Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 7 K 17.33133

bei uns veröffentlicht am08.08.2018

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger mit amharischer Volk- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach seinen Angaben am 30.09.2016 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 13.10.2016 einen Asylantrag.

Bei der persönlichen Anhörung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für die Durchführung des Asylverfahrens am 13.10.2016 gab er im Westlichen an, am 02.10.2014 nach Schweden eingereist zu sein. Dort habe er sich ca. zwei Jahre aufgehalten und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Ihm seien dort auch Fingerabdrücke abgenommen worden. Sein Antrag sei in Schweden abgelehnt worden. Er leide an Asthma und Depressionen.

Die Beklagte richtete daraufhin am 13.10.2016 - unter Hinweis auf einen EURODAC-Treffer (SE10050-156942) - ein Wiederaufnahmegesuch an Schweden, worauf die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 19.10.2016 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 d Dublin III-VO ihre Zustimmung erteilten. Da der Kläger nicht fristgerecht überstellt werden konnte, übernahm die Beklagte nach Ablauf der Überstellungsfrist das Asylverfahren des Klägers am 13.05.2017 als Zweitantrag gemäß § 71a AsylG ins nationale Verfahren.

Die Bevollmächtigte des Klägers legte dem Bundesamt mit Schreiben vom 14.06.2017 einen vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 24.05.2017 vor, aus dem sich ergibt, dass sich der Kläger vom 02.05.2017 bis 26.05.2017 zur stationären Diagnostik und Behandlung im Bezirkskrankenhaus … befunden hat. Unter Diagnosen wird ausgeführt:

- Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F32.2)

- Vordiagnostiziert: Posttraumatische Belastungsstörung mit Panik, Flashbacks und gedrückter Stimmung

- Anamnestisch Asthma bronchiale

- Z.n.TBC vor ca. zehn Jahren

- Hämorrhoiden Weiterhin legte sie eine Bescheinigung des Bezirkskrankenhauses … vom 12.06.2017 vor, wonach sich der Kläger seit dem 01.06.2017 zum zweiten stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus …befinde. Bei ihm liege eine schwere depressive Episode vor. Die Behandlung werde voraussichtlich 4-6 Wochen andauern.

Daneben übersandte die Klägerbevollmächtigte dem Bundesamt eine schriftliche Stellungnahme des Klägers zu seinen Fluchtgründen (vgl. Blatt 134 der Behördenakte - Übersetzung).

Mit Schriftsatz vom 02.08.2017 legte die Bevollmächtigte des Klägers einen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 25.07.2017 mit folgenden Diagnosen vor:

- Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F33.2)

- Posttraumatische Belastungsstörung mit Panik, Flashbacks und gedrückte Stimmung (F43.1)

- Vorbekannte somatische Krankheiten:

o Asthma bronchiale o TBC (vor ca. zehn Jahren)

o Hämorrhoiden Schließlich legte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 31.08.2017 noch einen vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 17.08.2017 vor (Blatt 142 bis 146 der Behördenakte). Demnach befand sich der Kläger vom 01.06.2017 bis 17.08.2018 aufgrund folgender Diagnosen in stationärer Behandlung:

- Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (F32.2)

- V.a. Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)

- Hämorrhoiden

- Z.n. TBC vor 10 Jahren Mit Bescheid vom 15.09.2017, als Einschreiben zur Post gegeben am 18.09.2017, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 Aufenthaltsgesetz nicht vorliegen (Nr. 2) und forderte den Kläger zum Verlassen des Bundesgebietes innerhalb einer Woche auf, andernfalls würde er nach Äthiopien abgeschoben (Nr. 3). Ferner befristete das Bundesamt das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4).

Zur Begründung wird ausgeführt, der Asylantrag sei unzulässig, da der Kläger bereits in einem sicheren Drittstaat gem. § 26 a AsylG ein Asylverfahren erfolglos betrieben habe. Es handele sich bei dem erneuten Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylG. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, denn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Der Kläger habe im Wesentlichen vorgetragen, er sei in Äthiopien aufgrund seiner politischen Aktivität in Haft gewesen. Es sei vom Kläger weder vorgetragen worden, noch sei auf andere Weise ersichtlich, dass er ohne grobes Verschulden außer Stande gewesen sei, diesen Sachvortrag zur Begründung seines Asylbegehrens bereits in dem Vorverfahren in Schweden darzulegen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 S. 1 AufenthG lägen nicht vor. Eine Posttraumatische Belastungsstörung sei auch in Äthiopien behandelbar, insbesondere seien dort verschiedene Antidepressiva erhältlich. Im Übrigen sei der Kläger laut dem vorgelegten Attest wieder aus der Klinik entlassen worden. Er habe zuletzt keine Suizidgedanken mehr geäußert und sich stetig besser gefühlt.

Mit Schriftsatz vom 26.09.2017, der am gleichen Tag bei Gericht einging, ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage erheben. Nachdem zunächst beantragt wurde - unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes vom 15.09.2017 - das Verfahren fortzuführen und den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren bzw. festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG vorliegen, beantragt die Klägerbevollmächtigte zuletzt:

Der Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 15.09.2017, Az.: … wird aufgehoben.

Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.

Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 26.09.2017 bzw. 19.10.2017 im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei aufgrund seiner gesundheitlichen Situation in Schweden nicht in der Lage gewesen, die nunmehr in Deutschland geschilderten Gründe für sein Asylbegehren vorzutragen. Aufgrund seiner psychischen Erkrankung sei es ihm lange nicht möglich gewesen, über den Tod seiner Mutter und die erlittene Haft zu sprechen. Erst im Rahmen der in Deutschland eingeleiteten psychiatrischen Behandlung sei es ihm gelungen, sich zu öffnen und die Ereignisse niederzuschreiben. Der Kläger sei damit ohne Verschulden außer Stande gewesen, die genannten Gründe für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren in Schweden vorzubringen. Weiterhin könne mangels Vorliegens der schwedischen Verfahrensakten nicht geprüft werden, ob und gegebenenfalls die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 VwVfG erfüllt seien und Wiederaufnahmegründe bestünden.

Die Voraussetzungen für die Anerkennung des Klägers als Flüchtling und Asylberechtigten seien erfüllt. Er sei wegen seiner politischen Aktivitäten in der Kinjit (CUD) Partei von staatlicher Seite verfolgt und anlässlich der Beisetzung seiner Mutter festgenommen und inhaftiert worden. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 14.06.2017 eine Übersetzung eines Dokuments vorgelegt aus dem sich ergebe, dass er mittels Haftbefehl gesucht werde, weil er Mitglied einer Oppositionspartei sei.

Weiterhin habe die Beklagte die Zuerkennung des subsidiären Schutzes zu Unrecht verweigert. Insoweit werde zunächst Bezug auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz genommen. Ferner sei zu beachten, dass es in Äthiopien verstärkt zu Unruhen komme.

Die Abschiebung sei weiterhin nach § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, da der Kläger im Falle einer Abschiebung auf so schlechte humanitäre Bedingungen treffe, dass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle.

Darüber hinaus bestehe für den Kläger eine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Den wenigsten Menschen stehe eine Chance auf eine gute medizinische Versorgung in erreichbarer Nähe zu. Die Gesundheitsversorgung in Äthiopien sei rudimentär und falle selbst im Vergleich zum Nachbarn Kenia weit ab. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine Erkrankung auch in Äthiopien behandeln lassen könne. Die Beklagte habe in dem angefochtenen Bescheid nicht die umfangreichen Arztberichte gewürdigt. Sie habe sich letztlich lediglich auf den vorläufigen Arztbrief vom 17.08.2017 bezogen. Das ärztliche Attest vom 25.07.2017 sei unbeachtet geblieben. Daraus gehe hervor, dass beim Kläger eine Reise- bzw. Abschiebefähigkeit nicht gegeben sei. Außerdem sei in dem Arztbericht vom 24.05.2017 eine Posttraumatische Belastungsstörung mit Panik und Flashbacks diagnostiziert worden. Der Kläger befinde sich nach wie vor in psychiatrischer Behandlung der Institutsambulanz des Bezirkskrankenhauses … Er müsse regelmäßig Medikamente zur Stabilisierung seines Gesundheitszustandes einnehmen. Der Kläger sei kürzlich im Rahmen eines Betreuungsverfahrens vor dem Amtsgericht … durch einen Neurologen begutachtet worden. Auch hier sei eine Posttraumatische Belastungsstörung und eine schwere depressive Episode festgestellt worden. Der Gutachter sei zu dem Entschluss gekommen, dass aufgrund der psychischen Situation des Klägers ein umfangreicher Betreuungsbedarf vorliege. Soweit das Gericht im Verfahren des einstweilen Rechtsschutzes (Beschluss vom 09.10.2017 - B 2 S 17.33132) anmerke, der Kläger habe anlässlich der Begutachtung durch Herrn Dr. … berichtet, seine Mutter sei vor seinen Augen erschossen worden, er andererseits aber in seiner schriftlichen Stellungnahme angebe, er sei nicht anwesend gewesen, so rühre dies auf Verständigungsprobleme zurück. Die Verständigung mit dem Gutachter sei in englischer Sprache erfolgt. Zudem sei die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung nicht durch den Gutachter getroffen worden, sondern bereits schon vorher durch die Ärzte des Bezirkskrankenhauses … Aus dieser gehe auch nicht hervor, dass die Posttraumatische Belastungsstörung ausschließlich auf den Tod der Mutter zurückzuführen sei, sondern diese im Zusammenhang mit den Erlebnissen bei und nach der Inhaftierung stehe.

Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 04.10.2017,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung der Klage bezieht sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Schriftsatz vom 15.01.2018 führte die Beklagte ergänzend aus, aus den schwedischen Unterlagen würden sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, die eine Änderung der getroffenen Entscheidung rechtfertigten. Dass der Kläger in Schweden aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen sein soll über die eigene Verhaftung und den Tod seiner Mutter zu berichten, sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe schon in Schweden angegeben, dass er psychische Probleme habe. Im Übrigen sei er bereits in Schweden schon zwei Monate vor der dortigen Anhörung von einem Psychiater mit Medikamenten wegen einer Depression behandelt worden. Bei der Anhörung in Schweden habe der Kläger auch den Tod seiner Mutter, die nach den dortigen Angaben aus gesundheitlichen Gründen und nicht wie in Deutschland behauptet durch Gewalt der Polizei verstorben sein soll, erwähnt. Nach der Sichtung der schwedischen Dokumente dränge sich für die Beklagte eher der Verdacht auf, dass der Kläger nach Abweisung seines Asylantrags in Schweden seinen Vortrag in Deutschland steigere, um einen „neuen“ Asylgrund in Deutschland zu schaffen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 08.01.2018 wurde die Prozessbevollmächtigte zur Betreuerin des Klägers bestellt. Mit weiterem Beschluss des Amtsgerichts … vom 11.04.2018 wurde die Prozessbevollmächtigte als Betreuerin des Klägers entlassen und Herr Rechtsanwalt … zum Betreuer des Klägers bestellt.

Mit Schriftsatz vom 03.05.2018 legte die Bevollmächtigte des Klägers einen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 28.02.2018 vor, wonach sich der Kläger vom 27.12.2017 bis zum 28.02.2018 stationär zur Diagnostik und Behandlung im Bezirkskrankenhaus … befunden habe. Der Arztbericht enthält folgende Diagnosen:

- schwere depressive Episode ohne psychotische Symptomatik (F32.2)

- Anpassungsstörungen (F43.2)

- V.a. Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1)

- Z.n. TBC vor 10 Jahren

Dem Arztbrief ist ferner zu entnehmen, dass sich der Kläger während seines stationären Aufenthaltes insgesamt angepasst verhalten habe, er jedoch niedergeschlagen und frustriert bezüglich seiner Zukunftsperspektive und der drohenden Abschiebung gewirkt habe. Der Kläger verschließe sich völlig den diesbezüglichen Realitäten. Auch eine behördliche Aufforderung, sich entsprechende Ausweispapiere bei den äthiopischen Behörden zu besorgen, habe er einfach ignoriert. Er trete dagegen sehr fordernd auf und sei durchaus in der Lage, sich zielgerichtet um seine Angelegenheit zu kümmern, wenn ihm dies angemessen erscheine. Er glaube von seiner Betreuerin nicht mehr ausreichend vertreten zu werden. Die Betreuerin habe aber bereits von sich aus erklärt, die Betreuung aus eigenem Antrieb niederzulegen, da der Kläger ihr gegenüber wohl wiederholt Unwahrheiten verbreitet und nicht entsprechend mit ihr kooperiert habe. Nach dem sich der Kläger zunächst geweigert habe, sich um Ausweispapiere zu kümmern, sei am 20.02.2018 eine begleitende Vorstellung im Konsulat in Frankfurt organisiert worden. Während der Fahrt nach Frankfurt und zurück, habe sich der Kläger durchaus adäquat und belastungsstabil gezeigt. Es sei zu keinen depressiven Symptomen oder suizidalen Äußerung gekommen. Der Kläger sei angepasst und kooperativ gewesen. Zum Entlassungszeitpunkt habe der Kläger glaubhaft Suizidideen und -impulse sowie fremdaggressive Tendenzen verneint. Als Medikation für die ambulante Weiterbehandlung wurde Seroquel und Setralin, bei Bedarf Opipramol und Ibuprofen empfohlen. Daneben wurde empfohlen, dass sich der Kläger weiterhin in eine ambulante psychiatrisch psychotherapeutische Behandlung begebe.

Weiterhin wurde seitens der Klägerbevollmächtigten ein Attest des Allgemeinmediziners Dr. …, …, vom 22.05.2018 vorgelegt, wonach der Kläger dort wegen seiner psychischen Probleme - und der Gabe der vom Bezirkskrankenhaus verordneten Medikamente - in Behandlung sei.

Ferner wurde dem Gericht eine Bescheinigung der Praxis für Psychotherapie „psychologos“ (Dipl.-Psych. …*) vom 28.05.2018 vorgelegt, wonach die Praxis die Betreuung des Klägers übernommen habe und es seit dem 11.04.2018 zu drei Sitzungen in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung gekommen sei. Danach zeige der Kläger stark ausgeprägte Symptome eines posttraumatischen Belastungssyndroms sowie einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptomatik, wie z. B. Antriebsstörung mit Morgentief, Flashbacks und starke Schlafstörungen mit Alpträumen, in denen er immer wieder an seine traumatischen Erlebnisse in der afrikanischen Heimat erinnert werde. Besonders die brutale Erschießung der Mutter in seiner Gegenwart sei ein immer wiederkehrender Inhalt seiner Alpträume und Flashbacks. Hinzu komme eine als ebenfalls traumatisch empfundene Misshandlung durch die Polizei in der Durchgangsstation in Schweden. Durch die bislang relativ hoffnungslose Zukunftsperspektive sei eine latente Suizidgefährdung des Klägers nicht auszuschließen. Eine Fortsetzung der ambulanten Psychotherapie sei daher neben der medizinisch-pharmakologischen Begleitung dringend indiziert. Eine weitere Verschlimmerung der posttraumatischen und depressiven Symptome bei Abschiebung nach Schweden oder in ein anderes Land der EU sei dagegen sehr wahrscheinlich und unbedingt zu vermeiden.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2018 führte die Bevollmächtigte des Klägers nochmals ergänzend aus, der Kläger sei im Rahmen der Anhörung in Schweden aufgrund seiner Erkrankung überfordert gewesen. Er habe sich schwach gefühlt und nicht alles verstanden. Während der Befragung habe er mehrfach darauf hingewiesen, dass er müde sei und Kopfschmerzen habe sowie unter depressiver Verstimmung leide. Es sei aber nicht hinreichend darauf eingegangen worden. Auch die Übersetzung sei offensichtlich mangelhaft gewesen und die Anhörung nur unzureichend protokolliert worden. Die Bewertung der Angaben des Klägers als unglaubhaft sei daher nicht haltbar.

Am 09.07.2018 legte der Kläger dem Gericht eine weitere Bescheinigung der Praxis für Psychotherapie „…“ vom 05.07.2018 vor, wonach der Kläger bislang fünf Sitzungen absolviert habe. Er leide an stark ausgeprägten Symptomen eines „posttraumatischen Belastungssyndroms“ sowie an einer „mittelgradigen depressiven Episode ohne psychotische Symptomatik“. Die Unterbringung in einer ruhigeren Wohneinheit sei dringend indiziert.

Mit Beschluss vom 09.10.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Az.: B 2 S 17.33132 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

Mit Beschluss der Kammer vom 21.06.2018 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Gerichtsakte dieses Verfahrens, die Gerichtsakte des Eilverfahrens und die Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Der Entscheidung ist der von der Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 08.08.2018 gestellte Klageantrag zugrunde zu legen. Soweit in der mündlichen Verhandlung an Ziffer 2 des schriftsätzlich gestellten Klageantrags vom 26.09.2017 (Verpflichtung der Beklagten auf Anerkennung der Klägers als Asylberechtigten und Zuerkennung des internationalen Schutzes bzw. Feststellung von Abschiebungsverboten) nicht mehr festgehalten wird und stattdessen nur noch die (isolierte) Aufhebung des Bescheids vom 15.09.2017, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG beantragt wird, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageänderung (Beschränkung des Klageantrags) nach § 173 S.1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO, die aber insoweit kostenrechtlich als Klagerücknahme zu behandeln ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 92 RdNr. 5 und § 155 RdNr. 8; Rennert in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 91 RdNrn. 13 u. 37).

II.

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

1. Die als Hauptantrag in zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 - 1 C 9/17 - juris) ist unbegründet.

a) Die Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.

aa) Die Beklagte hat den am 13.10.2016 in Deutschland gestellten Asylantrag des Klägers zu Recht als Zweitantrag gem. § 71a AsylG gewertet. Der Klägerin hat bereits in Schweden und damit in einem sicheren Drittstaat gem. § 26a Abs. 2 AsylG erfolglos ein Asylverfahren abgeschlossen. Ein erfolgloser Abschluss des in einem sicheren Drittstaat betriebenen Asylverfahrens liegt vor, wenn der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist (BVerwG, U. v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris; VG Augsburg, B. v. 26.09.2017 - Au 4 S 17.34595 - juris). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen. Bloße Mutmaßungen genügen nicht. Dies bedeutet, dass die Beklagte zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen (VG München, B. v. 26.09.2017 - M 21 S 17.47365 - juris).

So liegen die Dinge hier. Nach Mitteilung der schwedischen Migrationsbehörde und ausweislich der vorgelegten Unterlagen aus dem schwedischen Asylverfahren, hat der Kläger am 02.10.2014 in Schweden Asyl beantragt. Mit Beschluss vom 26.01.2016 wurde der Antrag des Klägers abgelehnt. Das Verwaltungsgericht Göteborg -Migrationsgerichtshof - wies mit Urteil vom 29.06.2016 die Klage gegen den angefochtenen Beschluss vom 26.01.2016 ab. Das Berufungsgericht in Stockholm - Einwanderungsgericht - stellte mit Entscheidung vom 12.09.2016 fest, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Göteborg vom 29.09.2016 rechtmäßig ist. Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göteborg wurde vom Berufungsgericht in Stockholm damit unanfechtbar zurückgewiesen. Den vorgelegten Unterlagen aus Schweden ist insbesondere zu entnehmen, dass dort eine rechtskräftige Sachentscheidung über das Asylbegehren des Klägers erfolgt ist. Dem Schutzbegehren des Klägers wurde in Schweden nicht entsprochen, da dieser „nicht wahrscheinlich gemacht hat, dass er im Sinne des Ausländergesetzes eine gut begründete Befürchtung hat, bei einer Rückkehr nach Äthiopien aufgrund seiner religiösen Orientierung verfolgt zu werden“ (vgl. Bl. 125 der Bundesamtsakte).* Aufgrund der damit unstreitig vorliegenden rechtskräftigen Sachentscheidung in Schweden durfte sich die Beklagte auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen gem. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beschränken.

bb) Der streitgegenständliche Bescheid geht zu Recht davon aus, dass Anhaltspunkte für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG nicht dargelegt wurden. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG setzt voraus, dass sich die der früheren Entscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Zweitantrag ist dabei nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Der Anspruch des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens in Deutschland scheitert bereits daran, dass es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen wäre, die nunmehr in Deutschland geschilderte Fluchtgeschichte (politische Verfolgung) bereits in Schweden vorzutragen (vgl. § 51 Abs. 2 VwVfG). Es ist weder glaubhaft dargelegt noch anderweitig für das Gericht ersichtlich, dass der Kläger ohne grobes Verschulden außer Stande gewesen sein soll, die geänderte - und vom Sachvortrag in Schweden völlig abweichende - Fluchtgeschichte bereits in Schweden vorzutragen. Die klägerischen Ausführungen, insbesondere mit Schriftsatz vom 11.06.2018, wonach der Kläger in Schweden aufgrund seiner psychischen Erkrankung überfordert und nicht in der Lage gewesen sei, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen, sind schon im Ansatz nicht glaubhaft gemacht und entbehren jeglicher Grundlage. Zwar kann auch eine psychische Erkrankung ursächlich dafür sein, dass im früheren Asylverfahren die Asylgründe nicht substantiiert und glaubhaft dargelegt werden konnten (vgl. Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71 Rn. 81). In diesem Fall muss der Kläger aber ausführlich und nachvollziehbar, in der Regel mittels fachärztlichem Gutachten, die Auswirkungen der psychischen Erkrankung und die Gründe für die seinerzeitige Darlegungsstörung darlegen. Diesen Anforderungen wird der klägerische Vortrag schon im Ansatz nicht gerecht. Die vorgelegten ärztlichen bzw. psychologischen Atteste beschäftigten sich in keiner Weise nachvollziehbar und substantiiert mit der Frage, warum der Kläger in Schweden eine völlig andere Fluchtgeschichte als in Deutschland vorgetragen hat und warum es dem Kläger nicht möglich gewesen sein soll, eine politische Verfolgung bereits in Schweden vorzutragen. Auch der Versuch einer Rechtfertigung des unterlassenen Vortrags einer politischen Verfolgung mit Verständigungsproblemen bei der Anhörung bzw. mit einer „offensichtlich mangelhaften Übersetzung“ und einer „unzureichenden Protokollierung“ (vgl. Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 11.06.2018) schlägt fehlt. Der Kläger bestätigte ausdrücklich bei der Anhörung, dass er den Dolmetscher „sehr gut“ verstanden hat. Zudem würde der Kläger ausdrücklich danach gefragt, ob er noch etwas vorzubringen habe, woraufhin ebenfalls mit keinem Wort eine politische Verfolgung oder eine Inhaftierung erwähnt wurde (Bl. 112 der Gerichtsakte). Der Kläger hat damit im gesamten schwedischen Asylverfahren nicht einmal ansatzweise eine politische Verfolgung und/oder Inhaftierung vorgetragen. Stattdessen hat er bei der schwedischen Anhörungsbehörde - ausführlichst und detailliert - von einer angeblichen religiösen Verfolgung der Muslime in Äthiopien berichtet. Nachdem der Kläger diesen Fluchtgrund detailliert und über mehrere Seiten schilderte, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum er eine politische Verfolgung nicht in gleicher Art und Weise vortragen oder zumindest erwähnen hätte können. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger psychisch so „von der Rolle gewesen sein soll“ und überhaupt keine vernünftigen und zusammenhängenden Angaben machen könnte, da er andererseits die religiöse Verfolgung umfassend dargelegt hat. Verwunderlich ist ferner, dass die angebliche religiöse Verfolgung bei der Zweitantragstellung in Deutschland überhaupt keine Rolle mehr gespielt hat. Im Zweitantragsverfahren vor dem Bundesamt stützte der Kläger seine Verfolgungsgeschichte ausdrücklich und ausschließlich auf eine politisch motivierte Verfolgung. Für das Gericht drängt sich daher der Verdacht auf, dass der Kläger - nachdem sein Vorbringen in Schweden nicht zum Erfolg geführt hat - seine Fluchtgeschichte - möglicherweise in der Hoffnung, dass den deutschen Behörden die Einlassungen in Schweden nicht bekannt werden - komplett ausgetauscht hat. Gestützt wird diese Vermutung auch aufgrund der Ausführungen im Attest des Bezirksklinikums … vom 28.02.2018. Danach ist der Kläger durchaus in der Lage, selbstbewusst und fordernd aufzutreten und sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, wenn es ihm angemessen erscheint, insbesondere wenn dies zu seinem Vorteil ist. Dies wird auch im Hinblick auf sein hartnäckiges Fordern nach einem Einzelzimmer in der Gemeinschaftsunterkunft deutlich. Der Kläger ließ insoweit „nicht locker“, bis ihm schließlich die Unterkunftsverwaltung ein Einzelzimmer zur Verfügung stellte.

Im Übrigen dürften auch die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht vorliegen. Es hat sich die Sach- und Rechtslage nicht nachträglich zugunsten des Klägers verändert. Der Kläger hat vielmehr nur Fluchtgründe nachgeschoben, die bereits in Schweden bestanden haben. Weiterhin hat der Kläger die „neuen“ Fluchtgrunde schon im Ansatz nicht schlüssig und glaubhaft dargelegt, was weitere Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.02.2013 - 10 C 23/12 - juris). Das Gericht schenkt dem klägerischen Vorbringen keinen Glauben, weil der Kläger insgesamt, insbesondere im Hinblick auf den Tod seiner Mutter, grob widersprüchliche Ausführungen gemacht hat, die sich mit „Problemen bei der Anhörung in Schweden“ nicht rechtfertigen lassen. Im schwedischen Asylverfahren wurde seitens des Klägers noch angegeben, seine Mutter sei krank gewesen und sei deswegen verstorben. Bei der Regierung von Mittelfranken erklärte der Kläger am 07.10.2016 lediglich, seine Mutter sei am 12.03.2012 verstorben und auf dem Friedhof in Addis Abeba beerdigt. Im Rahmen der Begründung des Folgeantrags wurde seitens des Klägers ausgeführt, seine Mutter sei von der Polizei, als nach ihm gesucht wurde, misshandelt worden und daraufhin an einer Gehirnblutung gestorben. Dabei sei er nicht anwesend gewesen. Gegenüber den Ärzten im Bezirksklinikum … trug der Kläger vor, seine Mutter sei im Jahr 2012 vermutlich an einem Herzinfarkt gestorben. Dem Gutachter Dr. … erzählte der Kläger am 12.09.2017 im Rahmen des vom Amtsgericht … eingeleiteten Betreuungsverfahrens, seine Mutter sei vor seinen Augen von Regierungssoldaten erschossen worden. Gleiches hat er offensichtlich dem Psychologen … im Rahmen der psychotherapeutischen Betreuung berichtet. Daneben hat der Kläger massiv widersprüchlich zu einer erlittenen Haftstrafe in Äthiopien vorgetragen. Während in Schweden noch die Rede davon war, dass lediglich sein Bruder verhaftet worden sei, er aber habe entkommen können, soll der Kläger nach seinen Angaben beim Bundesamt selbst für zwei Jahre inhaftiert gewesen sein, wobei die diesbezüglichen Angaben wiederum vage und unsubstantiiert sind.

Nicht nachvollziehbar ist für das Gericht ferner, dass der Kläger nicht zur mündlichen Verhandlung am 08.08.2018 erschienen ist, obwohl er zuvor wiederholt wegen „Belanglosigkeiten“ bei der Rechtsantragsstelle des Gerichts vorgesprochen hat. Von daher war es auch nicht möglich, den Sachverhalt weiter - insbesondere hinsichtlich der völlig widersprüchlichen Fluchtgründe - aufzuklären.

Im Ergebnis geht das Gericht davon aus, dass sich der Kläger nach dem erfolglosen Verfahren in Schweden mit dem Zweitantrag in Deutschland - unter Austausch bzw. Steigerung der Fluchtgeschichte - die Vorzüge des deutschen Asylverfahrens sichern möchte.

2. Der zulässige Hilfsantrag (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 - 1 C 9/16 - juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 - 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 - juris) bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG zu.

a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid umfassend dargelegt, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Gefahr läuft, einer des Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Das Gericht verweist insoweit auf die vollumfassend zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Insbesondere ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass der Kläger - trotz offensichtlicher psychischer Probleme bzw. wiederholt nicht angepasster Verhaltensweisen - sein Existenzminimum in Äthiopien nicht sichern könnte. Der Kläger ist jung und körperlich gesund. Er verfügt nach eigenen Angaben gegenüber der Regierung von Mittelfranken am 07.10.2016 über einen Vater sowie vier Brüder und sechs Schwestern in Addis Abeba. Selbst wenn der Kläger keiner geregelten Arbeit nachgehen kann bzw. aufgrund seiner Verhaltensweisen keine dauerhafte Beschäftigung findet, ist davon auszugehen, dass innerhalb der Familie dem Kläger die notwendige existenzsichernde Unterstützung zukommt. Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, zumal der Kläger auch vor seiner Ausreise offensichtlich in der Lage gewesen ist, in Äthiopien seinen Lebensunterhalt zu sichern. Daneben hat ihn sein Vater mit erheblichen Finanzmitteln (20.000 Dollar) bei der Flucht unterstützt, so dass auch weiterhin von Unterstützungsleistungen des - offensichtlich - wohlhabenden Vaters auszugehen ist. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Äthiopien einer des Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein wird.

b) Dem Kläger droht auch wegen seines Gesundheitszustandes keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

aa) Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach der Rechtsprechung ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 - 1 C 18/05 - juris). Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung - das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung in Äthiopien mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Bayreuth, U.v. 25.01.2018 - B 7 K 17.31917 - juris).

bb) Die geltend gemachten psychischen Erkrankungen des Klägers erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nach Äthiopien droht.

Dem aktuellsten vorgelegten Attest des Bezirkskrankenhauses … vom 28.02.2018 ist als Diagnose eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptomatik (F32.2), eine Anpassungsstörung (F43.2) und ein Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) zu entnehmen. Diese Diagnose deckt sich im Wesentlichen mit der Diagnose im vorläufigen Arztbrief des Bezirkskrankenhauses … vom 17.08.2017, wonach ebenfalls eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome und ein Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde. Lediglich in einem älteren Attest des Bezirksklinikums … vom 25.07.2017 - welches explizit zur Vorlage im Asylverfahren erstellt wurde (!) - wird von einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Panik, Flashbacks und gedrückter Stimmung ausgegangen. Vorausgehende bzw. nachfolgende Atteste enthalten die Diagnose PTBS nicht. Das Bezirkskrankenhaus … führt beispielsweise im Arztbrief vom 25.05.2017 auch ausdrücklich aus, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung mit Panik, Flashbacks und gedrückter Stimmung durch andere Ärzte vordiagnostiziert worden sei. Damit bringt das Bezirkskrankenhaus … zum Ausdruck, dass es sich hierbei um keine Diagnose des Bezirkskrankenhauses handelt. Das fachkundige Bezirksklinikum … bezieht sich mit der genannten Vordiagnose offensichtlich auf das ärztliche Attest des medizinischen Dienstes bei der Regierung von Mittelfranken (Bl. 93 der Bundesamtsakte), wonach dort am 08.02.2017 beim Kläger eine Posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden ist. Dieses ärztliche Attest des medizinischen Dienstes der Regierung von Mittelfranken (Arzt: Gerald G. J. Suttner, Feucht) genügt aber schon im Ansatz nicht den Anforderungen an eine Bescheinigung bzw. Substantiierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris).

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat der Gesetzgeber im Wesentlichen nachvollzogen und Vorgaben zu den qualitativen Anforderungen an ärztliche Atteste in § 60 a Abs. 2c AufenthG gemacht (BayVGH, B.v. 24.1.2018 - 10 ZB 18.30105 - juris; B.v. 9.11.2017 - 21 ZB 17.30468 - juris; VG Bayreuth, B.v. 8.8.2018 - B 7 S 18.31388 - juris). Auch nach dieser Vorschrift wird gesetzlich vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich erben, enthalten.

Die Bescheinigung des medizinischen Dienstes bei der Regierung von Mittelfranken über eine Posttraumatische Belastungsstörung erfüllt die Anforderungen der Rechtsprechung bzw. des § 60 a Abs. 2 c AufenthG schon im Ansatz nicht. Hierbei handelt es sich lediglich um eine handgeschriebene, knappe Feststellung von wenigen Zeilen. Eine eingehende Anamnese und Exploration des Arztes ist nicht ersichtlich. Zwar ist auch im ärztlichen „Attest zur Vorlage beim Bundesamt für Migration“ vom 25.07.2017 (Blatt 138 der Bundesamtsakte) unter „festgestellte Diagnosen“ von einer Posttraumatischen Belastungsstörung mit Panik, Flashbacks und gedrückter Stimmung die Rede. Die nachfolgende Begründung wird aber den Anforderungen der Rechtsprechung und des Gesetzgebers an die Substantiierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung ebenfalls nicht gerecht. Das besagte Attest enthält im Wesentlichen Ausführungen zu schweren depressiven Episode. Die angenommene „Verschlechterung mit Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung“ wird völlig unzureichend begründet.

Letztlich kann dahinstehen, ob im Juli 2017 beim Kläger (kurzzeitig und vorübergehend) eine Posttraumatische Belastungsstörung vorgelegen hat. Selbst das Bezirkskrankenhaus … hat sich in den neueren Attesten vom August 2017 bzw. Februar 2018 offensichtlich von dieser Diagnose distanziert - womöglich auch aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Klägers zu seinem Schicksal im Heimatland und in Schweden bzw. aufgrund seiner Verhaltensentwicklungen im Bezirkskrankenhaus - und geht nunmehr nur noch von einem Verdacht auf einer Posttraumatischen Belastungsstörung aus. Eine Posttraumatische Belastungsstörung ist damit im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) nicht substantiiert dargelegt, zumal zur Substantiierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung aktuelle fachärztliche Attest notwendig und maßgeblich sind (BVerwG, B.v. 26.7.2012 - 10 B 21/12 - juris).

Lediglich ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass auch das Attest des Allgemeinmediziners Dr. … (* …*) vom 22.05.2018 sowie die Ausführungen des Diplompsychologen … vom 28.05.2018 bzw. vom 05.07.2018 nicht geeignet sind, eine aktuelle Posttraumatische Belastungsstörung beim Kläger schlüssig darzulegen. Das Attest der Klosterpraxis ist schon kein fachärztliches Attest. Darüber hinaus wird im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die im Frühjahr 2018 im Bezirkskrankenhaus … angewandte Medikation fortgeführt werde. Es finden sich keinerlei Ausführungen dahingehend, wie der Hausarzt zur Erkenntnis einer (aktuellen) Posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger kommt, insbesondere da sich die Fachärzte des Bezirksklinikums … offensichtlich von dieser Diagnose distanziert haben und die Posttraumatische Belastungsstörung als nicht gesichert ansehen. Gleiches gilt für die Ausführungen des behandelnden Diplompsychologen. Zum einen handelt es sich hierbei um keinen (Fach-)Arzt (vgl. § 60a Abs. 2c AufenthG und VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 - B 3 K 17.31531 - juris). Zum andern erfüllen die Ausführungen des Psychologen auch inhaltlich nicht ansatzweise die Anforderungen der Rechtsprechung bzw. des Gesetzgebers an einen substantiierten Vortrag einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Gutachten des Neurologen Dr. Thomas … vom 13.09.2017 im Rahmen des Betreuungsverfahrens des Amtsgerichts … Zum einen liegen aktuellere und tiefgreifendere fachärztliche Erkenntnisse des Bezirksklinikums vor, die davon ausgehen, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung gegenwertig nicht (mehr) gesichert ist. Zum anderen erfüllen die Ausführungen im psychiatrischen Gutachten auch inhaltlich nicht die Anforderungen des Gesetzes und der Rechtsprechung an die Substantiierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung im Rahmen eines Asylverfahrens.

Nach Auswertung der ärztlichen Atteste ist daher eine (gegenwärtige) Posttraumatischen Belastungsstörung beim Kläger nicht substantiiert dargelegt. In diesem Zusammenhang sei nochmals darauf hingewiesen, dass der Kläger massiv widersprüchliche Angaben zu den traumatisierenden Ereignissen in seiner Heimat bzw. in Schweden gemacht hat (Todesumstände der Mutter, Verfolgungsgrund, Haft, etc.), so dass nicht einmal eindeutig und nachvollziehbar die auslösenden Ereignisse geklärt bzw. beleuchtet sind.

cc) Dementsprechend ist beim Kläger allenfalls von einer (schweren) depressiven Episode auszugehen. Es ist für das Gericht aber nicht ersichtlich, dass es sich hierbei um eine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung, die sich alsbald bei einer Abschiebung nach Äthiopien wesentlich verschlechtern würde, handelt. Das Bezirksklinikum … hat im Arztbericht vom 28.02.2018 ausführlich dargelegt, dass der Kläger durchaus in der Lage ist, sich angemessen zu verhalten und sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, wenn dies in seinem Sinne ist und er hierdurch die für ihn notwendigen Vorteile erlangt.

Auch wenn der Kläger unstreitig „verhaltensauffällig“ und depressiv sein dürfte, erfüllt dies nicht die hohen Voraussetzungen für die Feststellung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Psychische Erkrankungen - grundsätzlich auch Posttraumatische Belastungsstörungen - sind nämlich in Äthiopien behandelbar. Psychiatrische Behandlungen werden in mehreren Krankenhäusern in Addis Abeba angeboten. Insbesondere sind in Äthiopien auch verschiedene Psychopharmaka erhältlich, z.B.: Amitrypilline, Carbamazpine, Clonazpam, Diazepam, Haloperidol, Imipramine, Sodium, Volporate sowie Triflurperazine (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Psychiatrische Versorgung vom 05.09.2013, Blatt 6). Auch wenn die vom Kläger derzeit eingenommenen Medikamente in Äthiopien nicht verfügbar sein sollten, ist es ihm zumutbar, sich z.B. über das ZIRF-Counselling Projekt über erhältliche Medikamente in Äthiopien zu erkundigen und sich - ggf. mit einem in Deutschland angelegten Medikamentenvorrat - auf eine Medikamentenumstellung in Äthiopien einzulassen. § 60 Abs. 7 AufenthG dient nämlich nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern. Insbesondere bietet diese Vorschrift keinen allgemeinen Anspruch auf Teilhabe am medizinischen Fortschritt und Standard in der medizinischen Versorgung in Deutschland. Der Kläger muss sich auf den Standard der Gesundheitsversorgung in seinem Heimatland verweisen lassen, auch wenn dieses dem Niveau in Deutschland sicherlich nicht entspricht (vgl. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

Für das Gericht ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger eine in seinem Heimatland übliche Behandlung seiner psychischen Probleme nicht erreichen könnte. Insbesondere scheint der Kläger aus wohlhabendem Haus zu stammen. Sein Vater hat ihn mit erheblichem Geldaufwand bei der Ausreise unterstützt, so dass davon auszugehen ist, dass er von der Familie bei einer medizinischen Behandlung ebenfalls unterstützt wird. Andernfalls kann er über die Beantragung einer Armutskarte bei seiner Heimatgemeinde die Finanzierung der medizinischen Behandlung über den Staat beantragen (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Äthiopien: Psychatrische Versorgung vom 05.09.2013, Blatt 9).

Die Frage der Reisefähigkeit des Klägers im Hinblick auf seine wohl wechselhaft gegebenen Suizidalgedanken stellt allenfalls ein inländisches Vollstreckungshindernis dar und ist nicht im Rahmen dieses Verfahrens zu prüfen, sondern von der zuständigen Ausländerbehörde im Falle einer Abschiebung.

3. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte, die gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheides) und gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (Ziffer 4 des Bescheides) sprechen, weder vorgetragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich sind.

4. Die Kostenentscheidung des gerichtskostenfreien Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §°167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 08. Aug. 2018 - B 7 K 17.33133 zitiert 22 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG

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(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

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(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

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Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


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Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

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(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn 1. sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen g

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(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem

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(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tatbestand

1

Die Kläger, nach eigenen Angaben afghanische Staatsangehörige, wenden sich gegen die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren.

2

Sie reisten im Juli 2012 in das Bundesgebiet ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn. Mit Antwortschreiben vom 30. Juli 2012 bestätigten die ungarischen Behörden, dass der Kläger zu 1 zusammen mit seiner Familie im April 2012 dort Asyl beantragt habe. Wegen des Verschwindens der Familie sei das Asylverfahren beendet worden. Es werde zugestimmt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über ihre Asylanträge zu entscheiden.

3

Nachdem eine Überstellung der Kläger nach Ungarn nicht erfolgt war, stellte das Bundesamt Ende Januar 2013 fest, dass wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist im nationalen Verfahren zu entscheiden sei.

4

Mit Bescheiden vom 13. und 17. Juni 2014 lehnte das Bundesamt hinsichtlich aller Kläger die Durchführung von weiteren Asylverfahren ab (Nr. 1), stellte aber jeweils fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegt (Nr. 2). Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei dem Asylantrag nach der erfolglosen Durchführung eines Asylverfahrens in Ungarn jeweils um einen Zweitantrag. Ein weiteres Asylverfahren sei nicht durchzuführen, da Wiederaufgreifensgründe im Sinne von § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG nicht vorlägen. Die humanitären Bedingungen in Afghanistan führten jedoch zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG.

5

Mit ihrer zunächst erhobenen Verpflichtungsklage begehrten die Kläger die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise subsidiären Schutzes. Sie hätten glaubhaft geschildert, dass der Klägerin zu 3 in Afghanistan die Zwangsverheiratung drohe. Von einem Zweitantrag sei nicht auszugehen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht nahmen die Kläger ihre Verpflichtungsanträge auf richterlichen Hinweis zurück und beantragten nur noch, jeweils die Nr. 1 der Bescheide vom 13. und 17. Juni 2014 aufzuheben.

6

Das Verwaltungsgericht gab dieser Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Anfechtungsklage sei die statthafte Klageart, wenn - wie vorliegend - Streit darüber bestehe, ob ein Anwendungsfall des § 71a AsylG gegeben sei. Im Unterschied zum Folgeverfahren nach § 71 AsylG seien hier zwei Mitgliedstaaten beteiligt und müsse deshalb zunächst die Verfahrenssituation ermittelt, also festgestellt werden, ob überhaupt eine "Zweitantragssituation" vorliege. Insoweit sei den Klägern das Recht einzuräumen, zunächst isoliert die sie beschwerende Wertung als Zweitantrag zu beseitigen und damit den Weg freizumachen für ein vom Bundesamt durchzuführendes Asylverfahren.

7

Die Klage sei auch begründet. Die Ablehnung der Anträge auf Durchführung von weiteren Asylverfahren sei rechtswidrig und verletze die Kläger in ihren Rechten. Ein "erfolgloser Abschluss" (§ 71a AsylG) des in Ungarn eingeleiteten Asylverfahrens liege nicht vor, weil das Erstverfahren in Ungarn noch nicht endgültig beendet sei. Ungarn habe sich damit einverstanden erklärt, die Kläger wieder aufzunehmen, um über deren Asylbegehren zu entscheiden. Dies entspreche den Auskünften des Auswärtigen Amtes zum ungarischen Asylverfahrensrecht. Danach sei ein endgültiger Verfahrensabschluss mit der Folge, dass ein neuerliches Asylbegehren als Folgeantrag gewertet werde, nur anzunehmen, wenn ein vorheriges Asylverfahren in der Sache unanfechtbar negativ abgeschlossen oder das Asylverfahren nach ausdrücklicher schriftlicher Rücknahme des Asylbegehrens unanfechtbar eingestellt worden sei. Sei ein Asylverfahren hingegen ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden, könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Ausgehend davon liege auch in Deutschland keine "Zweitantragssituation" vor, sondern müsse über das Asylbegehren erstmals entschieden werden. Denn die Dublin II-VO enthalte keine Regelung, nach der der Zuständigkeitsübergang auch zu einem formellen oder materiellen Rechtsverlust führen könnte.

8

Die Beklagte macht mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe den Anwendungsbereich von § 71a AsylG fehlerhaft zu eng bestimmt. Im Unterschied zu der das Folgeantragsverfahren betreffenden Regelung des § 71 AsylG beziehe sich § 71a AsylG nicht nur auf die in jener Vorschrift angeführten Konstellationen der Rücknahme oder unanfechtbaren Ablehnung eines früheren Asylantrags, sondern richte sich mit der Formulierung vom "erfolglosen Abschluss eines Asylverfahrens" auf einen potentiell weitergehenden Kreis von Fallgestaltungen. Ein erfolgloser Abschluss eines Asylverfahrens liege immer auch dann vor, wenn ein in dem Mitgliedstaat vorausgegangenes behördliches Asylverfahren ohne inhaltliche Prüfung einen formellen Abschluss gefunden habe. Dabei sei unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im sicheren Drittstaat die Möglichkeit einer Wiedereröffnung oder einer anderweitigen Fortführung bzw. Prüfung der bis zum Verfahrensabschluss bestehenden Schutzgründe bestehe. Nicht zuletzt die aktuelle Entscheidung des EuGH vom 17. März 2016 (Rs. C-695/15) belege, dass Unionsrecht gerade nicht fordere, auf die zur Wiederaufnahme bzw. Verfahrensfortführung im sicheren Drittstaat bestehende Rechtslage abzustellen. Die Asylverfahrensrichtlinie a.F. stelle es den Mitgliedstaaten frei, ob sie die Wiedereröffnung eines eingestellten Verfahrens ermöglichten. Dieser dem innerstaatlichen Normgeber unionsrechtlich eröffnete Gestaltungsspielraum würde erheblich beeinträchtigt, wenn dem Berufungsgericht zu folgen wäre. Sei die Prüfung des Asylantrags in Deutschland durchzuführen, müssten auch die hier geltenden Gesetze Anwendung finden.

9

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung.

10

Der Vertreter des Bundesinteresses hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt kein revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ablehnung der Durchführung weiterer Asylverfahren in Ziffer 1 der Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 13. und 17. Juni 2014 rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

12

Die von den Klägern erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (1.). Sie ist auch begründet, denn die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, liegen nicht vor (2.). Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.) und verletzt die Kläger in ihren Rechten (4.).

13

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens ist das Asylgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert mit Wirkung vom 10. November 2016 durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte (BVerwG, Urteil vom 11. September 2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251 Rn. 19). Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 AsylG regelmäßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung abzustellen hat, müsste es seiner Entscheidung, wenn es jetzt entschiede, die während des Revisionsverfahrens in Kraft getretenen Änderungen des Asylgesetzes zugrunde legen, soweit nicht hiervon eine Abweichung aus Gründen des materiellen Rechts geboten ist.

14

1. Zu Recht haben die Vorinstanzen die nach Rücknahme der Verpflichtungsanträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur noch anhängige Anfechtungsklage in der vorliegenden prozessualen Konstellation als statthaft angesehen.

15

Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens gemäß § 71 Abs. 1 AsylG bzw. - hier - § 71a AsylG stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG dar. Mit dem Integrationsgesetz hat der Gesetzgeber zur besseren Übersichtlichkeit und Vereinfachung der Rechtsanwendung in § 29 Abs. 1 AsylG die möglichen Gründe für die Unzulässigkeit eines Asylantrags in einem Katalog zusammengefasst (BT-Drs. 18/8615 S. 51). Hierzu zählt gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG nunmehr auch der - materiellrechtlich unverändert geregelte - Fall, dass im Falle eines Folgeantrags nach § 71 AsylG oder eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

16

Jedenfalls seit Inkrafttreten dieser Neuregelung ist die Entscheidung, kein weiteres Asylverfahren durchzuführen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen. Eine Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG stellt, ebenso wie die hier noch ergangene - gleichbedeutende - Ablehnung der Durchführung eines weiteres Asylverfahrens, einen der Bestandskraft fähigen, anfechtbaren Verwaltungsakt dar (vgl. zur bisherigen Rechtslage Funke-Kaiser, in: GK-AsylG, Stand Dezember 2016, § 71a Rn. 39). Sie verschlechtert die Rechtsstellung der Kläger, weil damit ohne inhaltliche Prüfung festgestellt wird, dass ihr Asylvorbringen nicht zur Schutzgewährung führt und darüber hinaus auch im Falle eines weiteren Asylantrags abgeschnitten wird, weil ein Folgeantrag, um den es sich gemäß § 71a Abs. 5 i.V.m. § 71 AsylG handeln würde, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG zu einem weiteren Asylverfahren führen kann. Ferner erlischt mit der nach § 71a Abs. 4 i.V.m. §§ 34, 36 Abs. 1 und 3 AsylG regelmäßig zu erlassenden, sofort vollziehbaren Abschiebungsandrohung auch die Aufenthaltsgestattung (§ 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG). Der Asylsuchende muss die Aufhebung des Bescheids, mit dem die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 12).

17

Die Anfechtungsklage ist nicht wegen des Vorrangs einer Verpflichtungsklage im Hinblick darauf unzulässig, dass für das von den Klägern endgültig verfolgte Ziel der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft die Verpflichtungsklage die richtige Klageart ist. Soweit in der bisherigen Rechtsprechung zum Folgeantrag eine Verpflichtung der Gerichte zum "Durchentscheiden" angenommen und dementsprechend die Verpflichtungsklage als allein zulässige Klageart betrachtet worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 - BVerwGE 106, 171 <172 ff.>), hält der Senat daran mit Blick auf die Weiterentwicklung des Asylverfahrensrechts nicht mehr fest.

18

Anknüpfend an die stärkere Betonung des behördlichen Asylverfahrens, der hierfür in der für die EU-Mitgliedstaaten verbindlichen Verfahrensrichtlinie enthaltenen, speziellen Verfahrensgarantien sowie der dort vorgesehenen eigenen Kategorie unzulässiger Asylanträge (vgl. Art. 25 der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft - Asylverfahrensrichtlinie a.F. - bzw. Art. 33 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes - Asylverfahrensrichtlinie n.F. -) hat der Gesetzgeber mit der zusammenfassenden Regelung verschiedener Unzulässigkeitstatbestände in § 29 Abs. 1 AsylG das Verfahren strukturiert und dem Bundesamt nicht nur eine Entscheidungsform eröffnet, sondern eine mehrstufige Prüfung vorgegeben. Erweist sich ein Asylantrag schon als unzulässig, ist eine eigenständig geregelte Unzulässigkeitsentscheidung zu treffen. Zugleich hat das Bundesamt über das Bestehen nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden (§ 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG). Diese Prüfungsstufe ist bei Anträgen, die das Bundesamt als Zweitantrag einstuft, auf die Fragen beschränkt, ob es sich tatsächlich um einen derartigen Antrag handelt und ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, also die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 AsylG vorliegen (§ 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1 AsylG). Die weitere in § 71a Abs. 1 AsylG genannte Voraussetzung, dass die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, muss an dieser Stelle bereits feststehen. Andernfalls wäre eine - vorrangige - Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu treffen. Denn die Dublin-Verordnungen regeln abschließend die Zuständigkeit zur Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags. Erst wenn ein Mitgliedstaat danach zuständig ist, kann er einen Asylantrag - wie hier - aus den Gründen des § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG als unzulässig ablehnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 20).

19

Diese klare Gliederung der Prüfung von Anträgen, für die die Bundesrepublik Deutschland zuständig ist, in eine Entscheidung, ob ein Zweitantrag nach § 71a AsylG vorliegt und ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist (Zulässigkeitsprüfung) und die weitere Entscheidung, ob die materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind (Sachprüfung), hat auch in eigenständigen Verfahrensvorgaben für die erste Prüfungsstufe Ausdruck gefunden. In § 71a Abs. 2 AsylG wird das "Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist", besonders geregelt (vgl. zum Verfahren der Zulässigkeitsprüfung allgemein auch § 29 Abs. 2 bis 4 AsylG). Es liegt nahe, damit auch spezialgesetzliche, prozessuale Konsequenzen zu verbinden und den Streitgegenstand einer Klage nach einer derartigen Unzulässigkeitsentscheidung auf die vom Bundesamt bis dahin nur geprüfte Zulässigkeit des Asylantrags beschränkt zu sehen (siehe auch BVerfG, Kammerbeschluss vom 13. März 1993 - 2 BvR 1988/92 - InfAuslR 1993, 229 = juris Rn. 23; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1987 - 9 C 251.86 - BVerwGE 77, 323 ff., jeweils zur partiell vergleichbaren Rechtslage nach dem AsylVfG 1982). Dafür spricht schließlich auch § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG, wonach das Bundesamt bei einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung das Asylverfahren fortzuführen hat. Diese Regelung gilt zwar unmittelbar nur für den Fall eines erfolgreichen Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen Unzulässigkeitsentscheidungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 und 4 AsylG, dessen in § 37 Abs. 1 Satz 1 AsylG geregelte, besondere Rechtsfolgen nicht verallgemeinerungsfähig sind. Letzteres gilt jedoch nicht für den in § 37 Abs. 1 Satz 2 AsylG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken. Dieser ist auf den Fall der Aufhebung einer Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG übertragbar und lässt darauf schließen, dass die verweigerte sachliche Prüfung vorrangig von der mit besonderem Sachverstand ausgestatteten Fachbehörde nachzuholen ist (ähnlich bereits BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 13 und 17). Ausgehend davon kommt auch ein eingeschränkter, auf die Durchführung eines (gegebenenfalls weiteren) Asylverfahrens gerichteter Verpflichtungsantrag nicht in Betracht, weil das Bundesamt hierzu nach Aufhebung der Entscheidung über die Unzulässigkeit automatisch verpflichtet ist.

20

Die von der jüngeren Asylgesetzgebung verfolgten Beschleunigungsziele, auf die der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Sie rechtfertigen es bei der derzeitigen Ausgestaltung des nationalen Asylverfahrensrechts und der unionsrechtlichen Vorgaben nicht, bei Folge- und (vermeintlichen) Zweitanträgen, welche entgegen der Einschätzung des Bundesamts zur Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens führen müssen, den nach dem Asylgesetz auf die Unzulässigkeitsentscheidung begrenzten Streitgegenstand auf die sachliche Verpflichtung zur Schutzgewähr zu erweitern und dann unter Rückgriff auf das allgemeine Verwaltungsprozessrecht (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) die erstmalige Sachentscheidung in das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu verlagern. Für bestimmte Fallgestaltungen stehen dem Bundesamt im Übrigen selbst Beschleunigungsmöglichkeiten zur Verfügung, die eine eventuelle Verlängerung der Gesamtverfahrensdauer bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Berechtigung zu internationalem Schutz zumindest abmildern können. Hierzu zählt die Option, offensichtlich unbegründete Anträge nach § 30 AsylG abzulehnen und eine Abschiebungsandrohung mit verkürzter Ausreisefrist zu erlassen, sowie bei Folgeanträgen nunmehr auch die Möglichkeit, das Asylverfahren beschleunigt durchzuführen (§ 30a Abs. 1 Nr. 4 AsylG). Nicht zu entscheiden ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das Bundesamt in Fällen des § 29 Abs. 1 AsylG neben einer Unzulässigkeitsentscheidung vorsorglich und in dem gehörigen Verfahren im Interesse einer Beschleunigung auch ausdrücklich (hilfsweise) eine Sachentscheidung treffen kann. Dass nach § 31 Abs. 3 AsylG in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge festzustellen ist, "ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen", und sich das Bundesamt zumindest insoweit sachlich mit einem Schutzbegehren zu befassen hat, ersetzt diese Prüfung nicht, weil sie nicht bezogen ist auf die - dem nationalen Abschiebungsschutz vorrangige Frage der - Anerkennung als Asylberechtigter bzw. Gewährung internationalen Schutzes (§ 1 Abs. 1 AsylG) und einen anderen Streitgegenstand betrifft. Dieser Streitgegenstand kann - in Fällen, in denen das Bundesamt die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Feststellung verbunden hat, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG nicht vorliegen - durch den Schutzsuchenden zusätzlich zu der gegen die Unzulässigkeitsentscheidung gerichteten Anfechtungsklage hilfsweise mit der Verpflichtungsklage zur verwaltungsgerichtlichen Prüfung gestellt werden.

21

Vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung hat das Gericht zu prüfen, ob die Entscheidung auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Wird die Unzulässigkeitsentscheidung auf die Anfechtungsklage hin aufgehoben, ist auch eine gegebenenfalls ergangene Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, nebst Abschiebungsandrohung aufzuheben. Denn beide Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen (vgl. entsprechend BVerwG, Urteil vom 7. März 1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = juris Rn. 19).

22

2. Das Berufungsgericht hat ohne Verletzung von Bundesrecht angenommen, dass die Voraussetzungen, unter denen die Durchführung eines Asylverfahrens gemäß § 71a Abs. 1 AsylG wegen vorheriger erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat abgelehnt werden kann, nicht vorliegen.

23

Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung ist § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

24

Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

25

Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber die in § 71 AsylG vorgesehene besondere Behandlung von Folgeanträgen auf den Fall erstreckt, dass dem Asylantrag des Antragstellers ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder Vertragsstaat vorausgegangen ist.

26

Der Senat kann offenlassen, ob gegen die mitgliedstaatsübergreifende Anwendung des unionsrechtlich ermöglichten Folgeantragskonzepts (vgl. Art. 32 bis 34 Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 40 bis 42 Asylverfahrensrichtlinie n.F.) grundsätzliche unionsrechtliche Bedenken bestehen (vgl. Marx, AsylG, 9. Aufl. 2016, § 71a Rn. 3 ff.). Keiner Entscheidung bedarf auch die Frage, ob die Aufnahme der Folge- und Zweitanträge, bei denen keine Gründe für ein Wiederaufgreifen vorliegen, in den Katalog der Unzulässigkeitstatbestände des § 29 Abs. 1 AsylG bereits mit der Asylverfahrensrichtlinie a.F. - ihre Anwendbarkeit unterstellt - vereinbar war und ob und in welcher Weise Art. 25 Abs. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 2 Buchst. d dieser Richtlinie die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" zusätzlich begrenzt.

27

Die Voraussetzungen für die Nichtdurchführung eines (weiteren) Asylverfahrens nach § 71a Abs. 1 AsylG liegen hier schon deshalb nicht vor, weil die Asylanträge der Kläger keine Zweitanträge im Sinne dieser Vorschrift sind. Ihren Anträgen ist kein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) vorausgegangen.

28

Zwar ist Ungarn als Mitgliedstaat der Europäischen Union ein sicherer Drittstaat im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG, für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten: Im vorliegenden Fall richtet sich die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 50 S. 1) - Dublin II-VO, weil Asylantrag und Wiederaufnahmegesuch vor dem maßgeblichen Stichtag (1. Januar 2014) gestellt worden sind (vgl. die Übergangsregelung in Art. 49 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags auf internationalen Schutz - Dublin III-VO).

29

Es fehlt indes an einem "erfolglosen Abschluss" der von den Klägern in Ungarn eingeleiteten Asylverfahren. Ein erfolgloser Abschluss des in einem anderen Mitgliedstaat betriebenen Asylverfahrens setzt voraus, dass der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist. Eine Einstellung ist nicht in diesem Sinne endgültig, wenn das (Erst-)Verfahren noch wiedereröffnet werden kann (a). Ob eine solche Wiedereröffnung bzw. Wiederaufnahme möglich ist, ist nach der Rechtslage des Staates zu beurteilen, in dem das Asylverfahren durchgeführt worden ist (b). Nach diesen Maßstäben ist das von den Klägern in Ungarn betriebene und dort eingestellte Asylverfahren vorliegend nicht erfolglos abgeschlossen (c).

30

a) Dem Wortlaut nach umfasst die Tatbestandsvoraussetzung "nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens" jede Art des formellen Abschlusses eines Asylverfahrens ohne Zuerkennung eines Schutzstatus. Für die nähere Konkretisierung der möglichen Varianten und der Anforderungen an den Verfahrensabschluss kann auf die Parallelregelung zum Folgeantrag in § 71 Abs. 1 AsylG zurückgegriffen werden, wonach es sich um eine Rücknahme oder eine unanfechtbare Ablehnung des Antrags handeln kann. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber mit der abweichenden Formulierung in § 71a Abs. 1 AsylG inhaltlich weitere Tatbestände hätte erfassen wollen. Denn der Sinn und Zweck des § 71a AsylG ist darauf beschränkt, den Zweitantrag dem Folgeantrag und damit die asylrechtliche Entscheidung des Drittstaats einer asylrechtlichen Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen (BT-Drs. 12/4450 S. 27; siehe auch Hailbronner, in: Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 14 f.).

31

Der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 AsylG erfasst nach der bis zum 16. März 2016 geltenden Rechtslage uneingeschränkt auch die Fälle, in denen der Asylantrag nach § 33 Abs. 1 AsylG wegen Nichtbetreibens des Verfahrens als zurückgenommen gilt. Dies macht nicht zuletzt § 32 Abs. 2 AsylG deutlich. Anders stellt sich dies nach der am 17. März 2016 in Kraft getretenen grundlegenden Neufassung des § 33 AsylG durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl. I S. 390) dar: Nach § 33 Abs. 5 Satz 2 bis 6 AsylG kann nunmehr ein Ausländer, dessen Verfahren wegen Nichtbetreibens eingestellt worden ist, einmalig die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Ein neuer Asylantrag gilt als derartiger Wiederaufnahmeantrag und ist als Erstantrag zu behandeln, sofern seit der Einstellung des Asylverfahrens noch keine neun Monate vergangen sind und das Asylverfahren noch nicht nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Infolge dieser - erkennbar vorrangigen - Spezialregelung ist der Begriff der Rücknahme in § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nunmehr bereits nach nationalem Recht dahin einschränkend auszulegen, dass er die Fälle der fiktiven Rücknahme nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG nur noch unter den Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG umfasst, wenn also die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits einmal wieder aufgenommen worden war.

32

Steht die bestehende Wiederaufnahmemöglichkeit somit nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben (Umkehrschluss aus § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG) der Behandlung als Folgeantrag entgegen, muss dies - wegen der bezweckten Gleichstellung - auch für den Zweitantrag gelten. Hinzu kommt ein systematisches Argument innerhalb des § 71a AsylG: Liegt ein erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren im Sinne des § 71a AsylG im Falle der Antragsablehnung erst vor, wenn diese Ablehnung unanfechtbar ist (vgl. dazu OLG Köln, Beschluss vom 20. Juli 2007 - 16 Wx 150/07 - juris Rn. 7; Hailbronner, Ausländerrecht, Ordner 4, Stand November 2016, § 71a AsylVfG Rn. 15), ist ein erfolgloser Abschluss auch im Falle der Verfahrenseinstellung nach (ausdrücklicher oder stillschweigender/fingierter) Rücknahme nur anzunehmen, wenn das konkrete Asyl(erst)verfahren endgültig - d.h. ohne die Möglichkeit einer Wiederaufnahme auf Antrag des Asylbewerbers - beendet ist (zum unionsrechtlichen Begriff der "rechtskräftigen" bzw. "bestandskräftigen" Entscheidung s. Art. 2 Buchst. d Asylverfahrensrichtlinie a.F. bzw. Art. 2 Buchst. e Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum die beiden Varianten des erfolglosen Abschlusses eines Asylverfahrens, die jeweils dieselbe Rechtsfolge bewirken, insoweit unterschiedlichen Anforderungen unterliegen sollten.

33

b) Der Verwaltungsgerichtshof ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Frage, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat zuvor betriebenes Asylverfahren dort durch bestandskräftige Ablehnung oder endgültige Einstellung beendet worden ist, insgesamt nach dem betreffenden ausländischen Asylverfahrensrecht richtet. § 71a Abs. 1 AsylG knüpft an einen abgeschlossenen, im Ausland geschehenen Vorgang an, der insgesamt dem ausländischen Recht unterfällt. Der enge Zusammenhang des Verwaltungsakts und seiner Bestandskraft gebietet, die Frage, ob eine ausländische Verwaltungsentscheidung noch anfechtbar bzw. revidierbar ist, nach ausländischem und nicht deutschem Recht zu beantworten. Die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten lässt zwar Raum dafür, die Rechts- und Bestandskraft einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung als Tatbestandsvoraussetzung für die innerstaatliche Rechtsanwendung heranzuziehen; sie erlaubt aber keine Erstreckung des nationalen Verfahrensrechts auf die Beurteilung dieser Vorfrage.

34

Die hier noch anwendbare Dublin II-VO beschränkt sich auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit; ihr lässt sich indes keine Grundlage für eine Handhabung entnehmen, nach der der Zuständigkeitsübergang auf einen anderen Mitgliedstaat mit einer Verschlechterung der verfahrensrechtlichen Rechtsstellung verbunden wäre. Sie berechtigt insbesondere nicht dazu, an einen Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO einen Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte, nicht nach Folgeantragsgrundsätzen erfolgende Antragsprüfung zu knüpfen, wenn dieses Recht im zuvor zuständigen Staat nach dem dort geltenden Asylverfahrensrecht noch bestand (vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 - NVwZ 2015, 1155 = juris Rn. 36).

35

Dem steht der Hinweis der Beklagten, bei Zuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags müsse diese Prüfung auch nach deutschen Gesetzen erfolgen, nicht entgegen. Er trifft zwar insoweit zu, als nicht jede rechtliche Schlechterstellung durch einen Zuständigkeitsübergang ausgeschlossen ist. So darf ein durch Ablauf der Überstellungsfrist zuständig gewordener Staat einen Asylantrag nach Art. 3 Abs. 3 Dublin III-VO (vergleichbar: Art. 3 Abs. 3 Dublin II-VO) auch dann ablehnen, wenn der ursprünglich zuständige Staat vom Drittstaatskonzept keinen Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/15 [ECLI:EU:C:2016:188], PPU - NVwZ 2016, 753). Von dieser Fallkonstellation unterscheidet sich die hier relevante Regelung zum Zweitantrag aber dadurch, dass der deutsche Gesetzgeber darin den Prüfungsumfang vom Abschluss eines in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführten Verwaltungsverfahrens abhängig macht. Damit knüpft die gesetzliche Regelung selbst an einen nach der ausländischen Rechtsordnung zu beurteilenden Tatbestand an.

36

Zu keinem anderen Ergebnis führt die weitere Aussage des EuGH in der vorgenannten Entscheidung, Art. 18 Abs. 2 Dublin III-VO verpflichte die zuständigen Behörden des zuständigen Mitgliedstaats bei Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nicht, das Verfahren zur Prüfung seines Antrags in dem Stadium wiederaufzunehmen, in dem es von diesen Behörden eingestellt worden war. In diesem Zusammenhang weist der EuGH auch auf Art. 28 Abs. 2 letzter Unterabsatz Asylverfahrensrichtlinie n.F. hin, wonach die Mitgliedstaaten der Asylbehörde die Wiederaufnahme der Prüfung in dem Verfahrensabschnitt, in dem sie eingestellt wurde, gestatten können, aber nicht müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 17. März 2016 - C-695/12 - Rn. 67; ebenso Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 4 Asylverfahrensrichtlinie a.F.). Daraus kann etwa folgen, dass eine bereits erfolgte Anhörung nicht zwingend wiederholt werden muss. Ungeachtet der unterschiedlichen Verfahrenskonstellation rechtfertigen diese Bemerkungen aber nicht den Schluss, dass ein Verlust des Rechts auf eine unbeschränkte Antragsprüfung durch bloßen Zuständigkeitsübergang mit dem Unionsrecht vereinbar wäre. Die Begriffe "Verfahrensabschnitt" bzw. "Stadium" beziehen sich nach dem Verständnis des EuGH zweifelsfrei nicht auf die Frage, ob es sich um ein Erst- oder ein Folgeverfahren handelt. Denn der EuGH betont ausdrücklich, dass die Prüfung des Antrags den für Erstanträge vorgesehenen Anforderungen entsprechen muss.

37

Nach den vorstehenden Ausführungen kann auch der Einwand der Beklagten nicht durchgreifen, bei Anwendung ungarischen Rechts werde der dem innerstaatlichen Normgeber zustehende Gestaltungsspielraum beeinträchtigt, den die Asylverfahrensrichtlinie a.F. den Mitgliedstaaten im vorliegenden Kontext einräume. Es trifft zwar zu, dass Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. - anders als Art. 28 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F. - den Mitgliedstaaten noch nicht bindend vorgibt, eine Wiedereröffnung von Asylverfahren vorzusehen, die wegen stillschweigender Antragsrücknahme oder Nichtbetreiben des Verfahrens eingestellt worden sind, sondern wahlweise auch die Behandlung eines hiernach gestellten Antrags als Folgeantrag akzeptiert. Dieses Wahlrecht steht allerdings bei der hier in Rede stehenden mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht unterstellt - dem Staat zu, in dem das Verfahren durchgeführt worden ist, hier mithin Ungarn. Aus der Verwendung des Plurals in Art. 20 Abs. 2 Asylverfahrensrichtlinie a.F. ("Die Mitgliedstaaten stellen sicher ...") kann nichts anderes geschlossen werden. Wenn in dieser Regelung von einem Asylbewerber die Rede ist, "der sich nach Einstellung der Antragsprüfung gemäß Absatz 1 des vorliegenden Artikels wieder bei der zuständigen Behörde meldet, so beschreibt dies einen Vorgang innerhalb ein und desselben Mitgliedstaates und keine länderübergreifende Situation.

38

c) Nach diesen Maßstäben ist die Entscheidung des Berufungsgerichts, das von den Klägern in Ungarn eingeleitete Asylverfahren als nicht erfolglos abgeschlossen im Sinne von § 71a AsylG anzusehen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Kläger im Falle einer Rückkehr nach Ungarn das dort eingeleitete Asylverfahren ohne inhaltliche Beschränkung ihres Vortrags wie ein Erstverfahren weiterbetreiben können. Nach Auskünften des Auswärtigen Amtes vom 12. März 2015 (an das VG Freiburg) und vom 19. November 2014 (an das VG Düsseldorf) zur Ausgestaltung des ungarischen Asylverfahrens werde in Fällen, in denen ein vorheriges Asylverfahren ohne Entscheidung in der Sache eingestellt worden sei ("discontinuation"), ein erneutes Asylbegehren behandelt wie ein Erstverfahren, insbesondere könne der Antragsteller seine im Erstverfahren dargelegten Fluchtgründe erneut vorbringen. Dies werde bestätigt durch die Zustimmungserklärung der ungarischen Behörden, die sich damit einverstanden erklärt hätten, die Kläger wieder aufzunehmen und über das Asylbegehren zu entscheiden. Im Ergebnis würde somit das Verfahren fortgeführt bzw. wiederaufgenommen, wenn die Kläger nach Ungarn zurückkehren würden.

39

An diese nicht mit durchgreifenden Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalt des ungarischen Rechts ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil sie nach § 173 VwGO i.V.m. § 293 ZPO zur Tatsachenfeststellung zählen (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 20. April 2004 - 1 C 13.03 - BVerwGE 120, 298 <302 f.>).

40

Keiner Entscheidung bedarf, auf welchen Zeitpunkt bei der Beurteilung der Frage abzustellen ist, ob ein in einem anderen Mitgliedstaat durchgeführtes Asylverfahren im Sinne von § 71a Abs. 1 AsylG erfolglos abgeschlossen ist. Insoweit kommen in erster Linie der Zeitpunkt der Asylantragstellung in Deutschland oder der Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs in Betracht. Diese Frage kann hier dahinstehen, da die Kläger auch zu dem späteren Zeitpunkt des Zuständigkeitsübergangs noch die Möglichkeit hatten, die Asylverfahren in Ungarn weiter zu betreiben. Denn aus den Feststellungen des Berufungsgerichts zum ungarischen Asylverfahrensrecht ergibt sich nicht, dass das Recht, ein wegen Fortzugs eingestelltes Asylverfahren wieder aufzunehmen, nur befristet bestanden hätte (zur Möglichkeit einer Befristung auf mindestens neun Monate vgl. nunmehr Art. 28 Abs. 2 Unterabs. 2 Asylverfahrensrichtlinie n.F.). Hierfür liegen bezogen auf den hier relevanten Zeitraum bis Ende Januar 2013 auch keine Anhaltspunkte vor.

41

3. Die Entscheidung kann nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben. Der insoweit allein in Betracht kommende Unzulässigkeitstatbestand des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG greift schon deshalb nicht ein, weil Deutschland für die Durchführung der hier in Rede stehenden Asylverfahren aufgrund des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig ist. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a AsylG betrachtet wird. Gemäß § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG schließt die Einreise aus einem sicheren Drittstaat die Berufung auf Art. 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes jedoch nicht aus, wenn die Bundesrepublik Deutschland - wie hier - aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies gilt nicht nur bei einer originären Zuständigkeit Deutschlands, sondern auch bei einem nachträglichen Zuständigkeitswechsel.

42

Diese Regelung nimmt § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit in Bezug: Mit der Aufnahme des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG in den Katalog der Unzulässigkeitsgründe sollte die zuvor bestehende Möglichkeit, einen Asylantrag nach § 26a AsylG abzulehnen, inhaltlich nicht verändert werden. In § 31 Abs. 4 AsylG ist weiterhin von einer Ablehnung "nach § 26a" - jetzt - als unzulässig die Rede. Im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung zudem betont, durch den expliziten Verweis im künftigen § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG auf § 26a AsylG komme zum Ausdruck, dass die dort geregelten Anforderungen auch weiterhin - im Rahmen der Entscheidung über die Zulässigkeit des Asylantrags - zu beachten sind. Wie im geltenden Recht setze der künftige § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG daher voraus, dass der Drittstaat die - unverändert gebliebenen - Voraussetzungen des § 26a AsylG erfülle und durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sei (BT-Drs. 18/8883 S. 10). Ob § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG mit Unionsrecht vereinbar ist, bedarf hier mithin keiner Entscheidung.

43

4. Die Ablehnung der Durchführung von (weiteren) Asylverfahren verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ihr aus dem Unionsrecht folgender Anspruch auf Prüfung ihres Schutzbegehrens durch einen Mitgliedstaat der EU ist verletzt, wenn das Bundesamt - wie hier - als auch nach eigener Auffassung international zuständige Behörde es rechtswidrig ablehnt, ein Asylverfahren durchzuführen.

44

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG sind nicht gegeben.

Tatbestand

1

Die Klägerinnen, russische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben tschetschenischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen die Feststellung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), dass ihnen aufgrund der Einreise aus einem sicheren Drittstaat kein Asylrecht zusteht.

2

Die Klägerin zu 2 ist die Mutter der im Jahre 2008 geborenen Klägerin zu 3. Die Klägerinnen reisten im September 2010 nach Polen ein und beantragten dort erfolglos Asyl. Nach Widerspruch beim Rat für Flüchtlingsangelegenheiten wurden für sie nationale Abschiebungsverbote festgestellt. Die Klägerinnen erhielten bis zum 30. April 2013 gültige polnische Aufenthaltskarten.

3

Die Klägerinnen reisten gemeinsam mit dem nach islamischen Ritus angetrauten Ehemann der Klägerin zu 2 im Juni 2012 nach Berlin und stellten am 19. Juni 2012 beim Bundesamt unbeschränkte Asylanträge. Auf das Wiederaufnahmeersuchen des Bundesamtes vom 13. Februar 2013 erklärte Polen am 18. Februar 2013 seine Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Klägerinnen. Mit Bescheid vom 13. März 2013 stellte das Bundesamt fest, dass die Asylanträge der Klägerinnen nach § 27a AsylVfG a.F. unzulässig seien (Ziffer 1) und ordnete ihre Überstellung nach Polen an. Die Klägerinnen erhoben hiergegen Klage. Wegen einer Risiko-Schwangerschaft der Klägerin zu 2 kam es nicht zu der für den 10. April 2013 geplanten Überstellung. Das Bundesamt hob mit Bescheid vom 24. September 2013 den Bescheid vom 13. März 2013 auf, weil die Bundesrepublik Deutschland wegen Ablaufs der Überstellungsfrist für die Bearbeitung und Bescheidung der Anträge international zuständig geworden sei.

4

Nach Anhörung der Klägerinnen zu ihrem Verfolgungsschicksal stellte das Bundesamt zuletzt mit Bescheid vom 23. Juni 2014 fest, dass den Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht/internationaler Schutz zustehe (Ziffer 1) und ordnete deren Abschiebung nach Polen an (Ziffer 2). Die Klägerinnen hätten wegen der Schutzgewähr in Polen keinen Anspruch auf Feststellung internationalen Schutzes in Deutschland und könnten sich wegen ihrer Einreise aus Polen, einem sicheren Drittstaat, nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen.

5

Hiergegen erhoben die Klägerinnen Klage und beantragten erfolglos die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat mit Gerichtsbescheid vom 20. Oktober 2014 die Klage abgewiesen und hieran in seinem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 19. Mai 2015 ergangenen Urteil festgehalten.

6

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 21. April 2016 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerinnen den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2014 aufgehoben. Die Klägerinnen könnten lediglich mit der Anfechtungsklage die für sie negative Feststellung des Bundesamtes angreifen, nicht aber mit der Verpflichtungsklage (weitergehenden) Schutz begehren. Die Feststellung, dass den Klägerinnen in der Bundesrepublik Deutschland kein Asylrecht zustehe, weil sie aus einem sicheren Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG eingereist seien, sei rechtswidrig. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG sei hier nicht anwendbar, weil eine Ausnahme nach § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG vorliege, nach der die Drittstaatenregelung nicht greife, wenn die Bundesrepublik Deutschland nach Unionsrecht zuständig sei. Dies sei hier der Fall. Für die Prüfung der Asylzweitanträge der Klägerinnen sei nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 der hier auch anzuwendenden Dublin II-VO die Bundesrepublik Deutschland zuständig (geworden). In Polen sei über die Asylanträge der Klägerinnen nicht endgültig entschieden worden, weil ihnen lediglich Abschiebungsschutz nach nationalem Recht zuerkannt worden sei. Für die auf die Flüchtlingsanerkennung gerichteten Aufstockungsanträge sei nach der Dublin II-VO Polen zwar zunächst zuständig und wiederaufnahmepflichtig gewesen. Die erklärte Übernahmebereitschaft sei indes nicht ausgenutzt worden, so dass die Zuständigkeit durch Ablauf der Überstellungsfrist auf die Beklagte übergegangen sei. Wegen der Asylantragstellung vor dem 20. Juli 2015 sei auch noch die Altfassung der Asylverfahrensrichtlinie anzuwenden, so dass eine Zuerkennung subsidiären Schutzes unerheblich sei. Art. 25 Abs. 2 Richtlinie 2005/85/EG lasse die Abweisung eines Asylantrages ohne materielles Prüfungsverfahren nur zu, wenn ein anderer Mitgliedstaat die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe. Auf den Zuständigkeitsübergang könnten sich die Klägerinnen auch berufen, weil keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine (fortwirkende) Übernahmebereitschaft Polens vorlägen. Die Abschiebungsanordnung sei wegen der Rechtswidrigkeit der Feststellung nach §§ 26a, 31 Abs. 4 AsylG rechtswidrig.

7

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 26a AsylG i.V.m. § 31 Abs. 4 AsylG. Sie macht geltend, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts unzutreffend sei, dass auch ein nach Antragstellung in Deutschland im Lauf des weiteren Aufenthalts eintretender Zuständigkeitsübergang den Tatbestand von § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG erfülle. § 26a AsylG sei anwendbar und mit den Vorgaben der Richtlinie 2005/85/EG vereinbar. Eine Ablehnung auf der Grundlage des § 26a Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylG sei im Vergleich zu einer durch Art. 25 Richtlinie 2005/85/EG bzw. Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU eröffneten Möglichkeit der Ablehnung ohne inhaltliche Antragsprüfung eine für den Antragsteller günstigere Bestimmung, die nach Art. 5 Richtlinie 2005/85/EG beibehalten werden könne. Denn anders als eine Ablehnung nach Art. 25 Richtlinie 2005/85/EG/Art. 33 Richtlinie 2013/32/EU verpflichte § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG zur Prüfung, ob der Staat, aus dem der Ausländer nach Deutschland eingereist ist, ein sicherer Drittstaat ist. Rechtsfehlerhaft sei auch die Beschränkung der Klägerinnen auf eine reine Anfechtungsklage. Mit weiterem Bescheid vom 29. Mai 2017 hat das Bundesamt die Asylanträge der Klägerinnen (erneut) als unzulässig abgelehnt, festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich der Russischen Föderation und der Republik Polen nicht vorliegen, die Klägerinnen zur Ausreise aufgefordert und ihnen für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Russische Föderation oder nach Polen angedroht.

8

Die Klägerinnen verteidigen die angegriffene Entscheidung.

9

Mit in der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss vom 1. Juni 2017 hat das Bundesverwaltungsgericht das vorliegende Verfahren der beiden Klägerinnen von dem zuvor gemeinsam mit dem Ehemann der Klägerin zu 2 geführten Verfahren 1 C 22.16 abgetrennt. Die Beteiligten haben das Revisionsverfahren in der mündlichen Verhandlung am 1. Juni 2017 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt, nachdem die Beklagte den Bescheid vom 23. Juni 2014 aufgehoben hatte, soweit dieser die Abschiebung der Klägerinnen nach Polen angeordnet hatte (Ziffer 2 des Bescheides).

Entscheidungsgründe

10

Das Verfahren ist einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben; insoweit sind das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 19. Mai 2015 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. April 2016 unwirksam.

11

Im Übrigen ist die Revision der Beklagten nicht begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg steht, soweit es in Bezug auf die Klägerinnen mit der Revision angegriffen worden ist, im Ergebnis (§ 144 Abs. 4 VwGO) mit Bundesrecht im Einklang. Offenbleiben kann, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutrifft, § 26a AsylG sei hier bereits deswegen nicht anwendbar, weil die Bundesrepublik Deutschland international zuständig geworden sei. Der Bescheid ist jedenfalls deswegen auf die hier allein statthafte Anfechtungsklage (dazu 2.) hin aufzuheben, weil er nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG gestützt werden kann (dazu 3.1) und eine Umdeutung in einen rechtmäßigen Bescheid, der den Asylantrag aus anderem Rechtsgrund als unzulässig ablehnt, nicht möglich ist (dazu 3.2).

12

1. Die rechtliche Beurteilung der auf Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides vom 23. Juni 2014 gerichteten Anfechtungsklagen und damit auch der Revision richtet sich nach dem Asylgesetz (AsylG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch das am 10. November 2016 in Kraft getretene Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (StrÄndG 50) vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2460); die Änderungen durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögenabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) treten erst am 1. Juli 2017 in Kraft. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, zu berücksichtigen, wenn das Berufungsgericht - entschiede es anstelle des Revisionsgerichts - sie seinerseits zu berücksichtigen hätte. Da es sich vorliegend um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt, bei der das Berufungsgericht nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen hat, müsste es, wenn es jetzt entschiede, die aktuelle Rechtslage zugrunde legen. Dazu gehört auch die durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) mit Wirkung vom 6. August 2016 geschaffene Neufassung des § 29 AsylG.

13

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nach der Trennung des Verfahrens von dem Verfahren 1 C 22.16 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg allein insoweit, als es den Bescheid des Bundesamtes vom 23. Juni 2014 aufhebt, soweit dieser die Klägerinnen betrifft. Der Bescheid des Bundesamtes vom 29. Mai 2017 hat Ziffer 1 des Bescheids weder ausdrücklich noch konkludent aufgehoben, so dass sich der Rechtsstreit nicht auch insoweit erledigt hat. Der neue Bescheid ist auch nicht kraft Gesetzes oder durch die Erklärung der Beklagten im Schriftsatz vom 31. Mai 2017 zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden, diese Entscheidung und deren Begründung wurden "zum Gegenstand des Revisionsverfahrens" gemacht. Eine gesetzliche Erweiterung des Prüfungsgegenstandes des Revisionsverfahrens auf diesen zusätzlichen, selbstständig neben den Bescheid vom 23. Juni 2014 tretenden Bescheid scheidet mangels Rechtsgrundlage aus. Die Klägerinnen haben auch keine Erklärung abgegeben, dass sie (zusätzlich) diesen Bescheid in dem vorliegenden Verfahren angreifen wollen. Einer solchen Erklärung hätte überdies das Verbot der Klageänderung im Revisionsverfahren entgegengestanden (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

14

2. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO) die Anfechtungsklage gegen den Bescheid als (allein) statthaft angesehen und hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens die weitergehende Berufung der Klägerinnen zurückgewiesen; das Berufungsurteil ist in dem Aufhebungsausspruch daher nicht schon deswegen aufzuheben, weil die Klägerinnen die Abweisung der Verpflichtungsklage haben rechtskräftig werden lassen.

15

Die Feststellung in dem Bescheid vom 23. Juni 2014, dass sich die Klägerinnen aufgrund ihrer Einreise aus Polen, einem sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a Abs. 2 AsylG i.V.m. Anlage I zum AsylG nicht auf Art. 16a Abs. 1 GG berufen können und in solchen Fällen grundsätzlich auch weder über das Vorliegen der Voraussetzungen der Zuerkennungen des internationalen Schutzes noch über das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG zu entscheiden ist, stellt sich nach Inkrafttreten des Integrationsgesetzes der Sache nach als Entscheidung über die Unzulässigkeit eines Asylantrages nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG dar. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 1 C 4.16 - InfAuslR 2017, 162 = juris Rn. 17 ff.) sind jedenfalls seit der Zusammenfassung der verschiedenen Unzulässigkeitsgründe in § 29 Abs. 1 AsylG Bescheide, die einen Asylantrag ohne Prüfung der materiellrechtlichen Anerkennungsvoraussetzungen, also ohne weitere Sachprüfung, als unzulässig ablehnen, mit der Anfechtungsklage anzugreifen; insoweit kommt auch kein eingeschränkter, auf die Durchführung eines Asylverfahrens beschränkter Verpflichtungsantrag in Betracht. Das Gericht hat vor der Aufhebung einer rechtswidrigen Unzulässigkeitsentscheidung lediglich zu prüfen, ob diese auf der Grundlage eines anderen, auf gleicher Stufe stehenden Unzulässigkeitstatbestandes aufrechterhalten bleiben kann. Dies gilt auch für die Klage gegen eine auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 26a AsylG gestützte Unzulässigkeitsentscheidung wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

16

3. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Bescheid vom 23. März 2014 zu Ziffer 1 aufgehoben. Der Bescheid kann nicht auf § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gestützt werden, weil die Republik Polen bei unionsrechtskonformer Auslegung im Sinne des § 26a AsylG kein sicherer Drittstaat sein kann. (3.1). Dieser Bescheid kann auch nicht auf anderer Rechtsgrundlage aufrechterhalten bleiben (3.2).

17

3.1 § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheidet als Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides aus. Dabei bedarf die zwischen den Beteiligten im Berufungsverfahren umstrittene Frage keiner Entscheidung, ob - wie vom Berufungsgericht bejaht - § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG auch dann greift, wenn die internationale Zuständigkeit erst nach der Einreise und der Antragstellung auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist, oder - so die Beklagte - Fälle eines nachträglichen Zuständigkeitsübergangs nicht erfasst sind. Denn auf eine Einreise aus der Republik Polen, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, ist § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG (i.V.m. § 26a Abs. 1 Satz 1 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG) nicht anwendbar, weil "sicherer Drittstaat" in diesem Sinne bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung nur ein Staat sein kann, der nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union ist (BVerwG, Beschluss vom 23. März 2017 - 1 C 17.16 - juris Rn. 13 ff.). Hierzu hat der Senat in diesem Beschluss, der den Beteiligten bekannt ist und an dem der Senat festhält, ausgeführt:

"Zwar ist die Drittstaatenregelung des § 26a AsylG, an die § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG anknüpft, weiter gefasst. Sichere Drittstaaten sind gemäß § 26a Abs. 2 AsylG, der Art. 16a Abs. 2 GG entspricht, nämlich alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie die in Anlage I zum Asylgesetz bezeichneten Staaten, zu denen derzeit nur Norwegen und die Schweiz zählen. Dieser weite Anwendungsbereich der deutschen Drittstaatenregelung steht jedoch nicht im Einklang mit der Richtlinie 2013/32/EU. Er ist wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dahin einzuschränken, dass der Verweis auf einen sicheren Drittstaat jedenfalls bei der Versagung internationalen Schutzes nur hinsichtlich der Staaten der Anlage I möglich ist. In Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union darf hingegen von dem im nationalen Recht geregelten Konzept sicherer Drittstaaten kein Gebrauch gemacht werden. Diese Vorgabe des Unionsrechts ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der die Gründe, aus denen die Mitgliedstaaten einen Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig betrachten dürfen, abschließend aufzählt. Danach kommen als unionsrechtliche Grundlage für eine nationale Drittstaatenregelung Art. 33 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2013/32/EU in Betracht. Diese Vorschriften verweisen auf die in Art. 35 und 38 der Richtlinie geregelten Konzepte des ersten Asylstaats bzw. des sicheren Drittstaats, erklären diese jedoch jeweils nur in Bezug auf Staaten für anwendbar, die keine Mitgliedstaaten sind. Ob das Konzept des europäischen sicheren Drittstaats nach Art. 39 der Richtlinie ebenfalls zu einer Unzulässigkeitsentscheidung berechtigt, obwohl es in Art. 33 Abs. 2 der Richtlinie nicht genannt ist, kann der Senat offenlassen. Denn auch dieses Konzept zielt nicht auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, sondern auf europäische Staaten, die (noch) nicht deren Mitglied sind (vgl. Vedsted-Hansen, in: Hailbronner/Thym , EU Immigration and Asylum Law, Second Edition 2016, Part D IV Art. 39 Rn. 3). Kein anderes Ergebnis ergäbe sich, wenn im vorliegenden Fall noch auf die Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft abzustellen sein sollte. Die Anwendung der dort vorgesehenen Konzepte des sicheren Drittstaats und des ersten Asylstaats war ebenfalls auf Staaten beschränkt, die keine Mitgliedstaaten sind (vgl. Art. 25 Abs. 2 Buchst. b und c Richtlinie 2005/85/EG).

Von dieser Begrenzung auf Drittstaaten im Sinne des Unionsrechts ist wohl auch der deutsche Gesetzgeber bei Erlass des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG ausgegangen, wenngleich er dies nicht durch eine Änderung von § 26a Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebracht hat. Denn aus den Materialien zu § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG geht hervor, dass mit Drittstaaten im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 3 AsylG nur solche Staaten gemeint sind, die durch Aufnahme in Anlage I des Asylgesetzes als sicherer Drittstaat eingestuft worden sind (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 S. 7). Dies schließt die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aus, da diese keiner Eintragung bedürfen."

18

3.2 Die vom Bundesamt getroffene Drittstaatenentscheidung kann auch nicht in eine andere, nach § 29 Abs. 1 AsylG rechtmäßige Entscheidung umgedeutet werden.

19

a) Einer Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG steht entgegen, dass die Beklagte selbst anerkannt hat, dass die Regelungen der VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) auf den vorliegenden Fall anwendbar sind und hier zu einem Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland geführt haben. Der Senat hält diese Rechtsanwendung für zutreffend und sieht keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Insbesondere ergeben sich solche Zweifel nicht aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 5. April 2017 (C-36/17 [ECLI:EU:C:2017:273]). Den Klägerinnen des vorliegenden Verfahrens ist kein internationaler Schutz gewährt worden, ihre Anträge haben sie auch vor den in Art. 49 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) genannten Stichtagen und zudem vor dem Inkrafttreten sowohl dieser Verordnung als auch der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung, ABl. L 180 S. 60 - Richtlinie 2013/32/EU) gestellt.

20

b) In einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG kann der Bescheid nicht umgedeutet werden, weil schon dessen Voraussetzung nicht erfüllt ist, dass den Klägerinnen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt worden ist.

21

c) Dass ein sonstiger Drittstaat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, zur Wiederaufnahme der Klägerinnen bereit ist und daher eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 AsylG in Betracht käme, ist nicht erkennbar und wird von den Beteiligten auch nicht vorgetragen.

22

d) In eine Entscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG kann der Bescheid schon deswegen nicht umgedeutet werden, weil es sich bei einer auf § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG i.V.m. §§ 71, 71a AsylG gestützten (Unzulässigkeits-)Entscheidung prozessual um einen anderen Streitgegenstand mit für die Klägerinnen ungünstigeren Rechtsfolgen handelte; denn sie hätte zur Folge, dass der (Folge/Zweit)-Antrag der Klägerinnen auch von keinem anderen Staat geprüft würde und die Klägerinnen grundsätzlich in jeden zu ihrer Aufnahme bereiten Staat einschließlich ihres Herkunftslands abgeschoben werden könnten (BVerwG, Urteile vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 26 ff. und vom 9. August 2016 - 1 C 6.16 - BVerwGE 156, 9 Rn. 21). Dies anerkennt letztlich auch der (neuerliche) Bescheid der Beklagten vom 29. Mai 2017, in dem überdies in erheblichem Umfange entscheidungserhebliche Tatsachen herangezogen werden, zu denen keine tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts getroffen worden sind. Eine Umdeutung ist zwar auch noch im Revisionsverfahren möglich, setzt aber u.a. voraus, dass die das Revisionsgericht bindenden tatrichterlichen Feststellungen ausreichen (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 78 Rn. 30).

23

4. Die Kostenentscheidung folgt, soweit das Verfahren eingestellt worden ist, aus § 161 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt, dass die Beklagte insoweit den angegriffenen Bescheid aufgehoben hat. Im Übrigen folgt die Kostenentscheidung mit Blick auf die erfolgte Abtrennung, die hier auch bei der Kostenentscheidung für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und vor dem Oberverwaltungsgericht zu berücksichtigen ist, für das Revisionsverfahren aus § 154 Abs. 2 VwGO und in Bezug auf die Vorinstanzen aus § 155 Abs. 1 VwGO.

24

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Asylantrag ist unzulässig, wenn

1.
ein anderer Staat
a)
nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 oder
b)
auf Grund von anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages
für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist,
2.
ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 gewährt hat,
3.
ein Staat, der bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als für den Ausländer sicherer Drittstaat gemäß § 26a betrachtet wird,
4.
ein Staat, der kein Mitgliedstaat der Europäischen Union und bereit ist, den Ausländer wieder aufzunehmen, als sonstiger Drittstaat gemäß § 27 betrachtet wird oder
5.
im Falle eines Folgeantrags nach § 71 oder eines Zweitantrags nach § 71a ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist.

(2) Das Bundesamt hört den Ausländer zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis Nummer 4 persönlich an, bevor es über die Zulässigkeit eines Asylantrags entscheidet. Zu den Gründen nach Absatz 1 Nummer 5 gibt es dem Ausländer Gelegenheit zur Stellungnahme nach § 71 Absatz 3.

(3) Erscheint der Ausländer nicht zur Anhörung über die Zulässigkeit, entscheidet das Bundesamt nach Aktenlage. Dies gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das in Satz 1 genannte Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Führt der Ausländer diesen Nachweis, ist das Verfahren fortzuführen.

(4) Die Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags kann gemäß § 24 Absatz 1a dafür geschulten Bediensteten anderer Behörden übertragen werden.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen; die Prüfung obliegt dem Bundesamt.

(2) Für das Verfahren zur Feststellung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, gelten die §§ 12 bis 25, 33, 44 bis 54 entsprechend. Von der Anhörung kann abgesehen werden, soweit sie für die Feststellung, dass kein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, nicht erforderlich ist. § 71 Abs. 8 gilt entsprechend.

(3) Der Aufenthalt des Ausländers gilt als geduldet. Die §§ 56 bis 67 gelten entsprechend.

(4) Wird ein weiteres Asylverfahren nicht durchgeführt, sind die §§ 34 bis 36, 42 und 43 entsprechend anzuwenden.

(5) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Zweitantrags einen weiteren Asylantrag, gilt § 71.

(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn

1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war,
2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder
3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.

(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

Gründe

I

1

Die Kläger, afghanische Staatsangehörige, reisten im Juni 2014 auf dem Landweg nach Deutschland ein und beantragten ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Aufgrund von Eurodac-Treffern stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) fest, dass die Kläger zuvor bereits in Griechenland und Ungarn Asyl beantragt hatten, und richtete ein Übernahmeersuchen an Ungarn. Die ungarischen Behörden erklärten sich mit der Wiederaufnahme der Kläger einverstanden. Mit Bescheid vom 11. September 2014 lehnte das Bundesamt die Asylanträge als unzulässig ab (Ziffer 1) und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Ungarn an (Ziffer 2).

2

Hiergegen erhoben die Kläger Klage und beantragten vorläufigen Rechtsschutz. Zur Begründung machten sie geltend, dass das in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO eingeräumte Ermessen dahingehend auf Null reduziert sei, dass die Beklagte ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben und den Asylantrag in der Sache zu prüfen habe. Sie legten fachärztliche psychiatrische Gutachten vor, wonach bei der Klägerin zu 2 eine depressive Störung mit Suizidalität und eine posttraumatische Belastungsstörung bestehe.

3

Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 3. Dezember 2015 zurück. Hiergegen richtete sich die Revision der Beklagten.

4

Nach einem gerichtlichen Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beklagte den Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO erklärt und den angegriffenen Bescheid auch zu Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides aufgehoben.

5

Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

II

6

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO sind die Entscheidungen der Vorinstanzen wirkungslos.

7

Über die Kosten des Verfahrens in allen Instanzen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Urteil vom 6. April 1989 - 1 C 70.86 - BVerwGE 81, 356 <362 f.>).

8

Danach sind hier der Beklagten die Kosten aufzuerlegen.

9

Der Rechtmäßigkeit des auf § 27a AsylG a.F. (jetzt: § 29 Abs. 1 Nr. 1a AsylG) gestützten Bescheids der Beklagten steht allerdings nicht bereits die fehlende Feststellung dazu, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, entgegen. Nach dem durch das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) geänderten § 31 Abs. 3 AsylG ist das Bundesamt nunmehr auch bei allen unzulässigen Asylanträgen zu einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG verpflichtet. Hierbei ist davon auszugehen, dass sich die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote in den Fällen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 AsylG nicht auf den Herkunftsstaat des Asylbewerbers, sondern auf den Zielstaat (Zielland der Überstellung) bezieht. Denn eine Feststellung von Abschiebungsverboten in Bezug auf das Herkunftsland ergäbe im Fall der beabsichtigten Überstellung in einen EU-Mitgliedstaat keinen Sinn. Die Entscheidung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG über nationale Abschiebungsverbote kann in diesen Fällen nicht das Herkunftsland, sondern nur den sonstigen Drittstaat betreffen, in den die Rückführung allein in Betracht kommt (vgl. in diesem Sinne auch: VGH München, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 20 B 15.30049 - juris Rn. 41; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Februar 2017, § 31 AsylG Rn. 44a; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 31 Rn. 13).

10

Allein die fehlende Feststellung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG zu den nationalen Abschiebungsverboten führt nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unterliegt ein Verwaltungsakt der gerichtlichen Aufhebung, soweit er rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO ist das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, d.h. zu überprüfen, ob und inwieweit der angefochtene Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt und deshalb aufzuheben ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 113 Rn. 20). Hierin kommt die Verpflichtung der Gerichte zum Ausdruck, zu prüfen, ob ein angefochtener Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht im Einklang steht und den Kläger in seinen (subjektiven) Rechten verletzt. Bei dieser Prüfung haben die Verwaltungsgerichte alle einschlägigen Rechtsnormen und - nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO - alle rechtserheblichen Tatsachen zu berücksichtigen, gleichgültig, ob die Normen und Tatsachen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsaktes angeführt worden sind oder nicht (BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 - 1 C 4.15 - BVerwGE 153, 234 Rn. 28). Ausgehend davon führt es nicht bereits zur Rechtswidrigkeit des Bescheids, wenn ein (ausdrücklicher) Ausspruch zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG fehlt oder eine Prüfung der nationalen Abschiebungsverbote nicht erfolgt ist. Vielmehr hat das Tatsachengericht diese Prüfung - gegebenenfalls auch erstmals - selbst vorzunehmen.

11

Ob der Bescheid aus anderen Gründen rechtswidrig war, ist für die nach Erledigung der Hauptsache nur noch zu treffende Kostenentscheidung hier nicht mehr von Bedeutung. Es entsprach schon deshalb billigem Ermessen, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie den angefochtenen Bescheid aufgehoben und damit die Kläger klaglos gestellt hat.

12

Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin, äthiopische Staatsangehörige, reiste am 27.10.2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21.12.2015 einen Asylantrag.

Die EURODAC-Abfrage am 21.12.2015 ergab u. a. einen Treffer der „Kategorie 1“ (NO 196201000352304), wonach die Klägerin bereits in Norwegen einen Asylantrag gestellt hat.

Aufgrund des Übernahmeersuchens des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) nach der Dublin-VO vom 14.01.2016 teilte das Norwegian Directorate of Immigration mit Schreiben vom 22.01.2016 mit, dass die Klägerin am 07.01.2010 in Norwegen internationalen Schutz beantragt habe, welcher am 27.05.2011 abgelehnt worden sei. Gegen die Entscheidung habe die Klägerin Rechtsmittel eingelegt und mehrere einstweilige Verfügungen beantragt, die alle abgelehnt worden seien. Die abschließende negative Entscheidung über den Asylantrag in Norwegen sei am 23.01.2015 getroffen worden. Die norwegischen Behörden hätten festgestellt, dass die Klägerin die behauptete Angst vor Verfolgung nicht hinreichend habe begründen können. Am 13.10.2015 sei die Klägerin in Norwegen als flüchtig registriert worden.

Mit Schreiben vom 30.09.2016 führte die Klägerin zur Begründung ihres Asylantrages in Deutschland im Wesentlichen aus, als Oromo müsse sie in Äthiopien mit Unterdrückung rechnen. Sie habe deswegen bereits im Jahr 2010 in Norwegen einen Asylantrag gestellt, der ein Jahr später abgelehnt worden sei. Dagegen habe sie Einspruch eingelegt. Im Jahr 2012 habe sie eine zweite Ablehnung bekommen. Aus Angst vor einer Abschiebung sei sie im Jahr 2012 nach Schweden geflohen. Von dort aus sei sie jedoch nach Norwegen abgeschoben worden. Nach der Rückkehr nach Norwegen habe sie dort die erneute Überprüfung ihres Anliegens beantragt. Im Jahr 2015 habe sie durch ihren Rechtsanwalt die Wiederaufnahme ihres Verfahrens beantragt. Norwegen habe jedoch kein Interesse gehabt, die Entscheidung zu ändern. Unter diesen Umständen habe sie nicht dort bleiben können. Als sie erfahren habe, dass Deutschland für das Oromo-Problem Verständnis habe, sei sie nach Deutschland gekommen. In Norwegen habe sie an Demonstrationen teilgenommen und versucht, auf das Schicksal des Oromo-Volkes aufmerksam zu machen. Es habe ihnen dort aber Niemand zugehört. Die Teilnahme an Demonstrationen betrachte die äthiopische Regierung als großes Verbrechen. Sie glaube, sie werde verurteilt, sobald sie in die Hände der Regierung falle.

Mit Bescheid vom 10.05.2017 lehnte die Beklagte den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollte die Ausreisefrist nicht eingehalten werden, werde sie nach Äthiopien oder in einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme verpflichteten Staat abgeschoben (Ziffer 3). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 4).

Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der in Deutschland gestellte Zweitantrag sei unzulässig, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein weiteres Asylverfahren sei gem. § 71a Abs. 1 AsylG nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt seien, was vorliegend nicht ersichtlich sei. Seit den abgelehnten Asylanträgen in Norwegen habe sich keine Änderung der Sach- und Rechtslage ergeben. Es seien auch keine neuen Beweismittel vorgelegt worden.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG seien nicht gegeben. Die Klägerin habe lediglich allgemeine Vorfälle in Äthiopien geschildert, jedoch keine persönliche Verfolgung. Soweit die Klägerin vorgetragen habe, dass sie in Norwegen an Demonstrationen teilgenommen habe, führe dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin könne allein deswegen nicht als ernst zu nehmende Oppositionelle eingestuft werden. Es drohe ihr auch keine unmenschliche Bestrafung, weil sie sich Jahre lang im Ausland aufgehalten und einen Antrag auf Flüchtlingsschutz gestellt habe. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gewertet werden und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen Bedingungen in Äthiopien würden jedoch nicht zu der Annahme führen, dass bei der Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK gegeben sei. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Klägerin sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich.

Anhaltspunkte für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 22.05.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage. Nachdem die Klägerin schriftsätzlich auch (hilfsweise) beantragte, die Beklagte zu verpflichten die Flüchtlingseigenschaft bzw. den subsidiären Schutzstaus zuzuerkennen, beantragt der Klägerbevollmächtige in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2017 nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 10.05.2017 aufzuheben.

Hilfsweise: Die Beklagte wird - unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 10.05.2017 - verpflichtet, festzustellen, dass bei der Klägerin nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, eine unionsrechtliche Vorschrift, die auch in der Situation des § 71a AsylG eine vorgeschaltete Zulässigkeitsprüfung nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erlaube, existiere nicht. Es lägen zudem neue Beweismittel vor, die exponierte exilpolitische Aktivitäten der Klägerin belegten.

Mit Schriftsatz vom 31.05.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss vom 08.06.2017 lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Az.: B 2 S 17.31916 den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2018 führte der Klägerbevollmächtigte ergänzend aus, die Beklagte habe nicht geprüft, aus welchen Gründen der Antrag in Norwegen abgelehnt worden sei. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, ob das nunmehrige Vorbringen der Klägerin zu ihren Fluchtgründen durch die norwegischen Behörden überhaupt gewürdigt bzw. verbeschieden worden sei. Die Beklagte müsse aber zu der gesicherten Erkenntnis gelangen, dass das Asylverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen worden sei, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen. Eine solche Prüfung beinhalte u. a., dass das Bundesamt Kenntnis von der Entscheidung und den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags in einem anderen Mitgliedsstaat habe.

Mit Beschluss der Kammer vom 23.01.2018 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Nachdem das Gericht mit Gerichtsbescheid vom 25.01.2018 die Klage abgewiesen hat, beantragte der Klägerbevollmächtige mit Schriftsatz vom 09.02.2018 die Durchführung der mündlichen Verhandlung.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 06.03.2018 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Behörden- und Gerichtsakte im Eilverfahren (B 2 S 17.31916) und auf die Akten des streitgegenständlichen Verfahrens verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 06.03.2018 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Der Entscheidung ist der vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung gestellte Klageantrag zugrunde zu legen. Soweit der frühere (Hilfs-) Antrag, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft bzw. den subsidiären Schutzstaus zuzuerkennen, nicht mehr aufrechterhalten wird, handelt es sich um eine ohne weiteres zulässige Klageänderung (Beschränkung des Klageantrags) nach § 173 S.1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 92 RdNr. 5; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 91 RdNrn. 13 u. 37).

III.

Die Klage bleibt ohne Erfolg.

1. Die als Hauptantrag in zulässigerweise erhobene Anfechtungsklage (BVerwG, U.v. 14.12.2016 - 1 C 4/16 - juris; BVerwG, U.v. 1.6.2017 – 1 C 9/17 – juris) ist unbegründet.

a) Die Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Nach § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ist ein Asylantrag unter anderem dann unzulässig, wenn im Falle eines Zweitantrags nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen ist. Ein Zweitantrag liegt nach § 71a Abs. 1 AsylG vor, wenn der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag stellt. Er hat zur Folge, dass ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen ist, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegen.

aa) Die Beklagte hat den am 21.12.2015 in Deutschland gestellten Asylantrag der Klägerin zu Recht als Zweitantrag gem. § 71a AsylG gewertet. Die Klägerin hat in Norwegen und damit in einem sicheren Drittstaat gem. § 26a Abs. 2 AsylG i. V. m. Anlage I zum AsylG erfolglos ein Asylverfahren abgeschlossen. Ein erfolgloser Abschluss des in einem sicheren Drittstaat betriebenen Asylverfahrens liegt vor, wenn der Asylantrag entweder unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nach Rücknahme des Asylantrags bzw. dieser gleichgestellten Verhaltensweisen endgültig eingestellt worden ist (BVerwG, U. v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris; VG Augsburg, B. v. 26.09.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris). Hierbei muss der vorangegangene negative Ausgang eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat durch rechtskräftige Sachentscheidung festgestellt werden und feststehen. Bloße Mutmaßungen genügen nicht. Dies bedeutet, dass die Beklagte zu der gesicherten Erkenntnis gelangen muss, dass das Asylverfahren mit einer für den Asylbewerber negativen Sachentscheidung abgeschlossen wurde, um sich in der Folge auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen beschränken zu dürfen (VG München, B. v. 26.09.2017 – M 21 S 17.47365 – juris).

So liegen die Dinge hier. Nach Mitteilung der norwegischen Immigrationsbehörde vom 22.01.2016 hat die Klägerin dort am 07.01.2010 einen Asylantrag gestellt, der am 27.05.2011 negativ verbeschieden wurde. Das Rechtsmittelverfahren sowie mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sind erfolglos abgeschlossen worden. Am 23.01.2015 wurde eine abschließende negative Sachentscheidung getroffen. Insbesondere teilten die norwegischen Behörden mit, dass der Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes in Norwegen deswegen erfolglos geblieben ist, weil die Klägerin eine Verfolgungsfurcht nicht hinreichend begründen konnte. Damit steht unzweifelhaft fest, dass in Norwegen eine rechtskräftige Sachentscheidung über das Asylbegehren der Klägerin erfolgt ist. Diese Erkenntnis ergibt sich im Übrigen auch aus den Ausführungen der Klägerin zur Begründung ihres Zweitantrages in Deutschland (vgl. VG Ansbach, U.v. 14.02.2018 – AN 3 K 16.31917 – juris; VG Osnabrück, U.v. 28.2.2018 – 5 A 79/17 – juris). Daher durfte sich die Beklagte auf die Prüfung von Wiederaufnahmegründen gem. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG beschränken.

bb) Der streitgegenständliche Bescheid geht zu Recht davon aus, dass Anhaltspunkte für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis Abs. 3 VwVfG nicht darlegt wurden. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG setzt voraus, dass sich die der früheren Entscheidung zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Asylbewerbers geändert hat (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG), neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG) oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG). Der Zweitantrag ist dabei nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außer Stande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen (§ 51 Abs. 2 VwVfG). Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat (§ 51 Abs. 3 VwVfG).

Zu Unrecht moniert die Klägerin, die Beklagte habe keine ausreichenden Ermittlungen zum inhaltlichen Vorbringen des Asylgesuchs in Norwegen angestellt, insbesondere keine Kenntnis von den Entscheidungsgründen der Ablehnung des Antrags bzw. der Anträge in Norwegen gehabt. Zwar kann das Bundesamt das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen grundsätzlich nur beurteilen, wenn es Kenntnis der Entscheidung und der Entscheidungsgründe der Ablehnung des Antrags im Drittstaat hat (vgl. nur VG Augsburg, B.v. 13.4.2017 - Au 7 S 17.30833 - juris; VG München, B.v. 23.03.2017 - M 21 S 16.35816 – juris). Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es für die Prüfung von Wiederaufnahmegründen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine Vorlage der vollständigen Entscheidungsgründe jedenfalls dann nicht, wenn die Klägerin – wie hier – weder eine Änderung der Sach- und Rechtslage noch neue Beweismittel zur Untermauerung ihrer Verfolgungsgeschichte hinreichend vorträgt (VG München, B.v. 26.09.2017 – M 21 S 17.47365 – juris; VG Augsburg, B.v. 26.9.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris).

(1) Die Klägerin begründete ihren Zweitantrag im Wesentlichen mit der Unterdrückung der Oromo in Äthiopien, was bereits – selbst nach eigenen Angaben der Klägerin – Gegenstand der norwegischen Asylverfahren gewesen ist. Die von der Klägerin vorgetragene Verschlimmerung der Situation der Oromo in Äthiopien „seit diesem Jahr“ (wohl gemeint 2016) führt ebenfalls nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens. Im diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf Demonstrationen der Oromo in ganz Äthiopien, u.a. in ihrer Herkunftsregion. Dieser Vortrag hat keine Änderung der Sach- und Rechtslage in Hinblick auf die Fluchtgründe der Klägerin zur Folge. Zum einen sind die Demonstrationen der Oromo-Volkszugehörigen nichts Neues, zum andern ist nicht ersichtlich, wie die Klägerin durch die Demonstrationen 2016 konkret und individuell in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise betroffen sein könnte. Die Klägerin war zu dieser Zeit überhaupt nicht in Äthiopien, sondern in Norwegen bzw. Deutschland. Trotz der Verhängung des Ausnahmezustandes am 09.10.2016 und des neuerlichen Ausnahmezustandes im Februar 2018 liegen weiterhin keinerlei Erkenntnisse dafür vor, dass die Oromo keiner sog. „Gruppenverfolgung“ unterliegen, d.h. es erfolgt keine generelle Verfolgung in flüchtlingsrechtlich relevanter Weise allein wegen der Zugehörigkeit zum Volk der Oromo (vgl. ausführlich: VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 - RO 2 K 16.32411 – juris).

(2) Auch die von der Klägerin geschilderte Teilnahme an Demonstrationen in Norwegen für die Rechte der Oromo, mithin also die exilpolitische Tätigkeit der Klägerin, reicht für die Wiederaufnahme des Verfahrens in Deutschland nicht aus. Die Klägerin berichtet von „unterschiedlichen Demonstrationen während ihres Aufenthaltes in Norwegen“. In der mündlichen Verhandlung erklärte sie, sie habe in Norwegen ab dem Jahr 2011 „ca. fünfmal an entsprechenden Demonstrationen“ teilgenommen. Da sich die Klägerin mehrere Jahre in Norwegen aufgehalten hat und mehrere Asylverfahren - bis unmittelbar vor ihrer Ausreise nach Deutschland - durchlaufen hat, hätte sie die exilpolitische Tätigkeit ohne weiteres in den dortigen Verfahren geltend machen können (vgl. auch § 51 Abs. 2 VwVfG sowie VG Osnabrück, U.v. 28.2.2018 – 5 A 79/17 – juris).

Im Übrigen hatte die Klägerin – nach eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung – weder in Norwegen noch in Deutschland eine exponierte Stellung unter den Oppositionellen. Sie war bzw. ist nur einfaches Mitglied der TBOJ. Auch nach Verhängung des Ausnahmezustandes Ende 2016 bzw. infolge des neuerlichen „Ausnahmezustandes“ im Februar 2018 liegen weiterhin keine Erkenntnisse vor, dass es bei bloßer „einfacher“ Betätigung für eine oppositionelle Organisation im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung durch die äthiopischen Sicherheitskräfte kommt. Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher nicht an, dass äthiopische Asylbewerber, sofern sie sich zu einer Exilorganisation (hier: TBOJ), die einer vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Vereinigung nahesteht, bekennen und sie für diese Exilorganisation nur ein Mindestmaß an Aktivität vorweisen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien bereits mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 6.3.2018 – B 7 K 17.32889 – juris; vgl. auch VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A - juris; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.Gl.A – juris, a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180 - juris). Vielmehr geht das Gericht (weiterhin) davon aus, dass bei einer Rückkehr nach Äthiopien nur solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland derart exponiert politisch betätigt haben, dass die äthiopischen Behörden sie als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen (VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 - AN 3 K 16.31836 – juris; VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017, B 2 K 16.31139 – juris; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 B 15.30119 – juris; BayVGH, U.v. 25.2.2008 – 21 B 07.30363 und 21 B 05.31082 - juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Eine solche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Falle einer nicht exponierten Stellung kann – wie bereits ausgeführt – auch der aktuellen Auskunftslage nicht entnommen werden.

(3) Auch aufgrund der jüngeren Rechtsprechung des VG Würzburg, welches in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung nunmehr davon ausgeht, dass äthiopische Staatsangehörige, die Mitglied einer von der äthiopischen Regierung als terroristische Vereinigung eingestuften Organisation oder einer solchen Organisation nahe stehenden Exilorganisation sind - und die ein (bloßes) Mindestmaß an exilpolitischer Tätigkeit aufweisen - bei einer Rückkehr nach Äthiopien auch dann einer ernstzunehmenden Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind, wenn sie sich nicht als tatsächlich ernstzunehmende Regime-Gegner erweisen, sondern lediglich als bloße Mitläufer (vgl. z.B. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 - W 3 K 17.31180 – juris), steht der Klägerin kein Anspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu. Selbst wenn man dieser Entscheidung inhaltlich folgen würde, führt eine abweichende Rechtsprechung bzw. die Änderung der Rechtsprechung eines erst- oder zweitinstanzlichen Gerichtes nicht zu einer Änderung der Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG (vgl. nur BVerwG, B. v. 16.2.1993 – 9 B 241/92 – juris; BVerwG, B. v. 14.2.1994 – 3 B 83/93 – juris; VG Bayreuth, B.v. 21.11.2017 – B 3 E 17.33402 – juris).

(4) Neue Beweismittel, die für die Klägerin eine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden, sind im Zweitantragsverfahren ebenfalls nicht vorgelegt worden. Zwar wurden vom Klägerbevollmächtigten schriftsätzlich neue Beweismittel zur exilpolitischen Tätigkeit der Klägerin angekündigt. Diese wurden jedoch – selbst in der mündlichen Verhandlung – nicht vorgelegt. Die Klägerin erklärte in der mündlichen Verhandlung lediglich, sie sei seit langem einfaches Mitglied der TBOJ. Eine Mitgliedsbescheinigung habe sie

– trotz Bemühungen – von der Organisation nicht erhalten. Neben der Tatsache, dass die (angebliche) Mitgliedschaft in der TBOJ erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnt wurde, erscheint es dem Gericht schon unglaubwürdig, dass sich die Klägerin um eine entsprechende Bescheinigung bemüht, diese aber nicht erhalten hat. Die großzügige Bescheinigungspraxis der TBOJ/UOSG ist gerichtsbekannt. Nahezu jeder äthiopische Kläger legt mittlerweile im Asylverfahren eine derartige Bestätigung über exilpolitische Tätigkeit in Deutschland vor. Dass die Klägerin eine solche Bescheinigung nicht bekommen haben will

– sofern sie tatsächlich Mitglied der Organisation ist – ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Selbst wenn die Klägerin eine derartige Bestätigung rechtzeitig vorgelegt hätte, würde dies nicht zum Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG führen. Die Klägerin erklärte selbst gegenüber dem Gericht, dass sie nur einfaches Mitglied in der Organisation war bzw. sei, was nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führt.

Im Übrigen macht das Gericht von seinem Ermessen Gebrauch und weist das Vorbringen hinsichtlich der Mitgliedschaft in der TBOJ gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i. V. m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück.

Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hat die Klägerin die zur Begründung ihrer Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Entscheidung anzugeben. Nach § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der obigen Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde, der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und der Beteiligte über die Folgen der Fristversäumung belehrt worden ist. Die Klägerin wurde sowohl von der Beklagten im Bescheid vom 10.05.2017 als auch vom Gericht in der Klageeingangsmitteilung darauf hingewiesen, dass die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids anzugeben sind. Die Mitgliedschaft in der TBOJ wurde aber erstmals in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2018 vorgetragen, obwohl die Klägerin nach eigenen Angaben dort „schon sehr lange“ Mitglied ist.

Es wäre der anwaltlich vertretenen Kläger daher ohne weiteres zuzumuten gewesen, fristgerecht die Mitgliedschaft der Klägerin vorzubringen. Entschuldigungsgründe sind weder dargetan noch anderweitig ersichtlich. Letztlich würde die Berücksichtigung des verspäteten Vortrags nach Überzeugung des Gerichts – wenn man ein Mindestmaß an exilpolitischer Betätigung vor die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ausreichen lassen würde – zur Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits führen, da auch in diesem Fall das Gericht weitere Ermittlungen zum Umfang der Tätigkeit der Klägerin anstellen müsste.

(5) Die Klägerin hat im Ergebnis somit nicht substantiiert vorgetragen bzw. belegt, was sich gegenüber ihren in Norwegen vorgebrachten Asylgründen in relevanter Weise geändert haben sollte (vgl. hierzu VG Augsburg, B. v. 26.9.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris). Es ist gem. § 71a Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 AsylG Sache des Asylbewerbers, die erforderlichen Angaben im Rahmen des Zweitantrages zu machen. Der Asylbewerber kann sich insbesondere nicht darauf berufen, das Bundesamt hätte von sich aus einen umfassenden und detaillierten Abgleich zwischen dem Vorbringen in Norwegen und dem Vorbringen vor dem Bundesamt vornehmen müssen (VG Augsburg, B. v. 26.9.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris; VG Ansbach, U.v. 14.02.2018 – AN 3 K 16.31917 – juris).

cc) Der Anwendbarkeit von § 51 VwVfG im Zweitantragsverfahren nach § 71a AsylG steht auch Unionsrecht nicht entgegen. Das Gericht folgt in Übereinstimmung mit der – soweit ersichtlich – einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht der von der Klägerin angeführten Literaturmeinung (Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 71a Rn. 4), wonach Unionsrecht eine Prüfung von Wiederaufgreifensgründen gem. § 51 VwVfG bei einem „Folgeantrag“ nur dann gestatte, wenn der Erstantrag im gleichen Mitgliedstaat gestellt wurde. Vielmehr verstoßen §§ 29 Abs. 1 Nr. 5 Alt. 2, 71a Abs. 1 AsylG nicht gegen Unionsrecht (vgl. VG Osnabrück, U.v. 28.2.2018 – 5 A 79/17 – juris; VG Minden, B.v. 31.7.2017 – 10 L 109/17.A – juris; VG Köln, B.v. 5.7.2017 – 18 L 2711/17.A – juris; VG Hamburg, B.v. 14.7.2016 – 1 AE 2790/16 – juris; VG Aachen, U.v. 8.3.2016 – 3 K 2147/15.A – juris; VG Trier, B.v. 10.2.2016 – 5 K 3875/15.TR – juris; VG Berlin, B.v. 17.7.2015 – 33 L 164.15 A – juris; VG Augsburg, B.v. 26.9.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris). Insbesondere enthält der Wortlaut des Art. 33 Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2013/32/EU vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Erstwie Folgeantrag in dem gleichen Mitgliedstaat gestellt sein müssen, damit der Folgeantrag als unzulässig abgelehnt werden kann. Auch die Definition des Folgeantrags in Art. 2 Buchst. q dieser Richtlinie enthält keinen Hinweis darauf, dass der erste Antrag auf internationalen Schutz im gleichen Mitgliedstaat gestellt worden sein muss. Die von der Klägerin genannte Norm des Art. 40 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU enthält nicht die Definition des Begriffs „Folgeantrag“, sondern trifft eine Sonderregelung für eine Untergruppe von Folgeanträgen, nämlich solchen, die in demselben Mitgliedstaat gestellt werden. Auch weiteres Unionsrecht sowie Sinn und Zweck der Art. 2 Buchst. q, 33 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2013/32/EU sprechen dafür, die Regelungen in § 71a AsylG als unionsrechtskonform zu werten. Würde man die unionsrechtlichen Regelungen zu Folgeanträgen so verstehen, dass sie nur dann greifen sollen, wenn auch der Erstantrag im gleichen Mitgliedstaat gestellt wurde, würde man ihnen eine auf den jeweiligen Mitgliedstaat beschränkte Bedeutung zumessen. Dies würde insbesondere dem Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EUV widersprechen, wonach Voraussetzung für ein Tätigwerden der Europäischen Union in den Bereichen, die – wie hier – nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen (vgl. Art. 2 Buchst. j AEUV), insbesondere ist, dass die Ziele der beabsichtigten Maßnahme auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Dies wäre jedoch nicht der Fall, würde man den genannten Normen der Richtlinie 2013/32/EU ausschließlich mitgliedstaateninterne Vorgaben entnehmen; mit anderen Worten: Einer Harmonisierung durch die Richtlinie 2013/32/EU hätte es nicht bedurft, hätte der Unionsgesetzgeber für die Zulässigkeit von Folgeanträgen ausschließlich mitgliedstaatsinterne Vorgänge regeln wollen. Auch ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 604/2013 EU (Dublin III-VO) – welche wie die Richtlinie 2013/32/EU zu den Normen des gemeinsamen europäischen Asylsystems zählt (vgl. Art. 78 Abs. 2 Buchst. d und e AEUV) –, dass jeder Antrag auf internationalen Schutz nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft werden soll. Nötigenfalls zuständig ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde (Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO). Dem widerspräche es, würde ein anderer Mitgliedstaat einen weiteren, bei ihm gestellten Antrag auf internationalen Schutz ohne nähere Anforderungen in der Sache, insbesondere ohne Rücksicht auf die von einem anderen Mitgliedstaat bereits vorgenommene Prüfung eines früheren Asylvorbringens prüfen müssen. Dem trägt § 71a AsylG Rechnung, wonach vor Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zunächst zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen gem. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen (vgl. zum Ganzen auch: VG Augsburg, B.v. 26.9.2017 – Au 4 S 17.34595 – juris).

2. Der zulässige Hilfsantrag (vgl. BVerwG, B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 – juris; Berlit, Anmerkung zum B.v. 3.4.2017 – 1 C 9/16 vom 10.7.2017, jurisPR-BVerwG, 114/2017, Anm. 1 – juris) bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 bzw. 7 Satz 1 AufenthG zu.

a) Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid umfassend dargelegt, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Äthiopien keine Gefahr läuft, einer des Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere sowohl im Hinblick auf den Auslandsaufenthalt bzw. den Aktivitäten im Ausland als auch unter Berücksichtigung der derzeitigen humanitären Bedingungen in Äthiopien. Das Gericht verweist insoweit auf die vollumfassend zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Einzelfalls vermag das Gericht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung zu erkennen. Bei der Klägerin handelt es sich um eine 36-jährige Frau, die keinerlei Unterhaltsverpflichtungen hat. Es ist ihr auch vor der Ausreise gelungen, ihr Existenzminimum in Äthiopien zu sichern. Aufgrund der schriftlichen Begründung des Zweitantrags und dem Auftreten in der mündlichen Verhandlung geht das Gericht zudem davon aus, dass es sich bei der Klägerin um eine überdurchschnittlich gebildete Frau handelt, die weiterhin fundierten Kontakt in ihre Herkunftsregion hat. Sie hat sich zudem über mehrere Jahre in Norwegen und Schweden - trotz Ablehnung ihrer Anträge - „durchgeschlagen“, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen und dabei ihre Rechte wiederholt und nachdrücklich geltend gemacht. Trotz der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (vgl. hierzu ausführlich unter b.) ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass sie bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht zumindest ihr Existenzminimum sichern könnte. Zu keinem anderen Ergebnis führt das in der Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung vorgetragene „Fehlen von belastbaren familiären Verbindungen in Äthiopien“. Insoweit handelt es sich lediglich um eine pauschale und unglaubwürdige Behauptung der Klägerin (vgl. VG Ansbach, U.v. 24.2.2016 – AN 3 K 14.30816 – juris). Die Klägerin erklärte dem Gericht in der mündlichen Verhandlung, es lebe nur noch ihre Mutter in Äthiopien. Ihr Vater und sämtliche Verwandte seien bereits verstorben. Sie habe auch dort keine Onkel, Tanten, Nichten und Neffen. Diese Aussage hält das Gericht schlicht für eine Lüge. Gerade in afrikanischen Herkunftsländern verfügen Personen regelmäßig über eine Vielzahl von Geschwistern. Dass sämtliche familiäre Beziehungen durch den Tod nahezu aller Verwandten erloschen sein sollen, liegt außerhalb jeglicher Lebenserfahrung. Diese Einschätzung deckt sich auch mit dem weiteren Auftreten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, in der wiederholt angeklungen ist, dass sie eine Rückkehr nach Äthiopien mit allen Mitteln vermeiden wolle. Trotz des angeschlagenen Gesundheitszustands ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin zumindest im Rahmen des Familienverbundes ihr Existenzminimum sichern kann. Dem Gericht ist aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt, dass gerade in afrikanischen Ländern der Zusammenhalt und das gegenseitige Einstehen innerhalb der Familie sehr groß sind.

Im Übrigen ist nach der neueren Auskunftslage ist selbst im Falle einer alleinstehenden Frau mit minderjährigem Kind keineswegs davon auszugehen, dass diese nicht in der Lage wären, den Lebensunterhalt für sich und ihr minderjähriges Kind zu sichern. In Äthiopien ist es möglich, auch als alleinstehende Mutter einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Erwerbsmöglichkeiten bestehen grundsätzlich auch für Personen ohne abgeschlossene Schulbildung. Kinder werden häufig – bei Alleinerziehenden wie bei erwerbstätigen Personen – nach der Schule von privatem Betreuungspersonal betreut, auch in den unteren Gehaltsschichten (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stuttgart vom 13.07.2017 – Gz. 508-516.80/49153; VG Bayreuth, U.v. 5.2.2018 - B 7 K 16.30973 -).

Es ist daher nicht ersichtlich, dass die Klägerin bei einer Rückkehr nach Äthiopien einer des Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein wird.

b) Der Klägerin droht auch wegen ihres Gesundheitszustandes keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Nach der Rechtsprechung ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu prüfen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris). Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung – das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 – 13a B 12.30061 – juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist danach, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 – 6a L 2452/16.A – juris).

Dies zugrunde gelegt besteht für die Klägerin keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr nach Äthiopien droht.

Die in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragene Eisenmangelanämie stellt schon keine schwerwiegende oder lebensbedrohliche Erkrankung im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG dar. Eine Eisenmangelanämie ist eine Blutarmut, bei der die Ursache eine gestörte Bildung des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin durch einen Mangel an Eisen ist. Nach dem ärztlichen Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. , K1., vom 05.02.2018 befindet sich die Klägerin „seit längerem wegen Eisenmangelanämie bei Hypermenorrhagie“, d.h. Eisenmangel durch monatliche Blutverluste bei der Regelblutung, in dessen ärztlicher Behandlung. Dabei kommt es aufgrund übermäßig starker Blutungen, verlängerter Monatsblutungen oder Verkürzung des Regelintervalls zu Blutverlusten und damit einhergehendem Eisenverlust, der über den normalen Rahmen hinausgeht. Nach entsprechenden Untersuchungen verfügen etwa 10 bis 30 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter unter vermindertem Eisenspeicher. Bis zu 14 Prozent der Frauen haben eine Eisenmangelanämie (www.eisenmangel.de/leben-mit-eisenmangel/eisenmangel-und-menstruation).

Nach Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung werde sie deswegen derzeit medikamentös behandelt. Die Klägerin konnte dem Gericht jedoch nicht einmal die Medikamente nennen, die ihr wegen der Eisenmangelanämie verordnet worden sind. Auch das vorgelegte Attest vom 05.02.2018 gibt hierüber keinen weiteren Aufschluss. In dem Attest ist nicht einmal erwähnt, dass die Klägerin medikamentös behandelt wird, geschweige denn welche Medikamente sie einzunehmen hat. Im Übrigen wird nicht einmal dargelegt, seit wann die Klägerin überhaupt an dieser Krankheit leidet. Soweit im ärztlichen Attest aufgeführt wird, dass die Klägerin sich bereits stationär im Krankenhaus befunden hat, lässt sich lediglich vermuten, dass diese stationären Krankenhauszeiten mit der Eisenmangelanämie in Verbindung stehen. Weitere Arztberichte, insbesondere die Berichte zu den stationären Krankenhausaufenthalten, wurden nicht vorgelegt. Das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich alsbald nach der Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, ist daher schon im Ansatz nicht substantiiert vorgetragen und für das Gericht auch anderweitig nicht erkennbar, insbesondere da auch nach § 60a Abs. 2c AufenthG vermutet wird, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen (vgl. hierzu umfassend VG Bayreuth, U.v. 3.8.2017 – B 3 K 17.31531 – juris). Der Ausländer muss vielmehr eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbilds (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Diesen Anforderungen genügt der klägerische Vortrag einschließlich des vorgelegten hausärztlichen Attestes schon im Ansatz nicht.

Ferner ist nicht ersichtlich, dass sich die Eisenmangelanämie alsbald nach einer Abschiebung nach Äthiopien wesentlich verschlechtern würde. Die Klägerin lebt offensichtlich schon länger mit dieser Erkrankung. Aufgrund des nicht substantiierten Vortrags der Erkrankung geht das Gericht zudem davon aus, dass die Krankheit auch in Äthiopien entsprechend medikamentös behandelt werden kann, da es sich um ein Leiden handelt, das bei einer Vielzahl von Frauen im gebärfähigen Alter auftritt.

Im Übrigen macht das Gericht auch insoweit von seinem Ermessen Gebrauch und weist das Vorbringen hinsichtlich der Eisenmangelanämie gem. § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG i. V. m. § 87b Abs. 3 VwGO als präkludiert zurück. Die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel sind nämlich nicht gemäß § 74 Abs. 2 AsylG innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung der Beklagten angegeben worden (vgl. OVG Bautzen, B.v. 18.11.2013 - A 1 A 544/13 - juris). Die Voraussetzungen der Anwendung des § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO, der gemäß § 74 Abs. 2 Satz 2 AsylG entsprechende Anwendung findet, lagen vor. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht Tatsachen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der Frist des § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würden (§ 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO), der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) und der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumnis belehrt worden ist (§ 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Es bestehen vorliegend keine Zweifel daran, dass die Zulassung der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Tatsachen (Eisenmangelanämie) die Erledigung des entscheidungsreifen Rechtsstreits verzögern würde, da das Gericht u.U. weitere Nachforschungen anstellen müsste. Eine genügende Entschuldigung dieser Verspätung durch die Kläger ist weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere leidet die Klägerin offensichtlich schon „seit längerem“ an Eisenmangel. Diese Tatsache wurde aber erstmals in der mündlichen Verhandlung am 06.03.2018 vorgetragen, obwohl dies der Klägerin ohne weiteres frühzeitig möglich gewesen wäre. Zwar ist das ärztliche Attest erst auf den 05.02.2018 datiert und konnte daher - denknotwendigerweise - nicht innerhalb Monatsfrist vorgelegt werden, jedoch sind nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG nicht nur Beweismittel, sondern auch die zur Klagebegründung dienenden Tatsachen innerhalb der Monatsfrist vorzubringen. Dem klägerischen Vortrag und der ärztlichen Stellungnahme ist jedoch zu entnehmen, dass die Krankheit der Klägerin bereits länger besteht. Daher ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, warum die Krankheit der Klägerin beim Bundesamt mit keinem Wort erwähnt worden ist. Auch im Klageschriftsatz vom 22.05.2017 und in der Stellungnahme vom 19.01.2018 finden sich keinerlei Hinweise auf den Gesundheitszustand der Klägerin. Die Beklagte hat die Klägerin in der Rechtsbehelfsbelehrung:des angefochtenen Bescheids über die Folgen einer Versäumung der Frist des § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG belehrt. Auch die Klageeingangsmitteilung des Gerichts enthielt eine Belehrung gemäß § 74 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO, so dass die Voraussetzungen des § 87b Abs. 3 Satz 1 VwGO vorlagen (vgl. Sächsisches Oberverwaltungsgericht, B.v. 18.11.2013 - A 1 A 544/13 - juris; BayVGH, B.v. 5.2.2015 - 21 ZB 14.30468 - juris). Das Gericht macht daher von seinem Ermessen Gebrauch und weist den Vortrag zum krankheitsbedingten Abschiebungsverbot zudem als verspätet zurück.

3. Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass Anhaltspunkte, die gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 3 des Bescheides) und gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (Ziffer 4 des Bescheides) sprechen, weder vorgetragen noch anderweitig für das Gericht ersichtlich sind.

III.

Die Kostenentscheidung des gerichtskostenfreien Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §°167 Abs. 2 und 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten weiter, das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel, durch die Ablehnung ihres Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung sei der Klägerin das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt.

Die Ablehnung eines Beweisantrags nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn 10), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB. 31318 – juris Rn. 4). Von Willkür kann insbesondere dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 13. Oktober 2017 beantragt, zum Beweis der Tatsache, dass sie schwer psychisch erkrankt und aus diesem Grund auf ständige Behandlung angewiesen ist, um Eigengefährdungen entgegenzuwirken, ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen.

Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung als nicht entscheidungserheblich abgelehnt. Nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG werde vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstünden. Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG müsse der Ausländer eine Erkrankung durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen, an die bestimmte Anforderungen zu stellen seien. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei hierzu nicht erforderlich.

Zur Begründung ihres Zulassungsantrags bringt die Klägerin vor, dass die Ablehnung des Beweisantrags hinsichtlich der Anwendbarkeit der Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG nicht vom Prozessrecht gedeckt sei.

Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung wegen der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil das Verwaltungsgericht den Beweisantrag zu Recht abgelehnt hat. Denn es entspricht inzwischen gefestigter Rechtsprechung mehrerer Oberverwaltungsgerichte (OVG LSA, B.v. 28.9. 2017 – 2 L 85/17 – juris Rn. 2-13; OVG NW, B.v. 9.10.2017 – 13 A 1807/17.A – juris Rn. 19-28, BayVGH, B.v. 9.11.2017 – 21 ZB 17.30468 – Rn. 4) und auch des erkennenden Senats (BayVGH, B.v. 10.1.2018 – 10 ZB 16.30735 – Rn. 8), dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind. Es ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, der Entstehungsgeschichte und der Erwägung des Gesetzgebers, dass er mit den Regelungen in dem mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11.03.2016 (BGBl I S. 390) eingeführten Absatz 2c des § 60a AufenthG im Wesentlichen die ohnehin bereits bestehende Rechtsprechung zu den Anforderungen an eine substantiierte Geltendmachung krankheitsbedingter Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. September 2007 (10 C 8/07 – juris Rn. 15) nachvollzogen hat. Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen, und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch lässt die Begründung zur Einführung des § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG erkennen, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernis insgesamt erschweren wollte. Schließlich umfasst die Regelung in § 60a Abs. 2c und 2d AufenthG auch nach ihrem Sinn und Zweck die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Es ist demnach – wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat – Aufgabe des erkennenden Gerichts zu überprüfen, ob die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens ist insoweit nicht erforderlich.

Aus dem vorgelegten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2017 (13a ZB 17.31153) ergibt sich nichts anderes, weil sich diese Entscheidung zu der Frage, ob die Anforderungen an ärztliche Atteste in § 60a Abs. 2c AufenthG auch auf die Geltendmachung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind, nicht verhält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83 b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Zulassungsverfahren werden abgelehnt.

Gründe

1. Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Versagung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG, § 138 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.

1.1 Die Klägerbevollmächtigte begründet die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs damit, dass das Verwaltungsgericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag gestellt habe, mit denen ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (Gehörsrüge in Gestalt der unzulässigen Überraschungsentscheidung). Für die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, dass das Verwaltungsgericht trotz in der mündlichen Verhandlung vorgelegter Medikamentenliste, die belege, dass die Klägerin an Bluthochdruck, Depressionen, anhaltenden Schmerzen und Sodbrennen leide, Zweifel an einer Erkrankung der Klägerin mit besonderem Behandlungsbedarf habe. Die Klägerbevollmächtigte habe in der mündlichen Verhandlung keine geeigneten prozessualen Gegenmaßnahmen treffen können, weil diese spezifische Beweiswürdigung die Kläger überrascht habe.

Das Verwaltungsgericht ist unter Würdigung der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen, die lediglich allgemein die Behandlung der Klägerin bestätigen, und dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Medikamentenvorrat (Medikamente gegen Bluthochdruck, Eisenmangel, Schmerzmittel, gegen Anfallsleiden, postoperative Schmerzen, Sodbrennen und ein Antidepressivum) zu der Überzeugung gelangt, bei der Klägerin liege keine Erkrankung mehr vor, die einen besonderen Behandlungsbedarf mit großem finanziellen Aufwand im Herkunftsland erfordern würde. Bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bestehe keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine lebensgefährliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation (UA S. 7 f.).

Ausweislich des Sitzungsprotokolls hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit, sich zu ihrem Gesundheitszustand und einer noch bestehenden Behandlungsbedürftigkeit zu äußern, auch genutzt. Sie hat ärztliche Bescheinigungen und einen nach eigenen Angaben noch befolgten Medikamentenplan vom September 2016 vorgelegt sowie Ausführungen zum bevorstehenden Termin einer CT-Darmuntersuchung und deren Vorgeschichte gemacht. Das Gericht ist damit seiner Sachaufklärungspflicht hinsichtlich der Frage des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nachgekommen. Aus dem Sachvortrag der Klägerin und den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen musste sich dem Gericht mangels näherer Anhaltspunkte keine weitere Sachaufklärung der Frage aufdrängen, ob bei der Klägerin eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung verschlimmern würde (§ 60 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AufenthG), vorliegt. Damit ist aber auch nicht ersichtlich, dass das Gericht seine gerichtliche Hinweispflicht (§§ 86 Abs. 3, 104 Abs. 1 VwGO) verletzt haben könnte. Der Anspruch auf rechtliches Gehör begründet keine generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen. Die Beweiswürdigung, das daraus folgende Beweisergebnis und die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bleiben in aller Regel der abschließenden Urteilsfindung des Gerichts vorbehalten und entziehen sich deshalb einer Voraberörterung mit den Beteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2001 – 1 B 347.01 – juris). Das Zulassungsvorbringen legt zudem nicht dar, dass die Kläger alle ihnen zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft haben, um sich Gehör vor dem Verwaltungsgericht zu verschaffen. Es hätte vielmehr von vornherein der Mitwirkungspflicht der Klägerin oblegen, eine ärztliche Bescheinigung, die insbesondere Aussagen zum Krankheitsbild, dem Schweregrad der Erkrankung sowie deren Behandlungsbedürftigkeit und Folgen enthält, beizubringen. Die im Zulassungsantrag bei entsprechendem gerichtlichem Hinweis vorgeschlagenen näheren Ausführungen der Klägerin zu ihrer Depression wären zudem ohne entsprechendes ärztliches Attest nicht geeignet, die Tatsachengrundlage für ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu schaffen.

1.2 Die Gehörsrüge wegen unzulässiger Überraschungsentscheidung greift entgegen dem Zulassungsvorbringen auch nicht unter dem Aspekt durch, dass für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei, dass das Verwaltungsgericht der Klägerin bei einer Rückkehr zumute, sich wie vor der Ausreise um eine Beschäftigung im Haushalt zu bemühen, um den Lebensunterhalt für sich und ihre minderjährigen Kinder zu finanzieren. Bei einem entsprechenden Hinweis des Verwaltungsgerichts hätte die Klägerin die genauen Umstände ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt und weitere Details vorgetragen.

Wie bereits ausgeführt (vgl. 1.1) begründet der Anspruch auf rechtliches Gehör keine generelle Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Sachverhalts hinzuweisen. In diesem Sinne aber meint das Zulassungsvorbringen die gerichtliche Fürsorgepflicht zu verstehen. Vorliegend ist auch im Hinblick auf die Existenzsicherung nach Rückkehr ersichtlich, dass dieser Themenkomplex sowohl im Verwaltungsverfahren (vgl. Bundesamtsbescheid S. 6 f.) ausführlich behandelt wurde als auch in der mündlichen Verhandlung vom Gericht erörtert wurde und die Klägerin entsprechende Ausführungen gemacht hat. Nach dem bisherigen Verfahrensverlauf hätten die Beteiligten damit rechnen müssen, dass das Verwaltungsgericht eine entsprechende Würdigung trifft.

Auch ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht darauf hätte hinweisen müssen, dass es das von der Klägerseite benannte Urteil des VG Stuttgart vom 22.6.2009 (A 11 K 4486/07) und das Gutachten der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11. Juni 2009, Bosnien-Herzegowina: Behandlung von PTBS, nicht für relevant erachte, denn für das Verwaltungsgericht lagen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin an PTBS oder einer schweren psychischen Erkrankung mit besonderem Behandlungsbedarf leidet.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

3. Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für das Zulassungsverfahren waren abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung aus den genannten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und schiitischer Religionszugehörigkeit. Er reiste nach Aktenlage am 23.03.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am …2015 einen Asylantrag. Der Asylantrag wurde gem. § 13 Abs. 2 AsylG auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beschränkt.

Bei seiner persönlichen Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) am …2016 gab der Kläger im Wesentlichen an, er stamme aus Bagdad, Stadtteil Al Karrada. Dort habe er die Schule bis zur achten Klasse besucht. Nebenbei sei er Profilfußballer gewesen. Er habe für die irakische Nationalmannschaft in der U-12 gespielt.

Ca. drei Monate vor seiner Ausreise sei er mit Freunden in einer Shischa-Bar gewesen. Als er die Bar kurz verlassen habe, sei ca. 400 m von ihm entfernt eine Autobombe oder ein Motorrad explodiert. Dadurch seien viele Menschen und zwei seiner Freunde in der Shischa-Bar ums Leben gekommen. Seitdem habe sich sein gesundheitlicher Zustand verschlechtert. Er sei verrückt geworden. Er habe seinen Eltern erzählt, was er gesehen habe. Seine Mutter habe sich große Sorgen um ihn gemacht und gesagt, er solle zu einem Onkel nach Kerbala gehen, um sich zu beruhigen. Er sei dann ca. einen Monat bei dem Onkel geblieben. Während dieser Zeit habe er heilige Orte des Islam besucht, gebetet und den Koran gelesen. Nach einem Monat sei er nach Hause zurückgekehrt, aber sein Gesundheitszustand habe sich nicht verbessert. Daraufhin habe seine Mutter beschlossen, dass er den Irak verlassen und in die Türkei zu seiner Tante gehen solle. In der Türkei habe er sich bei der UN als Flüchtling registriert und unter schlechten Verhältnissen gelebt. Er habe arbeiten müssen, um sein Leben zu finanzieren. Daraufhin habe er beschlossen, nach Europa zu reisen, um seinen Traum als Fußballer zu verwirklichen und ein Leben wie ein normales Kind zu leben.

Bei einer Rückkehr in den Irak habe er Angst, dass er irgendwann getötet werde.

Mit Bescheid vom 12.04.2017, zugestellt mit Postzustellungsurkunde am 19.07.2017, wurde die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Nr. 1). Der subsidiäre Schutzstatus wurde ebenfalls nicht zuerkannt (Nr. 2). Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG wurden nicht festgestellt (Nr. 3). Dem Kläger wurde die Abschiebung in den Irak angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gem. § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5).

Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, der Kläger sei kein Flüchtling im Sinne des § 3 AsylG. Soweit er vorgetragen habe, er sei ca. drei Monate vor seiner Ausreise Zeuge einer Explosion gewesen, bei der viele Menschen und auch zwei seiner Freunde ums Leben gekommen seien, sei daraus keine individuelle Verfolgung im asylrechtlichen Sinne ersichtlich. Die Ereignisse seien vielmehr auf die allgemeine Sicherheitslage im Irak zurückzuführen.

Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutzstatus zuzuerkennen. Unter Verweis auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz seien keine Anhaltspunkte erkennbar, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in den Irak ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG drohe. Dem Kläger sei auch kein subsidiärer Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG zu gewähren. Zwar bestehe gegenwärtig in Teilen des Iraks ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Jedoch bedürfe es im Falle des Klägers, der aus Bagdad stamme, individuell gefahrerhöhender Merkmale, welche für ihn zu einer Zuspitzung der allgemeinen konfliktbedingten Gefahren führen müssten. Individuell gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers seien aber weder vorgetragen noch ersichtlich.

Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere würden die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak nicht zu der Annahme führen, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bei einer Rückkehr in seine Heimat in eine existenzielle Notlage gerate, seien nicht dargelegt. Es spreche nichts dagegen, dass der Kläger wieder in sein Elternhaus in Bagdad zurückkehre. Auch bislang sei es dem Kläger gelungen, seinen Lebensunterhalt mit Unterstützung seiner Familie sicherzustellen.

Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Soweit der Kläger angegeben habe, im Alter von 13 Jahren drei bis vier Mal in ärztlicher Behandlung wegen psychischer Probleme gewesen zu sein, sei daraus eine aktuelle, individuelle und konkrete Gefährdung im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erkennbar.

Sein Vorbringen mache zudem deutlich, dass im Irak eine ärztliche Behandlung wegen psychischer Probleme möglich sei.

Mit Schriftsatz vom 27.04.2017, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage und beantragte,

  • 1.Der Bescheid des Bundesamts vom 12.04.2017, Az. …, wird aufgehoben.

  • 2.Der Kläger wird als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, hilfsweise wird ihm der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt bzw. werden Abschiebungsverbote nach § 60 AufenthG festgestellt.

Zur Begründung der Klage bezog sich der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 19.05.2017 zunächst auf die Anhörung des Klägers beim Bundesamt. Im Übrigen wurde ausgeführt, der Kläger leide an einer schweren posttraumatischen, dringend behandlungsbedürftigten, Störung, die ihre Ursache vor allem in den Kriegs- und Bürgerkriegserlebnissen des Klägers in seiner Heimat habe. Diesbezüglich werde auf die Bescheinigung der Psychotherapeutin …, bei der sich der Kläger nach wie vor in psychotherapeutischer Behandlung befinde, verwiesen. Diese Stellungnahme werde im Bescheid der Beklagten nicht einmal erwähnt, obwohl die Ursachen für die posttraumatische Belastungsstörung auf Seite 3 und 4 der Stellungnahme nachdrücklich und eindrucksvoll dargelegt werde. Die Therapeutin komme zu dem Ergebnis, dass es beim Kläger dringend einer langzeitlichen Psycho- bzw. Traumatherapie bedürfe. Weiterhin sei ein sicherer Aufenthaltsstatus nötig, insbesondere führe eine Abschiebung zu einer Zuspitzung der Symptomatik bis hin zur akuten Suizidgefährdung. Aufgrund der Kriegssituation im Heimatland seien für die notwendige Psychotherapie weder Finanzmittel noch medizinische Kapazitäten frei. Dem Kläger einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland zu verweigern oder ihn gar in den Irak abzuschieben, sei geradezu ein zynisches Spiel mit dem Tod.

Mit Schriftsatz vom 11.05.2017 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.

Mit Beschluss der Kammer vom 19.06.2017 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 lehnte das Gericht Beweisanträge des Klägers (Einvernahme der Therapeutin als sachverständige Zeugin bzw. Einholung eines psychotherapeutischen Gutachtens wegen der „schweren psychischen Störung“ des Klägers) mangels hinreichender Substantiierung der Beweisanträge ab.

Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Ergänzend wird auf die Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Gründe

I.

Das Gericht konnte im vorliegenden Fall über die Klage entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten bei der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).

II.

Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG noch einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Abschiebungsandrohung sowie die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid ist somit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).

1. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.

Nach § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dann, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nicht staatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschl. internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage sind oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).

Für die richterliche Überzeugungsbildung im Sinne von § 108 Abs. 1 VwGO gilt folgendes:

Das Gericht muss sich die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten Verfolgungsschicksals und der Wahrscheinlichkeit der Verfolgungsgefahr bilden. Eine bloße Glaubhaftmachung in der Gestalt, dass der Vortrag lediglich wahrscheinlich sein muss ist nicht ausreichend (vgl. grundlegend BVerwG, U.v. 16.4.1985 - 9 C 109.84 - juris). Es ist vielmehr der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu Grunde zu legen. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei darf das Gericht jedoch hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerland, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Feststellung eines Abschiebungsverbotes führen sollen, keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen, sondern muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fragen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind (BVerwG, U.v. 16.4.1985 a.a.O.). Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23/12 - juris; VG Augsburg, U.v. 11.7.2016 - Au 5 K 16.30604 - juris).

Nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 ist hierbei die Tatsache, dass ein Kläger bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweise darauf, dass die Furcht des Klägers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Kläger erneut von solcher Verfolgung und einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Regelung privilegiert den von ihr erfassten Personenkreis bei einer Vorverfolgung durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Kläger eine widerlegbare Vermutung dafür, dass sie erneut von einem ernsthaften Schaden bei einer Rückkehr in ihr Heimatland bedroht werden. Dadurch wird der Kläger, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat oder von einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die einen solchen Schaden begründenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden.

Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus. Es obliegt aber dem Schutzsuchenden, sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen. Er muss daher die in seine Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere seine persönlichen Erlebnisse, in einer Art und Weise schildern, die geeignet ist, seinen geltend gemachten Anspruch lückenlos zu tragen. Dazu bedarf es - unter Angabe genauer Einzelheiten - einer stimmigen Schilderung des Sachverhalts. Daran fehlt es in der Regel, wenn der Schutzsuchende im Lauf des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe nicht nachvollziehbar erscheinen, und auch dann, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (VGH BW, U.v. 27.8.2013 - A 12 S 2023/11 - juris; HessVGH, U.v. 4.9.2014 - 8 A 2434/11.A juris).

Gemessen an diesen Maßstäben hat der Kläger eine an den Merkmalen des § 3 Abs. 1 AsylG ausgerichtete Verfolgung nicht glaubhaft gemacht. Das Gericht folgt zunächst vollumfänglich den Ausführungen im angefochtenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG). Auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung besteht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG.

a) Für das Gericht ist keine konkrete, individuelle Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger im Sinne des § 3a AsylG ersichtlich.

Der Kläger hat sowohl bei der Anhörung beim Bundesamt als auch in der mündlichen Verhandlung am 27.07.2017 angegeben, er habe Bagdad insbesondere wegen der dort angespannten allgemeinen Sicherheitslage verlassen. Im Jahr 2013 sei eine Mine vor seiner Schule explodiert. Ca. drei Wochen vor seiner Ausreise sei eine an einem Motorrad befestigte Bombe in der Nähe einer Shischa-Bar explodiert, welche er unmittelbar vor der Explosion verlassen habe. Dabei seien zwei seiner Freunde ums Leben gekommen. Da er unter der Situation in Bagdad stark psychisch gelitten habe, sei er nach Europa gekommen. In Europa wolle er seinen Traum als Fußballer verwirklichen und leben wie ein normales Kind, da er im Irak keine Kindheit hatte.

Die Beweggründe für die Flucht nach Deutschland sind zwar menschlich nachvollziehbar, stellen aber schon im Ansatz keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG dar. Der Kläger wurde in Bagdad niemals individuell im Sinne des § 3a AsylG verfolgt. Allein die allgemeine angespannte Sicherheitslage und die Angst, einmal selbst Opfer einer Explosion, einer Entführung oder eines Anschlages zu werden, stellt keine individuelle Verfolgung des Klägers im Sinne des Flüchtlingsrechts dar. Auch die - in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen - Drohungen der Milizen gegenüber dem Vater des Klägers führen nicht dazu, dass der Kläger als individuell verfolgt im Sinne des § 3a AsylG anzusehen wäre. Zum einen bleibt der Sachvortrag hinsichtlich der Bedrohungen äußerst vage. Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Details und nicht einmal einen zeitlichen Rahmen der Drohungen nennen. Zum anderen gab der Kläger selbst an, sein Vater habe sich hauptsächlich in der Türkei aufgehalten und die Drohungen hätten diesen in der Türkei erreicht. Beim Kläger in Bagdad seien hingegen keine Drohungen eingegangen.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger nicht ersichtlich ist.

b) Weiterhin fehlt es hinsichtlich des klägerischen Sachvortrages an einem Anknüpfungsmerkmal im Sinne des § 3b Abs. 1 AsylG.

c) Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch nicht von einer Gruppenverfolgung von Schiiten im Irak auszugehen ist. Hierzu fehlt bereits jeglicher Vortrag des Klägers. Im Übrigen geht die ständige Rechtsprechung davon aus, dass keine Gruppenverfolgung der Schiiten im Irak gegeben ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.3.2017 - B 3 K 16.31634 - juris; VG Augsburg, U.v. 1.2.2016 - Au 5 K 15.30408 - juris m.w.N.).

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf subsidiären Schutz gem. § 4 AsylG zur Seite. Er kann sich weder auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG berufen, noch auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.

a) Es gibt - insbesondere im Hinblick auf die obigen Ausführungen zum Flüchtlingsschutz - keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland ein ernsthafter Schaden (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG droht. Auch für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes muss ein ernsthafter Schaden im Herkunftsland konkret drohen. Bloße vage Befürchtungen, künftig selbst Opfer eines Anschlages oder Übergriffes zu werden bzw. die Bezugnahme auf das Schicksal anderer Personen, reicht auch im Rahmen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nicht aus.

b) Dem Kläger steht der subsidiäre Schutz auch nicht aus § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu. Nach dieser Vorschrift gilt als ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 - juris). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konfliktes im Sinne des Art. 15 c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann landesweit oder regional bestehen und muss sich nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 a.a.O.). Der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, kann aber umso geringer sein, je mehr der Schutzsuchende möglicherweise belegen kann, dass er aufgrund von in seiner persönlichen Situation liegenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EUGH, U.v. 17.2.2009 - C-465.7 - juris).

Zwar geht auch das Gericht davon aus, dass in Bagdad ein innerstaatlicher bewaffneter zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, jedoch erreicht der Grad willkürlicher Gewalt nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche hohe Niveau, demzufolge jedem Kläger allein wegen seiner Anwesenheit in Bagdad Schutz nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG gewährt werden muss (VG Augsburg, U.v. 24.4.2017 - Au 5 K 17.30922 - juris; VG Ansbach, U.v. 15.12.2016 - AN 2 K 16.30398 - juris; VG Ansbach, U.v. 13.4.2017 - AN 2 K 16.30810 - juris). Weitere individuell gefahrerhöhende Umstände wurden weder vorgetragen noch sind diese für das Gericht ersichtlich. Insbesondere reicht hierfür nicht aus, dass der Kläger aus dem Stadtteil Al Karrada stammt, in dem es nach Auffassung des Klägervertreters - unter Bezugnahme auf einen „Spiegelartikel“ - besonders gefährlich sei. Das Gericht vermag - unter Heranziehung der Auskunftslage - nicht zu erkennen, dass in Al Karrada besonders gefährliche Wohnumstände herrschen, die dazu führen würden, dass dem Kläger allein wegen seiner dortigen Anwesenheit der subsidiäre Schutzstatus zuzuerkennen wäre.

3. Nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind ebenfalls nicht gegeben. Insoweit wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 VwGO).

Hervorzuheben ist insbesondere, dass eine Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bewertet werden kann und die Voraussetzung des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK erfüllt. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führen nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliegt. Aufgrund des klägerischen Vortrags ist die Schwelle zu einer Verletzung der Werte des Art. 3 EMRK nicht erreicht. Die schlechten humanitären Verhältnisse im Umfeld des Klägers gehen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner in der vergleichbaren Situation hinnehmen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es dem jungen und erwerbsfähigen Kläger nicht gelingen könnte, sich zumindest eine existenzsichernde Grundlage im Irak zu schaffen. Der Kläger hat zwar angegeben, im Irak noch nicht gearbeitet zu haben sowie dass ihm körperliche Arbeit schwerfalle. Gleichwohl konnte der Kläger im Irak - zusammen mit seiner Mutter und seiner Schwester - existenzsichernd bei seiner Tante leben. Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bei einer Rückkehr in den Irak nicht an diese Bedingungen anknüpfen könnte. Die Familie des Klägers lebt weiterhin unbescholten in Bagdader Stadtteil Al Karrada. Es ist nicht ersichtlich, dass das Existenzminimum des Klägers im Irak nicht im Rahmen der wechselseitigen Unterstützung innerhalb des Familienverbandes gesichert werden kann.

4. Dem Kläger droht auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat wesentlich verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Darüber hinaus kann sich - trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung - das Abschiebungsverbot aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Für die Annahme einer „konkreten Gefahr“ genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr entspricht der Begriff der Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG dem asylrechtlichen Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für „diesen Ausländer“ das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten oder erheblichen Gefährdungssituation statuiert (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris).

Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind allerdings Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt sind, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift sieht vor, dass die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen kann, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1 AufenthG.

Die vorgetragene posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) bzw. die „schwere psychische Störung“ beim Kläger, stellen jedoch keine allgemeine Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG dar, so dass die Sperrwirkung dieser Vorschrift nicht greift (BayVGH, B.v. 23.11.2012 - 13a B 12.30061 - juris). Nach den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Grundsätzen ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist (BVerwG, U.v. 17.8.2011 - 10 B 13.11 - juris).

Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist daher, dass sich die vorhandene schwerwiegende Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Von einer wesentlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes kann nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes gesprochen werden, sondern nur bei außergewöhnlichen schweren physischen oder psychischen Schäden oder Zuständen. Dies stellt nunmehr auch § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG klar, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, vorliegt. Insbesondere ist es gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Irak mit der der Versorgung in Deutschland vergleichbar ist (vgl. zum Ganzen auch VG Gelsenkirchen, B.v. 08.11.2016 - 6a L 2452/16.A - juris).

Dies zugrunde gelegt besteht für den Kläger keine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Es ist nicht ersichtlich, dass eine wesentliche Verschlechterung einer schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung alsbald nach der Rückkehr in den Irak droht.

a) Die - undatierte - „Bescheinigung“ der Kinder- und Jugendpsychologin … …, genügt schon nicht den Anforderungen der Rechtsprechung im Hinblick auf die Substantiierung des Vorbringens einer PTBS.

Zur Substantiierung eines Vorbringens einer Erkrankung an PTBS sowie eines entsprechenden Beweisantrags gehört angesichts der Unschärfen des Krankheitsbildes sowie seiner vielfältigen Symptomatik regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attests. Aus diesem muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer PTBS auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 11.09.2007 - 10 C 17/07 - juris).

(aa) Vorliegend wurde schon kein fachärztliches Attest, sondern lediglich eine „Bescheinigung“ einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin - die noch dazu undatiert, aber aufgrund des Begleitschreibens (Bl. 86 d. A.) mindestens 13 Monate alt sein muss - vorgelegt. Das BVerwG im geht im Urteil vom 11.07.2007 davon aus, dass „regelmäßig“ ein fachärztliches Attest vorzulegen ist. Aus dem Wort „regelmäßig“ wurde bzw. wird z.T. zwar geschlossen, dass in Ausnahmefällen auch Psychologische Psychotherapeuten aufgrund ihrer fachlichen Qualifikation befähigt sein sollen, posttraumatische Belastungssituationen zu diagnostizieren (vgl. OVG Münster, B.v. 12.12.2008 - 8 A 3053/08.A - juris). Im Beschluss vom 26.7.2012 (10 B 21/12) verlangt das BVerwG hingegen ein aktuelles fachärztliches Attest.

Jedenfalls durch die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG, wonach Abschiebungshindernisse durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft zu machen sind, hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung, dass gesundheitliche Gründe einer Abschiebung nicht entgegenstehen, eine Bescheinigung eines approbierten Arztes erforderlich ist (vgl. dazu die ausdrückliche Klarstellung in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 18/7538 S. 19). Insofern hat der Gesetzgeber im Wesentlichen die obergerichtliche Rechtsprechung nachvollzogen, wonach zur Substantiierung des Vorbringens einer Erkrankung regelmäßig die Vorlage eines gewissen Mindestanforderungen genügenden fachärztlichen Attestes gehört (BayVGH, B.v. 23.8.2016 - 10 CE 15.2784 - juris). Ungeachtet der Rechtslage vor der Änderung durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren bleiben damit Atteste von Psychotherapeuten und Psychologen grundsätzlich außer Betracht (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 - 2 O 31/16 - juris). Allenfalls im Wege einer Gesamtschau können derartige Atteste ergänzend zu anderen Erkenntnissen, die nicht die Anforderungen an eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung erfüllen, zu anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d AufenthG beitragen. Demgegenüber kann die alleinige und ausschließliche Vorlage einer psychologischen bzw. psychotherapeutischen Stellungnahme keine anderweitigen tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Erkrankung i.S.d. § 60a Abs. 2d AufenthG begründen, da dies eine Umgehung der gesetzlichen Wertungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG bedeuten würde (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 30.8.2016 a.a.O.).

Die Regelungen in § 60a Abs. 2c AufenthG beschränken sich auch nicht auf inlandsbezogene Abschiebungshindernisse im Zusammenhang mit der Reisefähigkeit, sondern umfassen auch zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris; VG Würzburg, B.v. 14.7.2017 - W 8 S 17.32770, juris; VG München, GB v. 7.7.2017 - M 21 K 16.36151 - juris; VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A. - juris). Der Wortlaut des § 60a Abs. 2c AufenthG stellt ausschließlich darauf ab, ob Abschiebungsverbote aus gesundheitlichen Gründen vorliegen und differenziert nicht zwischen inlands- und zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten. Auch die Gesetzesbegründung lässt erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Vermutungsregelung in § 60a Abs. 2c AufenthG die Abschiebung erleichtern und die Anforderungen an die Geltendmachung psychischer Erkrankungen als Abschiebungshindernisse insgesamt erschweren wollte. In der Gesetzesbegründung wird hierzu Folgendes ausgeführt:

„Mit der Regelung zur Glaubhaftmachung einer Erkrankung durch den Ausländer wird auf erhebliche praktische Probleme hinsichtlich der Bewertung der Validität von ärztlichen Bescheinigungen im Vorfeld einer Abschiebung reagiert, wie sie auch aus dem Bericht der unterarbeitsgruppe Vollzugsdefizite der Bund - Länder - Arbeitsgruppe Rückführung über die Ergebnisse der Evaluierung des Berichts über die Probleme bei der praktischen Umsetzung von ausländerbehördlichen Ausreiseaufforderungen und Vollzugsmaßnahmen von April 2015 hervorgehen.

Es besteht ein praktisches Bedürfnis, eine vom Ausländer vorgelegte Bescheinigung hinsichtlich der Erfüllung formaler und inhaltlicher Vorgaben zu validieren. Hierzu legt der Gesetzgeber nunmehr die in Absatz 2c genannten Qualitätskriterien fest, die die jeweilige ärztliche Bescheinigung insbesondere enthalten soll.“

Auch nach Sinn und Zweck umfasst die Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG auch die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Durch die zusammen mit der Regelung des § 60a Abs. 2c AufenthG vorgenommenen Einfügung der Sätze 2 bis 4 in § 60 Abs. 7 AufenthG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nur äußerst gravierende Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib oder Leben nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Entsprechend der Gesetzesbegründung erfüllt eine PTBS regelmäßig nicht die Anforderungen an ein Abschiebungsverbot (BT-Drs. 18/7538 S. 18).

Weiterhin erfolgt die Behandlung akuter lebensbedrohlicher bzw. ähnlich schwerwiegender Zustände aufgrund einer PTBS regelmäßig im Rahmen einer medikamentösen Behandlung. Antidepressiva nehmen in der Behandlung depressiver Symptome bei PTBS einen hohen Stellenwert ein. Insofern handelt es sich um klassische ärztliche Aufgaben. Auf die darüber hinaus für die vollständige Diagnose und Behandlung einer PTBS bedeutsamen psychotherapeutischen und sozialpsychiatrischen Behandlungsansätze kommt es im Hinblick auf den durch § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG vorgegebenen Maßstab nicht an (VG München, U.v. 10.1.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

Anhaltspunkte für eine aktuell lebensbedrohliche oder schwerwiegende psychische Störung, die in einer Gesamtschau nach Maßgabe von § 60a Abs. 2d Satz 2 AufenthG auch ohne ausreichende ärztliche Bescheinigung Anlass zu weiteren Ermittlungen bieten, bestehen nach dem Eindruck des Gerichts in der mündlichen Verhandlung nicht. Dem Gericht liegen auch - neben der undatierten, älteren Bescheinigung der Psychotherapeutin - keine weiteren ärztlichen oder therapeutischen Befunde vor.

(bb) Selbst wenn man - trotz § 60a Abs. 2c AufenthG - (weiterhin) ein Attest eines Psychotherapeuten zur Substantiierung eines Beweisantrages bzgl. PTMS für geeignet erachtet (so beispielsweise BayVGH, B.v. 11.08.2016 - 20 ZB 16.30110 - juris, der in keiner Weise auf § 60a Abs. 2c AufenthG eingeht und lediglich auf die Rechtsprechung vor der Gesetzesänderung verweist), entspricht jedenfalls der undatierte „Befundbericht“ auch inhaltlich nicht den geforderten Anforderungen an die Substantiierung eines Beweisantrags zum Nachweis einer PTBS durch eine qualifizierte „ärztliche“ Bescheinigung.

Der Bescheinigung ist zwar zu entnehmen, dass der Kläger seit 05.04.2016 einmal wöchentlich in psychotherapeutischer Behandlung ist. Sie enthält aber keine Angaben, ob die geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden und ob die seit April 2016 durchgeführte Therapie erfolgreich verläuft und in welchem zeitlichen Abstand die Gespräche gegenwärtig stattfinden. Bei einer über 13 Monate alten Bescheinigung, ist mehr als fraglich, ob noch von einem aktuellen Attest i.S.d. Rechtsprechung gesprochen werden kann, zumal auch der Kläger von eingetretenen Besserungen und großzügigerer Behandlungsdichte berichtet.

Die Diagnostik der Therapeutin wirft ebenfalls Fragen auf. Auf der Seite 1 der Bescheinigung wird lediglich ausgeführt, der Kläger berichte „von Symptomen, die auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung schließen lassen“. Lediglich eine Anpassungsstörung (F 43.21) gilt nach dem Bericht als gesichert. Unter dem Punkt „Diagnosen“ (Seite 4) werden dann noch dissoziative Krampfanfälle (F 44.5) bescheinigt. Bezüglich der Diagnose PTBS verweist die Bescheinigung auf einen Arztbrief der Klinik- und Jugendpsychiatrie …vom November 2015, der dem Gericht nicht vorliegt und auch in der mündlichen Verhandlung nicht vorgelegt werden konnte. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten, das Fehlen der Nachweise könne nicht zu Lasten des Klägers gehen, da er seinerzeit unter Vormundschaft stand und der Vormund nichts vorgelegt habe, geht ins Leere. Zum einen muss sich der Kläger das Verhalten seines Vormundes zurechnen lassen, zum anderen endete die Vormundschaft des Klägers mit dessen Volljährigkeit am 13.04.2016, so dass dieser selbst bzw. sein Bevollmächtigter für die Vorlage aktueller (ärztlicher) Bescheinigungen verantwortlich ist.

Soweit die Therapeutin ausführt, der Kläger könne sich einer jugendpsychiatrischen Behandlung nicht öffnen, fehlt es ebenfalls an einer weitergehenden Darlegung, insbesondere warum eine begleitende psychiatrischen Behandlung nicht erfolgt bzw. erfolgte.

Ferner geht die Bescheinigung nicht hinreichend darauf ein, wann die Probleme des Klägers erstmals in Erscheinung getreten sind und wie die Behandlung im Irak ausgesehen hat. Bei der Anamnese wird lediglich festgestellt, dass sich „der Kläger bereits als Jugendlicher im Irak psychisch belastet gefühlt habe“.

Im Ergebnis ist die PTBS nicht hinreichend substantiiert vorgebracht worden um den Beweisanträgen nachkommen zu müssen.

b) Gleiches gilt für die von der Therapeutin bescheinigte Anpassungsstörung, die dissoziativen Krampfanfälle und die von Klägerbevollmächtigten unter Beweis gestellte „schwere psychische Störung“. Selbst wenn man die obige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur auf PTBS und nicht auf andere (psychische) Erkrankungen anwendet, so sind jedenfalls die anderen Krankheitsbilder auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen. Die Krampfanfälle werden nur beiläufig erwähnt. Im Übrigen mangelt es auch hier der Stellungnahme an Aktualität. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben, dass es ihm besser gehe und die Träume nachlassen würden. Im Ergebnis wird daher der Vortrag weiterer (psychischer) Erkrankungen (lt. Beweisantrag „schwere psychische Störung“) den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag einer psychischen Erkrankung ebenfalls nicht gerecht (vgl. hierzu wiederum § 60a Abs. 2c AufenthG sowie VG Gelsenkirchen, U.v. 3.2.2017 - 6a K 2802/15.A - juris und VG München, U.v. 10.01.2017 - M 21 K 15.31612 - juris).

c) Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die psychischen Erkrankungen des Klägers im Irak hinreichend behandelbar sind. Dabei wird nicht verkannt, dass die medizinische Versorgungslage im Irak nach wie vor angespannt ist. Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Auch haben qualifizierte Ärzte aus Angst vor Entführungen oder Repressionen das Land verlassen. Medikamente sind meist nur theoretisch kostenfrei und müssen überwiegend privat in Apotheken gekauft werden (vgl. hierzu ausführlich VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2040/15.A - juris m. w. N.).

Psychische Krankheiten werden zwar häufig nur medikamentös behandelt, jedoch sind psychische Erkrankungen, insbesondere depressive Störungen auch im Irak grundsätzlich behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher - auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung - nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden. Auch sonst gibt es im Irak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an psychischen Erkrankungen leidenden Patienten behandeln können. Psychopharmaka sind vorhanden und in der Regel preisgünstig. Die ärztliche Behandlung kann in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10,00 Euro (vgl. VG Aachen, U. v. 20.01.2017 - 4 K 2014/15.A - juris, mit weiteren Hinweisen und Nachweisen zur Auskunftslage).

Vor diesem Hintergrund ist anzunehmen, dass eine Behandlung des Klägers auch in Bagdad möglich ist. Zwar mag der Einwand des Klägers zutreffen, dass viele gute Ärzte und Therapeuten Bagdad verlassen haben und es daher schwierig ist, eine gute psychotherapeutische Behandlung im Irak zu bekommen. Dem Gericht erschließt sich jedoch nicht, warum der Kläger jegliche psychiatrische, insbesondere medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankung - neben einer Psychotherapie - ablehnt bzw. „sich dafür nicht öffnen kann“. Insoweit fehlt auch jeglicher ärztlicher bzw. therapeutischer Vortrag. Nach Auffassung des Gerichts muss sich auch der Kläger auf die medikamentöse Behandlung seiner psychischen Erkrankungen, die im Irak möglich ist, verweisen lassen. Dies gilt zumindest solange nicht nachvollziehbar vorgetragen ist, warum dem Kläger eine psychiatrische Behandlung unter Gabe von Medikamenten nicht zumutbar ist bzw. warum der Kläger ausschließlich im Rahmen einer Psychotherapie behandelt werden kann.

Der Kläger hat im Übrigen schon bereits geraume Zeit vor der Ausreise mit den psychischen Problemen im Irak gelebt und im Jahr 2013 eine Psychotherapie begonnen, die er eigenmächtig abgebrochen hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hieran in seiner Heimat nicht anknüpfen kann bzw. warum eine psychologische oder psychiatrische Behandlung für den Kläger im Irak nicht erreichbar sein sollte.

Unter vorstehenden Umständen ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die sich im Fall einer Abschiebung wegen er spezifischen Verhältnisse im Zielstaat wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG).

d) Insgesamt ist daher festzustellen, dass dem Kläger kein Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusteht.

e) Wie bereits oben erwähnt, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Beruft sich der Ausländer demzufolge auf allgemeine Gefahren, kann er Abschiebungsschutz regelmäßig nur durch einen generellen Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG erhalten. Allgemeine Gefahren in diesem Sinne sind alle Gefahren, die der Bevölkerung des Irak auf Grund der derzeit dort bestehenden Sicherheits- und Versorgungslage allgemein drohen. Dazu zählen neben der Gefahr, Opfer terroristischer Übergriffe zu werden und Gefahren durch die desolate Versorgungslage auch Gefahren krimineller Aktivitäten und Rachebestrebungen von Privatpersonen.

Das Bayerische Staatsministerium des Innern hat mit Rundschreiben vom 10. August 2012 (Az. IA2-2081.13-15) in der Fassung vom 3. März 2014 bekannt gegeben, dass eine zwangsweise Rückführung zur Ausreise verpflichteter irakischer Staatsangehörigen grundsätzlich (Ausnahme: Straftäter aus den Autonomiegebieten) nach wie vor nicht möglich ist und ihr Aufenthalt wie bisher weiterhin im Bundesgebiet geduldet wird. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Mitteilung eines faktischen Abschiebungsstopps derzeit einen wirksamen Schutz vor Abschiebung hinsichtlich allgemeiner Gefahren vermittelt, so dass es keines zusätzlichen Schutzes in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bedarf (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 - 1 C 2/01 - juris; VG München, U.v. 22.12.2016 - M 4 K 16.33226 - juris).

Entscheidungen nach den vorstehenden Maßgaben ergehen aber nicht durch das Bundesamt im Asylverfahren, sondern allenfalls durch die zuständige Ausländerbehörde.

5. Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschl. der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung gegenüber dem Kläger entgegenstünden, nicht ersichtlich. Denn er ist, wie oben ausgeführt, nicht als Flüchtling anzuerkennen, noch stehen ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu. Er besitzt auch keine asylunabhängige Aufenthaltsgenehmigung (§ 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG).

6. Unabhängig von der Tatsache, dass die Aufhebung des gesetzlichen - nach § 11 Abs. 2 AufenthG von der Beklagten befristeten - Einreise- und Aufenthaltsverbot aus § 11 Abs. 1 AufenthG nach § 11 Abs. 4 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde und nicht in der Entscheidungskompetenz der Beklagten steht (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG sowie BVerwG, U.v. 22.2.2017 - 1 C 27/16 - juris und OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.4.2017 - OVG 11 N 163.16 - juris) sowie ungeachtet der Frage, ob - in Anbetracht der Klageanträge - eine (kürzere) Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch die Beklagte nach § 11 Abs. 2 AufenthG überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens ist, zumal eine bloße Aufhebung der Befristung im Rahmen einer Anfechtungsklage zu einem unbefristeten Einreise- und Aufenthaltsverbot führen würde, sind Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, nicht ersichtlich.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.