Bundesfinanzhof Beschluss, 07. Dez. 2010 - III B 33/10
Gericht
Tatbestand
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I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Mutter der beiden Kinder M und C. Das Kindergeld wurde an ihren Ehemann, den Beigeladenen, ausgezahlt, den beide Ehegatten als Kindergeldberechtigten bestimmt hatten. Im April 2001 zog der Beigeladene zusammen mit der gemeinsamen Tochter C aus der bisherigen Ehewohnung aus. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) leistete daraufhin das Kindergeld für M an die Klägerin und das für C an den Beigeladenen.
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Im Mai 2001 stellte die Klägerin einen eigenen Antrag auf Kindergeld für beide Kinder. Dem Antrag war eine Haushaltsbescheinigung beigefügt, in der angegeben war, dass beide Kinder zum Haushalt der Klägerin gehörten. Die Klägerin erhielt für beide Kinder das Kindergeld ausgezahlt. Mit Bescheid vom 13. September 2007 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für C ab Juni 2001 auf. Sie war der Ansicht, der Beigeladene habe C in seinen Haushalt aufgenommen und sei daher vorrangig kindergeldberechtigt. Der Einspruch sowie die anschließende Klage hatten keinen Erfolg.
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Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, C habe fast durchgängig beim Beigeladenen gewohnt. In dessen Wohnung habe sie ihren Lebensmittelpunkt gehabt. Nur von Mai 2001 bis August 2001 und von Dezember 2004 bis Januar 2005 habe C ausschließlich bei der Mutter gewohnt. Die Ehegatten hätten versucht, die Ehe zu retten und seien deshalb im September 2001 in ein gemeinsames Haus gezogen. Aus diesem Grund habe in der Zeit von Mai 2001 bis August 2001 die Haushaltszugehörigkeit von C nicht gewechselt.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde trägt die Klägerin vor, C habe sich fast während der gesamten Zeit in ihrer Obhut befunden. Das FG habe den Sachverhalt falsch gewürdigt. Es habe selbst festgestellt, dass C in den Monaten Mai 2001 bis August 2001 bei ihr, der Klägerin, gewohnt habe. Zumindest für diese Zeit stehe ihr Kindergeld zu.
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Das angefochtene Urteil widerspreche dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 2009 III R 2/07 (BFHE 225, 438, BStBl II 2009, 968), in dem dieser ausgeführt habe, dass das Merkmal der Haushaltsaufnahme in erster Linie durch den tatsächlichen Umstand bestimmt werde, dass das Kind nicht nur vorübergehend in dem betreffenden Haushalt lebe. Ein von vornherein begrenzter Zeitraum sei anzunehmen bei Aufenthalten zu Besuchszwecken oder in den Ferien. Ein Aufenthalt von mehr als drei Monaten sei kein vorübergehender, wenn eine Rückkehr nicht von vornherein feststehe. Der Zeitraum von Mai 2001 bis August 2001 sei jedenfalls länger als der Zeitraum von drei Monaten, den der BFH in dem zitierten Urteil genannt habe.
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Außerdem hätte das FG den Sachverhalt weiter aufklären und die angebotenen Beweise erheben müssen. Sie, die Klägerin, habe vorgetragen, dass C spätestens von Mai 2001 bis August 2001 vollständig von ihr versorgt worden sei. Das FG habe auch ein weiteres Indiz übersehen: Der Beigeladene habe der Klägerin für den genannten Zeitraum den Kindesunterhalt für C unter der Annahme gezahlt, dass das Kindergeld für C an sie geleistet werde. Der Beigeladene habe seine Mitwirkungspflicht verletzt, da er der Familienkasse nicht mitgeteilt habe, dass sich C ab Mai 2001 in ihrer, der Klägerin, Obhut befunden habe. Die Kindergeldberechtigung sei weiterhin bei ihr verblieben, nachdem sie mit dem Beigeladenen im September 2001 wieder zusammengezogen sei. Auch hierzu sei Beweis angeboten worden, das FG habe diesen jedoch zu Unrecht nicht erhoben. Das FG hätte nicht dem in der mündlichen Verhandlung anwesenden Beigeladenen Glauben schenken dürfen, ohne die angebotenen Beweise zu erheben, die dessen Aussagen widersprochen hätten.
Entscheidungsgründe
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II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder wurden nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.
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1. Das FG ist nicht von Rechtsprechung des BFH abgewichen.
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a) Die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) wegen Divergenz des FG-Urteils zur Rechtsprechung des BFH setzt voraus, dass das FG seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der von dem tragenden Rechtssatz eines BFH-Urteils abweicht. Zur Darlegung der Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die abweichenden Rechtssätze so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschluss vom 13. März 2007 VI B 96/06, BFH/NV 2007, 1131). Die Klägerin ist der Ansicht, das FG sei deshalb von dem Senatsurteil in BFHE 225, 438, BStBl II 2009, 968 abgewichen, weil es angenommen habe, dass C auch in den vier Monaten von Mai 2001 bis August 2001 nicht zu ihrem Haushalt, sondern weiterhin zu dem des Beigeladenen gehört habe. In dem genannten Urteil hat der Senat u.a. ausgeführt, dass dem Zeitmoment besondere Bedeutung zukomme bei Prüfung der Frage, in wessen Haushalt das Kind getrennt lebender Eltern aufgenommen sei. Von einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt in der Wohnung eines Elternteils, der zu einem Wechsel der Haushaltszugehörigkeit führe, könne regelmäßig ausgegangen werden, wenn das Kind seit mehr als drei Monaten bei diesem Elternteil lebe und eine Rückkehr zum anderen Elternteil nicht von vornherein feststehe.
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b) Das FG ging im Streitfall von einer weiter bestehenden Zugehörigkeit zum Haushalt des Beigeladenen aus, obwohl sich C in der Zeit von Mai 2001 bis August 2001 vier Monate lang im Haushalt der Klägerin aufgehalten hatte. Dennoch ist das FG nicht von einem tragenden Rechtssatz des Senatsurteils in BFHE 225, 438, BStBl II 2009, 968 abgewichen, da der darin erwähnte Drei-Monats-Zeitraum keine starre Grenze ist. Ein nicht nur vorübergehender Aufenthalt beim anderen Elternteil, der zu einem Wechsel der Haushaltszugehörigkeit führt, ist "regelmäßig" bei mehr als drei Monaten anzunehmen. Einen derartigen Regelfall hat das FG im Streitfall verneint, weil von vornherein eine gemeinsame Haushaltsführung beider Ehegatten ab September 2001 geplant war.
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2. Soweit die Klägerin die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung rügt (§ 76 Abs. 1 FGO), ist die Beschwerde unzulässig. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung geltend gemacht, das FG hätte von Amts wegen, auch ohne entsprechende Beweisanträge, den Sachverhalt weiter aufklären müssen, muss ein Beschwerdeführer nicht nur substantiiert vortragen, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären und welche Beweise es von Amts wegen hätte erheben müssen, sondern auch, warum er --jedenfalls sofern er, wie hier, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war-- nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und sich die Beweiserhebung dem FG auch ohne besonderen Antrag als erforderlich hätte aufdrängen müssen (z.B. BFH-Beschluss vom 19. Oktober 2005 X B 86/05, BFH/NV 2006, 118).
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Wird die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch Übergehen von Beweisanträgen gerügt, so sind u.a. Ausführungen dazu erforderlich, dass entweder die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung durch den sachkundigen Vertreter gerügt worden ist oder aber warum die Rüge nicht rechtzeitig erhoben werden konnte (z.B. BFH-Beschluss vom 23. September 2009 IV B 133/08, BFH/NV 2010, 52). An einem derartigen Vortrag fehlt es im Streitfall.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 FGO. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 139 Abs. 4 FGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Dieser hat keine Sachanträge gestellt oder anderweitig das Verfahren gefördert.
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(1) Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder Abschrift des Urteils, gegen das Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht im Falle der elektronischen Beschwerdeeinlegung.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. In der Begründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 dargelegt werden. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(5) Der Bundesfinanzhof entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Liegen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann der Bundesfinanzhof in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(7) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn nicht der Bundesfinanzhof das angefochtene Urteil nach Absatz 6 aufhebt; der Einlegung einer Revision durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt für den Beschwerdeführer die Revisionsbegründungsfrist, für die übrigen Beteiligten die Revisions- und die Revisionsbegründungsfrist. Auf Satz 1 und 2 ist in dem Beschluss hinzuweisen.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.
(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.
(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.
(2) Die Aufwendungen der Finanzbehörden sind nicht zu erstatten.
(3) Gesetzlich vorgesehene Gebühren und Auslagen eines Bevollmächtigten oder Beistands, der nach den Vorschriften des Steuerberatungsgesetzes zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, sind stets erstattungsfähig. Aufwendungen für einen Bevollmächtigten oder Beistand, für den Gebühren und Auslagen gesetzlich nicht vorgesehen sind, können bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte erstattet werden. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind die Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten oder Beistands für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Steht der Bevollmächtigte oder Beistand in einem Angestelltenverhältnis zu einem Beteiligten, so werden die durch seine Zuziehung entstandenen Gebühren nicht erstattet.
(4) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn das Gericht sie aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.