Bundesfinanzhof Beschluss, 24. März 2017 - X B 26/17

ECLI:ECLI:DE:BFH:2017:B.240317.XB26.17.0
bei uns veröffentlicht am24.03.2017

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29.11.2016 2 K 2039/15 E,G,U wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die bei dem Finanzgericht (FG) erhobene Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betraf die Einkommensteuer, die Gewerbesteuer-Messbeträge und die Umsatzsteuer 2007 bis 2010. In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2016 sagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die Änderung von Bescheiden in verschiedenen Punkten zu. Sodann erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das FG hat durch sogleich verkündeten Beschluss die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.

2

Am 28. Dezember 2016 legte die Klägerin hinsichtlich der Einkommensteuer sowie der Gewerbesteuer-Messbeträge 2007 und 2008 Beschwerde gegen die Entscheidung des FG vom 29. November 2016 ein, die Revision nicht zuzulassen, und begründete diese zunächst damit, das FG sei von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen. Im weiteren Verlauf hat sie nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist vorgetragen, sie habe die Erledigungserklärung irrtümlich abgegeben. Sie fechte sie deshalb an, denn das FG habe sie mit einer neuen Bewertung der Sach- und Rechtslage überrascht und zudem verfahrensfehlerhaft Beweismittel (ein Foto) in das Verfahren eingeführt, das nicht verwertbar gewesen sei.

Entscheidungsgründe

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II. Die Beschwerde ist unzulässig.

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1. Nach § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen das Urteil des FG (§ 36 Nr. 1 FGO) die Revision an den BFH zu, wenn das FG oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der BFH sie zugelassen hat. Die Beschwerde ist mithin nur gegen Urteile und gleichstehende Entscheidungen statthaft. Im Streitfall haben die Beteiligten hingegen mit konstitutiver Wirkung (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Mai 2013 IX B 145/12, BFH/NV 2013, 1452) den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die darauf ergangene Kostenentscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO ist kein Urteil und steht einem solchen auch nicht gleich. In der Sache wendet sich die Klägerin ohnehin nicht in erster Linie gegen die Kostenentscheidung, sondern gegen den sachlichen Inhalt der Verfahrensbeendigung.

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2. Soweit das Begehren der Klägerin darauf abzielt, ihre Erledigungserklärung sei unwirksam mit der Folge, dass das finanzgerichtliche Verfahren fortgesetzt werden könne, kann sie damit im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht gehört werden. Abgesehen davon, dass dieser Vortrag erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingegangen ist und deshalb im Rahmen der Beschwerde nur noch berücksichtigt werden könnte, wenn er als Ergänzung oder Vervollständigung bisherigen Vortrags verstanden werden könnte, ist zur erstmaligen Entscheidung hierüber nicht der BFH, sondern das FG berufen.

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a) Macht der Beteiligte eines finanzgerichtlichen Verfahrens nach Ergehen eines Hauptsachenerledigungsbeschlusses nach Maßgabe des § 138 Abs. 1 FGO geltend, er habe die für einen solchen Beschluss erforderliche Erledigungserklärung nicht abgegeben, so ist dies als Begehren auf Fortsetzung des Verfahrens auszulegen. Dieses Begehren hat zum Ziel, dass das Fehlen übereinstimmender Erledigungserklärungen festgestellt und über das Klagebegehren in der Sache durch Urteil beschieden werde (vgl. BFH-Beschluss vom 13. Februar 2008 VIII B 215/07, BFH/NV 2008, 815, unter II.1.a, m.w.N.). Das bedeutet aber, dass der betreffende Beteiligte zunächst die Verfahrensfortsetzung beim FG beantragen muss. Die Beschwerde steht erst zur Verfügung, wenn das FG über diesen Antrag abschließend entschieden hat.

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b) Etwas anderes folgt auch nicht aus dem sogenannten Grundsatz der Meistbegünstigung. Danach können ihrer Art nach inkorrekte Entscheidungen, mit denen das FG fälschlich durch Beschluss statt durch Urteil oder umgekehrt entscheidet, sowohl mit dem Rechtsmittel angefochten werden, das für die tatsächlich gewählte Entscheidungsform vorgesehen ist, als auch mit demjenigen Rechtsmittel, das bei der korrekten Entscheidungsform zulässig gewesen wäre (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Januar 2008 XI R 63/06, BFH/NV 2008, 606, unter II.3.; in BFH/NV 2008, 815, unter II.1.a; beide m.w.N.). Dieser Grundsatz greift aber erst dann ein, wenn das FG über das Begehren tatsächlich entschieden hat, bei einem Streit über die Wirksamkeit der Erledigungserklärungen also entweder nach Maßgabe des Beschlusses in BFH/NV 2008, 815 --korrekt-- durch Urteil oder --inkorrekt-- durch Beschluss. Im Streitfall hat die Klägerin die Frage der Unwirksamkeit ihrer Erledigungserklärung erstmals im Rahmen des Beschwerdeverfahrens an den BFH herangetragen. Das FG hat darüber noch nicht befunden.

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3. Eine Umdeutung der Beschwerde in eine solche allein gegen die Kostenentscheidung könnte ihr ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine solche Beschwerde nach § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO ebenfalls nicht zulässig ist. § 128 Abs. 4 Satz 2 FGO betrifft nur Streitverfahren, deren Gegenstand in der Hauptsache Kosten sind (vgl. BFH-Beschluss vom 11. November 2002 VI B 83/02, BFH/NV 2003, 331).

9

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

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5. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 128


(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 138


(1) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. (2) Soweit ein Rechtsstreit dadurch

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 36


Der Bundesfinanzhof entscheidet über das Rechtsmittel 1. der Revision gegen Urteile des Finanzgerichts und gegen Entscheidungen, die Urteilen des Finanzgerichts gleichstehen,2. der Beschwerde gegen andere Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsit

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(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

Der Bundesfinanzhof entscheidet über das Rechtsmittel

1.
der Revision gegen Urteile des Finanzgerichts und gegen Entscheidungen, die Urteilen des Finanzgerichts gleichstehen,
2.
der Beschwerde gegen andere Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters.

(1) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluss; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen.

(2) Soweit ein Rechtsstreit dadurch erledigt wird, dass dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben oder dass im Fall der Untätigkeitsklage gemäß § 46 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 innerhalb der gesetzten Frist dem außergerichtlichen Rechtsbehelf stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt erlassen wird, sind die Kosten der Behörde aufzuerlegen. § 137 gilt sinngemäß.

(3) Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(1) Gegen die Entscheidungen des Finanzgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an den Bundesfinanzhof zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozessleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über die Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse nach §§ 91a und 93a, Beschlüsse über die Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen, Sachverständigen und Dolmetschern, Einstellungsbeschlüsse nach Klagerücknahme sowie Beschlüsse im Verfahren der Prozesskostenhilfe können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 und über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 entsprechend.

(4) In Streitigkeiten über Kosten ist die Beschwerde nicht gegeben. Das gilt nicht für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.