Tenor

I. Das Beschwerdeverfahren wird ausgesetzt.

II. Gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) wird eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:

Sind

  • 1.das in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 des Vertrages über die Europäische Union (EUV) verankerte Gebot, dem zufolge die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen zu ergreifen haben, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben,

  • 2.der u. a. in Art. 197 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) statuierte Grundsatz der effektiven Durchführung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten,

  • 3.das durch Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) gewährleistete Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf,

  • 4.die sich aus Art. 9 Abs. 4 Satz 1 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Konvention) ergebende Verpflichtung der Vertragsstaaten zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in Umweltangelegenheiten,

  • 5.die in Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV normierte Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Sicherstellung eines wirksamen Rechtsschutzes in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen, so auszulegen, dass ein deutsches Gericht berechtigt - und ggf. sogar verpflichtet - ist, gegenüber Amtsträgern eines deutschen Bundeslandes Zwangshaft anzuordnen, um auf diese Weise die Verpflichtung dieses Bundeslandes zur Fortschreibung eines Luftqualitätsplans im Sinn von Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl EU Nr. L 152 S. 1) mit einem bestimmten Mindestinhalt durchzusetzen, wenn dieses Bundesland rechtskräftig verurteilt wurde, eine Fortschreibung mit diesem Mindestinhalt vorzunehmen und

- mehrere gegenüber dem Bundesland vorgenommene Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen fruchtlos geblieben sind,

- von Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen auch dann, wenn höhere Beträge als bisher angedroht und festgesetzt würden, deshalb keine nennenswerte Beugewirkung ausgeht, weil die Begleichung der Zwangsgelder für das rechtskräftig verurteilte Bundesland nicht mit Vermögenseinbußen einhergeht, sondern insoweit lediglich ein Transfer des jeweils festgesetzten Betrags von einer Buchungsstelle innerhalb des Staatshaushalts zu einer anderen Buchungsstelle innerhalb des Staatshaushalts stattfindet,

- sich das rechtskräftig verurteilte Bundesland sowohl gegenüber den Gerichten als auch öffentlich - und dies u. a. durch seinen ranghöchsten politischen Amtsträger gegenüber dem Parlament - dahingehend festgelegt hat, dass es die gerichtlich auferlegten Pflichten im Zusammenhang mit der Luftreinhalteplanung nicht erfüllen wird,

- das nationale Recht das Institut der Zwangshaft zum Zwecke der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen grundsätzlich vorsieht, eine nationale verfassungsgerichtliche Rechtsprechung jedoch der Anwendung der einschlägigen Bestimmung auf eine Fallgestaltung der hier inmitten stehenden Art entgegensteht, und

- das nationale Recht Zwangsmittel, die zielführender als Zwangsgeldandrohungen und Zwangsgeldfestsetzungen, jedoch weniger eingriffsintensiv als eine Zwangshaft sind, für eine Fallgestaltung der inmitten stehenden Art nicht zur Verfügung stellt und ein Rückgriff auf derartige Zwangsmittel auch von der Sache her nicht in Betracht kommt?

III. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof regt an, die Rechtssache gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs mit Vorrang zu entscheiden.

Gründe

I. Sachverhalt

1. Im Gebiet der Stadt M. wird der gemäß Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 in Verbindung mit dem Anhang XI Abschnitt B der Richtlinie 2008/50/EG festgelegte, sich auf das Kalenderjahr als Mittelungszeitraum beziehende Grenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) von 40 µg/m³ an zahlreichen Stellen - zum Teil massiv - überschritten. Nach den eigenen Angaben des Freistaates Bayern (des Vollstreckungsschuldners), die sich auf jene 511 Straßenkilometer innerhalb M. beschränken, die nach Darstellung des Vollstreckungsschuldners pro Tag im Durchschnitt von mehr als 5.000 Kraftfahrzeugen frequentiert werden, wurde der Grenzwert von 40 µg/m³ im Jahr 2015 auf 123 Kilometern nicht eingehalten. Auf 16 dieser Kilometer überstieg die Stickstoffdioxidkonzentration danach einen Wert von 60 µg/m³. Zu ihnen gehört die L. Allee, auf der im Jahr 2016 ein NO2-Jahresmittelwert von 80 µg/m³ und im Jahr 2017 ein vorläufiger NO2-Jahresmittelwert von 78 µg/m³ gemessen wurden. Auf 27 Kilometern lag der NO2-Jahresmittelwert nach den vom Vollstreckungsschuldner veröffentlichten Angaben zwischen mehr als 50 und 60 µg/m³; auf 80 Straßenkilometern erreichte die Stickstoffdioxidkonzentration im Jahresdurchschnitt danach Werte, die sich zwischen über 40 µg/m³ und bis zu 50 µg/m³ bewegten.

Diesem Vorabentscheidungsersuchen ist als Anlage eine Karte des Gebiets der Landeshauptstadt M. beigefügt, in der ein vom Vollstreckungsschuldner beauftragtes Gutachterbüro die unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen(abschnitte) - gestuft nach den drei vorgenannten Überschreitungskategorien - in gelber, roter und violetter Farbe eingetragen hat.

2. Beim Vollstreckungsgläubiger handelt es sich um eine nach deutschem Recht zur Erhebung von Umweltverbandsklagen befugte Nichtregierungsorganisation im Sinn von Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 und 3 der Aarhus-Konvention und von Art. 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. EU Nr. L 26 S. 1). Auf seine Klage hin erließ das Verwaltungsgericht M. am 9. Oktober 2012 im Verfahren M 1 K 12.1046 gegenüber dem jetzigen Vollstreckungsschuldner ein Urteil, dessen Tenor - soweit vorliegend noch von Belang - wie folgt lautet:

„Der Beklagte [d.h. der nunmehrige Vollstreckungsschuldner] wird verpflichtet, den für M. geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ […] im Stadtgebiet von M. enthält.“

Unter „Luftreinhalteplänen“ versteht das deutsche Recht die in Art. 23 der Richtlinie 2008/50/EG geregelten Luftqualitätspläne.

Das Urteil (es trägt die ECLI-Nummer ECLI:DE:VGMUENC:2012:1009.M1K12.1046.0A) beruht tragend auf der Erwägung, dass der vom Vollstreckungsschuldner erlassene Luftreinhalteplan für M., der damals in der Fassung der vierten Fortschreibung vorlag, den normativen Anforderungen nicht genüge, da die darin aufgenommenen Maßnahmen nicht weit genug gingen; nach den eigenen Immissionsprognosen des Vollstreckungsschuldners sei nicht einmal damit zu rechnen, dass der NO2-Jahresmittelwert von 40 µg/m³ - insbesondere an der L. Allee - im Jahr 2020 eingehalten werde.

Die von ihm gegen dieses Urteil eingelegte Berufung nahm der Vollstreckungsschuldner am 8. April 2014 zurück, nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten schriftlich darauf hingewiesen hatte, dass die Klage als zulässig und begründet erscheine, so dass die Berufung zurückzuweisen sein könnte. Das Urteil vom 9. Oktober 2012 wurde damit rechtskräftig.

3. Auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers hin drohte das Verwaltungsgericht München durch Beschluss vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203 [ECLI:DE:VGMUENC:2016:0621.M1V15.5203.0A]) dem Vollstreckungsschuldner für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach der Zustellung des Beschlusses nachkomme, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro an.

Auf die Beschwerde des Vollstreckungsschuldners hin verlieh der Bayerische Verwaltungsgerichtshof dieser Entscheidung in der Nummer II des Tenors seines Beschlusses vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427 [ECLI:DE:BAYVGH:2017:0227.22C16.1427.0A]) folgende Fassung:

„1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen [dies war die Landeshauptstadt M.] zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt M. (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt M. Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“

Die im Tenor dieses Beschlusses wiederholt erwähnte Vorschrift des § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes transferiert den im Anhang XI Abschnitt B der Richtlinie 2008/50/EG normierten Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ in das deutsche Recht. Sie lautet:

„Zum Schutz der menschlichen Gesundheit beträgt der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2)

40 Mikrogramm pro Kubikmeter.“

Zur Begründung seiner Entscheidung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof u. a. aus, der Vollstreckungsschuldner sei der Verpflichtung, die sich zu seinen Lasten aus dem rechtskräftigen Urteil vom 9. Oktober 2012 hinsichtlich der schnellstmöglichen Einhaltung des Jahresmittelgrenzwerts für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ ergebe, auch durch die inzwischen vorgenommene fünfte und sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. nicht gerecht geworden. Dies folge schon daraus, dass der Vollstreckungsschuldner in der sechsten Fortschreibung selbst davon ausgegangen sei, eine Einhaltung des NO2-Jahresmittelgrenzwerts sei ohne zusätzliche Maßnahmen an der Messstation „L. Allee“ voraussichtlich erst „nach“ 2030 und an der Messstation „Stachus“ (die durchschnittliche NO2-Belastung belief sich dort im Jahr 2016 nach den eigenen Angaben des Vollstreckungsschuldners auf 56 µg/m³ und 2017 auf voraussichtlich 53 µg/m³) erst „ab“ 2025 zu erwarten. Unabdingbar geboten sei vor diesem Hintergrund und angesichts des feststehenden herausragenden Anteils, der dem von Dieselfahrzeugen bewirkten Stickstoffdioxidausstoß an den Grenzwertüberschreitungen zukommt, die Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans.

Der Beschluss vom 27. Februar 2017 wurde mit seiner Bekanntgabe rechtskräftig.

4. Da bei Erlass dieser Entscheidung höchstrichterlich noch nicht geklärt war, ob das deutsche Recht ausreichende Instrumente bereithält, um Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge rechtswirksam anordnen zu können, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Vollstreckungsschuldner lediglich dazu verpflichtet, die in den Nummern II.2 und II.3 des Beschlusses vom 27. Februar 2017 bezeichneten Maßnahmen nur in Bezug auf ein Konzept durchzuführen, das die Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. vorsieht.

Die insoweit bestehende Ungewissheit ist seit den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Februar 2018 (7 C 26.16 [ECLI:DE:BVerwG: 2018:270218U7C26.16.0]; 7 C 30.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C30.17.0]) entfallen. Durch diese Entscheidungen wurde geklärt, dass Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge bereits auf der Grundlage des geltenden nationalen Rechts angeordnet werden können. Zugleich hat das Bundesverwaltungsgericht festgehalten, dass jedenfalls eine Luftreinhalteplanung, die lediglich Maßnahmen festlegt, aufgrund derer die Grenzwerte für Stickstoffdioxid erst nach dem Jahr 2020 eingehalten werden, gegen Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG verstößt (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.2.2018 - 7 C 26.16 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C26.16.0], Rn. 32; Urteil vom 27.2.2018 - 7 C 30.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C30.17.0], Rn. 35). Ebenfalls festgehalten hat das Bundesverwaltungsgericht, dass (beschränkte) Verkehrsverbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge aus unionsrechtlichen Gründen zu ergreifen sind, sofern sie sich als die einzig geeigneten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener NO2-Grenzwerte erweisen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.2.2018 - 7 C 26.16 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C26.16.0], Rn. 32). Die Richtigkeit des vorliegend zu vollstreckenden Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 in der Auslegung, die diese Entscheidung durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 erfahren hat, wurde damit vollumfänglich bestätigt.

5. Der Vollstreckungsschuldner ist nur der ihm in der Nummer II.1 des Tenors des Beschlusses vom 27. Februar 2017 auferlegten Pflicht - und auch dies nicht fristgerecht - nachgekommen. Etwa um den 20. Juli 2017 stellte er in den Internetauftritt der Regierung von Oberbayern (der staatlichen Mittelbehörde, die für das Aufstellen des Luftreinhalteplans für M. zuständig ist) ein Verzeichnis ein, aus dem sich ergibt, dass nach vom Vollstreckungsschuldner veranlassten Berechnungen die im Jahresmittel höchstzulässige Stickstoffdioxidbelastung von 40 µg/m³ in M. auf 257 Straßen bzw. Straßenabschnitten in der vorerwähnten Gesamtlänge von 123 km überschritten wird. Aus der gleichzeitig der Allgemeinheit erstmals zugänglich gemachten Übersichtskarte (Anlage) geht hervor, dass die betroffenen Straßen(abschnitte) nicht nur in den zentrumsnahen Bereichen, sondern in nicht geringer Zahl auch in Stadtrandbezirken liegen.

Damit war offengelegt, dass sich erhebliche Teile der Bevölkerung M. einer unzulässig hohen Belastung mit dem lebens- und gesundheitsgefährdenden Luftschadstoff „Stickstoffdioxid“ ausgesetzt sehen. Der Ministerrat des Vollstreckungsschuldners hat am 18. Juli 2017 Maßnahmen beschlossen, die nach ausdrücklicher Erklärung des Vollstreckungsschuldners der künftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. zugrunde gelegt werden sollen, jedoch nicht den gerichtlich auferlegten Maßnahmen entsprechen.

6. Da der Vollstreckungsschuldner der ihm in der Nummer II.2 des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 auferlegten Verpflichtung nicht nachkam, setzte das Verwaltungsgericht München auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers durch Beschluss vom 26. Oktober 2017 (M 19 X 17.3931) das dem Vollstreckungsschuldner insoweit angedrohte Zwangsgeld von 4.000 Euro fest. Dieser Beschluss wurde weder in einer Fachzeitschrift veröffentlicht noch in eine juristische Datenbank aufgenommen und - soweit feststellbar - auch mit keiner ECLI-Nummer versehen. Er findet sich jedoch als Blatt 51 bis 64 in der dem Europäischen Gerichtshof zusammen mit diesem Vorabentscheidungsersuchen übersandten Akte des Verfahrens M 19 X 17.3931.

Der Vollstreckungsschuldner hat gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt und das festgesetzte Zwangsgeld beglichen.

7. Den ihm in den Nummern II.2 und II.3 des Beschlusses vom 27. Februar 2017 auferlegten Verpflichtungen ist der Vollstreckungsschuldner auch in der Folgezeit bis heute nicht nachgekommen.

Um die Jahreswende 2017/2018 hat die Regierung von Oberbayern der Allgemeinheit das (bisher nicht in Kraft gesetzte) Konzept für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt M. zugänglich gemacht (Blatt 66 bis 100 der Akte des Verfahrens M 19 X 17.5464, die dem Europäischen Gerichtshof zusammen mit diesem Vorabentscheidungsersuchen zugeht). Die dem Vollstreckungsschuldner im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 verbindlich auferlegte Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in ein solches Konzept ist darin nicht enthalten. Zur Begründung wurde u. a. angemerkt: „Die Politik will diese Verbote vermeiden“ (Seite 41 des Konzepts für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans). In Abschnitt 2.5 (Seite 21 bis 35) des Konzepts räumt allerdings auch der Vollstreckungsschuldner in Übereinstimmung mit zahlreichen früheren Bekundungen seiner Fachbeamten ein, dass „Dieselfahrzeuge als Stickstoffdioxid-Hauptverursacher“ (so die Überschrift des Abschnitts 2.5) anzusehen sind. Offengelegt hat er ferner, dass alle in diesem Konzept berechneten Szenarien nicht ausreichen, um den Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im Jahr 2020 an der L. Allee in M. einzuhalten, sondern dass zu diesem Zweck weitergehende Maßnahmen erforderlich wären (Seite 30 des Konzepts).

Der Vollstreckungsschuldner hat öffentlich bekräftigt, dass er keine Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge wolle. In der von ihm am 18. April 2018 vor dem Bayerischen Landtag abgegebenen Regierungserklärung hat der derzeitige Ministerpräsident des Vollstreckungsschuldners ausgeführt:

„Ich sage ganz klar: Bayern ist Autoland. Ich bekenne mich ausdrücklich zum Auto, nicht nur als Wirtschaftsfaktor, sondern auch als Ausdruck individueller Mobilität.

Wir wollen keine Fahrverbote, sondern setzen auf den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und der Elektromobilität.“

In der Branchen- und Wirtschaftszeitung „Automobilwoche“ ließ sich der gleiche Amtsträger am 15. Juni 2018 wie folgt zitieren:

„Eines ist ganz klar: Bayern ist Autoland und daher sind wir gegen Fahrverbote. Die bringen wenig und belasten nur den Verkehr und die Bürger“.

Sein Statement schließt mit der Aussage:

„Oberste Prämisse ist aber die Vermeidung von Fahrverboten.“

8. Am 21. November 2017 hat der Vollstreckungsgläubiger beim Verwaltungsgericht München ein weiteres Vollstreckungsverfahren eingeleitet, mit dem er erneut die Durchsetzung der dem Vollstreckungsschuldner in der Nummer II.2 des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 auferlegten Verpflichtung erstrebt. Bei Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug beantragte er in diesem Rechtsstreit der Sache nach, den Vollstreckungsschuldner zur Vornahme der in der Nummer II.2 bezeichneten Handlungen

- durch Zwangshaft, zu vollstrecken an der [damaligen] Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz,

- hilfsweise durch Festsetzung eines Zwangsgelds von bis zu 25.000 Euro,

- weiter hilfsweise durch erneute Festsetzung des vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bereits angedrohten Zwangsgelds in Höhe von 4.000 Euro,

- weiter hilfsweise durch die wiederholte, mit einer erneuten Fristsetzung zu verbindende Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 4.000 Euro

anzuhalten.

Das Verwaltungsgericht gab durch Beschluss vom 29. Januar 2018 (M 19 X 17.5464 [ECLI:DE:VGMUENC:2018:0129.M19X17.5464.00]) nur dem letzten der Hilfsanträge statt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vollstreckungsschuldners wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof durch Beschluss vom 14. August 2018 (22 C 18.583, 22 C 18.667 [ECLI:DE:BAYVGH:2018:0814.22C18.583.00]) als unbegründet zurück.

9. Durch einen weiteren Beschluss vom 29. Januar 2018 (M 19 X 18.130 [ECLI:DE:VGMUENC:2018:0129.M19X18.130.00]) setzte das Verwaltungsgericht München auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers das dem Vollstreckungsschuldner in der Nummer II.3 des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in Höhe von 4.000 Euro angedrohte Zwangsgeld fest. Die auch hiergegen eingelegte Beschwerde des Vollstreckungsschuldners wurde ebenfalls durch den vorerwähnten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2018 (22 C 18.583, 22 C 18.667 [ECLI:DE:BAYVGH:2018:0814.22C18.583.00]) als unbegründet zurückgewiesen.

10. Anhängig ist vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof derzeit noch die (nunmehr unter dem Aktenzeichen 22 C 18.1718 geführte) Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen die Ablehnung des von ihm im erstinstanzlichen Verfahren M 19 X 17.5464 gestellten Hauptantrags sowie des seinerzeitigen ersten und zweiten Hilfsantrags. Er beantragt in diesem Beschwerdeverfahren nunmehr der Sache nach unter anderem, den Vollstreckungsschuldner durch

- Zwangshaft, zu vollstrecken am Bayerischen Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz,

- hilfsweise durch Festsetzung eines Zwangsgelds von bis zu 25.000 Euro, zahlbar durch den und zu vollstrecken am Bayerischen Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz,

- weiter hilfsweise durch Festsetzung eines [nicht gegen einen Amtsträger des Vollstreckungsschuldners, sondern unmittelbar gegen den Vollstreckungsschuldner als juristische Person gerichteten] Zwangsgelds von bis zu 25.000 Euro,

- weiter hilfsweise durch erneute Festsetzung des dem Vollstreckungsschuldner in der Nummer II.2 des Tenors des Beschlusses vom 27. Februar 2017 angedrohten Zwangsgelds,

- weiter hilfsweise durch eine mit zusätzlichen inhaltlichen Maßgaben zu versehende erneute Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 4.000 Euro

zur Vornahme der in der Nummer II.2 des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 bezeichneten Handlungen anzuhalten, wobei die durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung konkrete Aussagen über die Zeitpunkte des Inkrafttretens von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in M. sowie ihren räumlichen und sachlichen Geltungsumfang zu enthalten habe.

Bereits in der Antragsschrift vom 21. November 2017 hat der Vollstreckungsgläubiger klargestellt, dass im Hauptantrag der bayerische Ministerpräsident an die Stelle der damaligen Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz treten solle, falls das Gericht der Auffassung sei, dass der Vollstreckungsschuldner durch den Ministerpräsidenten vertreten werde.

II. Zur rechtlichen Situation

1. Modalitäten der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen der hier inmitten stehenden Art nach deutschem Recht

Kommt die vollziehende Gewalt dem Rechtsbefehl nicht nach, der ihr in einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung erteilt wurde, so sind die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Fällen der vorliegenden Art nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland - abgesehen von der durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. August 1999 (1 BvR 2245/98 [ECLI:DE:BVerfECLI:G:1999:rk19990809.1bvr224598]) richterrechtlich eröffneten wei-teren Möglichkeit (vgl. dazu nachfolgend Abschnitt II.9.1 der Gründe dieses Beschlusses) - darauf beschränkt, ihr gegenüber unter Einräumung einer Frist für die Nachholung der geschuldeten Handlung Zwangsgelder anzudrohen und, falls auch die Androhung erfolglos bleibt, das Zwangsgeld festzusetzen (d.h. dem Vollstreckungsschuldner die Entrichtung des angedrohten Betrags aufzugeben). Im Einzelnen stellt sich die Rechtslage wie folgt dar:

§ 167 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bestimmt:

„Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozessordnung [ZPO] entsprechend.“

Eine Spezialvorschrift, die gemäß den einleitenden Worten des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO einen Rückgriff auf die im Achten Buch der Zivilprozessordnung enthaltenen vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich ausschließt, ist § 172 VwGO. Diese Bestimmung lautet:

1Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. 2Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.“

§ 172 VwGO ist seinem Wortlaut nach wegen der für Urteile geltenden Beschränkung auf die Fälle des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO zwar nur dann unmittelbar einschlägig, wenn die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans gemäß § 123 VwGO durch einstweilige Anordnung (d.h. in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes) ausgesprochen wurde. Da es jedoch widersprüchlich wäre, die Vollstreckung ein und derselben Verpflichtung in Abhängigkeit davon nach unterschiedlichen Regeln vorzunehmen, ob über sie in einem regulären Erkenntnisverfahren oder in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes rechtskräftig befunden wurde, erachtet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in Übereinstimmung mit anderen Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich bisher zur Art und Weise der Vollstreckung von Entscheidungen geäußert haben, durch die der Exekutive der Erlass oder die Fortschreibung eines Luftreinhalteplans aufgegeben wurde, § 172 VwGO auch in derartigen Fällen für anwendbar.

2. Ein Einlenken des Vollstreckungsschuldners ist auch weiter nicht zu erwarten

Wie in Abschnitt I der Gründe dieses Beschlusses dargestellt, haben weder zwei rechtskräftige Zwangsgeldandrohungen noch zwei gleichfalls rechtskräftig gewordene Zwangsgeldfestsetzungen den Vollstreckungsschuldner dazu bewegen können, dem Rechtsbefehl nachzukommen, der ihm im Urteil vom 9. Oktober 2012 in der Auslegung erteilt wurde, die diese Entscheidung u. a. in den Nummern II.2 und II.3 des Tenors des rechtskräftigen Beschlusses vom 27. Februar 2017 gefunden hat.

In der Stellungnahme, die der Vollstreckungsschuldner mit Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 28. September 2018 im Verfahren 22 C 18.1718 abgegeben hat, hat er gegenüber dem Gericht zum Ausdruck gebracht, dass mit der Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. weiterhin nicht zu rechnen ist. Er hat dazu (Blatt 118 der Akte des Verfahrens 22 C 18.1718) vortragen lassen:

„Es trifft nicht zu, dass sich der Freistaat Bayern festgelegt habe, dass rechtskräftige, zu vollstreckende Urteile nicht befolgt werden. Auch der Freistaat hat die Möglichkeit, den Rechtsweg auszuschöpfen und Rechtsmittel einzulegen.

Zur Überzeugung des Antragsgegners [d.h. des Freistaats Bayern als Vollstreckungsschuldner] steht nach wie vor fest, dass streckenbezogene Verkehrsverbote unverhältnismäßig und damit rechtlich nicht geboten sind, da sie mit Blick auf die Belastungen durch den Ausweichverkehr ungeeignet und auf gleichwirksame Alternativmaßnahmen auch nicht erforderlich sind. Dazu wird der Freistaat Bayern in die vom Gericht verlangte Prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung eintreten. In einem ersten Schritt werden streckenbezogene Verkehrsverbote auf Basis aktualisierter Immissions-, Fahrzeug- und Verkehrsdaten zu prüfen, ihre Unverhältnismäßigkeit darzustellen und die Ergebnisse dann der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen sein. Diese Prüfung und Bewertung setzt voraus, dass zu vorhandenem Analysematerial noch weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Ziel ist es, die Ergebnisse bis zum Ende des Jahres öffentlich vorzustellen.

Besonders weisen wir darauf hin, dass insbesondere durch Maßnahmen der technischen Nachrüstung von Kraftfahrzeugen mittlerweile auch andere geeignete Maßnahmen als Verkehrsverbote zur Verbesserung der Luftqualität vorhanden sind und wir diese im Rahmen der vorgenannten Prüfung gegebenenfalls mit bewerten werden.“

Mit seinem Hinweis auf die Befugnis, „den Rechtsweg auszuschöpfen und Rechtsmittel einzulegen“, verweigert sich der Vollstreckungsschuldner der Erkenntnis, dass weder gegen das Urteil vom 9. Oktober 2012 noch gegen den Beschluss vom 27. Februar 2017 noch Rechtsmittel eingelegt werden können. Die eingetretene Rechtskraft beider Entscheidungen hat vielmehr zur Folge, dass der Vollstreckungsschuldner an die darin enthaltenen gerichtlichen Aussprüche gebunden ist und sie zu befolgen hat. § 121 Nr. 1 VwGO bestimmt diesbezüglich:

„Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1. die Beteiligten …“.

Diese Vorschrift gilt für Beschlüsse, die - wie das bei der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 der Fall ist - einen der Rechtskraft fähigen Ausspruch enthalten, in gleicher Weise (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14.8.2018 - 22 C 18.583, 22 C 18.667 [ECLI:DE:BAYVGH:2018:0814.22C18.583.00], Rn. 82).

Wenn der Vollstreckungsschuldner im weiteren Fortgang der vorstehend im Wortlaut wiedergegebenen Passage aus dem Schriftsatz vom 28. September 2018 seine Auffassung zum Ausdruck bringt, streckenbezogene Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, deren Aufnahme in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. der Bayerische Verwaltungsgerichtshof von ihm in erster Linie - wenngleich nicht ausschließlich - erwartet, seien unverhältnismäßig, so steht es ihm zwar unbenommen, diese Meinung zum Ausdruck zu bringen; seine Pflicht, rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen zu befolgen, denen ein gegenläufiger Rechtsstandpunkt zugrunde liegt, bleibt hiervon jedoch unberührt.

Nur nachrichtlich ist vor diesem Hintergrund festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht in den beiden Urteilen vom 27. Februar 2018 (7 C 26.16 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C26.16.0], Rn. 38; 7 C 30.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C30.17.0], Rn. 41) die nur moderate Eingriffsintensität streckenbezogener Verkehrsverbote (d.h. solcher Verbote, die nur einzelne Straßen oder Straßenabschnitte betreffen) mit großer Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht und zu erkennen gegeben hat, dass sie im Vergleich zu zonalen Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge (d.h. solchen, die ein großflächiges, aus einer Vielzahl von Haupt- und Nebenstraßen gebildetes, zusammenhängendes Verkehrsnetz betreffen) das mildere Mittel darstellen.

In dem im Verfahren 7 C 26.16 am 27. Februar 2018 erlassenen Urteil (ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C26.16.0, Rn. 65) hat das Bundesverwaltungsgericht ferner seine frühere Rechtsprechung bekräftigt, der zufolge ein Ausweichverkehr, zu dem es als Folge eines der Luftreinhaltung dienenden streckenbezogenen Verkehrsverbots kommt, nicht per se, sondern nur dann zur Unzulässigkeit des Verkehrsverbots führt, wenn die hierdurch bedingte Umlenkung von Verkehrsströmen eine erstmalige oder weitere Überschreitung des NO2-Grenzwertes an anderer Stelle hervorruft. Dass der Vollstreckungsschuldner befugt ist, bei Erfüllung dieser Voraussetzung (und bei fehlenden Alternativen) davon abzusehen, für einen zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßenabschnitt von einem Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge abzusehen, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 14. August 2018 (22 C 18.583, 22 C 18.667 [ECLI:DE:BAYVGH:2018:0814.22C18.583.00], Rn. 102) ausdrücklich anerkannt.

Bestätigt wird die Absicht des Vollstreckungsschuldners, die gerichtlich auferlegten Pflichten nicht zu erfüllen, durch die von ihm angekündigte „Prüfung und Öffentlichkeitsbeteiligung“ mit dem Ziel, die von ihm weiterhin behauptete Unverhältnismäßigkeit streckenbezogener Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge aufzuzeigen (vgl. die Ausführungen im zweiten Absatz des vorstehend wörtlich wiedergegebenen Auszugs aus dem Schriftsatz der Landesanwaltschaft Bayern vom 28.9.2018). Dieser Erklärung zufolge soll die angekündigte Prüfung nicht etwa in der Absicht durchgeführt werden, dem im Urteil vom 9. Oktober 2012 und in der Nummer II.2 des Beschlusses vom 27. Februar 2017 enthaltenen Rechtsbefehl nach besten Kräften nachzukommen; noch nicht einmal von einer Ergebnisoffenheit der angekündigten Ausarbeitung kann nach der Ankündigung des Vollstreckungsschuldners die Rede sein. Eine Vorgehensweise, die von vornherein darauf angelegt ist, die Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. auszuschließen, stellt keine Erfüllung der zu vollstreckenden gerichtlichen Entscheidungen dar.

3. Verfassungsrechtliche Relevanz des Verhaltens des Vollstreckungsschuldners

Die bindende Wirkung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen ist Bestandteil des Rechtsstaatsgebots des Grundgesetzes. In seinem Beschluss vom 31. Januar 1978 (2 BvL 8/77 - Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE] 47, 146/161) hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich auf die „rechtsstaatliche Funktion der materiellen Rechtskraft gerichtlicher Entscheidungen“ hingewiesen und in diesem Zusammenhang ausgeführt:

„Funktion der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen ist es, durch die Maßgeblichkeit und Rechtsbeständigkeit des Inhalts der Entscheidung über den Streitgegenstand für die Beteiligten und die Bindung der öffentlichen Gewalt an die Entscheidung die Rechtslage verbindlich zu klären …“ (BVerfG, Beschluss vom 31.1.1978 - 2 BvL 8/77 - BVerfGE 47, 146/161; Hervorhebungen nicht im Original).

Die Entscheidung des deutschen Verfassungsgebers, die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsstaat zu konstituieren (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes [GG]), stellt einen Kernbestandteil der deutschen Verfassungsordnung dar; sie ist gemäß Art. 79 Abs. 3 GG der Disposition selbst des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen. Die erstgenannte Bestimmung lautet:

„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“

Die bindende Wirkung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen ist zudem grundlegende Voraussetzung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Artikel 19 Abs. 4 Satz 1 GG legt fest:

„Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“

Dieses Grundrecht umfasst außer dem Anspruch auf Zugang zu den Gerichten und auf Prüfung des Streitbegehrens in einem förmlichen Verfahren die „verbindliche“ gerichtliche Entscheidung.

4. Unionsrechtliche Erheblichkeit der Verletzung des Rechtsstaatsgrundsatzes und des Anspruchs auf wirksamen Rechtsschutz durch Missachtung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen

Da die Rechtsstaatlichkeit gemäß Art. 2 Satz 1 EUV zu den Werten gehört, auf die sich die Europäische Union gründet, ferner Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-GR-Charta) den Anspruch auf einen „wirksamen Rechtsbehelf“ verbürgt, Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV zudem die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die erforderlichen Rechtsbehelfe zu schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet wird, kommt der Missachtung rechtskräftiger Urteile und Beschlüsse auch unionsrechtliche Relevanz zu.

Als durch das Recht der Union garantiertes subjektives Recht, dessen Bestehen Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 47 Abs. 1 EU-GR-Charta ist, sieht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den in Art. 9 Abs. 4 Satz 1 der Aarhus-Konvention verbürgten Anspruch von Nichtregierungsorganisationen auf angemessenen und effektiven Rechtsschutz an, da diese Konvention integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist (vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 8.3.2011 - C-240/09 [ECLI:ECLI:EU:C:2011:125], Rn. 30). Wollte man dessen ungeachtet Art. 47 Abs. 1 EU-GR-Charta nicht als anwendbar ansehen, würde die Missachtung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen, die eine Nichtregierungsorganisation im Sinn von Art. 9 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 und 3 der Aarhus-Konvention und von Art. 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 der Richtlinie 2011/92/EU erstritten hat, den Vollstreckungsgläubiger des vorliegenden Verfahrens jedenfalls in dem unmittelbar aus Art. 9 Abs. 4 Satz 1 der Aarhus-Konvention folgenden Anspruch verletzen.

In seiner Auffassung, dass die Nichtbefolgung rechtskräftiger Entscheidungen durch die öffentliche Gewalt auch mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbar ist, sieht sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht zuletzt durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 19. März 1997 (Nr. 18357/91 - Hornsby ./. Greece - Rn. 40/41) bestätigt.

Da Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EU-GR-Charta der Vorschrift des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zum Teil wörtlich nachgebildet ist, ohne die der letztgenannten Bestimmung innewohnenden Beschränkungen auf zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen sowie strafrechtliche Anklagen zu übernehmen, geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass den zu Art. 6 Abs. 1 EMRK angestellten Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vor dem Hintergrund des Art. 52 Abs. 3 EU-GR-Charta Beachtlichkeit auch für das Recht der Europäischen Union zukommt. Für die Bestimmung der Reichweite des Art. 9 Abs. 4 Satz 1 der Aarhus-Konvention kann nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nichts anderes gelten.

5. Verletzung der Pflicht des Vollstreckungsschuldners, alle geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung eines durch die Richtlinie 2008/50/EG vorgegebenen Grenzwerts zu ergreifen

Unionsrechtliche Relevanz kommt der Nichterfüllung des Urteils vom 9. Oktober 2012 in der im Beschluss vom 27. Februar 2017 vorgenommenen Auslegung auch deshalb zu, weil das Vorgehen des Vollstreckungsschuldners das in Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2008/50/EG statuierte Gebot konterkariert, den Zeitraum der Nichteinhaltung eines unionsrechtlich vorgegebenen Grenzwerts so kurz wie möglich zu halten.

5.1 Weitestgehende Ineffizienz der Luftreinhalteplanung des Vollstreckungsschuldners hinsichtlich des Luftschadstoffs „Stickstoffdioxid“

Der im Anhang XI Abschnitt B dieser Richtlinie festgesetzte Grenzwert für die im Jahresmittel höchstzulässige Stickstoffdioxidbelastung von 40 µg/m³ ist seit dem 1. Januar 2010 verbindlich einzuhalten. Bereits zuvor stellte das Unionsrecht diesbezügliche Vorgaben für die Luftqualität auf, die aufgrund von Toleranzmargen allerdings weniger streng waren; aufgrund der sich über mehr als ein Jahrzehnt hinweg erstreckenden schrittweisen Absenkung der Toleranzmargen bestand für den Vollstreckungsschuldner ausreichend Zeit, um die für die Einhaltung dieses Grenzwerts erforderlichen Vorkehrungen zu treffen (vgl. zu diesem Erfordernis z. B. EGMR, Urteil vom 19.3.1997 - Nr. 18357/91 [Hornsby ./. Greece], Rn. 43). Seit dem Stichtag, von dem an der aktuell geltende Grenzwert gilt, sind nunmehr fast neun Jahre, seit der am 8. April 2014 eingetretenen Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 über vier Jahre und seit der Rechtskraft des Beschlusses vom 27. Februar 2017 deutlich mehr als eineinhalb Jahre vergangen.

Während dieser langen Zeitspannen hat der Vollstreckungsschuldner nur äußerst geringe Bemühungen unternommen, um den sich aus dem Unionsrecht ergebenden Anforderungen gerecht zu werden. Obwohl der im Jahr 2002 noch geltende Grenzwert für die im Jahresmittel höchstzulässige Stickstoffdioxidbelastung von 56 µg/m³ nach den eigenen Angaben des Vollstreckungsschuldners bereits damals an 26 Straßen mit insgesamt 47 Straßenabschnitten (d.h. im Durchschnitt auf zwei Teilstrecken dieser 26 Straßen) nicht eingehalten wurde, hat er erstmals am 28. Dezember 2004 überhaupt einen Luftreinhalteplan für das Gebiet der Stadt M. in Kraft gesetzt. Berücksichtigt man, dass der nunmehr geltende Grenzwert von 40 µg/m³ nach dem eigenen Eingeständnis des Vollstreckungsschuldners auf 257 Straßen(abschnitten) nicht eingehalten wird, kann nicht einmal von einer partiellen Verbesserung gesprochen werden. Die Ineffizienz der Luftreinhalteplanung des Vollstreckungsschuldners - bezogen auf Stickstoffdioxid - zeigt ferner die Tatsache, dass er die mittlere Jahresbelastung durch diesen Luftschadstoff an dem am stärksten betroffenen Abschnitt der L. Allee für das Jahr 2002 noch mit 74 µg/m³ errechnet und er im Jahr 2003 an dieser Straße einen NO2-Jahresmittelwert von „nur“ 63 µg/m³ gemessen hat, während sich der gleiche, messtechnisch ermittelte Wert dort im Jahr 2016 auf 80 µg/m³ und im Jahr 2017 nach dem aktuellsten zur Verfügung stehenden Kenntnisstand auf 78 µg/m³ belief. Der Vollstreckungsschuldner hat die fehlende Eignung seiner Luftreinhalteplanung, eine durchgreifende Verbesserung hinsichtlich der Stickstoffdioxidbelastung im Bereich stark befahrener Straßen herbeizuführen, der Sache nach selbst eingestanden, wenn er in der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. (Seite 19) anmerkte: „Bei den Messstationen, bei denen die Schadstoffbelastung sehr stark vom Verkehr geprägt wird (…), verharren die NO2-Konzentrationen insbesondere in den letzten zehn Jahren … auf hohem Niveau.“

5.2 Ursachen für die weitestgehende Ineffizienz der Luftreinhalteplanung des Vollstreckungsschuldners, bezogen auf Stickstoffdioxid

Von den sieben bisher in Kraft gesetzten Fassungen des für M. erstellten Luftreinhalteplans enthielten lediglich zwei - nämlich die erste und die fünfte Fortschreibung - jeweils eine einzige Maßnahme, die als ein jedenfalls ansatzweise hilfreicher Beitrag zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung angesehen werden kann. Es handelt sich um das in die erste Fortschreibung aufgenommene Verbot des Lkw-Transit-Verkehrs durch das Stadtgebiet sowie um die Absenkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einem Teilabschnitt der L. Allee von 60 km/h auf das in Deutschland innerorts übliche Maß von 50 km/h, die in die fünfte Fortschreibung Eingang gefunden hat. Da hohe Stickstoffdioxidkonzentrationen ein Phänomen darstellen, das typischerweise nur im näheren Umgriff verkehrlich stark belasteter, durch ungünstige Luftausbreitungsbedingungen gekennzeichneter Straßen auftritt (bereits ab einer Entfernung von ca. 50 m zur L. Allee wird nach glaubhafter Darstellung des Vollstreckungsschuldners der Grenzwert von 40 µg/m³ eingehalten), kommt die letztgenannte Maßnahme den anderen 256 in M. unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid beaufschlagten Straßenabschnitten allerdings nicht zugute. Auch an der L. Allee selbst blieb die Wirkung der Geschwindigkeitsreduzierung weit hinter den Ankündigungen des Vollstreckungsschuldners zurück: Während er in der fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans die Behauptung aufgestellt hatte, diese Maßnahme werde die NO2-Belastung an der L. Allee um 11 µg/m³ verringern, beschränkte sich ihr tatsächlicher Effekt - wie der Vollstreckungsschuldner nun eingeräumt hat - auf eine Reduzierung der dortigen NO2-Konzentration um 3 µg/m³.

Die erstmals in der zweiten Fortschreibung angekündigte stufenweise Einführung einer Umweltzone in M. - von ihr wurden die weithin sehr hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen, die den sog. „Mittleren Ring“ bilden (zu ihnen gehört die L. Allee), von vornherein ausgenommen - diente nach der ausdrücklichen Darstellung in der zweiten Fortschreibung (Seite 25) zumindest in erster Linie der Verringerung des Feinstaubgehalts der Luft. Einen durchgreifenden Beitrag zur Reduzierung der NO2-Konzentrationen konnte die Umweltzone schon deshalb nicht leisten, weil unter der Geltung der ersten Stufe nach den eigenen Angaben des Vollstreckungsschuldners selbst Dieselfahrzeuge in sie einfahren durften, die lediglich den Anforderungen der Schadstoffnormen Euro-II bzw. Euro-2 genügten; bei vorhandenem Partikelfilter war sie anfangs sogar für Dieselfahrzeuge der Euro-I/Euro-1-Norm zugänglich. Seit dem Erreichen ihres finalen Stadiums besteht in der Umweltzone - wiederum nach den Angaben des Vollstreckungsschuldners - ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge, die nicht mindestens die Voraussetzungen der Schadstoffnormen Euro-IV bzw. Euro-4 (bei vorhandenem Partikelfilter der Schadstoffnormen Euro-III bzw. Euro-3) erfüllen. Der Vollstreckungsschuldner räumt nunmehr selbst ein, dass die Notwendigkeit besteht, derartige Dieselfahrzeuge wegen ihres hohen NO2-Ausstoßes durch weniger stark emittierende Fahrzeuge zu ersetzen.

Bei den sonstigen Maßnahmen, die in die Urfassung des Luftreinhalteplans für M. sowie in die bisher sechs in Kraft getretenen Fortschreibungen dieses Plans aufgenommen wurden, handelt es sich weithin um unverbindliche Absichtsbekundungen oder um Akte symbolischer Politik, deren fehlende Eignung, die Stickstoffdioxidbelastung im Umgriff der betroffenen Straßen nennenswert zu verringern, entweder von vornherein auf der Hand lag oder deren Wirkungen prospektiv weder in zeitlicher noch in quantitativer Hinsicht konkret benennbar oder retrospektiv beweiskräftig feststellbar sind. Angereichert wurden diese Kataloge durch die Aufnahme von Maßnahmen, zu deren Durchführung der Vollstreckungsschuldner selbst nicht zuständig ist und deren Vornahme durch Dritte (z.B. durch Stellen des Bundes, durch Kommunalbehörden oder durch Privatpersonen) er zum Teil auch nicht erzwingen kann, sondern deren Verwirklichung im Belieben dieser Dritten steht.

5.3 Der künftige Zeitpunkt der Einhaltung des Grenzwerts von 40 µg/m³ ist nach den aktuellen Planungen des Vollstreckungsschuldners nicht einmal entfernt absehbar

In besonders plastischer Weise tritt der im Wesentlichen unbehelfliche Charakter der Luftreinhalteplanung des Vollstreckungsschuldners, deren Hauptanliegen es ist, unpopuläre Maßnahmen unter allen Umständen zu vermeiden, im Konzept für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. hervor.

Die darin unter den Nummern M 7.1 bis M 7.3 aufgeführten Maßnahmen sind ein bloß nachrichtliches Referat von Schritten, die in der Vergangenheit auf Bundesebene ergriffen worden seien. Hiervon haben die Nummern M 7.1 und M 7.2 von vornherein keine eigenen Handlungen des Vollstreckungsschuldners (und auch nicht solche des Bundes) zum Gegenstand. Unter der Nummer M 1 wurde vielmehr eine von Vertretern der deutschen Automobilindustrie am 2. August 2017 behauptetermaßen vorgenommene Ankündigung wiedergegeben, bis zum Jahresende 2018 die NOx-Emissionen (sie sind mit den NO2-Emissionen nicht identisch) von ca. 5,3 Millionen Personenkraftwagen, die mit Dieselmotoren der Schadstoffklassen Euro 5 und Euro 6 ausgestattet sind, durch Veränderungen an der Fahrzeugsoftware um durchschnittlich 25 bis 30% zu verringern. Die Umsetzung dieser Ankündigung stand allerdings - auch nach Darstellung des Vollstreckungsschuldners - von vornherein unter dem doppelten Vorbehalt, dass zum einen die einschlägige Nachrüsttechnik durch die in Deutschland hierfür zuständige Behörde (das Kraftfahrt-Bundesamt) freigegeben wird, und dass die Fahrzeuge zum anderen für die Hersteller erreichbar sind. Letzteres setzt die - ungewisse - Bereitschaft der Fahrzeuginhaber voraus, derartige Eingriffe an ihrem Eigentum durch Unternehmen vornehmen zu lassen, die in der Vergangenheit in Zusammenhang mit dem Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen - wie allgemein bekannt - zum Teil hohe kriminelle Energie an den Tag gelegt haben.

Unter der Nummer M 7.2 referiert das Konzept für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. die behauptetermaßen ebenfalls am 2. August 2017 abgegebene Zusage der drei deutschen Automobilkonzerne, eigenfinanzierte Anreize (z.B. Umstiegsprämien) zu schaffen, um den Wechsel von Dieselfahrzeugen, die einer unterhalb der Euro-5-Norm liegenden Schadstoffklasse angehören, auf Fahrzeuge mit modernster Abgasnachbehandlung oder solche mit Elektroantrieb zu beschleunigen. Angaben darüber, in welcher Höhe solche freiwilligen „Wechselprämien“ gewährt werden (hiervon hängt es ab, ob ein ins Gewicht fallender Teil der Eigentümer von Dieselfahrzeugen von derartigen Angeboten Gebrauch macht), enthält das Konzept nicht.

Jedenfalls eine Luftreinhalteplanung, die - wie vorstehend beispielhaft aufgezeigt - das Wirksamwerden von Maßnahmen von Bedingungen abhängig macht, die vom Plangeber nicht selbst herbeigeführt werden können und deren Eintritt auch im Übrigen ungewiss ist, verstößt gegen die sich aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG ergebende Verpflichtung, die aktuell am besten geeigneten Luftreinhaltemaßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung überschrittener Grenzwerte zu ergreifen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 27.2.2018 - 7 C 30.17 [ECLI:DE:BVerwECLI:G:2018:270218U7C30.17.0], Rn. 35). Nur ergänzend ist deshalb festzuhalten, dass die vorerwähnten Absichtserklärungen der deutschen Automobilindustrie selbst dann, wenn sie im angekündigten Umfang verwirklicht werden sollten, lediglich zu einer sehr beschränkten Verringerung der NO2-Konzentration an den in M. unzulässig hoch belasteten Straßen führen würden. Unter Zugrundelegung der - optimistischen - Annahme, die erwähnten Software-Updates würden bei 5 Millionen der von Vertretern der deutschen Automobilindustrie genannten 5,3 Millionen Personenkraftwagen durchgeführt, rechnet das Umweltbundesamt mit einem Rückgang des Stickstoffdioxidaufkommens an der L. Allee um ca. 3 µg/m³. Sollten zusätzlich 25% derjenigen Diesel-Pkw, die den Schadstoffklassen Euro 1 bis Euro 4 unterfallen, durch mit Diesel- oder Ottomotoren ausgestatte Fahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6 ersetzt werden, beliefe sich das Minderungspotenzial an der L. Allee nach Einschätzung des Umweltbundesamtes auf insgesamt etwa 5 µg/m³ (vgl. Seite 30 des Konzepts für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M.).

Weiter (nämlich als Nummer M 5.1 und als Nummer M 7.3) in das Konzept für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommen hat der Vollstreckungsschuldner den von der Bundesregierung - behauptetermaßen unter Mitfinanzierung durch die Automobilindustrie - aufgelegten Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“. Diese Subventionsmaßnahme soll nach eigener Darstellung des Vollstreckungsschuldners die „Entwicklung von individuellen Masterplänen zur Gestaltung von Maßnahmen für eine nachhaltige und emissionsfreie Mobilität“ ermöglichen, wobei in „ganzheitlichen Systemen gedacht“ und u. a. der „Modal Split“ genutzt werden solle. Als eigenen Beitrag gibt der Vollstreckungsschuldner an, er wolle „prüfen“, ob er die Fachkompetenz seines „Mobility Hub“ zur Verfügung stellen könne (vgl. zu alledem Seite 61 des Konzepts für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M.). Von Angaben dazu, mit welcher konkreten Reduzierung der Stickstoffdioxidbelastung diese unbestimmten Ankündigungen einhergehen, hat der Vollstreckungsschuldner abgesehen.

Ebenfalls die lediglich nachrichtliche Erwähnung einer behauptetermaßen bereits seit einiger Zeit betriebenen Planung Dritter stellt das von mehreren Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden getragene „Pilotprojekt Radschnellwege“ dar, das der Vollstreckungsschuldner als Nummer M 4.2 in diese Fortschreibung aufgenommen hat.

Soweit dieses Konzept die teils bereits erfolgende, teils für die Zukunft in Aussicht genommene Vergabe staatlicher Subventionen erwähnt (vgl. z.B. die Nummern M 1.3 bis M 2.3 sowie M 3.1 bis M 3.3), hat der Vollstreckungsschuldner diese Maßnahmen ausdrücklich unter einen Haushaltsvorbehalt gestellt (vgl. Seite 8, Abschnitt 1.3 des Konzepts für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans). Dies bedeutet, dass die dargestellten Zuwendungen nur gewährt werden, falls die jeweils zuständigen Volksvertretungen (bei mehreren der aufgeführten Subventionsvorhaben ist der Vollstreckungsschuldner eigener Darstellung zufolge nur einer von mehreren Mittelgebern) hierfür überhaupt Gelder bereitstellen. Unter den Nummern M 2.2 und M 3.4 sind bereits laufende, mit staatlichen Zuwendungen unterstützte Forschungsprojekte Dritter in das Konzept aufgenommen worden, die nach den eigenen Andeutungen des Vollstreckungsschuldners allenfalls in äußerst ferner Zukunft praktisch verwertbare Ergebnisse bewirken werden. Außerdem ist nicht ersichtlich, inwiefern die bloße „Prüfung“, ob eine Umstellung des Verkehrs auf im Gebiet von M. verlaufenden Eisenbahnstrecken von Dieseltraktion auf andere Antriebsarten in Betracht kommt (Nummer M 3.4 des Konzepts), sowie der diesbezüglich an den Bund gerichtete Appell (Nummer M 3.7) einen irgendwie ins Gewicht fallenden Beitrag für die Einhaltung der 40-µg/m³-Grenze leisten können. Denn der Vollstreckungsschuldner hat in mehreren der Fortschreibungen des Luftreinhalteplans für M. selbst auf die vergleichsweise geringe Bedeutung hingewiesen, die der Hintergrundbelastung der Luft mit Stickstoffdioxid (d.h. dem nicht auf den Straßenverkehr zurückzuführenden NO2-Anteil) für die Überschreitung dieses Grenzwerts zukommt.

Im Rahmen des als Maßnahme M 6 vorgestellten „Verkehrspakts Großraum M.“ schließlich benennt der Vollstreckungsschuldner keinen einzigen nach Inhalt, Zeitpunkt und Wirkungsumfang feststehenden Handlungsschritt. Vielmehr verbirgt sich hinter diesem Etikett die Erklärung, eine Mehrzahl von Gremien (nämlich eine politisch besetzte, einmal jährlich zusammentretende „Lenkungsgruppe“, eine gleichfalls der Koordination und Überwachung dienende „Steuerungsgruppe“ sowie „entsprechend besetzte“ Arbeitskreise) werde sich - ohne zeitliche Vorgaben hinsichtlich vorzuweisender Ergebnisse - mit vollkommen konturlos umschriebenen Themen wie der „Verbesserung der Rahmenbedingungen“, „neuen Technologien“ sowie der „Intermodalität und Vernetzung der Verkehrsträger“ befassen.

Unter Verstoß gegen die Verpflichtung, die sich für den Vollstreckungsschuldner aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2008/50/EG in Verbindung mit dem Anhang XV Abschnitt A Nr. 8 Buchst. b dieser Richtlinie ergibt, enthält das Konzept auch sonst hinsichtlich zahlreicher der darin formulierten Absichtserklärungen (z.B. bei den Nummern M 1.2, M 1.3, M 2.1, M 2.2, M 2.3, M 3.1, M 3.4 und M 4.3) keine Angaben dazu, wann sie verwirklicht werden sollen. Vor allem aber fehlen - abgesehen von der Nummer M 1.1 - durchgängig die nach dem Anhang XV Abschnitt A Nr. 8 Buchst. c der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Angaben darüber, wann die einzelnen Bestandteile des Konzepts praktische Wirksamkeit entfalten werden und welchen ungefähren Rückgang der Stickstoffdioxidbelastung der Vollstreckungsschuldner sich von ihnen erhofft. Angesichts der Unbehelflichkeit bzw. des sich im Symbolischen erschöpfenden Beitrags der meisten Absichtsbekundungen, die der Vollstreckungsschuldner in das Konzept für eine siebte Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommen hat, sind diesbezügliche Angaben zur Überzeugung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs teils von der Sache her auch gar nicht möglich.

Dass der Vollstreckungsschuldner letztlich selbst um die fehlende Eignung des von ihm geschaffenen Anscheins einer ernsthaften Luftreinhalteplanung weiß, die Einhaltung des Grenzwerts von 40 µg/m³ in M. innerhalb überschaubarer Zeit zu bewirken, zeigt die Tatsache, dass im Konzept für eine siebte Fortschreibung eine Aussage dazu fehlt, wann der Vollstreckungsschuldner auf der Grundlage seiner Vorgehensweise mit der Herstellung unionsrechtskonformer Verhältnisse in M. rechnet. Insbesondere behauptet er selbst nicht, dass die indiskutabel langen Zeiträume, die er sich in der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Einhaltung der 40-µg/m³-Grenze zugebilligt hatte („ab 2025“ an einer mittelgradig zu hoch belasteten Stelle wie dem Stachus, „nach 2030“ in Bezug auf eine Straße mit extremen Grenzwertüberschreitungen wie der L. Allee), nunmehr verkürzt werden. Von einer effektiven Durchführung des Unionsrechts im Sinn von Art. 197 Abs. 1 AEUV kann vor diesem Hintergrund ebenso wenig die Rede sein wie davon, eine solche Handlungsweise stehe mit dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV statuierten Gebot in Einklang, dem zufolge die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen haben, um die Verpflichtungen zu erfüllen, die sich aus den Handlungen der Organe der Union (hier: der Richtlinie 2008/50/EG) ergeben.

Vor allem aber strebt der Vollstreckungsschuldner anscheinend die Einhaltung des Grenzwerts von 40 µg/m³ letztlich gar nicht mehr an, sondern ihm ist vielmehr daran gelegen, diesen Grenzwert zu lockern oder hiervon bisher nicht vorgesehene Ausnahmen zuzulassen. In der Begründung des von der Bayerischen Staatsregierung beim Bayerischen Landtag eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes (durch dieses Gesetz wurde die Aufgabe, Luftreinhaltepläne aufzustellen, von dem hierfür bis dahin zuständigen Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz auf die nachgeordneten Behörden “Regierungen“ übertragen) hat der Vollstreckungsschuldner ausgeführt:

„Die Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid an stark verkehrlich belasteten Stellen mit ungünstigen Bedingungen für die Schadstoffverteilung in der Luft (Straßenschluchten) werden auch langfristig noch andauern. Sie stellen derzeit ein erhebliches Problem dar, sofern nicht unverhältnismäßige Verkehrsverbote Anwendung finden sollen. Somit ist in erster Linie die Politik und damit das StMUV [Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz] zusammen mit den anderen Ressorts gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen („Maßnahmen beim Straßenverkehr wie nachhaltige Mobilität in den Städten“) und Ausnahmen bei der EU-Kommission zu bewirken (z.B. bei der Revision der Luftqualitätsrichtlinie).“

(Bayerischer Landtag, Drucksache 17/11092 vom 19.4.2016, Deckblatt und Seite 6; Hervorhebung nicht im Original).

Diese Darstellung ist nicht zuletzt deshalb bemerkenswert, weil der Vollstreckungsschuldner darin selbst einräumt, dass Verkehrsverbote (für Dieselfahrzeuge) das einzige Mittel bilden, um den rechtswidrigen Zustand einer noch „langfristig“ andauernden Überschreitung des Jahresmittelgrenzwerts für Stickstoffdioxid zu beenden. Über die Frage, ob derartige Verkehrsverbote unverhältnismäßig sind, haben im gewaltenteiligen Rechtsstaat zudem letztverbindlich die Gerichte zu befinden.

6. Fortwährende Schädigung menschlichen Lebens und menschlicher Gesundheit als Folge der andauernden NO2-Grenzwertüberschreitungen in M.

Wegen des Unterbleibens der von Rechts wegen gebotenen, gerichtlich auferlegten Handlungen zur Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung der Luft auf das normativ zulässige Maß muss eine unübersehbar große Zahl von Menschen in M. weiterhin unnötig lange jene Einbußen an Lebenszeit, Lebensqualität und Gesundheit hinnehmen, die eine solche Exposition gerade dann auslöst, wenn die maximal zulässige Konzentration zum Teil massiv überschritten wird und dieser Missstand bereits seit Jahrzehnten besteht. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat in dem am 21. August 2018 der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Entwurf eines Luftreinhalteplans für Düsseldorf ausgeführt:

„Die relativ geringe Wasserlöslichkeit von NO2 bedingt, dass der Schadstoff nicht in den oberen Atemwegen gebunden wird, sondern auch in tiefere Bereiche des Atemtrakts (Bronchiolen, Alveolen) eindringt.

Stickstoffdioxid kann die menschliche Gesundheit nachhaltig schädigen. Nach kurzfristiger Erhöhung der NO2-Belastung konnte in experimentellen Studien mit Asthmatikern eine Zunahme der bronchialen Hyperreagibilität (Überempfindlichkeit der Atemwege, bei der es zu einer Verengung der Bronchien kommt) festgestellt werden. In umweltepidemiologischen Studien wurde mit zunehmender NO2-Konzentration in der Außenluft ein Anstieg der Gesamtsterblichkeit, der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit, der Krankenhausaufnahmen und Notfall-Konsultationen aufgrund von Atemwegserkrankungen und Asthma sowie der Krankenhausaufnahmen aufgrund von chronischer Bronchitis ermittelt.

Eine langfristige Erhöhung der NO2-Konzentration in der Außenluft führt zu einer Verschlechterung der Lungenfunktion und einer Erhöhung der Häufigkeit von infektionsbedingten Atemwegserkrankungen wie Husten und Bronchitis. Pro Zunahme der NO2-Belastung um 10 µg/m³ muss mit einem Anstieg der Häufigkeit von Bronchitissymptomen oder des Auftretens von Bronchitis um ca. 10% gerechnet werden. Besonders betroffen sind vor allem gesundheitlich vorgeschädigte Personen mit Atemwegserkrankungen sowie Kinder und Jugendliche. Aber auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegserkrankungen und die Sterblichkeit nehmen in der Bevölkerung mit ansteigender NO2-Konzentration zu.

Die Auswertung der ‚Feinstaub Kohortenstudie Frauen NRW‘ [diese Abkürzung steht für das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen] weist darauf hin, dass bei einem Anstieg der NO2-Konzentration um 16 µg/m³ die Gesamtsterblichkeit um 17%, die kardiopulmonale Sterblichkeit um 50% sowie die kardiovaskuläre Sterblichkeit um 55% zunimmt.“

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erachtet diese Darstellung deshalb für glaubhaft, weil sie erkennbar von Sachkunde und Unparteilichkeit getragen ist und sie sich auf einschlägige Studien stützen kann, die der vorstehend auszugsweise wiedergegebene Text in nachprüfbarer Weise benennt. So wurde z.B. die dort in Bezug genommene „Feinstaub Kohortenstudie Frauen NRW“ vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen - einer renommierten Fachbehörde - erstellt. Die vorstehenden Angaben über die Lebens- und Gesundheitsgefahren, die mit unzulässig hohen Stickstoffdioxidexpositionen einhergehen, stehen ferner in Einklang mit den Feststellungen, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427 [ECLI:DE:BAYVGH:2017:0227.22C16.1427.0A], Rn. 101), gestützt auf einen aus dem Jahr 2013 stammenden Bericht der Weltgesundheitsorganisation, getroffen hat.

Angesichts der schädlichen Auswirkungen überhöhter Stickstoffdioxidkonzentrationen auf das Leben und die Gesundheit der hiervon betroffenen Menschen (die in M. zu verzeichnenden Überschreitungen des Grenzwerts von 40 µg/m³ übersteigen die im vorstehenden Zitat erwähnten Zunahmewerte von 10 µg/m³ bzw. 16 µg/m³ teilweise um ein Mehrfaches) verletzen Amtsträger, die nicht alle von Rechts wegen gebotenen Maßnahmen ergreifen, um diese sich fortlaufend verwirklichenden Schäden abzuwehren, ihre Amtspflicht, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter „menschliches Leben“ und „menschliche Gesundheit“ zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht leitet eine solche Schutzpflicht in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 2 GG her (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 26.7.2016 - 1 BvL 8/15 [ECLI:DE:BVerfECLI:G:2016:Is20160726. 1bvl000815] Rn. 69 mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung). Diese Grundrechtsbestimmung lautet:

1Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. 2Die Freiheit der Person ist unverletzlich. 3In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Da der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EMRK die Pflicht der Staaten hergeleitet hat, die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Lebens von Personen zu treffen, die seiner Hoheitsgewalt unterstehen (EGMR, Urteil vom 22.3.2001 - Nrn. 34044/96, 35532/97 und 44801/98, Rn. 86; Urteil vom 8.11.2005 - Nr. 34056/02, Rn. 164), geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Licht des Art. 52 Abs. 3 EU-GR-Charta davon aus, dass der durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 EU-GR-Charta verbürgte Schutz nicht weniger weit reicht.

7. Grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden Streitsache

Die vorliegend zu verzeichnende gezielte Missachtung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen durch die vollziehende Gewalt kann nicht hingenommen werden.

Auf die Gefahren, die sich aus derartigen Entwicklungen für den Fortbestand des Rechtsstaates ergeben, hat in jüngster Zeit auch der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland hingewiesen. In seiner anlässlich des Festakts zum einhundertjährigen Bestehen der Finanzgerichtsbarkeit in Deutschland am 1. Oktober 2018 gehaltenen Ansprache hat er - anknüpfend an Fehlentwicklungen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und erkennbar unter Bezugnahme auch auf den vorliegenden Rechtsstreit - ausgeführt:

„Aber der Blick ins europäische Ausland darf kein überheblicher Blick sein und sollte nicht davon abhalten, sensibel auf Veränderungen im eigenen Land zu schauen. Wir sollten aufmerken, wenn sich die Exekutive über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzt; wenn Verwaltungsgerichte ausgebremst und vor vollendete Tatsachen gestellt werden, bevor sie entscheiden können; wenn Gerichte laut über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Behörden zur Durchsetzung ihrer Entscheidung nachdenken müssen, wie es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof kürzlich in einem Verfahren getan hat.“

Geteilt wird die Sorge um den Zustand des deutschen Rechtsstaats, wie er sich in der Notwendigkeit des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens manifestiert, auch durch den ehemaligen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, der in einem am 13. Oktober 2018 veröffentlichten Interview mit der Tageszeitung „Berliner Morgenpost“ angemerkt hat:

„Ein weiteres Beispiel für die Erosion von Rechtsstaatlichkeit ist die sogenannte Diesel-Krise. Die Politik setzt verbindliche Abgasgrenzwerte fest, ist aber gar nicht willens oder in der Lage, für ihre Einhaltung zu sorgen. Und dann wundert sie sich, wenn Gerichte auf die Befolgung geltenden europäischen oder nationalen Rechts bestehen und Fahrverbote verfügen!

Niemand darf sich ohne Sanktionen aus der Geltung des Rechts herausschleichen. Sonst sind Gebote und Verbote nur noch etwas für die Dummen, Braven und Schwachen.“

8. Fehlende Beugewirkung weiterer Zwangsgeldandrohungen und -festsetzungen

Bekundet die vollziehende Gewalt ihre Entschlossenheit, bestimmte gerichtliche Entscheidungen nicht zu befolgen, sowohl gegenüber der Volksvertretung als auch gegenüber der Öffentlichkeit in einer Deutlichkeit und Beharrlichkeit, wie das vorliegend geschehen ist, so muss es zur Überzeugung des Gerichts als ausgeschlossen gelten, dass die Androhung oder die Festsetzung weiterer und höherer Zwangsgelder an diesem Verhalten etwas ändern wird. Denn die Entrichtung von Zwangsgeldern geht für den Vollstreckungsschuldner nicht mit einer Vermögenseinbuße einher. Vielmehr erfolgt ihre Begleichung dergestalt, dass lediglich eine bestimmte Einzelposition des Staatshaushalts mit dem vom Gericht festgesetzten Betrag belastet und der gleiche Betrag bei der Staatsoberkasse des Vollstreckungsschuldners als Einnahme verbucht wird.

9. Rückgriff auf zivilprozessuale Vollstreckungsvorschriften im vorliegenden Fall nach deutschem Recht aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht wirksam möglich

Wirksamere rechtliche Instrumente als die wiederholte Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern stehen im Ergebnis nicht zur Verfügung, um dem Geltungsanspruch des Rechts auch im vorliegenden Fall zum Durchbruch zu verhelfen:

9.1. Die grundsätzliche Verpflichtung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sich erforderlichenfalls von den sich aus § 172 VwGO ergebenden Beschränkungen zu lösen, hat zwar bereits das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen. Im Beschluss vom 9. August 1999 (1 BvR 2245/98 [ECLI:DE:BVerfECLI:G:1999:rk19990809. 1bvr224598]) - ihm lag die Konstellation zugrunde, dass die öffentliche Verwaltung einer politisch missliebigen Partei eine Veranstaltungshalle trotz einer dahingehenden gerichtlichen Anordnung und der zweimaligen Androhung von Zwangsgeldern nicht zur Verfügung gestellt hatte - hat es auf das Gebot hingewiesen, „die Vollstreckungsvorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung so auszulegen und anzuwenden, dass ein wirkungsvoller Schutz der Rechte des Einzelnen auch gegenüber der Verwaltung gewährleistet ist“. Eine Gesetzesauslegung, der zufolge § 172 VwGO dem Einsatz anderer nach § 167 VwGO in Verbindung mit der Zivilprozessordnung möglicher Zwangsmittel nicht entgegenstehe, sei „im Hinblick auf das Gebot wirkungsvollen Rechtschutzes jedenfalls dann geboten, wenn die Androhung und Festsetzung eines auf 2.000 DM beschränkten Zwangsgeldes [auf diesen Betrag begrenzte § 172 VwGO in der am 9.8.1999 geltenden Fassung das einzelne Zwangsgeld] zum Schutz der Rechte des Betroffenen ungeeignet“ sei. Wörtlich führte das Bundesverfassungsgericht im Anschluss daran aus:

„Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, dass die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, dann gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der nach § 167 VwGO möglichen ‚entsprechenden‘ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Verhalten anzuhalten […]. Welche der in den §§ 885 bis 896 ZPO geregelten, einschneidenderen Zwangsmittel […] in welcher Reihenfolge und in welcher Form bei der Vollstreckung … erforderlichenfalls zum Einsatz kommen, obliegt vorrangig der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung …“.

9.2. Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der der Vollstreckungsschuldner die Erfüllung des Urteils vom 9. Oktober 2012 in Verbindung mit dem Beschluss vom 27. Februar 2017 verweigert, steht für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof fest, dass die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. August 1999 (1 BvR 2245/98 (ECLI:DE:BVerfECLI:G:1999:rk19990809.1bvr224598]) aufgestellten Voraussetzungen für eine Überwindung der sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich ergebenden Sperrwirkung an sich erfüllt sind.

Aus dem Kreis der zivilprozessualen Vorschriften, die die Art der zulässigen Zwangsmittel regeln, kann vorliegend nur ein Rückgriff auf § 888 ZPO in Betracht gezogen werden. In ihren hier allein bedeutsamen Absätzen 1 und 2 besagt diese Bestimmung:

„(1) 1Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. 2Das einzelne Zwangsgeld darf einen Betrag von 25.000 Euro nicht übersteigen. 3Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.“

Hinsichtlich der höchstzulässigen Dauer von Zwangshaft bestimmt § 802j Abs. 1 ZPO:

1Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. 2Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts wegen aus der Haft entlassen.“

Als Mittel der Zwangsvollstreckung kennt das deutsche Recht neben den Instituten des Zwangsgelds und der Zwangshaft im Wesentlichen außerdem die Ersatzvornahme. Sie ist jedoch sowohl von Rechts wegen als auch aus praktischen Gründen auf die Durchsetzung von Verpflichtungen beschränkt, die auch von anderen Personen als dem Vollstreckungsschuldner vorgenommen werden können. § 887 Abs. 1 ZPO bestimmt insofern:

„Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.“

Zu den Aufgaben, die im Rahmen einer rechtskonform durchgeführten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. bewältigt werden müssen, gehört die Beurteilung, bei welchen Straßen(abschnitten) Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge nur mit zeitlichen oder sachlichen Beschränkungen angeordnet werden können und wo von ihnen äußerstenfalls vollständig abgesehen werden muss. Denn es lässt sich auch nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht ausschließen, dass ein (uneingeschränktes) Verkehrsverbot für solche Fahrzeuge u. U. mit derart umfangreichen und gravierenden Nachteilen für andere Rechtsgüter einhergeht, dass es auch bei voller Würdigung der herausragenden Bedeutung, die dem Leben und der Gesundheit der Anwohner der betroffenen Straßen zukommt, nicht uneinge-schränkt (und in besonders zugespitzten Ausnahmefällen ggf. auch gar nicht) verfügt werden darf. Die zutreffende Auflösung derartiger Konfliktlagen obliegt im gewaltenteiligen Rechtsstaat - unbeschadet der Letztentscheidungsbefugnis der Gerichte (vgl. Rn. 107 dieses Beschlusses) - der an Recht und Gesetz gebundenen öffentlichen Verwaltung, nicht aber einer juristischen Person des Privatrechts wie dem Vollstreckungsgläubiger oder einem von ihm beauftragten Sachverständigenbüro.

Zulässig wäre es prinzipiell, gegenüber dem Vollstreckungsschuldner Zwangsgelder in der durch § 888 Abs. 1 Satz 2 ZPO zugelassenen Höhe von bis zu 25.000 Euro festzusetzen. Aufgrund der in Abschnitt II.8 der Gründe dieses Beschlusses dargestellten Gegebenheiten verspricht eine solche Vorgehensweise jedoch ebenso keinen Erfolg wie die bereits wiederholt vorgenommene Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern in Höhe von 4.000 Euro. Vielmehr würde hierdurch die Zeitspanne, in der der Geltungsanspruch des in der Richtlinie 2008/50/EG normierten, sich auf das Jahresmittel beziehenden Grenzwerts für Stickstoffdioxid in M. faktisch unbeachtet bleibt, nur zusätzlich verlängert.

Aus dem gleichen Grund könnte eine Auslegung des nationalen Rechts, der zufolge sich die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, die die Exekutive zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen verpflichten, nicht nach § 172 VwGO, sondern unmittelbar nach § 888 ZPO in Verbindung mit § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO bestimmt, nichts zur Lösung des Problems beitragen.

9.3 Einer Festsetzung von Zwangshaft gegen Amtsträger des Vollstreckungsschuldners durch Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit als weitergehender Vollstreckungsmaßnahme (näher hierzu unter Abschnitt II.11) steht gegenwärtig jedoch entgegen, dass § 888 ZPO nicht den Anforderungen genügt, die das Bundesverfassungsgericht an Normen stellt, die zu einer Freiheitsentziehung ermächtigen. Nach der - vorbehaltlich gegenläufiger unionsrechtlicher Vorgaben - für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bindenden Auslegung des Grundgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht kommt „es dem Grundgesetz im Bereich der Freiheitsentziehungen auf eine besonders rechtsstaatliche, förmliche Regelung“ an (BVerfG, Beschluss vom 13.10.1970 - 1 BvR 226/70 - BVerfGE 29, 193/195 f.):

„Der Gesetzgeber soll gezwungen werden, Freiheitsentziehungen in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln. Ebenso wie aus diesem Grunde Gewohnheitsrecht als ‚gesetzliche Grundlage‘ ausscheidet, gilt dies auch für die analoge Heranziehung von Normen. Denn diese sind nach der Intention des Gesetzgebers zur Zeit ihres Erlasses nicht auf die Fälle gerichtet gewesen, auf die sie durch Analogie angewendet werden sollen. Nur der Gesetzgeber aber soll nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG darüber entscheiden, in welchen Fällen Freiheitsentziehungen zulässig sein sollen“ (BVerfG, Beschluss vom 13.10.1970 - 1 BvR 226/70 - BVerfGE 29, 193/196).

Der Wortlaut der vom Bundesverfassungsgericht in vorstehendem Zitat in Bezug genommenen Vorschrift des Art. 2 Abs. 2 GG wurde bereits in Abschnitt II.6 der Gründe dieses Beschlusses wiedergegeben. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG besagt:

„Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden.“

Würde auf der Grundlage des § 888 ZPO Zwangshaft gegen Amtsträger des Vollstreckungsschuldners angeordnet, so würde das zwar keine „analoge“ Anwendung dieser Bestimmung darstellen, da sie zu diesem Zweck nicht auf einen Lebenssachverhalt angewendet würde, den ihr Wortlaut nicht erfasst. Missachtet würde jedoch das vom Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 13. Oktober 1970 (1 BvR 226/70 - BVerfGE 29, 183/196) aufgestellte Erfordernis, dass der Wille des Gesetzgebers im Zeitpunkt der Schaffung der Vorschrift, die als Rechtsgrundlage für eine Freiheitsentziehung herangezogen wird, auch jene Zielsetzung umfasst haben muss, zu deren Erreichung sie nunmehr eingesetzt wird. Das ist bezogen auf Amtsträger des Staates nach der Entwicklungsgeschichte dieser Norm nicht der Fall.

Deutsche Gerichte haben deshalb - und zwar auch noch nach dem Ergehen des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 9. August 1999 (1 BvR 2245/98 [ECLI:DE:BVerfECLI:G:1999:rk19990809.1bvr224598]) - die Anordnung von Zwangshaft gegen Amtsträger der Exekutive wiederholt für unzulässig erklärt (Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.1.1995 - 10 S 488/94 [ECLI:DE:VGHBW:1995:0112.10S488.94.0A]; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.10.1999 - VII B 197/99 - juris Rn. 11 f.; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.1.2012 - L 7 KA 71/11 B ER [ECLI:DE:LSGBEBB:2012: 0123.L7KA71.11BER.0A - Rn. 17).

10. Unbeachtlichkeit dieses verfassungsrechtlichen Hindernisses aus unionsrechtlichen Gründen?

Den Umstand, dass nach deutschem Verfassungsrecht eine Freiheitsentziehung dann nicht angeordnet werden darf, wenn eine solche Maßnahme zwar durch den Wortlaut einer Gesetzesbestimmung gedeckt ist, diese Norm nach den Vorstellungen, von denen sich der historische Gesetzgeber bei ihrer Schaffung leiten ließ, den konkret in Frage stehenden Eingriff jedoch nicht legitimieren sollte, dürften die Gerichte dann nicht berücksichtigen, wenn die Verhängung von Zwangshaft in einer Fallgestaltung der inmitten stehenden Art nach dem Recht der Europäischen Union geboten wäre. Denn die nationalen Gerichte sind, wenn sie im Rahmen ihrer Zuständigkeit Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, nach gefestigter Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofs (vgl. aus jüngerer Zeit z.B. EuGH, Urteil vom 20.12.2017 - C-664/15 [ECLI:ECLI:EU:C:2017:987], Rn. 56 f. mit Nachweisen aus der älteren Rechtsprechung) gehalten, für deren volle Wirksamkeit zu sorgen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet lassen, ohne dass sie die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung durch den Gesetzgeber oder durch ein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müssten. Erweist sich nicht der Wortlaut einer Norm, sondern eine - das nationale Gericht grundsätzlich bindende - Rechtsprechung des nationalen Verfassungsgerichts als Hemmnis dafür, dem Unionsrecht uneingeschränkte Wirksamkeit zu verschaffen, so können nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs keine anderen Maßstäbe gelten.

Hält ein Mitgliedstaat die sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG ergebenden Anforderungen nicht ein (dies ist - wie dargestellt - in M. seit langer Zeit der Fall) und hat er nicht um eine Fristverlängerung gemäß Art. 22 dieser Richtlinie nachgesucht (einem diesbezüglichen Antrag der Bundesrepublik Deutschland ist die Europäische Kommission in Art. 1 Nr. 3 ihrer Entscheidung vom 20.2.2013 - C(2013) 900 final - in Bezug auf den Ballungsraum M. u. a. hinsichtlich des NO2-Jahresgrenzwerts von 40 µg/m³ entgegengetreten), so obliegt es nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2014 (C-404/13 [ECLI:ECLI:EU:C:2014:2382], Rn. 58) den Gerichten des Mitgliedstaates, „gegenüber der nationalen Behörde jede erforderliche Maßnahme, wie eine Anordnung, zu erlassen, damit diese Behörde den nach der Richtlinie erforderlichen Plan gemäß den in der Richtlinie vorgesehenen Bedingungen erstellt.“ Durch dieses Urteil wurde jedoch nicht geklärt, ob die Anordnung von Haft gegen Amtsträger der Exekutive dann zu den gebotenen Maßnahmen gehört, wenn das nationale Recht hierfür zwar eine ihrem Wortlaut nach ausreichende Rechtsgrundlage (hier: § 888 ZPO) zur Verfügung stellt, diese Norm jedoch weder in der Vergangenheit dazu bestimmt war noch in der Gegenwart dazu bestimmt ist, den Gerichten die Befugnis zu verleihen, Zwangshaft gegen Amtsträger zu verhängen. Als klärungsbedürftig muss diese Frage umso mehr angesehen werden, als auch Art. 6 EU-GR-Charta - nicht anders als Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG - dem Einzelnen ein Recht auf Freiheit verleiht; eine Einschränkung dieses Rechts bedarf nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 EU-GR-Charta - wiederum nicht anders als nach Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG - einer gesetzlichen Grundlage.

10.1. Die Anforderungen, denen ein zum Freiheitsentzug ermächtigendes Gesetz genügen muss, um vor dem Maßstab des Art. 52 Abs. 1 EU-GR-Charta Bestand haben zu können, hat der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 15. März 2017 (C-528/15 [ECLI:ECLI:EU:C:2017:213], Rn. 37 ff.) unter Rückgriff auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 21. Oktober 2013 (Nr. 42750/09 - del Río Prada ./. Spanien) dahingehend konkretisiert, dass eine nationale Vorschrift, die eine Freiheitsentziehung gestattet, hinreichend zugänglich, präzise und in ihrer Anwendung vorhersehbar sein muss. Daraus folge, dass bei einer Inhaftnahme strenge Garantien - nämlich das Bestehen einer Rechtsgrundlage, deren Klarheit, Vorhersehbarkeit und Zugänglichkeit sowie Schutz vor Willkür - einzuhalten seien (EuGH, Urteil vom 15.3.2017 - C-528/15 [ECLI:ECLI:EU:C:2017:213], Rn. 40).

Es erscheint aus der Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht klar, ob eine auf § 888 ZPO gestützte, der Durchsetzung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen dienende Anordnung von Zwangshaft gegen Amtsträger der Exekutive namentlich mit dem vorgenannten Erfordernis der „Vorhersehbarkeit“ einer freiheitsentziehenden Maßnahme vereinbar wäre. Hiergegen könnte zumal sprechen, dass eine Heranziehung jener Norm zu diesem Zweck seitens deutscher Gerichte - wie dargestellt - in der Vergangenheit wiederholt abgelehnt wurde.

10.2. Andererseits erscheinen diese Bedenken nicht unüberwindlich. Der Umstand, dass die für eine Inhaftierung in Betracht kommenden Amtsträger mit einer solchen Maßnahme bisher nicht zu rechnen brauchten, ließe sich nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs u. U. dadurch ausräumen, dass Zwangshaft erst angeordnet wird, nachdem dieses Zwangsmittel - abweichend von § 888 Abs. 2 ZPO, jedoch in Übereinstimmung mit § 172 VwGO und § 890 Abs. 2 ZPO - gegenüber dem in Haft zu nehmenden Amtsträger vorher angedroht wurde und er die Verpflichtungen, die sich aus den zu vollstreckenden Entscheidungen ergeben, auch innerhalb einer mit der Androhung zu verbindenden angemessenen Frist weiterhin nicht erfüllt hat.

11. Mögliche Adressaten einer Anordnung von Zwangshaft

11.1. Der Anordnung von Zwangshaft steht es nicht entgegen, dass es sich beim Vollstreckungsschuldner um eine juristische Person handelt. Denn es entspricht gefestigter, auch vom Bundesgerichtshof [BGH] als höchstem deutschem Zivilgericht geteilter Auffassung, dass Zwangshaft in derartigen Fällen gegen die Organe der juristischen Person zu verhängen ist (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 16.5.1991 - I ZR 218/89 - Neue Juristische Wochenschrift [NJW] 1992, 749/750). Diese Entscheidung erging zwar zu der die vollstreckungsrechtliche Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen betreffenden Vorschrift des § 890 ZPO; angesichts der weitgehenden Parallelität der in § 888 und in § 890 ZPO enthaltenen Regelungen kommt den im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 1991 (I ZR 218/89 - NJW 1992, 749/750) enthaltenen rechtlichen Aussagen jedoch auch im Rahmen des § 888 ZPO Bedeutung zu. § 890 ZPO lautet in seinen Absätzen 1 und 2:

„(1) 1Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. 2Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.“

11.2. Organe des Vollstreckungsschuldners sind - auf staatsrechtlicher Ebene - sowohl diejenigen Einzelpersonen (z.B. der Ministerpräsident, die einzelnen Mitglieder der Staatsregierung) als auch die kollegial zusammengesetzten Gremien (z.B. der Landtag, der Verfassungsgerichtshof), durch die die Willensbildung des Staates und deren Umsetzung erfolgt. Auf verwaltungsrechtlicher Ebene werden in Deutschland die Behörden als „Organe“ angesehen, während ihre Leiter und die in den Behörden tätigen natürlichen Personen im rechtlichen Sprachgebrauch als „Organwalter“ bezeichnet werden. Der vorliegende Beschluss verwendet sowohl für natürliche Personen, denen die Rechtsordnung unmittelbar die Eigenschaft von Staatsorganen zuerkennt, als auch für die Organwalter den einheitlichen Ausdruck „Amtsträger“.

Der Umstand, dass bei Organen, denen - wie namentlich bei Behörden der Fall - eine Mehrzahl natürlicher Personen angehört, nur letztere für eine Zwangshaft in Betracht kommen, stellt keine Besonderheit des öffentlichen Rechts dar. Denn auch das deutsche Zivilrecht unterscheidet, wo dies von der Sache her notwendig ist, zwischen dem „Organ“ einer juristischen Person als generell-abstraktes Zuordnungssubjekt normativ geregelter Rechte und Pflichten (z.B. dem - in aller Regel aus mehreren Personen bestehenden - Vorstand oder dem stets mehrköpfigen Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft), und den diesen Organen angehörenden Personen (z.B. den „Mitgliedern des Vorstands“ oder den „Mitgliedern des Aufsichtsrats“).

Ebenfalls in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof im Urteil vom 16. Mai 1991 (I ZR 218/89 - NJW 1992, 749/750) formuliert hat, geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass Vollstreckungsmaßnahmen gegen jedes Organ einer juristischen Person gerichtet werden können, das „für künftige Zuwiderhandlungen als verantwortlich in Betracht kommen kann“. Potenzielle Adressaten einer Anordnung von Zwangshaft sind deshalb zum einen diejenigen Amtsträger, die unmittelbar wegen des von ihnen bekleideten Staatsamtes Organe des Vollstreckungsschuldners sind und denen es darüber hinaus nach geltendem Recht obliegt, für den Vollzug der zu vollstreckenden Gerichtsentscheidungen - sei es auch nur im Aufsichtswege - Sorge zu tragen bzw. Handlungen zu unterlassen, die darauf abzielen, eine Befolgung dieser Entscheidungen durch andere Amtsträger zu verhindern. Taugliche Adressaten für eine Anordnung von Zwangshaft sind zum anderen diejenigen Amtsträger, die einer Behörde angehören, in deren Zuständigkeit die Vornahme der Amtshandlungen fällt, zu denen der Vollstreckungsschuldner rechtskräftig verurteilt wurde, und denen nach der behördeninternen Aufgabenverteilung die Erfüllung dieser Verpflichtung obliegt bzw. die kraft ihrer Aufsichts- und Weisungsbefugnis hierauf hinzuwirken haben.

Die konkrete Festlegung der Personen, gegen die Zwangshaft anzuordnen ist, erfolgt nicht bereits im Erkenntnis-, sondern erst im Vollstreckungsverfahren (vgl. auch dazu BGH, Urteil vom 16.5.1991 - I ZR 218/89 - NJW 1992, 749/750). Kommen danach mehrere Personen als Adressaten einer solchen Maßnahme in Betracht, so genügt es, wenn sie erst im Zeitpunkt der Anordnung namentlich benannt werden (BGH, Urteil vom 16.5.1991 - I ZR 218/89 - NJW 1992, 749/750).

Sollte das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeben, dass im gegebenen Fall die Verhängung von Zwangshaft zulässig ist, so werden in die alsdann anzustellenden Auswahlüberlegungen jedenfalls Amtsträger der Regierung von Oberbayern einzubeziehen sein, da diese Behörde gemäß Art. 8 des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes den inmitten stehenden Luftreinhalteplan aufzustellen hat. Innerhalb der Regierung kommen, da eine gerichtliche Inanspruchnahme von Amtsträgern, die keinerlei Vorgesetztenfunktionen, sondern ausschließlich sachbearbeitende Tätigkeiten wahrzunehmen haben, nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unverhältnismäßig wäre (vgl. dazu den nachfolgenden Abschnitt II.12), der Leiter des Sachgebiets, dem der Vollzug der Materie „Luftreinhalteplanung“ zugewiesen ist, ferner der Leiter der einschlägigen Abteilung der Regierung, der Regierungsvizepräsident und der Regierungspräsident in Betracht.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Weigerung, Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan für M. aufzunehmen, Ausdruck des politischen Wollens der Bayerischen Staatsregierung ist (vgl. namentlich die in Abschnitt I.7 der Gründe dieses Beschlusses wiedergegebenen Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten), und die Regierung von Oberbayern gemäß Art. 55 Nr. 5 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Bayern den Weisungen des fachlich jeweils übergeordneten Ministeriums unterliegt; im Bereich der Luftreinhaltung steht dieses Weisungsrecht dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zu. Mit dem Weisungsrecht des Ministeriums korrespondiert die grundsätzliche Pflicht der nachgeordneten Behörden, diese Weisungen zu befolgen. § 35 des Beamtenstatusgesetzes führt im Anschluss an die amtliche Überschrift „Weisungsgebundenheit“ diesbezüglich aus:

1Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. 2Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. 3…“

Nicht anders als jede sonstige Staatstätigkeit bindet Art. 55 der Verfassung des Freistaates Bayern die Ausübung des Weisungsrechts der Ministerien in seinen Nummern 1 und 2 jedoch an die Beachtung des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Gemäß Art. 55 Nr. 6 der Verfassung korrespondiert mit dem in Art. 55 Nr. 5 Satz 1 verankerten Weisungsrecht eine Pflicht zur Aufsicht eines jeden Staatsministers u. a. über die Einhaltung des letztgenannten Verfassungsgrundsatzes durch die ihm nachgeordneten Behörden. Soweit vorliegend von Belang, besagt Art. 55 der Verfassung des Freistaates Bayern:

„Für die Geschäftsführung der Staatsregierung und der einzelnen Staatsministerien gelten folgende Grundsätze:

1. Die Staatsverwaltung wird nach der Verfassung, den Gesetzen und dem Haushaltsplan geführt.

2. 1Der Staatsregierung und den einzelnen Staatsministerien obliegt der Vollzug der Gesetze und Beschlüsse des Landtags. …

3. …

4. …

5. 1Die gesamte Staatsverwaltung ist der Staatsregierung und den zuständigen Staatsministerien untergeordnet. …

6. Jeder Staatsminister übt die Dienstaufsicht über die Behörden und Beamten seines Geschäftsbereichs aus.

7. …“

Das Weisungsrecht des Ministeriums und die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Regierung von Oberbayern haben zusammen mit dem auch für die Ebene der Staatsregierung und der einzelnen Ministerien geltenden Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zur Folge, dass Amtsträger des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz - allen voran der jeweilige Staatsminister für Umwelt und Verbraucherschutz - potenziell ebenfalls zum Kreis derjenigen Personen gehören, die im Sinn des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Mai 1991 (I ZR 218/89 - NJW 1992, 749/750) als Verantwortliche für die im Vollstreckungswege abzustellenden Zuwiderhandlungen in Betracht kommen.

In die rechtlichen Erwägungen eingestellt werden muss ferner, dass auch der bayerische Ministerpräsident als verantwortlich anzusehen sein könnte. Dies wäre voraussichtlich dann der Fall, wenn die Weigerung des Vollstreckungsschuldners, Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. aufzunehmen, Ausdruck der Richtlinienkompetenz dieses Amtsträgers sein sollte. Art. 47 Abs. 1 und 2 der Verfassung des Freistaates Bayern bestimmt hierzu:

„(1) Der Ministerpräsident führt in der Staatsregierung den Vorsitz und leitet ihre Geschäfte.

(2) Er bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür die Verantwortung gegenüber dem Landtag.“

Die Abgrenzung zwischen der Richtlinienkompetenz des Ministerpräsidenten und der Verantwortlichkeit des einzelnen Staatsministers regelt Art. 51 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern wie folgt:

„(1) Gemäß den vom Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinien der Politik führt jeder Staatsminister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.“

Dass sowohl der Ministerpräsident als auch die Staatsminister einer uneingeschränkten Bindung an die rechtlichen Gebote unterliegen, die sich aus der Verfassung und den Gesetzen ergeben, belegt im Übrigen der von den Inhabern dieser Staatsämter zu leistende Eid, der gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Staatsregierung wie folgt lautet:

„Ich schwöre Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten.“

12. Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Die Anordnung von Zwangshaft mit dem Ziel, den Vollstreckungsschuldner in Befolgung rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen zu einer unionsrechtskonformen Luftreinhalteplanung zu veranlassen, würde nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht gegen das u. a. in Art. 52 Abs. 1 Satz 2 EU-GR-Charta verankerte (und das Unionsrecht auch unabhängig hiervon prägende) Verhältnismäßigkeitsgebot verstoßen.“

Angesichts der herausragenden Werthaltigkeit, die sowohl den Rechtsgütern „menschliches Leben“ und „menschliche Gesundheit“ als auch dem Anliegen zukommt, die Rechtsstaatlichkeit und die Effizienz des gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Staatsgewalt zu wahren, kann ein zeitlich begrenzter Eingriff in die persönliche Fortbewegungsfreiheit von Amtsträgern, die der Bayerischen Staatsregierung als der „obersten leitenden und vollziehenden Behörde“ des Vollstreckungsschuldners (so Art. 43 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Bayern) angehören, nicht als unangemessen angesehen werden. Gleiches gilt mit Blickrichtung auf die Notwendigkeit, den ungeschmälerten Geltungsanspruch des Unionsrechts und die Verpflichtung eines jeden Mitgliedstaats, Richtlinien der Europäischen Union mit allen geeigneten Maßnahmen zu implementieren (vgl. Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV), auch in Bayern sicherzustellen.

Angesichts des Rangs der zu wahrenden Rechtsgüter kann aber auch die etwaige Anordnung von Zwangshaft gegen Amtsträger, die nicht im vorbezeichneten Sinn an der Spitze der vollziehenden Gewalt stehen, nicht von vornherein als unverhältnismäßig angesehen werden. Denn damit der politisch gewollte Rechtsbruch konkrete Gestalt annimmt, bedarf es des Tätigwerdens von Amtsträgern, die das Wollen der ranghöchsten Funktionsträger des Staates an die nachgeordneten Stellen im Weisungswege weitergeben bzw. mit anderen (informellen) Mitteln Druck auf diejenigen Beschäftigten der Regierung von Oberbayern ausüben, denen eine den bindenden gerichtlichen Vorgaben entsprechende Fortschreibung des Luftreinhalteplans für M. obliegt.

Um unverhältnismäßige Ergebnisse zu vermeiden, wird der Verwaltungsgerichtshof jedoch, wie den Verfahrensbeteiligten bereits im gerichtlichen Anhörungsschreiben vom 17. August 2018 mitgeteilt wurde, Zwangshaft nur gegenüber solchen Amtsträgern in Erwägung ziehen, die innerhalb des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz bzw. innerhalb der Regierung von Oberbayern eine leitende Position bekleiden. Die vorsorgliche Einbeziehung dieser Personen in den Kreis derjenigen Amtsträger, die abstrakt (d.h. vorbehaltlich des Ergebnisses der im weiteren Fortgang des Vollstreckungsverfahrens vornehmenden Prüfung der Zumutbarkeit rechtskonformen Verhaltens) als Adressaten einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 888 ZPO in Betracht kommen, erscheint deshalb unverzichtbar, weil diejenigen Mitglieder der Staatsregierung, die in vorliegendem Zusammenhang als verantwortliche Organe des Vollstreckungsschuldners anzusehen sind, in aller Regel zugleich dem Bayerischen Landtag angehören und eine gegen sie erlassene Haftanordnung nur vollzogen werden könnte, falls das Parlament ihre Immunität als Abgeordnete aufhebt. Würde der Kreis der potenziellen Adressaten von Zwangshaft von vornherein auf Mitglieder der Staatsregierung beschränkt, bestünde deshalb die konkrete Gefahr, dass die Vollstreckung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 weiterhin leerliefe oder erheblich erschwert werden könnte.

13. Bitte um vorrangige Entscheidung

Der Vollstreckungsgläubiger hat angeregt, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof möge beim Europäischen Gerichtshof die Durchführung eines beschleunigten Verfahrens im Sinn von Art. 105 f. der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs beantragen (vgl. Blatt 74 bis 78 der Akte des Verfahrens 22 C 18.1719). Die hierfür vorgetragenen Gründe - namentlich die vom Vollstreckungsgläubiger zu Recht geltend gemachte andauernde Schädigung des Lebens und der Gesundheit jener großen Zahl von Menschen, die sich in M. fortwährend einer Stickstoffdioxidbelastung ausgesetzt sehen, die den Grenzwert von 40 µg/m³ teilweise praktisch um 100% übersteigt - legen eine solche Verfahrensgestaltung auch aus der Sicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nahe. Hinzu kommt die über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung der vom Europäischen Gerichtshof erbetenen Entscheidung für die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland, für die Effektivität des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzauftrags und für die Gewährleistung eines korrekten und effizienten Vollzugs des Unionsrechts in diesem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Gerade angesichts der erheblichen praktischen Relevanz dieser Fragen erscheint es nach Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedoch nicht zweifelsfrei, ob sich die vorliegende Streitsache zur Behandlung im beschleunigten Verfahren eignet. Das vorlegende Gericht sieht deshalb von einem Antrag nach Art. 105 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs ab, regt jedoch an, gemäß Art. 53 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs über dieses Vorabentscheidungsersuchen mit Vorrang zu befinden. Eine solche Vorgehensweise würde aus hiesiger Sicht einen vorteilhaften Kompromiss zwischen dem unbestreitbaren, auch im Allgemeininteresse bestehenden Beschleunigungserfordernis und dem Gebot einer eingehenden Durchdringung der Sach- und Rechtslage darstellen.

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 890 Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen


(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 888 Nicht vertretbare Handlungen


(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Hand

Zivilprozessordnung - ZPO | § 887 Vertretbare Handlungen


(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners di

Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG | § 47 Luftreinhaltepläne, Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen, Landesverordnungen


(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maß

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 35 Folgepflicht


(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach b

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 79


(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau ein

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 172


Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 885 Herausgabe von Grundstücken oder Schiffen


(1) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk herauszugeben, zu überlassen oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz zu setzen und den Gläubiger in den Besitz einzuwei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 802j Dauer der Haft; erneute Haft


(1) Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts wegen aus der Haft entlassen. (2) Gegen den Schuldner, der ohne sein Zutun auf Antrag des Gläubigers aus der Haft entlassen

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2017 - 22 C 16.1427

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Tenor I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beschwerde des Klägers eingestellt. II. Auf die Beschwerde des Beklagten hin erhält die Nummer I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 folgende

Verwaltungsgericht München Beschluss, 26. Okt. 2017 - M 19 X 17.3931

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Tenor I. Das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 6.1427) in Nr. II.2. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro wird festgesetzt. Der Antragsgegner h

Verwaltungsgericht München Beschluss, 29. Jan. 2018 - M 19 X 18.130

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Tenor I. Das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) in Nr. II.3. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro wird festgesetzt. Der Antragsgegner ha

Verwaltungsgericht München Beschluss, 21. Juni 2016 - M 1 V 15.5203

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Tenor I. Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung dieses

Bundesverfassungsgericht Beschluss, 26. Juli 2016 - 1 BvL 8/15

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Tenor 1. Es ist mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen d
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Tenor

I.

Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro angedroht.

II.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt die Vollstreckung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), durch das der Antragsgegner zur Änderung des für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplans verpflichtet wurde.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt München wurde erstmals am 28. Dezember 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Auf diesen Plan und seine Datengrundlage beziehen sich die 1. Fortschreibung vom Oktober 2007, die 2. Fortschreibung vom August 2008 und die 4. Fortschreibung vom September 2010. Die 3. Fortschreibung vom April 2012 beinhaltet eine Beteiligung des Umlandes.

Auf die am 1. März 2012 erhobene Klage des Antragstellers wurde der Antragsgegner mit seit 8. April 2014 rechtskräftigem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 μg/cbm, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 μg/cbm bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 μg/cbm bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält. Bezüglich der Begründung wird auf das Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046 - juris) verwiesen.

Im Mai 2014 trat die 5. Fortschreibung, im Dezember 2015 die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für das Gebiet der Landeshauptstadt München in Kraft.

Mit am 18. November 2015 erhobenen Antrag beantragt der Antragsteller,

dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen unter Fristsetzung ein angemessenes Zwangsgeld von bis zu zehntausend Euro anzudrohen,

hilfsweise, gegen das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen ein angemessenes Zwangsgeld festzusetzen.

Der Antrag sei zulässig und begründet. Der Antragsgegner habe die ihm mit rechtskräftigem Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung bisher nicht erfüllt. Der Antragsgegner selbst stelle eine negative Immissionsprognose auf und peile von vornherein eine Grenzwerteinhaltung erst für frühestens 2025 bzw. 2030 an. Es seien in München eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Reduzierung der Luftverunreinigung vorhanden, die nicht in die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans aufgenommen worden seien.

Der Antragsgegner beantragt,

den Vollstreckungsantrag abzulehnen.

Der Antrag sei schon unzulässig, da konkrete Maßnahmen erreicht werden sollten, die durch die Entscheidung vom 9. Oktober 2012 nicht vorgegeben seien. Das zu vollstreckende Urteil enthalte keinen vollstreckbaren Tenor, es sei zu unbestimmt. Es werde auf die zwischenzeitlich in Kraft getretenen 5. und 6. Fortschreibungen des Luftreinhalteplans verwiesen. Letztlich könne nur auf europäischer Ebene eine Lösung der Probleme erreicht werden.

Die Beigeladene stellt keinen eigenen Antrag. Sie trägt vor, dass § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht anwendbar und das Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht vollstreckbar sei.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll vom 10. Mai 2016 sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 172 VwGO hat Erfolg. Es bedarf daher keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.

Der Antrag des Antragstellers nach § 172 VwGO ist zulässig (1.), Vollstreckungsschuldner ist der Antragsgegner (2.). Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor (3.).

1. Der Antrag nach § 172 VwGO ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.

a) Grundlage für die beantragte Vollstreckungsmaßnahme ist § 172 VwGO. Hiernach kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

§ 172 VwGO ist auch für Vollstreckungen aus dem zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans verpflichtenden Urteil anwendbar. Denn § 172 VwGO umfasst auch die Erzwingung öffentlich-rechtlicher Maßnahmen, mit denen die öffentliche Hand eine dem Erlass eines Verwaltungsakts vergleichbare, allein ihr vorbehaltene spezifisch hoheitliche Regelungsbefugnis in Anspruch nimmt (Kraft in ::0::Rn. 4). Dies ist bei Erlass eines Luftreinhalteplans i. S. d. § 47 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG) der Fall. Überdies wäre eine Heranziehung der Regelungen der §§ 883 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 167 Abs. 1 VwGO in der vorliegenden Verpflichtungskonstellation nicht sachgerecht.

b) Soweit im Stadtgebiet München keine Überschreitung der Grenzwerte für PM10 (mehr) gegeben ist, macht dieser Umstand - anders als der Antragsgegner meint - den vorliegenden Antrag nicht insoweit unzulässig. Denn Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens ist, ob die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 insgesamt befolgt wurde. Es können nicht einzelne Aspekte des Tenors herausgegriffen werden, sondern es ist insgesamt zu prüfen, ob der für München geltende Luftreinhalteplan so geändert wurde, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) enthält. Ist dies der Fall, so ist der Antrag abzulehnen. Ist dies nicht der Fall, so ist ein Zwangsgeld anzudrohen.

c) Dass - wie der Antragsgegner vorträgt - die Vollstreckungsmaßnahme innerhalb desselben Rechtsträgers erfolgen soll, nimmt dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn könnte sich der Antragsgegner auf diesen organisatorischen Umstand berufen, würde dem Antragsteller die Möglichkeit genommen, effektiven Rechtsschutz zu erlangen (vgl. auch VG Wiesbaden, B. v. 11.1.2015 - 4 N 1726/15.WI(2) - bisher unveröffentlicht). Im Übrigen ist davon auszugehen, dass im Fall des § 172 VwGO nicht nur das Zwangsgeld als solches, sondern gerade dessen Androhung den jeweiligen Antragsgegner zur Erfüllung des zu vollstreckenden Tenors motivieren soll, so dass es jedenfalls nicht allein darauf ankommt, welcher Einzelplan oder Haushaltstitel mit dem Zwangsgeld belastet wird, sondern der Zweck der Zwangsvollstreckungsmaßnahme auch unabhängig von der jeweiligen Verbuchung des Zwangsgeldes erreicht werden kann.

2. Vollstreckungsschuldner ist nicht das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, sondern der Antragsgegner als dessen Rechtsträger. Denn auch wenn § 172 VwGO von der „Behörde“ spricht, ist damit nur allgemein jegliche Stelle der Verwaltung gemeint, die konkret zur Vornahme der tenorierten Handlung verpflichtet ist, ohne dass damit die Behörde selbst zum Vollstreckungsschuldner gemacht werden soll. Vollstreckungsschuldner ist der Beklagte des Erkenntnisverfahrens, also der Rechtsträger der Behörde (HessVGH, B. v. 11.5.2016 - 9 E 448/16 - juris Rn. 17; Heckmann in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 172 Rn. 17; vgl. auch BayVGH, B. v. 26.2.2013 - 11 C 13.32 - juris; anders noch BayVGH, B. v. 26.5.1989 - 5 C 89.01007 - NVwZ-RR 1989, 669).

Der Antrag des Antragstellers, dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ein Zwangsgeld anzudrohen, ist gemäß § 88 VwGO und unter Berücksichtigung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO dahin auszulegen, dass die Androhung eines Zwangsgelds gegenüber dem Antragsgegner als Rechtsträger des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz begehrt wird.

3. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

Es liegt eine mit einer Vollstreckungsklausel versehene vollstreckbare Ausfertigung des Urteils vor, die dem Antragsgegner zugestellt wurde. Daher kann es dahinstehen, ob es in Fällen wie dem vorliegenden einer Vollstreckungsklausel bedarf (vgl. hierzu Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, Beck-OK VwGO, Stand 1.4.2015, § 172 Rn. 20 m. w. N.). Die Behörde ist der ihr durch rechtskräftiges Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung nicht nachgekommen. Sie ist grundlos säumig (vgl. hierzu Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, Beck-OK VwGO, Stand 1.4.2015, § 172 Rn. 21 m. w. N.).

a) Aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 ergeben sich die Verpflichtungen des Antragsgegners in hinreichend bestimmter Weise. Damit ist das Urteil ein vollstreckbarer Titel i. S. d. § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO mit vollstreckungsfähigem Inhalt.

aa) Der Antragsgegner wurde mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte für NO2 und für PM10 enthält. Dabei wurde der Gestaltungsspielraum des Antragsgegners beachtet und ein Anspruch auf die Verpflichtung zu einer bestimmten Maßnahme verneint. Aufgrund des Gestaltungsspielraums des Antragsgegners und im Hinblick darauf, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die Verpflichtung des Antragsgegners zum Ergreifen bestimmter Maßnahmen hat, ist die vorliegende Konstellation mit der Konstellation des Bescheidungsurteils vergleichbar, in der die Behörde verpflichtet wird, über einen Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (nochmals) zu entscheiden. Denn der Vollstreckungsfähigkeit des stattgebenden Urteils vom 9. Oktober 2012 wurde - ebenso wie bei einem Bescheidungsurteil - dadurch Rechnung getragen, dass in den Entscheidungsgründen verbindliche Vorgaben gemacht wurden, die im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu beachten sind (vgl. auch BVerwG, U. v. 5.9.2013 - 7 C 21/12 - juris Rn. 55).

Das Urteil vom 9. Oktober 2012 bindet die Beteiligten insoweit, als über den Streitgegenstand entschieden worden ist, § 121 Nr. 1 VwGO; die in dem Urteil verbindlich zum Ausdruck gebrachte Rechtsauffassung bestimmt dessen Rechtskraftwirkung. Da sich diese Rechtsauffassung nicht aus der Urteilsformel allein entnehmen lässt, ergibt sich der Umfang der materiellen Rechtskraft und damit der Bindungswirkung notwendigerweise auch aus den Entscheidungsgründen, die die nach dem Urteilstenor zu beachtende Rechtsauffassung des Gerichts im Einzelnen darlegen. Dabei tritt die Rechtskraftwirkung des § 121 VwGO unabhängig davon ein, ob das rechtskräftig gewordene Urteil die Sach- und Rechtslage erschöpfend und zutreffend gewürdigt hat oder nicht. Die Bindung an die dem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung entfällt nur dann, wenn sich die entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich geändert hat (BayVGH, B. v. 18.1.2010 - 11 C 09.2813 - juris Rn. 23; BVerwG, U. v. 27.1.1995 - 8 C 8.93 - juris Rn. 13 f. m. w. N.). Es müssen Tatsachen eintreten, die den vom Streitgegenstand erfassten Sachverhalt entscheidungserheblich verändern (BVerwG, B. v. 3.11.1993 - 4 NB 33.93 - juris Rn. 3 m. w. N.; BVerwG, U. v. 18.9.2001 - 1 C 7.01 - juris Rn. 12 ff.). Dies ist auch im Hinblick darauf nicht der Fall, dass sich herausgestellt hat, dass Diesel-Kraftfahrzeuge die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen zwar unter den vorgesehenen Testbedingungen, nicht aber im tatsächlichen Fahrbetrieb einhalten können.

Die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Grenzwerte beruhen auf der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge. Für die Typengenehmigung sind die Euro-5-Normen seit 1. September 2009 und die Euro-6-Normen seit 1. September 2014 verbindlich, werden aber im realen Fahrbetrieb nicht eingehalten. Zum Zeitpunkt der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils am 8. April 2014 wurden also weder die Euro-5-Normen (aufgrund der Differenzen zwischen Test- und Realbetrieb) noch die Euro-6-Normen eingehalten, wobei die Einhaltung der Euro-6-Norm mangels Verbindlichkeit auch nicht erforderlich war. Diese Sachlage hat sich seither nicht verändert, allein die Erkenntnis darüber, dass die Normen bereits zum maßgeblichen Zeitpunkt der Rechtskraft des zu vollstreckenden Urteils nicht eingehalten wurden, war neu. Diese neue Erkenntnis lässt die Bindungswirkung des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht entfallen (vgl. auch ::0::in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 121 Rn. 117). Auch ist es nicht entscheidungserheblich, wie schnell die Verminderung des Schadstoffausstoßes von Diesel-Kraftfahrzeugen voranschreitet. Denn dem Antragsgegner stehen unabhängig hiervon mögliche Maßnahmen zur Verfügung, die zum Ausschluss der Grenzwertüberschreitung geeignet sind. Es ist ihm im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumutbar, solche einschneidenden Maßnahmen, ggfs. bis hin zum Verkehrsverbot oder Ähnlichem, zu ergreifen. Denn der Beitrag der Verringerung des Schadstoffausstoßes der Emittenten zum Ziel der Grenzwerteinhaltung stellt nicht mehr als eine Erwartung dar, die den durch EU-Recht festgeschriebenen Grenzwert nicht zu relativieren vermag.

bb) Den Entscheidungsgründen des zu vollstreckenden Urteils vom 9. Oktober 2012 können in hinreichend bestimmter ::0::verbindliche Vorgaben entnommen werden, durch deren Erfüllung sich der Antragsgegner einem erfolgreichen Vollstreckungsverfahren entziehen kann:

(1) Dem Antragsgegner wurde aufgegeben, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen, wobei die Maßnahmen geeignet sein müssen, den Zeitraum einer Überschreitung „so kurz wie möglich“ zu halten. Diesen Anforderungen hatte der Luftreinhalteplan in der Fassung der 4. Fortschreibung nach den Entscheidungsgründen des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht genügt, da nach den durchgeführten Immissionsprognosen ohne weitere, zusätzliche Maßnahmen weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 damit gerechnet wurde, dass insbesondere an der Messstation Landshuter Allee der NO2-Grenzwert für das Jahresmittel eingehalten werden wird. Die Kammer sah also in der Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2015 bzw. 2020 keine schnellstmögliche Einhaltung, sondern forderte Maßnahmen, die zur Einhaltung der Grenzwerte vor den genannten Zeitpunkten führen können. Das Urteil definiert damit in den Entscheidungsgründen, dass - zum damals entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2012 - eine schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte, zu der der Antragsgegner verpflichtet wurde, jedenfalls dann nicht gegeben ist, wenn eine Einhaltung weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 in Aussicht steht.

(2) Weiter müssen die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen nach dem Urteil vom 9. Oktober 2012 „geeignet sein, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte auszuschließen“. Nach den Entscheidungsgründen waren die in der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehenen Maßnahmen des Antragsgegners objektiv hierzu nicht geeignet, zumal der Antragsgegner selbst nicht davon ausging.

(3) Darüber hinaus wurde dem Antragsgegner durch das zu vollstreckende Urteil aufgegeben, „einschneidendere“ als die in der 4. Fortschreibung vorhandenen Maßnahmen, „insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone“, zu prüfen, und gegebenenfalls in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Maßnahmen möglich sei. Dem Antragsgegner stünden weitere, naturgemäß einschneidendere Maßnahmen zur Verringerung der Werte zur Verfügung, wobei die vom Antragsteller angeführte räumliche Ausdehnung der Umweltzone nur eine davon sei. Durch den Hinweis auf eine „Vielzahl“ möglicher Maßnahmen, die einschneidender als die in der 4. Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorhandenen sind, wird vom Antragsgegner ein umfassendes Konzept verlangt, das einen Katalog an einschneidenden, also wirksamen Maßnahmen zum Ergebnis hat, die geeignet sind, die Grenzwerte so schnell wie möglich - nach den Entscheidungsgründen vor 2015 bzw. 2020 - einzuhalten.

cc) Diese Vorgaben ergeben sich sämtlich aus der Auslegung der Entscheidungsgründe des zu vollstreckenden Urteils und waren Grundlage desselben. Sie gehen nicht über das hinaus, wozu der Antragsgegner bereits mit Urteil vom 9. Oktober 2012 verpflichtet wurde. Anders ausgedrückt enthält das zu vollstreckende Urteil ausreichend bestimmte Vorgaben, deren Erfüllung im Vollstreckungsverfahren zu überprüfen ist. Einer über die Auslegung des streitgegenständlichen Urteils hinausgehenden Fortschreibung desselben (vgl. hierzu BayVGH, B. v. 12.7.2007 - 11 C 06.868 - juris Rn. 31 ff.; HessVGH, B. v. 11.5.2016 - 9 E 450/16 - juris Rn. 26 ff.) bedarf es nicht.

b) Diese sich aus dem zu vollstreckenden Urteil ergebenden Verpflichtungen wurden seitens des Antragsgegners bisher nicht erfüllt, so dass dem Vollstreckungsantrag des Antragstellers stattzugeben ist. Es liegt ein Fall der grundlosen Säumnis in der Erfüllung der vom Gericht auferlegten Pflichten vor, der stets Voraussetzung für die Androhung eines Zwangsgeldes ist (vgl. BVerwG, B. v. 30.12.1968 - I WB 31/68 - NJW 1969, 476). Bisher wurde seitens des Antragsgegners kein Luftreinhalteplan mit Maßnahmen aufgestellt, die im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 geeignet wären, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich auszuschließen.

aa) Nach wie vor ist der sich aus § 3 Abs. 2 der Neununddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) und dem Tenor des Urteils vom 9. Oktober 2012 ergebende, über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für NO2 von 40 μg/cbm an den Messstationen Landshuter Allee und Stachus überschritten. Die NO2-Belastung in München (Jahresmittelwert) lag im Kalenderjahr 2014 an der Messstelle Landshuter Allee bei 83 μg/cbm und an der Messstelle Stachus bei 62 μg/cbm. Im Kalenderjahr 2015 lag sie an der Messstelle Landshuter Allee bei 84 μg/cbm und an der Messstelle Stachus bei 64 μg/cbm (Umweltbundesamt, „Stickstoffdioxid (NO2) im Jahr 2015“ - http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/358/dokumente/no2_2015_1.pdf, S. 5). Der Vortrag der Beigeladenen, dass der Immissionsgrenzwert in einiger Entfernung zur Messstation an der Landshuter Allee eingehalten sei, ändert nichts an der Überschreitung des Grenzwerts an den Messstationen am Stachus und an der Landshuter Allee und damit an der Nichteinhaltung der Vorgaben von § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV.

bb) Die in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Maßnahmen entsprechen nicht den Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012, da sie zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht geeignet sind. Die Ungeeignetheit der in die 6. Fortschreibung aufgenommenen Maßnahmen ergibt sich schon daraus, dass der Antragsgegner selbst nicht davon ausgeht, dass die dargestellten Maßnahmen zur Grenzwerteinhaltung geeignet sind. Der Antragsgegner geht in seiner eigenen Prognose zur 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans (S. 76) davon aus, dass eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwerts für das Jahresmittel an der Messstation Landshuter Allee ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich und bei der Messstation Stachus ab 2025 zu erwarten ist.

cc) Die Vorgabe aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012, einschneidendere als die in der 4. Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen zu prüfen und gegebenenfalls in den Luftreinhalteplan aufzunehmen, wurde durch die 6. Fortschreibung bislang nicht erfüllt. Auch unter Beachtung des weitreichenden Gestaltungsspielraums des Antragsgegners sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes trägt die 6. Fortschreibung den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht ausreichend Rechnung. Insbesondere liegt nach wie vor kein hinreichendes Konzept vor, das einen Katalog an einschneidenden Maßnahmen zum Ergebnis hätte, die geeignet wären, eine Grenzwertüberschreitung schnellstmöglich auszuschließen.

(1) Bei den Maßnahmen M 2 bis M 20 der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans handelt es sich nicht um „einschneidende“ Maßnahmen im Sinn des Urteils vom 9. Oktober 2012. Die Maßnahme M 2 „Anpassungen der bestehenden Umweltzone zur Reduzierung der NO2-Belastung“ hat die Prüfung der Verschärfung der bisherigen Bedingungen für die Einfahrt in die Umweltzone zum Ziel und soll realisiert werden, sobald die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Ein Minderungspotential wird nicht benannt. Auch wenn eine eventuelle Verschärfung der Bedingungen für die Einfahrt in die Umweltzone an der Hauptemissionsquelle ansetzen mag, so ist die Maßnahme M 2, die in ihrer derzeitigen Form keine unmittelbaren Auswirkungen auf die NO2-Belastung erwarten lässt, viel zu unkonkret, um einschneidend zur Grenzwerteinhaltung beizutragen. Die Maßnahmen M 3a bis M 20 können - abgesehen davon, dass sie überwiegend schon allein aufgrund des nicht festgeschriebenen Minderungspotentials im Ungefähren bleiben - unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht wird, nicht in einer ::0::effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beitragen, dass sie den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012 an einschneidende Maßnahmen genügen würden und der Antragsgegner damit seiner Verpflichtung aus dem zu vollstreckenden Urteil nachgekommen wäre.

(2) Die Maßnahme M 1, auf die der Antragsgegner als zentrale Maßnahme verweist, wird beschrieben als „Gutachterliche Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid-Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“. Sie ist nicht - auch nicht in Zusammenschau mit den anderen in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans festgeschriebenen Maßnahmen - geeignet zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung im Sinne der Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012.

Im Luftreinhalteplan selbst wird das Ziel des Gutachtens sehr allgemein dahingehend beschrieben, dass die rechtlich, verkehrstechnisch und räumlich möglichen Maßnahmen zur Verkehrslenkung und Verkehrssteuerung sowie deren praktische Umsetzbarkeit und die lufthygienische Wirkung insbesondere auf die NO2-Belastung geprüft werden sollen. Ein Minderungspotential wird nicht angegeben, da dieses erst durch das Gutachten, dessen Fertigstellung im Jahr 2017 geplant ist, ermittelt werden soll. Diese abstrakte, allgemeine Zielsetzung genügt nicht den Anforderungen des Urteils vom 9. Oktober 2012. Unter Berücksichtigung des Schutzes von Gesundheit und Umwelt sind im Falle der Nichteinhaltung von Grenzwerten einschneidende Maßnahmen erforderlich, um die Überschreitung schnellstmöglich zu beenden. Dieser Gutachtensauftrag stellt keine Maßnahme dar, die die Emissionen reduzieren und damit unmittelbar zur Grenzwerteinhaltung beitragen könnte. Vielmehr dient das Gutachten bestenfalls zur Vorbereitung weiterer Maßnahmen. Hierzu mag es geeignet sein, zur Grenzwerteinhaltung an sich nicht, da es hierfür einer Vielzahl an weiteren ungewissen Zwischenschritten - nämlich der Aufnahme konkreter geeigneter Maßnahmen in den Luftreinhalteplan - bedürfte.

Darüber hinaus lässt auch die vom Antragsgegner vorgelegte sog. funktionale Leistungsbeschreibung zu der Maßnahme M 1 nicht erkennen, dass damit konkrete Prüfaufträge für konkrete, ggfs. auch verkehrsbeschränkende Maßnahmen verbunden wären. Es fehlt ihr zunächst schon unter formellen Gesichtspunkten an der Verbindlichkeit. Es sind weder ein „Kopf“ noch ein Datum vorhanden. Auch die Unterschrift fehlt, so dass keine Aussage zum Urheber der Leistungsbeschreibung getroffen werden kann. Ferner ist unklar, ob es sich um eine für den Gutachter verbindliche Vorgabe oder um rein unverbindliche Anhaltspunkte handeln soll. Aber auch abgesehen von den formellen Mängeln bleibt die Leistungsbeschreibung zu unkonkret, um aus der Maßnahme M 1 eine einschneidende im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 zu machen. Die bloße Prüfung „möglicher Maßnahmen“ genügt auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht der Verpflichtung aus dem zu vollstreckenden Urteil. In der sog. funktionalen Leistungsbeschreibung werden keine konkreten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, welche zur Grenzwerteinhaltung besonders geeignet wären, erwähnt. Ob unter „Verringerung der Verkehrsmenge“ auch einschneidende - etwa verkehrsbeschränkende - Maßnahmen oder nur weniger effektive verkehrssteuernde Maßnahmen zu fassen sind, ergibt sich nicht. Zwar werden an anderer Stelle einige einschneidendere Maßnahmen wie etwa die City Maut oder die Umweltzone als Beispiele erwähnt, es werden aber keine konkreten Vorgaben dazu gemacht, welche Maßnahmen durch den Gutachter zu prüfen sind, so dass er diesbezüglich völlig frei bleibt und sich erst im Nachhinein herausstellen wird, ob einschneidende Maßnahmen zur Grenzwerteinhaltung überhaupt Eingang in das Gutachten gefunden haben.

Es mag der Beigeladenen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zuzugestehen sein, dass sie nicht ohne gutachterliche Untersuchung, quasi „ins Blaue hinein“ einschneidende und auch die Rechte Dritter massiv betreffende verkehrliche Maßnahmen ergreift, zumal bereits mit den bisherigen Fortschreibungen des Luftreinhalteplans Verkehrsbeschränkungen einhergingen, die für die Beigeladene relativ tiefgreifend waren. Eine gutachterliche Untersuchung hätte aber jedenfalls die Prüfung konkreter verkehrslenkender oder -beschränkender Maßnahmen zum Inhalt haben und weit zeitnäher zur Vorbereitung der Fortschreibung des Luftreinhalteplans in Auftrag gegeben werden müssen. Dem Auftrag liegt kein hinreichendes Konzept zugrunde, aus dem die Entwicklung eines Katalogs an einschneidenden Maßnahmen zu erwarten wäre.

c) Der von den Euro-5- und Euro-6-Normen abweichende tatsächliche Schadstoffausstoß von Diesel-Kraftfahrzeugen lässt die grundlose Säumnis des Antragsgegners nicht entfallen.

Die Dieselfahrzeuge halten aufgrund von Differenzen zwischen Test- und Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen bisher nicht ein. Daneben wurde offenbar von einigen Herstellern von Dieselfahrzeugen die Software dergestalt beeinflusst, dass die Fahrzeuge Testläufe erkennen können und damit zwar in Testmessungen, nicht aber im Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen einhalten. Diese Sachverhalte stellen auch unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit keinen Umstand dar, der die Säumnis des Antragsgegners rechtfertigen könnte. Denn sie sind für die Verpflichtung zur Einhaltung der Grenzwerte irrelevant, da die Luftschadstoffgrenzwerte auf Europarecht, nämlich auf Art. 13 Abs. 1 i. V. m. Anhang XI Buchstabe B der Richtlinie 2008/50/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, beruhen und deshalb nicht relativiert werden können. Hinzu kommt, dass die 6. Fortschreibung auch ohne Berücksichtigung zumindest der Softwareproblematik die Verpflichtungen aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht erfüllt. Im Übrigen mag sich die Reduzierung des Schadstoffausstoßes von Diesel-Kraftfahrzeugen durch die aufgetretenen Probleme zeitlich verzögern. Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass zeitnah nach neuen technischen Lösungen gesucht wird und die Kraftfahrzeughersteller - schon aus eigenem wirtschaftlichem Interesse - bestrebt sein werden, die Vorgaben der Euro-5- und Euro-6-Normen einzuhalten. Damit ist nicht davon auszugehen, dass dem Antragsgegner und der Beigeladenen auf Dauer die Lasten der Grenzwerteinhaltung allein überbürdet werden.

4. Die Fristsetzung von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses erscheint zur Erfüllung der Pflichten aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 angemessen. Dem Antragsgegner kann der Vollzug der Entscheidung innerhalb eines Jahres billigerweise zugemutet werden.

Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 10.000,- Euro ist angemessen, um den Antragsgegner zur Erfüllung seiner aus dem zugrunde liegenden Urteil resultierenden Pflichten zu motivieren. Der in § 172 VwGO vorgegebene Rahmen wird dabei im Hinblick auf die Bedeutung von effektiven Luftreinhalteplänen sowie den Gesundheits- und Umweltschutz ausgeschöpft.

5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 29. EL Oktober 2015, § 172 Rn. 61).

(1) Werden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten, hat die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Satz 1 gilt entsprechend, soweit eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 zur Einhaltung von Zielwerten die Aufstellung eines Luftreinhalteplans regelt. Die Maßnahmen eines Luftreinhalteplans müssen geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten.

(2) Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegten Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Besteht die Gefahr, dass durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festgelegte Immissionsgrenzwerte oder Zielwerte überschritten werden, kann die zuständige Behörde einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufstellen, soweit die Rechtsverordnung dies vorsieht. Die im Plan festgelegten Maßnahmen müssen geeignet sein, die Gefahr der Überschreitung der Werte zu verringern oder den Zeitraum, während dessen die Werte überschritten werden, zu verkürzen. Ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen kann Teil eines Luftreinhalteplans nach Absatz 1 sein.

(3) Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1a festgelegten Immissionswerte nicht eingehalten werden, oder sind in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 sonstige schädliche Umwelteinwirkungen zu erwarten, kann die zuständige Behörde einen Luftreinhalteplan aufstellen. Bei der Aufstellung dieser Pläne sind die Ziele der Raumordnung zu beachten; die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung sind zu berücksichtigen.

(4) Die Maßnahmen sind entsprechend des Verursacheranteils unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der Immissionswerte oder in einem Untersuchungsgebiet im Sinne des § 44 Absatz 2 zu sonstigen schädlichen Umwelteinwirkungen beitragen. Werden in Plänen nach Absatz 1 oder 2 Maßnahmen im Straßenverkehr erforderlich, sind diese im Einvernehmen mit den zuständigen Straßenbau- und Straßenverkehrsbehörden festzulegen. Werden Immissionswerte hinsichtlich mehrerer Schadstoffe überschritten, ist ein alle Schadstoffe erfassender Plan aufzustellen. Werden Immissionswerte durch Emissionen überschritten, die außerhalb des Plangebiets verursacht werden, hat in den Fällen der Absätze 1 und 2 auch die dort zuständige Behörde einen Plan aufzustellen.

(4a) Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs für Kraftfahrzeuge mit Selbstzündungsmotor kommen wegen der Überschreitung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid in der Regel nur in Gebieten in Betracht, in denen der Wert von 50 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel überschritten worden ist. Folgende Kraftfahrzeuge sind von Verkehrsverboten ausgenommen:

1.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro 6,
2.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklassen Euro 4 und Euro 5, sofern diese im praktischen Fahrbetrieb in entsprechender Anwendung des Artikels 2 Nummer 41 in Verbindung mit Anhang IIIa der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 199 vom 28.7.2008, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/1221 (ABl. L 174 vom 7.7.2017, S. 3) geändert worden ist, weniger als 270 Milligramm Stickstoffoxide pro Kilometer ausstoßen,
3.
Kraftomnibusse mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
4.
schwere Kommunalfahrzeuge mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären, sowie Fahrzeuge der privaten Entsorgungswirtschaft von mehr als 3,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
5.
Handwerker- und Lieferfahrzeuge zwischen 2,8 und 7,5 Tonnen mit einer Allgemeinen Betriebserlaubnis für ein Stickstoffoxid-Minderungssystem mit erhöhter Minderungsleistung, sofern die Nachrüstung finanziell aus einem öffentlichen Titel des Bundes gefördert worden ist, oder die die technischen Anforderungen erfüllen, die für diese Förderung erforderlich gewesen wären,
6.
Kraftfahrzeuge der Schadstoffklasse Euro VI und
7.
Kraftfahrzeuge im Sinne von Anhang 3 Nummer 5, 6 und 7 der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung vom 10. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2218), die zuletzt durch Artikel 85 der Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474) geändert worden ist.
Im Einzelfall kann der Luftreinhalteplan im Fall des Satzes 2 Nummer 6 auch für diese Kraftfahrzeuge ein Verbot des Kraftfahrzeugverkehrs vorsehen, wenn die schnellstmögliche Einhaltung des Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid anderenfalls nicht sichergestellt werden kann. Weitere Ausnahmen von Verboten des Kraftfahrzeugverkehrs, insbesondere nach § 40 Absatz 1 Satz 2, können durch die zuständigen Behörden zugelassen werden. Die Vorschriften zu ergänzenden technischen Regelungen, insbesondere zu Nachrüstmaßnahmen bei Kraftfahrzeugen, im Straßenverkehrsgesetz und in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bleiben unberührt.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 aufzustellenden Pläne müssen den Anforderungen des § 45 Absatz 2 entsprechen. Die Öffentlichkeit ist bei der Aufstellung von Plänen nach den Absätzen 1 und 3 zu beteiligen. Die Pläne müssen für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

(5a) Bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen nach Absatz 1 ist die Öffentlichkeit durch die zuständige Behörde zu beteiligen. Die Aufstellung oder Änderung eines Luftreinhalteplanes sowie Informationen über das Beteiligungsverfahren sind in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Entwurf des neuen oder geänderten Luftreinhalteplanes ist einen Monat zur Einsicht auszulegen; bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist kann gegenüber der zuständigen Behörde schriftlich oder elektronisch Stellung genommen werden; der Zeitpunkt des Fristablaufs ist bei der Bekanntmachung nach Satz 2 mitzuteilen. Fristgemäß eingegangene Stellungnahmen werden von der zuständigen Behörde bei der Entscheidung über die Annahme des Plans angemessen berücksichtigt. Der aufgestellte Plan ist von der zuständigen Behörde in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt und auf andere geeignete Weise öffentlich bekannt zu machen. In der öffentlichen Bekanntmachung sind das überplante Gebiet und eine Übersicht über die wesentlichen Maßnahmen darzustellen. Eine Ausfertigung des Plans, einschließlich einer Darstellung des Ablaufs des Beteiligungsverfahrens und der Gründe und Erwägungen, auf denen die getroffene Entscheidung beruht, wird zwei Wochen zur Einsicht ausgelegt. Dieser Absatz findet keine Anwendung, wenn es sich bei dem Luftreinhalteplan nach Absatz 1 um einen Plan handelt, für den nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen ist.

(5b) Werden nach Absatz 2 Pläne für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufgestellt, macht die zuständige Behörde der Öffentlichkeit sowohl die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zur Durchführbarkeit und zum Inhalt solcher Pläne als auch Informationen über die Durchführung dieser Pläne zugänglich.

(6) Die Maßnahmen, die Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 festlegen, sind durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Sind in den Plänen planungsrechtliche Festlegungen vorgesehen, haben die zuständigen Planungsträger dies bei ihren Planungen zu berücksichtigen.

(7) Die Landesregierungen oder die von ihnen bestimmten Stellen werden ermächtigt, bei der Gefahr, dass Immissionsgrenzwerte überschritten werden, die eine Rechtsverordnung nach § 48a Absatz 1 festlegt, durch Rechtsverordnung vorzuschreiben, dass in näher zu bestimmenden Gebieten bestimmte

1.
ortsveränderliche Anlagen nicht betrieben werden dürfen,
2.
ortsfeste Anlagen nicht errichtet werden dürfen,
3.
ortsveränderliche oder ortsfeste Anlagen nur zu bestimmten Zeiten betrieben werden dürfen oder erhöhten betriebstechnischen Anforderungen genügen müssen,
4.
Brennstoffe in Anlagen nicht oder nur beschränkt verwendet werden dürfen,
soweit die Anlagen oder Brennstoffe geeignet sind, zur Überschreitung der Immissionswerte beizutragen. Absatz 4 Satz 1 und § 49 Absatz 3 gelten entsprechend.

Tenor

I. Das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 6.1427) in Nr. II.2. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro wird festgesetzt. Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses auf das Konto der Staatsoberkasse Bayern mit der IBAN DE* … einzuzahlen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt gegen den Antragsgegner die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 4.000,- EUR zur Vollstreckung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), rechtskräftig seit 8. April 2014, durch das der Antragsgegner verpflichtet wurde, den für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 pg/cbm, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 pg/cbm bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 pg/cbm bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält.

Auf Antrag des Antragstellers hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) dem Antragsgegner für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung des Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- EUR angedroht. Diesen Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) auf die Beschwerde des Antragsgegners u.a. dahingehend geändert, dass dem Antragsgegner ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro angedroht wird, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz - BImSchG -) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll (Nr. II.2. des Tenors).

Am 20. Juli 2017 hat die Regierung von Oberbayern im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 15 auf Seite 112 unter der Überschrift „Luftreinhaltung München“ mitgeteilt, dass die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Ministerrats vom 18. Juli 2017 ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Innenstädte beschlossen habe, das unter einem näherbezeichneten Link, der auf den Bericht der Kabinettssitzung vom 18. Juli 2017 verweist, eingesehen werden könne. Dieses werde der zukünftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen. Stellungnahmen zu den Maßnahmen würden, soweit das Gebiet der Landeshauptstadt München betroffen sei, bis 18. August 2017 von der Regierung von Oberbayern entgegengenommen. Der Bericht zur Kabinettssitzung vom 18. Juli 2017 enthält eine Vielzahl von politischen Absichtserklärungen. Aussagen zur Aufnahme eines Fahrverbots für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt München sind nicht ersichtlich.

Am … August 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München, gegen den Antragsgegner zur Erfüllung der aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro festzusetzen.

Er trägt vor, der Antragsgegner habe die Verpflichtung aus dem Urteil nicht umgesetzt, so dass nunmehr das in Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro festzusetzen sei. Die Veröffentlichung im Amtsblatt vom 20. Juli 2017 genüge nicht den Anforderungen, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 27. Februar 2017 aufgestellt habe.

Der Antragsgegner nahm mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 Stellung, ohne einen Antrag zu stellen. Die Bekanntmachung der Regierung von Oberbayern im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 15 vom 20. Juli 2017 entspreche den formalen und inhaltlichen Vorgaben der Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs habe im Wesentlichen darauf abgezielt, die Öffentlichkeit auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge in München verhängt werden könnten, und der Öffentlichkeit gleichzeitig Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen. Seit dem 27. Februar 2017 habe das Thema der Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge in der öffentlichen Diskussion einen breiten Raum eingenommen, auch über München hinaus. Offen sei nur noch der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angestrebte Konkretisierungsgrad dieser Fahrverbote. Inhaltlich habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof aber die Rechtslage, ob Fahrverbote überhaupt verhängt werden dürften, als offen angesehen. Das Bundesverwaltungsgericht werde sich auf die entsprechende Sprungrevision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Oktober 2016 und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 26. Juli 2017 im Februar 2018 mit diesen Rechtsfragen befassen. Der gesamte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und auch die Vollstreckung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 verlören ihre Grundlage, wenn das Bundesverwaltungsgericht der Argumentation des Antragstellers und der Verwaltungsgerichte Düsseldorf und Stuttgart nicht folge. Es könne - auch im Sinne einer geordneten Beachtung des Rechtsstaatsprinzips - nicht angehen, wenige Monate vor der Entscheidung offene, aber entscheidende Rechtsfragen durch Anwendung penibler Beurteilungsmaßstäbe in einem Vollstreckungsverfahren als geklärt zu fingieren. Wenn noch nicht einmal klar sei, ob Fahrverbote verhängt werden dürften, könne jedenfalls noch nicht die konkrete Ausarbeitung eines solchen Fahrverbots verlangt werden. Die konkrete Ausarbeitung wirksamer Fahrverbote sei innerhalb weniger Monate überhaupt nicht machbar. Als Konsequenz aus der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München sei ein Verkehrsgutachten erstellt worden, das die verschiedenen in Betracht kommenden Varianten eines solchen Verkehrsverbots darstellen sollte. Der Entwurf des Gutachtens sei der zuständigen Regierung von Oberbayern vorgelegt worden und müsse zunächst ausgewertet werden. Im Übrigen benötige eine umsetzbare Ausgestaltung von Fahrverboten ca. drei Jahre. Ferner hätten sich seit der letzten Behandlung der Thematik durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof die Aktivitäten zur Verbesserung der Luftqualität in Bezug auf Stickstoffoxide sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene intensiviert. Die Luftqualität in Bayern habe sich im letzten Jahrzehnt stetig verbessert. Trotzdem werde in München derzeit an verkehrsreichen Straßen bei gleichzeitig schlechter Durchmischung der Luft der Jahresmittel-Grenzwert für NO2 noch überschritten. Unter Zugrundelegung eines angemessenen Beurteilungsmaßstabes gehe der Antragsgegner davon aus, dass Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 jedenfalls dem Sinn nach Rechnung getragen worden sei.

Die Beigeladene stellte keinen eigenen Antrag.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.

1. Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO (BayVGH, B.v. 27.2.2017 - 22 C 16.1427 - juris Rn. 66). Hiernach kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zu zehntausend Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

2. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

a) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) statuiert eine Verpflichtung des Antragsgegners, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels - nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München - im Weg der Auslegung eindeutig bestimmen lässt. Dieses Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München ist somit vollstreckbar (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 71). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde dem Antragsteller ausgestellt.

b) Der Antragsgegner ist jedenfalls hinsichtlich der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 pg/m3 im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, nicht nachgekommen (vgl. hierzu VG München, B.v. 21.6.2016 - M 1 V 15.5203 - juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 100). Die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München stellt aus den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) unter II.3.b. dargestellten Gründen keine ausreichende Erfüllung des Urteils dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 102). Im Übrigen hat der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 selbst eingeräumt, dass in München auch derzeit noch an verkehrsreichen Straßen bei gleichzeitig schlechter Durchmischung der Luft der Jahresmittel-Grenzwert für NO₂ überschritten werde.

aa) Zur Umsetzung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 besteht (jedenfalls derzeit) nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 27. Februar 2017 (Rn. 141) keine andere Möglichkeit als die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von den NO₂-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren. Da derzeit allerdings noch rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bestehen (vgl. hierzu das beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 C 26.16 anhängige Revisionsverfahren, das nach der Terminvorschau des Bundesverwaltungsgerichts am 22.2.2018 zur mündlichen Verhandlung ansteht), folgt nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 die Verpflichtung des Antragsgegners, als Minus zu der aus dem zu vollstreckenden Urteil eigentlich geschuldeten Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in die Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorab ein Konzept bezüglich der Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zu erstellen und die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans, die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge beinhaltet, nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG einzuleiten.

bb) Die vom Antragsgegner am 20. Juli 2017 im Oberbayerischen Amtsblatt getätigte Veröffentlichung genügt nicht den Anforderungen, die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 27. Februar 2017 dargestellt hat. Aus dieser Veröffentlichung ergibt sich jedenfalls nicht, dass in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen und hinsichtlich welcher Straßenabschnitte im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird. Die Veröffentlichung des Antragsgegners vom 20. Juli 2017 im Oberbayerischen Amtsblatt beschränkt sich vielmehr auf die Mitteilung, dass die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Ministerrats vom 18. Juli 2017 ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Innenstädten beschlossen hat und dieses der zukünftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen wird. Die Aufnahme von Dieselfahrverboten bei der Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München ist dieser Veröffentlichung nicht zu entnehmen. Der verlinkten Pressemitteilung zur Ministerratssitzung vom 18. Juli 2017 sind ebenfalls keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass Dieselfahrverbote in die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München aufgenommen werden sollen. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht nur eine öffentliche Diskussion zu etwaigen Dieselfahrverboten in München anstoßen wollen, sondern aus dessen Beschluss folgt unzweifelhaft, dass (jedenfalls derzeit) allein ein Dieselfahrverbot das verbleibende Mittel zur schnellstmöglichen Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 folgenden Verpflichtung des Antragsgegners ist.

cc) Dass dem Antragsgegner die Erfüllung innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist bis 31. August 2017 objektiv nicht möglich gewesen ist und auch weiterhin nicht möglich ist, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst für das Gericht erkennbar. Soweit der Antragsgegner ausführt, dass die konkrete Ausarbeitung wirksamer Fahrverbote innerhalb weniger Monate überhaupt nicht machbar wäre, ist der Vortrag nicht hinreichend substantiiert. Nach den Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 10. Oktober 2017 liegt ihm offensichtlich bereits ein Verkehrsgutachten vor, das die verschiedenen Varianten eines solchen Verkehrsverbots darstellen soll. Zudem betrug die Frist nicht wenige Monate, sondern der Antragsgegner ist bereits seit Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 am 8. April 2014 die Erfüllung der aus dem Urteil folgenden Verpflichtung schuldig geblieben. Dem Umstand, dass die Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf der Grundlage des bisherigen Rechts bislang rechtlich umstritten ist und eine Klärung dieser Rechtsfragen erst durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Februar 2018 zu erwarten steht, ist im Rahmen der Zwangsgeldandrohung bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass von dem Antragsgegner in Erfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtung zunächst (nur) die Erstellung eines Konzepts und die Einleitung der Fortschreibung des Luftreinhalteplans verlangt wird. Soweit der Antragsgegner vor dem Hintergrund der anstehenden Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung zur Zulässigkeit von Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge den Sinn der Erstellung eines Konzepts für Dieselfahrverbote anzweifelt, lässt dieser Einwand seine Verpflichtung unberührt: Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge würden derzeit rechtliche Hindernisse entgegenstehen, ist im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, sowie im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen davon auszugehen, dass entsprechende Regelungen im nationalen Recht schnellstmöglich angepasst werden, um die rechtlichen Grundlagen für Dieselfahrverbote zu schaffen. Vom Antragsgegner wurde daher durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht eine gegebenenfalls überflüssige Vorarbeit verlangt, sondern es steht zu erwarten, dass das zu erstellende Konzept auch tatsächlich (nach Klärung der Rechtsfragen bzw. Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen) schnellstmöglich in die Praxis umgesetzt werden kann. Soweit der Antragsgegner weiter ausführt, dass im Stadtgebiet ca. 120.000 neue Verkehrszeichen aufgestellt werden müssten und ca. drei Jahre benötigt würden, um ein Fahrverbot umsetzbar zu gestalten, steht dies der Festsetzung des Zwangsgeldes ebenfalls nicht entgegen. Vom Antragsgegner sind bis 31. August 2017 lediglich die Erstellung eines Konzepts und die Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans unter Einbeziehung von Dieselfahrverboten gefordert. Ein konkreter Beschilderungsplan ist hierfür nicht erforderlich. Die weitere Ausgestaltung der Fahrverbote mag sich als komplex und zeitaufwendig darstellen. Umso dringender ist es aber, dass der Antragsgegner in Umsetzung des Urteils vom 9. Oktober 2012 die unter Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs genannten Maßgaben umgehend angeht. Soweit er die umfangreichen und intensiven Aktivitäten zur Verbesserung der Luftqualität sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene darstellt, ist nicht substantiiert dargelegt, welche konkreten Auswirkungen diese Maßnahmen bis zu welchem Zeitpunkt auf die Luftqualität in München haben werden. Im Übrigen haben diese Maßnahmen auch noch keinen Eingang in die Fortschreibung des Luftreinhalteplans gefunden, so dass die Verpflichtungen aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 vom Antragsgegner weiterhin nicht erfüllt sind.

Der Antragsgegner ist somit grundlos säumig.

3. Das im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000,- Euro ist daher in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens nach § 172 VwGO festzusetzen. Angesichts des hohen Rangs des Gesundheitsschutzes und des Verhaltens des Antragsgegners, das ohne Zwangsmaßnahmen eine Umsetzung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erwachsenden Verpflichtungen jedenfalls zeitnah nicht mehr erwarten lässt, ist die Anordnung des Zwangsgelds in Höhe von 4.000,- Euro nunmehr ermessensgerecht.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 172 Rn. 61).

Tenor

I. Dem Antragsgegner wird erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) einleitet.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

III. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller ¾ und der Antragsgegner ¼. Ferner trägt der Antragsteller ¾ der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, ¼ trägt die Beigeladene selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt gegen den Antragsgegner die Vollstreckung aus einem verwaltungsgerichtlichen Urteil.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt München wurde erstmals am 28. Dezember 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Auf diesen Plan und seine Datengrundlage beziehen sich die 1. Fortschreibung vom Oktober 2007, die 2. Fortschreibung vom August 2008 und die 4. Fortschreibung vom September 2010. Die im April 2012 erfolgte 3. Fortschreibung hatte eine Beteiligung des Münchener Umlands zum Gegenstand.

Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), rechtskräftig seit 8. April 2014, verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antragsgegner, den für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 μg/m³, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 μg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 μg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält. Den Entscheidungsgründen zufolge genüge der Luftreinhalteplan für München in der Fassung der 4. Fortschreibung den sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, aus § 47 Abs. 1 Satz 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) ergebenden Anforderungen nicht.

Im Mai 2014 trat die 5. Fortschreibung, im Dezember 2015 die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München in Kraft. In der 6. Fortschreibung wird im Rahmen einer Prognose zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte (S. 76) ausgeführt, dass eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwertes für das Jahresmittel an der Landshuter Allee ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich sei. An der Messstation Stachus sei eine Einhaltung voraussichtlich ab 2025 zu erwarten. Diese Prognose basiere im Wesentlichen auf der Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie quantifizierbaren Maßnahmen wie Lkw-Durchfahrtsverbot und Umweltzone. Maßnahmen, deren Wirkung nicht belastbar abgeschätzt werden könne (wie z.B. Ausbau ÖPNV und Fahrradverkehr), würden bei der Immissionsprognose nicht berücksichtigt.

Auf Antrag des Antragstellers hat das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung des Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 Euro angedroht. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass ein Fall der grundlosen Säumnis vorliege. Bisher sei seitens des Antragsgegners kein Luftreinhalteplan mit Maßnahmen aufgestellt, die im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 geeignet wären, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich auszuschließen. Die in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Maßnahmen entsprächen nicht den Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012, da sie zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht geeignet seien. Die Maßnahmen seien zu unkonkret bzw. angesichts der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht werde, nicht geeignet, effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beizutragen.

Diesen Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427 – juris) auf die Beschwerde des Antragsgegners wie folgt geändert:

„II.1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG –) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes (39. BImSchV) festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“

Zur Begründung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus, dass das Urteil vom 9. Oktober 2012 vollstreckbar sei. Der Antragsgegner sei jedenfalls hinsichtlich der Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid vom 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten werde, dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht nachgekommen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit werde durch die nunmehr bereits seit mehr als sieben Jahre andauernde unzulässig hohe NO2-Belastung zahlreicher Straßen(abschnitte) in gravierender Weise beeinträchtigt. Das Bayerische Verwaltungsgericht München habe im Beschluss vom 21. Juni 2016 zutreffend aufgezeigt, dass auch die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht als ausreichende Erfüllung dieses Urteils anerkannt werden könne. Aus einer zusammenschauenden Würdigung folge, dass dem Antragsgegner andere Möglichkeiten als eine Verringerung der Zahl der Dieselfahrzeuge, die auf den zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen bzw. in ihrem nächsten Umgriff verkehrten, nicht zur Verfügung stünden, um das durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 vorgegebene Ziel schnellstmöglich zu erreichen. Bei methodisch korrekter Vorgehensweise könne nicht davon gesprochen werden, derartige Eingriffe in den Straßenverkehr seien von vornherein unverhältnismäßig. Angesichts der herausragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) werde von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden können. Es bestünden allerdings Bedenken, ob das geltende Recht ausreichende Befugnisnormen bereithalte, um Ausnahmen von den Verkehrsverboten in ausreichendem Umfang rechtskonform zulassen zu können, sowie, ob solche Verbote mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung bekanntgegeben werden könnten. Dies stelle jedoch kein Hindernis dar, das dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrverbote schlechthin entgegenstehe. Angesichts der europarechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland sowie des staatlichen Schutzauftrags sei mit einer entsprechenden Rechtsetzung zu rechnen, um die Grundlagen für Dieselfahrverbote zu schaffen. Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens entspreche es, darauf Bedacht zu nehmen, dass die in Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ohne weitere Verzögerung in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufgenommen werden könnten, sobald die aufgezeigten Hindernisse ausgeräumt sein würden. Dies sei nur dann gesichert, wenn der Antragsgegner über ein Konzept für Verkehrsverbote im Hinblick auf Dieselfahrzeuge verfüge. Vom Antragsgegner die Erstellung eines solchen Konzepts als „Minus“ gegenüber der vom Verwaltungsgericht geforderten sofortigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu verlangen, sei von Rechts wegen geboten.

Am 18. Juli 2017 hat der Antragsgegner eine Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie eine Übersichtskarte zu Straßen mit Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen in München auf der Homepage der Regierung von Oberbayern (dort abrufbar unter: http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/aufgaben/umwelt/allgemein/luftreinhalte/02716/) veröffentlicht.

Die Regierung von Oberbayern hat am 20. Juli 2017 im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 15 auf Seite 112 unter der Überschrift „Luftreinhaltung München“ mitgeteilt, dass die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Ministerrats vom 18. Juli 2017 ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Innenstädten beschlossen habe, das unter einem näherbezeichneten Link, der auf den Bericht der Kabinettssitzung vom 18. Juli 2017 verweist, eingesehen werden könne. Dieses werde der zukünftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen. Stellungnahmen zu den Maßnahmen würden, soweit das Gebiet der Landeshauptstadt München betroffen sei, bis 18. August 2017 von der Regierung von Oberbayern entgegengenommen. Dieses Maßnahmenpaket sehe neben der zügigen Nachrüstung von Euro-5-Diesel-Pkw auch spürbare Kaufanreize für die Flottenumrüstung von Diesel-Pkw, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, den raschen Ausbau der E-Mobilität und die Förderung des Radverkehrs vor.

Mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 (M 19 X 17.3931) hat das Bayerische Verwaltungsgericht München das unter Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 gegen den Antragsgegner angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es auf die bislang noch nicht erfüllte Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 abgestellt.

Das Zwangsgeld wurde vom Antragsgegner beglichen.

Am ... November 2017 wandte sich der Antragsteller an das Bayerische Verwaltungsgericht München und beantragte zuletzt sinngemäß,

den Antragsgegner durch Zwangshaft, zu vollstrecken an der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz des Freistaats Bayern

– hilfsweise durch Festsetzung eines Zwangsgeldes von bis zu 25.000 Euro – anzuhalten, die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG) dergestalt einzuleiten, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beizuladenden, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

weiter hilfsweise,

das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in Nr. II.2. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro erneut festzusetzen.

weiter hilfsweise,

dem Antragsgegner erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro anzudrohen, falls er nicht binnen einer vom Gericht festzusetzenden Frist die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München einleitet, wie in Nr. II.2. des Tenors des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 vorgesehen.

Zur Begründung führte der Antragsteller im Wesentlichen aus, der Antragsgegner sei seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) weiterhin nicht nachgekommen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei es aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nunmehr geboten, von der nach § 167 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) möglichen entsprechenden Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten. Die Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lägen hierfür nunmehr vor. Zum einen habe der Antragsgegner bekundet, dass er nicht handeln werde. Zum anderen hätten die bisherigen Vollstreckungsmaßnahmen keine Wirkung gezeigt, so dass die Anwendung der Maßnahmen der Zivilprozessordnung (ZPO) gerechtfertigt sei. Hinzu trete der zeitliche Aspekt. Die Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung sei dringend, da es der Gesundheitsschutz der Bürger Münchens gebiete, schnell die vorbereitenden Arbeiten zu treffen. Sobald das Bundesverwaltungsgericht die Zulässigkeit der Fahrverbote festgestellt habe, seien diese sofort ohne weiteren zeitlichen Verzug einzuführen. Nach § 167 VwGO i.V.m. § 888 ZPO sei der Antragsgegner somit durch Zwangsgeld oder Zwangshaft anzuhalten, seine nicht vertretbare Handlung durchzuführen. Eine vorherige Androhung der Zwangsmittel sei unzulässig (§ 888 Abs. 2 ZPO). Hinsichtlich des Hilfsantrags zur erneuten Festsetzung des Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro werde vorsorglich ausgeführt, dass es jedenfalls keiner erneuten Androhung bedürfe.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 15. Januar 2018,

die Anträge abzulehnen.

Die Vollstreckung gegen Hoheitsträger sei in § 172 VwGO abschließend geregelt; eine Ausnahme hiervon sei nicht vorgesehen. Durch das Gesetz zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 21. Dezember 2001 sei die Möglichkeit zur Festsetzung eines Zwangsgeldes auf 10.000 Euro erhöht worden. Daraus werde die Absicht des Gesetzgebers deutlich, die öffentliche Gewalt vor der „scharfen“ zivilprozessualen Vollstreckung zu verschonen, mit der Folge, dass die Erzwingung hoheitlicher Handlungen durch die Instrumentarien des Erfüllungszwangs weder in entsprechender Anwendung des § 172 VwGO, noch über § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO und §§ 838 bis 895 ZPO zulässig sei. Eine in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1999 angenommene Ausnahme hiervon liege jedenfalls nicht vor. Der Antragsgegner habe weder eindeutig bekundet, dass „nichts veranlasst sei und auch nichts getan werde“, noch lägen mehrfach erfolglose Zwangsgeldandrohungen vor. Der Freistaat Bayern setze alles daran, die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 umzusetzen. Dies ergebe sich daraus, dass eine Vielzahl von Maßnahmen, auch schon im Rahmen der 5. und 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, vorgesehen und umgesetzt sei. Darüber hinaus habe das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans veranlasst, mit der weitere konkrete Maßnahmen benannt würden, um das Ziel der Einhaltung von Grenzwerten schnellstmöglich mit den rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Das bayerische Maßnahmenpaket vom 18. Juli 2017 enthalte eine umfangreiche Auflistung von Maßnahmen, die mittelfristig eine Grenzwerteinhaltung von Stickstoffdioxid bewirken würden. Diese Maßnahmen würden möglichst bald begonnen und umgesetzt. Die Sachlage habe sich deshalb im Vergleich zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in maßgeblichen Punkten geändert. Eine Änderung der Sachlage sei auch insoweit eingetreten, als entgegen der Erwartung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine zeitnahe Klärung der rechtlichen Grundlagen durch das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht erfolgt sei. Auch habe der Gesetzgeber noch keine straßenverkehrsrechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten geschaffen. Im Übrigen fehle es für die geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung für beabsichtigte Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge an einer Rechtsgrundlage. Bereits die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines vorbereitenden Konzepts mit dem Ziel pauschaler Fahrverbote würde zu einer Grundrechtsbetroffenheit führen. Zudem würde die Öffentlichkeitsbeteiligung zu beabsichtigten Fahrverboten unzulässig in das Planungsermessen der Exekutive eingreifen und wäre unverhältnismäßig. Um mittels Diesel-Fahrverboten kurzfristig die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zu erreichen, müsste auf einem großen Teil der Münchner Hauptverkehrsstraßen ein totales Diesel-Fahrverbot verhängt werden. Ausweichrouten müssten über kurz oder lang ebenfalls mit Fahrverboten belegt werden. Damit wären faktisch sämtliche Dieselfahrzeuge aus dem gesamten Münchner Stadtgebiet auszusperren und allein in München 300.000 zugelassene Diesel-Pkw betroffen. Einschneidende Verkehrsbeschränkungen, wie sie hier in München zur Einhaltung der NO2-Immissions-grenzwerte notwendig würden, wären mit der Funktion einer Stadt nicht mehr verträglich und würden gravierende, nicht akzeptable Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer haben. Dem Gesundheitsschutz komme kein absoluter Vorrang über die anderen Belange zu. Selbst wenn in München alle Dieselfahrzeuge im gesamten Stadtgebiet ausgeschlossen würden, würde immer noch ein geringer Anteil an Überschreitungen verbleiben. Im Übrigen werde der NO2-Stundenmittelwert mittlerweile eingehalten. Überschreitungen des Jahresmittelwertes für NO2 lägen zwischen 50 µg/m³ und 60 µg/m³ an 5 Prozent des Hauptstraßennetzes in München vor, von mehr als 60 µg/m³ lediglich an 3 Prozent. Bezogen auf das gesamte Straßennetz würden an 95 Prozent der Straßen in München die Grenzwerte eingehalten. Im Übrigen stehe der Anwendung der zivilprozessualen Vollstreckungsvorschriften entgegen, dass die Möglichkeiten des § 172 VwGO noch nicht ausgeschöpft seien. Erstmalig mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 sei ein Zwangsgeld angedroht und anschließend erst- und einmalig durch das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 festgesetzt worden. Soweit der Antragsteller hilfsweise die erneute Festsetzung des im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in Nr. II.2. angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro beantrage, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Die Festsetzung eines Zwangsgeldes verlange nach dem Wortlaut des § 172 Satz 2 VwGO auch im Wiederholungsfalle zunächst einen Antrag auf Androhung des Zwangsgeldes. Das zunächst durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof angedrohte Zwangsgeld sei mit der bereits erfolgten Zwangsgeldfestsetzung verbraucht.

Am 16. Januar 2018 veröffentlichte der Antragsgegner ein „Konzept für eine 7. Fortschreibung“ zum Luftreinhalteplan für die Stadt München auf der Internetseite der Regierung von Oberbayern sowie in der Sonderausgabe des Amtsblatts der Regierung von Oberbayern vom 16. Januar 2018 und wies darauf hin, dass dieses Konzept der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen werde. Stellungnahmen hierzu würden bis 5. März 2018 schriftlich bei der Regierung von Oberbayern entgegen genommen. In diesem Konzept wird der Jahresmittelwert hinsichtlich Stickstoffdioxid für das Jahr 2017 in München wie folgt dargestellt:

 

Weiter wird ausgeführt, dass Immissionsberechnungen zur Schadstoffbelastung in München durchgeführt worden seien. Das Modellierungsergebnis weise für 24 Prozent des betrachteten 511 km langen Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München eine NO2-Belastung größer 40 µg/m³ und damit eine Überschreitung des NO2-Grenzwertes der 39. BImSchV für das Jahresmittel auf. Bezogen auf das betrachtete Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung (330 km) betrage der Anteil mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent. Streckenbezogene Verkehrsverbote seien in München nach der gutachterlichen Bewertung des Ingenieurbüros ... nicht zielführend zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte. Die spezielle Konfiguration der Hauptverkehrsstraßen in München führe lediglich zu einer Verlagerung der Verkehrsströme auf noch aufnahmefähige Straßen. Für die Verwaltung sei es nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt über die vom Gericht gewünschten Fahrverbote genaueres zu sagen. Fahrverbote seien in den Maßnahmenpaketen des Bundes und des Landes nicht vorgesehen. Die Politik wolle diese Verbote vermeiden und habe daher ein nachhaltiges, aber anderes Vorgehen u.a. mit einer deutlichen Modernisierung der Flotten und Stärkung des ÖPNV begonnen. Das Minderungspotential von Software-Updates für Dieselfahrzeuge am Standort Landshuter Allee werde im optimistischen Szenario mit ca. 3 µg/m³ abgeschätzt. In Kombination mit dem Rückkauf von 25 Prozent der älteren Diesel-Pkw der Euro-Normen 1 bis 4 und Ersatz durch Diesel der Euro-Norm 6 und Euro-6 Benziner ergäbe sich an der Landshuter Allee ein Minderungspotential von etwa 5 µg/m³. Nach den Berechnungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt würde sich für die Landshuter Allee im Falle der durchgeführten Software-Updates eine NO2-Minderung von 5,6 µg/m³ ergeben. Zum Minderungspotential hinsichtlich der Nachrüstmöglichkeiten zur Stickoxid-Emissionsminderung bei Diesel-Kraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen lägen bislang keine abschließenden Aussagen vor. Neben dem tatsächlichen NOx-Minderungspotential seien noch viele weitere Fragen, wie beispielsweise zu möglichen technischen Problemen, offen.

Weitere Prognosen hinsichtlich der Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes enthält das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht. Keine der in dem Konzept aufgelisteten Maßnahmen M 1.1 bis M 7.3 enthält bezifferte Angaben über das mit ihrer Umsetzung einhergehende Immissionsminderungspotential hinsichtlich Stickstoffdioxid.

Die Beigeladene trat mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2017 dem Vollstreckungsantrag entgegen.

Soweit der Antragsteller hilfsweise eine erneute Zwangsgeldandrohung gegen den Antragsgegner beantragte, stellte die Beigeladene keinen Antrag.

Im Übrigen beantragte sie,

die Anträge abzulehnen.

Neben § 172 VwGO sei kein Raum für die Anwendung des § 167 Abs. 1 VwGO. Die Anordnung einer Zwangshaft für ein Mitglied der Staatsregierung verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und die Vorschriften der Ministeranklage in der Bayerischen Verfassung (BV). Zudem scheitere eine Zwangshaft an den fehlenden Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 2 BV, da sowohl die Umweltministerin als auch der Ministerpräsident zugleich Mitglieder des Landtags seien. Die Beigeladene übermittelte Unterlagen zum Stadtratsbeschluss vom 24. Januar 2018.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2018 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Verfahren M 19 X 18.130) die Festsetzung des mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in Nr. II.3. des Tenors angedrohten Zwangsgeldes.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (M 19 X 17.5464 und M 19 X 18.130) nebst Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2018 Bezug genommen.

II.

Soweit der Antragsteller die Festsetzung einer Zwangshaft bzw. eines Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro sowie hilfsweise die erneute Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro gegen den Antragsgegner begehrt, bleiben die Anträge ohne Erfolg. Auf den weiteren Hilfsantrag hin war ein erneutes Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro anzudrohen für den Fall, dass der Antragsgegner nicht innerhalb von vier Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) einleitet.

1. Der Antrag auf Festsetzung einer Zwangshaft gegen die Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz des Freistaats Bayern – hilfsweise auf Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro gegen den Antragsgegner –, um diesen anzuhalten, die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 einzuleiten, hat jedenfalls derzeit keinen Erfolg.

Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO in entsprechender Anwendung (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 22 C 16.1427 – juris Rn. 67). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis zu 10.000 Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt. Die spezielle Regelung des § 172 VwGO für eine Vollstreckung gegen einen Hoheitsträger schließt grundsätzlich eine Anwendung des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. 888 ZPO aus (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 21. EL Juni 2011, § 172 Rn. 11), der die Möglichkeit der Anordnung von Zwangshaft oder der Festsetzung eines Zwangsgeldes bis zu 25.000 Euro vorsieht. Das für die Vollstreckung gegenüber der öffentlichen Hand spezielle Vollstreckungssystem der §§ 170, 172 VwGO ist geprägt vom Schutz des Schuldners. Sofern aber das endgültige Misslingen der Vollstreckung abzusehen ist, wird dieses – die öffentliche Hand privilegierende – Vollstreckungssystem ergänzt durch eine zweite Stufe der Vollstreckung, in der subsidiär über § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Zwangsmaßnahmen der ZPO angewendet werden können: Das Gericht hat dann die Möglichkeit, von den Instrumenten, die die ZPO zur Verfügung stellt, uneingeschränkt Gebrauch zu machen (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 21. EL Juni 2011, § 172 Rn. 13). Denn die Justizgewährleistungspflicht und das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordern, von der nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO möglichen „entsprechenden“ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten, wenn etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar ist, dass die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt (vgl. BVerfG, B.v. 9.8.1999 – 1 BvR 2245/98 – juris Rn. 9). Welche der in den §§ 885 bis 896 ZPO geregelten, einschneidenderen Zwangsmittel in welcher Reihenfolge und in welcher Form bei der Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen erforderlichenfalls zum Einsatz kommen, obliegt vorrangig der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung (BVerfG, B.v. 9.8.1999 a.a.O.).

Die vom Bundesverfassungsgericht genannten Voraussetzungen für eine Anwendung von § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO liegen nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls derzeit noch nicht vor. Aus dem bisherigen Verhalten des Antragsgegners kann (noch) nicht geschlossen werden, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2012 nicht nachzukommen gedenkt. Der Antragsgegner hat in Umsetzung von Nr. II.1. des Beschlusses vom 27. Februar 2017 – wenngleich um knapp drei Wochen verspätet – ein Straßenverzeichnis nach den Maßgaben des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 bekannt gemacht. Weiter hat er die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans München mit einem Maßnahmenkatalog mit dem Ziel der weiteren Reduzierung der Stickstoffdioxidwerte in die Wege geleitet. Zudem wurden die Stundenmittelwerte für Stickstoffdioxid in den Jahren 2016 und 2017 bereits eingehalten. Ebenso werden die Werte nach § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV für Partikel PM10 in München nicht mehr überschritten. Von einer Weigerung, der Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nachzukommen, kann deshalb (noch) nicht ausgegangen werden. Im Übrigen ist ausgehend vom Normzweck des § 172 VwGO zunächst das dortige Instrumentarium auszuschöpfen, bevor die einscheidenderen Maßnahmen der ZPO zur Anwendung kommen. Wie sich aus dem Wortlaut des § 172 Satz 2 VwGO ergibt, sind in dessen Anwendungsbereich auch wiederholte Androhungen, Festsetzungen und Beitreibungen von Zwangsgeldern möglich. Da bislang noch keine wiederholte Androhung eines Zwangsgeldes erfolgt ist und ferner der in § 172 Satz 1 VwGO vorgesehene Höchstbetrag noch nicht festgesetzt wurde, kommen jedenfalls derzeit die Vorschriften des § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 888 ZPO nicht zur Anwendung, so dass weder eine Zwangshaft gegen die Bayerische Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, noch ein Zwangsgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro festzusetzen war.

2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf erneute Festsetzung des mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. angedrohten Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Es fehlt insoweit an der besonderen Vollstreckungsvoraussetzung einer erneuten Zwangsgeldandrohung.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat auf der Grundlage der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter Nr. II.2. des Beschlusses vom 27. Februar 2017 ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung bereits mit Beschluss vom 26. Oktober 2017 im Verfahren M 19 X 17.3931 das Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro festgesetzt, das in der Folge vom Antragsgegner auch beglichen wurde. Aus dem Wortlaut des § 172 Satz 2 VwGO ergibt sich, dass vor einer erneuten Zwangsgeldfestsetzung auch eine erneute Zwangsgeldandrohung erfolgt sein muss (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 33. EL Juni 2017, § 172 Rn. 48, 49). Diese Auffassung steht auch im Einklang mit dem Normzweck des § 172 VwGO. Hiernach wird ein Hoheitsträger im Rahmen der Vollstreckung dergestalt privilegiert, dass ihm gegenüber die Verhängung eines Zwangsgeldes jeweils zunächst anzudrohen ist, um ihm vor Augen zu führen, dass konkrete Zwangsmaßnahmen bevor stehen und ihm damit die Möglichkeit zu geben, selbst abzuhelfen. Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom Antragsteller zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim (B.v. 29.8.2012 – 10 S 1085/12 – juris), da dieser Entscheidung die Vollstreckung aus einer im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs eingegangenen Unterlassungsverpflichtung zugrunde lag, die auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 890 ZPO beruht und mit dem hier inmitten stehenden Fall der Vollstreckung einer nicht vertretbaren Handlung nicht vergleichbar ist.

3. Der weitere Hilfsantrag, dem Antragsgegner ein erneutes Zwangsgeld anzudrohen für den Fall, dass er nicht den Maßgaben von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist nachkommt, hat Erfolg.

a) Die in der mündlichen Verhandlung erfolgte Erweiterung des Klagebegehrens um den hilfsweise gestellten Antrag auf eine erneute Zwangsgeldandrohung stellt eine zulässige Änderung des Antrags dar, die sachdienlich ist (§ 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO analog). Mit dieser Änderung wird es möglich, den inhaltlich zusammenhängenden Streitstoff innerhalb eines Gerichtsverfahrens zu klären.

b) Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen für eine erneute Zwangsgeldandrohung nach § 172 Satz 2 VwGO liegen vor.

aa) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) ist vollstreckbar. Es statuiert eine Verpflichtung des Antragsgegners, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels – nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München – im Wege der Auslegung eindeutig bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 71). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde dem Antragsteller ausgestellt.

bb) Der Antragsgegner ist der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, nicht nachgekommen (vgl. hierzu VG München, B.v. 21.6.2016 – M 1 V 15.5203 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 100). Er hat weder den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. und II.3. statuierten Maßgaben Genüge getan noch anderweitig geeignete Maßnahmen ergriffen, die die schnellstmögliche Einhaltung dieses Jahresmittelgrenzwertes sicherstellen.

Die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München stellt aus den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) unter II.3.b. dargestellten Gründen keine ausreichende Erfüllung des Urteils dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 102). Der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid wird im Stadtgebiet München auch weiterhin nicht eingehalten. So wurde an den Messstellen in der Landshuter Allee im Jahr 2017 ein Wert von 78 µg/m³ ermittelt, am Stachus ein Wert von 53 µg/m³. Aus der vom Antragsgegner am 18. Juli 2017 veröffentlichten Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie der Übersichtskarte, die anhand von Berechnungen erstellt wurden, ergibt sich, dass an 24 Prozent des Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München der Jahresmittelwert von 40 µg/m³ überschritten wird. Bezogen auf das Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung beträgt der Anteil der Straßen mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent (vgl. S. 20 des Konzepts zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München).

cc) Der Antragsgegner ist den Maßgaben aus Nr. II.2. und II.3. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 nicht nachgekommen. Zur Umsetzung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 besteht (jedenfalls derzeit) nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 27. Februar 2017 (Rn. 141) keine andere Möglichkeit, als die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von den NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren. Da derzeit allerdings noch rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bestehen (vgl. hierzu das beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 C 26.16 anhängige Revisionsverfahren, das nach der Terminvorschau des Bundesverwaltungsgerichts am 22.2.2018 zur mündlichen Verhandlung ansteht), folgt nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zunächst die Verpflichtung des Antragsgegners, als Minus zu der aus dem zu vollstreckenden Urteil eigentlich geschuldeten Aufnahme von Verkehrsverboten vorab die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG einzuleiten mit der Maßgabe, dass in den Luftreinhalteplan für die Stadt München zukünftig Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge aufgenommen werden sollen, und anschließend ein Konzept bezüglich der Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zu erstellen und zu veröffentlichen. Dieser Verpflichtung ist der Antragsgegner nicht nachgekommen.

dd) Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass sich seit dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ergeben hat. Der Antragsgegner hat auch sonst keine Maßnahmen getroffen, mit denen er die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erfüllen und die schnellstmögliche Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 sicherstellen könnte. Insbesondere hat er durch das zwischenzeitlich erstellte und veröffentliche Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München seine sich derzeit aus dem Urteil ergebende Verpflichtung weiterhin nicht erfüllt.

Das veröffentlichte Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans beinhaltet keine Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, so dass hierdurch den Maßgaben von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht Rechnung getragen wurde. Es stellt auch keinen adäquaten Ersatz der in Erfüllung des Urteils derzeit geschuldeten Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs dar. Denn es enthält – mit Ausnahme von Ausführungen zum Minderungspotential durch Software-Updates von Dieselfahrzeugen – weder in zeitlicher noch in quantifizierbarer Hinsicht belastbare Angaben zum Minderungspotential im Hinblick auf Stickstoffdioxid. In diesem Konzept wurde bereits bei der Darstellung der Maßnahmen M 1 bis M 7.3 – anders als bei der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans – auf Angaben zum Minderungspotential der einzelnen Maßnahmen gänzlich verzichtet. Angaben hinsichtlich der Realisierung bzw. zum Zeitplan der einzelnen Maßnahmen finden sich in diesem Konzept entweder gar nicht (M 1.3, M 2.1, M 2.2, M 2.3, M 3.1, M 3.4, M 4.3) oder sie bleiben vage. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Reduktion des Emissionsverhaltens von Fahrzeugen (M 1.1) steht dem Antragsgegner keine Regelungsbefugnis zu (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 143). Ob und in welchem Umfang Nachrüstmöglichkeiten zur NOx-Emissionsminderung bei Dieselkraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen überhaupt zum Tragen kommen, ist nach den Ausführungen im Konzept zur 7. Fortschreibung ebenfalls derzeit noch offen (vgl. S. 32 des Konzepts). Die in dem Konzept genannten Maßnahmen mögen zwar – sofern sie denn tatsächlich umgesetzt werden – zu einer Reduzierung von Stickstoffdioxid führen. Allerdings ergibt sich anhand dieses Konzepts nicht hinreichend konkret, wann diese Maßnahmen umgesetzt werden und welche Auswirkungen ab welchem Zeitpunkt sie auf den Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid haben werden. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München vermag daher die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegende Einschätzung, dass derzeit allein ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge das verbleibende Mittel zur schnellstmöglichen Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 folgenden Verpflichtung des Antragsgegners ist, nicht in Frage zu stellen.

Dasselbe gilt für die vom Antragsgegner genannten umfassenden Bemühungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Verbesserung der Luftqualität in Städten. Aus den oben genannten Gründen lässt sich nicht einmal im Ansatz ersehen, welche konkreten Auswirkungen die geschilderten Bemühungen für die Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid in München haben.

ee) Dass dem Antragsgegner die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs innerhalb der gesetzten Frist bis 31. August 2017 objektiv nicht möglich war und auch weiterhin nicht möglich ist, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst für das Gericht erkennbar.

Der Antragsgegner ist vielmehr hinsichtlich der Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 weiterhin grundlos säumig.

(1) Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Antragsgegner aufgrund einer Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) seit August 2017 zu einer strategischen Umweltprüfung verpflichtet sei und diese innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht habe durchgeführt werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antragsgegner im Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst davon ausgeht, dass eine Verpflichtung zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nicht besteht (S. 9 des Konzepts). Diese Auffassung steht im Einklang mit § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Anlage 5 Nr. 2.2 zum UVPG n.F..

(2) Der Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen. § 47 Abs. 5a BImSchG stellt hierfür eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. § 47 Abs. 5 und Abs. 5a BImSchG sehen bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen explizit eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Der Umstand, dass derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, ob Dieselfahrverbote auf der Basis des geltenden Rechts verhängt werden können, lässt die Verpflichtung zur Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung hierzu unberührt. Zwar setzt § 47 Abs. 5a S. 2 BImSchG grundsätzlich voraus, dass die bekanntgemachten Maßnahmen sich rechtlich auch verwirklichen lassen. § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG steht jedoch seinem Sinn und Zweck nach einer Veröffentlichung von solchen Maßnahmen, für die jedenfalls aufgrund des staatlichen Schutzauftrags bzw. aufgrund europarechtlicher Verpflichtungen die entsprechenden Rechtsgrundlagen zeitnah geschaffen werden müssen, nicht entgegen. Hiervon ging im Übrigen auch der Antragsgegner aus, der noch in der 6. Fortschreibung unter Maßnahme Nr. 2 „Anpassungen der bestehenden Umweltzone zur Reduzierung der NO2-Belastung“ auf die Einführung einer „blauen Plakette“ im Bewusstsein abgestellt hat, dass es hierfür noch keine Rechtsgrundlage gab. Die mit der Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung einhergehende Grundrechtsbetroffenheit ist im Hinblick auf die ohnehin bereits seit längerem bestehende breite öffentliche Diskussion über Dieselfahrverbote gering und durch den staatlichen Schutzauftrag für Gesundheit und Leben gerechtfertigt. Der Antragsgegner hat zudem selbst die Möglichkeit, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung umfassend darüber zu informieren, dass das Konzept erst nach Klärung bzw. Schaffung der Rechtsgrundlagen in die Praxis umgesetzt wird.

(3) Ohne Erfolg macht der Antragsgegner weiter geltend, dass Dieselfahrverbote in München nicht möglich seien, weil sich derartige Verkehrsbeschränkungen im Hinblick auf die besondere Hauptstraßenkonfiguration in München als unverhältnismäßig erweisen würden. Er lässt insoweit außer Betracht, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. Februar 2017 ausgeführt hat, die mit Verkehrsbeschränkungen einhergehenden – ggf. erheblichen – Beschränkungen grundrechtlich verbürgter Freiheiten von Verkehrsteilnehmern müssten in Relation zu der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Anwohner gesetzt werden, die aus unzulässig hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen resultiere. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, wird nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden dürfen. Aufgabe des Antragsgegners ist es daher, ein entsprechendes Konzept zu erstellen, das zum einen dem Gesundheitsschutz der betroffenen Anwohner, zum anderen aber auch im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der grundrechtlich verbürgten Freiheit der Verkehrsteilnehmer Rechnung trägt. Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt hierbei auch ein Vorgehen in mehreren Stufen in Betracht. Sollte sich bei Erstellung des Konzepts die Anordnung von Dieselfahrverboten auf sämtlichen Straßen(abschnitten) auch in Ansehung von erforderlichen Ausnahmen als unverhältnismäßig erweisen, so hätte der Antragsgegner in einem nächsten Schritt Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge jedenfalls für einzelne, am stärksten von Grenzwertüberschreitungen betroffene Straßen(abschnitte) zu prüfen und darauf beruhend ein entsprechendes Konzept zu erstellen und zu veröffentlichen. Weiter erscheinen zeitliche Staffelungen oder Staffelungen nach Fahrzeugarten für die Verkehrsverbote denkbar. Dass ein solches Vorgehen tatsächlich nicht möglich ist, wurde vom Antragsgegner nicht substantiiert vorgetragen und ist auch für das Gericht nicht erkennbar. Dem Antragsgegner kommt bei der Ausgestaltung der Dieselfahrverbote unter Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechtsinteressen ein Gestaltungsspielraum zu; zu einer pauschale Ablehnung von Verkehrsbeschränkungen ist er nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls derzeit nicht berechtigt.

(4) Die vom Antragsgegner vorgetragenen Schwierigkeiten der Kontrolle von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge lassen die Eignung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zur Zielerreichung nicht entfallen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 155). Der Antragsgegner wird für eine entsprechende Überwachung Sorge zu tragen haben.

(5) Soweit der Antragsgegner einwendet, dass selbst bei einem vollständigen Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge in München immer noch ein geringer Anteil an Grenzwertwertüberschreitungen verbleiben würde und somit durch die im Urteil vom 9. Oktober 2012 enthaltene Forderung nach einer Einhaltung der Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet von München tatsächlich Unmögliches verlangt werde, hat er bereits nicht substantiiert dargelegt, worauf diese Annahme beruht. Im Übrigen greift dieser Einwand nicht durch. Aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. BImSchV ergibt sich Pflicht des Antragsgegners, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwertes als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten. Selbst wenn die Grenzwerte trotz Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel nicht eingehalten werden könnten, wäre der Antragsgegner verpflichtet, die Überschreitung jedenfalls so gering wie möglich zu halten.

(6) Die gerichtliche Vorgabe an den Antragsgegner, zur derzeitigen Erfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtungen die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs einzuleiten, stellt auch keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung dar. Dem Antragsgegner wurde durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 hinsichtlich der Mittel zur Zielerreichung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt, von dem er nicht in dem von Rechts wegen gebotenen Umfang Gebrauch gemacht hat. Die von ihm in den Blick genommen Maßnahmen sind sämtlich nicht ausreichend, um die aus dem Urteil geschuldete „schnellstmögliche“ Erreichung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid zu erreichen. Der Antragsgegner geht in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst unter prognostischem Blickwinkel davon aus, dass an der Landshuter Allee der gesetzliche Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid erst nach dem Jahr 2030 und damit erst rund 16 Jahre nach Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 eingehalten werden wird. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthält selbst keine Prognose mehr, so dass insoweit weiterhin die Prognose aus der 6. Fortschreibung maßgeblich ist. Reichen jedoch die vom Antragsgegner bislang in die Luftreinhalteplanung eingeführten Maßnahmen nicht aus, um die Grenzwertüberschreitung auf einen kürzest möglichen Zeitraum zu beschränken, so konzentriert sich der Gestaltungsspielraum auf die – jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand – alleinige Möglichkeit der Verringerung von Dieselfahrzeugen auf den von Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich Stickstoffdioxid betroffenen Straßen(abschnitten). Die verhältnismäßige Ausgestaltung der Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge obliegt weiterhin dem Gestaltungsspielraum des Antragsgegners. Wenn das Gericht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auf diese nach dem derzeitigen Kenntnisstand allein verbliebene Maßnahme abstellt, vermag dies keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung zu begründen.

(7) Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht über die Zulässigkeit von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen für Dieselfahrzeuge entschieden hat, lässt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung unberührt. Selbst für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge würden derzeit rechtliche Hindernisse entgegenstehen, ist im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50/EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, sowie im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen davon auszugehen, dass entsprechende Regelungen im nationalen Recht schnellstmöglich angepasst werden, um die rechtlichen Grundlagen für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge schaffen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 184). Vom Antragsgegner wird daher durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht eine gegebenenfalls überflüssige Vorarbeit verlangt, sondern es steht zu erwarten, dass das auf Basis der zu erfolgenden Öffentlichkeitsbeteiligung erstellte Konzept auch tatsächlich (nach Klärung der Rechtsfragen bzw. Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen) – ggf. nach angemessener Übergangszeit – in die Praxis umgesetzt werden kann.

Das bereits mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro ist daher in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung des hohen Rangs des Gesundheitsschutzes und des Verhaltens des Antragsgegners, das ohne Zwangsmaßnahmen eine Umsetzung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erwachsenden Verpflichtungen jedenfalls zeitnah nicht mehr erwarten lässt, nach § 172 Satz 2 VwGO erneut anzudrohen. Die Fristsetzung von vier Monaten ab Zustellung dieses Beschlusses trägt dem Umstand des erheblichen Aufwands auf Seiten des Antragsgegners zur Vorbereitung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach Maßgabe von Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Rechnung, zum anderen aber auch dem Vollstreckungsinteresse des Antragstellers.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 172 Rn. 61).

Tenor

I. Das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) in Nr. II.3. des Tenors angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro wird festgesetzt. Der Antragsgegner hat das Zwangsgeld innerhalb von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses auf das Konto der Staatsoberkasse Bayern mit der IBAN DE ... einzuzahlen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Der Antragsteller, ein anerkannter Umweltschutzverband, begehrt gegen den Antragsgegner die Vollstreckung aus einem verwaltungsgerichtlichen Urteil durch Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 4.000 Euro.

Für das Gebiet der Landeshauptstadt München wurde erstmals am 28. Dezember 2004 ein Luftreinhalteplan aufgestellt. Auf diesen Plan und seine Datengrundlage beziehen sich die 1. Fortschreibung vom Oktober 2007, die 2. Fortschreibung vom August 2008 und die 4. Fortschreibung vom September 2010. Die im April 2012 erfolgte 3. Fortschreibung hatte eine Beteiligung des Münchener Umlands zum Gegenstand.

Mit Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046), rechtskräftig seit 8. April 2014, verpflichtete das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antragsgegner, den für die Landeshauptstadt München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für Stickstoffdioxid (NO2) in Höhe von 40 μg/m³, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 μg/m³, bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 μg/m³, bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält. Den Entscheidungsgründen zufolge genüge der Luftreinhalteplan für München in der Fassung der 4. Fortschreibung den sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, aus § 47 Abs. 1 Satz 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (39. BImSchV) ergebenden Anforderungen nicht.

Im Mai 2014 trat die 5. Fortschreibung, im Dezember 2015 die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München in Kraft. In der 6. Fortschreibung wird im Rahmen einer Prognose zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte (S. 76) ausgeführt, dass eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwertes für das Jahresmittel an der L. Allee ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich sei. An der Messstation Stachus sei eine Einhaltung voraussichtlich ab 2025 zu erwarten. Diese Prognose basiere im Wesentlichen auf der Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie quantifizierbaren Maßnahmen wie Lkw-Durchfahrtsverbot und Umweltzone. Maßnahmen, deren Wirkung nicht belastbar abgeschätzt werden könne (wie z.B. Ausbau ÖPNV und Fahrradverkehr), würden bei der Immissionsprognose nicht berücksichtigt.

Auf Antrag des Antragstellers hat das Bayerische Verwaltungsgericht München dem Antragsgegner mit Beschluss vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung des Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000 EUR angedroht. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass ein Fall der grundlosen Säumnis vorliege. Bisher sei seitens des Antragsgegners kein Luftreinhalteplan mit Maßnahmen aufgestellt, die im Sinne der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 geeignet wären, eine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich auszuschließen. Die in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthaltenen Maßnahmen entsprächen nicht den Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012, da sie zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung nicht geeignet seien. Die Maßnahmen seien zu unkonkret bzw. angesichts der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht werde, nicht geeignet, effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beizutragen.

Diesen Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427 – juris) auf die Beschwerde des Antragsgegners wie folgt geändert:

„II.1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 Bundes-Immissionsschutzgesetz – BImSchG –) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes (39. BImSchV) festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Antragsgegner zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen – unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe – für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions-schutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“

Zur Begründung führte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof insbesondere aus, dass das Urteil vom 9. Oktober 2012 vollstreckbar sei. Der Antragsgegner sei jedenfalls hinsichtlich der Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid vom 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten werde, dem Urteil vom 9. Oktober 2012 nicht nachgekommen. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit werde durch die nunmehr bereits seit mehr als sieben Jahre andauernde unzulässig hohe NO2-Belastung zahlreicher Straßen(abschnitte) in gravierender Weise beeinträchtigt. Das Bayerische Verwaltungsgericht München habe im Beschluss vom 21. Juni 2016 zutreffend aufgezeigt, dass auch die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht als ausreichende Erfüllung dieses Urteils anerkannt werden könne. Aus einer zusammenschauenden Würdigung folge, dass dem Antragsgegner andere Möglichkeiten als eine Verringerung der Zahl der Dieselfahrzeuge, die auf den zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen bzw. in ihrem nächsten Umgriff verkehrten, nicht zur Verfügung stünden, um das durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 vorgegebene Ziel schnellstmöglich zu erreichen. Bei methodisch korrekter Vorgehensweise könne nicht davon gesprochen werden, derartige Eingriffe in den Straßenverkehr seien von vornherein unverhältnismäßig. Angesichts der herausragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) werde von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden können. Es bestünden allerdings Bedenken, ob das geltende Recht ausreichende Befugnisnormen bereithalte, um Ausnahmen von den Verkehrsverboten in ausreichendem Umfang rechtskonform zulassen zu können, sowie, ob solche Verbote mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung bekanntgegeben werden könnten. Dies stelle jedoch kein Hindernis dar, das dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrverbote schlechthin entgegenstehe. Angesichts der europarechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland sowie des staatlichen Schutzauftrags sei mit einer entsprechenden Rechtsetzung zu rechnen, um die Grundlagen für Dieselfahrverbote zu schaffen. Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens entspreche es, darauf Bedacht zu nehmen, dass die in Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge ohne weitere Verzögerung in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufgenommen werden könnten, sobald die aufgezeigten Hindernisse ausgeräumt sein würden. Dies sei nur dann gesichert, wenn der Antragsgegner über ein Konzept für Verkehrsverbote im Hinblick auf Dieselfahrzeuge verfüge. Vom Antragsgegner die Erstellung eines solchen Konzepts als „Minus“ gegenüber der vom Verwaltungsgericht geforderten sofortigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu verlangen, sei von Rechts wegen geboten.

Am 18. Juli 2017 hat der Antragsgegner eine Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie eine Übersichtskarte zu Straßen mit Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen in München auf der Homepage der Regierung von Oberbayern (dort abrufbar unter: http://www.regierung.oberbayern.bayern.de/aufgaben/umwelt/allgemein/luftreinhalte/02716/) veröffentlicht.

Die Regierung von Oberbayern hat am 20. Juli 2017 im Oberbayerischen Amtsblatt Nr. 15 auf Seite 112 unter der Überschrift „Luftreinhaltung München“ mitgeteilt, dass die Bayerische Staatsregierung in der Sitzung des Ministerrats vom 18. Juli 2017 ein Maßnahmenpaket für saubere Luft in Innenstädten beschlossen habe, das unter einem näherbezeichneten Link, der auf den Bericht der Kabinettssitzung vom 18. Juli 2017 verweist, eingesehen werden könne. Dieses werde der zukünftigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen. Stellungnahmen zu den Maßnahmen würden, soweit das Gebiet der Landeshauptstadt München betroffen sei, bis 18. August 2017 von der Regierung von Oberbayern entgegengenommen. Dieses Maßnahmepaket sehe neben der zügigen Nachrüstung von Euro-5-Diesel-Pkw auch spürbare Kaufanreize für die Flottenumrüstung von Diesel-Pkw, eine Stärkung des öffentlichen Personennahverkehrs, den raschen Ausbau der E-Mobilität und die Förderung des Radverkehrs vor.

Mit Beschluss vom 22. August 2017 (M 19 X 17.3931) hat das Bayerische Verwaltungsgericht München das unter Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 gegen den Antragsgegner angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es auf die bislang noch nicht erfüllte Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 abgestellt.

Das Zwangsgeld wurde vom Antragsgegner beglichen.

Am ... November 2017 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München (Verfahren M 19 X 17.5464) die Verhängung von Zwangsmaßnahmen gegen den Antragsgegner im Hinblick auf Nr. II.2. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017.

Mit Schriftsatz vom ... Januar 2018 beantragte der Antragsteller,

das gegen den Antragsgegner mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 (22 C 16.1427) in Nr. II.3. des Tenors angedrohte Zwangsgeld festzusetzen.

Der Antragsgegner sei der Zwangsgeldandrohung in Nr. II.3. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht nachgekommen, so dass auch dieses Zwangsgeld nunmehr festzusetzen sei.

Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung verwies er auf den Schriftsatz vom 15. Januar 2018 im Verfahren M 19 X 17.5464. Dort hatte er insbesondere ausgeführt, dass der Freistaat Bayern alles daran setze, die Verpflichtungen aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 umzusetzen. Dies ergebe sich daraus, dass eine Vielzahl von Maßnahmen, auch schon im Rahmen der 5. und 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans, vorgesehen und umgesetzt sei. Darüber hinaus habe das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz die 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans veranlasst, mit der weitere konkrete Maßnahmen benannt würden, um das Ziel der Einhaltung von Grenzwerten schnellstmöglich mit den rechtlich zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Das bayerische Maßnahmenpaket vom 18. Juli 2017 enthalte eine umfangreiche Auflistung von Maßnahmen, die mittelfristig eine Grenzwerteinhaltung von Stickstoffdioxid bewirken würden. Diese Maßnahmen würden möglichst bald begonnen und umgesetzt. Die Sachlage habe sich deshalb im Vergleich zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 in maßgeblichen Punkten geändert. Eine Änderung der Sachlage sei auch insoweit eingetreten, als entgegen der Erwartung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine zeitnahe Klärung der rechtlichen Grundlagen durch das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht erfolgt sei. Auch habe der Gesetzgeber noch keine straßenverkehrsrechtlichen Umsetzungsmöglichkeiten geschaffen. Im Übrigen fehle es für die geforderte Öffentlichkeitsbeteiligung für beabsichtigte Fahrverbote für Dieselkraftfahrzeuge an einer Rechtsgrundlage. Bereits die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen eines vorbereitenden Konzepts mit dem Ziel pauschaler Fahrverbote würde zu einer Grundrechtsbetroffenheit führen. Zudem würde die Öffentlichkeitsbeteiligung zu beabsichtigten Fahrverboten unzulässig in das Planungsermessen der Exekutive eingreifen und wäre unverhältnismäßig. Um mittels Dieselfahrverboten kurzfristig die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte zu erreichen, müsste auf einem großen Teil der Münchner Hauptverkehrsstraßen ein totales Dieselfahrverbot verhängt werden. Ausweichrouten müssten über kurz oder lang ebenfalls mit Fahrverboten belegt werden. Damit wären faktisch sämtliche Dieselfahrzeuge aus dem gesamten Münchner Stadtgebiet auszusperren und allein in München 300.000 zugelassene Diesel-Pkw betroffen. Einschneidende Verkehrsbeschränkungen, wie sie hier in München zur Einhaltung der NO2-Immissionsgrenzwerte notwendig würden, wären mit der Funktion einer Stadt nicht mehr verträglich und würden gravierende, nicht akzeptable Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer haben. Dem Gesundheitsschutz komme kein absoluter Vorrang über die anderen Belange zu. Selbst wenn in München alle Dieselfahrzeuge im gesamten Stadtgebiet ausgeschlossen würden, würde immer noch ein geringer Anteil an Überschreitungen verbleiben. Im Übrigen werde der NO2-Stundenmittelwert mittlerweile eingehalten. Überschreitungen des Jahresmittelwertes für NO2 lägen zwischen 50 µg/m³ und 60 µg/m³ an 5 Prozent des Hauptstraßennetzes in München vor, von mehr als 60 µg/m³ lediglich an 3 Prozent. Bezogen auf das gesamte Straßennetz würden an 95 Prozent der Straßen in München die Grenzwerte eingehalten.

Am 16. Januar 2018 veröffentlichte der Antragsgegner ein „Konzept für eine 7. Fortschreibung“ zum Luftreinhalteplan für die Stadt München auf der Internetseite der Regierung von Oberbayern sowie in der Sonderausgabe des Amtsblatts der Regierung von Oberbayern vom 16. Januar 2018 und wies darauf hin, dass dieses Konzept der 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München zugrunde liegen werde. Stellungnahmen hierzu würden bis 5. März 2018 schriftlich bei der Regierung von Oberbayern entgegen genommen. In diesem Konzept wird der Jahresmittelwert hinsichtlich Stickstoffdioxid für das Jahr 2017 in München wie folgt dargestellt:

 

Weiter wird ausgeführt, dass Immissionsberechnungen zur Schadstoffbelastung in München durchgeführt worden seien. Das Modellierungsergebnis weise für 24 Prozent des betrachteten 511 km langen Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München eine NO2-Belastung größer 40 µg/m³ und damit eine Überschreitung des NO2-Grenzwertes der 39. BImSchV für das Jahresmittel auf. Bezogen auf das betrachtete Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung (330 km) betrage der Anteil mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent. Streckenbezogene Verkehrsverbote seien in München nach der gutachterlichen Bewertung des Ingenieurbüros ... nicht zielführend zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte. Die spezielle Konfiguration der Hauptverkehrsstraßen in München führe lediglich zu einer Verlagerung der Verkehrsströme auf noch aufnahmefähige Straßen. Für die Verwaltung sei es nicht möglich, zum jetzigen Zeitpunkt über die vom Gericht gewünschten Fahrverbote genaueres zu sagen. Fahrverbote seien in den Maßnahmepaketen des Bundes und des Landes nicht vorgesehen. Die Politik wolle diese Verbote vermeiden und habe daher ein nachhaltiges, aber anderes Vorgehen u.a. mit einer deutlichen Modernisierung der Flotten und Stärkung des ÖPNV begonnen. Das Minderungspotential von Software-Updates für Dieselfahrzeuge am Standort Landshuter Allee werde im optimistischen Szenario mit ca. 3 µg/m³ abgeschätzt. In Kombination mit dem Rückkauf von 25 Prozent der älteren Diesel-Pkw der Euro-Normen 1 bis 4 und Ersatz durch Diesel der Euro-Norm 6 und Euro-6 Benziner ergäbe sich an der Landshuter Allee ein Minderungspotential von etwa 5 µg/m³. Nach den Berechnungen des Bayerischen Landesamts für Umwelt würde sich für die Landshuter Allee im Falle der durchgeführten Software-Updates eine NO2-Minderung von 5,6 µg/m³ ergeben. Zum Minderungspotential hinsichtlich der Nachrüstmöglichkeiten zur Stickoxid-Emissionsminderung bei Diesel-Kraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen lägen bislang keine abschließenden Aussagen vor. Neben dem tatsächlichen NOx-Minderungspotential seien noch viele weitere Fragen, wie beispielsweise zu möglichen technischen Problemen, offen.

Weitere Prognosen hinsichtlich der Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes enthält das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans nicht. Keine der in dem Konzept aufgelisteten Maßnahmen M 1.1 bis M 7.3 enthält bezifferte Angaben über das mit ihrer Umsetzung einhergehende Immissionsminderungspotential hinsichtlich Stickstoffdioxid.

Die Beigeladene übermittelte Unterlagen zum Stadtratsbeschluss der Beigeladenen vom 24. Januar 2018, ohne einen eigenen Antrag zu stellen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten (M 19 X 17.5464 und M 19 X 18.130) nebst Sitzungsniederschrift vom 29. Januar 2018 Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 172 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat Erfolg.

1. Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO (BayVGH, B.v. 27.2.2017 – 22 C 16.1427 – juris Rn. 67). Nach dieser Vorschrift kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen die Behörde ein Zwangsgeld bis 10.000 Euro durch Beschluss androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken, wenn sie in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 VwGO und des § 123 VwGO der ihr im Urteil oder der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nachkommt.

2. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.

a) Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) ist vollstreckbar. Es statuiert eine Verpflichtung des Antragsgegners, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels – nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München – im Wege der Auslegung eindeutig bestimmen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 71). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils wurde dem Antragsteller ausgestellt.

b) Der Antragsgegner ist der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, nicht nachgekommen (vgl. hierzu VG München, B.v. 21.6.2016 – M 1 V 15.5203 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 100). Er hat weder den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.2. und II.3. statuierten Maßgaben Genüge getan noch anderweitig geeignete Maßnahmen ergriffen, die die schnellstmögliche Einhaltung dieses Jahresmittelgrenzwertes sicherstellen.

Die 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München stellt aus den im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 (M 1 V 15.5203) unter II.3.b. dargestellten Gründen keine ausreichende Erfüllung des Urteils dar (vgl. auch BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 102). Der Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid wird im Stadtgebiet München auch weiterhin nicht eingehalten. So wurde an den Messstellen in der Landshuter Allee im Jahr 2017 ein Wert von 78 µg/m³ ermittelt, am Stachus ein Wert von 53 µg/m³. Aus der vom Antragsgegner am 18. Juli 2017 veröffentlichten Liste der von Stickstoffdioxid-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßenabschnitte sowie der Übersichtskarte, die anhand von Berechnungen erstellt wurden, ergibt sich, dass an 24 Prozent des Hauptverkehrsstraßennetzes innerhalb des Stadtgebiets der Landeshauptstadt München der Jahresmittelwert von 40 µg/m³ überschritten wird. Bezogen auf das Hauptverkehrsstraßennetz mit vorhandener Randbebauung beträgt der Anteil der Straßen mit einer Überschreitung des NO2-Grenzwertes 37 Prozent (vgl. S. 20 des Konzepts zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München).

c) Der Antragsgegner ist den Maßgaben aus Nr. II.2. und II.3. des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 nicht nachgekommen. Zur Umsetzung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 besteht (jedenfalls derzeit) nach den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 27. Februar 2017 (Rn. 141) keine andere Möglichkeit, als die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von den NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren. Da derzeit allerdings noch rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit der Anordnung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bestehen (vgl. hierzu das beim Bundesverwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 7 C 26.16 anhängige Revisionsverfahren, das nach der Terminvorschau des Bundesverwaltungsgerichts am 22.2.2018 zur mündlichen Verhandlung ansteht), folgt nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zunächst die Verpflichtung des Antragsgegners, als Minus zu der aus dem zu vollstreckenden Urteil eigentlich geschuldeten Aufnahme von Verkehrsverboten vorab ein Konzept bezüglich der Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge zu erstellen und hierfür die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG einzuleiten. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen.

d) Für das Gericht ist nicht erkennbar, dass sich seit dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht ergeben hat. Der Antragsgegner hat auch sonst keine Maßnahmen getroffen, mit denen er die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erfüllen und die schnellstmögliche Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 sicherstellen könnte. Insbesondere hat er durch das zwischenzeitlich erstellte und veröffentliche Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München seine sich derzeit aus dem Urteil ergebende Verpflichtung weiterhin nicht erfüllt.

Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans stellt keinen adäquaten Ersatz der in Erfüllung des Urteils derzeit geschuldeten Erstellung und Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote dar. Denn es enthält – mit Ausnahme von Ausführungen zum Minderungspotential durch Software-Updates von Dieselfahrzeugen – weder in zeitlicher noch in quantifizierbarer Hinsicht belastbare Angaben zum Minderungspotential im Hinblick auf Stickstoffdioxid. In diesem Konzept wurde bereits bei der Darstellung der Maßnahmen M 1 bis M 7.3 – anders als bei der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans – auf Angaben zum Minderungspotential der einzelnen Maßnahmen gänzlich verzichtet. Angaben hinsichtlich der Realisierung bzw. zum Zeitplan der einzelnen Maßnahmen finden sich in diesem Konzept entweder gar nicht (M 1.3, M 2.1, M 2.2, M 2.3, M 3.1, M 3.4, M 4.3) oder sie bleiben vage. Hinsichtlich der Maßnahmen zur Reduktion des Emissionsverhaltens von Fahrzeugen (M 1.1) steht dem Antragsgegner keine Regelungsbefugnis zu (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 143). Ob und in welchem Umfang Nachrüstmöglichkeiten zur NOx-Emissionsminderung bei Dieselkraftfahrzeugen durch Hardware-Lösungen überhaupt zum Tragen kommen, ist nach den Ausführungen im Konzept zur 7. Fortschreibung derzeit ebenfalls noch offen (vgl. S. 32 des Konzepts). Die in dem Konzept genannten Maßnahmen mögen zwar – sofern sie denn tatsächlich umgesetzt werden – zu einer Reduzierung von Stickstoffdioxid führen. Allerdings ergibt sich anhand dieses Konzepts nicht hinreichend konkret, wann diese Maßnahmen umgesetzt werden und welche Auswirkungen ab welchem Zeitpunkt sie auf den Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid haben werden. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München vermag daher die dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zugrunde liegende Einschätzung, dass derzeit allein ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge das verbleibende Mittel zur schnellstmöglichen Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 folgenden Verpflichtung des Antragsgegners ist, nicht in Frage zu stellen.

Dasselbe gilt für die vom Antragsgegner genannten umfassenden Bemühungen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zur Verbesserung der Luftqualität in Städten. Aus den oben genannten Gründen lässt sich nicht einmal im Ansatz ersehen, welche konkreten Auswirkungen die geschilderten Bemühungen für die Einhaltung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid in München haben.

e) Dass dem Antragsgegner die Erstellung und Veröffentlichung eines vollzugsfähigen Konzepts für Dieselfahrverbote innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist bis 31. Dezember 2017 objektiv nicht möglich war und auch weiterhin nicht möglich ist, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst für das Gericht erkennbar.

Der Antragsgegner ist vielmehr hinsichtlich der Erstellung und Veröffentlichung eines vollzugsfähigen Konzepts für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge weiterhin grundlos säumig.

(1) Soweit die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass der Antragsgegner aufgrund einer Änderung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) seit August 2017 zu einer strategischen Umweltprüfung verpflichtet sei und diese innerhalb der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gesetzten Frist nicht habe durchgeführt werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antragsgegner im Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst davon ausgeht, dass eine Verpflichtung zur Durchführung einer strategischen Umweltprüfung nicht besteht (S. 9 des Konzepts). Diese Auffassung steht im Einklang mit § 35 Abs. 1 Nr. 2 UVPG i.V.m. Anlage 5 Nr. 2.2 zum UVPG n.F..

(2) Der Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote stehen keine rechtlichen Bedenken entgegen. § 47 Abs. 5a BImSchG stellt entgegen der Rechtsauffassung des Antragsgegners eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote dar. § 47 Abs. 5 und Abs. 5a BImSchG sehen bei der Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen explizit eine umfassende Beteiligung der Öffentlichkeit vor, so dass von dieser Rechtsgrundlage auch die Veröffentlichung eines Konzepts zu einzelnen Aspekten des Luftreinhalteplans umfasst ist. Der Umstand, dass derzeit noch nicht abschließend geklärt ist, ob Dieselfahrverbote auf der Basis des geltenden Rechts verhängt werden können, lässt die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines entsprechenden Konzepts unberührt. Zwar setzt § 47 Abs. 5a S. 2 BImSchG grundsätzlich voraus, dass die bekanntgemachten Maßnahmen sich rechtlich auch verwirklichen lassen. § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG steht jedoch seinem Sinn und Zweck nach einer Veröffentlichung von solchen Maßnahmen, für die jedenfalls aufgrund des staatlichen Schutzauftrags bzw. aufgrund europarechtlicher Verpflichtungen die entsprechenden Rechtsgrundlagen zeitnah geschaffen werden müssen, nicht entgegen. Hiervon ging im Übrigen auch der Antragsgegner aus, der noch in der 6. Fortschreibung unter Maßnahme Nr. 2 „Anpassungen der bestehenden Umweltzone zur Reduzierung der NO2-Belastung“ auf die Einführung einer „blauen Plakette“ im Bewusstsein abgestellt hat, dass es hierfür noch keine Rechtsgrundlage gab. Die mit der Veröffentlichung eines Konzepts für Dieselfahrverbote einhergehende Grundrechtsbetroffenheit ist im Hinblick auf die ohnehin bereits seit längerem bestehende breite öffentliche Diskussion über Dieselfahrverbote gering und durch den staatlichen Schutzauftrag für Gesundheit und Leben gerechtfertigt. Der Antragsgegner hat zudem selbst die Möglichkeit, im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung umfassend darüber zu informieren, dass das Konzept erst nach Klärung bzw. Schaffung der Rechtsgrundlagen in die Praxis umgesetzt wird.

(3) Ohne Erfolg macht der Antragsgegner weiter geltend, dass die Erstellung eines Konzepts für Dieselfahrverbote nicht möglich sei, weil sich derartige Verkehrsbeschränkungen im Hinblick auf die besondere Hauptstraßenkonfiguration in München als unverhältnismäßig erweisen würden. Der Antragsgegner lässt insoweit außer Betracht, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 27. Februar 2017 ausgeführt hat, die mit Verkehrsbeschränkungen einhergehenden – ggf. erheblichen – Beschränkungen grundrechtlich verbürgter Freiheiten von Verkehrsteilnehmern müssten in Relation zu der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Anwohner gesetzt werden, die aus unzulässig hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen resultiere. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, wird nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden dürfen. Aufgabe des Antragsgegners ist es daher, ein entsprechendes Konzept zu erstellen, das zum einen dem Gesundheitsschutz der betroffenen Anwohner, zum anderen aber auch im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der grundrechtlich verbürgten Freiheit der Verkehrsteilnehmer Rechnung trägt. Nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt hierbei auch ein Vorgehen in mehreren Stufen in Betracht. Sollte sich bei Erstellung des Konzepts die Anordnung von Dieselfahrverboten auf sämtlichen Straßen(abschnitten) auch in Ansehung von erforderlichen Ausnahmen als unverhältnismäßig erweisen, so hätte der Antragsgegner in einem nächsten Schritt Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge jedenfalls für einzelne, am stärksten von Grenzwertüberschreitungen betroffene Straßen(abschnitte) zu prüfen und darauf beruhend ein entsprechendes Konzept zu erstellen und zu veröffentlichen. Weiter erscheinen zeitliche Staffelungen oder Staffelungen nach Fahrzeugarten für die Verkehrsverbote denkbar. Dass ein solches Vorgehen tatsächlich nicht möglich ist, wurde vom Antragsgegner nicht substantiiert vorgetragen und ist auch für das Gericht nicht erkennbar. Dem Antragsgegner kommt bei der Ausgestaltung der Dieselfahrverbote unter Abwägung der einander gegenüberstehenden Grundrechtsinteressen ein Gestaltungsspielraum zu; zu einer pauschalen Ablehnung von Verkehrsbeschränkungen ist er nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs jedenfalls derzeit nicht berechtigt.

(4) Die vom Antragsgegner vorgetragenen Schwierigkeiten der Kontrolle von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge lassen die Eignung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zur Zielerreichung nicht entfallen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O. Rn. 155). Der Antragsgegner wird für eine entsprechende Überwachung Sorge zu tragen haben.

(5) Soweit der Antragsgegner einwendet, dass selbst bei einem vollständigen Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge in München immer noch ein geringer Anteil an Grenzwertwertüberschreitungen verbleiben würde und somit durch die im Urteil vom 9. Oktober 2012 enthaltene Forderung nach einer Einhaltung der Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet von München tatsächlich Unmögliches verlangt werde, hat er bereits nicht substantiiert dargelegt, worauf diese Annahme beruht. Im Übrigen greift dieser Einwand nicht durch. Aus Art. 23 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 RL 2008/50/EG, § 47 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. BImSchV ergibt sich Pflicht des Antragsgegners, in den Luftreinhalteplan geeignete Maßnahmen aufzunehmen, um den Zeitraum der Nichteinhaltung so kurz wie möglich zu halten. Die Schadstoffbelastung der Luft soll im Interesse eines effektiven Gesundheitsschutzes möglichst schnell auf das ausweislich des Immissionsgrenzwertes als noch zumutbar erachtete Ausmaß zurückgeführt werden. An diesem Minimierungsgebot muss sich die Entscheidung der Behörde ausrichten. Selbst wenn die Grenzwerte trotz Einsatzes aller zur Verfügung stehenden Mittel nicht eingehalten werden könnten, wäre der Antragsgegner verpflichtet, die Überschreitung jedenfalls so gering wie möglich zu halten.

(6) Die gerichtliche Vorgabe an den Antragsgegner, zur derzeitigen Erfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtungen ein Konzept für Dieselfahrverbote zu erstellen, stellt auch keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung dar. Dem Antragsgegner wurde durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 hinsichtlich der Mittel zur Zielerreichung ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt, von dem er nicht in dem von Rechts wegen gebotenen Umfang Gebrauch gemacht hat. Die von ihm in den Blick genommen Maßnahmen sind sämtlich nicht ausreichend, um die aus dem Urteil geschuldete „schnellstmögliche“ Erreichung des Jahresmittelgrenzwertes für Stickstoffdioxid zu erreichen. Der Antragsgegner geht in der 6. Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst unter prognostischem Blickwinkel davon aus, dass an der Landshuter Allee der gesetzliche Jahresmittelwert für Stickstoffdioxid erst nach dem Jahr 2030 und damit erst rund 16 Jahre nach Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 eingehalten werden wird. Das Konzept zur 7. Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthält selbst keine Prognose mehr, so dass insoweit weiterhin die Prognose aus der 6. Fortschreibung maßgeblich ist. Reichen jedoch die vom Antragsgegner bislang in die Luftreinhalteplanung eingeführten Maßnahmen nicht aus, um die Grenzwertüberschreitung auf einen kürzest möglichen Zeitraum zu beschränken, so konzentriert sich der Gestaltungsspielraum auf die – jedenfalls nach derzeitigem Kenntnisstand – alleinige Möglichkeit der Verringerung von Dieselfahrzeugen auf den von Grenzwertüberschreitungen hinsichtlich Stickstoffdioxid betroffenen Straßen(abschnitten). Die verhältnismäßige Ausgestaltung der Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge obliegt weiterhin dem Gestaltungsspielraum des Antragsgegners. Wenn das Gericht im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens auf diese nach dem derzeitigen Kenntnisstand allein verbliebene Maßnahme abstellt, vermag dies keinen Verstoß gegen die Gewaltenteilung zu begründen.

(7) Der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht bislang nicht über die Zulässigkeit von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen für Dieselfahrzeuge entschieden hat, lässt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erstellung und Veröffentlichung des Konzepts unberührt. Selbst für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge würden derzeit rechtliche Hindernisse entgegenstehen, ist im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50/EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, sowie im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen davon auszugehen, dass entsprechende Regelungen im nationalen Recht schnellstmöglich angepasst werden, um die rechtlichen Grundlagen für Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge schaffen (BayVGH, B.v. 27.2.2017 a.a.O Rn. 184). Vom Antragsgegner wird daher durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht eine gegebenenfalls überflüssige Vorarbeit verlangt, sondern es steht zu erwarten, dass das zu erstellende Konzept auch tatsächlich (nach Klärung der Rechtsfragen bzw. Schaffung der entsprechenden Rechtsgrundlagen) – ggf. nach angemessener Übergangszeit – in die Praxis umgesetzt werden kann.

3. Das im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2017 unter Nr. II.3. angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro ist daher in Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens unter Berücksichtigung des hohen Rangs des Gesundheitsschutzes und des Verhaltens des Antragsgegners, das ohne Zwangsmaßnahmen eine Umsetzung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 erwachsenden Verpflichtungen jedenfalls zeitnah nicht mehr erwarten lässt, nach § 172 VwGO festzusetzen. Das Anknüpfen der Frist zur Zahlung an den Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit dieses Beschlusses trägt der aufschiebenden Wirkung einer etwaigen Beschwerde gegen diesen Beschluss Rechnung, § 149 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es wegen der in Nr. 5301 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) festgelegten gesetzlichen Festgebühr nicht (Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 32. EL 2016, § 172 Rn. 61).

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Das Grundgesetz kann nur durch ein Gesetz geändert werden, das den Wortlaut des Grundgesetzes ausdrücklich ändert oder ergänzt. Bei völkerrechtlichen Verträgen, die eine Friedensregelung, die Vorbereitung einer Friedensregelung oder den Abbau einer besatzungsrechtlichen Ordnung zum Gegenstand haben oder der Verteidigung der Bundesrepublik zu dienen bestimmt sind, genügt zur Klarstellung, daß die Bestimmungen des Grundgesetzes dem Abschluß und dem Inkraftsetzen der Verträge nicht entgegenstehen, eine Ergänzung des Wortlautes des Grundgesetzes, die sich auf diese Klarstellung beschränkt.

(2) Ein solches Gesetz bedarf der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates.

(3) Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Tenor

I. Das Verfahren wird hinsichtlich der Beschwerde des Klägers eingestellt.

II. Auf die Beschwerde des Beklagten hin erhält die Nummer I des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 21. Juni 2016 folgende Fassung:

„1. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit kein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen zugänglich macht, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes- Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird.

2. Dem Beklagten wird ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er nicht bis zum Ablauf des 31. August 2017 die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München (§ 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG) dergestalt einleitet, dass er in das Amtsblatt der Regierung von Oberbayern eine den Anforderungen des § 47 Abs. 5a Satz 2 BImSchG genügende Bekanntmachung einrückt, aus der sich ergibt, dass in eine solche Fortschreibung Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden sollen, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen werden soll.

3. Dem Beklagten wird ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 4.000 Euro angedroht, falls er bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 der Öffentlichkeit kein vollzugsfähiges Konzept zur Kenntnis bringt, aus dem sich ergibt, dass in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Landeshauptstadt München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor in Bezug auf enumerativ aufzuführende Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen aufgenommen werden, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. Platz greifen sollen, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, an denen der in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzte Immissionsgrenzwert nach dem aktuellsten dem Beklagten zur Verfügung stehenden Erkenntnisstand überschritten wird, von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots mit welcher Begründung abgesehen wird.“%2. Im Übrigen werden der Vollstreckungsantrag des Klägers und die Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen.%2. Unter Abänderung der Nummer II des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 fallen die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug zu zwei Fünfteln dem Kläger, zu drei Fünfteln dem Beklagten zur Last. Die Beigeladene trägt ihre im ersten Rechtszug entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zur Hälfte, der Beklagte und die Beigeladene zu je einem Viertel zu tragen. Dem Kläger fallen ferner jeweils die Hälfte der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Beklagten und der Beigeladenen zur Last. Diese Beteiligten haben ihrerseits je ein Viertel der im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Beschwerdeverfahren über die Vollstreckung des Urteils, das das Bayerische Verwaltungsgericht München am 9. Oktober 2012 im Verfahren M 1 K 12.1046 auf eine Klage des Klägers - einer anerkannten Vereinigung im Sinn von § 3 UmwRG - hin erlassen hat.

1. Der Tenor dieses Urteils lautet in seiner Nummer I wie folgt:

„Der Beklagte wird verpflichtet, den für München geltenden Luftreinhalteplan so zu ändern, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 40 µg/m³, des über eine volle Stunde gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO2 in Höhe von 200 µg/m³ bei 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM10 von 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von München enthält.“

Der in seiner Erstfassung vom September 2004 stammende, durch Schreiben des damaligen Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz vom 28. Dezember 2004 in Kraft gesetzte Luftreinhalteplan für die Stadt München wurde im Oktober 2007 zum ersten Mal, im August 2008 zum zweiten Mal und im September 2010 zum vierten Mal fortgeschrieben. Die im April 2012 erfolgte dritte Fortschreibung hatte eine Beteiligung des Münchener Umlandes zum Gegenstand.“

Nach den Feststellungen im Urteil vom 9. Oktober 2012 belief sich die NO2-Belastung in München - bezogen auf den Jahresmittelwert (vgl. § 3 Abs. 2 der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen - 39. BImSchV) - im Jahr 2011 an der Messstelle Landshuter Allee auf 85 µg/m³, an der Messstelle Stachus auf 76 µg/m³ und an der Messstelle Prinzregenten Straße auf 61 µg/m³. Ferner wurde danach der Tagesmittelgrenzwert für Partikel PM10 von 50 µg/m³ (§ 4 Abs. 1 der 39. BImSchV) im Jahr 2011 an der Messstelle Landshuter Allee 48-mal überschritten.

Den Entscheidungsgründen zufolge genügte der Luftreinhalteplan für München in der Fassung der vierten Fortschreibung den sich aus Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl Nr. L 152 vom 11.6.2008, S. 1), aus § 47 Abs. 1 Satz 3 BImSchG und § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der 39. BImSchV ergebenden Anforderungen nicht. Selbst der Beklagte gehe nicht davon aus, dass das dort genannte Instrumentarium geeignet sei, die Grenzwerte einzuhalten. Nach den durchgeführten Immissionsprognosen sei ohne weitere Maßnahmen weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 damit zu rechnen, dass insbesondere an der Messstation Landshuter Allee der sich auf das Jahresmittel beziehende NO2-Grenzwert eingehalten werde. Zwar seien die Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht verpflichtet, Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass es zu keinerlei Grenzwertüberschreitungen mehr komme. Die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen müssten aber jedenfalls geeignet sein, eine solche Überschreitung auszuschließen; es genüge nicht, dass die zuständige Behörde lediglich Bemühungen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte unternehme und überhaupt einen Luftreinhalteplan aufstelle oder fortschreibe. Dass der Erlass eines Luftreinhalteplans mit weitergehenden Maßnahmen tatsächlich oder rechtlich unmöglich sei, sei nicht ersichtlich. Angesichts der Vielzahl möglicher Maßnahmen, die in der mündlichen Verhandlung diskutiert worden seien, stünden dem Beklagten weitere, naturgemäß einschneidendere Maßnahmen zur Verringerung der Werte zur Verfügung; die vom Kläger angeführte räumliche Ausdehnung der Umweltzone sei nur eine davon. Bei der Auswahl der Maßnahmen und der hiervon negativ Betroffenen verfüge die Behörde allerdings über einen Gestaltungsspielraum, der einen Anspruch des von einer Überschreitung des Immissionsgrenzwerts Betroffenen ebenso wie eines Umweltverbandes auf eine bestimmte Maßnahme regelmäßig ausschließe.

Die von ihm gegen dieses Urteil eingelegte, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof unter dem Aktenzeichen 22 BV 12.2450 geführte Berufung nahm der Beklagte am 8. April 2014 zurück, nachdem der Verwaltungsgerichtshof die Beteiligten mit Schreiben vom 4. April 2014 darauf hingewiesen hatte, dass die Klage nach dem damaligen Stand der Meinungsbildung des Verwaltungsgerichtshofs als zulässig und begründet erscheine, so dass die Berufung zurückzuweisen sein könnte.

2. In der Folgezeit wurde der Luftreinhalteplan für München zweimal fortgeschrieben.

2.1 Die fünfte Fortschreibung datiert vom Mai 2014. Danach wurden an den im Stadtgebiet von München bestehenden Messstationen u. a. folgende Schadstoffkonzentrationen festgestellt:

Partikel PM10:

LÜB - Stationen

Jahresmittel 2010

µg/m³

Jahresmittel 2011

µg/m³

Jahresmittel 2012

µg/m³

Jahresmittel 2013

µg/m³

Anzahl der Überschreitungen*) 2010

Anzahl der Überschreitungen*) 2011

Anzahl der Überschreitungen*) 2012

Anzahl der Überschreitungen*) 2013

Stachus

32

31

26

26

47

35

[11] 14

[17] 19

Landshuter Allee

38

36

29

31

65

48

[17] 27

[30] 39

Prinzregenten Straße

28

25

-

-

31

17

-

-

Johanneskirchen

22

21

16

18

23

9

4

8

Loth Straße

24

22

18

20

27

11

5

11

*) bezogen auf den Tagesmittelwert

Die in eckige Klammern gesetzten Angaben haben - hier ebenso wie nachfolgend - die Zahl der Tage zum Gegenstand, um die das nach § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV zulässige Kontingent an Überschreitungstagen aufgrund der Ausbringung von Streusalz überstiegen wurde (vgl. § 25 der 39. BImSchV).

Stickstoffdioxid NO2:

LÜB - Stationen

Jahresmittel 2010

µg/m³

Jahresmittel 2011

µg/m³

Jahresmittel 2012

µg/m³

Jahresmittel 2013

µg/m³

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2010

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2011

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2012

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h- Mittelwert 2013

Stachus

74

76

60

64

8

6

1

0

Landshuter Allee

99

85

81

81

192

50

27

50

Prinzregenten Straße

68

61

-

-

8

7

-

-

Johanneskirchen

28

23

22

22

0

0

0

0

Loth Straße

35

33

31

31

2

2

0

0

Moosach

39

39

35

-

2

2

0

-

Die fünfte Fortschreibung des Luftreinhalteplans enthält 20 Maßnahmen, die teils neu sind, zum Teil aber - wie diese Ausarbeitung auf Seite 37 selbst einräumt - bereits früher im Luftreinhalteplan thematisiert, aufgrund aktueller Entwicklungen und Fortschritte jedoch wiederum aufgegriffen worden seien. Nur vieren dieser Maßnahmen spricht die fünfte Fortschreibung ein quantifizierbares Minderungspotenzial in Bezug auf Luftschadstoffe (teilweise allerdings nur für NOx) zu. Es sind die Maßnahmen M 1 (Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung an der Landshuter Allee auf 50 km/h mit strenger Überwachung), M 4 (Fortführung des Optimierungsprogramms für Grüne Wellen), M 5 (Entwicklung und Simulation von Verkehrssteuerungsmaßnahmen für das umweltorientierte Verkehrsmanagement) und M 17 (Planung einer Verkehrsbeeinflussungsanlage mit intelligenter Verkehrssteuerung auf der BAB 96 zwischen den Anschlussstellen Gräfelfing und dem Autobahnende in München- Sendling).

2.2 Die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München stammt vom Dezember 2015. Die im Stadtgebiet gemessenen Schadstoffkonzentrationen stellten sich danach - soweit vorliegend von Belang - im Jahr 2014 wie folgt dar:

Partikel PM10:

LÜB-Stationen

Jahresmittel [µg/m³]

Anzahl der Überschreitungen beim Tagesmittelwert

LandshuterAllee

27

[16] 17

Stachus

23

[13] 14

Loth Straße

18

8

Johanneskirchen

16

6

Stickstoffdioxid NO2:

LÜB-Stationen

Jahresmittel [µg/m³[

Anzahl der Überschreitungen beim 1-h-Mittelwert

LandshuterAllee

83

24

Stachus

62

0

Loth Straße

31

0

Johanneskirchen

22

0

Diese Fortschreibung räumt gleichfalls ein, dass sie außer neuen Maßnahmen auch solche enthält, die bereits im bestehenden Luftreinhalteplan bzw. in seinen Fortschreibungen thematisiert, aufgrund „aktueller Entwicklungen und Fortschritte[…] jedoch erneut aufgegriffen“ worden seien (Seite 30). Keine der in ihr aufgelisteten 20 Maßnahmen enthält bezifferte Angaben über das mit ihrer Umsetzung einhergehende Immissionsminderungspotenzial hinsichtlich der Luftschadstoffe „Partikel PM10“ und „Stickstoffdioxid (NO2)“; bei zwölf von ihnen wurde die Frage nach dem Minderungspotenzial mit den Worten „[derzeit] nicht quantifizierbar“, „nicht konkret bezifferbar“, „soll durch das Projekt ermittelt werden“ oder unter Verwendung ähnlicher Formulierungen beantwortet.

Unter prognostischem Blickwinkel führte die sechste Fortschreibung aus, eine Einhaltung des NO2-Immissionsgrenzwerts für das Jahresmittel an der Landshuter Allee sei ohne zusätzliche Maßnahmen voraussichtlich erst nach 2030 möglich; an der Messstation am Stachus stehe eine Einhaltung voraussichtlich ab 2025 zu erwarten. Die Immissionsprognosen beruhten im Wesentlichen auf der Erneuerung der Fahrzeugflotte sowie den quantifizierbaren Maßnahmen wie dem Lkw-Durchfahrtsverbot und der Umweltzone. Maßnahmen, deren Wirkungen sich nicht belastbar abschätzen ließen (hierzu gehörten solche, die den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs sowie die Förderung des Fahrradverkehrs zum Ziel hätten), seien bei der Immissionsprognose nicht berücksichtigt worden.

3. Am 18. November 2015 beantragte der Kläger beim Verwaltungsgericht,

dem Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen unter Fristsetzung ein angemessenes Zwangsgeld von bis zu 10.000 Euro anzudrohen,

hilfsweise,

gegen das Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zur Erfüllung der aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) resultierenden Verpflichtungen ein angemessenes Zwangsgeld festzusetzen.

Am 21. Juni 2016 erließ das Verwaltungsgericht daraufhin folgenden, dem Beklagten am 29. Juni 2016 als Fernkopie und am 30. Juni 2016 als Postexemplar zugestellten Beschluss:

Dem Antragsgegner wird für den Fall, dass er seiner Verpflichtung aus dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 (M 1 K 12.1046) nicht innerhalb einer Frist von einem Jahr nach Zustellung dieses Beschlusses nachkommt, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 10.000,- Euro angedroht.

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Anträge seien unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO so auszulegen, dass der Beklagte als Rechtsträger des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz Vollstreckungsschuldner sei.

Die Vollstreckung eines zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans verpflichtenden Urteils bestimme sich nach § 172 VwGO, da diese Vorschrift auch die Erzwingung solcher hoheitlichen Maßnahmen umfasse, mit denen die öffentliche Hand eine dem Erlass eines Verwaltungsakts vergleichbare, allein ihr vorbehaltene spezifische Regelungsbefugnis in Anspruch nehme.

Soweit im Stadtgebiet der Beigeladenen keine Überschreitung der Grenzwerte für Partikel PM10 mehr vorliege, ziehe das nicht die Unzulässigkeit des Vollstreckungsantrags nach sich. Gegenstand des Vollstreckungsverfahrens bilde nämlich die Frage, ob die Verpflichtung aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zur Gänze befolgt worden sei. Es müsse insgesamt geprüft werden, ob der für München geltende Luftreinhalteplan so geändert worden sei, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid und Partikel PM10 enthalte. Sei das nicht der Fall, müsse ein Zwangsgeld angedroht werden.

Der Umstand, dass die Vollstreckungsmaßnahme „innerhalb desselben Rechtsträgers“ erfolgen solle, nehme dem Antrag nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da dem Kläger andernfalls die Möglichkeit genommen würde, effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Überdies sei davon auszugehen, dass nicht nur das Zwangsgeld als solches, sondern gerade dessen Androhung den jeweiligen Vollstreckungsschuldner zur Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils motivieren solle.

Der Antrag habe in der Sache deshalb Erfolg, da der Beklagte der ihm durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung grundlos nicht nachgekommen sei.

Dieses Urteil sei vollstreckungsfähig, da sich aus ihm die Verpflichtungen des Beklagten in hinreichend bestimmter Weise ergäben. Jene Entscheidung habe den Gestaltungsspielraum des Beklagten beachtet und einen Anspruch darauf, dass er zu einer bestimmten Maßnahme verpflichtet werde, verneint. Der Vollstreckungsfähigkeit des Urteils sei dadurch Rechnung getragen worden, dass die Entscheidungsgründe verbindliche Vorgaben enthielten, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten seien.

Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage, bei der die Bindung an die dem Urteil vom 9. Oktober 2012 zugrunde liegende Rechtsauffassung entfallen würde, ergebe sich nicht daraus, dass Dieselfahrzeuge die Vorgaben der Euro-5- und der Euro-6-Norm zwar unter den vorgesehenen Testbedingungen, nicht aber im tatsächlichen Fahrbetrieb einhalten könnten. Denn diese tatsächliche Gegebenheit habe schon bei Erlass des zu vollstreckenden Urteils bestanden; die Euro-6-Norm sei überdies erst am 1. September 2014 verbindlich geworden. Neu sei lediglich die Erkenntnis, dass diese Normen bereits im Zeitpunkt der Rechtskraft jenes Urteils nicht eingehalten worden seien; das lasse seine Bindungswirkung jedoch nicht entfallen. Die Frage, wie schnell die Verminderung des Schadstoffausstoßes von Dieselfahrzeugen voranschreite, sei nicht entscheidungserheblich, da dem Beklagten unabhängig hiervon Maßnahmen zur Verfügung stünden, die zum Ausschluss der Grenzwertüberschreitung geeignet seien. Auch unter dem Blickwinkel des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei es ihm zumutbar, solche einschneidenden Maßnahmen - bis hin zu einem Verkehrsverbot oder Ähnlichem - zu ergreifen.

Die Tatsache, dass offenbar einige Hersteller von Dieselfahrzeugen die Software dergestalt beeinflusst hätten, dass Fahrzeuge zwar bei Testmessungen, nicht aber im Realbetrieb die Vorgaben der Euro-5- und der Euro-6-Norm hätten einhalten können, vermöge die Säumnis des Beklagten ebenfalls nicht zu rechtfertigen, da dieser Umstand für die Nichterfüllung der Vorgaben des Urteils vom 9. Oktober 2012 nicht ursächlich sei.

Wenn dem Beklagten in diesem Urteil aufgegeben worden sei, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der jeweiligen Immissionsgrenzwerte geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen und den Zeitraum ihrer Überschreitung „möglichst kurz zu halten“, so folge hieraus in Verbindung mit Aussagen in der seinerzeit vorliegenden vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans, dass eine „schnellstmögliche Einhaltung“ der Grenzwerte jedenfalls dann nicht bejaht werden könne, wenn sie weder im Jahr 2015 noch im Jahr 2020 in Aussicht stehe.

Durch das zu vollstreckende Urteil sei dem Beklagten ferner aufgegeben worden,

„einschneidendere“ als die in der vierten Fortschreibung erwähnten Maßnahmen - insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone - zu prüfen und sie ggf. in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Verlangt werde mithin ein Katalog an wirksamen Maßnahmen, die geeignet seien, die Grenzwerte so schnell wie möglich - nach den Entscheidungsgründen vor 2015 bzw. 2020 - einzuhalten.

Die Ungeeignetheit der in der sechsten Fortschreibung enthaltenen Maßnahmen ergebe sich bereits daraus, dass der Beklagte selbst nicht davon ausgehe, sie seien zur Einhaltung der Grenzwerte tauglich. Die von ihm als zentral verstandene Maßnahme M 1 (sie hat die „gutachterliche Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid- Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“ zum Gegenstand) diene bestenfalls zur Vorbereitung weiterer Maßnahmen, stelle aber selbst keine Maßnahme dar, die die Emissionen reduzieren könne. Die Maßnahmen M 2 bis M 20 seien viel zu unkonkret bzw. angesichts der Tatsache, dass die anhaltende Grenzwertüberschreitung hauptsächlich von Dieselfahrzeugen verursacht werde, nicht geeignet, effektiv zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte beizutragen.

4. Mit der von ihm eingelegten Beschwerde beantragte der Beklagte:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2016 wird aufgehoben. Der Antrag wird abgelehnt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei das Urteil vom 9. Oktober 2012 mangels ausreichender inhaltlicher Bestimmtheit nicht vollstreckbar. Hieran ändere der bei Verbescheidungsurteilen erforderliche Rückgriff auf die Entscheidungsgründe nichts, da auch aus ihnen nicht hervorgehe, mit welchen Maßnahmen oder in welchem Zeitraum das im Urteilstenor vorgegebene Ziel zu erreichen sei. Die einzigen insoweit belangreichen Ausführungen fänden sich in den beiden letzten Sätzen der Randnummer 33 des Urteils. Wie ein Vergleich mit dem nahezu identischen Parallelfall verdeutliche, über den der Hessische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 11. Mai 2016 (9 E 448/16 - juris) befunden habe, reichten sie nicht aus, um die Vollstreckungsfähigkeit des hier inmitten stehenden Urteils bejahen zu können. Bereits in einem Schreiben vom 16. Dezember 2013 habe der beschließende Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs anlässlich seiner Befassung mit der gegen das Urteil vom 9. Oktober 2012 eingelegten Berufung im Übrigen Zweifel an der Vollstreckungsfähigkeit dieser Entscheidung angemeldet.

Der im angefochtenen Beschluss enthaltene Hinweis darauf, dass eine Einhaltung der Grenzwerte im Jahr 2015 oder im Jahr 2020 keine „schnellstmögliche Einhaltung“ darstelle, stelle schon deshalb keine taugliche Konkretisierung dar, da zwei unterschiedliche, zudem fünf Jahre auseinander liegende Zeitpunkte genannt würden. Zudem ergebe sich aus diesem Kriterium allenfalls eine Negativabgrenzung dergestalt, der sich entnehmen lasse, wann der Beklagte seinen Pflichten nicht nachgekommen sei. Dazu, um dem Vollstreckungsschuldner hinreichend bestimmte Vorgaben zu erteilen, durch deren Erfüllung er sich einem Vollstreckungsverfahren erfolgreich entziehen könne, sei diese Aussage nicht geeignet.

Der Annahme, das Urteil vom 9. Oktober 2012 sehe in der Ausweitung der Umweltzone eine taugliche Maßnahme, stehe entgegen, dass sich das Verwaltungsgericht auf die Feststellung beschränkt habe, diese (vom Kläger angeführte) Maßnahme existiere und sei möglicherweise geeignet. Tatsächlich seien dem Beklagten keine Maßnahmen bekannt, die zum Ausschluss von Grenzwertüberschreitungen geeignet seien.

Sollte das Urteil vom 9. Oktober 2012 gleichwohl als vollstreckungsfähig angesehen werden, habe der Beklagte die sich aus dieser Entscheidung ergebende Verpflichtung durch die seither vorgenommene zweimalige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München erfüllt. Der Beklagte verweist insoweit auf die auf der Landshuter Allee eingeführte Geschwindigkeitsbeschränkung auf 50 km/h sowie darauf, dass seit Oktober 2012 die Einfahrt in die Umweltzone nur noch Fahrzeugen mit grüner, nicht aber mit gelber oder roter Plakette erlaubt sei. Weitergehende Verpflichtungen ließen sich weder dem Tenor noch den Entscheidungsgründen jenes Urteils entnehmen. Zudem bedürften die in den Luftreinhalteplan aufgenommenen Maßnahmen zunächst der Umsetzung; messbare Auswirkungen auf die Umwelt ließen sich deshalb erst mit deutlicher Verzögerung feststellen.

Auch der Beklagte verkenne nicht, dass sich in einem Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO der Inhalt des zu vollstreckenden Urteils über dessen notwendige Auslegung hinaus auch durch eine gewisse Fortschreibung konkretisieren lassen müsse, falls Unklarheiten sich anhand der Urteilsurkunde selbst nicht beseitigen ließen. Wenn § 172 VwGO das Gericht des ersten Rechtszugs zum Vollstreckungsorgan erkläre, werde damit auch dem Umstand Rechnung getragen, dass in derartigen Vollstreckungsverfahren nicht selten ein „Weiterdenken“ der Erwägungen notwendig werde, die der zu vollstreckenden Entscheidung zugrunde lagen, um feststellen zu können, was der Beklagte schulde und ob er seinen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die zwangsläufig allgemein gehaltene Fassung von Verbescheidungsurteilen könne es im Licht des Art. 19 Abs. 4 GG erfordern, im Vollstreckungsverfahren die einem solchen Urteil zugrunde liegenden Überlegungen und Wertungen näher zu präzisieren, um zu verhindern, dass sich derartige Entscheidungen im Unverbindlichen erschöpften. Dies dürfe aber über die in dem zu vollstreckenden Urteil enthaltenen tatsächlichen Feststellungen nicht hinausgehen und setze deshalb voraus, dass diese Feststellungen, Überlegungen und Wertungen selbst bereits Grundlage der Erwägungen in jenem Urteil gewesen seien. Da in dem Erkenntnisverfahren, das dem Urteil vom 9. Oktober 2012 vorangegangen sei, keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, ob die schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung diskutierten Maßnahmen tatsächlich möglich, geeignet und verhältnismäßig seien, müssten sie zunächst Gegenstand eines neuen Erkenntnisverfahrens sein; denn vom Vollstreckungsschuldner dürfe nichts rechtlich Unmögliches verlangt werden.

Aufgrund der Reichweite und Eingriffsintensität gelte das namentlich für eine Sperrung von (Innen-)Stadtbereichen für Kraftfahrzeuge. Erst ein neues Erkenntnisverfahren könne die nötige Plattform für die Prüfung bieten, ob hierfür eine Ermächtigungsgrundlage bestehe und ob das planerische Gestaltungsermessen u. U. auf die Verpflichtung zur Aufnahme dieser Maßnahmen in die weitere Fortschreibung des streitigen Luftreinhalteplans reduziert sei.

Die vom Verwaltungsgericht gesetzte Frist von einem Jahr sei im Übrigen viel zu kurz bemessen. Angesichts der Vielzahl der einzuschaltenden öffentlichen Stellen und der Notwendigkeit einer Öffentlichkeitsbeteiligung benötige eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans einen Zeitraum, der deutlich über einem Jahr liege. Zu bedenken sei auch, dass das Gutachten, dessen Einholung die sechste Fortschreibung als Maßnahme M 1 enthalte, um die Jahresmitte 2017 und damit fast gleichzeitig mit dem Ablauf der vom Verwaltungsgericht gesetzten Frist vorzulegen sei. Erst wenn dieses Gutachten vorliege, werde zu prüfen und zu entscheiden sein, welche der dort genannten Vorschläge realisiert werden könnten; im Anschluss daran sei die Überarbeitung des Luftreinhalteplans zu erstellen.

Die Maßnahmen auf lokaler Ebene zur Reduktion der Immissionen seien im Übrigen beinahe erschöpft. Nur eine drastische Reduzierung der Fahrzeugmenge und/oder eine Verbesserung des Emissionsverhaltens von Kraftfahrzeugen (insbesondere solcher mit Dieselantrieb) könnten eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken. Solche Maßnahmen seien nach derzeitiger Rechtslage indes unverhältnismäßig. Eine wesentliche Verbesserung der NO2-Belastungssituation durch die Umstellung der Fahrzeugflotte auf die Euro-6- bzw. die Euro-VI-Norm sei erst deutlich nach dem Ende des laufenden Jahrzehnts anzunehmen, da die vorhandene Fahrzeugflotte auf Jahre hinaus das Emissionspotenzial bestimmen werde.

5. Der Kläger beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Urteil vom 9. Oktober 2012 sei deshalb vollstreckungsfähig, weil die dem Beklagten darin auferlegte Verpflichtung, einen zur „schnellstmöglichen“ Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid geeigneten Luftreinhalteplan aufzustellen, in den Entscheidungsgründen dahingehend konkretisiert werde, dass „einschneidendere“ Maßnahmen als die in der vierten Fortschreibung enthaltenen geboten seien; zu ihnen gehöre insbesondere die räumliche Ausdehnung der Umweltzone. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) ausgeführt, dass dem Verwaltungsgericht die Option („machen kann“) zustehe, hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen verbindliche Vorgaben zu machen; diese seien alsdann auch im Vollstreckungsverfahren zu beachten. Das bedeute indes nicht, dass das Tatsachengericht alle in den Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen im Urteil erwähnen müsse; dies verbiete sich sowohl aus Gründen der Gewaltenteilung als auch mit Blickrichtung auf die Komplexität der Luftreinhalteplanung.

Bereits die Tatsache, dass die Umweltzone in München immer noch so groß sei wie im Jahr 2012, erhelle, dass der Beklagte die ihm durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung nicht erfüllt habe. Darüber hinaus gebe es nicht einmal ein Konzept dafür, welche Maßnahmen zu ergreifen seien, damit die Grenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden könnten. Dass zur Umsetzung des zu vollstreckenden Urteils auch (ggf. zeitlich, örtlich und sachlich begrenzte) Verkehrsbeschränkungen zählten, sei allen Beteiligten bewusst, jedoch weigere man sich beharrlich, die entsprechenden Konsequenzen insbesondere für den Verkehr mit Dieselfahrzeugen zu ziehen.

Für eine Beschränkung des Diesel-Kraftfahrzeugverkehrs bedürfe es keiner Novellierung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BImSchV). Denn jedenfalls hinsichtlich der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Einzelstraßen im Stadtgebiet der Beigeladenen könne ein solches Verkehrsverbot durch das Zeichen 251 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung, dem ein Zusatzzeichen „Gilt für Diesel“ bzw. „Alle außer Diesel frei“ o. ä. beizufügen sei, ausgesprochen werden. Härtefällen könne mit einer Allgemeinverfügung begegnet werden. Als Alternative zur Verlautbarung eines Durchfahrtsverbots für Dieselfahrzeuge komme eine Beschilderung in Betracht, wie sie im Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 11. März 2016 als rechtlich zulässig bezeichnet worden sei. Die Pflicht, derartige Maßnahmen zu ergreifen, sei die rechtlich zwingende Konsequenz daraus, dass auf Bundesebene von der Schaffung der „Blauen Plakette“ abgesehen worden sei. Dies gelte umso mehr, als der Beklagte keine auf deren Einführung abzielende Initiative im Bundesrat ergriffen habe.

Der Hinweis der Beigeladenen darauf, dass sich das zu vollstreckende Urteil nicht dazu äußere, unter welchen Voraussetzungen sie ihr Einvernehmen zu straßenverkehrsbehördlichen Maßnahmen des Beklagten zu erteilen habe, sei unbehelflich, da es bereits an der Bereitschaft des Beklagten fehle, straßenbehördliche Maßnahmen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen und um das Einvernehmen der Beigeladenen hierzu zu ersuchen. Das Einvernehmen dürfe im Übrigen nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen verweigert werden; andernfalls sei es nach den zu § 36 Abs. 1 BauGB entwickelten Grundsätzen zu ersetzen.

6. Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an. Sie verweist auf ihre Ausführungen in dem Berufungszulassungsverfahren 22 ZB 16.1475, das ebenfalls die Verpflichtung des Beklagten zur Änderung des Luftreinhalteplans für München zum Gegenstand hat. Ergänzend hierzu macht sie geltend, die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 richte sich nicht nach § 172 VwGO, sondern nach § 894 Satz 1 ZPO i.V.m. § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Mangels einer Tenorierung, angesichts derer die Fiktion des § 894 Satz 1 ZPO eintreten könne, sei jene Entscheidung nicht vollstreckungsfähig. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 172 VwGO habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen abgelehnt.

Unabhängig hiervon sei es nicht Aufgabe des Vollstreckungsverfahrens, unterlassene konkrete Maßnahmen anzuführen, deren Benennung das Urteil vom 9. Oktober 2012 gescheut habe.

Der Beklagte könne deshalb nicht säumig sein, weil er ohne das nach § 47 Abs. 4 Satz 2, Abs. 6 BImSchG erforderliche Einvernehmen der Beigeladenen und ohne Erstreckung der Rechtskraft des Urteils vom 9. Oktober 2012 auf sie keine Maßnahmen der Luftreinhalteplanung treffen könne. Rechtskraftwirkung entfalte ein Verbescheidungsurteil nämlich dann nicht, wenn es zu einer Rechtsvoraussetzung keine verbindlichen Ausführungen enthalte. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen die Beigeladene ihr Einvernehmen zu Luftreinhaltemaßnahmen des Beklagten erteilen müsse, verhalte sich das zu vollstreckende Urteil indes nicht.

Eine grundlose Säumnis des Beklagten sei ferner zum einen deshalb zu verneinen, weil seit dem Erlass des zu vollstreckenden Urteils zwei Fortschreibungen des Luftreinhalteplans in Kraft getreten seien. Zum anderen sei eine Erweiterung der Umweltzone - die einzige vom Verwaltungsgericht konkret angesprochene Maßnahme - angesichts der bisher nicht eingeführten „Blauen Plakette“ rechtlich unmöglich.

7. Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. Januar 2017 legte auch der Kläger gegen den Beschluss vom 21. Juni 2016 Beschwerde ein. Dieses Rechtsmittel nahm er in der am 16. Februar 2017 vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof durchgeführten mündlichen Verhandlung zurück.

8. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift, wegen des Vorbringens der Beteiligten und des Verfahrensgangs im Übrigen auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Das Verfahren über die Beschwerde des Klägers war nach der Rücknahme dieses Rechtsmittels entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Die zulässige Beschwerde des Beklagten ist nur teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht ging zu Unrecht davon aus, dem Beklagten dürfe ein Zwangsgeld für den Fall angedroht werden, dass er die gesamte ihm im Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegte Verpflichtung nicht binnen Jahresfrist erfüllen sollte. Von ihm können in Vollzug jener Gerichtsentscheidung gegenwärtig nur Handlungen verlangt werden, die der Vorbereitung einer weiteren Fortschreibung dieses Plans dienen (vgl. die Nummern 1 bis 3 der neu gefassten Nummer I des Tenors des angefochtenen Beschlusses). Soweit das Verwaltungsgericht angenommen hat, die darüber hinausgehenden, aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 resultierenden Pflichten des Beklagten seien derzeit im Vollstreckungswege durchsetzbar, war der Beschluss vom 21. Juni 2016 deshalb unter gleichzeitiger diesbezüglicher Ablehnung des Vollstreckungsantrags des Klägers abzuändern. Andererseits musste die Beschwerde zurückgewiesen werden, soweit sie darauf abzielte, die erfolgte Androhung eines Zwangsgeldes zur Gänze abzuwenden, da das Urteil vom 9. Oktober 2012 dem Grunde nach vollstreckbar ist und der Beklagte die ihm darin auferlegte Verpflichtung insoweit, als das von ihm gegenwärtig verlangt werden kann, nicht in dem gebotenen Umfang erfüllt hat.

1. Rechtsgrundlage für die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012

Die Vollstreckung von Urteilen, die die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechen, richtet sich grundsätzlich nach § 172 VwGO.

Dies entspricht nicht nur der - soweit ersichtlich - übereinstimmenden Auffassung der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die sich bisher mit der Vollstreckung von gleich oder ähnlich tenorierten, die Verpflichtung zum Erlass oder zur Fortschreibung von Luftreinhalteplänen aussprechenden Urteilen zu befassen hatten (VG Stuttgart, B.v. 14.8.2009 - 13 K 511/09 - juris Rn. 32; VG Wiesbaden, B.v. 11.1.2016 - 4 N 1727/15.WI - juris Rn. 28; VG Hamburg, B.v. 18.7.2016 - 9 V 1062/16 - juris Rn. 5; VG Sigmaringen, B.v. 24.11.2016 - 1 K 5134/15 - BA S. 11 f.; im Ergebnis ebenso, ohne die Frage überhaupt zu problematisieren, HessVGH, B.v. 11.5.2016 - 9 E 448/16 - juris Rn. 17 f., 25 f., 29 und 35; B.v. 11.5.2016 - 9 E 450/16 - juris Rn. 17, 25 f., 29 und 34); ein Rückgriff auf die - allerdings nur entsprechend anwendbare – Vorschrift des § 172 VwGO ist auch von der Sache her geboten. Denn zu vollstrecken ist vorliegend eine gerichtliche Entscheidung, die die öffentliche Gewalt lediglich dazu verurteilt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, die jedoch keinen kalendermäßig bestimmten Zeitpunkt festsetzt, bis zu dem der geschuldete Erfolg herbeigeführt sein muss, und die darüber hinaus die Wahl der einzusetzenden Mittel vollständig dem - freilich stets pflichtgemäß auszuübenden - Ermessen der zuständigen Behörde überlässt. In solchen Fällen kann es in deutlich höherem Maß als in anderen Vollstreckungsverfahren ungewiss sein, ob die öffentliche Verwaltung der ihr gerichtlich auferlegten Verpflichtung vollständig nachgekommen ist. Das gilt namentlich dann, wenn sie seit dem Erlass der zu vollstreckenden Entscheidung gewisse Handlungen vorgenommen (hier: den verfahrensgegenständlichen Luftreinhalteplan tatsächlich fortgeschrieben) hat, jedoch Streit darüber besteht, ob diese Maßnahmen ausreichen (die Behörde m.a.W. den „Erfüllungseinwand“ erhebt), oder sie behauptet, weitergehende Schritte könnten von ihr deshalb nicht verlangt werden, weil das zur Verfügung stehende Handlungsinstrumentarium ausgeschöpft sei (vgl. zur grundsätzlichen Beachtlichkeit sowohl des Erfüllungseinwands als auch der Behauptung, die Vornahme der im zu vollstreckenden Titel rechtskräftig auferlegten Handlung sei dem Schuldner unmöglich, im Vollstreckungsverfahren sowie zur fehlenden Beschränkung des Vollstreckungsschuldners auf die Geltendmachung dieses Einwands im Wege der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO: Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 23 m.w.N.; Gruber in MK zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 888 Rn. 13 m.w.N.). In derartigen Konstellationen kann das Vollstreckungsverfahren einen Grad an Komplexität aufweisen, der sich signifikant von jenen Fallgestaltungen unterscheidet, in denen der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon ausgegangen ist, die Vollstreckung von nicht dem Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO unterfallenden Leistungsurteilen bestimme sich nach den §§ 887 f. ZPO (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 14.1.1999 - 8 C 98.2131 - juris Rn. 2, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Beseitigung eines straßenrechtlichen Überbaus; B.v. 2.4.2001 - 8 C 01.587 - VGH n.F. 54, 74/75, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Beseitigung der Überteerung eines Grundstücks; B.v. 7.3.2002 - 4 C 02.188 - BayVBl 2003, 375, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Lieferung von den Anforderungen der Trinkwasserverordnung entsprechendem Wasser; B.v. 9.3.2009 - 7 C 08.3151 - juris Rn. 17 f., betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Änderung eines Schulzeugnisses; B.v. 6.4.2009 - 7 C 09.763 - juris Rn. 13, betreffend die Vollstreckung der Verpflichtung zur Zulassung als Mieter von Hochschulräumen). Es erscheint deshalb angemessen, für die Klärung der Stichhaltigkeit des „Erfüllungs-“ bzw. des „Unmöglichkeitseinwands“ in Fällen der hier inmitten stehenden Art ein gerichtliches Verfahren zur Verfügung zu stellen, das dem Vollstreckungsschuldner dann, wenn sich ein Einwand der vorbezeichneten Art als (teilweise) nicht zutreffend erweist, Gelegenheit belässt, den ihm durch die zu vollstreckende Entscheidung auferlegten Pflichten innerhalb der gemäß § 172 Satz 1 VwGO zu setzenden Frist nachzukommen, ohne dass es bereits in diesem Stadium (was letztlich zu Lasten der Allgemeinheit ginge) zu einer Zwangsgeldfestsetzung kommt. Eine solche Folge aber wäre dann unabweisbar, würde sich die Vollstreckung eines Gerichtsurteils, das zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verpflichtet, gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO von vornherein nach dem Achten Buch der Zivilprozessordnung bestimmen; denn die alsdann anzuwendende Vorschrift des § 888 ZPO schließt in ihrem Absatz 2 die Androhung eines Zwangsmittels ausdrücklich aus. Die Absicht des Gesetzgebers, die öffentliche Gewalt vor der „scharfen“ zivilprozessualen Vollstreckung zu verschonen - hierin muss das tragende Motiv für die Schaffung des § 172 VwGO gesehen werden (vgl. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2011, § 172 Rn. 11) -, gebietet deshalb die vorrangige Heranziehung von § 172 VwGO gerade in Fällen der inmitten stehenden Art.

Trotz der teilweisen Ablehnung des Vollstreckungsantrags durch das Beschwerdegericht kann der Kläger aus diesem Grund auch nicht mit dem im ersten Rechtszug gestellten, auf die sofortige Festsetzung eines Zwangsgelds abzielenden Hilfsantrag durchdringen.

Unzutreffend ist die Auffassung der Beigeladenen, die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 bestimme sich nach § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 894 ZPO. Dahinstehen kann, ob ein Luftreinhalteplan überhaupt als eine Willenserklärung (bzw. - mit Blickrichtung auf die darin erwähnten Maßnahmen - als ein Bündel von Willenserklärungen) angesehen werden kann. Einem Rückgriff auf die Vorschrift des § 894 ZPO steht jedenfalls entgegen, dass das zu vollstreckende Urteil die in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München aufzunehmenden Handlungen nicht derart detailgenau umschrieben hat, dass davon ausgegangen werden könnte, mit dem Eintritt der Rechtskraft einer solchen Entscheidung stehe der neue Inhalt des Plans bereits in einer Weise fest, die geeignet wäre, die sich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebende Vollzugspflicht auszulösen. Hieran ändert der Umstand nichts, dass das Ermessen des Beklagten, wie er dem Urteil vom 9. Oktober 2012 gerecht wird, dahingehend eingeschränkt ist, dass er nach Ausräumung der derzeit noch bestehenden straßenverkehrsrechtlichen Ungewissheiten nicht mehr rechtsfehlerfrei davon absehen kann, in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München Verkehrsverbote für Fahrzeuge mit Selbstzündungsmotor (nachfolgend „Dieselfahrzeuge“ genannt) einzuarbeiten. Denn selbst insoweit bedarf es noch vom Beklagten vorzunehmender Feststellungen darüber, hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) derartige Verkehrsverbote ohne Verstoß gegen anderweitige Vorgaben der Rechtsordnung angeordnet werden können, in welchem sachlichen und zeitlichen Umfang dies zu geschehen hat, und welche Ausnahmen von einem solchen Verkehrsverbot zugelassen werden müssen.

Bei alledem verkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit von Verfassungs wegen gehalten sind, „die Vollstreckungsvorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung so auszulegen und anzuwenden, dass ein wirkungsvoller Schutz der Rechte des Einzelnen auch gegenüber der Verwaltung gewährleistet ist“ (BVerfG, B.v. 9.8.1999 - 1 BvR 2245/98 - DVBl 1999, 1646). § 172 VwGO steht daher dem Einsatz anderer nach § 167 VwGO in Verbindung mit der Zivilprozessordnung möglicher Zwangsmittel nicht entgegen (BVerfG, B.v. 9.8.1999 a.a.O. S. 1646). Ist etwa aufgrund vorangegangener Erfahrungen, aufgrund eindeutiger Bekundungen oder aufgrund mehrfacher erfolgloser Zwangsgeldandrohungen klar erkennbar, dass die Behörde unter dem Druck des Zwangsgeldes nicht einlenkt, gebietet es das Gebot effektiven Rechtsschutzes, von der nach § 167 VwGO möglichen „entsprechenden“ Anwendung zivilprozessualer Vorschriften Gebrauch zu machen und einschneidendere Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Behörde zu rechtmäßigem Handeln anzuhalten (BVerfG, B.v. 9.8.1999 a.a.O. S. 1646). Die Durchführung des nach § 172 Satz 1 VwGO einer Zwangsgeldfestsetzung obligatorisch vorgeschalteten Androhungsverfahrens steht deshalb der gebotenen effektiven Durchsetzung rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidungen auch gegenüber der öffentlichen Hand nicht entgegen.

2. Vollstreckbarkeit des Urteils vom 9. Oktober 2012

Dieses Urteil statuiert eine Verpflichtung des Beklagten, deren Inhalt und Umfang sich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels, hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs, in Ansehung dessen dieses Ziel zu verwirklichen ist, sowie hinsichtlich eines einzelnen zu diesem Zweck zu ergreifenden Mittels - nämlich der Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in eine künftige Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München - im Weg der Auslegung eindeutig bestimmen lässt; es ist deshalb vollstreckbar.

2.1 Räumliche Reichweite der im Urteil vom 9. Oktober 2012 auferlegten Verpflichtung

Eindeutig ist der dem Beklagten in diesem Urteil erteilte Rechtsbefehl zunächst hinsichtlich seines räumlichen Geltungsbereichs. Die Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für München so zu ändern, dass die im Tenor des zu vollstreckenden Urteils genannten drei Immissionsgrenzwerte schnellstmöglich eingehalten werden, beschränkt sich nicht auf den näheren Umgriff derjenigen beiden öffentlichen Verkehrsflächen in München, an denen sich die Messstationen befinden, die auch in jüngerer Zeit noch Grenzwertüberschreitungen registriert haben (d.h. auf den Stachus sowie einen bestimmten Abschnitt der Landshuter Allee). Desgleichen ist diesem Urteil eine Begrenzung seines Regelungsgehalts auf das innerhalb des Mittleren Rings liegende Stadtgebiet der Beigeladenen (d.h. die bereits vorhandene Umweltzone) fremd. Nach dem eindeutigen, keiner relativierenden Auslegung zugänglichen Wortlaut der Nummer I des Tenors des zu vollstreckenden Urteils umfasst die auferlegte Verpflichtung vielmehr das gesamte „Stadtgebiet von München“.

2.2 Sachliche Reichweite der zu vollstreckenden Verpflichtung

Eindeutig ist ferner die sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebende Verpflichtung des Beklagten, die bisherige Überschreitung der im Tenor dieser Entscheidung genau bezeichneten Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (Partikel PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) abzustellen.

Spürbar eingeschränkt wird die Weite dieser Verpflichtung durch den Umstand, dass das Urteil nicht die „sofortige“, sondern nur die „schnellstmögliche“ Einhaltung dieser Grenzwerte verlangt. Es bringt damit zum Ausdruck, dass der Beklagte nur die Aufnahme solcher Maßnahmen in den Luftreinhalteplan schuldet, zu deren Durchführung die nach den einschlägigen Bestimmungen hierfür zuständigen Träger öffentlicher Gewalt (vgl. § 40 Abs. 1 und § 47 Abs. 6 BImSchG) tatsächlich und rechtlich in der Lage sind. Eine weitere Eingrenzung ergibt sich aus dem ebenfalls in die Nummer I des Urteilstenors ausdrücklich aufgenommenen Kriterium der „Erforderlichkeit“ der jeweiligen Maßnahme. „Erforderlich“ sind nach allgemeinem verwaltungsrechtlichem Sprachgebrauch nur solche Handlungen der öffentlichen Gewalt, bei denen sich die Relation zwischen ihrer Eignung, das zu verwirklichende Ziel zu erreichen, und den damit für die Allgemeinheit oder für Einzelne einhergehenden Belastungen vorteilhafter als bei zur Verfügung stehenden Alternativmaßnahmen darstellt. Der Gesichtspunkt der „Erforderlichkeit“ einer Maßnahme umschreibt damit einen Teilaspekt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dessen Beachtung der öffentlichen Verwaltung bei der Auswahl der in einen Luftreinhalteplan aufzunehmenden Maßnahmen und ihrer näheren Ausgestaltung durch § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG überdies ausdrücklich aufgegeben wird.

Für die Vollstreckung des Urteils vom 9. Oktober 2012 ergeben sich hieraus bedeutsame Konsequenzen. Behauptet der Vollstreckungsschuldner, er habe mit den seit dem Erlass des zu vollstreckenden Urteils ergriffenen Maßnahmen das ihm (derzeit) zur Verfügung stehende Instrumentarium ausgeschöpft, während der Vollstreckungsgläubiger - wie vorliegend - eine Vielzahl weiterer Handlungsoptionen aufführt, die ohne rechtfertigenden Grund nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen worden seien, so besteht die Gefahr, dass das Vollstreckungsverfahren unter Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits mit Sachfragen überfrachtet wird (so zu Recht BVerwG, U.v. 5.9.2013 - 7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 54). Denn die Beantwortung der Frage, ob dieses Vorbringen des Vollstreckungsgläubigers zutrifft, setzt nicht nur die Prüfung voraus, ob die von ihm benannten Maßnahmen zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind; wegen der sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 und § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebenden Verpflichtung der zuständigen Behörden, die in einen Luftreinhalteplan aufgenommenen Aussagen umzusetzen (vgl. dazu z.B. Fisahn in Kotulla, BImSchG, Stand November 2004, § 40 Rn. 18; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 Teil II, § 40 BImSchG Rn. 27; Hansmann/Röckinghausen in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. III, Stand September 2010, § 47 BImSchG Rn. 29 f.; Jarass BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 40 Rn. 11 und § 47 Rn. 52 - 55), müssen sowohl die materielle Rechtmäßigkeit der jeweils in Streit stehenden Maßnahme als auch ihre Vollzugsfähigkeit zumindest in allen wesentlichen Punkten bereits vor ihrer Einstellung in den Plan geklärt sein. Bejaht oder verneint das Gericht in einem Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO die Existenz eines weiteren, vom Vollstreckungsschuldner bisher nicht berücksichtigten Instruments zur Luftreinhaltung (mit der daraus resultierenden Pflicht zur Aufnahme dieses Instruments in einen Plan nach § 47 Abs. 1 BImSchG), so übernimmt es die Verantwortung nicht nur für die materielle Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme einschließlich ihrer Verhältnismäßigkeit, sondern auch für ihre rechtliche und tatsächliche Vollziehbarkeit.

Vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeit ist es zu verstehen, wenn das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) angemerkt hat, der Vollstreckungsfähigkeit einer gerichtlichen Entscheidung der vorliegenden Art werde dadurch Rechnung getragen, dass die Entscheidung hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen im Sinne eines Bescheidungsurteils verbindliche Vorgaben machen könne, die im Vollstreckungsverfahren zu beachten seien. Dieser Aussage kommt Beachtlichkeit auch im vorliegenden Zusammenhang zu, da die Tenorierung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 (4 K 165/12.WI - juris), das der Revisionsentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) zugrunde lag, mit der Entscheidungsformel des vorliegend verfahrensgegenständlichen Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. Oktober 2012 im Wesentlichen übereinstimmt. Den vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigten Weg, verbindliche Vorgaben hinsichtlich der in Betracht zu ziehenden Maßnahmen bereits in die das Erkenntnisverfahren abschließende Entscheidung aufzunehmen, hat das zu vollstreckende Urteil allerdings nicht beschritten. Insbesondere kann der in Abschnitt 2.5 der Entscheidungsgründe dieses Urteils enthaltene Hinweis auf die aus der Sicht des Verwaltungsgerichts bestehende Option einer Ausdehnung der Umweltzone nicht als eine solche Vorgabe verstanden werden; die dortigen Darlegungen dienen vielmehr lediglich dazu, beispielhaft aufzuzeigen, dass dem Beklagten weitere, bisher nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten zur Verfügung stehen.

Aus den knappen Ausführungen in der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) kann entgegen der Auffassung, die in den Beschlüssen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Mai 2016 (9 E 448/16 - juris; 9 E 450/16 - juris) zum Ausdruck gelangt, indes nicht hergeleitet werden, gerichtliche Entscheidungen, die die öffentliche Gewalt zum Erlass oder zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verpflichten, seien nur dann - und auch das nur insoweit - vollstreckbar, als sie zumindest in den Entscheidungsgründen eine oder mehrere Maßnahme(n) benennen, die dieser Plan zwingend zu enthalten hat.

Einer solchen Annahme steht zunächst entgegen, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Randnummer 56 des Urteils vom 5. September 2013 (a.a.O.) davon spricht, dass eine solche Entscheidung verbindliche Vorgaben der dort näher bezeichneten Art machen „kann“. Mehr noch fällt ins Gewicht, dass das Bundesverwaltungsgericht unmittelbar zuvor - nämlich in den Randnummern 54 f. der Entscheidungsgründe des gleichen Urteils - die Ordnungsgemäßheit des Klageantrags, der dem in jenem Revisionsverfahren zu überprüfenden Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 16. August 2012 (4 K 165/12.WI - juris Rn. 15) zugrunde lag (er stimmt mit dem in der Streitsache M 1 K 12.1046 gestellten Klageantrag - abgesehen von der hier vorgenommenen zusätzlichen Einbeziehung der Immissionsgrenzwerte nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV - praktisch wortgleich überein), als dem Bestimmtheitserfordernis genügend bezeichnet hat. Diese Einstufung erfolgte ausdrücklich auch mit Blickrichtung auf das Postulat der Vollstreckbarkeit der auf einen solchen Antrag hin ergehenden gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, U.v. 5.9.2013 a.a.O. Rn. 54 a.E.). Da gerade bei Leistungsklagen - eine solche lag sowohl dem vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängig gemachten Verfahren 4 K 165/12.WI als auch dem hier zu vollstreckenden Urteil des Verwaltungsgerichts München zugrunde - ein Klageantrag nur zulässig ist, wenn er zu einer vollstreckungsfähigen Entscheidung führen kann (Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand April 2006, § 82 Rn. 7), darf nicht davon ausgegangen werden, ein Urteil, das einen vom Bundesverwaltungsgericht als hinreichend bestimmt bezeichneten Klageantrag unverändert übernimmt, sei unvollstreckbar. Die Bedeutung des Hinweises in der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (a.a.O.) kann deshalb nur darin gesehen werden, dass die - fakultative - Benennung von Maßnahmen, die der verurteilte Träger öffentlicher Gewalt beim Erlass oder bei der Fortschreibung eines Luftreinhalteplans in Betracht zu ziehen hat, in den Entscheidungsgründen eines diesbezüglichen Urteils dessen Vollstreckung erleichtert, weil das Vollstreckungsverfahren hierdurch von materiellrechtlichen Fragen entlastet wird, ohne dass die Vollstreckbarkeit derartiger Erkenntnisse unabdingbar von der Aufnahme einschlägiger Aussagen in die Gründe der Entscheidung abhängt.

Damit in Einklang steht, dass auch die Zivilgerichte es als für die Vollstreckung eines Urteils ausreichend ansehen, wenn darin die geschuldete Handlung lediglich in Gestalt des zu erzielenden, bestimmt bezeichneten Erfolgs umschrieben wird (Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 5 mit umfangreichen Nachweisen in der Fn. 12).

Bestätigt wird das vorstehend dargestellte Ergebnis ferner durch den Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312 Rn. 56) davon spricht, die Gerichte könnten den für die Erstellung von Luftreinhalteplänen zuständigen Behörden verbindliche Vorgaben „im Sinne eines Bescheidungsurteils“ hinsichtlich der „in Betracht zu ziehenden“ Maßnahmen erteilen. Dem Bundesverwaltungsgericht steht insoweit mithin nicht die Fallgestaltung vor Augen, dass ein Träger öffentlicher Gewalt zum Erlass oder zur Fortschreibung eines Luftreinhalteplans verurteilt wurde, der nach den Vorgaben des erkennenden Gerichts (mögen sie sich im Tenor oder in den Gründen der Entscheidung finden) konkrete, bereits vom Gericht verbindlich vorgegebene Maßnahmen auf jeden Fall zu enthalten hat; denn in dieser Konstellation liegt gerade kein Bescheidungs-, sondern ein „klassisches“ Leistungsurteil vor. Für Bescheidungsaussprüche ist demgegenüber kennzeichnend, dass sie die öffentliche Verwaltung dazu verpflichten, bestimmte Prüfungen oder Erwägungen vorzunehmen. Betreibt der obsiegende Rechtsschutzsuchende die Vollstreckung aus einem Urteil der letztgenannten Art mit der Begründung, die zuständige Behörde habe die geschuldete Prüfung bzw. die vorzunehmenden Erwägungen nicht in einer den Vorgaben des Gerichts entsprechenden Weise durchgeführt bzw. sei hierbei zu nicht rechtskonformen Ergebnissen gelangt, so können sich in einem solchen Vollstreckungsverfahren Sach- und Rechtsfragen stellen, die sich u. U. nur graduell von denen unterscheiden, die dann aufgeworfen sind, wenn das erkennende Gericht - wie im Urteil vom 9. Oktober 2012 geschehen - von „Vorgaben im Sinne eines Bescheidungsurteils“ gänzlich abgesehen hat.

Begrenzt ist der Nutzen von „Prüfaufträgen“, „Erwägungsgeboten“ oder ähnlichen Vorgaben im Sinn der Randnummer 56 des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. September 2013 (7 C 21.12 - BVerwGE 147, 312), die der öffentlichen Verwaltung nur eine verfahrensrechtliche Verpflichtung sowie eine Begründungslast auferlegen, ohne das Ergebnis der geschuldeten Vergewisserung vorwegzunehmen, schließlich in all den Fällen, in denen das zu vollstreckende Urteil den zuständigen Träger öffentlicher Gewalt - wie vorliegend der Fall - dazu verpflichtet, aus der Gesamtheit des tatsächlich und rechtlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums eine nicht näher beschriebene Auswahl zu treffen, um der Nichteinhaltung verbindlicher Immissionsgrenzwerte ein Ende zu setzen. Etwaige gerichtliche Hinweise über in diesem Zusammenhang in Betracht kommende Handlungsoptionen würden in derartigen Konstellationen stets nur beispielhaften Charakter tragen und andere zielführende Maßnahmen nicht ausschließen. Rügt der Vollstreckungsgläubiger, der Vollstreckungsschuldner habe ein Urteil der vorbezeichneten Art deshalb nicht vollständig erfüllt, weil er Instrumente nicht in den Luftreinhalteplan aufgenommen habe, die rechtlich zulässig und tatsächlich realisierbar seien, ohne dass das erkennende Gericht sie in den Gründen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung als „in Betracht zu ziehende Maßnahmen“ erwähnt hat, so stellt sich im Vollstreckungsverfahren ebenfalls die Notwendigkeit, einem derartigen - entscheidungserheblichen - Vorbringen nachzugehen. Auch dieser Umstand erhellt, dass die Vollstreckungsfähigkeit eines Urteils, das die öffentliche Gewalt zur schnellstmöglichen Einhaltung von genau bezeichneten Immissionsgrenzwerten im Weg der Luftreinhalteplanung verpflichtet, nicht damit „stehen oder fallen“ kann, ob die Entscheidungsgründe eines solchen Erkenntnisses verbindliche Vorgaben „über in Betracht zu ziehende“ Maßnahmen enthalten.

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang schließlich, dass das in § 172 VwGO erwähnte „Gericht des ersten Rechtszuges“ in nach dieser Vorschrift durchzuführenden Verfahren - ebenso wie das gemäß § 887 Abs. 1, § 888 Abs. 1 Satz 1 und § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Fall ist - zutreffender Auffassung zufolge als Prozess-, nicht aber als Vollstreckungsgericht tätig wird (Pietzner in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 167 Rn. 94; Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2011, § 172 Rn. 7). Die Befugnisse des im Vollstreckungsverfahren tätigen Prozessgerichts - z.B. zur Auslegung des zu vollstreckenden Titels - aber reichen weiter als diejenigen anderer Vollstreckungsorgane (Brehm in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, § 887 Rn. 5; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1995, vor § 704 Fn. 127). Insbesondere kann es dann, wenn Inhalt und Grenzen des im Erkenntnisverfahren zugesprochenen Anspruchs im Hinblick auf künftige Entwicklungen noch nicht in vollem Umfang eindeutig bezeichnet werden konnten, die nötige Bestimmung selbst vornehmen, soweit dies aus dem Titel einschließlich der Entscheidungsgründe oder aufgrund allgemein zugänglicher, leicht und sicher feststellbarer anderer Urkunden, auf die der Titel verweist, möglich ist (BGH, B.v. 4.3.1993 - IX ZB 55/92 - BGHZ 122, 16/18). Statthaft - und ggf. auch geboten - sind deshalb im Verfahren nach § 172 VwGO die Konkretisierung eines zu vollstreckenden Urteils, das die Behörde zu bauaufsichtlichen Maßnahmen gegen einen Grundstücksnachbarn des Vollstreckungsgläubigers verpflichtet, dahingehend, dass diesem Gebot nicht bereits durch den Erlass einer bauaufsichtlichen Verfügung, sondern erst durch deren Durchsetzung im Wege des Verwaltungszwangs entsprochen wird (OVG NW, B.v. 20.2.1992 - 10 E 1357/91 - NVwZ-RR 1992, 518), ferner die in einem solchen Verfahren getroffene Feststellung, dass die Übertragung eines bestimmten konkret-funktionellen Amtes der rechtskräftig ausgesprochenen Verpflichtung zur Beschäftigung eines Beamten auf einem nach der Besoldungsgruppe A 14 bewerteten Dienstposten nicht genügt (NdsOVG, B.v. 12.9.2006 - 5 OB 194/06 - NVwZ-RR 2007, 139), und die Aussage, dass ein Urteil, das eine Straßenverkehrsbehörde zu einer „spürbaren“ und „effektiven“ Verringerung der von einer Straße ausgehenden Geräusche verpflichtet, so zu verstehen ist, dass eine Lärmreduzierung um mindestens 3 bis 5 dB(A) angestrebt werden muss (BayVGH, B.v. 12.7.2007 - 11 C 06.868 - juris Rn. 28 - 30).

2.3 Unionsrechtliche Determinanten für die gerichtliche Handhabung des Vollstreckungsrechts in Fällen der vorliegenden Art

Eine gerichtliche Entscheidung der hier inmitten stehenden Art jedenfalls dem Grunde nach als vollstreckungsfähig anzusehen, ist auch unter unionsrechtlichem Blickwinkel geboten. Im Urteil vom 19. November 2014 (C-404/13 - NVwZ 2015, 419) hat der Europäische Gerichtshof die Verpflichtung der Gerichte der Mitgliedstaaten betont, dann gegenüber der zuständigen nationalen Behörde „jede erforderliche Maßnahme“ wie z.B. eine Anordnung (im englischen Originaltext: „any necessary measure, such as an order in the appropriate terms“) zu erlassen, damit diese Behörde einen nach der Richtlinie 2008/50/EG erforderlichen Plan gemäß den darin vorgesehenen Bedingungen erstellt, falls dieser Mitgliedstaat die sich aus Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 der genannten Richtlinie ergebenden Anforderungen (zu ihnen gehört u. a. die Pflicht zur Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im Jahresmittel ab dem 1.1.2010) verfehlt und er um keine Fristverlängerung gemäß Art. 22 der Richtlinie 2008/50/EG nachgesucht hat.

Liegt - wie hier - bereits ein rechtskräftiges Urteil vor, das die zuständige Behörde zum Erlass eines richtlinienkonformen Luftreinhalteplans verpflichtet, so kann die nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2014 (a.a.O.) gebotene gerichtliche „order in the appropriate terms“ nur darin bestehen, für eine effektive Durchsetzung dieses Urteils im Vollstreckungswege Sorge zu tragen. Die Verweisung des obsiegenden Rechtsschutzsuchenden auf die Möglichkeit einer erneuten Klage wäre mit den in dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs statuierten Pflichten der Gerichte des betroffenen Mitgliedstaats zum einen wegen des damit verbundenen weiteren Zeitverlusts, zum anderen - und vor allem - deswegen nicht vereinbar, weil die Befolgung eines solches Urteils zunächst wiederum von der diesbezüglichen Bereitschaft des Beklagten und der Beigeladenen abhinge; sollte sie weiterhin nicht (in genügendem Maß) bestehen, würde sich die Problematik der Durchsetzung derartiger Entscheidungen erneut stellen.

2.4 Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollstreckungsverfahrens bei der Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung der inmitten stehenden Art

Notwendiges Korrelat der Erfordernisse, die sich aus dem Postulat der effektiven Durchsetzung des Unionsrechts sowie dem Gebot der Wirksamkeit der Vollstreckung von gegen die öffentliche Verwaltung ergangenen Gerichtsentscheidungen (BVerfG, B.v. 9.8.1999 - 1 BvR 2245/98 - DVBl 1999, 1646) für den Umfang der vorliegend veranlassten Sach- und Rechtsprüfung ergeben, ist eine Ausgestaltung des Vollstreckungsverfahrens, die die Rechte der Beteiligten - insbesondere den Anspruch des Vollstreckungsschuldners und anderer durch Vollstreckungsmaßnahmen nachteilig Betroffener auf rechtliches Gehör - in besonders sorgfältiger Weise wahrt. Die eingehende schriftsätzliche Aufbereitung des Streitstoffs im ersten Rechtszug und im Beschwerdeverfahren, vor allem aber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in beiden Instanzen dienen diesem Zweck.

2.5 Grenzen der gerichtlichen Befugnisse in derartigen Vollstreckungsverfahren

Bei alledem darf nicht verkannt werden, dass das Vollstreckungsverfahren nach § 172 VwGO nicht die Funktion des regulären Erkenntnisverfahrens übernehmen kann. Das folgt nicht zuletzt daraus, dass in diesem Verfahren gemäß § 152 Abs. 1 VwGO keine Möglichkeit der Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts besteht. Dies schließt es vor allem aus, im Vollstreckungsverfahren bei der Prüfung, ob dem Vollstreckungsschuldner bisher noch ungenutzte Möglichkeiten zur Erfüllung der ihm rechtskräftig auferlegten Verpflichtung zur Verfügung stehen, rechtliche Fragen zu beantworten, die gemäß § 137 Abs. 1 VwGO letztinstanzlich der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts unterliegen, sofern sie höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt wurden und sich das zutreffende Normverständnis nicht unmittelbar und zweifelsfrei aus dem geschriebenen Recht ergibt; durch eine gegenläufige Vorgehensweise würde den unterliegenden Beteiligten eine von Gesetzes wegen grundsätzlich eröffnete Rechtsmittelmöglichkeit abgeschnitten.

3. Keine gesonderte Zwangsgeldandrohung hinsichtlich des Stundenmittelwerts für Stickstoffdioxid und des Tagesmittelwerts für Partikel PM10

Die Beschwerde des Beklagten hat zunächst insoweit Erfolg, als sich die Androhung eines Zwangsgelds vorliegend auf den Teil des Urteils vom 9. Oktober 2012 zu beschränken hat, durch den dem Beklagten die Änderung des Luftreinhalteplans für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV bezeichneten Immissionsgrenzwerts im Stadtgebiet von München aufgegeben wurde.

Nach den glaubhaften Angaben, die sich u. a. in der Tabelle 2/7 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München (Seite 16) finden und deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, wurde der in § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV für Partikel PM10 festgesetzte Grenzwert von 50 µg/m³ am Stachus letztmals im Jahr 2010 und an der Landshuter Allee zuletzt im Jahr 2011 öfter als an 35 Tagen im Jahr nicht eingehalten. Für zutreffend erachtet der Verwaltungsgerichtshof ferner die Angabe des Beklagten, dass die im Jahr 2013 an der Landshuter Allee registrierten 39 Überschreitungstage gemäß § 25 der 39. BImSchV deshalb auf 30 zu reduzieren sind, weil die im Lauf jenes Jahres zu verzeichnende Nichteinhaltung des 50-µg/m³-Kriteriums an neun Tagen auf der Ausbringung von Streusalz beruhte. Dass die Grenzwerte für Partikel PM10 im Gebiet der Beigeladenen mittlerweile eingehalten werden, hat der Kläger eingangs des Abschnitts I des Schriftsatzes seiner Bevollmächtigten vom 27. April 2016 im Übrigen ausdrücklich eingeräumt.

Allerdings geht der Beklagte selbst davon aus, ungeachtet dieser positiven Entwicklung könnten in den nächsten Jahren bei ungünstigen meteorologischen Bedingungen einzelne Überschreitungen des in § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV festgesetzten Grenzwerts nicht ganz ausgeschlossen werden (vgl. z.B. Seite 13 f., Seite 17 und Seite 76 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München). Abhängig vom weiteren Verlauf der Witterung kann eine solche Gegebenheit bereits im Jahr 2017 eintreten. Ob es hierzu kommt, muss freilich - wie die mündliche Verhandlung ergeben hat - als in jeder Hinsicht offen gelten.

Der Beklagte hat ferner glaubhaft darauf hingewiesen, dass an der Landshuter Allee im Jahr 2016 erstmals auch der Stundenmittelwert für Stickstoffdioxid (§ 3 Abs. 1 der 39. BImSchV) nur noch weniger häufig überschritten wurde, als das von Rechts wegen zulässig ist. Insoweit ist derzeit freilich ebenfalls ungesichert, ob es sich hierbei um einen einmaligen Befund oder um eine dauerhafte Entwicklung handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof lässt es dahinstehen, wie es sich auf den Fortbestand der Pflicht des Beklagten zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München mit dem Ziel der Einhaltung der in § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV festgesetzten Immissionsgrenzwerte auswirkt, dass eine Nichteinhaltung dieser beiden Grenzwerte aktuell nicht mehr mit Sicherheit bejaht werden kann. Denn der Kläger besitzt an der Androhung eines Zwangsgeldes mit dem Ziel der Aufnahme von Maßnahmen in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, die der schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 der 39. BImSchV dienen, derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis. Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge, wie sie der Beklagte in Befolgung des Urteils vom 9. Oktober 2012 nach näherer Maßgabe dieser Beschwerdeentscheidung vorzubereiten und nach Ausräumung der insoweit derzeit bestehenden rechtlichen Unklarheiten in den Luftreinhalteplan aufzunehmen hat, werden nämlich allen erkennbaren Umständen nach bewirken, dass an den hiervon betroffenen Straßen(abschnitten) außer der Stickstoffdioxidkonzentration auch die Belastung mit Partikeln PM10 weiter zurückgehen wird. Dies folgt allein schon aus der Verringerung des Verkehrsaufkommens, das mit einem Ausschluss von Dieselfahrzeugen von der Benutzung bestimmter Strecken einhergeht. Sofern der Beklagte derartige Verkehrsverbote - wie er dies nach dem Urteil vom 9. Oktober 2012 schuldet - so ausgestaltet, dass sie auch während derjenigen Zeitabschnitte im Tagesverlauf gelten, während derer an den insoweit problematischen Straßen(abschnitten) eine besonders hohe Stickstoffdioxidbelastung der Luft zu verzeichnen ist, werden solche Maßnahmen aller Voraussicht nach auch bewirken, dass der Immissionsgrenzwert nach § 3 Abs. 1 der 39. BImSchV auf Dauer nicht mehr häufiger überschritten werden wird, als dies von Rechts wegen zulässig ist.

4. Nichterfüllung der sich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV

Jedenfalls hinsichtlich der Verpflichtung, den Luftreinhalteplan für die Stadt München so zu ändern, dass der über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ im gesamten Stadtgebiet eingehalten wird, ist der Beklagte dem Rechtsbefehl, der sich diesbezüglich aus dem Urteil vom 9. Oktober 2012 ergibt, bisher nicht gerecht geworden.

Dabei ist auch der verfassungsrechtliche Hintergrund zu beachten, von dem dieses Urteil ausgeht: Denn aus dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) folgt die Pflicht der staatlichen Organe, sich schützend und fördernd vor diese Rechtsgüter zu stellen (BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 - BVerfGE 39, 1/41; U.v. 16.10.1977 - 1 BvQ 5/77 - BVerfGE 46, 160/164; B.v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 - BVerfGE 53, 30/57; B.v. 14.1.1981 - 1 BvR 612/72 - BVerfGE 56, 54/73; U.v. 15.2.2006 - 1 BvR 357/05 - BVerfGE 115, 118/152 sowie jüngst BVerfG, B.v. 26.7.2016 - BvL 8/15 - NJW 2017, 53 Rn. 69). Dass dieses Grundrecht durch die nunmehr bereits seit mehr als sieben Jahre andauernde unzulässig hohe NO2-Belastung zahlreicher Straßen(abschnitte) in gravierender Weise beeinträchtigt wird, hat der Kläger im Vollstreckungsverfahren überzeugend aufgezeigt. Zu verweisen ist insofern namentlich auf die Ausführungen in dem aus dem Jahr 2013 stammenden Bericht der Weltgesundheitsorganisation „Review of evidence on health aspects of air pollution“, auf den die Klagebevollmächtigten auf Seite 29 ihres Schriftsatzes vom 27. April 2016 verwiesen haben. Dieser Ausarbeitung zufolge (vgl. namentlich die Ausführungen auf der dortigen Seite 73) haben viele seit dem Jahr 2004 publizierte Studien Zusammenhänge zwischen kurzzeitigen Schwankungen der NO2-Konzentration und Veränderungen hinsichtlich der Zahl der Todesfälle, der Krankenhausaufnahmen und dem Auftreten von Atemwegssymptomen dokumentiert; weitere nunmehr veröffentlichte Untersuchungen würden Verknüpfungen zwischen der NO2-Langzeitexposition und der Mortalität sowie der Morbidität aufzeigen. Sowohl die Kurzals auch die Langzeitstudien hätten zudem ergeben, dass diese Wirkungen bei Konzentrationen einträten, die im Bereich der gegenwärtig geltenden unionsrechtlichen Grenzwerte oder sogar unter ihnen lägen (vgl. zur Vielzahl der seit 2005 gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die - u. a. in Bezug auf Stickstoffdioxid - Zusammenhänge zwischen nachteiligen gesundheitlichen Folgen und einem Belastungsniveau aufzeigen, das unterhalb der Luftqualitätsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation liegt, auf denen die im Anhang XI der Richtlinie 2008/50/EG festgelegten Grenzwerte beruhen, Seite 182 sowie - speziell in Bezug auf Stickstoffdioxid - Seite 185 des Berichts „Review of evidence on health aspects of air pollution“). Überlegungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, die - wie das in Abschnitt 6.4 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts des vom Beklagten beauftragten Sachverständigenbüros geschehen ist - Maßnahmen in Erwägung ziehen, die dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrag für menschliches Leben und menschliche Gesundheit allenfalls mit Blickrichtung auf einen kleinen Teil der betroffenen Bevölkerung gerecht werden, stellen keine ausreichenden Schritte zur Umsetzung des zu vollstreckenden Urteils dar.

Das Verwaltungsgericht hat im Beschluss vom 21. Juni 2016 zutreffend aufgezeigt, dass auch die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht als ausreichende Erfüllung dieses Urteils anerkannt werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Verwaltungsgerichtshof in entsprechender Anwendung von § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die Ausführungen in Abschnitt II.3.b der Gründe jener Entscheidung Bezug.

Ausgenommen von dieser Verweisung ist die Kritik, die das Verwaltungsgericht im zweiten bis vierten Satz des letzten Absatzes auf Seite 15 des Beschlussumdrucks an der formalen Ausgestaltung der „funktionalen Leistungsbeschreibung“ geübt hat, die zum Zweck der Umsetzung der Maßnahme M 1 aus der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans erstellt worden sei. Wäre - wie das die sechste Fortschreibung insoweit vorsieht - die Einholung eines Gutachtens, das der „Ermittlung der verkehrlichen Bedingungen und Auswirkungen verkehrssteuernder Maßnahmen mit dem Ziel der Minderung der Verkehrsmenge auf besonders belasteten Abschnitten sowie deren Stickstoffdioxid-Minderungspotentials und sonstiger Auswirkungen auf die Luftqualität“ dient, tatsächlich geboten, um den Luftreinhalteplan für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung insbesondere des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV ändern zu können, so wäre nichts dagegen zu erinnern, dass die Leistungsbeschreibung weder einen Kopf noch ein Datum trägt und sie nicht unterschrieben ist.

Tatsächlich kann jedoch - wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat - die Einholung eines solchen Gutachtens nicht als eine Maßnahme anerkannt werden, die für eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München mit dem Ziel der schnellstmöglichen Einhaltung bisher überschrittener Grenzwerte geeignet und erforderlich ist. Zum Einen hat das diesbezügliche Vorgehen des Beklagten zu vermeidbaren Verzögerungen bei den eigentlich erforderlichen Maßnahmen geführt (4.1). Zudem reichen die bereits jetzt absehbaren Ergebnisse des eingeholten Gutachtens nicht aus, das durch das zu vollstreckende Urteil vorgegebene Ziel zu erreichen (4.2).

4.1 Vermeidbare Zeitverluste auf Grund des gemäß der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München einzuholenden Gutachtens

Die Erstellung einer solchen Ausarbeitung würde nur dann eine der rechtskonformen Umsetzung des Urteils vom 9. Oktober 2012 dienende Handlung darstellen, wenn sie erforderlich wäre, um bei den verantwortlichen Entscheidungsträgern vorhandene Wissensdefizite entweder hinsichtlich der Ursachen der fortdauernden Nichteinhaltung des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV bezeichneten Immissionsgrenzwerts oder aber darüber zu beheben, welche Handlungsmöglichkeiten grundsätzlich zur Verfügung stehen, um diesem rechtswidrigen Zustand so rasch als möglich ein Ende zu setzen. Hiervon kann indes keine Rede sein.

4.1.1 Herausragende Bedeutung des mit Dieselfahrzeugen abgewickelten Straßenverkehrs für die Stickstoffdioxidbelastung der Luft schon umfassend und zweifelsfrei bekannt

Bereits im Schreiben vom 18. Dezember 2014 an die Regierung von Oberbayern hat das Bayerische Landesamt für Umwelt festgehalten, der Maßnahme M 1 in der damals in Aussicht genommenen Fassung des Entwurfs der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München nicht zustimmen zu können, obgleich seinerzeit - anders als im endgültigen Wortlaut dieser Fortschreibung - noch in Aussicht genommen war, außer lediglich verkehrssteuernden Maßnahmen auch Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverbote zum Gegenstand des Gutachtensauftrags zu machen (vgl. die dem verfahrenseinleitenden Schriftsatz der Klagebevollmächtigten beigefügte Anlage Ast. 7). Die Entbehrlichkeit dahingehender erneuter Studien hat das Landesamt für Umwelt mit folgenden Worten begründet:

„Gerade für München liegen bereits umfangreiche Untersuchungen vor. Im anliegenden Vortrag von Herrn K* … vom 21.10.2014 zum Erfahrungsaustausch Luftreinhalteplanung bei der Regierung von Oberbayern ist auf Folie 6 übersichtlich dargestellt, wie sich die Immissionsbelastung von Stickstoffdioxid im Hauptstraßennetz von München verteilt. Uns stellt sich die Frage, zu welchen neuen Erkenntnissen eine weitere teure Untersuchung führen soll.“

Dass - und in welch herausragendem Ausmaß - das erforderliche Fachwissen über die Ursachen der verfahrensgegenständlichen Luftverunreinigungen und die zu ihrer Bekämpfung erforderlichen Schritte innerhalb des öffentlichen Dienstes selbst vorhanden ist, bestätigt eindrucksvoll vor allem die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erstellte, am 25. März 2015 abgeschlossene Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“.

Diese Studie, deren wichtigste Ergebnisse Eingang in Abschnitt 2.5 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München gefunden haben, zeigt detailgenau auf, in welchem Umfang Dieselfahrzeuge (verschiedener Kategorien) zur Belastung der Luft an der Landshuter Allee mit Stickstoffdioxid beitragen. Mit einem Anteil von fast 68% sei der lokale Kraftfahrzeugverkehr auf dieser Straße mit Abstand der größte Verursacher der NO2-Immissionen (Seite 2 der Studie vom 25.3.2015). Rechne man den durch Kraftfahrzeuge hervorgerufenen Beitrag „aus dem städtischen Hintergrund“ hinzu, ergebe sich, dass insgesamt ca. 81% des NO2- Immissionswerts an der Landshuter Allee durch den Kraftfahrzeugverkehr hervorgerufen würden (Seite 2 der Studie vom 25.3.2015). 91% der auf den lokalen Verkehr zurückzuführenden NO2-Immissionen wiederum werden durch Dieselfahrzeuge (Diesel-Pkw und schwere Nutzfahrzeuge) hervorgerufen (Seite 10 der Studie vom 25.3.2015).

Dieser Verantwortungsanteil des mit Dieselfahrzeugen abgewickelten Straßenverkehrs an der NO2-Belastung der Luft an der Landshuter Allee ist noch um jene Immissionen zu erhöhen, die nicht durch den lokalen Verkehr verursacht werden, sondern die aus dem städtischen und dem regionalen Hintergrund stammen. In diese Hintergrundbelastung, deren Anteil vom Bayerischen Landesamt für Umwelt auf 32% veranschlagt wurde (vgl. u. a. Seite 10 der Studie vom 25.3.2015, Abbildung 8), geht gleichfalls ein hoher verkehrsbedingter Anteil ein. Denn jedenfalls die „städtische Hintergrundbelastung“ mit Stickstoffdioxid stellt sich ebenfalls ganz überwiegend als verkehrsbedingt dar, wie den in der fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München enthaltenen, die Verhältnisse im Jahr 2012 wiedergebenden Tabellen 2/12 bis 2/15 entnommen werden kann. Die darin enthaltenen Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Anteil einzelner Verursacherarten (in Prozenten) an der NO2-Gesamtbelastung:

LÜB-Station

lokaler Verkehr

verkehrsbedingteHintergrundbelas- tung aus dem städtischen Raum

von genehmigungsbedürf- tigen Anlagen ausdem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung

von nichtgenehmigungsbe- dürftigen Anlagen aus dem städtischen Raum verursachteHintergrundbelastung

sonstige Einflüsseauf die ausdem städtischen Raum stammende Hintergrundbelas- tung

regionale Hintergrund- Belastung

Stachus

51,0

22,5

0,5

2,7

0,0

23,2

Landshuter Allee

67,8

13,3

0,3

1,7

0,0

16,9

Johanneskirchen

0,0

33,3

1,1

5,1

0,0

60,6

Loth Straße

11,4

37,2

1,1

4,7

0,0

45,6

Welch herausragende Rolle Dieselfahrzeugen an der verkehrsbedingten Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid zukommt, zeigt schließlich auch eine emissionsbezogene Betrachtungsweise. Nach den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt sind 75% der an der Landshuter Allee zu verzeichnenden, durch Kraftfahrzeuge hervorgerufenen NO2-Emissionen auf Personenkraftwagen mit Dieselantrieb und 23% auf schwere Nutzfahrzeuge zurückzuführen; lediglich 2% der verkehrsbedingten Stickstoffdioxidemissionen werden danach von Personenkraftwagen mit Benzinmotoren verursacht (Seite 6 der Studie vom 25.3.2015, Abbildung 5).

Der Beklagte geht selbst davon aus, dass die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt in Bezug auf die Landshuter Allee in München ermittelten Ursachen für die NO2- Belastung der Luft keine atypische Gegebenheit widerspiegeln, sondern sie zumindest dem Grunde nach verallgemeinerungsfähig sind. Denn eingangs des Abschnitts 2.5 der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München hat er festgehalten:

„Die bisherigen Verursacheranalysen der Luftreinhaltepläne in Deutschland zeigen deutlich, dass die NO2-Belastung an verkehrsbezogenen Messstellen maßgeblich von Kraftfahrzeugen (Kfz), insbesondere von Diesel-Kfz, verursacht wird.“

Auf die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt erstellte Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“ bezieht sich diese Fortschreibung im unmittelbaren Anschluss daran nur, um die Richtigkeit dieses ubiquitären Befunds exemplarisch zu verdeutlichen.

4.1.2 Wissen um die Unausweichlichkeit der Begrenzung des Dieselanteils am Straßenverkehr zum Zweck der Einhaltung der NO2-Immissionswerte bereits vorhanden

Auch hinsichtlich der zur Bekämpfung der Grenzwertüberschreitungen bei NO2 in Betracht kommenden Handlungsoptionen selbst bestehen innerhalb der öffentlichen Verwaltung keine Kenntnisdefizite, die durch Sachverständigengutachten behoben werden müssten. Am 16. Februar 2016 hat der LAI-Ausschuss „Luftqualität/Wirkungsfragen/Verkehr“, der sich aus Amtsträgern der Umweltverwaltungen des Bundes und der Länder zusammensetzt, eine mit „Handlungsbedarf und -empfehlungen zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte“ überschriebene Ausarbeitung vorgelegt, in der die aus fachlicher Sicht gebotenen Schritte dargestellt werden. Auch für dieses Fachgremium steht danach fest, dass wichtigster Verursacher für die Überschreitungen der Luftqualitätsgrenzwerte für Stickstoffdioxid, wie sie an etwa zwei Dritteln der in Deutschland an verkehrsreichen Straßen errichteten Messstationen zu verzeichnen seien, der motorisierte Straßenverkehr ist, und dass vier Fünftel dieses Verkehrsbeitrags von Dieselfahrzeugen stammen (Kernsätze 1 und 2 der LAI- Ausarbeitung). Zusätzliche Maßnahmen müssten deswegen vor allem hier ansetzen, um eine hohe Wirksamkeit zu entfalten und der gesetzlichen Vorgabe entsprechen zu können, die Überschreitungen so schnell wie möglich zu vermeiden (Kernsatz 3 der LAI-Ausarbeitung). Prioritärer Maßstab für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen habe der Schutz der Gesundheit der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Bevölkerung zu sein; dem Schutz dieser Menschen müsse Vorrang vor den Belangen der von Maßnahmen Betroffenen beigemessen werden (Kernsatz 4 der LAI-Ausarbeitung). Die Planung und Umsetzung zusätzlicher, auch einschneidender Maßnahmen sei vor dem Hintergrund des seitens der EU-Kommission gegen Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens unausweichlich, wobei die erforderlichen Schritte zeitnah eingeleitet und stringent verwirklicht werden müssten (Kernsätze 5 und 6 der LAI-Ausarbeitung). Angesichts des beträchtlichen Handlungsdrucks komme einer möglichst schnellen Umsetzbarkeit von Maßnahmen große Bedeutung zu; da die Möglichkeiten zur kurzfristigen Verbesserung der Fahrzeugflotte mit Blick auf die NOx-Emissionen begrenzt seien, müsse in den besonders belasteten Gebieten zusätzlich das Kfz-Verkehrsaufkommen gesenkt werden (Kernsatz 8 Teil 1 der LAI-Ausarbeitung). Da die unionsrechtlichen Abgasgrenzwerte für Dieselpersonenkraftfahrzeuge der Schadstoffklasse „Euro 5“ mit Blickrichtung auf eine NO2-Minderung unwirksam seien, die Richtlinie 2008/50/EG jedoch eine Ergebnisverpflichtung statuiere, habe die EU-Kommission ausdrücklich ein „Verbot von Dieselfahrzeugen in einigen städtischen Gebieten“ als mögliche Maßnahme zur Einhaltung der Grenzwerte benannt (Seite 7 der LAI-Ausarbeitung). Auch der Europäische Gerichtshof habe im Urteil vom 19. November 2014 (C-404/13 - NVwZ 2015, 419) klargestellt, dass die Grenzwerte nicht mehr überschritten werden dürften. Da dies gleichfalls einer Ergebnisverpflichtung entspreche, sei das planerische Ermessen dann eingeschränkt, „wenn allein die Wahl einer bestimmten Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lässt“ (Seite 8 der LAI-Ausarbeitung).

Zutreffend festgehalten hat der LAI-Ausschuss „Luftqualität/Wirkungsfragen/Verkehr“ in seiner Ausarbeitung vom 16. Februar 2016 in diesem Zusammenhang ferner, dass sich der von Rechts wegen geschuldete Erfolg innerhalb überschaubarer Zeit nicht als Folge eines veränderten NO2-Emissionsverhaltens von Dieselfahrzeugen einstellen wird. Denn die derzeit auf den Markt gelangenden Diesel-Pkw der Schadstoffklasse „Euro 6“ würden die durch diese Norm beabsichtigte Minderung der NOx- Emissionen bei Weitem nicht erreichen; insbesondere die im Jahr 2013 auf den Markt gelangten Kraftfahrzeuge dieser Schadstoffklasse würden zum Teil ähnlich hohe, in Einzelfällen sogar höhere Realemissionen verursachen, als sie im „Handbuch Emissionsfaktoren für städtische Fahrbedingungen“ im Mittel für Euro-5-Fahrzeuge angegeben würden (Seite 9 der LAI-Ausarbeitung). Was den NO2-Ausstoß anbetreffe (hierauf kommt es, wie der Verwaltungsgerichtshof ergänzend anmerkt, von Rechts wegen ausschließlich an), so könne „anhand der derzeitigen Datenlage keine gesicherte Schlussfolgerung in Richtung eines relevanten Rückgangs des NO2- Anteils am NOx im Abgas von Euro-6-Fahrzeugen gezogen werden“ (Seite 10 der LAI-Ausarbeitung).

4.1.3 Wissen um die Auswirkungen von Verkehrsbeschränkungen und -verboten für Dieselfahrzeuge

Aufgrund eigener Sachkunde in der Lage ist der Beklagte darüber hinaus schließlich, die Auswirkungen von Maßnahmen zu bewerten, die der Bekämpfung unzulässig hoher Stickstoffdioxidkonzentrationen in der Luft dienen. So hat das Bayerische Landesamt für Umwelt in Abschnitt 6 der Studie „Dieselfahrzeuge als Hauptverursacher der NO2-Belastung an stark befahrenen Straßen - Untersuchung am Beispiel der Landshuter Allee, München“ detailgenau aufgezeigt, wie sich ein Ausschluss (bestimmter Arten) derartiger Fahrzeuge von der Benutzung der Landshuter Allee auf die dortige NO2-Konzentration auswirken würde. Dass diese Behörde die Konsequenzen bestimmter Maßnahmen für die Belastung der Luft mit Schadstoffen exakt zu quantifizieren vermag, zeigt ferner die Stellungnahme, die das Bayerische Landesamt für Umwelt am 22. August 2012 gegenüber der Regierung von Oberbayern zu der Frage abgegeben hat, wie sich eine Verlängerung von Lärmschutzwänden, die Einführung von Geschwindigkeitsbeschränkungen sowie der Stufen 1 bis 3 der Umweltzone auf die NO2- und PM10-Belastung an der BAB 96 in München- Laim auswirken würden.

4.1.4 Wissen um die Problematik der rechtlichen Zulässigkeit insbesondere von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Das Ausmaß der innerhalb des öffentlichen Dienstes vorhandenen Sachkunde dokumentiert sich u. a. in den im Laufe des vorliegenden Beschwerdeverfahrens eingereichten Schriftsätzen der Landesanwaltschaft Bayern, in denen die - vom Verwaltungsgerichtshof aufgrund eigener Rechtsüberzeugung geteilten - Bedenken aufgezeigt wurden, die u. U. dagegen sprechen, dass sich Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge bereits mit dem gegenwärtig zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrsordnung in zweifelsfrei rechtskonformer Weise verlautbaren lassen.

4.2 Keine hinreichende Eignung der im eingeholten Gutachten in Aussicht genommenen Vorschläge zur Zielerreichung.

Bereits der Entwurf des zweiten Zwischenberichts des Gutachtens, das in Umsetzung der Maßnahme M 1 aus der sechsten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München eingeholt wurde, rechtfertigt darüber hinaus die Aussage, dass diese Ausarbeitung keine Beiträge enthalten wird, auf die sich der Beklagte stützen könnte, um dem Urteil vom 9. Oktober 2012 jedenfalls jetzt nachzukommen.

Der Entwurf eines zweiten Zwischenberichts des Sachverständigenbüros diskutiert in seinem Abschnitt 6 drei - jeweils in mehreren Varianten betrachtete - Maßnahmen, durch die sich die Stickstoffdioxidbelastung in Teilen des Gebiets der Beklagten verringern lasse. Keiner dieser Ansätze kann indes als hinreichend geeignet angesehen werden, das zu vollstreckende Urteil umzusetzen.

4.2.1 Keine hinreichende Eignung von Dosierungen des Verkehrszuflusses

Ausweislich der Ausführungen auf Seite 24 will der Entwurf des zweiten Zwischenberichts eine Dosierung des Verkehrszuflusses in (nicht exakt bezeichnete) zentrale oder zentrumsnahe Bereiche des Stadtgebiets der Beigeladenen durch „eine Erhöhung von Widerständen an Knoten“ erreichen. Da auf Seite 25 der gleichen Ausarbeitung von einer Erhöhung des „Widerstands“ für in bestimmte Richtungen fahrende Verkehrsteilnehmer an der Kreuzung der Prinzregenten Straße und des Leuchtenbergrings um 15 Sekunden die Rede ist und im Anschluss daran (Abschnitt 6.1.2 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts) untersucht wird, wie sich eine Erhöhung der Abbiegewiderstände an allen Knotenpunkten im Verlauf der Prinzregenten Straße auf die verkehrliche Frequentierung dieser Straße auswirken würde, kann als gesichert gelten, dass das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro insoweit eine Verlängerung der Rotphasen von Lichtsignalanlagen in Erwägung gezogen hat.

Der Entwurf des zweiten Zwischenberichts räumt in Abschnitt 6.1.1 selbst ein, dass der Erfolg einer solchen Maßnahme, würde sie sich nur auf eine einzige Lichtsignalanlage im Verlauf der untersuchten Prinzregenten Straße beschränken, „sehr gering“ bliebe, da sich der Verkehr alsdann zum größten Teil auf die Einstein Straße verlagern würde, die ihrerseits bereits hohe Immissionswerte aufweise. Eingangs des Abschnitts 6.2 hält die gleiche Ausarbeitung ferner fest, eine gezielte Zuflussdosierung, die einen gesamten Streckenzug umfasse, würde gleichfalls „nur eine kleinräumige Entlastung“ bewirken; würden die Rotphasen entlang der gesamten Prinzregenten Straße verlängert, wäre die ganze Einstein Straße bis zum Max-Weber Platz von einer Verkehrsverlagerung betroffen (Entwurf des zweiten Zwischenberichts, Seite 26).

Ein derartiges Ausweichverhalten der motorisierten Verkehrsteilnehmer könnte nach Auffassung des vom Beklagten beauftragten Sachverständigenbüros verhindert werden, wenn die „Widerstände“ an allen Knotenpunkten der Straßen, die radial auf den Mittleren Ring zulaufen, verlängert würden; dies zöge eine gleichmäßige Erhöhung der Reisezeit nach sich, ohne dass schnellere Alternativrouten zur Verfügung stünden. Im Entwurf des zweiten Zwischenberichts wird angenommen, dass durch eine derartige „gleichmäßige Erhöhung der Reisezeit der motorisierte Individualverkehr (MIV) unattraktiver wird und dies zu einer Reduktion des Kfz-Verkehres führt“ (Seite 29 dieser Ausarbeitung). Dass dieser Effekt zeitnah eintritt, ist allerdings sehr unsicher.

4.2.2 Keine hinreichende Eignung einer Sperrung der Altstadt der Beigeladenen für Kraftfahrzeuge

Nicht zielführend ist der Ansatz, das gesamte innerhalb des Altstadtrings der Beigeladenen liegende Gebiet für Kraftfahrzeuge (generell oder für solche bestimmter Art) zu sperren, wie dies das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro in Abschnitt 6.4 des Entwurfs seines zweiten Zwischenberichts zur Diskussion stellt.

Dies ergibt sich bereits daraus, dass nach derzeitigem Kenntnisstand die für Stickstoffdioxid geltenden Immissionsgrenzwerte an keiner einzigen innerhalb des Altstadtrings liegenden Straße überschritten werden. Der Beklagte hat in die Anlage 2 zur fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München als Abbildungen A 2/1 und A 2/2 grafische Darstellungen aufgenommen, aus denen hervorgeht, wie hoch Hauptverkehrsstraßen im Gebiet der Beigeladenen nach dem Ergebnis eines Screenings, das im Jahr 2010 im Rahmen der „Machbarkeitsstudie Umweltorientiertes Verkehrsmanagement München - Simulationsstudie“ durchgeführt worden sei, im Jahresmittel mit Stickstoffdioxid belastet sind. Die innerhalb des Altstadtrings liegende Fläche des Stadtgebiets weist keine einzige einschlägige Eintragung auf. Ebenfalls keine einzige innerhalb des Altstadtrings liegende Straße enthält ferner die Tabelle 4-2, die Bestandteil der vorerwähnten Simulationsstudie ist; in ihr werden diejenigen Straßenabschnitte aufgeführt, die im Gebiet der Beigeladenen die höchste NO2-Gesamtbelastung aufweisen. Sollten an einzelnen Straßen innerhalb der Altstadt gleichwohl Überschreitungen des in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgesetzten Grenzwerts festzustellen sein, so spräche angesichts der geringen Frequentierung der Altstadt durch Lastkraftwagen (vgl. dazu S. 39 des Entwurfs des zweiten Zwischenberichts des beauftragten Sachverständigenbüros) sowie angesichts der wegen der zahlreichen dort befindlichen, ausgedehnten Fußgängerzonen und des fehlenden Durchgangsverkehrs nicht besonders hohen Verkehrsbelastung dieses Stadtteils nichts dafür, dass es sich um ein flächenhaft auftretendes Problem handelt.

Zwar erhofft der Entwurf des zweiten Zwischenberichts als Folge einer Sperrung der Altstadt der Beigeladenen eine Verkehrsentlastung des Altstadtrings selbst, auf dem es abschnittsweise (wie z.B. am Stachus) zu Überschreitungen des Immissionsgrenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV kommt, sowie wesentlicher radialer Zufahrtsstrecken zur Altstadt, für die ausweislich der vorerwähnten Tabelle 4-2 partiell der gleiche Befund gilt. Es fehlt jedoch jede - auch nur ansatzweise - Begründung dafür, dass es mangels anderweitiger Handlungsalternativen geboten und verhältnismäßig ist, den Bewohnern der Altstadt und den dort ansässigen Gewerbebetrieben jene Belastungen aufzuerlegen, die mit einem Benutzungsverbot für Kraftfahrzeuge einhergehen, um hinsichtlich des Altstadtrings sowie in Bezug auf außerhalb der Altstadt liegende, auf sie zuführende Straßen eine Verringerung der Stickstoffdioxidbelastung zu erzielen.

4.2.3 Keine hinreichende Eignung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge auf dem gesamten Mittleren Ring und der ganzen hiervon umschlossenen Fläche

Der im Entwurf des zweiten Zwischenberichts erörterte Vorschlag, auf und innerhalb des Mittleren Rings ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge zu erlassen, geht von dem zutreffenden Ansatz aus, dass sich Maßnahmen zur Bekämpfung unzulässig hoher NO2-Konzentrationen gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG ganz vorrangig gegen den Verkehr mit Dieselfahrzeugen zu richten haben, da diese Emissionsquelle nach dem Vorgesagten im weitaus größten Umfang zur Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid beiträgt. Unzureichend ist jedoch der räumliche Ansatz, den das vom Beklagten beauftragte Sachverständigenbüro insoweit gewählt hat.

Der Vorschlag greift insofern eindeutig zu kurz, als er von Maßnahmen hinsichtlich des außerhalb des Mittleren Rings liegenden Stadtgebiets vollständig absieht. Dies stellt deshalb keine pflichtgemäße Erfüllung des Urteils vom 9. Oktober 2012 dar, weil diese Entscheidung eine Änderung des Luftreinhalteplans dahingehend verlangt, dass die einschlägigen Immissionsgrenzwerte „im [gesamten] Stadtgebiet von München“ schnellstmöglich eingehalten werden, und der in § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV festgesetzte Immissionsgrenzwert auch außerhalb des Mittleren Rings überschritten wird. Aus der Abbildung A 2/1, die sich in der Anlage 2 zur fünften Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München findet, geht hervor, dass die danach höchstzulässige Konzentration für Stickstoffdioxid von 40 µg/m³ nach dem im Jahr 2010 durchgeführten Screening u. a. an zahlreichen Straßen im Stadtteil Milbertshofen, einigen Straßen im Stadtbezirk Feldmoching-Hasenbergl (namentlich an der Dülfer Straße) sowie an Teilen der Verdi- und der Fürstenrieder Straße überschritten wurde. Soweit das seinerzeitige Screening zu einer Nichteinhaltung des Grenzwerts nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV auch für wesentliche Teile des Ortszentrums von München-Pasing gelangte, erscheint es vorstellbar, dass dieser Befund als Folge der insoweit geschaffenen Umfahrungsstrecke ganz oder partiell gegenstandslos geworden sein könnte. Im Übrigen muss jedoch nicht zuletzt deshalb von der prinzipiellen Fortdauer dieser rechtswidrigen Zustände ausgegangen werden, weil die Messungen, die im Herbst 2016 im Auftrag der Ludwig-Bölkow-Stiftung im Gebiet der Beigeladenen durchgeführt wurden, bestätigt haben, dass die höchstzulässige Jahresmittelwertkonzentration an Stickstoffdioxid auch außerhalb des Mittleren Rings an mehreren Stellen überschritten wird. Aus dem Entwurf des hierüber vorbereiteten Berichts, den der Kläger als Anlage zum Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 10. Februar 2017 in das Vollstreckungsverfahren eingeführt hat, geht hervor, dass u. a. an der Verdi- und der Dülfer Straße ein höherer NO2- Jahresmittelwert als 40 µg/m³ gemessen worden sei; gleiches gelte für einen Abschnitt der Dachauer Straße im Bereich des Stadtteils Moosach.

5. Rechtskonform ausgestaltete Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge als einzige dem zu vollstreckenden Urteil gerecht werdende Handlungsmöglichkeit

Aus einer zusammenschauenden Würdigung des Vorgesagten folgt, dass dem Beklagten andere Möglichkeiten als eine Verringerung der Zahl der Dieselfahrzeuge, die auf den zu hoch mit Stickstoffdioxid belasteten Straßen bzw. in ihrem nächsten Umgriff verkehren, nicht zur Verfügung stehen, um das durch das Urteil vom 9. Oktober 2012 vorgegebene Ziel - wie geschuldet - schnellstmöglich zu erreichen. Auf den Umstand, dass „nur eine drastische Reduktion der Fahrzeugmenge … eine deutliche Verbesserung der Situation bewirken“ kann, hat der Beklagte auf Seite 19 der Beschwerdebegründung vom 29. Juli 2016 selbst hingewiesen. Dies trifft mit der Einschränkung zu, dass mit dahingehenden Maßnahmen gemäß § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG zumindest in erster Linie die Halter und Fahrer von Dieselfahrzeugen in die Pflicht zu nehmen sind.

5.1 Keine ausreichende Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils durch Maßnahmen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens von Dieselfahrzeugen

Als weitere Handlungsoption hat der Beklagte in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vorstehenden Zitat eine Verbesserung des Emissionsverhaltens von Kraftfahrzeugen (insbesondere solchen mit Dieselantrieb) erwähnt. Das trifft insofern fraglos zu, als eine drastische Reduzierung des NO2-Ausstoßes von Fahrzeugen mit Selbstzündungsmotor den effizientesten und - im Vergleich zu Verkehrsverboten - zugleich deutlich weniger stark in Freiheitsrechte Betroffener eingreifenden Lösungsansatz darstellen würde. Der Annahme, der Beklagte könne dem Urteil vom 9. Oktober 2012 durch diesbezügliche Schritte gerecht werden, steht indes entgegen, dass ihm keinerlei Regelungsbefugnisse zustehen, mit deren Hilfe er auf den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen Einfluss zu nehmen vermag.

Es käme deshalb in Vollzug des Urteils vom 9. Oktober 2012 lediglich in Betracht, dass der Beklagte sich in einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans selbst verpflichtet, seinen eigenen Fuhrpark sowie den Fahrzeugbestand von Rechtssubjekten des Privatrechts, auf die er einen dahingehenden Einfluss auszuüben vermag (d. h. vor allem staatlicher Eigengesellschaften), schnellstmöglich mit Fahrzeugen auszustatten, die ein optimales NO2-Emissionsverhalten aufweisen. Der Annahme, der Beklagte könne auf diese Weise das zu vollstreckende Urteil erfüllen, ohne zusätzliche, einschneidendere Maßnahmen zu ergreifen, steht jedoch bereits der - gemessen am Gesamtbestand - nicht ins Gewicht fallende Anteil staatseigener Fahrzeuge im Raum München entgegen.

Die Aufnahme von Umstellungsmaßnahmen der vorbezeichneten Art in Bezug auf den Fuhrpark der Beigeladenen und derjenigen Privatrechtssubjekte, auf die die Beigeladene diesbezüglich Einfluss auszuüben vermag (dazu gehören vor allem ihre Stadtwerke), würde voraussetzen, dass die Beigeladene entweder von sich aus hierzu bereit wäre oder der Beklagte eine solche Umrüstung ihr gegenüber erzwingen könnte. Denn auch insoweit kommt dem Gesichtspunkt Bedeutung zu, dass wegen der aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG folgenden Verpflichtung, in Luftreinhaltepläne aufgenommene Maßnahmen auch tatsächlich zu realisieren, ihre rechtliche und tatsächliche Umsetzbarkeit gesichert sein muss.

Ob zumindest eine der vorgenannten Voraussetzungen erfüllt ist, kann in vorliegendem Zusammenhang auf sich beruhen. Der Bejahung einer Verpflichtung der Beigeladenen zu einer forcierten Umstellung ihres Fahrzeugbestands steht jedenfalls entgegen, dass gegenwärtig für zahlreiche Kommunalfahrzeuge (namentlich für solche, die eine hohe Masse aufweisen, wie das z.B. im Bereich der städtischen Verkehrsbetriebe, der Müllabfuhr und der Feuerwehr der Fall ist) andere ausgereifte Antriebstechniken als Dieselmotoren noch nicht zur Verfügung stehen.

5.2 Fehlende Eignung einer Erweiterung der im Gebiet der Beigeladenen bestehenden Umweltzone zur ausreichenden Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils

Rechts- und ermessensfehlerfrei hat der Beklagte vor diesem Hintergrund auch davon abgesehen, in den Luftreinhalteplan für die Stadt München die Verpflichtung der Beigeladenen aufzunehmen, diejenigen Straßenabschnitte in ihrem Stadtgebiet, an denen Überschreitungen der Grenzwerte nach § 3 Abs. 1 und 2 der 39. BImSchV zu verzeichnen sind, zu Umweltzonen im Sinn von § 45 Abs. 1f StVO zu erklären. Selbst dann nämlich, wenn in eine solche Zone nur Fahrzeuge mit grüner Plakette einfahren dürfen, wäre eine derartige Maßnahme zur schnellstmöglichen Einhaltung dieser Grenzwerte ungeeignet. Denn die grüne Plakette erhalten Dieselfahrzeuge dann, wenn sie die Anforderungen der Euro-4-Norm/Euro-IV-Norm erfüllen oder sie zwar nur der Euro-3-Norm/Euro-III-Norm genügen, jedoch mit einem Partikelfilter ausgerüstet sind (vgl. dazu Seite 19 der vierten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für München sowie Knauff in GK-BImSchG, Stand September 2011, § 40 Rn. 46). Dieselfahrzeuge, die der Euro-4-Norm/Euro-IV-Norm unterfallen, weisen im Vergleich aller Schadstoffgruppen jedoch den bei weitem höchsten NO2-Ausstoß auf (vgl. z.B. die sechste Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München, Seite 27 Abbildung 2/14).

5.3 Materielle Rechtmäßigkeit und Vollziehbarkeit von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Als verbleibende Handlungsoption, um dem Urteil vom 9. Oktober 2012 gerecht zu werden, steht dem Beklagten mithin allein die Möglichkeit zu Gebote, die Zahl der Dieselfahrzeuge zu verringern, die auf den von NO2-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen verkehren.

Die Zuständigkeit, die zu diesem Zweck erforderlichen Verkehrsverbote für solche Fahrzeuge zu erlassen und die in Zusammenhang damit erforderlichen Ausnahmen zu genehmigen, liegt entweder nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 11 ZustGVerk bei der Beigeladenen als örtlicher oder gemäß Art. 4 Abs. 1 ZustGVerk bei ihr als unterer Straßenverkehrsbehörde. Da die Beigeladene insoweit im übertragenen Wirkungskreis handelt (vgl. Art. 6 Satz 1 ZustGVerk), kann ihr der Beklagte gemäß Art. 109 Abs. 2 GO - vorbehaltlich der sich aus Art. 109 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 GO ergebenden Einschränkungen - Vorgaben auch hinsichtlich der Ausübung eines ihr insoweit ggf. verbleibenden Ermessens erteilen.

Jedenfalls in Gestalt der Vorschrift des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG steht der Beigeladenen eine Befugnisnorm zu Verfügung, um Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge nach ihrer Aufnahme in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans durch den Erlass dahingehender straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen umzusetzen. Ob derartige Anordnungen zusätzlich auf § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gestützt werden können, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Vertiefung.

-Bei methodisch korrekter Vorgehensweise, die den einzelnen, unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid belastete Straßenabschnitt zum Ausgangspunkt der Prüfung nimmt, ob dort ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge sowohl dem Grunde nach als auch hinsichtlich seines räumlichen, sachlichen und zeitlichen Umfangs erforderlich, geeignet und angemessen ist, und bei der die gleichen Prüfungsschritte dann vorgenommen werden, wenn ein solches Verkehrsverbot auf andere, selbst nicht von NO2- Grenzwertüberschreitungen betroffene Straßen(abschnitte) erstreckt werden soll, kann nicht davon gesprochen werden, derartige Eingriffe in den Straßenverkehr seien von vornherein unverhältnismäßig. Denn die damit einhergehenden - ggf. erheblichen - Beschränkungen grundrechtlich verbürgter Freiheiten von Verkehrsteilnehmern müssen in Relation zu der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der betroffenen Anwohner gesetzt werden, die aus unzulässig hohen Stickstoffdioxidkonzentrationen resultiert. Angesichts der herausragenden Bedeutung, die dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt (vgl. zum Rang des menschlichen Lebens als oberstem Verfassungswert BVerfG, U.v. 25.2.1975 - 1 BvF 1, 2, 3, 4, 5, 6/74 - BVerfGE 39, 1/42; U.v. 15.2.2006 - 1 BvR 357/05 - BVerfGE 115, 118/152), wird von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auf von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitten) deshalb allenfalls in atypisch gelagerten Ausnahmefällen vollständig abgesehen werden dürfen.

Entgegen dem Vorbringen des Beklagten kann auch nicht davon gesprochen werden, ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge sei deshalb ungeeignet (und damit rechtswidrig), weil sich seine Einhaltung nicht überwachen lasse. Die Überwachung mag teilweise aufwändig oder nur weitmaschig möglich sein. Dass sie ihre Wirkung wesentlich verfehlen würde, ist nicht nachvollziehbar. Da praktisch alle schweren Nutzfahrzeuge ab einer gewissen Größenordnung mit Dieselmotoren ausgestattet sind, können sie bei polizeilichen Verkehrskontrollen, die auf einer von einem solchen Verbot betroffenen Straße stattfinden, gezielt angehalten und daraufhin überprüft werden, ob sie ggf. unter eine Ausnahme von einem derartigen Verkehrsverbot fallen. Aber auch kleinere Nutzfahrzeuge sowie bestimmte Arten bzw. Typen von Personenkraftwagen verfügen derart häufig über Dieselantrieb, dass sie gezielt kontrolliert werden können. Zudem entspricht es verbreiteter polizeilicher Praxis, zum Zwecke der Verkehrskontrollen eine „Langsamfahrstelle“ einzurichten; Dieselfahrzeuge werden sich hierbei vielfach bereits durch ihr Motorengeräusch oder durch einschlägige auf dem Fahrzeug angebrachte Modellbezeichnungen („TDI“ o.ä.) identifizieren lassen. Unabhängig von alledem hat nach § 11 Abs. 6 FZV jeder Fahrer eines Kraftfahrzeugs die Zulassungsbescheinigung Teil I mit sich zu führen und sie zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen; die vom jeweiligen Fahrzeug benötigte Kraftstoffart ist aus der Eintragung im Feld P3 dieses Dokuments ersichtlich.

6. Derzeit noch bestehende rechtliche Ungewissheiten im Zusammenhang mit Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Obwohl der Beklagte nach alledem das Urteil vom 9. Oktober 2012 bisher nicht ausreichend befolgt hat, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof gehindert, die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Androhung der Festsetzung eines Zwangsgelds für den Fall zu bestätigen, dass der Beklagte den Luftreinhalteplan für die Stadt München nicht bis zum Ablauf des 29. Juni 2017 durch Aufnahme desjenigen Handlungsinstruments (nämlich von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge) fortschreibt, durch das allein er nach dem Vorgesagten dem Rechtsbefehl gerecht werden kann, der ihm durch das zu vollstreckende Urteil erteilt wurde. Denn im Hinblick auf die sich aus § 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG ergebende Pflicht, derartige Verkehrsverbote auch tatsächlich anzuordnen, darf eine solche Zwangsmittelandrohung nur ergehen, wenn bereits jetzt die Rechtmäßigkeit auch der Handlungen, die die öffentliche Verwaltung im Vollzug eines solchen Plans vorzunehmen hätte, in jeder Hinsicht zweifelsfrei feststünde. Diesbezügliche Bedenken bestehen zum einen hinsichtlich der Frage, ob das geltende Recht ausreichende Befugnisnormen bereithält, um in allen Fällen, in denen das ggf. geboten ist, Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge rechtskonform zulassen zu können (6.1). Vor allem aber ist zweifelhaft, ob solche Verbote mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung einwandfrei bekanntgegeben werden können (6.2).

6.1 Erforderlichkeit und rechtliche Bewältigung von Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge

Die Verpflichtung, die dem Beklagten durch das zu vollstreckende Urteil auferlegt wurde, schließt es nicht aus, Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zuzulassen, sofern das nachweislich erforderlich ist, damit eine solche Maßnahme ohne Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angeordnet werden kann, und auch unter Berücksichtigung der jeweils bewilligten Ausnahme(n) zugunsten der Anwohner das im konkreten Fall höchstmögliche Schutzniveau gewahrt bleibt.

Dass partiell Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge unumgänglich sein werden, erscheint im Hinblick darauf nicht zweifelhaft, dass mit derartigen Fahrzeugen zum Teil Transportbedürfnisse abgewickelt werden, die von derart großer Bedeutung für die Allgemeinheit sind, dass das lückenlose Unterbleiben derartiger Verkehrsvorgänge auf von einem einschlägigen Verbot betroffenen Straßen u. U. nicht ohne Verstoß gegen höherrangiges Recht gefordert werden kann. In den Blick zu nehmen sind insbesondere die Fälle, in denen für einen Beförderungsvorgang weder andere Verkehrsmittel als Dieselfahrzeuge noch Alternativstrecken zur Verfügung stehen. Nicht von vornherein ausschließbar erscheint es ferner, dass aus den gleichen Gründen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge auch im Individualinteresse geboten sein könnten. Angesichts der herausgehobenen Bedeutung, die den Schutzgütern „menschliches Leben und menschliche Gesundheit“ nach der Wertordnung des Grundgesetzes zukommt, werden Ausnahmen freilich stets nur dann rechtsfehlerfrei zugelassen werden können, wenn sich das betroffene Allgemein- oder Einzelinteresse gegen den aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzanspruch der von unzulässig hohen Stickstoffdioxidbelastungen betroffenen Straßenanwohner durchsetzen kann. Sofern danach Durchbrechungen eines solchen Verkehrsverbots dem Grunde nach in Betracht kommen, werden sie ggf. in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht zu begrenzen sein.

Dass an die Zulassung von Ausnahmen von einschlägigen Verkehrsverboten ein strenger Maßstab anzulegen ist, zeigt § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, der derartige Sonderregelung selbst dann, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert, von unaufschiebbaren und überwiegenden Gründen abhängig macht. Ein ebenfalls gemeinwohlbezogener Ansatz liegt der ersten Alternative des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV zugrunde. Sollte ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge unzumutbare Folgen ausschließlich zu Lasten Einzelner zeitigen, würde die zweite Alternative der letztgenannten Vorschrift dann ausreichende Möglichkeiten eröffnen, um einer solchen Fallgestaltung Rechnung zu tragen, wenn „von und zu bestimmten Einrichtungen“ stattfindende Verkehrsvorgänge inmitten stehen. Denn § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV ist so aufgebaut, dass sich die im Vordersatz dieser Bestimmung enthaltenen Tatbestandsmerkmale auf die beiden im Anschluss daran normierten Fallgestaltungen beziehen.

Nicht zweifelsfrei erscheint demgegenüber, ob das geltende Recht eine Befugnisnorm zur Verfügung stellt, um Ausnahmen von einem Verkehrsverbot auch dann zulassen zu können, wenn eine solche Entscheidung im ausschließlichen überwiegenden Individualinteresse erforderlich sein sollte, die begünstigten Fahrten jedoch nicht „von und zu bestimmten Einrichtungen“ führen, wie § 1 Abs. 2 der 35. ImSchV das voraussetzt. Derartige Fallgestaltungen ließen sich zwar unschwer durch Rückgriff auf die allgemeine Ausnahmevorschrift des § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO lösen. Es ist indes nicht zweifelsfrei, ob diese Bestimmung auf Verkehrsverbote anwendbar ist, die ihre Rechtsgrundlage in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG finden. Für Verkehrsverbote, wie sie in Umweltzonen im Sinn von § 45 Abs. 1f StVO gelten, hat dies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (B.v. 8.12.2009 - OVG 11 S. 50.09 - juris Rn. 9) unter Hinweis auf den aus seiner Sicht abschließenden Charakter der in § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV eröffneten Ausnahmemöglichkeiten ausdrücklich verneint; die engen tatbestandlichen Bestimmungen dieser Normen dürften nicht durch die in § 46 Abs. 1 und 2 StVO enthaltenen, weitgefassten Ausnahmevorschriften unterlaufen werden.

Diesen Erwägungen lässt sich sachliches Gewicht nicht absprechen. Andererseits dürfen Maßnahmen, die der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen sowie der Durchsetzung des Geltungsanspruchs der Richtlinie 2008/50/EG und der dort normierten Immissionsgrenzwerte auch in der Bundesrepublik Deutschland dienen, schlechthin nicht daran scheitern, dass die deutsche Rechtsordnung u. U. nicht für alle Härtefälle, die in diesem Zusammenhang zu bewältigen sein können, hinreichende Ausnahmevorschriften bereithält. Auch bestünde die Gefahr der Umgehung des § 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG und des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV dann nicht, wenn § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO in der Verwaltungspraxis nur in den Fällen herangezogen würde, in denen ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge ohne Zulassung einer Ausnahme im Einzelfall eine Härte nach sich zöge, die ihrerseits nicht mehr als verfassungskonform angesehen werden könnte, die beiden erstgenannten Bestimmungen indes tatbestandlich nicht einschlägig sind.

Angesichts des vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Beschluss vom 8. Dezember 2009 (OVG 11 S. 50.09 - juris Rn. 9) eingenommenen Standpunkts käme einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO auch hinsichtlich solcher Verkehrsverbote für anwendbar erklären würde, die sich auf § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG stützen, wohl grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. In einem Hauptsacherechtsstreit, in dem sich diese Frage in entscheidungserheblicher Weise stellt, wäre wegen ihrer Bedeutung für den Verwaltungsvollzug die Zulassung der Revision in Erwägung zu ziehen. Es erschiene vor diesem Hintergrund nicht angemessen, würde sich der Verwaltungsgerichtshof in einem Vollstreckungsverfahren, in dem eine Anrufung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeschlossen ist, in einer an der Rechtskraft seines Beschlusses teilnehmenden Weise zu der inmitten stehenden Problematik äußern.

Muss die Frage, ob das geltende Recht ausreichende Instrumente zur Verfügung stellt, um in allen Fällen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge zulassen zu können, in denen das zur Vermeidung verfassungswidriger Härten u. U. geboten ist, derzeit aber als offen angesehen werden, so scheidet bereits aus diesem Grund eine unveränderte Bestätigung des angefochtenen Beschlusses aus. Denn da der Beklagte - wie aufgezeigt - dem zu vollstreckenden Urteil nur durch den Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge nachkommen kann, würde ihm ein ggf. rechtswidriges Verhalten abverlangt, wollte man ihn als verpflichtet ansehen, derartige Verbote bereits zu einem Zeitpunkt in die geschuldete Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufzunehmen, in dem noch ungeklärt ist, ob von derartigen Verboten in allen erforderlichen Konstellationen ggf. notwendige Ausnahmen zugelassen werden können.

6.2 Ungeklärte Möglichkeit einer rechtskonformen Bekanntgabe von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge sowie gruppenbezogener Ausnahmen hiervon

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ergehen auch Verkehrsverbote und -beschränkungen, die immissionsschutzrechtlichen Zielsetzungen dienen, „nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften“. Unabhängig davon, ob darin eine Rechtsgrund- oder eine bloße Rechtsfolgenverweisung auf das Straßenverkehrsrecht liegt, folgt aus dieser Vorschrift, dass die öffentliche Verwaltung bei einschlägigen Maßnahmen auf das Instrumentarium des Straßenverkehrsrechts beschränkt ist.

Nach § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO dürfen die in § 45 Abs. 3 StVO genannten Behörden (d.h. die Straßenverkehrs- und die Straßenbaubehörden) den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Es spricht alles dafür,

dass auch die zum Vollzug des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zuständigen Stellen dieser Bindung unterliegen, da - insbesondere ortsfremde - Verkehrsteilnehmer schutzwürdig davon ausgehen dürfen, dass ihnen die Ge- und Verbote, die sie bei der Verkehrsteilnahme zu beachten haben, ausschließlich auf diese Art und Weise zur Kenntnis gebracht werden.

Da die Straßenverkehrs-Ordnung kein der Verlautbarung von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge dienendes Verkehrszeichen kennt, ist eine rechtskonforme Bekanntgabe derartiger Verbote derzeit nur möglich, wenn sich eine dahingehende behördliche Anordnung mittels des vorhandenen Zeichenbestandes (unter Einschluss von Zusatzzeichen, bei denen es sich gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 StVO ebenfalls um Verkehrszeichen handelt) in einer Weise zum Ausdruck bringen lässt, die den straßenverkehrsrechtlichen Anforderungen genügt. Das setzt voraus, dass der objektive Aussagegehalt des Verkehrszeichens (bzw. der Kombination aus - ggf. mehreren - Verkehrs- und Zusatzzeichen) zum einen eindeutig ist und eine solche Beschilderung zum anderen so übersichtlich gestaltet werden kann, dass ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt ihren Bedeutungsgehalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ zu erfassen vermag (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.).

6.2.1 Bekanntgabe mittels des Zeichens 251 und eines Zusatzzeichens

Der Kläger schlägt zum einen vor, ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit Hilfe des Zeichens 251 der Straßenverkehrs-Ordnung unter Beifügung des Zusatzschilds „gilt nur für Diesel“ (oder mittels eines ähnlichen Texts) zu verlautbaren. Durch ein solches Zusatzzeichen würde eine allgemeine Beschränkung des durch das Zeichen 251 kundgemachten Verbots zum Ausdruck gebracht; dies lässt § 41 Abs. 2 Satz 3 StVO grundsätzlich zu. Ebenfalls rechtmäßig wäre bei einer auf den Wortlaut der letztgenannten Bestimmung beschränkten Betrachtungsweise ein Zusatzzeichen, aus dem sich ergäbe, dass alle Kraftfahrzeuge, die über einen anderen Antrieb als einen Dieselmotor verfügen, von dem Verbot ausgenommen sind.

Dahinstehen kann, ob dem Einwand des Beklagten zu folgen ist, durch ein solches Zusatzschild werde angesichts des weitreichenden Umfangs der hierdurch bewirkten Beschränkung des Geltungsanspruchs des prinzipiellen Verkehrsverbots für Kraftwagen aller Art (bzw. - im Fall der zweiten vom Kläger zur Diskussion gestellten Ausgestaltung des Zusatzschildes - angesichts des erheblichen Umfangs der vom normativen Regelungsgehalt des Zeichens 251 zugelassenen Ausnahmen) dessen Wesensgehalt verändert. Denn unabhängig hiervon bestünde jedenfalls das Problem, dass § 39 Abs. 3 Satz 2 StVO „Aufschriften“ auf Zusatzzeichen (d.h. Zusatzzeichen, die ihren Regelungsgehalt in Textform zum Ausdruck bringen) nur zulässt, „soweit nichts anderes bestimmt ist“. Eine „andere Bestimmung“ im Sinn dieser Vorschrift könnte u. U. in der laufenden Nummer 26 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung gesehen werden. Nach der Nummer 1 der dortigen, sich auf die Zeichen 250 bis 259 - und damit auch auf das Zeichen 251 - beziehenden Erläuterungen können „andere Verkehrsarten“ durch „Verkehrszeichen gleicher Art mit Sinnbildern nach § 39 Absatz 7“ StVO verboten werden. Sollten Fahrzeuge mit Dieselantrieb als eine „Verkehrsart“ im Sinn dieser Bestimmung anzusehen sein, so könnte hieraus herzuleiten sein, dass sich auf solche Fahrzeuge beziehende Verkehrsverbote nicht in der vom Kläger befürworteten Weise verlautbart werden dürften. Denn weder würde die Kombination aus dem Zeichen 251 in Verbindung mit einem Zusatzzeichen, das eine der im vorstehenden Absatz beispielhaft erwähnten Aufschriften trägt, als ein den Zeichen 250 bis 259 gleichartiges Verkehrszeichen angesehen werden können, noch würde der Regelungsgehalt einer solchen Schilderkombination ausschließlich durch Sinnbilder kundgemacht.

6.2.2 Bekanntgabe durch die Zeichen 270.1 bzw. 270.2 und ein Zusatzzeichen

Zum anderen hat der Kläger zur Diskussion gestellt, den Beginn eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge durch das Zeichen 270.1 der Straßenverkehrs-Ordnung bekanntzugeben, dessen (sich auf alle Kraftfahrzeuge erstreckender) Regelungsgehalt wiederum durch ein Zusatzzeichen „gilt nur für Dieselfahrzeuge“ eingeschränkt oder dem ein Zusatzzeichen beigefügt werden könnte, demzufolge alle Kraftfahrzeuge mit anderem als Dieselantrieb von dem durch das Zeichen 270.1 bewirkten Verkehrsverbot ausgenommen sind.

Die laufende Nummer 44 des Anhangs 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung (vgl. dort Nummer 2 Satz 2) lässt es zwar ausdrücklich zu, Ausnahmen vom Geltungsanspruch des Zeichens 270.1 durch Zusatzzeichen zu verlautbaren. Bedenken gegen die rechtliche Tragfähigkeit dieser Lösung könnten sich jedoch daraus ergeben, dass die Zeichen 270.1 und 270.2 der Straßenverkehrs-Ordnung gemäß § 45 Abs. 1f StVO zur Kennzeichnung von „Umweltzonen“ dienen, und dass diese Vorschrift von einer wohl obligatorischen Verbindung dieser Zeichen mit dem Zusatzzeichen ausgeht, dessen äußere Gestalt und dessen Regelungsgehalt sich aus der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung ergeben. Unter einer „Umweltzone“ versteht der Verordnungsgeber danach ein Gebiet, in dem die Verkehrsteilnahme für alle Kraftfahrzeuge verboten ist, die nicht über eine der auf dem Zusatzzeichen nach der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung wiedergegebenen Plaketten verfügen. Auch in der Lebenswirklichkeit sind die Zeichen 270.1 bzw. 270.2 und das in der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs- Ordnung abgebildete Zusatzzeichen wohl derart ausnahmslos miteinander verknüpft, dass nicht gewährleistet ist, jeder Verkehrsteilnehmer, der sich mit der vom Kläger vorgeschlagenen, hiervon abweichenden Zeichenkombination konfrontiert sieht, werde den Bedeutungsgehalt der so kundgemachten Regelung innerhalb der kurzen Zeit zweifelsfrei erfassen, in der dies nach den Vorgaben der Rechtsprechung für einen durchschnittlichen Kraftfahrer möglich sein muss (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.).

6.2.3 Bekanntgabe ggf. erforderlicher gruppenbezogener Ausnahmen

Ebenfalls nicht gesichert ist, ob sich mit dem vorhandenen Instrumentarium der Straßenverkehrs-Ordnung solche Ausnahmen von einem Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge rechtskonform bekanntgeben lassen, bei denen sich der Kreis der Begünstigten nur nach abstrakt-generellen Kriterien umschreiben lässt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag gegenwärtig nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass es zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen mit Vorgaben der Rechtsordnung, die schwerer wiegen als das Gebot der lückenlosen Geltung eines Verkehrsverbots für Dieselfahrzeuge, geboten sein könnte, bestimmten Arten solcher Fahrzeuge die Verkehrsteilnahme auf für sie grundsätzlich gesperrten Straßen zu gestatten oder Fahrten zu bestimmten Zielen innerhalb des gesperrten Bereichs bzw. aus bestimmten Anlässen zuzulassen, ohne dass die Halter oder Fahrer solcher Fahrzeuge stets in der Lage sind, hierfür bei der Beigeladenen einzelfallbezogene oder eine Mehrzahl von Verkehrsvorgängen erfassende, durch Bescheid zu erteilende Ausnahmegenehmigungen zu beantragen. Ob all diese „gruppenbezogenen“ Ausnahmen - auch soweit nach dem Vorgesagten hierfür eine materielle Rechtsgrundlage vorhanden sein sollte - auf einem (weiteren) Zusatzschild zu den Zeichen, durch die das Verkehrsverbot als solches und seine auf Dieselfahrzeuge beschränkte Geltung verlautbart werden, so eindeutig und übersichtlich wiedergegeben werden können, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann (BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 11 m.w.N.), erscheint nicht gesichert. Einer Bekanntgabe der Ausnahmen gemäß Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG stünde, sofern das Verkehrsverbot durch das Zeichen 251 kundgemacht würde, wohl § 45 Abs. 4 Halbs. 1 StVO entgegen; der dort verankerte Grundsatz, wonach die Straßenverkehrs- und die Straßenbaubehörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürfen, gilt auch für Ausnahmen von Verkehrsverboten (BVerwG, U.v. 13.3.2008 - 3 C 18.07 - BVerwGE 130, 383 Rn. 20 - 23); angesichts des abschließenden Charakters dieser Regelung kommt eine Verlautbarung derartiger Ausnahmen durch öffentliche Bekanntmachung nur insoweit in Betracht, als sie ausdrücklich zugelassen ist (BVerwG, U.v. 13.3.2008 a.a.O. Rn. 25).

Dies ist zwar hinsichtlich des Zeichens 270.1 (vgl. die Nummer 2 Satz 2 zur laufenden Nummer 44 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung) der Fall. Ungesichert erscheint jedoch, ob insoweit der Grundsatz eingreift, dass sich Verkehrsteilnehmer auf die Vollständigkeit einer durch Verkehrszeichen bekanntgemachten Regelung verlassen können müssen (BVerwG, U.v. 13.3.2008 a.a.O. Rn. 25). Hiermit stünde es u.U. nicht in Einklang, wenn das Verkehrsverbot als solches durch ein Verkehrs- und die Beschränkung seines Geltungsbereichs auf Dieselfahrzeuge durch ein Zusatzzeichen verlautbart würden, die hiervon geltenden Ausnahmen indes aus den aufgestellten Zeichen nicht ersichtlich wären.

Der Verwaltungsgerichtshof lässt bei alledem nicht außer Betracht, dass das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Schreiben an den Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes Baden-Württemberg vom 11. März 2016 und an den Oberbürgermeister der Beigeladenen vom 6. Dezember 2016 die Auffassung vertreten hat, der Geltungsanspruch des in der laufenden Nummer 46 der Anlage 2 zur Straßenverkehrs-Ordnung als Ergänzung zum Zeichen 270.1 vorgesehenes Zusatzzeichens lasse sich „kurzfristig“ dadurch außer Kraft setzen, dass es zeitweilig abgedeckt werde; Härtefällen könne durch eine Ausnahmegenehmigung bzw. Allgemeinverfügung Rechnung getragen werden. Diese Aussagen beziehen sich jedoch dem ausdrücklichen Wortlaut beider Schreiben zufolge auf die Fallgestaltung, dass die örtlich zuständige Behörde zu dem Ergebnis gelangt, eine vorhandene Umweltzone werde „bei besonderen witterungsbedingten Ausnahmesituationen im Einzelfall“ nicht mehr den aktuellen Anforderungen gerecht. Die Notwendigkeit, gruppenbezogene Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge dann in rechtskonformer Weise zu verlautbaren, wenn die zu begünstigenden Verkehrsteilnehmer aus praktischen Gründen nicht auf den Weg der Beantragung einer in Bescheidsform zu erteilenden Ausnahmegenehmigung verwiesen werden können, stellt sich indes nicht nur in zeitlich eng umgrenzten Ausnahmesituationen.

-7 Auswirkungen der vorbezeichneten Zweifelsfragen auf den Umfang der derzeitigen Durchsetzbarkeit des zu vollstreckenden Urteils

Die vorstehend erörterten Gesichtspunkte stellen augenscheinlich keine Hindernisse dar, die dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge schlechthin entgegenstehen. Vielmehr handelt es sich um höchstrichterlich ungeklärte Fragen, die sich anhand des geschriebenen Rechts nicht völlig eindeutig beantworten lassen.

Es kann als gesichert gelten, dass diese Zweifel innerhalb überschaubarer Zeit ausgeräumt sein werden. Nicht fernliegend erscheint es insbesondere, dass zumindest ein Teil von ihnen durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts geklärt werden dürfte, das voraussichtlich auf die Sprungrevision hin ergehen wird, die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13. September 2016 (3 K 7695/15 - juris) eingelegt wurde. Denn das Verwaltungsgericht hat eine Kundgabe von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge mittels des Zeichens 251 und eines Zusatzzeichens, das den Geltungsanspruchs des durch dieses Zeichen verlautbarten Verkehrsverbots für Kraftwagen auf Dieselfahrzeuge beschränkt, ausdrücklich als zulässig angesehen.

Sollte durch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgezeigt werden, dass dem Erlass von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge derzeit Hindernisse entgegenstehen, die sich daraus ergeben, dass das deutsche Recht gegenwärtig kein ausreichendes Instrumentarium zu ihrer Bekanntgabe zur Verfügung stellt, so wäre gleichfalls damit zu rechnen, dass dieser Mangel innerhalb überschaubarer Zeit behoben wird. Denn es ist sowohl angesichts der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, die durch die Richtlinie 2008/50/EG unionsrechtlich vorgegebenen Umweltschutzstandards einzuhalten, als auch im Licht des aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG resultierenden Schutzauftrags für das Leben und die Gesundheit von Menschen schlechthin ausgeschlossen, dass die zu diesem Zweck alternativlos gebotenen Schutzmaßnahmen deswegen unterbleiben, weil die derzeit gültige Fassung der Straßenverkehrs-Ordnung kein Verkehrszeichen kennt, mit dessen Hilfe Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge (sowie die von ihnen ggf. geltenden Ausnahmen) kundgemacht werden können. Gleiches gälte, falls das geltende Recht keine ausreichenden Befugnisnormen dafür enthalten sollte, um sämtliche von Verfassungs wegen ggf. erforderlichen Ausnahmen von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge bewilligen zu können. Vielmehr kann als gesichert gelten, dass die zuständigen Stellen jedenfalls durch das Vertragsverletzungsverfahren, das die Europäische Kommission wegen der nunmehr seit dem Jahr 2010 andauernden Nichteinhaltung der in der Richtlinie 2008/50/EG festgesetzten Immissionsgrenzwerte gegen die Bundesrepublik Deutschland durchführt, dazu angehalten werden, die insoweit bestehenden (ohnehin nur marginalen) Defizite der inländischen Rechtsordnung zu beheben.

Pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens, das den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der Ausgestaltung einer Zwangsgeldandrohung nach § 172 VwGO zusteht, entspricht es vor diesem Hintergrund, darauf Bedacht zu nehmen, dass die in Erfüllung des zu vollstreckenden Urteils geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge von dem Augenblick an ohne weitere Verzögerung in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München aufgenommen werden können, in dem die aufgezeigten Hindernisse ausgeräumt sein werden. Dies ist nur dann gesichert, wenn der Beklagte in jenem künftigen Zeitpunkt über ein Konzept verfügt, aus dem sich ergibt, in Bezug auf welche Straßen im Stadtgebiet der Beigeladenen, an denen es zu Überschreitungen des in § 3 Abs. 2 der 39. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes festgesetzten Immissionsgrenzwerts kommt, er Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan für München aufnehmen wird, welche zeitlichen und sachlichen Einschränkungen - unter Angabe der hierfür maßgeblichen Gründe - für diese Verkehrsverbote ggf. in Aussicht genommen sind, und hinsichtlich welcher Straßen(abschnitte) im Gebiet der Beigeladenen, die im Jahresmittel unzulässig hoch mit Stickstoffdioxid belastet sind, er von der Aufnahme eines solchen Verkehrsverbots in den Luftreinhalteplan mit welcher Begründung abzusehen gedenkt. Vom Beklagten im Rahmen des anhängigen Vollstreckungsverfahrens die Erstellung eines solchen Konzepts als „Minus“ gegenüber der vom Verwaltungsgericht geforderten sofortigen Fortschreibung des Luftreinhalteplans zu verlangen, ist von Rechts wegen umso mehr geboten, als zwischen der Aufnahme von Verkehrsverboten für Dieselfahrzeuge in eine Fortschreibung des Luftreinhalteplans und dem Erlass und der Bekanntgabe straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen, die solche Verbote zum Gegenstand haben, selbst bei der gebotenen unverzüglichen Umsetzung dieses Plans (§ 47 Abs. 6 Satz 1 BImSchG) nochmals eine gewisse Zeitspanne vergehen wird.

7.1 Vollständige Erfassung der von einschlägigen Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitte) als notwendige erste Stufe des geschuldeten vorbereitenden Konzepts

Unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Luftreinhalteplan für die Stadt München nach dem Wegfall der gegenwärtig inmitten stehenden rechtlichen Hemmnisse in der gemäß dem Urteil vom 9. Oktober 2012 geschuldeten Weise fortgeschrieben werden kann, ist das lückenlose Wissen darum, welche Straßen im Gebiet der Beigeladenen rechtswidrig hoch mit Stickstoffdioxid belastet sind. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte hierzu ausgeführt, diejenigen Hauptstraßen im Gebiet der Beigeladenen, auf denen die maximal zulässige NO2-Konzentration im Jahresmittel überschritten wird, seien bereits vollständig erfasst; hinsichtlich der Nebenstraßen bedürfe es einer solche Erfassung nicht, da erfahrungsgemäß dort keine Grenzwertüberschreitungen aufträten.

Bestandteil einer sachgerechten Vorbereitung der nach dem zu vollstreckenden Urteil geschuldeten Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt München ist es, dass der Beklagte dieses Straßenverzeichnis der Allgemeinheit zugänglich macht. Dies folgt bereits daraus, dass einer Fortschreibung des Luftreinhalteplans gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG eine Beteiligung der Öffentlichkeit vorauszugehen hat. Diese besitzt spätestens ab der Einleitung dieses Beteiligungsverfahrens einen Rechtsanspruch darauf, zu erfahren, auf welchen Straßen(abschnitten) es zu Überschreitungen der einschlägigen Grenzwerte kommt, um beurteilen zu können, ob die zuständige Behörde einerseits alle betroffenen Teile der Bevölkerung in ihre Überlegungen einbezogen hat, sie andererseits aber von Maßnahmen absieht, die den motorisierten Straßenverkehr ohne sachlich rechtfertigenden Grund einschränken.

Wenn es der Verwaltungsgerichtshof vorliegend für ermessensgerecht ansieht, an der vom Verwaltungsgericht festgesetzten, am 29. Juni 2017 ablaufenden Frist hinsichtlich der geschuldete Teilhandlung „Bekanntgabe der von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Straßen(abschnitte)“ festzuhalten, so ist hierfür einerseits maßgeblich, dass dem Beklagten bis zur Einleitung des Beteiligungsverfahrens nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG zwangsläufig eine längere Frist zugestanden werden muss. Denn die Durchführung der vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung setzt voraus, dass der Beklagte über ein sowohl zielführendes als auch den Vorgaben der Rechtsordnung genügendes Konzept über die näheren Modalitäten der dem Grunde nach geschuldeten Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge verfügt. Dies ist gegenwärtig weder der Fall noch kann die Erstellung eines solchen Konzepts selbst bei Anspannung aller Kräfte bis zum 29. Juni 2017 erwartet werden.

Nicht ermessensgerecht wäre es andererseits, es dem Beklagten zu gestatten, das Verzeichnis der Straßen, auf denen bzw. in deren Umgriff der Grenzwert nach § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV nicht eingehalten wird, der Allgemeinheit erst zeitgleich mit der Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung zugänglich zu machen. Eine vorgezogene Bekanntgabe dieses Verzeichnisses trägt vielmehr dazu bei, den Betroffenen und der Allgemeinheit bereits vor dem Beginn des gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG erforderlichen Verfahrens einen den zuständigen Behörden vergleichbaren Kenntnisstand zu verschaffen. Sie werden damit bereits vorab in die Lage versetzt, gegenüber dem Beklagten geltend zu machen, bestimmte Strecken seien zu Unrecht (nicht) in dieses Verzeichnis aufgenommen worden, da der durch § 3 Abs. 2 der 39. BImSchV vorgegebene Grenzwert - nicht bzw. ebenfalls - überschritten werde. Das eigentliche Beteiligungsverfahren nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG kann auf diese Weise von Auseinandersetzungen darüber entlastet werden, in Bezug auf welche Straßen(abschnitte) ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge dem Grunde nach veranlasst ist. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb sachdienlich, weil die (Nicht-)Aufnahme von Straßen in das vorerwähnte Verzeichnis nicht auf Messungen, sondern auf Berechnungen beruht und es nicht fern liegt, dass die Richtigkeit dieser Berechnungen vor allem von dem Zeitpunkt an angezweifelt werden könnte, ab dem die Endfassung des Berichts über die Ergebnisse der Messungen vorliegt, die im Auftrag der Ludwig-Bölkow-Stiftung im Gebiet der Beigeladenen durchgeführt wurden.

Wenn der Beklagte die Festsetzung eines Zwangsgeldes erst dann zu gewärtigen hat, falls er das Straßenverzeichnis nicht bis spätestens zum Ablauf des 29. Juni 2017 der Öffentlichkeit zugänglich macht, so verkennt der Verwaltungsgerichtshof nicht, dass dieses Verzeichnis Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG beinhaltet, hinsichtlich derer jedermann gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG verlangen kann, dass sie ihm nach Maßgabe dieses Gesetzes auch unabhängig von der vorgenannten Frist zugänglich gemacht werden. Da allein der Beklagte in zulässiger Weise Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Juni 2016 eingelegt hat, durfte die in dieser Entscheidung gesetzte Frist jedoch auch hinsichtlich der hier inmitten stehenden Teilverpflichtung nicht zu seinen Ungunsten verkürzt werden.

7.2 Fristen für die Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung und die Erstellung der Endfassung des der Fortschreibung des Luftreinhalteplans dienenden Konzepts

Pflichtgemäßer Ermessensausübung entspricht es, die im angefochtenen Beschluss gesetzte Frist insoweit bis zum 31. August 2017 zu verlängern, als die Einleitung des Verfahrens nach § 47 Abs. 5 Satz 2, Abs. 5a Satz 1 bis 3 BImSchG in Frage steht. Denn bis dahin muss es dem Beklagten möglich sein, die in Befolgung des Urteils vom 9. Oktober 2012 geschuldeten Überlegungen, auf welchen Straßen(abschnitten) ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge mit welchen Modalitäten zu erlassen ist, so weit zu konkretisieren, dass die Ergebnisse der Allgemeinheit zur Kenntnis gebracht werden können. Dies gilt zumal im Hinblick darauf, dass sich der Beklagte mit der Umsetzung der zu vollstreckenden Entscheidung bereits erheblich in Verzug befindet und der von Verfassungs wegen gebotene Schutz des Lebens und der Gesundheit der von rechtswidrigen Stickstoffdioxidimmissionen betroffenen Menschen es erfordert, zumindest die Erstellung des vorbereitenden Konzepts mit allem Nachdruck voranzutreiben, solange eine diesem Ziel dienende Fortschreibung des Luftreinhalteplans als solche nicht verlangt werden kann. Ebenfalls keinen weiteren Aufschub duldet die dem Beklagten obliegende Verpflichtung, innerhalb seines Verantwortungsbereichs jene langandauernde Verletzung des Rechts der Europäischen Union abzustellen, die in der Nichteinhaltung der sich aus der Richtlinie 2008/50/EG ergebenden Immissionsgrenzwerte liegt.

Dringlich ist aus den gleichen Gründen ferner die Erstellung jener Endfassung des ein Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge betreffenden Konzepts, in dem der Beklagte zum Ausdruck bringt, inwieweit er den Ergebnissen der Öffentlichkeitsbeteiligung Rechnung getragen hat. Da die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen zur vorläufigen Fassung des Konzepts gemäß § 47 Abs. 5a Satz 3 Halbs. 2 BImSchG nicht vor Mitte Oktober 2017 enden wird und u. U. mit einer großen Zahl von Äußerungen gerechnet werden muss, ist es ermessensgerecht, als Zeitpunkt für die späteste Präsentation der endgültigen Fassung des vorbereitenden Konzepts den 31. Dezember 2017 festzusetzen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene nur im zweiten Rechtszug einen Sachantrag gestellt hat, konnte sie lediglich insoweit anteilig zur Tragung der Gerichtskosten und zur teilweisen Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers herangezogen werden. Aus dem gleichen Grund war ihr auch nur hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens ein partieller Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen. Die unterschiedliche Höhe der Quoten, mit denen die Beteiligten im Vergleich der beiden Rechtszüge zueinander zur Kostentragung herangezogen wurden, rechtfertigt sich daraus, dass der Kostenanteil des Klägers hinsichtlich des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof um denjenigen Anteil zu erhöhen war, der auf die von ihm später wieder zurückgenommene Beschwerde entfällt.

Dr. Schenk Demling Ertl

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Tenor

1. Es ist mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen und die die Notwendigkeit der erforderlichen ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, eine ärztliche Behandlung gegen ihren natürlichen Willen unter keinen Umständen möglich ist, sofern sie zwar stationär behandelt werden, aber nicht geschlossen untergebracht werden können, weil sie sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind.

2. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich eine Regelung für diese Fallgruppe zu treffen.

3. Bis zu einer solchen Regelung ist § 1906 Absatz 3 Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung von Artikel 1 Nummer 3 des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 266) auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden, die sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung räumlich nicht entziehen können.

Gründe

A.

1

Der Bundesgerichtshof begehrt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber, ob § 1906 Abs. 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl I S. 266) mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit er für eine ärztliche Zwangsmaßnahme auch bei Betroffenen, die sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind, voraussetzt, dass die Behandlung im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB erfolgt, welche nach gefestigter Rechtsprechung in diesen Fällen nicht angeordnet werden darf.

I.

2

1. a) Durch das Gesetz zur Reform des Rechts der Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige (Betreuungsgesetz), das zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten ist (BGBl I 1990, S. 2002), wird das Ziel verfolgt, die Rechtsstellung psychisch kranker und behinderter Volljähriger unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten zu verbessern.

3

Wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, so bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer (vgl. § 1896 Abs. 1 BGB). Das Gesetz regelt die Bestellung des Betreuers (§§ 1896 ff. BGB), den Umfang der Betreuung (§§ 1901 ff. BGB) und macht bestimmte Maßnahmen von der Genehmigung des Betreuungsgerichts abhängig (§§ 1904 ff. BGB).

4

Soweit eine Betreuung nach § 1896 BGB für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge angeordnet ist, hat der Betreuer die erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen und gegebenenfalls auch Einwilligungen in notwendige Heilbehandlungen zu geben (§ 1901 BGB). Die Angelegenheiten des Betreuten sind dabei so zu besorgen, wie es seinem Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten (§ 1901 Abs. 2 BGB). Der Betreuer hat Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft und dem Betreuer zuzumuten ist. Dies gilt auch für Wünsche, die der Betreute vor der Bestellung des Betreuers geäußert hat, es sei denn, dass er an diesen Wünschen erkennbar nicht festhalten will (§ 1901 Abs. 3 BGB). Sofern für das Ob und Wie bestimmter Heilmaßnahmen ein freier Wille des Betreuten - etwa durch Patientenverfügung nach § 1901a BGB - feststellbar ist, ist dieser auch für den Betreuer maßgeblich.

5

Die Einwilligung des Betreuers in besonders risikoreiche ärztliche Maßnahmen (vgl. § 1904 Abs. 1 Satz 1 BGB) bedarf der Genehmigung durch das Betreuungsgericht; ebenso die Versagung der Einwilligung durch den Betreuer in dringend notwendige Maßnahmen (vgl. § 1904 Abs. 2 BGB). § 1904 BGB erfasst in beiden Fällen aber nur Konstellationen, in denen ein entgegenstehender Wille des Betreuten nicht feststellbar ist oder der mit der Einwilligung des Betreuers in Einklang stehende Wille des Betreuten feststeht (vgl. § 1904 Abs. 3 BGB).

6

Ärztliche Behandlungen gegen den natürlichen Willen von Betreuten, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung deren Notwendigkeit nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, sind ausschließlich auf der Grundlage des § 1906 BGB und damit nur bei nach § 1906 Abs. 1 BGB freiheitsentziehend untergebrachten Betreuten möglich. Die früher strittige Frage, ob auf der Grundlage von §§ 1896, 1901 BGB ärztliche Zwangsmaßnahmen auch für Betreute, die nicht freiheitsentziehend untergebracht sind, durch eine Einwilligung des Betreuers ermöglicht werden könnten (sog. ambulante Zwangsbehandlungen), ist durch den Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 11. Oktober 2000 (XII ZB 69/00 - BGHZ 145, 297 <306 ff.>) verneinend entschieden worden. Dies ist die seither gefestigte Rechtsprechung (vgl. auch BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - juris, Rn. 21, 25). Der Bundesgerichtshof hat die Ablehnung der Zulässigkeit einer ambulanten Zwangsbehandlung nach geltendem Recht damit begründet, dass es an der verfassungsrechtlich unverzichtbaren förmlichen Gesetzesgrundlage hierfür fehle. Der Versuch, eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung für die ambulante Zwangsbehandlung einzuführen, sei im Gesetzgebungsverfahren gescheitert (Hinweis auf BTDrucks 15/4874, S. 8 <25 f.>).

7

Die erforderliche gesetzliche Ermächtigung für eine Zwangsbehandlung findet sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs im Bereich der zivilrechtlichen Betreuung ausschließlich in § 1906 BGB (vgl. BGHZ 145, 297 <310>; 193, 337; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867 f.>; Beschluss vom 1. Juli 2015 - XII ZB 89/15 - Vorlagebeschluss, juris, Rn. 27).

8

b) Der durch das Betreuungsgesetz - BtG - im Jahr 1992 eingeführte § 1906 BGB hatte folgenden Wortlaut:

§ 1906 - in der Fassung von 1992 -

(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil

1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder

2. eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen.

(3) Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Vormundschaftsgericht anzuzeigen.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

9

Spätere Änderungen bis zu der bis zum 25. Februar 2013 geltenden Fassung hatten keine inhaltlichen Änderungen der Absätze 1 - 4 zum Gegenstand.

10

2. Der Bundesgerichtshof ging zunächst in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine ärztliche Behandlung gegen den natürlichen Willen im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung biete (vgl. bspw. BGH, Beschluss vom 1. Februar 2006 - XII ZB 236/05 -, juris). Zur Begründung stellte er unter Berufung auf die Begründung des Regierungsentwurfs zur Einführung des Betreuungsrechts (BTDrucks 11/4528, S. 72, 141) darauf ab, dass mit dem neuen Betreuungsgesetz (vom 12. September 1990 BGBl I S. 2002), die grundsätzliche Befugnis des Betreuers zur Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff des Einwilligungsunfähigen nicht habe in Frage gestellt werden sollen. Nicht einwilligungsfähige Betreute dürften nicht von solchen Maßnahmen ausgeschlossen werden, weil ansonsten ihre gesundheitliche Versorgung und damit ihr Wohl an ihrer mangelnden Einsichts- oder Urteilsfähigkeit scheitern würde. Aus dem gleichen Grunde seien durch die Neuregelung auch Zwangsbehandlungen nicht generell verboten worden.

11

In der vom Bundesgerichtshof in Bezug genommenen Begründung zum Regierungsentwurf des Betreuungsgesetzes (BTDrucks 11/4528, S. 72) heißt es in diesem Zusammenhang:

Wer auf Grund seiner psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung seine Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennen kann und eine Behandlung deshalb ablehnt, dem soll nicht schon deshalb die Behandlung versagt werden. So soll eine lebensnotwendige Operation eines Betreuten nicht daran scheitern, dass dieser sich krankheitsbedingt hiergegen wehrt, weil er der Auffassung ist, man wolle ihn durch die Operation ermorden. Der Entwurf sieht deshalb ein Verbot von Zwangsbehandlungen, zwangsweisen Untersuchungen oder zwangsweisen ärztlichen Eingriffen grundsätzlich nicht vor.

12

Allerdings wurde ganz bewusst von einer ausdrücklichen Regelung der Zwangsbehandlung abgesehen. So findet sich in der Einzelbegründung zu § 1904 BGB-E folgender Passus (BTDrucks 11/4528, S. 141):

Der Entwurf enthält keine allgemeinen Regelungen über Zwangsbehandlungen. Zwangsbehandlungen Einwilligungsunfähiger werden vom Entwurf nicht grundsätzlich verboten. Wer auf Grund seiner psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung seine Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennen kann und eine Behandlung deshalb ablehnt, dem soll nicht schon deshalb die Behandlung versagt werden. So wäre es nicht zu verantworten, eine Blinddarmoperation am Betreuten deshalb zu verweigern, weil dieser auf Grund einer wahnhaften Vorstellung der Überzeugung ist, keinen Blinddarm mehr zu besitzen, und daher den lebensnotwendigen Eingriff ablehnt. Zwangssterilisationen sind allerdings generell untersagt; […].

13

3. Außerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB hielt der Bundesgerichtshof ärztliche Zwangsmaßnahmen (ambulante Zwangsmaßnahmen) hingegen mangels Rechtsgrundlage nicht für zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - BGHZ 145, 297; vgl. ausführlich hierzu Kirsch, Rechtsgrundlagen der stationären und ambulanten psychiatrischen Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht, 2010, S. 130 ff., 180 ff.). In Reaktion auf diese Rechtsprechung schlug der Bundesrat im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts (BTDrucks 15/2494, S. 7, 30) mit am 12. Februar 2002 vorgelegten Gesetzentwurf (BRDrucks 865/03, S. 54 f.) vor, eine Rechtsgrundlage für die zwangsweise Zuführung des Betreuten zu ambulanten ärztlichen Heilbehandlungen zu schaffen.

14

Dieser Vorschlag wurde nicht Gesetz. Der Rechtsausschuss des Bundestags strich die hierzu vorgesehene Regelung nach der Stellungnahme der Bundesregierung und dem Ergebnis der Sachverständigenanhörung (vgl. BTDrucks 15/4874, S. 27). Er war im Gesetzgebungsverfahren zu der Überzeugung gelangt, die ambulante Zwangsbehandlung sei nicht als weniger einschneidender Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen anzusehen, sondern als ein anders gelagerter Eingriff (Protokoll der 49. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 15. Wahlperiode, 26. Mai 2004, S. 76; so bereits auch BGH, FamRZ 2001, S. 149). Die ambulante Zwangsbehandlung wurde insbesondere unter dem Blickwinkel der Anlasserkrankung, also der psychischen Erkrankung, wegen der die Betreuung eingerichtet wurde, betrachtet und kritisch gesehen, da die im Gesetzgebungsverfahren angehörten psychiatrischen Sachverständigen Bedenken gegen ambulante Zwangsbehandlungen in diesem Bereich hatten. Hauptsächlich argumentierten sie damit, dass die Behandlung der psychischen Erkrankung eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Patienten und Therapeuten erfordere. Eine immer wieder erfolgende zwangsweise Vorführung des Betroffenen zur Behandlung laufe diesem konsensualen Ansatz zuwider (Protokoll der 49. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 15. Wahlperiode, 26. Mai 2004, S. 72, 76; so auch bereits BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 -, FamRZ, 2001 S. 149).

15

4. Nachdem das Bundesverfassungsgericht durch Beschluss vom 23. März 2011 zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug entschieden hatte, dass die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung klarer und bestimmter gesetzlicher Vorgaben bedürfen (vgl. BVerfGE 128, 282), gab der Bundesgerichtshof seine bislang zur Zulässigkeit medizinischer Zwangsbehandlungen im Betreuungsrecht auf der Grundlage von § 1906 Abs. 1 BGB in der Fassung von 1992 vertretene Rechtsprechung auf und vertrat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nun die Auffassung, es fehle hierfür an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage, weshalb ein Betreuer auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlungen veranlassen dürfe (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 -, BGHZ 193, 337 <353>).

16

5. Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechungsänderung durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl I S. 266), durch welches neben anderen Änderungen die Absätze 3 und 3a in § 1906 BGB eingefügt wurden. § 1906 BGB lautet seit dem 25. Februar 2013 in der bis heute geltenden Fassung:

§ 1906 - in der Fassung von 2013 -

Genehmigung des Betreuungsgerichts bei der Unterbringung

(1) Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, weil

1. auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt, oder

2. zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Untersuchung des Gesundheitszustands, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff notwendig ist, ohne die Unterbringung des Betreuten nicht durchgeführt werden kann und der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann.

(2) Die Unterbringung ist nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Ohne die Genehmigung ist die Unterbringung nur zulässig, wenn mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist; die Genehmigung ist unverzüglich nachzuholen. Der Betreuer hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat die Beendigung der Unterbringung dem Betreuungsgericht anzuzeigen.

(3) Widerspricht eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 Nummer 2 dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in sie nur einwilligen, wenn

1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,

2. zuvor versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,

3. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen der Unterbringung nach Absatz 1 zum Wohl des Betreuten erforderlich ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden,

4. der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann und

5. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt.

§ 1846 ist nur anwendbar, wenn der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert ist.

(3a) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen wegfallen. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht anzuzeigen.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn dem Betreuten, der sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhält, ohne untergebracht zu sein, durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

(5) Die Unterbringung durch einen Bevollmächtigten und die Einwilligung eines Bevollmächtigten in Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 setzen voraus, dass die Vollmacht schriftlich erteilt ist und die in den Absätzen 1, 3 und 4 genannten Maßnahmen ausdrücklich umfasst. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

17

Mit der Einfügung der Absätze 3 und 3a verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, eine den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechende Regelung zu schaffen, mit der die bis zu den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 20. Juni 2012 bestehende Rechtspraxis möglichst nah abgebildet werden sollte. So wird in der Begründung zum Gesetzesentwurf ausgeführt: "Der Entwurf einer Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme bildet damit unter Achtung der verfassungsgerichtlichen Anforderungen die bis zu den jüngsten Beschlüssen des Bundesgerichtshofs bestehende Rechtslage möglichst nah ab. Dazu zählt, dass eine Zwangsbehandlung nur im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Absatz 1 BGB erfolgen kann. Wie die Unterbringung selbst bedarf auch die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme der gerichtlichen Genehmigung und unterliegt denselben strengen verfahrensrechtlichen Anforderungen. Die strengen materiellen und verfahrensrechtlichen Anforderungen werden damit auch die Selbstbestimmung der Betreuten stärken." (BTDrucks 17/11513, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme, S. 1 f.; in der Sache ebenso Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf, BTDrucks 17/12086, S. 1).

II.

18

1. Die 63-jährige Betroffene des Ausgangsverfahrens litt unter einer schizoaffektiven Psychose. Sie stand deswegen seit Ende April 2014 unter Betreuung unter anderem auch für den Aufgabenkreis der Sorge für die Pflege und Gesundheit einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen und Behandlungen sowie der Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Entscheidung über eine Unterbringung oder unterbringungsähnliche Maßnahmen.

19

Anfang September 2014 wurde die Betroffene kurzzeitig in eine Pflegeeinrichtung aufgenommen. Dort lehnte sie es ab, die zur Behandlung einer Autoimmunerkrankung verordneten Medikamente einzunehmen, verweigerte die Essensaufnahme und äußerte Suizidabsichten. Ab Mitte September 2014 befand sich die Betroffene mit richterlicher Genehmigung auf einer geschlossenen Demenzstation in einem Klinikum. Auf der Grundlage mehrerer betreuungsgerichtlicher Beschlüsse wurde sie im Wege ärztlicher Zwangsmaßnahmen wegen der Autoimmunerkrankung, wegen einer Schilddrüsenunterfunktion und wegen ihrer psychischen Erkrankung medikamentös behandelt. Die Medikamente wurden - wie auch die Nahrung - mittels einer ebenfalls als ärztliche Zwangsmaßnahme gelegten Magensonde verabreicht. Es wurden dort auch weitere Untersuchungen (Stanzbiopsie) hinsichtlich einer vermuteten Krebserkrankung durchgeführt. Diese bestätigten den Verdacht eines - noch nicht durchgebrochenen - Mammakarzinoms.

20

Die Betroffene war zu diesem Zeitpunkt körperlich stark geschwächt, konnte nicht mehr gehen und sich auch nicht selbst mittels eines Rollstuhls fortbewegen. Geistig war sie in der Lage, ihren natürlichen Willen auszudrücken. Auf richterliche Befragung äußerte sie wiederholt, sie wolle sich nicht wegen der Krebserkrankung behandeln lassen. Weder wolle sie eine Operation noch eine Chemotherapie.

21

2. Mit Schreiben vom 20. Januar 2015 beantragte die Berufsbetreuerin, die Unterbringungsgenehmigung für die Betroffene zu verlängern und ärztliche Zwangsmaßnahmen, insbesondere zur Behandlung des Brustkrebses (Brustektomie, Brustbestrahlung, Knochenmarkspunktion zur weiteren Diagnostik), aber auch zur Fortsetzung der medikamentösen Therapie der weiteren Erkrankungen zu genehmigen.

22

3. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Unterbringung und Zwangsbehandlung zurück. Bei der Betroffenen liege zwar eine psychische Krankheit vor, die sie daran hindere, in die erforderlichen ärztlichen Heilbehandlungen einzuwilligen. Eine Unterbringung sei aber nicht erforderlich, da die beantragten Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffe auch im Rahmen einer offenen Einrichtung erfolgen könnten.

23

4. Das Landgericht wies die Beschwerde der Betreuerin zurück und ließ die Rechtsbeschwerde zu.

24

In tatsächlicher Hinsicht unterstellte es zunächst, dass die von der Betreuerin am 20. Januar 2015 zur Genehmigung beantragten ärztlichen Eingriffe zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens notwendig seien und die Betroffene auf Grund ihrer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln könne.

25

Weiter führte das Landgericht aus, das Amtsgericht habe zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Genehmigung der Unterbringung verneint, weil alle zur Genehmigung beantragten ärztlichen Maßnahmen auch ohne eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung durchgeführt werden könnten. Eine Freiheitsentziehung im Sinne des § 1906 Abs. 1 BGB sei vorliegend aus tatsächlichen Gründen nicht notwendig und damit nicht erforderlich.

26

§ 1906 Abs. 1 BGB gehe von einem engen Begriff der mit der Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung aus. Eine Freiheitsentziehung sei im Sinne dieser Vorschrift nur dann erforderlich und dürfe deshalb auch nur dann angeordnet werden, wenn sich der Betroffene ohne die die Freiheit einschränkenden Vorkehrungen der Örtlichkeit räumlich entziehen könne, wenn also überhaupt die Möglichkeit zur Fortbewegung bestehe. Vorliegend sei die Unterbringung der Betroffenen nicht notwendig und damit auch nicht erforderlich im Sinne des § 1906 Abs. 1 BGB. Die Betroffene sei bettlägerig und nicht in der Lage, sich selbständig aus dem Bett zu bewegen oder zu gehen. Im Liegerollstuhl könne sie sich nicht selbständig fortbewegen. Sie zeige auch keine Weglauftendenzen, indem sie beispielsweise andere Leute beauftrage, sie an einen anderen Ort zu verbringen.

27

Die Zwangsbehandlung sei vom Gesetzgeber nur im Rahmen der geschlossenen Unterbringung im Sinne von § 1906 Abs. 1 BGB zugelassen worden. Ohne eine genehmigte freiheitsentziehende Unterbringung sei eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 3, 3a BGB nicht zulässig.

28

5. Die Betreuerin erhob namens der Betroffenen Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof.

III.

29

1. Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung der Frage vorgelegt, ob § 1906 Abs. 3 BGB in der Fassung vom 18. Februar 2013 mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit er für die Einwilligung des Betreuers in eine stationär durchzuführende ärztliche Zwangsmaßnahme auch bei Betroffenen, die sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder körperlich hierzu nicht in der Lage sind, voraussetzt, dass die Behandlung im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB erfolgt.

30

a) Der Vorlagebeschluss sei zulässig, obwohl die Vorinstanzen den Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt hätten. Es sei zu unterstellen, dass die ärztlichen Eingriffe und Untersuchungen, für die die Betreuerin um eine gerichtliche Genehmigung nach § 1906 Abs. 3a BGB nachgesucht hatte, erforderlich seien, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB) und die Betroffene aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen beziehungsweise nach dieser Einsicht handeln könne (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB).

31

b) Die Kopplung der Zulässigkeit einer ärztlichen Zwangsmaßnahme an eine freiheitsentziehende Unterbringung auch für Fallgestaltungen, in denen sich Betroffene einer solchen Maßnahme räumlich nicht entziehen wollten oder könnten, verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

32

Die Unterbringung zur Durchführung einer Untersuchung des Gesundheitszustands, einer Heilbehandlung oder eines ärztlichen Eingriffs gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Vielmehr müsse die freiheitsentziehende Unterbringung ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der medizinischen Maßnahme räumlich - also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" - entziehen würde.

33

Der Bundesgerichtshof habe in seiner früheren Rechtsprechung (Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867 Rn. 22 ff.>) der Vorschrift des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Rechtsgrundlage für die Durchführung notwendiger medizinischer Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen des Betroffenen entnommen. Er habe dabei den engen Unterbringungsbegriff zugrunde gelegt und daher die erzwungene Einnahme von Medikamenten nicht losgelöst von der Frage, wo sich diese Zwangsbehandlung vollziehe, rechtlich als eine freiheitsentziehende Unterbringung angesehen. Dies habe er mit dem Wortlaut des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB und mit dem Zweck der Vorschrift begründet. Dabei habe er auch wiederholt darauf hingewiesen, dass diese enge Auslegung des Begriffs der mit Freiheitsentziehung verbundenen Unterbringung zu einer Begrenzung der Möglichkeit führe, Betroffene gegen ihren Willen einer medizinischen Behandlung zu unterziehen (vgl. BGHZ 145, 297 <310>; 193, 337; BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867 Rn. 22 ff.>).

34

Nachdem der Bundesgerichtshof mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug seine Auffassung, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig seien, aufgegeben und auf das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage hingewiesen habe, habe der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 in die Vorschrift des § 1906 BGB die neuen Absätze 3 und 3a eingefügt. Dabei habe der Gesetzgeber ausdrücklich lediglich die bis zur Rechtsprechungsänderung des Bundesgerichtshofs bestehende Rechtslage möglichst nahe abbilden und eine Rechtsgrundlage für die Einwilligung des Betreuers in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB schaffen wollen. Dies lasse alleine den Schluss zu, dass die gesetzliche Regelung der Zulässigkeit ärztlicher Zwangsmaßnahmen nicht zu Änderungen an dem § 1906 Abs. 1 BGB zu Grunde liegenden engen Unterbringungsbegriff führen sollte, sondern dieser nach wie vor für die Anwendung der Vorschrift maßgeblich sein solle.

35

Die neu geschaffene Regelung in § 1906 Abs. 3 BGB sei nicht nur als Eingriffsnorm zu verstehen, da sie als Bestandteil des staatlichen Erwachsenenschutzes ebenso eine Begünstigung darstelle. Die Betroffenen auszunehmen, bei denen es einer stationär durchzuführenden ärztlichen Maßnahme bedürfe, die sich aber räumlich nicht entziehen wollen und/oder können, erfordere eine hinreichende Rechtfertigung. An einer hinreichenden Rechtfertigung fehle es, so dass das Gesetz gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

36

Diese Schutzlücke für immobile Betroffene werde auch nicht durch andere vom Gesetz eröffnete Möglichkeiten geschlossen. Das auf den Fall des Vorlageverfahrens anzuwendende baden-württembergische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKHG) greife schon deshalb nicht zugunsten von Betroffenen ein, die sich räumlich nicht aus einem stationären Rahmen entfernen wollen oder können, weil § 20 Abs. 3 PsychKHG eine Zwangsbehandlung ebenfalls nur bei einer geschlossenen Unterbringung vorsehe. Auch der rechtfertigende Notstand nach § 34 StGB, der einer ohne die Einwilligung des Patienten oder gar gegen dessen Willen erfolgenden ärztlichen Behandlung gegebenenfalls die Rechtswidrigkeit nehmen könne, lasse die Notwendigkeit der Aufnahme von Betroffenen, die sich räumlich nicht aus dem stationären Raum bewegen wollten oder könnten, in den Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 3 BGB nicht entfallen. Die im Rahmen des § 34 StGB in jedem Einzelfall vorzunehmende schwierige Interessenabwägung könne die vom Gesetzgeber zu treffende Festlegung der Voraussetzungen, unter denen eine ärztliche Zwangsmaßnahme zulässig sei, nicht ersetzen. Außerdem biete § 34 StGB nicht die angesichts der betroffenen grundrechtlichen Belange gebotene Rechtssicherheit.

37

Der Bundesgerichtshof ließ in seiner Vorlage ausdrücklich offen, ob der Gesetzgeber eine Verpflichtung aus grundrechtlichen Schutzpflichten hat, die gesetzlichen Voraussetzungen für ärztliche Zwangsmaßnahmen zu schaffen.

38

2. Die Betroffene ist während des anhängigen Vorlageverfahrens verstorben.

IV.

39

Zu der Vorlage haben die Bundesnotarkammer, der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V., der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V., der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen e.V., der Deutsche Notarverein e.V., die Aktion psychisch Kranke Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker e.V., die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V., der AWO Bundesverband e.V., die Bundesrechtsanwaltskammer, der Deutsche Caritasverband e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. und der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. Stellung genommen.

40

1. Ganz überwiegend wird die Auffassung vertreten, § 1906 Abs. 3 BGB verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Norm jedenfalls auch begünstigend sei und für den Ausschluss der von der Begünstigung nicht erfassten immobilen Betreuten keine Rechtfertigung ersichtlich sei. Teilweise wird zudem von der Verletzung weiterer Grundrechte ausgegangen.

41

a) Die Bundesnotarkammer hält es für wenig überzeugend, sollte man bei der Entscheidung über ärztliche Zwangsmaßnahmen nach dem individuellen Grad der Mobilität differenzieren müssen. Für die begrenzte Zulassung auch ambulanter Zwangsbehandlungen spreche, dass zur Erreichung des Ziels, die schon im stationären Umfeld befindliche Person zu schützen, dem in der Zwangsbehandlung liegenden Grundrechtseingriff nicht noch die Unterbringung als weiteren Eingriff vorangestellt werden müsste.

42

b) Der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V. sieht in der derzeitigen Rechtslage, bei Menschen, die sich nicht selbständig fortbewegen können, stationäre ärztliche Zwangsmaßnahmen nicht anordnen zu können, eine unzulässige Ungleichbehandlung.

43

c) Auch der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e.V. sieht einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, soweit § 1906 Abs. 3 BGB eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur erlaube, wenn eine Unterbringung des Betroffenen erforderlich sei.

44

d) Nach der Auffassung des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen e.V. stellt es einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 und Art 3 Abs. 1 GG dar, die Gruppe von Menschen, die sich einem Klinikaufenthalt aufgrund ihrer schlechten körperlichen Verfassung nicht entziehen können, nicht gegen deren Willen behandeln zu können.

45

e) Der Deutsche Notarverein e.V. gelangt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, § 1906 Abs. 3 BGB verstoße gegen Art. 2 Abs. 1 und gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verknüpfung der Zwangsbehandlung mit der Unterbringung laufe im Gesetzesvollzug allzu leicht auf eine Freiheitsentziehung hinaus, die unverhältnismäßig sei und auch gegen Art. 2 GG verstoße, da sie nur angeordnet werde, um eine Zwangsbehandlung durchführen zu können. Es gelte der Grundsatz, dass der Staat einen Menschen, der nicht selbstbestimmte und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen könne, vor sich selbst schützen müsse. Diese Schutzpflicht werde durch die geltende Regelung des § 1906 BGB nur gegenüber einem Teil der Betroffenen, nämlich den "Fluchtfähigen" wahrgenommen. Hierin liege eine den Gleichheitssatz verletzende Unterlassung, denn zwischen der begünstigten Gruppe und den Fluchtunfähigen bestünden keine erheblichen Unterschiede, die die ungleiche Behandlung rechtfertigten.

46

f) Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. sieht durch § 1906 Abs. 3 BGB sowohl Art. 3 Abs. 1 als auch Art. 3 Abs. 3 GG verletzt.

47

g) Auch der AWO Bundesverband e.V. vertritt die Auffassung, es gebe keinen rechtfertigenden Grund für eine Ungleichbehandlung der beiden Personengruppen.

48

h) Die Bundesrechtsanwaltskammer hält die Vorlage des Bundesgerichtshofs für zulässig und begründet. § 1906 Abs. 3 BGB sei nicht nur eine belastende sondern auch eine begünstigende Norm. Es sei kein Grund erkennbar, denjenigen Menschen, die sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder körperlich nicht dazu in der Lage seien, die Behandlung vorzuenthalten, die untergebrachte Betreute erhielten. Die Verfassungswidrigkeit der Norm könne auch nicht durch eine erweiternde, verfassungskonforme Auslegung von § 1906 Abs. 3 BGB überwunden werden. Dem sei bereits durch den eindeutigen Wortlaut eine Grenze gesetzt. Dies folge aber auch aus dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung deutlich gemacht habe, die Regelung solle ausschließlich für untergebrachte betreute Personen gelten.

49

2. Die Aktion psychisch Kranke Vereinigung zur Reform der Versorgung psychisch Kranker e.V. geht zwar auch davon aus, dass Menschen, die den Behandlungsort nicht aus eigener Kraft verlassen könnten oder wollten, denselben Schutzanspruch hätten wie solche, die sich noch fortbewegen könnten. Das Recht auf Schutz und Behandlung dürfe nicht vorenthalten werden, weil mangels eines formalen Unterbringungsgrundes nicht untergebracht werden könne. Anders als der Bundesgerichtshof meine, habe der Gesetzgeber aber nicht den engen Unterbringungsbegriff verwenden wollen. Es fehle an einer Legaldefinition des Begriffs der Unterbringung. Nach Auffassung des Verbands beginne die Unterbringung schon dann, wenn jemand gegen seinen Willen an einem Ort festgehalten werde. Die enge Auslegung des Unterbringungsbegriffs, der die Unterbringung an einen Freiheitsentzug knüpfe, sei ungeeignet, da sie zu einer unzulässigen Ungleichbehandlung führe und das Leben und die Gesundheit hilfsbedürftiger Menschen aufs Spiel setze. § 1906 Abs. 3 BGB wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn ein weiter Unterbringungsbegriff zugrunde gelegt würde.

50

3. Auch der Deutsche Caritasverband e.V. ist der Auffassung, mobile und immobile Betroffene seien in ihrem Schutzbedürfnis wesentlich gleich. Das Unterscheidungskriterium sei die Möglichkeit, sich der Behandlung entziehen zu können. Es sei aber fraglich, ob die immobile Personengruppe benachteiligt sei, da gerade ihrem Selbstbestimmungsrecht Rechnung getragen werde. Zwar werde durch den Hinweis des Bundesgerichtshofs auf die Schutzfunktion des § 1906 Abs. 3 BGB auf die begünstigende Wirkung abgestellt. Es müssten aber eben die eingreifende und die schützende Dimension beachtet werden. Wenn man gleichwohl in der Möglichkeit zur Zwangsbehandlung eine Begünstigung sehen wolle, sei es zunächst legitim, die Zwangsmaßnahmen auf einen stationären Rahmen zu beschränken. Es sei jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich, ärztliche Zwangsmaßnahmen nur denjenigen zuteil werden zu lassen, die noch mobil seien und sich einer Behandlung entziehen könnten.

51

4. Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. und die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. sehen in § 1906 Abs. 3 BGB hingegen lediglich eine Eingriffsnorm. Eine ärztliche Zwangsbehandlung könne nicht als Begünstigung angesehen werden. Es müsse immer der Patientenwille gelten. § 1906 Abs. 3 BGB sei schon deswegen verfassungswidrig, weil er Zwangsbehandlungen überhaupt ermögliche.

B.

I.

52

Die Vorlage ist zulässig.

53

1. Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof mit dem vorgelegten § 1906 Abs. 3 BGB in der Fassung des Gesetzes zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme vom 18. Februar 2013 (BGBl I S. 266) nur das nach seiner Überzeugung verfassungswidrige Nichteinbeziehen von Personen in bestimmten Lebenssituationen in diese Regelung und damit ein Unterlassen des Gesetzgebers beanstandet.

54

a) Das Vorlageverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG dient der Kontrolle konkreter gesetzgeberischer Entscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in dem dafür allein dem Bundesverfassungsgericht vorbehaltenen Verfahren (vgl. BVerfGE 86, 71 <77>; 138, 64 <90 f. Rn.78>). Es ist damit grundsätzlich kein Instrument, ein von einem Gericht von Verfassungs wegen für geboten gehaltenes allgemeines gesetzgeberisches Tätigwerden zu erzwingen. In diesem Sinne schlichtes Unterlassen des Gesetzgebers kann daher nicht Gegenstand einer konkreten Normenkontrolle sein (dazu auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Januar 2013 - 1 BvR 2004/10 -, NJW 2013, S. 1148 <1149 Rn. 21>; E. Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 24 Rn. 790; Dollinger, in: Burkiczak/Dollinger/Schorkopf, BVerfGG, 2015, § 80 Rn. 49; Zuck, in: Lechner/Zuck, BVerfGG, 7. Aufl. 2015, § 80 Rn. 11; Lenz/Hansel, BVerfGG, 2. Aufl. 2015, § 80 Rn. 61).

55

Diese Grundsätze stehen allerdings nicht der Vorlage einer bestimmten Norm nach Art. 100 Abs. 1 GG entgegen, die damit begründet wird, dass die Nichteinbeziehung bestimmter Sachverhalte oder Personengruppen gegen Gleichheitsrechte verstoße. Gegenstand einer solchen Normenkontrolle ist eine konkrete Entscheidung des Gesetzgebers, deren Erstreckung auf bestimmte andere Fälle aus Gründen der Gleichbehandlung für verfassungsrechtlich geboten gehalten wird. In derartigen Konstellationen erachtet es das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung als ausreichend, dass die im Falle eines Verstoßes gegen das Grundgesetz zu erwartende Erklärung der Norm als verfassungswidrig für den nicht in ihren Anwendungsbereich fallenden Betroffenen die Chance offen hält, eine ihn einbeziehende Regelung durch den Gesetzgeber zu erreichen (vgl. BVerfGE 22, 349 <363>; 61, 138 <146>; 71, 224 <228>; 74, 182 <195>; 93, 386 <395>; 115, 259 <275>; 121, 108 <115 f.>; 130, 131 <140>; vgl. auch BVerfGE 138, 136 <175 Rn. 104>). Nichts anderes gilt für den Fall, dass die vom vorlegenden Gericht im Zusammenhang mit der beanstandeten Norm vermisste Ausgestaltung nach dessen plausibel begründeter Überzeugung durch eine konkrete verfassungsrechtliche Schutzpflicht geboten ist.

56

b) Der Bundesgerichtshof hat seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm nachvollziehbar damit begründet, dass die Nichteinbeziehung bestimmter Sachverhalte oder Personengruppen in diese Norm gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.

57

Er hat in seinem Vorlagebeschluss nicht offensichtlich unhaltbar und damit für die Beurteilung der Zulässigkeit der Vorlage maßgebend (vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>; 138, 136 <171 Rn. 92>) dargelegt, dass für den Aufgabenkreis Gesundheitssorge unter Betreuung stehende Personen, die sich - wie die Betroffene des Ausgangsverfahrens - in stationärer Behandlung befinden und aus eigener Kraft nicht mehr von dort entfernen und sich auch sonst nicht einer ärztlichen Behandlung räumlich entziehen können, nicht die Voraussetzungen für die Anordnung einer geschlossenen Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB 2013 erfüllen. Damit besteht für sie auch nicht die Möglichkeit einer ärztlichen Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 3 BGB, da dies die geschlossene Unterbringung voraussetzt (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB).

58

Zur Begründung seiner Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm muss das Gericht unter Rechtsprechung und Schrifttum einbeziehenden Darlegungen deutlich machen, mit welchem verfassungsrechtlichen Grundsatz die zur Prüfung gestellte Regelung seiner Ansicht nach nicht vereinbar ist und aus welchen Gründen es zu dieser Auffassung gelangt (vgl. BVerfGE 78, 165 <171 f.>; 89, 329 <337>; 138, 136 <171 f. Rn. 93>). Diesen Voraussetzungen genügt der Vorlagebeschluss. Ob in der Verwehrung der ärztlichen Zwangsbehandlung für Betreute trotz der damit für sie zugleich verbundenen Eingriffe tatsächlich die Vorenthaltung einer Begünstigung im gleichheitsrechtlichen Sinne liegt (vgl. zur Notwendigkeit eines Nachteils BVerfGE 132, 195 <235 f. Rn. 95>), kann hier offen bleiben. Dass den nicht unterbringungsfähigen Betreuten mit dem Ausschluss der ärztlichen Zwangsbehandlung eine Option vorenthalten wird, die ihnen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs in diesem Zusammenhang von Verfassungs wegen nicht hätte verwehrt werden dürfen, hat das vorlegende Gericht substantiiert und plausibel dargelegt.

59

2. Der Vorlagebeschluss lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die aufgeworfene Frage zur Verfassungsmäßigkeit der Rechtslage für den Bundesgerichtshof entscheidungserheblich ist. Dabei ist dessen Auffassung zur Auslegung des § 1906 Abs. 1 und 3 BGB für die Beurteilung der Zulässigkeit seiner Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG maßgebend, da sie nicht offensichtlich unhaltbar ist (zu diesem Maßstab vgl. BVerfGE 2, 181 <190 f.>; 105, 61 <67>; 138, 136 <171 Rn. 92>). Dass der Sachverhalt nicht im Hinblick auf sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 1906 Abs. 1 und 3 BGB vollständig durch die Fachgerichte aufgeklärt war, ändert für den mit der Rechtsbeschwerde (§§ 70 ff. FamFG) angerufenen und daher nur mit der Prüfung von Rechtsverletzungen befassten Bundesgerichtshof nichts an der Entscheidungserheblichkeit der von ihm für verfassungswidrig gehaltenen Regelung (vgl. dazu BVerfGE 24, 119 <133 f.>), welche eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur bei freiheitsentziehender Unterbringung nach § 1906 Abs. 3 BGB zulässt, die für die Betroffene ausgeschlossen war.

60

3. Die Vorlage ist nicht dadurch unzulässig geworden, dass die Betroffene des Ausgangsverfahrens während des Vorlageverfahrens verstorben ist.

61

a) Führt ein Ereignis zur Erledigung des Ausgangsverfahrens, hat dies regelmäßig auch die Erledigung des Vorlageverfahrens zur Folge (vgl. BVerfGE 14, 140 <142>; 29, 325 <326 f.>). Denn Art. 100 Abs. 1 GG lässt ein Verfahren der konkreten Normenkontrolle nur zu, wenn es für die Entscheidung des Ausgangsverfahrens auf die Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift ankommt. Die konkrete Normenkontrolle dient der verfassungsgemäßen Entscheidung in einem bestimmten Gerichtsverfahren und ist insofern von dessen Existenz und Ziel abhängig (vgl. BVerfGE 42, 42 <49>).

62

Die Konzentration der Entscheidungsbefugnis über die Verfassungsmäßigkeit von Parlamentsgesetzen beim Bundesverfassungsgericht soll allerdings auch durch allgemein verbindliche Klärung verfassungsrechtlicher Grundsatzfragen divergierende Entscheidungen der Gerichte, Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung vermeiden (vgl. BVerfGE 1, 184 <199 f.>; 20, 350 <351>; 42, 42 <49 f.>). Es liegt in der Konsequenz dieser der Normenkontrolle auch zukommenden Bedeutung für die Klärung verfassungsrechtlicher Fragen, dass das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung unter Berufung auf deren Befriedungsfunktion die verfassungsgerichtliche Kontrolle auf Normen erstreckt hat, die mit der vorgelegten in engem Zusammenhang stehen, für das Ausgangsverfahren aber nicht entscheidungserheblich sind (vgl. BVerfGE 27, 195 <200>; 44, 322 <337 f.>; 62, 354 <364>; 78, 132 <143>; 132, 302 <316>; 135, 1 <12>).

63

Diese objektive, auf Rechtsklärung und Befriedung ausgerichtete Funktion der Normenkontrolle kann es auch rechtfertigen, ausnahmsweise nach einem Ereignis, das - wie hier der Tod der Betroffenen im Ausgangsverfahren - regelmäßig zu dessen Erledigung führt, die vorgelegte Frage nach der Gültigkeit einer Norm gleichwohl zu beantworten, wenn ein hinreichend gewichtiges, grundsätzliches Klärungsbedürfnis fortbesteht. Für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde besteht das Rechtsschutzbedürfnis trotz eines erledigenden Ereignisses auch im Fall des Todes des Beschwerdeführers fort (vgl. BVerfGE 124, 300 <318 f.>; vgl. allgemein BVerfGE 81, 138 <140 f.>; 96, 288 <300>; 98, 218 <242 f.>; 119, 309 <317 f.>). Entsprechendes muss erst recht für die konkrete Normenkontrolle gelten, zumal wenn die Vorlage durch ein funktional in besonderer Weise der Rechtsklärung verpflichtetes oberstes Bundesgericht erfolgt. Die konkrete Normenkontrolle steht ungeachtet der engen Bindung an das Ausgangsverfahren mit ihrer Ausrichtung auf die verfassungsrechtliche Normprüfung von vornherein stärker im Dienste der objektiven Rechtsklärung als die eher dem subjektiven Rechtsschutz dienende Verfassungsbeschwerde. Unter welchen Voraussetzungen das Fortbestehen eines Rechtsschutzinteresses zu bejahen ist, hängt dabei letztlich von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. BVerfGE 124, 300 <318>).

64

b) Trotz des Todes der Betroffenen des Ausgangsverfahrens besteht hier ein gewichtiges objektives Bedürfnis an der Klärung der vom Bundesgerichtshof vorgelegten Verfassungsrechtsfrage.

65

Ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass eine ärztliche Zwangsbehandlung nach geltendem Fachrecht bei Betreuten, die sich einer Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind und deshalb nicht freiheitsentziehend untergebracht werden können, ausgeschlossen ist, ist nicht geklärt und eine Frage von wesentlicher grundrechtlicher Bedeutung. Sie betrifft auch nicht nur einen seltenen Einzelfall. Aus den beim Bundesverfassungsgericht in diesem Verfahren eingegangenen Stellungnahmen wird deutlich, dass sich die Frage einer medizinisch indizierten Behandlung gegen den natürlichen Willen in ihre Krankheit nicht einsichtsfähiger Betreuter, die stationär behandelt werden, aber nicht mehr mobil und damit nicht unterbringungsfähig sind, in der Praxis keineswegs selten stellt. Zudem weisen Fälle der vorgelegten Art das strukturelle Problem auf, dass eine verfassungsgerichtliche Entscheidung oft nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann. Jedenfalls bei schwerwiegenden, lebensbedrohlichen Erkrankungen besteht stets die Gefahr, dass selbst bei größtmöglicher Verfahrensbeschleunigung die Vorlage eines Gerichts und die darauf ergehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu spät kommen. Außerdem erscheint es gegenüber den schon jetzt von der ungeklärten Verfassungsrechtsfrage Betroffenen nicht vertretbar, bis zu einer etwaigen neuen Vorlage zu warten, die dann wiederum dem Risiko ausgesetzt wäre, dass sie sich vor einer Entscheidung durch Tod des Betroffenen erledigt.

II.

66

Es verstößt gegen die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass für Betreute, die keinen freien Willen bilden können, eine medizinisch notwendige Behandlung - ungeachtet des Ausmaßes ihrer Gefährdung an Leib oder Leben einerseits und der Behandlungsrisiken andererseits - vollständig ausgeschlossen ist, wenn sie ihrem natürlichen Willen widerspricht, sie aber nicht freiheitsentziehend untergebracht werden können, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (1). Ob dies auch mit dem Gleichheitssatz unvereinbar ist, bedarf danach keiner Entscheidung (2).

67

1. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet den Staat, hilfsbedürftigen Menschen, die im Hinblick auf ihre Gesundheitssorge unter Betreuung stehen und bei einem drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, notfalls auch gegen ihren natürlichen Willen Schutz durch ärztliche Versorgung zu gewähren (a). Eine solche ärztliche Zwangsbehandlung ist auch mit den völkerrechtlichen Bindungen Deutschlands vereinbar (b). Es verstößt gegen die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass hilfsbedürftige Menschen, die stationär in einer nicht geschlossenen Einrichtung behandelt werden, sich aber nicht mehr aus eigener Kraft fortbewegen können, nach geltender Rechtslage nicht notfalls auch gegen ihren natürlichen Willen behandelt werden dürfen (c). Die Situation der Betreuten in ambulanter Behandlung bedarf hier keiner Entscheidung (d).

68

a) Die grundrechtliche Verbürgung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) kann auch konkrete staatliche Schutzpflichten begründen (aa). Solche bestehen unter bestimmten Voraussetzungen für die staatliche Gemeinschaft gegenüber Betreuten, die einer ärztlichen Behandlung bedürfen, die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme jedoch nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können (bb).

69

aa) Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gewährt nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in diese Rechtsgüter. Es stellt zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung dar, die staatliche Schutzpflichten begründet. Danach hat der Staat die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben des Einzelnen zu stellen (vgl. BVerfGE 39, 1 <42>; 46, 160 <164>; 90, 145 <195>; 115, 320 <346>). Auch der Schutz vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit werden von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst (vgl. BVerfGE 56, 54 <78>; 121, 317 <356>).

70

Die aus den Grundrechten folgenden subjektiven Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe einerseits und die sich aus der objektiven Bedeutung der Grundrechte ergebenden Schutzpflichten andererseits unterscheiden sich insofern grundlegend voneinander, als das Abwehrrecht in Zielsetzung und Inhalt ein bestimmtes staatliches Verhalten verbietet, während die Schutzpflicht grundsätzlich unbestimmt ist. Die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts ist Sache des Gesetzgebers, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen (vgl. BVerfGE 96, 56 <64>; 121, 317 <356>; 133, 59 <76 Rn. 45>). Das Bundesverfassungsgericht kann die Verletzung einer solchen Schutzpflicht nur feststellen, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 56, 54 <80>; 77, 170 <215>; 92, 26 <46>; 125, 39 <78 f.>).

71

bb) Danach verdichtet sich bei Betreuten, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, die allgemeine Schutzpflicht unter engen Voraussetzungen zu einer konkreten Schutzpflicht. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, ein System der Hilfe und des Schutzes für unter Betreuung stehende Menschen vorzusehen, die in diesem Sinne die Erforderlichkeit einer medizinischen Behandlung zur Abwehr oder Bekämpfung erheblicher Erkrankungen nicht erkennen oder nicht danach handeln können. Ärztliche Untersuchungs- und Heilmaßnahmen müssen dann in gravierenden Fällen als ultima ratio auch unter Überwindung des entgegenstehenden natürlichen Willens solcher Betreuter vorgenommen werden dürfen.

72

Diese Schutzpflicht resultiert aus der spezifischen Hilfsbedürftigkeit der nicht einsichtsfähigen Betreuten ((1)). Steht einer in Wahrnehmung dieser Schutzpflicht medizinisch gebotenen Behandlung der natürliche Wille einer nicht einsichtsfähigen Person entgegen, gerät diese Maßnahme allerdings in Konflikt mit ihrem Selbstbestimmungsrecht ((2)) und mit ihrem Recht auf körperliche Unversehrtheit ((3)). Dieser Konflikt zwischen den hier in ihrer Freiheits- und in ihrer Schutzdimension kollidierenden Grundrechten desselben Grundrechtsträgers ist möglichst schonend aufzulösen. Drohen Betreuten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen und überwiegen die Vorteile eines medizinischen Eingriffs eindeutig gegenüber den damit verbundenen Nachteilen und Risiken, geht jedoch die Schutzpflicht vor, so dass der Gesetzgeber die Möglichkeit einer medizinischen Behandlung oder Untersuchung auch gegen den natürlichen Willen der Betreuten vorsehen muss ((4)).

73

(1) Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschuldete verfassungsrechtliche Pflicht, unter eng begrenzten Voraussetzungen Schutzmaßnahmen bis hin zu medizinischen Zwangsbehandlungen für bestimmte unter Betreuung stehende Menschen vorzusehen, folgt aus deren spezifischer Hilfsbedürftigkeit. Wenn sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, in eigener Sache die medizinische Notwendigkeit einer Untersuchung oder Heilmaßnahme zu erkennen oder danach zu handeln, sind sie insofern schutzlos und hilfsbedürftig, als sie Gefährdungen von Leib und Leben ausgeliefert sind, ohne selbst für ihren Schutz sorgen zu können (vgl. BVerfGE 58, 208 <225>; 128, 282 <304 ff.>). Die staatliche Gemeinschaft darf den hilflosen Menschen nicht einfach sich selbst überlassen.

74

(2) Jede Zwangsbehandlung greift allerdings in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein. Denn der Mensch ist nach dem Grundgesetz grundsätzlich frei, über Eingriffe in seine körperliche Integrität und den Umgang mit seiner Gesundheit nach eigenem Gutdünken zu entscheiden. Diese Freiheit ist Ausdruck seiner persönlichen Autonomie und als solche auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützt (im Ergebnis ebenso BVerfGE 128, 282<302>; 129, 269 <280>; 133, 112 <131 Rn. 49> jeweils unter Berufung auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Seine Entscheidung, ob und inwieweit er eine Krankheit diagnostizieren und behandeln lässt, muss er nicht an einem Maßstab objektiver Vernünftigkeit ausrichten. Eine Pflicht des Staates, den Einzelnen "vor sich selbst in Schutz zu nehmen", eröffnet keine "Vernunfthoheit" staatlicher Organe über den Grundrechtsträger dergestalt, dass dessen Wille allein deshalb beiseitegesetzt werden dürfte, weil er von durchschnittlichen Präferenzen abweicht oder aus der Außensicht unvernünftig erscheint (vgl. BVerfGE 128, 282 <308>). Die Freiheitsgrundrechte schließen das Recht ein, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der in den Augen Dritter den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwider läuft. Daher ist es grundsätzlich Sache des Einzelnen, darüber zu entscheiden, ob er sich therapeutischen oder sonstigen Maßnahmen unterziehen will, auch wenn sie der Erhaltung oder Verbesserung seiner Gesundheit dienen. Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt auch die "Freiheit zur Krankheit" und damit das Recht ein, auf Heilung zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <304> m.w.N.).

75

Sofern Betroffene mit freiem Willen über medizinische Maßnahmen zur Erhaltung oder Besserung der eigenen Gesundheit entscheiden können, besteht daher keine Schutz- und Hilfsbedürftigkeit. Die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG tritt insoweit zurück. Eine medizinische Zwangsbehandlung gegen den freien Willen eines Menschen ist ausgeschlossen.

76

Können Betroffene keinen freien Willen in Bezug auf den Umgang mit einer Krankheit bilden, weil sie krankheitsbedingt nicht in der Lage sind, die Notwendigkeit einer ärztlichen Maßnahme zu erkennen oder nach dieser Einsicht zu handeln (zu dieser Bedingung vgl. BVerfGE 128, 282 <304 f.> sowie § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB), bleibt ein etwa vorhandener natürlicher Wille in Bezug auf ihre Krankheit verfassungsrechtlich auch hier Ausdruck ihres durch das Recht auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit geschützten Selbstbestimmungsrechts, in das auch unter diesen Voraussetzungen im Falle einer Zwangsbehandlung eingegriffen wird. Allerdings kann der einer notwendigen ärztlichen Behandlung entgegenstehende natürliche Wille nichts an der besonderen Hilfs- und Schutzbedürftigkeit der Betroffenen ändern.

77

(3) Wird eine ärztliche Maßnahme nicht durch ein auf dem freien Willen der Betroffenen beruhendes Einverständnis gerechtfertigt, gerät sie im Falle der Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen auch in Konflikt mit dem Grundrecht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit (vgl. auch dazu bereits BVerfGE 128, 282 <300 f.>). Das gilt sowohl für diagnostische als auch für therapeutische Maßnahmen.

78

(4) Drohen dem in seine Krankheit nicht einsichtsfähigen Betreuten schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigungen und führt die Abwägung seiner Heilungschancen mit seinen Belastungen durch die ärztlichen Maßnahmen zu einem eindeutigen Ergebnis, so überwindet die Schutzpflicht des Staates die entgegenstehenden Freiheitsrechte. Hier obliegt es dem Staat, die Möglichkeit einer medizinischen Behandlung auch gegen den natürlichen Willen der Betreuten zu eröffnen. Dabei müssen strenge materielle und verfahrensrechtliche Anforderungen an eine solche Zwangsbehandlung die möglichst weitgehende Berücksichtigung der betroffenen Freiheitsrechte sicherstellen.

79

(a) Verlangt die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein medizinisches Tätigwerden gegen den natürlichen Willen der Betreuten, kollidiert dies mit ihrem Selbstbestimmungsrecht und ihrem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die Schutzpflicht entfällt hier jedoch nicht schon deshalb, weil sie nicht gegen drohende Grundrechtsverletzungen durch Dritte gerichtet ist, sondern darauf fußende Maßnahmen in Konflikt mit gegenläufigen eigenen Grundrechten der Betroffenen stehen. Die Schutzpflicht hat im Falle der Betreuten ihren Grund nicht in der Pflicht des Staates zur Abwehr fremder Angriffe auf deren Grundrechtspositionen, sondern in dem gesteigerten Schutzbedarf der Betreuten, sofern diese nicht zur Einsicht in die konkrete Notwendigkeit einer medizinischen Maßnahme fähig sind und darum Gefährdungen von Leib und Leben ausgeliefert wären, ohne in Freiheit selbst für den eigenen Schutz sorgen zu können. Während der zur Einsicht in Krankheit und Behandlungsbedürftigkeit fähige Mensch selbst entscheidet, ob er sich ärztlichen Maßnahmen zur Abwendung schwerwiegender Gesundheits- und Lebensgefahren unterzieht, gebietet im Falle derjenigen, die keine Einsicht in die gesundheitliche Bedrohung und Behandlungsbedürftigkeit haben oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, die grundrechtliche Schutzpflicht unter engen Voraussetzungen, dass der Staat auch gegen den erkennbaren natürlichen Willen Maßnahmen zum Schutz vor schwerwiegenden Gefährdungen ergreift.

80

(b) Der Gesetzgeber muss für Fälle, in denen drohende erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen einschließlich einer Lebensgefahr durch nicht zu eingriffsintensive Behandlungen mit hohen Erfolgsaussichten abgewehrt werden können, die Betroffenen aber aufgrund ihrer krankheitsbedingt fehlenden Einsichtsfähigkeit mit ihrem natürlichen Willen eine solche Behandlung ablehnen, die Möglichkeit einer medizinischen Zwangsbehandlung vorsehen. Die staatliche Schutzpflicht hat hat bei erheblicher Gesundheitsgefährdung einer zum eigenen Schutz selbst nicht fähigen Person besonderes Gewicht. Gehen mit der zur Abwehr der Gefahr notwendigen medizinischen Maßnahme keine besonderen Behandlungsrisiken einher und gibt es auch keine tragfähigen Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Behandlungsverweigerung dem ursprünglichen freien Willen der Betreuten entspricht, ist das Ergebnis der Abwägung zwischen den kollidierenden Grundrechten offensichtlich vorgezeichnet. Die staatliche Schutzpflicht gegenüber den Hilflosen überwiegt dann im Verhältnis zu deren Selbstbestimmungsrecht und ihrer körperlichen Integrität und setzt sich durch.

81

Bei der Umsetzung dieser Schutzpflicht verfügt der Gesetzgeber über einen Spielraum zur näheren Ausgestaltung der einzelnen Bedingungen konkreter Schutzmaßnahmen. Ein Spielraum bleibt dem Gesetzgeber insbesondere bei der Ausgestaltung der materiellen Voraussetzungen einer Heilbehandlung und der Verfahrensregeln zur Sicherung der Selbstbestimmung und körperlichen Integrität der Betroffenen. Dieser Spielraum betrifft bei bestehender Schutzpflicht indessen nur die Frage wie, nicht aber ob überhaupt verbindliche Regeln für die ärztliche Behandlung in ihrer Gesundheitssorge Betreuter vorzusehen sind.

82

(c) Weil sich in den beschriebenen Fällen einer konkreten Schutzpflicht diese im Ergebnis gegenüber dem Selbstbestimmungsrecht und der körperlichen Integrität der Betroffenen durchsetzt, ist der Gesetzgeber im Interesse einer möglichst weitgehenden Rücksichtnahme auf die zurücktretenden Freiheitsrechte der Betroffenen gehalten, inhaltlich anspruchsvolle und hinreichend bestimmt formulierte materielle und begleitende verfahrensrechtliche Voraussetzungen für eine medizinische Zwangsbehandlung zu normieren (so bereits für die Rechtfertigung der Zwangsbehandlung als Eingriff BVerfGE 128, 282 <308 ff.>). Dabei hat der Gesetzgeber insbesondere dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es nicht um die Sicherstellung medizinischen Schutzes nach Maßstäben objektiver Vernünftigkeit geht; vielmehr ist der freie Wille der Betreuten zu respektieren. Dies gilt auch, soweit der freie Wille anhand von Indizien - insbesondere unter Rückgriff auf frühere Äußerungen oder etwa aufgrund der Qualität des geäußerten natürlichen Willens - ermittelbar ist. Nur wo dies nicht möglich ist, kann als letztes Mittel ein krankheitsbedingt entgegenstehender natürlicher Wille überwunden werden.

83

(d) Die materiellen Voraussetzungen einer durch die Schutzpflicht gebotenen Regelung zur medizinischen Zwangsbehandlung haben zu gewährleisten, dass eine solche bei offensichtlicher Eindeutigkeit des Abwägungsergebnisses der genannten Parameter (drohende erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigungen, nicht zu eingriffsintensive Behandlung, hohe Erfolgsaussichten) erfolgen darf (vgl. dazu den im Nachgang zu BVerfGE 128, 282 geschaffenen § 1906 Abs. 3 BGB und dort insbes. die Nrn. 3 und 5). Da angesichts der Vielgestaltigkeit möglicher Kombinationen von Erkrankungen und Behandlungsoptionen die Entscheidungsvorgaben auf Gesetzesebene nicht alle Fallgestaltungen einer medizinischen Zwangsbehandlung im Einzelnen abbilden können und dabei auch noch nach Anlass- und Begleiterkrankung zu differenzieren sein mag, ist die Evidenz des Abwägungsergebnisses vor allem auf der Anwendungsebene im Einzelfall zu suchen. Dies kann unter anderem eine abgestuft intensive Berücksichtigung des natürlichen Willens eines Betreuten verlangen, je nachdem wie nahe er auch nach der gebotenen Unterstützung einem freien (oder dem zu vermutenden freien) Willen der Betreuten kommt.

84

(e) Der Gesetzgeber hat zudem ausreichende verfahrensrechtliche Sicherungen für die Genehmigung einer medizinischen Zwangsbehandlung vorzusehen. Die im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 zur medizinischen Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfGE 128, 282 <309 ff.>) aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip abgeleiteten Verfahrensanforderungen gelten in gleicher Weise für die Behandlung von in ihre Krankheit nicht einsichtsfähigen Betreuten. Dass die ärztliche Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug ihre Rechtfertigung wesentlich auch in der Wiedererlangung der persönlichen Freiheit findet (vgl. BVerfGE 128, 282 <304>), bei Betreuten hingegen die Schutzpflicht unmittelbar auf die Erhaltung oder Wiedererlangung ihrer Gesundheit zielt, ändert nichts an der Notwendigkeit gleichartiger verfahrensrechtlicher Sicherungen. Danach muss durch geeignete verfahrensrechtliche Regeln gewährleistet sein, dass eine medizinische Zwangsbehandlung nur vorgenommen werden darf, wenn fest steht, dass tatsächlich kein freier Wille der Betreuten vorhanden ist, dem gleichwohl vorhandenen natürlichen Willen nach Möglichkeit Rechnung getragen wird und dass die materiellen Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung nachweisbar vorliegen.

85

Bei der Ausgestaltung dieser Verfahrenssicherungen hat der Gesetzgeber Gestaltungsspielraum, von dem er in der geltenden Fassung der § 1906 BGB, §§ 312 ff. FamFG im Anschluss an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (a.a.O.) Gebrauch gemacht hat. Zu den notwendigen Verfahrenssicherungen gehören die Anordnung und Überwachung der Maßnahme durch Ärzte, ihre vorherige Ankündigung, die Einbeziehung von - auch von den behandelnden Ärzten - unabhängigen Sachverständigen, der Genehmigungsvorbehalt durch einen Richter und auch die Dokumentationspflicht (vgl. BVerfGE 128, 282 <311 ff.>).

86

Der vom Grundgesetz geforderte Respekt vor der autonomen Selbstbestimmung der Einzelnen verlangt vom Gesetzgeber auch bei Menschen, die im Hinblick auf ihre Gesundheitssorge unter Betreuung stehen, durch entsprechende Regelungen sicherzustellen, dass vor konkreten Untersuchungen des Gesundheitszustands, vor Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen stets aktuell festgestellt wird, ob nicht eine hinreichende Einsichts- und Handlungsfähigkeit der Betroffenen im Hinblick auf diese Maßnahmen besteht, so dass sie hierfür einen freien und damit maßgeblichen Willen bilden können. Dabei können, wie es das Gesetz auch jetzt schon vorsieht (vgl. § 1901a Abs. 1 und 2 BGB), eine Patientenverfügung oder früher geäußerte Behandlungswünsche für die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation maßgeblich sein. Im Hinblick auf den entgegenstehenden natürlichen Willen der nicht einsichtsfähigen Betreuten ist außerdem zunächst zu versuchen, die Betreuten von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Zwangsbehandlung zu überzeugen (vgl. bereits § 1906 Abs. 3 Nr. 2 BGB), bevor als letztes Mittel zu einer Zwangsbehandlung geschritten werden darf.

87

b) Völkerrechtliche Bindungen stehen der Pflicht des Staates, dem eines freien Willens nicht fähigen Betreuten in hilfloser Lage Schutz zu gewähren und ihn unter den genannten Voraussetzungen (oben a bb, Rn. 71 ff.) notfalls einer medizinischen Zwangsbehandlung zu unterziehen, nicht entgegen.

88

aa) Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 23. März 2011 entschieden, dass die UN-Behindertenrechtskonvention (BRK), die in Deutschland Gesetzeskraft hat (Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen vom 21. Dezember 2008, BGBl II S. 1419) und als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte herangezogen werden kann (vgl. BVerfGE 111, 307 <317 f.>), kein anderes Ergebnis nahe legt (vgl. BVerfGE 128, 282 <306 f.>). Es hat den Konventionsbestimmungen, die auf Sicherung und Stärkung der Autonomie behinderter Menschen gerichtet sind - insbesondere dem Art. 12 BRK - kein grundsätzliches Verbot für Maßnahmen entnommen, die gegen den natürlichen Willen Behinderter vorgenommen werden und an eine krankheitsbedingt eingeschränkte Selbstbestimmungsfähigkeit anknüpfen. Denn der Regelungszusammenhang des Art. 12 Abs. 4 BRK, der sich gerade auf Maßnahmen bezieht, die Betroffene in der Ausübung ihrer Rechts- und Handlungsfähigkeit beschränken, belegt, dass die Konvention solche Maßnahmen nicht allgemein untersagt, sondern ihre Zulässigkeit unter anderem dadurch beschränkt, dass Art. 12 Abs. 4 BRK die Vertragsstaaten zu geeigneten Sicherungen gegen Interessenkonflikte, Missbrauch und Missachtung sowie zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit verpflichtet (vgl. BVerfGE 128, 282 <307>).

89

Die zwischenzeitlichen Berichte (Art. 39 BRK), Leitlinien (Art. 35 Abs. 3 BRK) und Empfehlungen (Art. 36 Abs. 1 BRK) des Ausschusses für die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach Art. 34 BRK zur Auslegung der Konventionsbestimmungen und insbesondere zur Rechtslage in Deutschland führen zu keiner abweichenden Beurteilung.

90

Den Äußerungen des für die Abgabe solcher Stellungnahmen zuständigen Ausschusses zur Auslegung eines Menschenrechtsabkommens kommt erhebliches Gewicht zu, sie sind aber für internationale und nationale Gerichte nicht völkerrechtlich verbindlich (vgl. IGH, Ahmadou Sadio Diallo [Republic of Guinea v. Democratic Republic of the Congo]), I.C.J. Reports 2010, S. 639, <663-664>, para. 66; Supreme Court of Ireland, Kavanagh v. Governor of Mountjoy Prison and the Attorney General, Urteil vom 1. März 2002, S. 14 f.; Tribunal Constitucional [Spanien], STC 070/2002, recurso de amparo núm. 3787-2001, Urteil vom 3. April 2002, II. para. 7 a); Conseil d'État [Frankreich], Juge des référés vom 11. Oktober 2001, No. 238849, ECLI:FR:CEORD:2001:238849.20011011, S. 4; für die Auffassungen unter dem Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte weitergehend Human Rights Committee, General Comment No 33, UN Doc. CCPR/C/GC/33 vom 5. November 2008, Nr. 13). Eine Kompetenz zur Fortentwicklung internationaler Abkommen über Vereinbarungen und die Praxis der Vertragsstaaten hinaus kommt diesen Ausschüssen nicht zu (vgl. Art. 31 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, UNTS 1155, 331 <340>, BGBl II 1985 S. 926, der Völkergewohnheitsrecht wiedergibt; vgl. IGH, LaGrand [Germany v. USA], I.C.J. Reports 2001, S. 466 <501> para. 99; dazu BVerfGE 90, 286 <362 ff.>; Mark Villiger, Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, 2009, Art. 31 Rn. 37 m.w.N.). Es kann dahingestellt bleiben, ob die zu anderen völkerrechtlichen Vereinbarungen ergangenen Aussagen für alle Stellungnahmen des Ausschusses für die Konvention über die Rechte der Menschen mit Behinderung in gleicher Weise gelten. Jedenfalls ist dem Ausschuss in den Art. 34 ff. BRK kein Mandat zur verbindlichen Interpretation des Vertragstextes übertragen worden. Bei der Vertragsauslegung sollte sich ein nationales Gericht aber mit den Auffassungen eines zuständigen internationalen Vertragsorgans in gutem Glauben argumentativ auseinandersetzen; es muss sie aber nicht übernehmen (vgl. - allerdings für Entscheidungen internationaler Ge- richte - BVerfGE 111, 307 <317 f.>; 128, 326 <366 ff., 370>; stRspr; Christian Tomuschat, Human Rights Committee, The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Bd. IV, 2012, S. 1058 <1061> Rn. 14).

91

Auch in der Sache stehen die Stellungnahmen des Ausschusses der nach deutschem Verfassungsrecht notfalls gebotenen ärztlichen Zwangsbehandlung nicht entgegen. Soweit der Ausschuss in seinen Abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands vom 13. Mai 2015 (UN Doc. CRPD/C/DEU/CO/1) allgemein die Regelungen des Betreuungsrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch beanstandet und unter Verweisung auf seinen Allgemeinen Kommentar Nr. 1 (2014) (UN Doc. CRPD/C/GC/1 vom 19. Mai 2014) zu Art. 12 BRK fordert, alle ersetzenden Entscheidungen abzuschaffen und ein System der unterstützenden Entscheidung an ihre Stelle treten zu lassen (ebenda Nr. 25 f.), bleibt seine Kritik im Hinblick auf die hier in Rede stehenden Fälle medizinischer Zwangsbehandlung unspezifisch. Insbesondere verhält sie sich nicht zu der im vorgelegten Fall maßgeblichen Frage eines gänzlich fehlenden freien Willens des Behinderten in einer medizinischen Notsituation. Entsprechendes gilt für die Leitlinien des Ausschusses zur Auslegung des Art. 14 BRK vom September 2015 (abrufbar unter: http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/CRPD/GC/Guidelines Article14.doc, zuletzt aufgerufen am 4. Juli 2016). In ihnen betont der Ausschuss, dass bei Menschen mit Behinderungen keine Maßnahme der Gesundheitsversorgung vorgenommen werden darf, wenn sie nicht auf dem freien und informierten Einverständnis der betroffenen Person beruht (ebenda Nr. 11). Der Ausschuss fordert die Staaten deshalb auf, jede Form der Zwangsbehandlung aufzugeben (ebenda Nr. 12). Auch hier gibt der Ausschuss keine Antwort auf die Frage, was nach seinem Verständnis des Vertragstextes mit Menschen geschehen soll, die keinen freien Willen bilden können und sich in hilfloser Lage befinden. Es spricht auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Ausschusses nichts dafür, dass diese Menschen nach Text und Geist der Behindertenrechtskonvention ihrem Schicksal überlassen werden sollten und die Konvention auch unter den hier von Verfassungs wegen geforderten strengen Voraussetzungen einer Zwangsbehandlung entgegen steht, zumal auch nach den vorstehend dargelegten Forderungen des Verfassungsrechts und den geltenden Regeln des Betreuungsrechts das nationale Recht in Übereinstimmung mit der Behindertenrechtskonvention dem Grundsatz des Vorrangs des - gegebenenfalls unterstützten - Willens des Behinderten folgt.

92

bb) Die sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergebende Pflicht des Staates, den eines freien Willens nicht fähigen Betreuten in hilfloser Lage Schutz zu gewähren und sie unter den genannten Voraussetzungen (oben a bb, Rn. 71 ff.) notfalls einer medizinischen Zwangsbehandlung zu unterziehen, steht auch im Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

93

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergibt sich aus Art. 8 EMRK ein Recht, sein Leben so zu leben, wie man es selbst bestimmt hat. Das schließt auch die Möglichkeit ein, Dinge zu tun, die körperlich schädlich oder gefährlich sind. Die ärztliche Behandlung gegen den Willen von erwachsenen Patienten, die im Besitz ihrer geistigen Kräfte sind, würde selbst dann in die körperliche Integrität eingreifen und damit in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte, wenn die Ablehnung der Behandlung den Tod zur Folge hätte (vgl. EGMR (GK), Lambert v. France, Urteil vom 5. Juni 2015, Nr. 46043/14, § 120 ff.; EGMR, Pretty v. United Kingdom, Urteil vom 29. April 2002, Nr. 2346/02, § 62 f.). Dabei besitzen die Staaten aber einen Einschätzungsspielraum ("margin of appreciation", EGMR (GK), Lambert v. France, Urteil vom 5. Juni 2015, Nr. 46043/14, § 148).

94

Voraussetzung dafür, dass Staat und Gesellschaft auch eine nach objektiven Maßstäben unvernünftige und eventuell zum Tod führende Entscheidung akzeptieren müssen, ist danach jedoch stets, dass diese auf dem Willen einer erwachsenen Person beruht, die im Besitz ihrer geistigen Kräfte ist. Trifft eine Person aber die Entscheidung nicht freien Willens und bei vollem Verständnis der Umstände, nimmt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine aus Art. 2 EMRK abgeleitete Verpflichtung des Staates an, diese Person davon abzuhalten, ihr Leben zu riskieren (vgl. EGMR (GK), Lambert v. France, Urteil vom 5. Juni 2015, Nr. 46043/14, § 140; EGMR, Haas v. Switzerland, Urteil vom 20. Januar 2011, Nr. 31322/07, § 54; EGMR, Arskaya v. Ukraine, Urteil vom 5. Dezember 2013, Nr. 45076/05, § 69 f.). Lehnt ein Patient eine medizinisch indizierte Behandlung ab, mit der Folge, dass sein Leben dadurch gefährdet wird, hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Staat für verpflichtet, hinreichende Vorkehrungen zu treffen, damit die behandelnden Ärzte beim Vorliegen von Indizien, die auf einen fehlenden freien Willen hindeuten, die Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person weiter aufklären (vgl. EGMR, Arskaya v. Ukraine, Urteil vom 5. Dezember 2013, Nr. 45076/05, §§ 62, 69, 70, 88).

95

Ein Widerspruch der Europäischen Menschenrechtskonvention zu dem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG unter den dargelegten Bedingungen folgenden Gebot einer medizinischen Zwangsbehandlung hilfsbedürftiger Betreuter (oben a bb, Rn. 71 ff.) kann Art. 2, 8 EMRK in der Auslegung durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof danach nicht entnommen werden.

96

c) Hiernach verstößt es gegen die Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, dass nach geltendem Betreuungsrecht für nicht einsichtsfähige Betreute, denen aufgrund einer Erkrankung eine erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung droht und die mit guten Erfolgsaussichten durch eine Maßnahme behandelt werden können, die mit verhältnismäßig geringen Belastungen einhergeht, keine Möglichkeit besteht, sie notfalls auch gegen ihren natürlichen Willen zu behandeln, wenn sie sich in stationärer Behandlung befinden, aber aus eigener Kraft der notwendigen Behandlung nicht entziehen und deshalb nicht freiheitsentziehend untergebracht werden können.

97

Das Betreuungsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs sieht eine ärztliche Zwangsbehandlung nur für solche Betreute vor, die nach § 1906 Abs. 1 BGB geschlossen untergebracht sind (§ 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB). Der Bundesgerichtshof hat in dem Vorlagebeschluss unter Rückgriff auf seine Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 -, FamRZ 2008, S. 866 <867 Rn. 22 ff.>) und auf die damit und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts korrespondierende Gesetzgebungsgeschichte (BTDrucks 17/11513, S. 1 ff. <6>; BTDrucks 17/12086, S. 1) im Einzelnen dargelegt, dass der Gesetzgeber in § 1906 BGB eine Rechtsgrundlage für medizinische Zwangsbehandlungen nur für geschlossen untergebrachte Betreute schaffen wollte und dies in § 1906 BGB eindeutig zum Ausdruck gebracht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2015 - XII ZB 89/15 -, Vorlagebeschluss, juris, Rn. 19 ff.). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Fachrecht aus verfassungsrechtlicher Sicht insoweit anders zu deuten ist (zur Befugnis des Bundesverfassungsgerichts zur Auslegung des einfachen Rechts im Normenkontrollverfahren vgl. BVerfGE 135, 1 <16 Rn. 48>). Auch an den Voraussetzungen für eine freiheitsentziehende Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB für die medizinische Zwangsbehandlung hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strengen Unterbringungsbegriff festgehalten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2015 - XII ZB 89/15 -, Vorlagebeschluss, juris, Rn. 19 ff.; BTDrucks 17/11513, S. 1 ff. <6>). Damit ist einer - auch verfassungskonformen - Auslegung des § 1906 BGB der Weg versperrt, die eine medizinische Zwangsbehandlung auch ohne freiheitsentziehende Unterbringung zuließe oder eine solche Unterbringung erlaubte, ohne dass sie ihrerseits durch den Willen und die Fähigkeit des Betreuten, sich räumlich zu entfernen, zwingend geboten wäre.

98

In stationärer Behandlung befindliche Betreute, die - wie die Betroffene des Ausgangsverfahrens - faktisch nicht in der Lage sind, sich räumlich zu entfernen, können danach nicht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB freiheitsentziehend untergebracht und deshalb auch nicht nach § 1906 Abs. 3 BGB zwangsbehandelt werden. Damit wird solchen Betreuten, selbst wenn in ihrer Person sämtliche materiellen Voraussetzungen einer verfassungsgebotenen Schutzpflicht zweifelsfrei vorlägen und die verfahrensrechtlichen Anforderungen eingehalten werden könnten, nicht der nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gebotene Schutz zuteil. Insoweit genügt die Rechtslage für Betreute nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

99

Zu dieser Feststellung bedarf es hier nicht der Prüfung, ob § 1906 BGB insgesamt den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Auf eine solche Vollprüfung des § 1906 BGB ist die Vorlage nicht angelegt; dementsprechend ist die Tatsachen- und Rechtslage insoweit auch nicht durch das Vorlagegericht aufgearbeitet, ohne dass dies aus verfassungsrechtlicher Sicht zu beanstanden wäre.

100

d) Keiner Entscheidung bedarf schließlich, ob die Rechtslage auch insofern der Schutzpflicht des Staates aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht genügt, als § 1906 BGB mit der Beschränkung der ärztlichen Zwangsbehandlung auf freiheitsentziehend Untergebrachte nicht nur die stationär Behandelten, sondern - aufgrund bewusster gesetzgeberischer Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2015 - XII ZB 89/15 -, Vorlagebeschluss, juris, Rn. 53 ff.; BTDrucks 15/4874, S. 8 <25 f.>; Protokoll der 105. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 17. Wahlperiode, 10. Dezember 2012; vgl. auch BTPlenarprot 15/158, S. 14826 f.) - auch alle anderen Betreuten in ambulanter Behandlung von dieser Möglichkeit ausschließt. Der Ausschluss dieser Gruppe ist nicht Gegenstand der Vorlage. Die Vorlage kann auch nicht ohne weiteres darauf erstreckt werden (zu dieser Möglichkeit vgl. BVerfGE 135, 1 <12 Rn. 33 f.>), weil die Nichtberücksichtigung der Betreuten in ambulanter Behandlung bei der Möglichkeit der ärztlichen Zwangsbehandlung auf Sachgründen beruht, deren Tragfähigkeit nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist (vgl. insbesondere Protokoll der 105. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 17. Wahlperiode, 10. Dezember 2012; vgl. auch BTPlenarprot 15/158, S. 14826 ff.). Außerdem werden ambulant Betreute in schwerwiegenden Fällen letztlich nicht schutzlos gelassen, weil sie nach einer Unterbringung bei Erfüllung der Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB dann doch einer Zwangsbehandlung unterzogen werden können. Damit führt diese Konstellation auf eine Reihe zusätzlicher verfassungsrechtlicher Fragen, die gegen eine schlichte Erstreckung der Normenkontrolle hierauf über die Vorlagefrage hinaus sprechen.

101

2. Es kann offen bleiben, ob, worauf der Bundesgerichtshof seine Vorlage stützt, auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin liegt, dass Betreuten, die sich in stationärer Behandlung befinden und sich aus eigener Kraft nicht mehr räumlich entfernen können, die Möglichkeit einer ärztlichen Zwangsbehandlung verschlossen bleibt. Da sich die Gesetzeslage schon deshalb als verfassungswidrig erweist, weil § 1906 Abs. 3 BGB eine ärztliche Zwangsbehandlung bei solchen Betreuten, die nicht freiheitsentziehend untergebracht werden können, völlig ausschließt und damit jedenfalls eine Gruppe keiner freien Willensbildung fähiger, hilfsbedürftiger Betreuter entgegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schutzlos lässt, selbst wenn bei ihnen die Abwägung zwischen erforderlicher ärztlicher Behandlung und dabei drohenden Nachteilen eindeutig ausfällt und deshalb eine konkrete staatliche Schutzpflicht besteht, können die sich im Zusammenhang mit Art. 3 GG stellenden Fragen hier offen bleiben. Dies gilt auch für die Frage, ob das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG verletzt ist, da dieses hier jedenfalls nicht mehr fordert als die Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

C.

102

Nach § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 78 Satz 1 BVerfGG erklärt das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für nichtig, von dem es zur Überzeugung gelangt ist, dass es mit dem Grundgesetz unvereinbar ist. Es befindet ein Gesetz allerdings regelmäßig lediglich für verfassungswidrig bei der Verletzung des Gleichheitssatzes (vgl. dazu BVerfGE 133, 59 <99>; 138, 136 <249 Rn. 286>; stRspr) oder in Fällen, in denen die Rechtslage ohne die Norm noch weniger mit der Verfassung vereinbar wäre als im Falle ihrer befristeten Weitergeltung (vgl. BVerfGE 83, 130 <154>; 92, 53 <73>; 111, 191 <224>; 117, 163 <201>; 127, 293 <333>; 133, 241 <260 Rn. 51>). Da hier kein Verstoß des vorgelegten § 1906 Abs. 3 BGB in seinem derzeitigen Regelungsgehalt gegen das Grundgesetz festgestellt wird, sondern die Nichterfüllung einer konkreten Schutzpflicht des Gesetzgebers aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für eine bestimmte Personengruppe, genügt es festzustellen, dass dieses Defizit verfassungswidrig ist. Der Feststellung eines Verfassungsverstoßes durch § 1906 Abs. 3 BGB bedarf es daneben nicht. Es liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er die Schutzlücke durch Einbeziehung der betroffenen Personengruppe in den § 1906 Abs. 3 BGB unter Verzicht auf eine freiheitsentziehende Unterbringung oder außerhalb dieser Norm gesondert behebt.

103

Der Gesetzgeber hat die festgestellte Schutzlücke für Betreute, die bei einem drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, und deshalb notfalls auch auf Schutz durch ärztliche Versorgung gegen ihren natürlichen Willen angewiesen sind, unverzüglich zu schließen. Mit Rücksicht darauf, dass - wie gerade der Vorlagefall zeigt - die geltende Rechtslage auch bei drohenden gravierenden oder gar lebensbedrohenden Gesundheitsschäden dieser Personengruppe die Möglichkeit einer Behandlung gänzlich versagt, ist die vorübergehende entsprechende Anwendung des § 1906 Abs. 3 BGB auf diese Gruppe der immobilen Betreuten bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung anzuordnen.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Die Haft darf die Dauer von sechs Monaten nicht übersteigen. Nach Ablauf der sechs Monate wird der Schuldner von Amts wegen aus der Haft entlassen.

(2) Gegen den Schuldner, der ohne sein Zutun auf Antrag des Gläubigers aus der Haft entlassen ist, findet auf Antrag desselben Gläubigers eine Erneuerung der Haft nicht statt.

(3) Ein Schuldner, gegen den wegen Verweigerung der Abgabe der Vermögensauskunft eine Haft von sechs Monaten vollstreckt ist, kann innerhalb der folgenden zwei Jahre auch auf Antrag eines anderen Gläubigers nur unter den Voraussetzungen des § 802d von neuem zur Abgabe einer solchen Vermögensauskunft durch Haft angehalten werden.

(1) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorzunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen kann, so ist der Gläubiger von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges auf Antrag zu ermächtigen, auf Kosten des Schuldners die Handlung vornehmen zu lassen.

(2) Der Gläubiger kann zugleich beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen, die durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Nachforderung, wenn die Vornahme der Handlung einen größeren Kostenaufwand verursacht.

(3) Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Sachen sind die vorstehenden Vorschriften nicht anzuwenden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

Kommt die Behörde in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 5 und des § 123 der ihr im Urteil oder in der einstweiligen Anordnung auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag unter Fristsetzung gegen sie ein Zwangsgeld bis zehntausend Euro durch Beschluß androhen, nach fruchtlosem Fristablauf festsetzen und von Amts wegen vollstrecken. Das Zwangsgeld kann wiederholt angedroht, festgesetzt und vollstreckt werden.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.

(1) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 Euro, die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen.

(2) Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges erlassen wird.

(3) Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Bestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlungen entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.

(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.

(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.