Bundesfinanzhof Beschluss, 26. Feb. 2014 - VII B 115/13

Gericht
Tatbestand
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I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) stellte einem Herrn X gegen Entgelt eine Lagerhalle für die Lagerung unversteuerter Zigaretten zur Verfügung. Nach den Feststellungen der Zollfahndung waren in diese Halle 3 000 Stangen unversteuerter Zigaretten eingelagert worden, die zuvor aus Tschechien in das deutsche Steuergebiet verbracht worden waren. Mit der Begründung, er habe Hilfe beim Absatz der unversteuerten Zigaretten geleistet, wurde der Kläger vom Amtsgericht wegen Steuerhehlerei zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. In dem Urteil, mit dem X wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei verurteilt worden ist, wurde diesem vorgeworfen, dem Kläger für 500 Stangen Zigaretten insgesamt 7.000 € gezahlt zu haben.
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Mit Bescheid vom 3. September 2008 setzte das Hauptzollamt Bremen gegen den Kläger 68.700 € Tabaksteuer fest, wobei es davon ausging, dass aufgrund der Anwendung des Art. 202 Abs. 2 und 3 des Zollkodex eine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner nach § 71 der Abgabenordnung (AO) nicht in Betracht komme. In dem nach erfolglosem Einspruch angestrengten Klageverfahren änderte das Hauptzollamt Bremen den Bescheid dahingehend ab, dass die Festsetzung der Steuer lediglich für die 500 Stangen Zigaretten aufrechterhalten wurde, für die X dem Kläger 7.000 € bezahlt hat. Mit dem Hinweis, dass die Tabaksteuer nach § 19 Satz 1 des Tabaksteuergesetzes a.F. entstanden sei, wies das Finanzgericht (FG) Bremen die Klage ab.
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Nach Beendigung des Verfahrens übertrug das Hauptzollamt Bremen die weitere Bearbeitung dem Beklagten und Beschwerdegegner (HZA). Mit Haftungsbescheid vom 10. Januar 2012 nahm das HZA den Kläger hinsichtlich der restlichen Menge von 2 500 Stangen Zigaretten auf Zahlung von 57.240 € Tabaksteuer in Anspruch.
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Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG Düsseldorf urteilte, der Kläger sei nach § 191 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 71 AO aufgrund seiner Hilfeleistung beim Absatz der Zigaretten, die eine Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 1 AO sei, zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden. Aufgrund der teilweisen Aufhebung des Einfuhrabgabenbescheids des Hauptzollamts Bremen sei das HZA an einer haftungsrechtlichen Inanspruchnahme des Klägers nicht gehindert gewesen, denn die Rechtskraft dieses Urteils erstrecke sich nicht auf die streitgegenständlichen 2 500 Stangen Zigaretten.
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Mit seiner Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es sei schlicht unzutreffend, dass die Rechtskraft des Urteils des FG Bremen der erneuten Inanspruchnahme des Klägers nicht entgegenstehe. Denn die weiteren 2 500 Stangen unversteuerter Zigaretten seien sehr wohl Gegenstand des vom Hauptzollamt Bremen erlassenen Einfuhrabgabenbescheids gewesen. Tatsächlich habe das Hauptzollamt Bremen dem Einspruch des Klägers stattgegeben, worauf ein anderes Hauptzollamt gemeint habe, über denselben Sachverhalt eine neue Entscheidung treffen zu müssen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel ungeachtet der Mängel in seiner nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegung jedenfalls nicht vorliegt.
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Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, war nach der Abänderung der Steuerfestsetzung nur noch der Steuerbescheid vom 13. April 2011 nach § 68 Abs. 1 FGO Gegenstand des Klageverfahrens vor dem FG Bremen. Nach dieser Vorschrift wird im Fall der Änderung eines angefochtenen Verwaltungsakts nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Der neue Verwaltungsakt betraf jedoch lediglich die Inanspruchnahme des Klägers als Steuerschuldner für eine bestimmte Menge an Zigaretten, die Teil einer eingelagerten Menge von insgesamt 3 000 Stangen Zigaretten waren und für die der Kläger ausweislich eines Strafurteils von X eine finanzielle Gegenleistung erhalten hatte. Im Änderungsbescheid hat das HZA ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Bescheid nur noch hinsichtlich dieser Menge Bestand habe. Deshalb konnte das FG Bremen über die Restmenge von 2 500 Stangen Zigaretten keine Entscheidung treffen. Dagegen wurde der Kläger mit dem streitgegenständlichen, vom HZA erlassenen Bescheid nicht als Steuerschuldner, sondern aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage als Haftungsschuldner nach § 71 AO für die Menge an Zigaretten in Anspruch genommen, auf die sich der Steueränderungsbescheid ausdrücklich nicht bezogen hat. Deshalb ist die Ansicht des FG Düsseldorf zutreffend, dass sich die Rechtskraft des Urteils des FG Bremen nicht auf den Streitgegenstand "haftungsrechtliche Inanspruchnahme wegen einer Menge von 2.500 Stangen unversteuerter Zigaretten" erstrecken konnte (§ 110 Abs. 1 Satz 1 FGO), denn entscheidend für die Bindungswirkung ist die Frage, inwieweit die Rechtsfolgebehauptung des Klägers, der angefochtene Verwaltungsakt sei rechtswidrig, tatsächlich vom Gericht überprüft worden ist (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 110 FGO Rz 60).

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Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
(1) Wer Erzeugnisse oder Waren, hinsichtlich deren Verbrauchsteuern oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union hinterzogen oder Bannbruch nach § 372 Abs. 2, § 373 begangen worden ist, ankauft oder sonst sich oder einem Dritten verschafft, sie absetzt oder abzusetzen hilft, um sich oder einen Dritten zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Handelt der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach Absatz 1 verbunden hat, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) § 370 Absatz 6 und 7 gilt entsprechend.
(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
Wird der angefochtene Verwaltungsakt nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geändert oder ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Ein Einspruch gegen den neuen Verwaltungsakt ist insoweit ausgeschlossen. Die Finanzbehörde hat dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts zu übermitteln. Satz 1 gilt entsprechend, wenn
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ein Verwaltungsakt nach § 129 der Abgabenordnung berichtigt wird oder - 2.
ein Verwaltungsakt an die Stelle eines angefochtenen unwirksamen Verwaltungsakts tritt.
Wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt, haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit diese nach § 235 Absatz 4 auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden.
(1) Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,
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die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, - 2.
in den Fällen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 die nicht klageberechtigten Gesellschafter oder Gemeinschafter und - 3.
im Fall des § 60a die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.
(2) Die Vorschriften der Abgabenordnung und anderer Steuergesetze über die Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten sowie über die Nachforderung von Steuern bleiben unberührt, soweit sich aus Absatz 1 Satz 1 nichts anderes ergibt.