Bundesfinanzhof Beschluss, 14. Apr. 2015 - VI B 15/15

14.04.2015

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 12. Dezember 2014  5 K 47/14 aufgehoben.

Die Sache wird an das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) wendet sich mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts (FG) vom 12. Dezember 2014  5 K 47/14. Das FG hat in dem Verfahren die Klage, mit der der Kläger den anteiligen Abzug von weiteren Steuerberaterkosten in Höhe von 188 € als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit begehrte, ohne mündliche Verhandlung abgewiesen.

2

Dem Urteil vorangehend hatten der vertretene Kläger und der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) mitgeteilt, dass gegen die Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung keine Bedenken bestünden. Gleichwohl hat das FG mit Verfügung vom 10. November 2014 einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 8. Dezember 2014 anberaumt und mit Beschluss ebenfalls vom 10. November 2014 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Entscheidung übertragen. Am 4. Dezember 2014 nahm der Berichterstatter mit einer der vom Kläger zur Frage zur Aufteilung der geltend gemachten Steuerberaterkosten (nach Arbeitsaufwand) in abzugsfähige Werbungskosten und nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung benannten Zeugin Kontakt auf. Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2014 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers erneut hierzu die Einvernahme eines Zeugen. Ausweislich eines Aktenvermerks des Berichterstatters teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 8. Dezember 2014 telefonisch mit, dass er und sein Mandat nicht zum Termin kommen könnten und grundsätzlich Interesse an einer einvernehmlichen Lösung des Rechtsstreits bestehe.

3

Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht der Kläger u.a. geltend, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 FGO hätten nicht vorgelegen, so dass das FG den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt habe.

Entscheidungsgründe

4

II. Die Beschwerde ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO begründet. Sie führt nach § 116 Abs. 6 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

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1. Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör. Das FG hätte nicht nach § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden dürfen. Nach Satz 2 dieser Vorschrift muss auch in den Fällen, in denen der Streitwert bei einer auf Geldleistung gerichteten Klage 500 € nicht übersteigt, auf Antrag eines Beteiligten mündlich verhandelt werden. Der Antrag kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent gestellt werden (Senatsbeschluss vom 10. März 2011 VI B 147/10, BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556, m.w.N.). Hat ein Beteiligter die Erhebung eines Zeugenbeweises beantragt, so ist der Beweisantrag zugleich ein konkludenter Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Januar 2011 VIII B 15/10, BFH/NV 2011, 630, m.w.N.; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 94a Rz 6, m.w.N.).

6

a) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Kläger mit Schriftsatz vom 9. April 2014 vorbehaltlos und damit wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hat. Denn dieses Einverständnis hat jedenfalls durch die Anberaumung der mündlichen Verhandlung seine prozessrechtliche Wirkung verloren (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556).

7

b) Auch hat der Kläger hernach nicht erneut sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Sein Verhalten war vielmehr auf die Durchführung einer solchen gerichtet. Denn er hat vorliegend mehrfach --zuletzt mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2014 und damit am Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung in dieser Sache-- die Vernehmung seines Prozessbevollmächtigten zur Aufteilung der geltend gemachten Steuerberaterkosten in abzugsfähige Werbungskosten und nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung beantragt und damit hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass eine mündliche Verhandlung stattfinden soll. Ob das FG dem Beweisantrag entsprechen muss, ist insoweit ohne Bedeutung; denn selbst dann, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich sein sollte, wird der mit dem Beweisantrag verbundene Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung hiervon nicht berührt (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 630, m.w.N.). Dies gilt selbst dann, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Terminstag telefonisch mitgeteilt haben sollte, dass er und sein Mandat nicht zum Termin kommen können. Ein weiterer (u.U. erneuter) Verzicht auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung ist darin nicht zu erblicken, und zwar insbesondere dann nicht, wenn der Prozessbevollmächtigte damit zugleich das Interesse an einer einvernehmlichen Lösung des Rechtsstreits kundtut.

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2. Aufgrund des Verfahrensfehlers ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Der Verfahrensfehler ist ein absoluter Revisionsgrund, bei dem gemäß § 119 Nr. 4 FGO davon auszugehen ist, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Eine Sachentscheidung ist dem erkennenden Senat verwehrt (s. Senatsbeschluss in BFHE 232, 322, BStBl II 2011, 556, m.w.N.). Auch kann der Senat dahinstehen lassen, ob die angefochtene Entscheidung im Übrigen verfahrensfehlerfrei ist.

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3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 116


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 90


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Ger

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 143


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden. (2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheid

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 119


Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn 1. das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,2. bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 6


(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn 1. die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und2. die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 94a


Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Auf Antrag eines Beteiligten muß m

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(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.

Das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen, wenn der Streitwert bei einer Klage, die eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, fünfhundert Euro nicht übersteigt. Auf Antrag eines Beteiligten muß mündlich verhandelt werden. Das Gericht entscheidet über die Klage durch Urteil; § 76 über den Untersuchungsgrundsatz und § 79a Abs. 2, § 90a über den Gerichtsbescheid bleiben unberührt.

Ein Urteil ist stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn

1.
das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
das Urteil auf eine mündliche Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluss über die Kosten zu entscheiden.

(2) Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof an das Finanzgericht zurückverwiesen, so kann diesem die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen werden.