung der Telekommunikations -Überwachungsmaßnahme beschränkt, der die verwerteten Erkenntnisse unmittelbar entstammen. Eine Fernwirkung durch die Rechtswidrigkeit nur einer vorgelagerten, für das Verfahren selbst nicht unmittelbar beweiserheblichen Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme ergibt sich nicht (so auch OLG Hamburg StV 2002, 590, 592).
22
Ob Erkenntnisse aus einer Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme , die auf der Grundlage von Erkenntnissen aus einer wegen Fehlens wesentlicher sachlicher Voraussetzungen vorangegangenen anderen rechtswidrigen Überwachungsmaßnahme angeordnet worden ist, ebenfalls unverwertbar sind, hat der Bundesgerichtshof - soweit ersichtlich - noch nicht entschieden. Eine Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten hat er jedoch grundsätzlich abgelehnt (vgl. BGHSt 27, 355, 357 f.; 32, 68, 70 f.; 34, 362, 364; BGHR StPO § 110a Fernwirkung 1; NStZ 1996, 48; NStZ 1996, 200, 201; NStZ 1998, 426, 427). Allenfalls ausnahmsweise kann nach der Sachlage und der Art des Verwertungsverbots dessen Fernwirkung anzunehmen sein. Für das Verwertungsverbot des § 7 Abs. 3 G 10 bei einer Telefonüberwachung nach § 1 G 10 hat der Bundesgerichtshof eine Fernwirkung bejaht, wobei er ausdrücklich offen gelassen hat, ob Gleiches auch für Überwachungsmaßnahmen nach § 100a StPO gilt (vgl. BGHSt 29, 244, 247 ff.). Später hat er im Fall einer unter Verstoß gegen § 100a StPO angeordneten Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme entschieden, dass die Geständnisse der aufgrund dieser Überwachungsmaßnahme ermittelten Angeklagten verwertet werden dürfen, soweit sie nicht durch einen unzulässigen Vorhalt aus der TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahme - im Sinne einer Fortwirkung des Verwertungsverbots - beeinflusst sind; auch die Aussagen von Zeugen, die durch weitere Ermittlungen aufgrund von Erkenntnissen aus einer TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahme bekannt geworden sind, sind verwertbar (so BGHSt 32, 68, 70 f.). Die Literatur bejaht hingegen überwiegend eine Fernwirkung des Verwertungsverbots bei Erkenntnissen aus einer rechtswidrigen Telekommunikations -Überwachungsmaßnahme (vgl. die Nachweise bei Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 100a Rdn. 116).
23
An dem allgemeinen Grundsatz, dass Beweisverwertungsverboten keine Fernwirkung zukommt, ist festzuhalten. Ein Verfahrensfehler, der ein Verwer- tungsverbot für ein Beweismittel bewirkt, darf nicht ohne weiteres dazu führen, dass das gesamte Strafverfahren „lahmgelegt“ wird. Dies hat der Bundesgerichtshof schon mehrfach mit Blick auf das Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung ausgeführt (vgl. BGHSt 27, 355, 358; 32, 68, 71; 34, 362, 364; 35, 32, 34; ferner BGHR StPO § 110a Fernwirkung 1). Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt das unabweisbare Bedürfnis einer wirksamen Strafverfolgung und Verbrechensbekämpfung hervorgehoben, das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des rechtsstaatlichen Gemeinwesens bezeichnet (vgl. BVerfGE 77, 65, 76; 80, 367, 375; BVerfG Kammer NStZ 1996, 45).
24
Bei einer Kette von aufeinander beruhenden Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen , welche gerade bei Ermittlungsverfahren wegen Straftaten nach dem BtMG nicht selten vorkommt, würde die Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots infolge einer rechtswidrigen TelekommunikationsÜberwachungsmaßnahme zu einem Dominoeffekt führen. Dann hätte die fehlerhafte Annahme des Verdachts einer Katalogtat bei der Anordnung der Ausgangsüberwachung die Nichtverwertbarkeit aller Erkenntnisse aus einer Vielzahl nachfolgender Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen zur Folge. Vor diesem Hintergrund verbietet bereits das Interesse an der Aufklärung des wahren Sachverhalts die Annahme einer Fernwirkung. Zudem ist zu berücksichtigen , dass mit einer möglichen Fernwirkung einhergehende Prüfungspflichten - zumindest auf den Widerspruch des Angeklagten hin - es im Einzelfall erforderlich machen würden, alle Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen bis hin zur Ausgangsüberwachung einer eingehenden Untersuchung anhand des Aktenbestandes im jeweiligen Verfahren zu unterziehen. Ein solcher Prüfungsumfang ist - insbesondere auch vor dem Hintergrund des mit der Beiziehung und Auswertung eines umfangreichen Aktenbestands in besonderem Maße berührten Beschleunigungsgebots in Strafsachen - weder veranlasst noch geboten. Die Überprüfung von Telekommunikations-Überwachungsmaßnahmen ist auch mit Blick auf das Beschleunigungsgebot vielmehr auf diejenige Maßnahme zu beschränken, der die verwerteten Erkenntnisse entstammen. Dies kann dazu beitragen, ein den Angeklagten erheblich belastendes, mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht in Einklang stehendes überlanges Verfahren zu vermeiden.
25
Der beschränkte Prüfungsumfang rechtfertigt sich auch deshalb, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Ergebnisse aus einer möglicherweise nicht rechtmäßigen Telekommunikations-Überwachungsmaßnahme sich inhaltlich auf die Erkenntnisse aus einer daraufhin - für sich gesehen - rechtsfehlerfrei angeordneten Maßnahme zur Überwachung der Telekommunikation auswirken könnten. Dem Schutz des von der Telekommunikations-Überwachung Betroffenen ist überdies dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass jedenfalls für die beweismäßig entscheidende Überwachungsmaßnahme die Anordnungsvoraussetzungen vorgelegen haben müssen. Nack Schluckebier Kolz Hebenstreit Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 447/05
vom
9. November 2005
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2; Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs.
1 GG
Der in der ersten Hauptverhandlung unterlassene oder verspätete Widerspruch
sonstiger Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens kann
nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen
Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden.
BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05 - LG Baden-Baden
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 10. Juni 2005 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


Zu der Verfahrensrüge, die die Verwertbarkeit der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 in Abwesenheit des bestellten Verteidigers und ohne Dolmetscher betrifft, bemerkt der Senat: I. Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Am 15. September 2003 wurde der Angeklagte, italienischer Staatsangehöriger , der mehr als 30 Jahre in Deutschland gelebt hatte, aus spanischer Auslieferungshaft an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Zuvor war ihm bereits ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Termin zur Verkündung des Haftbefehls wurde bestimmt auf den 16. September 2003, 13.30 Uhr. Die
Staatsanwaltschaft setzte den Verteidiger und die für die Vorführung des Beschuldigten zuständige Kriminalpolizei vom Termin in Kenntnis. Ein Dolmetscher wurde vom Ermittlungsrichter geladen. Vor dem Haftrichtertermin erklärte sich der Angeklagte um 12.55 Uhr gegenüber KHK K. nach ordnungsgemäßer Belehrung zur Aussage ohne Hinzuziehung eines Verteidigers bereit. Dem Vernehmungsbeamten war die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht bekannt. Auch der Beschuldigte wusste davon nichts. Er gab eine geständige Einlassung ab und erklärte, er sei der deutschen Sprache mächtig. Um 13.30 Uhr benachrichtigte der Haftrichter den zuständigen Staatsanwalt , dass die Haftbefehlseröffnung sich verzögere, weil der Beschuldigte vor der Kriminalpolizei ein Geständnis ablege. Der Staatsanwalt unterrichtete den Verteidiger entsprechend. Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung endete um 13.50 Uhr. Beim Haftrichter sagte der Beschuldigte in Anwesenheit des Verteidigers und eines Dolmetschers nicht zur Sache aus. Mit Schriftsatz vom 18. September 2003 beanstandete der damalige Pflichtverteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 wegen der fehlenden Anwesenheit von Verteidiger sowie Dolmetscher , rügte einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und machte ein Verwertungsverbot geltend. Der Angeklagte ließ in der ersten Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht die Angaben aus der betreffenden Beschuldigtenvernehmung über seinen Verteidiger im Kern bestätigen und als seine Einlassung in Anwesenheit eines Dolmetschers vortragen. Ein Widerspruch gegen die Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der Hauptverhandlung nicht mehr erhoben.
Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung wegen Mordes in der Begehungsform der Heimtücke erstrebte, wurde das erstinstanzliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. In der zweiten Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich abweichend von seinen früheren Angaben in zwei unterschiedlichen Versionen eingelassen. Seinen früheren Verteidiger hat er von der Schweigepflicht nicht entbunden. Der Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der zweiten Hauptverhandlung widersprochen. Die Einlassung des Angeklagten aus der ersten Hauptverhandlung wurde durch die Vernehmung des damaligen Vorsitzenden eingeführt. Der Angeklagte wurde wegen eines heimtückisch begangenen Mordes verurteilt. Im neuen erstinstanzlichen Urteil hat sich das Schwurgericht dem Wortlaut nach "ergänzend" auf die Beschuldigtenvernehmung gestützt. II. Die von der Revision auf § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. 1. Grundsätzlich ist dem Beschuldigten vor seiner polizeilichen Vernehmung mitzuteilen, dass ihm bereits ein Verteidiger bestellt worden ist (BGH NStZ 1997, 502). Ob hier in dem Unterlassen der Mitteilung ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu sehen ist, der ein Verwertungsverbot nach sich ziehen könnte, kann der Senat offen lassen. Entgegen der oben zitierten Entscheidung ist dem Beschuldigten die Verteidigerbestellung hier nicht bewusst vorenthalten worden. Der Vernehmungsbeamte hatte keine Kenntnis davon. Der Staatsanwalt erfuhr von der polizeilichen Vernehmung erst, nachdem diese schon fortgeschritten war. Ob zu dem Zeitpunkt für ihn noch Unterrichtungsmöglichkeiten bestanden, ist nicht geklärt.
2. Der Angeklagte kann sich hier auf einen Verstoß gegen Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht berufen, weil er in der ersten Hauptverhandlung über seinen Instanzverteidiger, der noch im Ermittlungsverfahren Widerspruch erhoben hatte, die Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung im Kern bestätigen ließ und das Tatgeschehen erneut in Anwesenheit eines Dolmetschers einräumte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02). Das Unterlassen des Hinweises im Ermittlungsverfahren ist dadurch jedenfalls geheilt (BGHSt 22, 129; 27, 355, 359). Die Revision trägt zudem sowohl die Bestätigung der Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung über den damaligen Verteidiger in der ersten Hauptverhandlung als auch dessen Widerspruch im Ermittlungsverfahren nicht vor. Soweit eine Wiederholung des Widerspruchs in der ersten Hauptverhandlung nicht mehr erfolgte, ist ein Verteidigerverschulden nach einer bestätigenden Einlassung in der Hauptverhandlung nicht ersichtlich. 3. Generell ist der Verwertung einer Aussage, die unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahren nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG im Ermittlungsverfahren erlangt worden ist, bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt zu widersprechen (vgl. zur Widerspruchslösung BGHSt 38, 214; 42, 15, 22; BGH NStZ 1997, 502). Die Frage, ob der unterlassene oder verspätete Widerspruch in der ersten Hauptverhandlung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden kann (so BayObLG NStZ 1997, 99; OLG Celle StV 1997, 68; OLG Oldenburg StV 1996, 416; MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 25; Boujong in KK StPO 5. Aufl. § 136 Rdn. 28; ebenso für das Berufungsverfahren OLG Stuttgart NStZ 1997, 405),
ist, soweit ersichtlich, durch den Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Der Senat teilt die auch vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, dass in einem solchen Fall die Rüge präkludiert ist. Die Nichtausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der Frist führt in den genannten Fällen zum endgültigen Rechtsverlust. Dies ergibt sich daraus, dass es sich um ein prozessuales Gestaltungsrecht handelt, das nicht auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt ist. Das Ermittlungsverfahren bildet die Grundlage für das gesamte folgende gerichtliche Verfahren, auch nach Aufhebung des ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht. Der Angeklagte muss sich an einer nicht widersprochenen Einlassung aus dem Ermittlungsverfahren festhalten lassen. Deren Bestand kann nicht seiner Dispositionsfreiheit unterliegen , was schon im Fall einer Teilaufhebung des ersten Urteils deutlich wird. Der Angeklagte hat sich hier in der neuen Hauptverhandlung mit einem neuen Verteidiger einer anderen Verteidigungsstrategie bedient und sich nicht nur abweichend zur früheren Hauptverhandlung, sondern auch in der neuen Hauptverhandlung wechselnd eingelassen. Dies zeigt bereits die Notwendigkeit der Bindungswirkung an eine einmal getroffene Entscheidung bzw. an den eingetretenen Rechtszustand. Der frühere Verteidiger unterliegt der Schweigepflicht. Es entspricht der besonderen Verantwortung eines Verteidigers und seiner Fähigkeit, Mängel beim Zustandekommen einer Einlassung im Ermittlungsverfahren aufzudecken und zu erkennen, ob die Berufung auf ein etwa daraus resultierendes Verwertungsverbot einer sinnvollen Verteidigung dient (vgl. BGHSt 38, 214, 226). Deshalb wird der Angeklagte durch die Bindung an die Verwertbarkeit seiner unwidersprochen eingeführten und berücksichtigten Angaben aus dem Ermittlungsverfahren in seinen Verteidigungsrechten nicht beschränkt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob das Urteil auf den Angaben aus der beanstandeten Beschuldigtenvernehmung, die dem Wortlaut nach zwar "ergänzend" herangezogen wurde und "mit den übrigen Erkenntnissen der Beweisaufnahme in Einklang" steht, überhaupt beruht. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

(1) Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Urkundenfälschung oder Betrug verbunden hat,
2.
einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt oder in der Absicht handelt, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen,
3.
eine andere Person in wirtschaftliche Not bringt,
4.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger mißbraucht oder
5.
einen Versicherungsfall vortäuscht, nachdem er oder ein anderer zu diesem Zweck eine Sache von bedeutendem Wert in Brand gesetzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört oder ein Schiff zum Sinken oder Stranden gebracht hat.

(4) § 243 Abs. 2 sowie die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

(5) Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.

(6) Das Gericht kann Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).

(7) (weggefallen)

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 167/01
vom
17. August 2001
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
15. August 2001 in der Sitzung vom 17. August 2001, an denen teilgenommen
haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. h.c. Detter,
Dr. Bode,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
der Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
in der Verhandlung,
bei der Verkündung,
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
als Verteidiger,
als Nebenklägervertreterin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 15. September 2000 aufgehoben, soweit von der Feststellung besonders schwerer Schuld des Angeklagten abgesehen worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord, räuberischer Erpressung mit Todesfolge und mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen eingelegte , auf die Sachrüge gestützte und auf das Absehen von der Feststellung besonders schwerer Schuld des Angeklagten beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg. 1. Nach den Feststellungen begab sich der Angeklagte am Abend des 9. Dezember 1995 zusammen mit drei Mittätern, mit denen zusammen er am 5. Dezember 1995 aus der Justizvollzugsanstalt Sch. in L. ausgebrochen war, nach K. , um dort eine Gaststätte zu überfallen, die dem An-
geklagten bekannt war; hierbei war geplant, sich des Gastwirts zu bemächtigen und ihn zur Herausgabe von Bargeld zu zwingen, mit dem die weitere Flucht, namentlich die Beschaffung falscher Papiere finanziert werden sollte. Der geplante Überfall konnte nicht durchgeführt werden, weil die Gaststätte bei Ankunft der Täter bereits geschlossen hatte. Der Angeklagte, der aufgrund seiner Erfahrung, Durchsetzungskraft und Entschlossenheit die Rolle des Anführers der Gruppe innehatte und von dem im wesentlichen sämtliche Initiativen ausgingen, ordnete daher an, daß nun von allen vier Tätern eine im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Gaststätte befindliche Diskothek überfallen werden solle, in der sich noch zahlreiche Gäste aufhielten. Der Angeklagte war mit einer Pistole Kaliber 9 mm bewaffnet, der Mittäter Ad. mit einer Pistole Kaliber 7, 65 mm, der Mittäter K. mit einem langen Messer und der Mitangeklagte C. mit einer Baseballkeule; alle Täter waren mit Masken und Handschuhen ausgerüstet; die Beteiligten waren sich vor dem Eindringen in die Diskothek darüber einig, daß bei Widerstand von den Waffen - auch unter Inkaufnahme tödlicher Verletzungen - Gebrauch gemacht werden solle und daß man sich keinesfalls festnehmen lassen werde. Alsbald nach dem Eintritt in die Diskothek schoß der Angeklagte in die Decke, zwang die zahlreichen Besucher der Diskothek, sich auf den Boden zu legen, und mißhandelte und bedrohte diejenigen, die seinen Befehlen nicht alsbald Folge leisteten. Er selbst hielt am Boden liegenden Personen die Pistole an den Kopf und forderte sie zur Herausgabe von Geld und Wertsachen auf. Die Mittäter überwältigten den Kassierer, bedrohten andere Gäste und Angestellte und sammelten von den Opfern herausgegebene Wertsachen und Geldbeträge ein. Der Mittäter K. stieß dem Kassierer H. sein Messer mit Tötungsvorsatz zweimal wuchtig in den Bauch. Als der Mittäter Ad. die schwangere Ehefrau des Nebenklägers, eine Angestellte der Diskothek, in einen Nebenraum zu ziehen versuchte, und diese
um Hilfe rief, eilte ihr der Nebenkläger zu Hilfe. Der Angeklagte schoß daraufhin von hinten auf den Nebenkläger - einen Tötungsvorsatz hat das Landgericht insoweit nicht festgestellt -, verfehlte ihn aber. Als der Nebenkläger nun in einen Kampf mit dem Mittäter Ad. verwickelt wurde, kam diesem der Mittäter K. zu Hilfe, der dem Nebenkläger mit Tötungsvorsatz sein Messer in den Oberbauch stieß. Etwa zehn Minuten nach Beginn des Überfalls flohen die Täter. Die gesamte Beute bestand aus etwa 2.500,-- DM Bargeld und einigen Schmuckstücken. Der Angestellte H. verstarb noch am Tatort an den Folgen der Messerstiche ; der Nebenkläger, der schwer verletzt war, konnte durch zwei Operationen gerettet werden. Er leidet bis heute an schweren psychischen Folgen der Tat. Auch mehrere andere Tatopfer waren durch die Geschehnisse langfristig erheblich beeinträchtigt. Die vier Täter trennten sich später, nachdem sie weitere Straftaten begangen hatten; einer von ihnen ist bis heute flüchtig. Der Angeklagte, der sich am 30. Januar 1996 seiner Festnahme unter Schußwaffeneinsatz gegen zwei Polizeibeamte entzog, entkam zunächst über Italien in seine Heimat in Montenegro. Dort wurde er im Mai 1996 wegen Diebstahls von zwei Pkw während seiner Flucht zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt; vom Vorwurf des versuchten Mordes an einem Polizisten wurde er freigesprochen. Nach seiner vorzeitigen Entlassung im Dezember 1998 wurde er im Mai 1999 erneut in Sarajevo festgenommen und im Juli 1999 in die Bundesrepublik ausgeliefert. Im Dezember 2000, also nach dem Urteil in der vorliegenden Sache, ist er erneut mit einem anderen Häftling aus der Justizvollzugsanstalt in T. entwichen und seither flüchtig.
2. Die Ablehnung der Feststellung besonders schwerer Schuld im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, auf welche die Revision der Staatsanwaltschaft wirksam beschränkt ist, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat hierzu lediglich ausgeführt, daß "Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonders schweren Schuld nicht gegeben" seien (UA S. 288). Dem Revisionsgericht ist zwar bei der Nachprüfung der gemäß § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu treffenden Entscheidung eine ins einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; zu prüfen ist aber, ob der Tatrichter die ihm obliegende Aufgabe erfüllt hat, die für die Beurteilung des Einzelfalls maßgeblichen Umstände umfassend zu bewerten und im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Tat und Täterpersönlichkeit eine Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorzunehmen (vgl. BGHSt 40, 360, 370; BGHSt 41, 57, 62; BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10). Diese Prüfung ist dem Senat nicht möglich. Das Landgericht hat eine Vielzahl von Umständen festgestellt, auf welche es seine Charakterisierung des Angeklagten als "ungewöhnlich skrupellosen Menschen" stützt, "der sich ohne Rücksicht auf Recht und Gesetz und auf die berechtigten Interessen anderer Menschen das nimmt, was er zu brauchen glaubt" (UA S. 186). Hierzu zählen unter anderem die festgestellten zahlreichen gravierenden Vorstrafen sowie die mehrfachen Ausbrüche und Fluchtversuche aus Haftanstalten, weiterhin der Umstand, daß der Angeklagte auch nach seiner neuerlichen Flucht seinen Lebensunterhalt ausschließlich durch fortgesetzte Begehung von Straftaten auch der schweren Gewaltkriminalität bestritt. Die umfangreichen Feststellungen des Landgerichts zu den Einzelheiten der dem Tatgeschehen vorausgehenden und nachfolgenden Flucht zeigen, daß der Angeklagte - etwa bei Polizeikontrollen - bedenkenlos bereit war, sein Entkommen auch durch
gegebenenfalls tödlichen Einsatz von Schußwaffen zu erzwingen. Schwerwiegende , den Angeklagten belastende Gesichtspunkte ergeben sich auch aus den Umständen der verfahrensgegenständlichen Tat. Der Angeklagte hat nicht nur tateinheitlich die Tatbestände des vollendeten und des versuchten Mordes sowie der räuberischen Erpressung mit Todesfolge verwirklicht, sondern darüber hinaus durch sein ungewöhnlich brutales und rücksichtsloses Vorgehen gegen eine Vielzahl von Opfern, die teilweise langdauernde psychische Beeinträchtigungen erlitten haben, besonders gravierendes Unrecht verwirklicht, welches sich, wie der Generalbundesanwalt zutreffend hervorgehoben hat, von den gewöhnlich vorkommenden Fällen des Mordes deutlich abhebt. Die dem Nebenkläger Z. zugefügten schweren körperlichen und seelischen Schäden, die bis heute andauern, fallen hier ebenso gravierend ins Gewicht wie der Umstand , daß der Angeklagte bei der gesamten Tatausführung eine führende Rolle innehatte und daß sich die Mittäter von Anfang an einig waren, daß jeder Widerstand von Seiten der Opfer unter - unter Umständen tödlichem - Waffeneinsatz gebrochen werden müsse. Angesichts der Vielzahl der zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallenden Umstände und der ausführlichen Feststellungen des Landgerichts zu seiner weiter fortbestehenden besonderen Gefährlichkeit mußte sich eine umfassende Erörterung der besonderen Schuldschwere hier aufdrängen; die Erwägung , es lägen "keine Anhaltspunkte" vor, ist jedenfalls unrichtig und läßt nicht erkennen, ob der Tatrichter die maßgeblichen Gesichtspunkte erkannt und seine Entscheidung auf eine rechtsfehlerfreie Gesamtwürdigung gestützt hat. 3. Die Fassung des 292 Seiten umfassenden schriftlichen Urteils gibt Anlaß zu dem Hinweis, daß die Urteilsgründe nicht die Aufgabe haben, den
Gang der Ermittlungen oder der Hauptverhandlung sowie das mit der abgeurteilten Tat nicht im Zusammenhang stehende Randgeschehen in allen Einzelheiten wiederzugeben (vgl. BGH NStZ 1995, 20; BGHR StPO § 267 Darstellung 1; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 45. Aufl. § 267 Rdn. 1 und 12). Haben Zeugen oder Beschuldigte im Laufe des Verfahrens bei mehreren Vernehmungen unterschiedliche Angaben gemacht, so ist deren Darstellung in den Urteilsgründen auf die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte zu beschränken ; die Erörterung ist auf sachlich erhebliche Abweichungen zu konzentrieren. Eine bloße detaillierte Wiedergabe sämtlicher Aussageinhalte - hier unter anderem von zehn Vernehmungen des Mitangeklagten C. - ist regelmäßig nicht veranlaßt; sie kann die dem Tatrichter obliegende Darstellung der wesentlichen Entscheidungsgründe nicht ersetzen (vgl. BGH NStZ 1985, 184; 1997, 377; 1998, 51; NStZ-RR 2000, 293; vgl. auch Meyer-Goßner NStZ 1988, 532) und den Bestand des Urteils gefährden. Jähnke Detter Bode Otten Fischer