Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389

bei uns veröffentlicht am06.12.2018

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 29. September 2016 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. … Gemarkung … Das Anwesen wurde im Jahr 1994 umgebaut bzw. mit Wohnungen ausgebaut. Nach den Bauplänen zur Baugenehmigung des Landratsamtes … vom 17. Februar 1994 zum Um- und Ausbau des Anwesens mit Errichtung einer zweiten Wohneinheit ist für das Obergeschoss in der westlichen Hälfte des Anwesens Wohnnutzung wie „Wohnen“, „Schlafen“, „Kind“, „Küche“ und „Bad“ eingetragen; im östlichen Teil des Obergeschosses ist ein abgetrennter Raum mit „Hobby“ eingetragen; ein vorgesehener Freisitz wurde durch Roteintragung gestrichen, der Rest des Obergeschosses ist als „Speicher“ bezeichnet.

Aufgrund einer Freistellungserklärung der Verwaltungsgemeinschaft … vom 13. Mai 2008 bauten die Kläger eine weitere Wohnung in das Anwesen ein. Nach dem Bauplan wurde der östliche Teil des Obergeschosses (bisher „Speicher“ und „Hobby“) mit „Zimmer“, „Küche“, „Wohnen“ und „Bad“ ausgebaut, der bisherige Hobbyraum wurde zu einem „Büro“ umgenutzt; es wurde ein weiterer, außenliegender Treppenaufgang für die neue Wohneinheit geschaffen. Zudem wurden in dem so bezeichneten „Dachgeschoss“ eine Galerie und ein Speicher eingezogen.

Die Beklagte betreibt im Gemeindegebiet eine öffentliche Entwässerungseinrichtung und erhebt aufgrund ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung Herstellungsbeiträge. Nach dem Ausbau im Jahr 1994 setzte die Beklagte für das Anwesen gegenüber der Klägerin und einem weiteren Miteigentümer mit Bescheiden vom 15. Januar 1997 Herstellungsbeiträge nach einer Geschossfläche von insgesamt 494,44 m² fest, die nach den damaligen Miteigentumsanteilen aufgeteilt wurden. Im Aufmaßblatt wurden die Flächen für Dach-, Erd- und 1. Obergeschoss aufgeführt. Als Summe 1. Obergeschoss wurde eine Fläche von 174,49 m² und als Summe Dachgeschoss eine Fläche von 16,23 m² errechnet. Aus der handschriftlichen Eintragung in einer Ablichtung des Bauplans ergibt sich, dass das Obergeschoss im westlichen Teil des Anwesens nach seinen Außenmaßen vollständig, das Obergeschoss im östlichen Teil des Anwesens („Speicher/Hobby“) aber nur teilweise flächenmäßig herangezogen worden war; angesetzt waren nur die Flächen für den Treppenaufgang, den Hobbyraum und den mit diesem verbundenen Raum „Freisitz“, welcher als Freisitz durch Rotrevision jedoch gestrichen war und für den ebenfalls durch Roteintragung ein Fenstereinbau festgelegt worden war.

Mit Bescheiden der Verwaltungsgemeinschaft … vom 30. Oktober 2013 wurden für den Wohnungseinbau Herstellungsbeiträge für die Entwässerungsanlage festgesetzt. Gegenüber dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Klägerin wurde für eine Geschossfläche von 14,50 m² ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 197,20 EUR festgesetzt, gegenüber der Klägerin wurde für eine Geschossfläche von 74,80 m² ein Herstellungsbeitrag in Höhe von 1.017,28 EUR festgesetzt. Nach dem jeweils beigefügten Aufmaßblatt wurde gegenüber dem Ehemann ein „Abstellraum“ im 1. Obergeschoss mit 14,50 m², gegenüber der Klägerin für das 1. Obergeschoss eine Fläche von 52,54 m² und für das Dachgeschoss eine Fläche von 22,35 m², insgesamt also 74,80 m², veranlagt, wobei sich aus der Berechnung ergibt, dass die gegenüber dem Kläger angesetzten 14,50 m² im Aufmaß der Klägerin herausgerechnet wurden.

Die Klägerin und ihr Ehemann legten jeweils mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 12. November 2013 Widerspruch gegen die Herstellungsbeitragsbescheide ein. Mit Widerspruchsbescheiden vom 8. März 2016 wies das Landratsamt die Widersprüche der Kläger zurück.

Auf die Klage der Klägerin und ihres Ehemannes hob das Verwaltungsgericht den an den Ehemann gerichteten Bescheid vom 30. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes vom 8. März 2013 auf. Der an die Klägerin gerichtete Bescheid vom 30. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes vom 8. März 2013 wurde aufgehoben, soweit ein höherer Betrag als 303,96 EUR festgesetzt wurde.

Eine Herstellungsbeitragspflicht zur Entwässerungseinrichtung der Beklagten sei für das gesamte Obergeschoss des Anwesens bereits aufgrund des Um- und Ausbaus des Anwesens 1994 entstanden. Das Obergeschoss sei nach den tatsächlichen Verhältnissen beitragsrechtlich nicht als Dachgeschoss einzustufen, welches nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS mit seiner Geschossflächen nur herangezogen werde, soweit es ausgebaut sei. Vielmehr habe es sich bei dem Obergeschoss um ein „normales“ Geschoss gehandelt, für welches nach § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BGS-EWS die Geschossfläche nach den Außenmaßen des Gebäudes zu ermitteln sei. Damit sei kein zusätzlicher Beitrag nach Art. 5 Abs. 2a KAG entstanden, da sich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände nicht nachträglich geändert hätten; es seien keine neuen beitragspflichtigen Geschossflächen im Obergeschoss hinzugekommen.

Für den ursprünglichen Ausbau des Anwesens im Jahr 1994 stelle die Satzung über die Beiträge und Gebühren zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 16. Januar 1995 (BGS-EWS 1995) eine wirksame Grundlage für die Entstehung der Beitragsschuld und Erhebung der Herstellungsbeiträge dar. Auch an der Rechtmäßigkeit der Entwässerungssatzung bestünden keine Zweifel.

Die Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS/EWS, wonach Dachgeschosse nur herangezogen würden, soweit sie ausgebaut seien, entspreche der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Danach dürften Dachgeschossflächen nur dann zu einem Beitrag herangezogen werden, soweit sie ausgebaut seien, weil erst der konkrete Ausbauzustand eines Dachgeschosses gewährleiste, dass eine über die typische Dachbodennutzung (Speichernutzung) hinausgehende Nutzung möglich sei. Allerdings gebe es weder in der vorliegenden Abgabesatzung noch im Kommunalabgabengesetz oder auch in anderen Normen - insbesondere des Baurechts - eine gesetzliche Definition des Begriffs Dachgeschoss. Nach allgemeinem technischen Sprachgebrauch solle Dachgeschoss jedoch der Raum eines Gebäudes sein, der nach oben von der Dachkonstruktion und den Dachschrägen und nach unten von der obersten Geschossdecke gebildet werde (vgl. Stadlöder in: Schieder/Happ, BayKAG, 3. Aufl., Stand 6/2012, Erläuterung Art. 5 KAG, Rn. 167 d). Ein Dachgeschoss könne auch dann vorliegen, wenn das Dachgeschoss zugleich ein Vollgeschoss darstellt (Stadlöder a.a.O.; BayVGH, U.v. 8.3.2006 - 23 B 05.2340 - juris Rn. 24). Für den Begriff des Vollgeschosses könne dabei auf die baurechtliche Definition zurückgegriffen werden. Nach § 20 Abs. 1 BauNVO gelten Geschosse als Vollgeschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse seien oder auf ihre Zahl angerechnet würden. Nach Art. 83 Abs. 7 BayBO werde zur Begriffsbestimmung des Vollgeschosses auf Art. 2 Abs. 5 BayBO in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung verwiesen. Art. 2 Abs. 5 BayBO in der anzuwendenden Fassung definiere Vollgeschosse als Geschosse, die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche lägen und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m hätten. Als Vollgeschosse gelten Kellergeschosse, deren Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,20 m höher lägen als die natürliche oder festgelegte Geländeoberfläche. Das hier streitgegenständliche Obergeschoss sei damit ein Vollgeschoss. Nach dem Regelquerschnitt in den Bauplänen zur Baugenehmigung 1994 habe das Obergeschoss - soweit dort eine weitere Decke zum Dach hin eingezeichnet sei - mit Ausnahme eines gewissen Sprungs für die so genannte Galerie eine durchgehende Höhe schon im Bereich des aufliegenden Dachsparrens von 2,45 m (Nordseite). Südseitig sei im Regelquerschnitt eine Höhe vom Fußboden bis zur Dachkonstruktion von 2,70 m zu entnehmen, die bis zum First hin eine Höhe von etwa 4,80 m erreiche. Damit habe das Obergeschoss nicht nur über mindestens zwei Drittel seiner Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m; vielmehr habe das Obergeschoss - soweit eine weitere Speicherdecke eingezogen wurde - eine Höhe von 2,45 m ohne jegliche Dachschräge. Soweit keine weitere Speicherdecke eingezogen worden sei, wie wohl hier im östlichen Obergeschoss des Anwesens, betrage schon die minimale Höhe 2,70 m. Der Luftraum steige darüber hinaus bis zum First hin auf etwa 4,80 m an. Bei diesen Höhenmaßen des Geschosses komme es nach Ansicht der Kammer nicht entscheidend darauf an, dass das Obergeschoss keine oder jedenfalls teilweise keine weitere Zwischendecke gehabt habe, welche wohl erst mit dem weiteren Ausbau 2008 eingezogen worden sei, wobei zugleich die zusätzliche Galerie- und Speichernutzung im Dachgeschoss möglich geworden sei. Schon aufgrund der geringsten Höhe des Obergeschosses von 2,70 m sei das Obergeschoss als reguläres Geschoss im beitragsrechtlichen Sinn anzusehen; erst ab dieser Höhe beginnen die Dachschrägen. Allein die Sichtbarkeit der Dachkonstruktion bei einem Fehlen einer weiteren Zwischendecke für ein Speichergeschoss könne nicht dazu führen, den beitragsrechtlichen Vorteil insoweit wie bei einem „echten“ Dachgeschoss mit wesentlich geringerer Höhe zu mindern. Denn der grundlegende Ansatz, Dachgeschosse beitragsrechtlich so lange zu privilegieren und nicht zur Beitragsberechnung nach der Geschossfläche heranzuziehen, beruhe gerade darauf, dass Dachgeschosse bei typisierender Betrachtung in aller Regel wegen der geringen Höhe und der Dachschrägen nicht vergleichbar wie ein darunter liegendes Geschoss über seine gesamte Fläche genutzt werden könnten. Das Dachgeschoss solle erst dann am beitragsrechtlichen Vorteil mit der Folge auch der Erhebung von Beiträgen für die Dachgeschossfläche teilnehmen, wenn tatsächlich eine über den üblichen Speichergebrauch hinausgehende weiterreichende Nutzung, in der Regel Wohnnutzung, durch den Ausbau erfolgen könne. Das vorliegende Obergeschoss sei jedoch bereits seit dem Umbau 1994 wie jedes andere übliche Geschoss voll nutzbar. Damit könne es im Weiteren auch nicht darauf ankommen, ob oder wie dieses Obergeschoss konkret ausgebaut gewesen sei. Insoweit sei auch in den Blick zu nehmen, dass nach ständiger Rechtsprechung eine geschossweise Differenzierung bei der Frage nach Anschlussbedarf gerade nicht zulässig sei. So habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung beitragsrechtliche Regelungen verworfen, die eine Veranlagung einzelner Geschosse innerhalb von Gebäuden oder selbständigen Gebäudeteilen vornähmen. Denn der entweder vorhandene Anschluss oder ein Anschlussbedarf sei uneingeschränkt für das gesamte Gebäude anzunehmen; eine Beschränkung auf einzelne Geschosse sei nicht zulässig (BayVGH, U.v. 12.3.2015 - 20 B 14.1441 - juris Rn. 20; B.v. 17.5.2006 - 23 CS 03.928 - juris Rn. 33; U.v. 27.2.2003 - 23 B 02.1032 - juris Rn. 28 - jeweils m.w.N.). Etwas anderes könne dann gelten, wenn durch die bauliche Ausführung ein Geschoss oder Teile eines Geschosses tatsächlich als selbständiger Gebäudeteil anzusehen wäre. Dies sei für den vorliegenden Fall jedoch auszuschließen, da Erd-, Ober- und Dachgeschoss (soweit zusätzlich vorhanden) bereits 1994 jeweils durch innenliegende Treppen miteinander verbunden gewesen seien. Damit sei das schon im Bauplan 1994 so bezeichnete Obergeschoss - unabhängig von seinem Ausbauzustand, der teilweise als „Speicher“ dargestellt war - als vollwertiges Geschoss anzusehen, für welches die Beitragsprivilegierung eines Dachgeschosses nicht anzuwenden gewesen sei. Der mit den Bescheiden vom 30. Oktober 2013 erhobene Herstellungsbeitrag für die zuvor noch nicht veranlagte Teilfläche des Obergeschosses sei deshalb verjährt (wird ausgeführt).

Die Berufung werde gemäß § 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen, da die Frage der Abgrenzung eines Dachgeschosses von einem üblichen Geschoss grundsätzliche Bedeutung habe, wenn das Geschoss nicht nur ein Vollgeschoss sei, sondern schon aufgrund seiner geringsten Höhe von mehr als 2,30 m ohne jegliche Einschränkung - anders als bei einem Dachgeschoss - voll nutzbar sei.

Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte sinngemäß,

unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 29. September 2016 die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trug die Beklagte im Wesentlichen vor, die hier streitgegenständliche Geschossfläche sei bis zum weiteren aufgrund einer Freistellungserklärung der Verwaltungsgemeinschaft … vom 13. Mai 2008 erfolgten Umbau Teil eines - wegen fehlenden Ausbaus nicht beitragspflichtigen - Dachgeschosses. Maßgeblicher Grund für die beitragsrechtliche Sonderbehandlung von Dachgeschossen sei der Umstand, dass diese erst durch ihren tatsächlichen Ausbau eine vorteilsbedeutsame Nutzungsmöglichkeit erhielten. Diese Beurteilung beruhe auf einer typisierenden Betrachtungsweise, sodass auf den Regelfall abzustellen sei. Vor diesem Hintergrund mache es keinen Unterschied, welche Höhe ein Dachgeschoss aufweise. Demgemäß sei anerkannt, dass die in § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS enthaltene Regelung, wonach Dachgeschosse nur herangezogen würden, soweit sie ausgebaut seien, auch dann zur Anwendung komme, wenn es sich bei dem Dachgeschoss um ein Vollgeschoss handele (BayVGH vom 8. März 2006, Aktenzeichen 23 B 05.2340). Somit könne es rechtlich nicht darauf ankommen, wie hoch der Luftraum von der Decke des Obergeschosses bis zum First sei. Andernfalls ergeben sich im Übrigen für die Praxis kaum lösbare Abgrenzungsprobleme in Bezug auf die dann maßgeblichen Geschosse.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Nach der Satzung der Beklagten richte sich der Umfang der beitragspflichtigen Geschossfläche nach den Außenmaßen in den jeweiligen Geschossen. Als Geschoss werde nach allgemeinem Sprachgebrauch aber auch im baurechtlichen und beitragsrechtlichen Sinne die Summe der auf gleicher Ebene liegenden Räume eines Gebäudes angesehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die beigezogenen Behördenakten der Beklagten und des Landratsamtes Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Senat konnte im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO).

Die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Bescheide der Beklagten vom 30. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheide des Landratsamts … vom 8. März 2013 finden in der Beitrags- und Gebührensatzung vom 26. Januar 2005 in der Fassung vom 1. Januar 2012 (BGS/EWS 2005) eine rechtliche Grundlage und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Deshalb war das Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und die Klage abzuweisen.

Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG i.V.m § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (2005). Durch den von der Klägerin und ihrem Mann durchgeführten Dachausbau ist ein weiterer Geschossflächenbeitrag entstanden. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beitragspflicht für die abgerechneten Geschossflächen sei bereits mit dem Umbau des Gebäudes im Jahre 1994 entstanden und nunmehr verjährt, trifft nicht zu.

Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungseinrichtungen, wie die des Beklagten. Von dieser Ermächtigung hat der Beklagte durch den Erlass seiner Beitrags- und Gebührensatzung vom 26. Januar 2005 in der Fassung vom 1. Januar 2012 (BGS/EWS 2005) Gebrauch gemacht. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Abgabesatzung und der zugrunde liegenden Entwässerungssatzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG entsteht ein zusätzlicher Beitrag, wenn sich nachträglich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände ändern. Die Erhebung eines zusätzlichen Beitrags hat sich nach Art. 5 Abs. 2a KAG am Vorteilsbegriff zu orientieren. Daran anknüpfend kann ein Beitragstatbestand, der einmal verwirklicht wurde und damit eine Beitragspflicht entstanden ist, nicht mehr zur Beitragserhebung führen, wenn die Festsetzungsverjährung eingetreten ist. Dies gebietet der Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung (vgl. hierzu Driehaus, Kommunales Abgabenrecht, § 8 Anm. 746) im Zusammenhang mit den Vorschriften der Festsetzungsverjährung. Zutreffend geht das Verwaltungsgericht noch davon aus, dass im vorliegenden Fall es entscheidend ist, ob die jetzt abgerechneten Geschossflächen als Geschossflächen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BGS-EWS (1995) oder als nicht ausgebaute Dachgeschossflächen im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995) zu beurteilen waren. Je nachdem ist die Beitragsschuld für diese Geschossflächen verjährt oder auch nicht. Die Beantwortung dieser Frage hängt maßgeblich davon ab, ob es sich bei dem Obergeschoss im Anwesen der Klägerin um ein Dachgeschoss im Sinne der §§ 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) handelt. Danach werden Dachgeschosse zur Erhebung eines Beitrags nur herangezogen, wenn sie ausgebaut sind. Diese Regelung ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes anerkannt. Es ist mit dem Vorteilsgedanken vereinbar, auf den konkreten Ausbauzustand abzustellen und eine Beitragspflicht nur für Dachgeschossflächen zu verlangen, soweit sie ausgebaut sind (vgl. nur BayVGH, U.v. 28.10.1999 - 23 N 99.1354 - BeckRS 1999, 19475). Was unter einem ein Dachgeschoss im Sinne der §§ 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) zu verstehen ist, ist in den Beitragssatzungen der Beklagten nicht weiter definiert. Es handelt sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Bedeutung durch die anerkannten Auslegungsregeln zu ermitteln ist. Nach dem Wortsinn versteht man unter einem Dachgeschoss ein Geschoss in dem von Dachflächen umschlossenen Raum (vgl. BayVGH, U.v. 8.4.1998 - 26 N 96.1104 - BeckRS 1998, 25755; ähnlich BayVGH, U.v. 21.12.1977 - 263 II 75 - BayVBl. 1979, 339). Demnach handelte es sich bei dem Obergeschoss der Klägerin um ein solches Dachgeschoss, denn dieses Geschoss schließt nach oben mit der Dachkonstruktion ab. Folglich würde die Veranlagung des ersten Obergeschosses je nach Ausbauzustand, wie von der Beklagten vorgenommen, keinen rechtlichen Bedenken begegnen.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn es das beitragsrechtliche Vorteilsprinzip gebieten würde, Dachgeschosse, welche zugleich Vollgeschosse sind bzw. jedenfalls aufgrund ihrer Dimensionierung genauso nutzbar sind wie „normale“ Geschosse, unabhängig von ihrem Ausbauzustand zu veranlagen. Ausgangspunkt aller diesbezüglichen Überlegungen ist die Grundstücksbezogenheit des Vorteils, nach dessen Ausmaß sich wiederum die jeweilige Beitragshöhe zu bemessen hat. Sowohl das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz als auch der im Beitragsrecht besonders bedeutsame Grundsatz des Vorteilsausgleichs finden im Beitragsmaßstab ihren Niederschlag (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, RdNr. 739 zu § 8). Weil sich dieser Vorteil aber nicht der Wahrscheinlichkeit entsprechend messen lässt, darf ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet werden, der nur gewährleisten muss, dass die geschuldeten Beiträge den aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen annähernd entsprechen. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe sind deshalb nur darauf überprüfbar, ob sie offenbar ungeeignet sind, den Vorteil zu bestimmen. Dagegen ist es dem Satzungsgeber nach seinem Ermessen überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den zulässigen auswählt. Grundsätzlich bestehen auch keine Bedenken, mehrere zulässige Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe zu kombinieren, wobei jedoch zu beachten ist, dass stets nur solche Maßstäbe gewählt werden dürfen, die einen einigermaßen sicheren Schluss auf das Ausmaß des Vorteils zulassen. Der Einrichtungsträger muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr ist es ihm nach dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet, zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Damit ist es zulässig, an die Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die sich diesem „Typus“ entziehenden Umstände von Einzelfällen außer Betracht zu lassen. Bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabs dürfen insbesondere auch Praktikabilitätserwägungen angestellt werden, wobei gewisse Ungenauigkeiten hinzunehmen sind. Nur im Falle der Überschreitung der äußersten Grenzen des gemeindlichen Gestaltungsspielraums, was dann vorliegt, wenn für die getroffene Regelung jeder sachlich einleuchtende Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt (BayVGH, U.v. 28.10.1999 - 23 N 99.1354 - BeckRS 1999, 19475 Rn. 30). Für die Einbeziehung eines Dachgeschosses in die Herstellungsbeitragsberechnung kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht allein darauf an, ob Dachraum baurechtlich als Vollgeschoss gilt oder ob dort Aufenthaltsräume untergebracht werden können. Entscheidend ist vielmehr, ob unter objektiven Gesichtspunkten der Ausbau des Dachgeschosses eine Nutzbarkeit schafft, die den Vorteil aus der Entwässerungseinrichtung oder Wasserversorgungseinrichtung erhöht. Das Dachgeschoss muss sich in seinem gegenwärtigen Zustand über das normale Maß einer Speichernutzung hinaus objektiv für eine Nutzung eignen, die den Vorteil aus der gemeindlichen Einrichtung erhöht (vgl. BayVGH, U.v. 23 B 05.2340 - BayVBl. 2007, 88; U.v. 18.10.1996 - 23 B 95.3447 - juris). Damit steht jedoch nicht fest, ob es beitragsrechtlich geboten ist, Dachgeschosse wie das der Klägerin ohne Einschränkung zu veranlagen.

Diese Frage ist zu verneinen. Wie der Fall der Klägerin anschaulich zeigt, wird auch ein Dachgeschoss, welches ein Vollgeschoss ist, nicht ohne weiteres typischerweise stets voll ausgebaut genutzt. Zudem bedarf es einer Korrektur des Begriffes des Dachgeschosses aus Gründen des Vorteilsprinzipes nicht. Würden solche Dachgeschosse wie das der Klägerin ohne Einschränkung genutzt, also typischerweise von Anfang an voll ausgebaut, so würde keine nach dem Vorteilsprinzip nicht hinnehmbare Beitragslücke entstehen, da solche Geschosse auch unter Anwendung der §§ 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) voll zu veranlagen wären. Letztendlich spricht gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, der als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips im gesamten Bereich des Abgabewesens Geltung beansprucht (BVerwG, B.v. 20.08.1997 - 8 B 169.97 - juris). Er ist Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -) und besagt, dass abgabebegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Abgabenpflichtige die auf ihn entfallende Abgabelast vorausberechnen kann (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 23.10.1986 - 2 BvL 7/84, 2 BvL 8/84 - BVerfGE 73, 388, m.w.N.). Im Bereich des Abgabenrechts werden damit die Anforderungen an eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung durch den aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung verstärkt. Danach muss die eine Abgabenpflicht begründende Norm nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sein, so dass eine Abgabenlast in gewissem Umfang für den Bürger voraussehbar sowie überschaubar wird. Adressat dieses Grundsatzes ist zunächst der Gesetzgeber (vgl. BFH, B.v. 1.4.2008 - XI B 223/07 -, juris Rn. 3), der um möglichst klare, bestimmte, exakt formulierte und in ihren Folgen vorhersehbare Normen bemüht sein muss (vgl. zum Ganzen BVerfG, B.v. 31.10.2016 - BvR 871/13, 1 BvR 11 BvR 1833/13 - juris Rn 21). Diese Voraussetzungen wären nicht mehr erfüllt, wenn man den Begriff des Dachgeschosses in § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) dahingehend auslegen würde, dass Geschosse, die nicht nur ein Vollgeschoss sind, sondern schon aufgrund ihrer geringsten Höhe von mehr als 2,30 m ohne jegliche Einschränkung voll nutzbar sind, nicht als Dachgeschosse zählen. Insoweit wäre es die Sache des Satzungsgebers eine entsprechende Regelung vorzusehen, welche solche Dachgeschosse wie das Dachgeschoss der Klägerin aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) herausnimmt. Dies ist jedoch nicht erfolgt, so dass das Dachgeschoss der Klägerin zu Recht nach §§ 5 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS (1995 und 2005) veranlagt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389

Referenzen - Gesetze

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Zivilprozessordnung - ZPO | § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung


Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Baunutzungsverordnung - BauNVO | § 20 Vollgeschosse, Geschossflächenzahl, Geschossfläche


(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden. (2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche i

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 12. März 2015 - 20 B 14.1441

bei uns veröffentlicht am 12.03.2015

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 06. Dez. 2018 - 20 BV 16.2389.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 20. Mai 2019 - 20 B 18.1431

bei uns veröffentlicht am 20.05.2019

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Mai 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes N … vom 22. Juli 2015 wird aufgehob

Referenzen

(1) Als Vollgeschosse gelten Geschosse, die nach landesrechtlichen Vorschriften Vollgeschosse sind oder auf ihre Zahl angerechnet werden.

(2) Die Geschossflächenzahl gibt an, wieviel Quadratmeter Geschossfläche je Quadratmeter Grundstücksfläche im Sinne des § 19 Absatz 3 zulässig sind.

(3) Die Geschossfläche ist nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Im Bebauungsplan kann festgesetzt werden, dass die Flächen von Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände ganz oder teilweise mitzurechnen oder ausnahmsweise nicht mitzurechnen sind.

(4) Bei der Ermittlung der Geschossfläche bleiben Nebenanlagen im Sinne des § 14, Balkone, Loggien, Terrassen sowie bauliche Anlagen, soweit sie nach Landesrecht in den Abstandsflächen (seitlicher Grenzabstand und sonstige Abstandsflächen) zulässig sind oder zugelassen werden können, unberücksichtigt.

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung

Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger war von 1992 bis 1996 Eigentümer eines bereits an die öffentliche Entwässerungseinrichtung angeschlossenen bebauten Grundstücks. Bei einer Ortsbesichtigung im Jahr 1992 stellte die Beklagte fest, dass das Dachgeschoss des Gebäudes ausgebaut worden war.

Mit Bescheid vom 5. April 2004 zog sie den Kläger erstmals auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 5. Mai 2000 zu einem Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 1.197,32 € für einen Dachausbau heran. Der Herstellungsbeitrag wurde gemäß § 5 Abs. 1 dieser Beitrags- und Gebührensatzung nach der Grundstücks- und Geschossfläche berechnet. Die Satzung war zur Heilung einer als nichtig beurteilten Vorgängersatzung rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft gesetzt worden.

Während des Widerspruchsverfahrens erwiesen sich auch die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000 und deren Vorgängersatzungen als unwirksam. Die Beklagte erließ daraufhin die Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 18. April 2005 und setzte sie rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft. Diese Satzung wurde am 26. April 2005 im Amtsblatt der Beklagten bekannt gemacht.

Die vom Kläger gegen den Bescheid und den Widerspruchsbescheid vom 26. Juni 2006 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Zwar seien die Beitrags- und Gebührensatzung vom 5. Mai 2000, auf die der Bescheid gestützt worden sei, sowie auch sämtliche Vorgängersatzungen aus den Jahren 1995, 1992, 1987, 1980, 1973 und 1960 in den Beitragsteilen nichtig gewesen. Eine wirksame Rechtsgrundlage für den Bescheid sei aber mit der Beitrags- und Gebührensatzung vom 18. April 2005, basierend auf der Entwässerungssatzung der Beklagten vom 24. Juli 2000, geschaffen worden. Auf der Grundlage dieser Satzung sei die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung erstmals am 1. April 1995 entstanden. Der Kläger sei als zu diesem Zeitpunkt ins Grundbuch eingetragener Grundstückseigentümer Beitragsschuldner. Eine Verjährung der Beitragsforderung sei nicht eingetreten, da nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 KAG in Verbindung mit § 170 Abs. 1 AO im Fall der Ungültigkeit einer Satzung die vierjährige Festsetzungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahres zu laufen beginne, in dem die gültige Satzung bekannt gemacht worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof lehnte den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung ab.

Mit Beschluss vom 5. März 2013 erklärte das Bundesverfassungsgericht Artikel 13 Absatz 1 Nummer 4 Buchstabe b Doppelbuchstabe cc Spiegelstrich 2 des Bayerischen Kommunalabgabengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 775) mit Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit (Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) für unvereinbar und hob den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Mai 2008 - 20 ZB 08.903 - auf und verwies die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurück.

Mit Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70), in Kraft getreten am 1. April 2014, wurden die Verjährungsvorschriften durch den bayerischen Gesetzgeber neu gefasst. Ein Beitrag ist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) Spiegelstrich 1 KAG spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres nach Eintreten der Vorteilslage zu erheben. Liegt ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandkräftigen Bescheid festgesetzt wurden, gilt nach der Übergangsvorschrift des Art. 19 Abs. 2 KAG eine Frist von 30 Jahren.

Auf die Nachfrage des Senats legte die Beklagte eine schriftliche Äußerung der Tochter der im Zeitpunkt des Dachausbaus eingetragenen, inzwischen verstorbenen Eigentümer vom 21. Mai 2014 vor. Danach sei der Dachausbau in den Jahren 1986/1987 fertig gestellt worden. Der Kläger war dagegen mit Schreiben vom 22. Mai 2014 der Meinung, dass das Dachgeschoss im Zeitpunkt 1991 mehr als 10 Jahre bereits ausgebaut gewesen sei.

Mit seiner durch den Senat zugelassenen Berufung beantragt der Kläger,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 28. Februar 2008 zu ändern

und den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Freising vom 26. Juni 2006 aufzuheben.

Die Neuregelung des bayerischen Gesetzgebers genüge nach wie vor nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an das Gebot der Rechtssicherheit. Hierfür sei die gewählte Frist zu lange. Jedenfalls genüge sie den Anforderungen nicht, soweit es um Sachverhalte vor Erlass der Regelung gehe, bei denen eine Anpassung der Vertragsgestaltungen nicht mehr möglich sei. Zudem sei nicht klar, dass die Vorgängersatzungen tatsächlich nichtig gewesen seien. Dies sei im Berufungsverfahren aufzuklären, mit der Folge, dass die Festsetzungsfrist abgelaufen sein könnte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 zum Thema des Zeitpunktes des Dachausbaues Beweis erhoben durch Einvernahme der Tochter der früheren Eigentümer als Zeugin. Im Übrigen wird auf die Sitzungsniederschrift sowie auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Landratsamts vom 26. Juni 2006 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der angefochtene Beitragsbescheid findet seine Rechtsgrundlage in Art. 5 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) in der hier maßgeblichen Fassung der Bekanntmachung vom 4. April 1993 (GVBl Seite 264, BayRS 2024-1-I) zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. März 2014 (GVBl. S. 70) sowie in den Bestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) der Beklagten vom 18. April 2005, rückwirkend in Kraft getreten zum 1. April 1995.

Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungseinrichtungen, wie die der Beklagten. Gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG entsteht ein zusätzlicher Beitrag, wenn sich nachträglich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände ändern. So liegt es hier.

Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Beklagte mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) vom 18. April 2005 erstmals über eine wirksame Beitragssatzung verfügt hat. Die vorausgehenden Beitragssatzungen der Beklagten enthielten eine unzulässige Regelung zur Veranlagung einzelner Geschosse innerhalb von Gebäuden oder selbständigen Gebäudeteilen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. U.v. 27.2.2003 - 23 B 02.1032 - BayVBl 2003, 373; B.v. 17.5.2006, - 23 CS 06.928 - juris) zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils der Satzung führt. Die Entwässerungssatzung mit Beitrags- und Gebührenteil vom 30. Juli 1973 ist wegen einer mit dem Prinzip der gerechten Vorteilsabgeltung nicht zu vereinbarenden Begünstigung kleinerer Einfamilienhäuser beim Beitragsmaßstab Grundstücksfläche (§ 34 Abs. 2 c) im Beitragsteil als nichtig anzusehen (BayVGH, U.v. 14.4.1989 - 23 B 87.03112). Die BGS-EWS vom 12. Dezember 1960 ist allein schon wegen des nicht vorteilsgerechten Grundbeitrags mit Berücksichtigung der Geschossfläche erst ab dem dritten Vollgeschoss (§ 6 Abs. 1) nichtig (vgl. BayVGH v. 14.4.1989 a.a.O.). Diese vom Verwaltungsgericht vertretene Rechtsauffassung ist zutreffend und wurde vom Kläger nicht substantiell in Frage gestellt. Auf der Grundlage der rückwirkend zum 1. April 1995 in Kraft getretenen BGS-EWS 2005 ist die Beitragsschuld für die bislang nicht veranlagte Geschossflächenmehrung von 74,0 qm im Dachgeschoss des streitgegenständlichen Anwesens somit erstmals am 1. April 1995 entstanden. Die persönliche Beitragsschuld trifft den Kläger als zu diesem Zeitpunkt im Grundbuch eingetragenen Eigentümer (Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG, § 4 BGS-EWS 2005).

Die Festsetzung des Herstellungsbeitrags im Jahr 2004 war noch zulässig, da die Vorteilslage für das veranlagte Anwesen frühestens im Jahr 1987 eintrat.

Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist § 169 der Abgabenordnung (AO) in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe anwendbar, dass über Abs. 1 Satz 1 hinaus die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist; liegt ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nach Art. 5 Abs. 2a KAG vor und kann der Beitrag deswegen nicht festgesetzt werden, beträgt die Frist 25 Jahre. Für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, gilt Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt (vgl. Art. 19 Abs. 2 KAG). Durch die Neufassung des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG ist der bayerische Gesetzgeber dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichtes, welches die Vorgängerregelung, die bei einer nichtigen Beitragssatzung keine zeitliche Begrenzung der Beitragserhebung nach dem Entstehen der Vorteilslage vorsah, für verfassungswidrig erklärte (BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BGBl I 2013, 820 = BayVBl 2013, 465), nachgekommen. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung Folgendes ausgeführt (a.a.O. Rn. 45, 46):

„Auch für die Erhebung von Beiträgen, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, ist der Gesetzgeber verpflichtet, Verjährungsregelungen zu treffen oder jedenfalls im Ergebnis sicherzustellen, dass diese nicht unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können. Die Legitimation von Beiträgen liegt - unabhängig von der gesetzlichen Ausgestaltung ihres Wirksamwerdens - in der Abgeltung eines Vorteils, der den Betreffenden zu einem bestimmten Zeitpunkt zugekommen ist (vgl. BVerfGE 49, 343 <352 f.>; 93, 319 <344>). Je weiter dieser Zeitpunkt bei der Beitragserhebung zurückliegt, desto mehr verflüchtigt sich die Legitimation zur Erhebung solcher Beiträge. Zwar können dabei die Vorteile auch in der Zukunft weiter fortwirken und tragen nicht zuletzt deshalb eine Beitragserhebung auch noch relativ lange Zeit nach Anschluss an die entsprechende Einrichtung. Jedoch verliert der Zeitpunkt des Anschlusses, zu dem der Vorteil, um dessen einmalige Abgeltung es geht, dem Beitragspflichtigen zugewendet wurde, deshalb nicht völlig an Bedeutung. Der Bürger würde sonst hinsichtlich eines immer weiter in die Vergangenheit rückenden Vorgangs dauerhaft im Unklaren gelassen, ob er noch mit Belastungen rechnen muss. Dies ist ihm im Lauf der Zeit immer weniger zumutbar. Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebietet vielmehr, dass ein Vorteilsempfänger in zumutbarer Zeit Klarheit darüber gewinnen kann, ob und in welchem Umfang er die erlangten Vorteile durch Beiträge ausgleichen muss.

c) Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, die berechtigten Interessen der Allgemeinheit am Vorteilsausgleich und der Einzelnen an Rechtssicherheit durch entsprechende Gestaltung von Verjährungsbestimmungen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Dabei steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet es dem Gesetzgeber jedoch, die berechtigten Interessen des Bürgers völlig unberücksichtigt zu lassen und ganz von einer Regelung abzusehen, die der Erhebung der Abgabe eine bestimmte zeitliche Grenze setzt.“

Gemessen an diesen Anforderungen ist die vom bayerischen Gesetzgeber gewählte zwanzigjährige Ausschlussfrist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Zunächst wurde dadurch erstmals eine zeitliche Höchstgrenze für die Erhebung eines Beitrages nach Art. 5 KAG eingeführt und dem Regelungsauftrag des Bundesverfassungsgerichts nachgekommen, so dass der Bürger nunmehr eine klare Höchstfrist vor Augen hat und nicht mehr im Unklaren ist. Bei der Bestimmung der Dauer der Frist ist mit zwanzig Jahren kein unangemessen langer Zeitraum gewählt worden. Entsprechend den Vorgaben des Verfassungsgerichts hatte der Gesetzgeber hier einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Bürgers an baldiger Rechtssicherheit und dem öffentlichen Interesse an einem Vorteilsausgleich für die Zurverfügungstellung einer öffentlichen Einrichtung der Daseinsvorsorge durchzuführen. Dem Gesetzgeber steht hier ein weiter Gestaltungsspielraum zu und die Vorteile, die die öffentliche Einrichtung vermittelt, können hier noch relativ lange fortwirken. So hält der 6. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abgesehen von der hier einschlägigen Konstellation allgemein eine 30jährige Ausschlussfrist in entsprechender Anwendung des Art. 53 Abs. 2 BayVwVfG für angemessen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann einem sanierungsrechtlichen Ausgleichsanspruch aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit im Wege des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung in Anlehnung an § 53 Abs. 2 VwVfG eine 30jährige Ausschlussfrist entgegen gehalten werden und zwar unabhängig von der Entstehung des Anspruches (BVerwG, U.v. 20.3.2014 - 4 C 11.13 - BVerwGE 149, 211, ebenso VGH Baden-Württemberg, B.v. 27.1.2015 - 2 S 1840/14 - juris; OVG Sachsen-Anhalt, U.v. 4.12.2014 - 4 L 220/13 - juris). Im Hinblick darauf bestehen an der Verfassungsmäßigkeit der Zwanzigjahresfrist keine Bedenken. Zum einen hat der bayerische Gesetzgeber eine im Vergleich zu vorstehenden Erwägungen wesentlich kürzere Frist gewählt, zum anderen handelt es sich um eine klar ersichtliche gesetzliche Ausschlussfrist, die den Bürgern unabhängig von den Umständen des Einzelfalls Rechtsklarheit verschafft. Die vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung der unterschiedlichen Interessen (vgl. LT-Drs. 17/370 Nr. 2) ist von sachgerechten Erwägungen getragen und hält sich im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums.

Bei Ergänzungsbeitragen für die Verwirklichung zusätzlicher Geschossflächen kann man für den Beginn der Ausschlussfrist aber nicht auf den erstmaligen Anschluss an die öffentliche Einrichtung abstellen. Hier wird der (zusätzliche) Vorteil, den die öffentliche Einrichtung vermittelt, erst mit der tatsächlichen Fertigstellung der betreffenden Geschossflächen vermittelt und muss damit Ausgangspunkt der Betrachtung sein.

Der Dachausbau des streitgegenständlichen Anwesens wurde frühestens im Jahre 1987 fertiggestellt. Dies steht nach der in der mündlichen Verhandlung am 12. März 2015 durchgeführten Beweisaufnahme durch die Vernehmung der Zeugin ... zur Überzeugung des Senats fest. Die Zeugin hat mit ihrer Aussage nachvollziehbar und glaubhaft ausgeführt, dass sie sich dieser zeitlichen Einordnung ziemlich sicher sei, weil sie 1985, als sie 18 Jahre alt war, ihre Berufstätigkeit begonnen habe und sich damals die Frage stellte, ob sie ausziehen solle oder im elterlichen Haus bleiben könne. Die Familie habe sich dann entschlossen das Dach als Wohnung für die Zeugin auszubauen. Diese zu keinen Zweifeln Anlass gebende Aussage wurde auch vom Kläger bei der Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht in Frage gestellt. Demnach ist zugunsten des Klägers davon auszugehen, dass der Dachausbau im Jahre 1987 fertiggestellt wurde. Folglich begann die Ausschlussfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG mit Ablauf des Jahres 1987 am 1. Januar 1988 zu laufen und endete mit Ablauf des 31. Dezember 2007. Die Festsetzung des Beitrags erfolgte jedoch mit der Bekanntgabe des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2004, dessen Rechtsgrundlage die BGS-EWS vom 18. April 2005 ist, und damit vor Ablauf der Zwanzigjahresfrist.

Damit erfolgte die Festsetzung des Ergänzungsbeitrags noch rechtzeitig und es kommt nicht auf die Anwendung der Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG an. Nach dieser Vorschrift gilt für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 mit der Maßgabe, dass die Frist einheitlich 30 Jahre beträgt. Diese Norm hätte zwar im hier zu entscheidenden Fall Anwendungsvorrang, weil der streitgegenständliche Ergänzungsbeitrag durch vor dem 1. April 2014 nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt worden ist. Der Senat hegt jedoch verfassungsrechtliche Bedenken, ob die Übergangsregelung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV zu vereinbaren ist. Ein sachlicher Differenzierungsgrund für die Ungleichbehandlung von Beitragsfestsetzungen die vor dem 1. April 2014 mit nicht bestandskräftigem Bescheid festgesetzt worden sind und Beitragsfestsetzungen, die nach diesem Zeitpunkt erfolgt sind, erschließt sich dem Senat - jedenfalls bisher - nicht. Die im Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes gegebene Begründung (LT-Drs. 17/370 S. 18) überzeugt nicht. Sie beruht im Wesentlichen auf dem Gedanken, dass eine unterschiedliche Behandlung von (ausgesetzten) Widerspruchsverfahren und verwaltungsgerichtlichen Verfahren, aufgrund der unterschiedlich maßgeblichen Entscheidungszeitpunkte, vermieden werden soll. Eine solche Erwägung spielt aber erkennbar keine Rolle, weil es bei Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. bb Spiegelstrich 1 KAG maßgeblich auf die Festsetzung des Beitrags und somit auf die Bekanntgabe des Beitragsbescheids ankommt. Nachdem im hier zu entscheidenden Fall bereits die regelmäßige zwanzigjährige Ausschlussfrist eingehalten wurde, kann die Frage, ob die Übergangsregelung des Art. 19 Abs. 2 KAG verfassungsgemäß ist oder gegebenenfalls einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist, jedoch dahinstehen.

2. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.

3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

 

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.197,32 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.