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Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Sache verhandeln und entscheiden, da sie ordnungsgemäß geladen und in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§ 102 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage des Klägers zu 1 hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Kläger zu 1 hat Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG. Insoweit ist Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids rechtswidrig und verletzt den Kläger zu 1 in seinen Rechten. Die Klage der Klägerin zu 2 ist hingegen unbegründet.
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Allerdings war das Bundesamt aufgrund der Asylfolgeanträge der Kläger nicht gemäß § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG verpflichtet, das Verfahren im Hinblick auf das Vorliegen von Abschiebungsverboten wieder aufzugreifen. Insoweit steht dem Begehren der Kläger § 71 Abs. 3 AsylVfG entgegen, wonach die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG schon im Antrag selbst abschließend und substantiiert dargetan werden müssen. Dies ist vorliegend nicht geschehen.
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Der Kläger zu 1 hat aber unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG einen Anspruch darauf, dass das Bundesamt eine positive Feststellung zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG trifft. Denn jenseits des § 71 AsylVfG, der nur den Asylantrag im Sinne von § 13 AsylVfG betrifft, kann sich aus §§ 51 Abs. 5, 48, 49 VwVfG und einer in deren Rahmen i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Ermessensreduzierung auf Null das Wiederaufgreifen des abgeschlossenen früheren Verwaltungsverfahrens, die Aufhebung des unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakts und eine neue Sachentscheidung zu § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG dann ergeben, wenn tatsächlich Abschiebungsverbote vorliegen; auf die Frage, wann diese geltend gemacht worden sind, kommt es wegen des materiellen Schutzgehalts der Grundrechte nicht an (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2000, DVBl. 2000, 179; BVerwG, Urteil vom 07.09.1999, InfAuslR 2000, 16 und Urteil vom 21.03.2000, NVwZ 2000, 940; VGH Baden-Württ., Beschluss vom 04.01.2000, NVwZ-RR 2000, 261). Einer Feststellung des geltend gemachten Abschiebungsverbots durch das Bundesamt steht auch nicht die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung über die negative Feststellung des Bundesamts im Asylerstverfahren entgegen. Das Bundesamt ist nicht gehindert, einen rechtskräftig abgesprochenen Anspruch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu erfüllen, wenn es erkennt, dass der Anspruch tatsächlich besteht und das rechtskräftige Urteil unzutreffend ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 08.12.1992, BVerwGE 91, 256; Urteil vom 27.01.1994, BVerwGE 95, 86 und Urteil vom 07.09.1999, NVwZ 2000, 204). Ob eine Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegt, ist somit ohne Rücksicht auf die Versagung asylrechtlichen Verfolgungsschutzes und ohne Bindung an etwa vorliegende rechtskräftige Gerichtsentscheidungen zu beurteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1996, InfAuslR 1997, 284 und Urteil vom 30.03.1999, DVBl. 1999, 1213).
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Beim Kläger zu 1 liegt aber ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG vor. Das dem Bundesamt eingeräumte Ermessen auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die Feststellung dieses Abschiebungsverbots ist deshalb auf Null reduziert (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 04.01.2000, NVwZ-RR 2000, 261). Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 20.10.2004 (BVerwGE 122, 103) entschieden, dass das behördliche Ermessen nicht schon dann zu Gunsten des Ausländers auf Null reduziert ist, wenn festgestellt wird, dass in seiner Person die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegen. Diese Auffassung ist jedoch im Hinblick auf die vom Bundesverwaltungsgericht zur Begründung hierzu herangezogene gesetzliche Konzeption des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG, der die Abschiebung auch bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in das Ermessen der Behörde gestellt hat, überholt. Denn nach der jetzt geltenden Regelung des § 60 Abs 7 Satz 1 AufenthG ist der Behörde ein Ermessen nicht mehr eröffnet. Vielmehr soll nunmehr unter den Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von einer Abschiebung abgesehen werden. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 17.10.2006 (BVerwGE 127, 33) unter Bezugnahme auf das Urteil vom 20.10.2004 (a.a.O.) die Auffassung vertritt, dass bei Bejahung einer Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG das Bundesamt nur zu einer Ermessensentscheidung über den Antrag des Ausländers zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verpflichtet werden könne, wird offensichtlich verkannt, dass sich die Gesetzeslage (nunmehr Sollvorschrift!) geändert hat.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Bestimmung fragt nicht danach, von wem die Gefahr ausgeht oder wodurch sie hervorgerufen wird; die Regelung stellt vielmehr lediglich auf das Bestehen einer konkreten Gefahr ab ohne Rücksicht darauf, ob sie vom Staat ausgeht oder ihm zumindest zuzurechnen ist (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995, BVerwGE 99, 324). Die Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit muss mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bestehen. Die besondere Schwere eines drohenden Eingriffs ist im Rahmen der gebotenen qualifizierenden Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung, Abwägung und zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts vermittels des Kriteriums, ob die Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutverletzung beachtlich ist, zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. vom 17.10.1995 aaO. und Urt. vom 05.07.1994, InfAuslR 1995, 24). Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn die für den Eintritt der Gefahr sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 18.07.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 46).
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Auch die drohende Verschlimmerung einer Krankheit wegen ihrer nur unzureichenden medizinischen Behandlung im Zielstaat der Abschiebung kann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997, BVerwGE 105, 383 = NVwZ 1998, 524; Urt. vom 27.04.1998, NVwZ 1998, 973; Urt. vom 21.09.1999, NVwZ 2000, 206 und Urt. v. 07.12.2004, BVerwGE 122, 271). Von einer Verschlimmerung ist auszugehen, wenn eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Verschlechterung des Gesundheitszustands droht; konkret ist diese Gefahr, wenn die Verschlechterung alsbald nach der Rückkehr in den Heimatstaat eintreten würde (vgl. BVerwG, Urt. vom 25.11.1997 aaO und Urt. vom 29.07.1999 - 9 C 2/99 - juris -). Ob die Gefahr der Verschlechterung der Gesundheit durch die individuelle Konstitution des Ausländers bedingt oder mitbedingt ist, ist unerheblich (vgl. BVerwG, Urt. vom 29.07.1999 aaO). Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation im Zielstaat zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2002, NVwZ-Beilage I 2003, 53 = DVBl 2003, 463 und Beschluss vom 29.04.2003, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 60; VGH Kassel, Urteil vom 24.06.2003, AuAS 2004, 20). Die mögliche Unterstützung durch Angehörige im In- oder Ausland ist in die gerichtliche Prognose, ob bei Rückkehr eine Gefahr für Leib oder Leben besteht, mit einzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschl. vom 01.10.2001, Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 51).
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In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht bei der vorzunehmenden qualifizierenden und bewertenden Betrachtungsweise der Überzeugung, dass dem Kläger zu 1 bei einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina eine erhebliche krankheitsbedingte individuelle Gefahr droht.
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Nach dem vom Gericht eingeholten psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachten der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des F. Krankenhauses (Universitätsdozent Dr. E. und Dr. G.) vom 03.04.2009 leidet der Kläger zu 1 an einer andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung. Diese chronische Erkrankung sei auf anhaltende, schwerwiegende, lebensbedrohliche Erlebnisse des Klägers zu 1 während dessen Lagerhaft 1992 bis 1993 in einem serbischen Gefangenenlager, in dem der Kläger zu 1 als Zivilist ohne direkte Kriegsbeteiligung deportiert worden sei, zurückzuführen. Eine psychische Reaktion auf diese schwerst bedrohlichen Ereignisse habe sich erst verzögert eingestellt, was bei posttraumatischen Belastungsstörungen häufig der Fall sei, deren typische Merkmale beim Kläger zu 1 anamnestisch feststellbar seien. Die beim Kläger zu 1 feststellbare Symptomatik (traumatische Erinnerungen, Alpträume, Panik, Anhedonie, Vermeidungsverhalten, sozialer Rückzug, Reizbarkeit, somatische Beschwerden u.a.) mit anhaltender vegetativer Übererregtheit, Angst und Depressivität passe zu dem glaubhaft geschilderten traumatischen Ereignis. Mitbedingt durch die Abschiebung sei es zu einem chronischen Verlauf gekommen mit Übergang in eine andauernde Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung, wie sie bei einer geringen Anzahl von posttraumatischen Belastungsstörungen zu beobachten sei. Der Kläger zu 1 benötige zahlreiche Medikamente, die er dauerhaft und regelmäßig einnehmen müsse. Ein Absetzen oder eine unregelmäßige Einnahme hätte eine gravierende psychische und physische Verschlechterung des Gesundheitszustandes zur Folge. Neben der notwendigen medikamentösen Behandlung bedürfe der Kläger zu 1 einer kontinuierlichen psychiatrisch-psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlung. Die begonnene muttersprachlich stützende psychotherapeutische Behandlung müsse weitergeführt werden. Die monatlichen Medikamentenkosten beliefen sich auf ca. 400,-- EUR. Das Gericht hat keinen Zweifel an der Richtigkeit des von fachkundigen Ärzten erstellten Gutachtens vom 03.04.2009. Auch nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung vom Kläger zu 1 gewonnen hat, besteht keine Veranlassung, die Richtigkeit des erstellten Sachverständigengutachtens anzuzweifeln.
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Unter Berücksichtigung der in die mündliche Verhandlung eingeführten Erkenntnisquellen ist bereits zweifelhaft, ob über Leistungen der staatlichen Krankenversicherung die vom Kläger zu 1 benötigten Medikamente in Bosnien-Herzegowina bezogen werden können. Denn selbst die sogenannten Pflichtarzneimittel (Medikamente, die ständig verfügbar und für die Patienten weitgehend kostenlos zu beziehen sind) sind in manchen Kantonen nur gegen Entrichtung des vollen Preises zu erhalten, weil dort die jährlich zu aktualisierenden diesbezüglichen Listen nicht existieren (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27.05.2008, S. 24). Angesichts dessen ist schon fraglich, ob der Kläger zu 1 - falls er Mitglied der staatlichen Krankenversicherung werden könnte - die für ihn notwendigen Medikamente über die staatliche Krankenversicherung erhalten würde.
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Jedenfalls kann die erforderliche medizinische Versorgung im Falle des Klägers zu 1 in Bosnien-Herzegowina nicht gewährleistet werden. Viele medizinische Einrichtungen, vor allem außerhalb Sarajewos, befinden sich in einem schlechten Zustand und die finanzielle Ausstattung des gesamten Gesundheitswesens in Bosnien-Herzegowina ist unzureichend (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27.05.2008, S. 23). Für die Behandlung psychisch kranker und traumatisierter Personen fehlt es weitgehend an ausreichend qualifizierten Ärzten und an klinischen Psychologen und Sozialarbeitern; Therapien beschränken sich überwiegend auf Medikamentengaben (vgl. Auswärtiges Amt a.a.O. S. 24; Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH -, Bosnien-Herzegowina: Registrierung und medizinische Versorgungsmöglichkeiten nach der Rückkehr, 12.03.2007, S. 4, 5). Da die Kapazitäten für die Behandlung von psychisch Kranken und Traumatisierten sowohl in der Republik Srpska als auch im Föderationsgebiet voll ausgelastet sind, so dass Einlieferungen nur in akuten Notfällen erfolgen können (vgl. Auswärtiges Amt ebenda; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Bosnien-Herzegowina : Rückkehr einer alleinerziehenden Mutter mit PTBS, 08.01.2009, S. 5), wird eine Fortführung der begonnenen psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung des Klägers zu 1, auf die dieser im Falle einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina dringend angewiesen ist, dort für ihn nicht möglich sein. Zwar gibt es therapeutische Behandlungen in nichtstaatlichen Einrichtungen in Tuzla und Zenica; aber auch diese Einrichtungen sind total überlastet und die Wartezeiten sehr lang (vgl. SFH a.a.O S. 6). Außerdem bieten diese nichtstaatlichen Einrichtungen psychosoziale und psychiatrische Hilfe nur für Frauen an (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina, Aktuelle Situation, insbesondere die Situation verletzlicher Gruppen, Juli 2006, S. 14). Nach dem vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachten vom 03.04.2009 wird aber schon eine Unterbrechung der psychiatrisch-psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung des Klägers zu 1 eine erhebliche Verschlechterung von dessen Gesundheitszustand ergeben.
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Darüber hinaus ist die notwendige medizinische Versorgung des Klägers zu 1 in Bosnien-Herzegowina in finanzieller Hinsicht ausgeschlossen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 1 die Kosten für die notwendige ärztliche Behandlung und Medikation in Bosnien-Herzegowina bezahlen könnte.
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Die Kläger sind mittellos. Auf Grund seiner Erkrankung wird der Kläger zu 1 auch nicht in der Lage sein, seinen Lebensunterhalt in Bosnien-Herzegowina aus eigener Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Angesichts einer Arbeitslosenquote von ca. 40 % (vgl. Auswärtiges Amt a.a.O S. 22) ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Klägerin zu 2 zukünftig durch Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt beitragen könnte, abgesehen davon, dass die Klägerin zu 2 die ständige Betreuung des Klägers zu 1 gewährleisten muss und diese in der Regel übernimmt.
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Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die Kläger bei einer Rückkehr in ihr Heimatland Mitglied der seit dem Jahre 2002 in Bosnien-Herzegowina existierenden staatlichen (obligatorischen) Krankenversicherung werden könnten. Denn Rückkehrer können nur dann Mitglied der staatlichen Krankenversicherung werden, wenn sie sich innerhalb von 30 Tagen nach der Wiedereinreise nach Bosnien-Herzegowina beim Arbeitsamt als arbeitslos melden und wenn sie schon vor der Ausreise krankenversichert waren (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Behandlung psychischer Erkrankung, 30.04.2009, S. 3). Nach dem glaubhaften Vorbringen der Kläger in der mündlichen Verhandlung wurde ihnen nach ihrer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina im Jahre 1999 eine Registrierung bei der Meldebehörde verweigert. Die Registrierung ist aber für jegliche Art sozialer Unterstützung entscheidend (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Behandlung psychischer Erkrankung, 30.04.2009, S. 3). Sie konnten damit nach ihrer Rückkehr im Jahre 1999 nicht Mitglied der staatlichen Krankenversicherung werden (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Rückkehr einer alleinerziehenden Mutter mit posttraumatischer Belastung, 08.01.2009, S. 3). Folglich haben die Kläger auch keine Aussicht, bei einer erneuten Rückkehr in ihr Heimatland in die staatliche Krankenversicherung aufgenommen zu werden. Unabhängig hiervon werden Behandlungen in Krankenhäusern von der staatlichen Krankenversicherung nicht übernommen; die Kosten hierfür müssen die Patienten aus eigener Tasche bezahlen, es sei denn, sie sind Mitglied einer privaten Krankenversicherung (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Rückkehr einer alleinerziehenden Mutter mit posttraumatischer Belastung, 08.01.2009, S. 4, 6 sowie SFH, Bosnien-Herzegowina, Aktuelle Situation, insbesondere die Situation verletzlicher Gruppen, Juli 2006, S. 9). Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung ist angesichts der Vorerkrankungen des Klägers zu 1 nicht realisierbar und würde auch das Budget eines Rückkehrerhaushalts überfordern (vgl. SFH, Bosnien und Herzegowina: Rückkehr einer alleinerziehenden Mutter mit PTBS, 08.01.2009, S. 5 sowie SFH, Bosnien und Herzegowina: Registrierung und medizinische Versorgungsmöglichkeiten nach der Rückkehr,12.03.2007, S. 4). Der Kläger zu 1 muss somit für die Kosten seiner medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina alleine aufkommen.
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Die Kläger haben bei einer Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ein derartiger Anspruch besteht nur, wenn der Betreffende sich innerhalb von 60 Tagen nach der letzten Kündigung beim Arbeitsamt arbeitslos meldet und weder selbst gekündigt noch die Kündigung zu verantworten hat (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Behandlung psychischer Erkrankung, 30.04.2009, S. 3). Da die Kläger in Bosnien-Herzegowina nach ihrer Rückkehr im Jahre 1999 in keinem Arbeitsverhältnis standen, haben sie somit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld.
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Ob die Kläger in Bosnien-Herzegowina Sozialhilfe erhalten könnten, erscheint zweifelhaft, da Sozialhilfe u. a. nur bewilligt wird, wenn ein soziales oder familiäres Netzwerk fehlt (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina: Behandlung psychischer Erkrankung, 30.04.2009, S. 3). Darüber hinaus kann es mehrere Monate bis Jahre dauern, bis das Antragsverfahren abgeschlossen ist; während dieser Zeit gibt es keine anderweitige staatliche Unterstützung (vgl. SFH ebenda). Rückkehrer haben erfahrungsgemäß kaum eine Chance, Sozialhilfe zu erhalten (vgl. SFH, Bosnien-Herzegowina, Aktuelle Situation, insbesondere die Situation verletzlicher Gruppen, Juli 2006, S. 11). Aber selbst wenn die Kläger in Bosnien-Herzegowina Sozialhilfe erhielten, wären sie nicht in der Lage, die medizinische Versorgung des Klägers zu 1 zu gewährleisten. Die Sozialhilfeleistungen in Bosnien-Herzegowina bewegen sich auf sehr niedrigem Niveau; die Höhe der Sozialhilfe liegt umgerechnet zwischen 5 und 50 EUR und reicht damit als alleinige Einkommensquelle unter Berücksichtigung der lokalen Lebenshaltungskosten zum Leben nicht aus (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 27.05.2008, S. 22; SFH, Bosnien-Herzegowina: Behandlung von PTBS, 11.06.2009, S. 5). Da beim Kläger zu 1 monatliche Medikamentenkosten in Höhe von über 300 EUR entstehen, könnte er selbst bei zustehenden Sozialhilfeleistungen die notwendige ärztliche Behandlung und Medikation in Bosnien-Herzegowina nicht bezahlen.
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Es ist schließlich nicht erkennbar, dass Verwandte der Kläger die notwendige dauernde Unterstützung des Klägers zu 1 gewährleisten. Die in Deutschland lebende Tochter der Kläger bestreitet ihren Lebensunterhalt selbst über Sozialhilfeleistungen. Die in Bosnien-Herzegowina lebende Mutter der Klägerin zu 2 und deren gleichfalls dort lebende drei Geschwister sind ohne Einkünfte. Entsprechendes gilt für die in Bosnien-Herzegowina lebenden beiden Kinder der Kläger. Angesichts dieser Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass Verwandte der Kläger für die in Bosnien-Herzegowina anfallenden Kosten der ärztlichen Betreuung und Arzneimittelversorgung des Klägers zu 1 aufkommen können.
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Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Kläger zu 1 nicht in der Lage sein wird, die für ihn zur Abwehr einer schweren Gesundheitsgefahr in Bosnien-Herzegowina erforderliche ärztliche Behandlung und Arzneimittelversorgung sicherzustellen.
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Steht danach zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers zu 1 im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland alsbald nach einer Abschiebung/freiwilligen Rückkehr wesentlich verschlechtern wird, so steht ihm ein Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich Bosnien-Herzegowina zu.
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Die Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wird nicht durch § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG gesperrt. Der Kläger zu 1 ist nicht Teil einer Gruppe i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60 a Abs. 1 AufenthG. Mit der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60 a Abs. 1 AufenthG soll erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung oder einer im Abschiebezielstaat lebenden Bevölkerungsgruppe gleichermaßen droht, für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums befunden wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 08.12.1998, BVerwGE 108, 77). Danach bilden Kranke, die aus finanziellen Gründen eine ausreichende medizinische Versorgung im Heimatland nicht erlangen können, keine Bevölkerungsgruppe i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG. Denn den betroffenen mittellosen Erkrankten droht nicht dieselbe Gefahr. Die Gefahr für Leib und Leben der Betroffenen besteht in der konkreten Weiterentwicklung der jeweiligen individuellen Krankheit. Die verschiedenen Krankheiten der mittellosen Erkrankten unterscheiden sich aber erheblich. Sinn und Zweck des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG ist jedoch gerade, eine Vielzahl gleichgelagerter Fälle wegen der Art der Gefahr einheitlich zu entscheiden. Die in einem Land vorkommenden Krankheiten können aber nicht deshalb rechtlich gleichgestellt werden, weil die Betroffenen das Schicksal der Mittellosigkeit teilen. Der Gruppe der mittellosen Erkrankten fehlt die erforderliche Homogenität in Bezug auf die Art der Gefahr. Nicht jedem mittellosen Erkrankten muss eine erhebliche Gefahr drohen, da dieser Gruppe auch Kranke angehören können, denen bei einer Nichtbehandlung eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben nicht droht. Deshalb kann auf eine Gruppe der mittellosen Erkrankten aus Bosnien-Herzegowina nicht abgestellt werden (vgl. VG Berlin, Urt. v. 25.07.2003 - 34 X 671.94 - juris -; VG Sigmaringen, Urt. v. 13.08.2003 - A 5 K 11176/03 - juris - VG Oldenburg, Urt. v. 27.01.2004 - 12 A 550/03 - juris; VG Stade, Urt. v. 18.01.2006 - 2 A 1277/02; a. A. VGH München, Beschl. v. 10.10.2000 - 25 B 99.32077 -juris -).
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Demgegenüber bleibt die Klage der Klägerin zu 2 ohne Erfolg. In der Person der Klägerin zu 2 liegen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG nicht vor. Dies wird von der Klägerin zu 2 auch nicht geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2008 hat sie sich vielmehr dahin eingelassen, sie habe Bosnien-Herzegowina zusammen mit dem Kläger zu 1 verlassen, da ihr Ehemann schwer erkrankt sei und er in Bosnien-Herzegowina die erforderliche medizinische Behandlung nicht erhalten habe.
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