Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2017 - 1 StR 18/17

bei uns veröffentlicht am16.08.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 18/17
vom
16. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Anhörungsrüge
ECLI:DE:BGH:2017:160817B1STR18.17.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2017 beschlossen :
Die Anhörungsrüge der Verurteilten vom 23. Juni 2017 gegen den Senatsbeschluss vom 8. Juni 2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

1
Der Senat hat durch den beanstandeten Beschluss die Revision der Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 13. Oktober 2016 als unbegründet verworfen.
2
Mit ihrer Anhörungsrüge macht die Verurteilte geltend, ihr rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden, dass der Senat entschieden habe, ohne ihren Schriftsatz vom 27. Februar 2017 zur Kenntnis genommen zu haben. Erst am 22. Juni 2017 habe sie „durch ein Telefonat“ erfahren, dass dieser Schrift- satz dem Senat nicht vorgelegen habe, weil er entweder „postalisch verloren gegangen oder im Geschäftsgang des Gerichts fehlgeleitet worden ist“.
3
Tatsächlich ist der vor der Mitteilung des Antrags des Generalbundesanwalts nach § 349 Abs. 3 StPO datierte, an das Landgericht Mosbach adressierte Schriftsatz beim Senat erst mit der Anhörungsrüge vorgelegt worden.
4
Die innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO erhobene Anhörungsrüge hat in der Sache keinen Erfolg; denn es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vor (§ 356a StPO). Der Senat konnte bei seiner Entscheidung nur berücksichtigen, was ihm vorlag (vgl. BGH, Be- schlüsse vom 24. Juni 1993 – 4 StR 166/93, NStZ 1993, 552 und vom 19. November 2008 – 1 StR 593/08). Jedenfalls hat sich die unterbliebene Kenntnisnahme auf das Ergebnis der Revisionsentscheidung nicht ausgewirkt, so dass der Anspruch der Verurteilten auf rechtliches Gehör nicht „in entscheidungserheblicher Weise" verletzt worden ist (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 2. Juli 2014 – 4 StR 498/13 und vom 4. August 2010 – 3 StR 105/10, StraFo 2011, 55; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 356a Rn. 3).
5
Auf Grund der erhobenen Sachrüge hatte der Senat die Gründe des angefochtenen Urteils ohnehin umfassend auf Rechtsfehler zum Nachteil der Verurteilten zu überprüfen. Auch die Beanstandungen in dem Schriftsatz des Verteidigers zeigen einen solchen durchgreifenden, die Verurteilte beschwerenden Rechtsfehler nicht auf.
6
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. Senat, Beschluss vom 13. März 2017 – 1 StR 476/15, wistra 2017, 274 mwN). Raum Graf Bellay Cirener Radtke

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 465 Kostentragungspflicht des Verurteilten


(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 593/08
vom
19. November 2008
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2008 beschlossen
:
Die Anhörungsrüge des Verurteilten vom 13. November 2008 gegen
den Senatsbeschluss vom 7. November 2008 wird auf seine
Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat durch den beanstandeten Beschluss die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 18. Juni 2008 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
2
Die Revision hält rechtliches Gehör für verletzt. Die Revisionsbegründung vom 27. August 2008, ein weiterer Schriftsatz vom 26. September 2008 und die Erwiderung vom 4. November 2008 auf den Antrag des Generalbundesanwalts (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) - bei den Schriftsätzen vom 26. September 2008 und 4. November 2008 handelt es sich um Auszüge handschriftlicher Schreiben des Angeklagten an seine Verteidigerin, die diese dem Senat ohne weitere Ausführungen mit dem Bemerken vorlegte, sie übernehme für den Inhalt die Verantwortung - enthielten „erhebliche Rügen“. Daraus, so folgert sie, ohne dies freilich mit konkreten Erwägungen nachvollziehbar darzulegen, ergebe sich, dass der Senat das „tatsächliche Vorbringen offensichtlich überhaupt nicht“ zur Kenntnis genommen und erwogen habe.
3
Hinsichtlich der Revisionsbegründung und des Schriftsatzes vom 26. September 2008 ist dies falsch.
4
Die Gegenerklärung vom 4. November 2008 hat die Verteidigerin beim Landgericht eingereicht, obwohl § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO ausdrücklich bestimmt , dass eine etwaige Gegenerklärung „beim Revisionsgericht“ einzureichen ist. Dies führte dazu, dass sie dem Senat nicht vorlag, als er nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 Satz 2 StPO über die Revision entschied. Die Gegenerklärung ging erst einen Tag vor Eingang der Anhörungsrüge beim Bundesgerichtshof ein.
5
Der Senat konnte bei seiner Entscheidung jedoch nur berücksichtigen, was ihm vorlag (vgl. BGH NStZ 1993, 552). Er hat nicht dadurch rechtliches Gehör verletzt, dass die Verteidigerin ihre Gegenerklärung nicht an die im Gesetz vorgeschriebene Stelle gerichtet hat (vgl. auch Kuckein in KK 6. Aufl. § 356a Rdn. 6).
6
Eine, hier auch nicht beantragte, Wiedereinsetzung unter dem Gesichtspunkt vom Angeklagten nicht zu vertretenden Verteidigerverschuldens käme nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens nicht mehr in Betracht (BGH aaO; BGHR StPO § 33a Anhörung 1 m.w.N.).
7
Der Senat bemerkt jedoch, dass der Inhalt des Briefes des Angeklagten an seine Verteidigerin die Verwerfung der Revision als unbegründet auch dann nicht in Frage gestellt hätte, wenn die Gegenerklärung der Verteidigerin dem Senat rechtzeitig vorgelegen hätte. Selbst wenn also - was aus den dargelegten Gründen nicht der Fall ist - hinsichtlich der Gegenerklärung rechtliches Gehör verletzt wäre, wäre dies daher, anders als dies ein erfolgreicher Antrag gemäß § 356a StPO voraussetzt, nicht in entscheidungserheblicher Weise geschehen (vgl. Kuckein aaO Rdn. 5 m.w.N.).
8
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 465 StPO (vgl. Kuckein aaO Rdn. 14 m. w. N.). Nack Wahl Elf Graf Sander

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BESCHLUSS
4 StR498/13
vom
2. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2014 beschlossen:
Der Antrag des Verurteilten auf Nachholung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senats vom 27. Februar 2014 wird zurückgewiesen. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen. Von der Erhebung einer Gerichtsgebühr wird abgesehen (§ 21 GKG).

Gründe:


I.


1
Mit Beschluss vom 27. Februar 2014 hat der Senat das Verfahren auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 31. Mai 2013 gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Verurteilung wegen Betruges im Fall B III. 6 eingestellt und die Urteilsformel entsprechend neu gefasst. Ferner hat er das vorbezeichnete Urteil unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zurückverwiesen , soweit festgestellt worden ist, dass Ansprüche Verletzter einer Verfallserklärung entgegenstehen und der Wert des durch den Angeklagten Erlangten auf 873.068,45 € festgesetzt worden ist.

II.


2
Der nochmaligen Entscheidung des Senats liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
3
1. Dem Verteidiger des Angeklagten war der Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 349 Abs. 3 StPO am 9. Dezember 2013 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2013, beim Bundesgerichtshof eingegangen am selben Tage, hatte der Verteidiger in Erwiderung auf diesen Antrag die zuvor nur allgemein erhobene Sachrüge näher begründet. Bei seiner Beschlussfassung über das Rechtsmittel des Angeklagten am 27. Februar 2014 hat dem Senat dieser Schriftsatz aus nicht mehr aufklärbaren Gründen nicht vorgelegen.
4
2. Gleichwohl ist der zulässige, insbesondere rechtzeitig gestellte Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) im Ergebnis unbegründet.
5
a) Zwar hat der Senat den Anspruch des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) objektiv verletzt. Er hat den Schriftsatz des Verteidigers vom 11. Dezember 2013 mit dem Vortrag zur Sachrüge nicht zur Kenntnis genommen. Dies verhilft der Anhörungsrüge jedoch nicht zum Erfolg ; denn die unterbliebene Kenntnisnahme hat sich auf das Ergebnis der Revisionsentscheidung nicht ausgewirkt, so dass der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör nicht „in entscheidungserheblicher Weise“ verletzt worden ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 4. August 2010 – 3 StR 105/10, StraFo 2011, 55; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 356a Rn. 3).
6
b) Hätte der Senat den genannten Schriftsatz vor seiner Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten zur Kenntnis genommen, wäre diesem gleichwohl der Erfolg versagt geblieben.
7
Auf Grund der erhobenen Sachrüge hatte der Senat die Gründe des angefochtenen Urteils ohnehin umfassend auf Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten zu überprüfen. Auch die Beanstandungen in dem Schriftsatz des Verteidigers zeigen einen solchen durchgreifenden, den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht auf. Die Auffassung des Verteidigers, Anknüpfungspunkt für den Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung zum Nachteil des Polizeibeamten S. sei der Aufprall des Dienstfahrzeugs des Geschädigten S. auf den Pkw des Angeklagten gewesen, ist mit den Urteilsgründen nicht vereinbar. Danach hat das Landgericht im Zusammenhang mit diesem (ersten) Geschehensabschnitt ein fahrlässiges oder gar vorsätzliches Verhalten des Angeklagten in Bezug auf eine Verkehrsstraftat oder eine Körperverletzung gerade nicht als erwiesen angesehen (UA 58). Den strafrechtlichen Vorwurf leitet die Strafkammer vielmehr aus dem anschließenden, durch das versehentliche Einlegen des Rückwärtsganges durch den Angeklagten hervorgerufenen (zweiten) Kollisionsgeschehen her, bei dem das Fahrzeug des Geschädigten S. mit diesem am Steuer durch einen vom Angeklagten verursachten Aufprall ruckartig weggeschoben wurde (UA 45). Die mit der Anhörungsrüge in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen waren Gegenstand der Senatsberatung am 27. Februar 2014.
8
Dass der Angeklagte nach den Feststellungen in Panik handelte und sich dem polizeilichen Zugriff entziehen wollte, stellt die für den Tatbestand der fahrlässigen Körperverletzung erforderliche subjektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts hier nicht in Frage. Sein Erregungszustand erfüllt auch keines der in § 20 StGB genannten Eingangsmerkmale (vgl. BGH, Urteile vom 26. Oktober 1993 – 5 StR 493/93, BGHSt 39, 374 und vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, Rn. 31, insoweit in NStZ 2001, 29 nicht abgedruckt).
Sost-Scheible Cierniak Franke
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 105/10
vom
4. August 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. August 2010 beschlossen:
Der Antrag des Verurteilten auf Nachholung rechtlichen Gehörs gegen den Beschluss des Senats vom 11. Mai 2010 wird zurückgewiesen. Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen. Von der Erhebung der Gerichtsgebühr wird abgesehen (§ 21 GKG).

Gründe:

1
1. Mit Beschluss vom 11. Mai 2010 hat der Senat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 17. Dezember 2009 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Dabei hat ihm der Schriftsatz des vor dem Landgericht aufgetretenen Verteidigers, Rechtsanwalt P. , vom 18. Dezember 2009, mit dem dieser die Revision eingelegt und mit der allgemeinen Sachrüge begründet hatte, ebenso vorgelegen wie der Schriftsatz von Rechtsanwalt Dr. en jur. (BOL) K. vom 29. März 2010, mit dem dieser die Revision "weiter" begründet und einzelne sachlichrechtliche Beanstandungen erhoben hatte. Der Schriftsatz vom 23. März 2010, mit dem sich Rechtsanwalt Dr. en jur. (BOL) K. beim Landgericht gemeldet und ebenfalls mit Einzelausführungen die Verletzung sachlichen Rechts gerügt hatte, war hingegen nicht zum Senat gelangt, da das Landgericht eine Weiterleitung zu den wegen der Revision versandten Akten erst zwei Monate verspätet veranlasst hatte. Er ist erst nach Erlass der Revisionsentscheidung beim Bundesgerichtshof eingegangen.
2
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2010 hat der Verurteilte durch seinen neuen Verteidiger die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und eine Gegenvorstellung gegen die Revisionsentscheidung erhoben.
3
2. Die beantragte Wiedereinsetzung ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Verfahren durch die Sachentscheidung des Revisionsgerichts nach § 349 Abs. 2 StPO rechtskräftig abgeschlossen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 44 Rn. 1, § 349 Rn. 25 mwN). Der Wiedereinsetzungsantrag ist indes als Antrag auf nachträgliche Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 356a StPO) auszulegen. Denn der Verurteilte rügt, der Senat habe bei seiner Entscheidung seinen Revisionsvortrag nicht zur Kenntnis genommen.
4
Der Antrag auf Nachholung rechtlichen Gehörs ist zulässig. Der Verteidiger des Verurteilten hat ihn binnen einer Woche ab Zugang der Mitteilung des Senats gestellt, dass sein Schriftsatz erst nach der Verwerfung der Revision hier eingegangen sei (§ 356a Satz 2 und 3 StPO).
5
3. Der Antrag ist im Ergebnis unbegründet:
6
Zwar hat der Senat den Anspruch des Verurteilten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) objektiv verletzt. Er hat den Schriftsatz vom 23. März 2010 mit dem Vortrag zur Sachrüge nicht zur Kenntnis genommen, weil sich dieser nicht bei den ihm vorliegenden Akten befand. Dies verhilft der Anhörungsrüge jedoch nicht zum Erfolg; denn die unterbliebene Kenntnisnahme hat sich auf das Ergebnis der Revisionsentscheidung nicht ausgewirkt, so dass der Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör hierdurch nicht "in entscheidungserheblicher Weise" verletzt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, aaO § 356a Rn. 3).
7
Hätte der Senat den Schriftsatz vom 23. März 2010 vor seiner Entscheidung über die Revision zur Kenntnis genommen, wäre dem Rechtsmittel gleichwohl der Erfolg versagt geblieben. Die Beanstandungen zeigen, soweit sie nicht im Schriftsatz vom 29. März 2010 wiederholt und daher schon vor der Senatsentscheidung erörtert worden sind, keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Verurteilten auf: Dass der Verurteilte den Teleskopschlagstock nicht selbst geführt hat, hat ihm das Landgericht bei der Strafzumessung ausdrücklich zugute gehalten (UA S. 24). Die vermisste Untersuchung, ob es sich dabei um eine Waffe oder einen frei käuflichen Gegenstand gehandelt hat, war schon deshalb nicht geboten, weil der Teleskopschlagstock dem strafrechtlichen Waffenbegriff unterfällt (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 250 Rn. 4a mwN). Der Senat hätte daher über die Revision des Verurteilten im Ergebnis nicht anders entschieden als geschehen.
Becker Pfister Sost-Scheible Hubert Mayer

(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.

(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.

(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 476/15
vom
13. März 2017
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Steuerhinterziehung u.a.
zu 2.: Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
hier: Anhörungsrüge
ECLI:DE:BGH:2017:130317B1STR476.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2017 gemäß § 356a StPO beschlossen:
Die Anhörungsrügen der Verurteilten werden zurückgewiesen. Die Verurteilten haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsbehelfs zu tragen.

Gründe:

1
Der Senat hat die Revisionen der Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 6. Februar 2015 durch Beschluss vom 22. Dezember 2016 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen. Mit Schreiben vom 5. Januar 2017, am selben Tag per Telefax beim Bundesgerichtshof eingegangen, haben beide Verurteilte beantragt, das Verfahren gemäß § 356a StPO in die Lage vor Erlass des Verwerfungsbeschlusses zurückzuversetzen und Termin zur Hauptverhandlung anzuberaumen. Die zulässigen Anhörungsrügen sind unbegründet.
2
1. Mit ihren Anhörungsrügen machen die Verurteilten geltend, der Senat habe bei seiner Revisionsentscheidung ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, weil er entscheidungserhebliches Vorbringen der Revisionsführer entweder nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen habe.
3
Insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, dass in der Revisionsbegründung des Verteidigers W. vom 25. November 2015 geltend gemacht worden sei, das Landgericht habe Tatsachen festgestellt, die eine inländische Geschäftsleitung der luxemburgischen Holdinggesellschaften durch den ehemaligen Mitangeklagten Bü. begründeten. Der gesondert verfolgte Bü. sei als vertretungsbefugtes Organ dieser Gesellschaften bestellt gewesen. Damit habe in Folge von § 10 AO eine unbeschränkte inländische Steuerpflicht der Gesellschaften vorgelegen. Dies sei bei der Subsumtion des Sachverhalts unter § 42 AO zu berücksichtigen gewesen, weil die Zwischenschaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft in der Rechtsprechung noch in keinem Fall als missbräuchlich behandelt worden sei. Die betreffende Gesellschaft im Inland könne nicht mit den Argumenten hinweggedacht werden, die in dem angefochtenen Urteil und in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts enthalten seien.
4
2. Die innerhalb der Frist des § 356a Satz 2 StPO erhobenen Anhörungsrügen sind zulässig. Sie haben jedoch in der Sache keinen Erfolg; denn es liegt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs vor (§ 356a StPO).
5
a) Der Senat hat bei seinem Verwerfungsbeschluss weder in einer Art. 103 Abs. 1 GG widersprechenden Weise Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen die Verurteilten nicht gehört worden wären, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen der Verurteilten übergangen oder in sonstiger Weise deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
6
b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht daraus, dass der Senat die Revisionen der Verurteilten ohne Begründung gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen hat. Einer Begründung bedurfte es bei der hier einstimmig gemäß § 349 Abs. 2 StPO ergangenen Entscheidung nicht. Das Grundgesetz gebietet bei letztinstanzlichen Entscheidungen regelmäßig keine Begründung (vgl. nur BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 mwN, wistra 2014, 434). Auch die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verlangen eine Begründung der Entscheidung des Revisionsgerichts nicht (EGMR, Entscheidung vom 13. Februar 2007 – 15073/03, EuGRZ 2008, 274, 276; siehe auch BGH, Beschluss vom 12. November 2013 – 3 StR 135/13, StraFo 2014, 121). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG aaO mwN).
7
So verhält es sich auch hier. Der Senat hat bei seiner Entscheidung das Revisionsvorbringen der Verurteilten in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber nicht für durchgreifend erachtet. Zu den steuerrechtlichen Vorfragen hat er jeweils auch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sowie des Gerichtshofs der Europäischen Union herangezogen und seiner Revisionsentscheidung zugrunde gelegt. Bei seiner Entscheidung hat der Senat auch das Vorbringen und die Ausführungen der Beschwerdeführer zu § 10 AO berücksichtigt. Er hat jedoch deren Auffassung nicht geteilt, dass hier ein Sachverhalt vorliege, bei dem die Anwendung dieser Vorschrift dazu führen würde, dass die vom Landgericht angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen nicht gegeben seien.
8
Soweit die Beschwerdeführer die erhobenen Beweise anders als das Landgericht würdigen und hieraus andere rechtliche Schlüsse ziehen, ergibt sich weder ein Rechtsfehler zum Nachteil der Beschwerdeführer noch ein Gehörsverstoß. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, dass das Konzept der Installierung einer Holding nicht tatsächlich umgesetzt wurde und die Tochtergesellschaften weiterhin durch den anderweitig verfolgten Bü. von Deutschland aus geleitet wurden, während die Muttergesellschaft hierauf kei- nen Einfluss nahm (UA S. 116 f.), hält ebenso rechtlicher Nachprüfung stand, wie die Würdigung des Landgerichts, dass die Firmen B. und S nur formal vorgeschoben waren, um die tatsächlichen Gegebenheiten zur verschleiern (UA S. 117). Indem die Beschwerdeführer davon ausgehen, es sei „eine inländische Geschäftsleitung der luxemburgi- schen Holdinggesellschaften“ begründet worden (Anhörungsrüge, Rn. 8) und dabei unterstellen, bei der Holding seien geschäftsleitende Entscheidungen getroffen worden (so die dort in Bezug genommene Revisionsbegründung des Verteidigers W. vom 25. November 2015, Rn. 27), lösen sie sich von den rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen.
9
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer verstößt ihre Verurteilung wegen Beihilfe zur Einkommensteuerhinterziehung des anderweitig verfolgten Bü. (§ 370 AO, § 27 StGB) weder gegen die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs noch gegen die des Gerichtshofs der Europäischen Union. Das Landgericht ist hinsichtlich der Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, die auf der Ebene des Gesellschafters zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt – wie schon der Generalbundesanwalt in seinen Antragsschriften aufgezeigt hat – von zutreffenden Grundsätzen ausgegangen. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen belegen auch einen Zufluss im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG beim gesondert verfolgten Bü. (vgl. dazu auch § 39 AO sowie BGH, Beschluss vom 2. November 2010 – 1 StR 544/09, Rn. 103 ff., NZWiSt 2012, 75). Nach den Urteilsfeststellungen konnte dieser über die auf den Konten der Luxemburger Gesellschaften eingehenden Geldbeträge frei verfügen (UA S. 134). Auch das bei der F. Bank in K. für die B. eingerichtete Konto diente nach den Feststellungen des Landgerichts lediglich dazu, dass Bü. die dort eingehenden Geldbeträge nach eigenem Gutdünken verwenden konnte (UA S. 33).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO (vgl. u.a. die Senatsbeschlüsse vom 22. Mai 2015 – 1StR 121/15 und vom 2. September 2015 – 1 StR 207/15, NStZ-RR 2016,

151).

Raum Jäger Bellay Cirener Fischer