Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 28. Juli 2014 - 12 ZB 13.1886

bei uns veröffentlicht am28.07.2014
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, 3 K 13.65, 09.07.2013

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Leistung eines Kostenbeitrags für eine Jugendhilfemaßnahme der Beklagten, mit der der 1992 geborene Sohn B. des Klägers zunächst im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), nach Vollendung des 18. Lebensjahrs im Rahmen der Hilfen für junge Volljährige nach §§ 41, 33 SGB VIII bei seiner Tante in Vollzeitpflege untergebracht wurde.

B., für den der Kläger im maßgeblichen Zeitraum das alleinige Sorgerecht besaß, lebte bereits seit 1. April 2003 bei seiner Tante in A.. Seit diesem Zeitpunkt leistete der Kläger für ihn, wenn auch unregelmäßig, Barunterhalt. Aufgrund eines im Oktober 2006 gestellten Antrags bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2007 rückwirkend ab dem 1. Oktober 2006 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege bei der Tante und ihrem Ehemann. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Beklagte vorbehaltlich etwaiger Kostenerstattungsansprüche die Kosten der Hilfe zur Erziehung trage, Eltern indes in angemessenem Umfang aus ihrem Einkommen zu den Maßnahmekosten herangezogen würden. Über Art und Umfang der Heranziehung ergehe ein gesonderter Bescheid. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde dem Kläger die Hilfegewährung nochmals mitgeteilt und er auf seine Kostenbeitragspflicht hingewiesen. Gleichzeitig bat die Beklagte um Erteilung einer Auskunft zu seiner Einkommenssituation mittels eines Fragebogens und wies ihn auf die Konsequenzen der Jugendhilfeleistung für seine Unterhaltspflicht hin. Am 14. März 2007 ging der vom Kläger ausgefüllte Fragebogen nebst verschiedener Einkommensnachweise beim Jugendamt der Beklagten ein. Einen Kostenbeitragsbescheid erließ dieses ohne erkennbaren Grund zunächst weder gegenüber dem Kläger noch gegenüber der Mutter des Hilfeempfängers.

Ab 1. September 2008 begann B. eine Lehre als Raumausstatter. Mit Änderungsbescheid vom 13. Oktober 2008 setzte die Beklagte daraufhin das den Pflegeeltern zu gewährende Pflegegeld aufgrund der von B. bezogenen Ausbildungsvergütung neu fest und übermittelte diesen Bescheid auch dem Kläger als Personensorgeberechtigten. Der Änderungsbescheid enthielt den Hinweis, dass die Erläuterungen und Hinweise des Erstbescheids weiter zu beachten seien. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 9. Mai 2009 wurde das Pflegegeld nochmals der Höhe nach neu festgesetzt. Am 8. Januar 2010 beantragte B. die Fortsetzung der Vollzeitpflege im Rahmen der Hilfe für junge Volljährige. Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 1. März 2010 statt. Zugleich wurde dem Kläger die Gewährung der Hilfe für junge Volljährige mitgeteilt, deren durchschnittliche monatliche Kosten mit etwa 600 Euro angegeben, er zugleich auf die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag und dessen Folgen für seine Unterhaltspflicht hingewiesen und erneut zur Erstattung einer Einkommensauskunft aufgefordert. Das entsprechende Schreiben wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 3. März 2010 zugestellt. Weitere Auskünfte zu seinen Einkommensverhältnissen erteilte der Kläger in der Folge nicht. Nach der fristlosen Kündigung des Ausbildungsverhältnisses stellte die Beklagte die Hilfe für junge Volljährige zum 30. Juni 2010 ein.

Nach Einholung verschiedener Auskünfte zu seinem Einkommen hörte die Beklagte den Kläger zunächst mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 zu der beabsichtigten Erhebung eines Kostenbeitrags für den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 19. Februar 2010 in Höhe von 275 Euro, vom 20. Februar 2010 bis 30. Juni 2010 in Höhe von monatlich 340 Euro an und setzte mit Bescheid vom 28. April 2011 den genannten Kostenbeitrag mittels Leistungsbescheids fest. Den Kostenbeitragsrückstand in Höhe von insgesamt 12.636,17 Euro erklärte sie für sofort fällig. Aufgrund des hiergegen eingelegten Widerspruchs hob die Regierung von Schwaben den Leistungsbescheid insoweit auf, als vor dem 17. Februar 2007 vom Kläger ein Kostenbeitrag verlangt worden sei. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück.

Die hiergegen unter Berufung auf die Verwirkung des Kostenbeitragsanspruchs erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 9. Juli 2013 ab. Der unstreitig gegebene Anspruch auf Leistung eines Kostenbeitrags für die Jugendhilfemaßnahme sei nicht verwirkt. Die Annahme einer aus § 242 BGB und dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Verwirkung setze voraus, dass ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht worden sei (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich nach dem Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und auch darauf eingestellt habe, dass das Recht nicht mehr geltend gemacht werde (Umstandsmoment). Hinsichtlich des Zeitmoments treffe der Vortrag des Klägers zu, dass der Bundesgerichtshof in seiner Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht auch dann, wenn eine Behörde einen übergegangenen Unterhaltsanspruch geltend mache, einen Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr für die Erfüllung des Zeitmoments der Verwirkung habe ausreichen lassen. Da Unterhaltsansprüche jedoch nicht bereits vor ihrer Fälligkeit verwirkt sein könnten, müsse eine zeitabschnittweise Betrachtung Raum greifen. Vorliegend fehle es bereits am Zeitmoment der Verwirkung, da es sich bei den Ansprüchen der Beklagten nicht um übergegangene Unterhaltsansprüche, sondern originär öffentlich-rechtliche Kostenerstattungsansprüche handele. Darüber hinaus könne auch die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht nicht herangezogen werden. Schließlich komme eine Verwirkung des Kostenbeitragsanspruchs für die Leistung der Hilfe für junge Volljährige bereits deshalb nicht in Betracht, weil insoweit noch nicht einmal von einem Verstreichen eines Zeitraums von einem Jahr ausgegangen werden könne.

Weiter fehle es für die Annahme der Verwirkung auch am Umstandsmoment. Bloßes Nichtstun einer Behörde schaffe keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, für Leistungen nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Zur bloßen Untätigkeit müsse ein zusätzliches Verwirkungsverhalten hinzukommen, aus dem geschlossen werden könne, dass von dem Recht kein Gebrauch mehr gemacht werde. Einen derartigen Vertrauenstatbestand habe die Beklagte nicht gesetzt. Da in den Änderungsbescheiden jeweils auf die Erläuterungen des Erstbescheids verwiesen worden sei, habe der Kläger nicht den Schluss ziehen können, die bisherigen Berechnungen der Beklagten hätten keinen von ihm zu leistenden Kostenbeitrag ergeben. Anhaltspunkte, dass die zuständige Behörde auch nur andeutungsweise zu erkennen gegeben habe, von der Festsetzung eines Kostenbeitrags abzusehen, bestünden nicht. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte den Sohn B. des Klägers nach Bezug seiner Ausbildungsbeihilfe selbst zu einem Kostenbeitrag herangezogen habe, habe er nicht auf das Entfallen der eigenen Kostenbeitragspflicht schließen dürfen.

Ferner seien die Ansprüche der Beklagten auch nicht nach Art. 71 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze (AGBGB) erloschen. Zwar würden die Beitragsforderungen für das Jahr 2007 nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AGBGB grundsätzlich nach drei Jahren und damit zum Ende des Jahres 2010 erlöschen. Nach Art. 71 Abs. 2 AGBGB sei jedoch die Regelung des § 203 BGB zur Hemmung der Verjährung entsprechend anzuwenden. Der Kläger sei mit Schreiben vom 6. Oktober 2010 hinsichtlich seiner Kostenbeitragspflicht für das Jahr 2007 angehört worden. Mit diesem Schreiben habe die Beklagte deutlich gemacht, dass sie den Kostenbeitragsanspruch geltend machen wolle. Daraufhin habe der Kläger um Übersendung der Berechnungen gebeten und mitgeteilt, dass er seinen Verpflichtungen, soweit diese bestünden, nachkommen werde. Sodann habe er gebeten, vom Erlass eines Beitragsbescheids zunächst abzusehen, er werde unaufgefordert auf die Behörde zukommen. Mit Schreiben vom 8. November 2010 habe die Beklagte die gewünschten Unterlagen übersandt und mit weiterem Schreiben vom 15. Februar 2011 nochmals an die Erledigung der Angelegenheit erinnert. Durch dieses Verhalten sei eine Hemmung der Erlöschensfrist nach § 203 BGB eingetreten, da zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch bzw. die den Anspruch begründenden Umstände geschwebt hätten. Dabei sei der Begriff der Verhandlungen weit auszulegen. Insoweit genügten Erklärungen, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigten, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Nicht anders könne das Schreiben des anwaltlich vertretenen Klägers vom 2. November 2010 bewertet werden. Bei Zugang des streitgegenständlichen Leistungsbescheids am 30. April 2011 sei daher die Kostenbeitragsforderung auch für das Jahr 2007 noch nicht erloschen gewesen.

Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ließ der Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung stellen und machte die Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet, da die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist, nicht vorliegen oder vom Kläger nicht dargelegt sind.

1. Die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht ernstlich zweifelhaft. Die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO legitimierende Richtigkeitszweifel liegen immer dann vor, wenn der Antragsteller mit seinem Zulassungsvorbringen einen tragenden Rechtssatz oder eine entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellung dergestalt in Frage stellt, dass das Ergebnis eines zugelassenen Berufungsverfahrens ungewiss erscheint. Dies ist nach dem Zulassungsvorbringen des Klägers weder mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht abgelehnte Verwirkung des Kostenbeitragsanspruchs noch bezüglich des ebenfalls abgelehnten Erlöschens der Kostenbeitragsforderung für das Jahr 2007 der Fall.

1.1 Das Zulassungsvorbringen des Klägers rechtfertigt die Annahme der Verwirkung der Kostenbeitragsforderung der Beklagten nicht.

1.1.1 Soweit der Kläger zunächst die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Bundesgerichtshof erstrecke in seiner Rechtsprechung die Grundsätze für die Annahme der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs nicht auf Unterhaltsansprüche Minderjähriger bzw. in Ausbildung befindlicher Volljähriger, für fehlerhaft erachtet, kann er damit die Zulassung der Berufung nicht erwirken. Denn auf diese Frage kommt es bereits nach den Urteilsgründen der angefochtenen Entscheidung nicht entscheidungserheblich an, da das Verwaltungsgericht unter Betonung der Unterschiede zwischen der Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs und einer Kostenbeitragsforderung die Übertragbarkeit der unterhaltsrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf die vorliegende Fallkonstellation generell ablehnt. Hierauf geht das Zulassungsvorbringen indes nicht ein. Darüber hinaus kommt es auf die grundsätzliche Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch deshalb nicht an, weil diese das Zeitmoment der Verwirkung betrifft, nicht hingegen das Umstandsmoment, das das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung ohne Rückgriff auf die BGH-Rechtsprechung verneint. Ernstliche Richtigkeitszweifel erwachsen daher aus der unterschiedlichen Sichtweise zum Anwendungsbereich unterhaltsrechtlicher Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im vorliegenden Fall nicht.

Darüber hinaus stehen der Annahme der Verwirkung eines jugendhilferechtlichen Kostenbeitrags nach unterhaltsrechtlichen Maßstäben erhebliche Unterschiede beider Rechtsmaterien entgegen. Die jeweiligen Interessenlagen sind, anders als der Kläger meint, gerade nicht vergleichbar. So folgt die Annahme der Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs innerhalb eines Zeitrahmens von etwa einem Jahr daraus, dass der Anspruch auf Unterhalt der Deckung eines aktuellen Bedarfs des Unterhaltsgläubigers dient, dessen unterbliebene Geltendmachung für die Vergangenheit folglich auf einen fehlenden Bedarf schließen lässt und aus diesem Grund innerhalb eines relativ kurzen Zeitrahmens verwirkt ist (vgl. Reinken in Beck’scher Online-Kommentar BGB, § 1613 Rn. 21; OLG Sachsen-Anhalt, B. v. 28.2.2013 - 8 UF 181/12 - juris Rn. 34 ff.). Demgegenüber deckt in den Fällen, in denen Eltern für Jugendhilfemaßnahmen mittels Kostenbeitrags in Anspruch genommen werden, der Jugendhilfeträger den Hilfebedarf des jungen Menschen ab. Die Heranziehung zu einem Kostenbeitrag dient daher allein der - jedenfalls teilweisen - Refinanzierung der staatlichen Leistung. Der Schluss auf die fehlende Bedürftigkeit, der die unterhaltsrechtliche Verwirkung trägt, lässt sich für die Refinanzierung einer staatlichen Leistung gerade nicht ziehen und von daher auch die entsprechende Rechtsprechung nicht auf die Heranziehung eines Kostenbeitragspflichtigen übertragen. Ob dies dazu führt, dass im Kostenbeitragsrecht die Annahme der Verwirkung vor Ablauf der Verjährungs- bzw. Erlöschensfrist grundsätzlich ausscheidet (so VG Ansbach, U. v. 14.7.2011 - AN 14 K 10.00614 - juris Rn. 35 f.), bedarf vorliegend keiner Entscheidung.

1.1.2 Auch soweit der Kläger nach seinem Zulassungsvorbringen das Umstandsmoment der Verwirkung im vorliegenden Fall entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für erfüllt ansieht, kann er damit nicht durchdringen. Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich aus der bloßen Untätigkeit einer Behörde keine Verwirkung eines Anspruchs ergeben kann, hierzu vielmehr ein konkretes Verhalten des Gläubigers erforderlich ist, aus dem geschlossen werden kann, dass er von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen wird (vgl. BayVGH, U. v. 6.7.2005 - 12 B 01.1042 - juris Rn. 11 unter Berufung auf BSG, U. v. 1.4.1993 - 1 RK 16/92 - FEVS 44, 478 ff.; OVG Hamburg, U. v. 3.12.2008 - 5 Bf 259/06 - juris Rn. 33; VG Ansbach, U. v. 14.7.2011 - AN 14 K 10.00614 - juris Rn. 40). Entgegen der Auffassung des Klägers ist ein Verhalten der Beklagten, das den Schluss auf einen Verzicht auf die Erhebung eines Kostenbeitrags zulässt, nicht erkennbar.

So kann der Kläger mit dem Hinweis auf die aus seiner Sicht nicht gegebene Untätigkeit der Beklagten, die an ihn verschiedene Bescheide und Mitteilungen verschickt habe, nicht begründen, er habe berechtigterweise darauf vertrauen dürfen, „in Bezug auf den Kostenbeitrag werde von der Beklagten nichts mehr kommen“. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfolgte bereits im Zuge der erstmaligen Bewilligung der Jugendhilfe der Hinweis auf die mögliche Heranziehung des Klägers zu einem jugendhilferechtlichen Kostenbeitrag. Ebenfalls hingewiesen wurde darauf, dass über Art und Umfang der Heranziehung des Klägers zu den Kosten ein gesonderter Bescheid ergeht. In den Folgebescheiden, die jeweils eine Anpassung der Höhe des Pflegegelds verfügten, wurde erneut um Beachtung der Hinweise des Erstbescheids gebeten. Weshalb aus diesem Verhalten der Behörde, auch unter Berücksichtigung der zeitnahen Auskunftserteilung des Klägers gerade der Eindruck entstanden sein soll, die Beklagte werde von der Erhebung eines Kostenbeitrags beim ihm absehen, lässt sich nicht nachvollziehen. Anders als in der Fallgestaltung, die der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. Oktober 2002 (BGHZ, 152, 217 ff. = FamRZ 2002, 1698) zugrunde lag, auf die der Kläger sich beruft, hat die Beklagte im Zuge der Anpassung der jeweiligen Pflegegeldsätze stets auf die Erläuterungen und Hinweise des Erstbescheids Bezug genommen, in denen, wie bereits erwähnt, die Kostenbeitragsfestsetzung ausdrücklich einem gesonderten Bescheid vorbehalten wurde. Solange daher kein entsprechender Bescheid ergangen war, durfte der Kläger nicht darauf vertrauen, dass eine Beitragserhebung unterbleibt. Im Übrigen gelten die unter 1.1.1 dargestellten Unterschiede zwischen einer Unterhalts- und einer Kostenbeitragsforderung, die einer Übertragung der zivilrechtlichen Rechtsprechung entgegenstehen, auch im Hinblick auf das Umstandsmoment der Verwirkung. Da es bei der Erhebung eines Kostenbeitrags nicht darum geht, einen aktuellen Bedarf eines hilfebedürftigen Jugendlichen zu decken, vielmehr die Refinanzierung einer staatlichen Leistung für den Hilfebedürftigen in Rede steht, kann das Verhalten der Beklagten erst Recht nicht als Verzicht auf ihre Kostenbeitragsforderung gedeutet werden.

Ebenfalls greift der Einwand des Klägers nicht durch, die „Mitteilung der Beklagten an den Kläger, dass sein Sohn eine Ausbildungsvergütung erhalte“, habe das Vertrauen darauf, nicht in Anspruch genommen zu werden, noch verstärkt. Dabei wird bereits nicht deutlich, um welche „Mitteilung des Beklagten“ es sich hier handeln soll. Zudem lässt das Vorbringen des Klägers außer Acht, dass er als alleiniger Sorgerechtsinhaber des zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ausbildungsvertrags nicht volljährigen B. den Abschluss des Ausbildungsvertrags genehmigen musste, ihm von daher die Höhe der Ausbildungsvergütung auch ohne „Mitteilung der Beklagten“ hätte bekannt sein müssen. Im Übrigen war der Kläger bis zur Volljährigkeit von B. Adressat der Bewilligungsbescheide für die gewährte Hilfe zur Erziehung in Gestalt der Vollzeitpflege. Von daher war ihm auch die Höhe des an die Pflegeeltern geleisteten Pflegegelds bekannt. Es musste ihm daher zu jedem Zeitpunkt offensichtlich sein, dass auch die Heranziehung seines Sohnes aus der Ausbildungsvergütung in keiner Weise ausreichte, die Maßnahmekosten zu decken. Mithin konnte auch eine wie auch immer geartete „Mitteilung der Beklagten“ über die Ausbildungsvergütung kein Vertrauen dahingehend erzeugen, es werde kein Kostenbeitrag mehr erhoben.

Auch der angeführte „Widerspruch zur Lebensrealität eines normal verdienenden Bürgers“ besteht entgegen den Darlegungen des Klägers nicht. Der Lebensrealität desjenigen, der sich darauf einstellen muss, einen Teil seines Einkommens als Beitrag zu einer Jugendhilfemaßnahme abzugeben, trägt die gesetzliche Regelung des Kostenbeitragsrechts dadurch Rechnung, dass nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII dem Kostenbeitragspflichtigen die Hilfegewährung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt werden muss. Dadurch soll er insbesondere vor finanziellen Fehldispositionen geschützt werden. Außerdem soll die Information und Aufklärung des Kostenbeitragsschuldners diesem die Möglichkeit eröffnen, aus den eingesparten Barunterhaltsleistungen Rücklagen für den anstehenden Kostenbeitrag zu bilden. Gleichzeitig ermöglicht die Information des Beitragsschuldners dem Jugendhilfeträger einen Kostenbeitrag auch noch längere Zeit danach, nämlich bis zum Ablauf der Verjährungs- bzw. Erlöschensfrist rückwirkend zu erheben, da sie keinen Vertrauensschutz entstehen lässt (so Kunkel/Kepert in Kunkel, SGB VIII, 5. Aufl. 2014, § 92 Rn. 17).

Im vorliegenden Fall ist dem Kläger mit Schreiben vom 15. Februar 2007 die Hilfegewährung an seinen Sohn B. mitgeteilt und er auf die Folgen für seine Unterhaltspflicht hingewiesen worden. Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakte hat der Kläger an seinen Sohn zu Händen der Pflegefamilie, die ihn bereits vor der Hilfegewährung betreut hatte, unregelmäßig Barunterhalt geleistet (Stellungnahme vom 8.12.2006). Wenn es der Kläger angesichts des Wegfalls der Unterhaltsleistungen und des entsprechenden Hinweises der Beklagten indes versäumt, Rücklagen für den Kostenbeitrag zu bilden, rechtfertigt dies unter Verweis auf die „Lebensrealität des normal verdienenden Bürgers“ die Annahme der Verwirkung der Kostenbeitragsforderung nicht (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, U. v. 2.12.2003 - 4 LC 153/03 - juris Rn. 59; zur Notwendigkeit der Rücklagenbildung im Unterhaltsrecht, die der Annahme der Verwirkung entgegensteht vgl. OLG Hamm, U. v. 6.8.2009 - 2 UF 241/08 - FamRZ 2010, 303 ff. Rn. 81). Insoweit steht daher auch keine inakzeptable Vorgehens- und Arbeitsweise der Behörde, sondern vielmehr das Versäumnis des Klägers im Mittelpunkt. Das angefochtene Urteil erweist sich daher auch diesbezüglich nicht als ernstlich zweifelhaft.

1.2 Die Kostenbeitragsforderung, jedenfalls für Leistungen im Jahr 2007, ist auch nicht nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des BGB und anderer Gesetze (AGBGB) erloschen. Die genannte Norm bestimmt für auf Geldzahlung gerichtete öffentlich-rechtliche Ansprüche des Freistaats Bayern eine Erlöschensfrist von drei Jahren, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (zur Anwendung im jugendhilferechtlichen Kostenbeitragsrecht vgl. BayVGH, B. v. 5.12.2011 - 12 ZB 11.1341 - juris Rn. 6 ff.). Nach Art. 71 Abs. 2 Satz 1 AGBGB findet auf das Erlöschen des öffentlich-rechtlichen Anspruchs die Vorschrift des § 203 BGB über die Hemmung der Verjährung entsprechende Anwendung. Nach § 203 Satz 1 BGB ist die Verjährung eines Anspruchs dann gehemmt, wenn zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände schweben. In diesem Fall tritt die Verjährung frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist der Begriff der Verhandlungen weit zu verstehen. Es genügen hierfür bereits Erklärungen, die den Gläubiger berechtigterweise annehmen lassen, dass der Schuldner sich auf die Erörterung über die Berechtigung des Anspruchs einlässt. Nicht erforderlich ist dabei eine Bereitschaft zum Entgegenkommen. Ebenso reicht jeder Meinungsaustausch über den Anspruch aus, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung in jeder Hinsicht abgelehnt wird (vgl. hierzu mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, § 203 Rn. 5; Spindler in Beck‘scher Online-Kommentar BGB, § 203 Rn. 4; Mansel in Jauernig, BGB, 15. Aufl. 2014, § 203 Rn. 2). Derartige Verhandlungen über den Anspruch schweben dann, wenn der in Anspruch Genommene Erklärungen abgibt, die dem Gläubiger die Annahme gestatten, der Verpflichtete lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung der Ansprüche ein (Mansel, a. a. O.). Weiter schweben Verhandlungen auch dann, wenn der Schuldner auf eine substantiierte Anfrage hin einen späteren Bescheid in Aussicht stellt, ebenso wenn beispielsweise ein Versicherer erklärt, er werde auf einen Schadensersatzanspruch nach Abschluss eines Strafverfahrens unaufgefordert zurückkommen (Grothe a. a. O.).

Ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten hat der Bevollmächtigte des Klägers nach Erhalt des Anhörungsschreibens vom 6. Oktober 2010 am 21. Oktober 2010 zunächst einen Mitarbeiter telefonisch kontaktiert und um Vorlage der Berechnungen des Kostenbeitrags gebeten. Mit Schriftsatz vom 2. November 2011 erklärte er ergänzend, dass der Kläger grundsätzlich bereit sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, soweit diese bestünden. Um dies beurteilen zu können, werde erneut um die Übermittlung der Berechnungen gebeten. Sobald die Berechnungen vorliegen, würde er nach einer Besprechung der Details mit der Mandantschaft unaufgefordert auf die Beklagte zukommen. Bis dahin werde gebeten, mit dem Erlass des angekündigten Leistungsbescheids noch zuzuwarten. Eine weitere Rückäußerung des Klägers erfolgte trotz der Übermittlung der Berechnungen am 8. November 2010 nicht. Angesichts dessen hat sich der Kläger, der das Bestehen des Kostenbeitragsanspruchs nicht von vornherein in Abrede gestellt hat, auf Verhandlungen über den Anspruch mit der Beklagten eingelassen. Er hat nach Zugang des Anhörungsschreibens ersichtlich zunächst eine Prüfung der Ansprüche vornehmen wollen. Soweit er nunmehr geltend macht, er sei mit dem Schriftsatz vom 2. November 2011 in keiner Weise auf die Sache eingegangen, kann er damit das Schweben von Verhandlungen nach der eingangs dargestellten weiten Auslegung des Verhandlungsbegriffs durch die Rechtsprechung nicht in Abrede stellen. Wenn der Kläger überdies in Aussicht stellt, seinerseits unaufgefordert auf die Beklagte zuzukommen, kann er ebenso wenig geltend machen, die Beklagte hätte ihrerseits einen Leistungsbescheid vor Ablauf des Jahres 2010 erlassen müssen, da nach Ablauf von zwei Monaten nicht mehr damit habe gerechnet werden können, dass der Kläger seine Kostenbeitragspflicht anerkennen werde. Mithin erweist sich auch die Annahme der Hemmung der Erlöschensfrist durch das Verwaltungsgericht nicht als zweifelhaft.

2. Der Rechtssache kommt auch nicht die ihr vom Kläger beigemessene grundsätzliche Bedeutung zu, die nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO die Zulassung der Berufung rechtfertigt. Die Annahme grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag bezeichnete Rechtsfrage, die für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung gewesen ist und auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bislang höchstrichterlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 124 Rn. 36).

Soweit der Kläger vorliegend die Frage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, „ob die vom Bundesgerichtshof im Unterhaltsrecht entwickelten Grundsätze zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen aus der Vergangenheit auch für die Geltendmachung von Kostenbeiträgen nach dem SGB VIII für ein bei einer Pflegefamilie untergebrachtes Kind gelten“, erfüllt dies die aufgezeigten Zulassungskriterien nicht. Denn die Frage der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Verwirkung von Unterhaltsansprüchen auf die Erhebung von Kostenbeiträgen, die das Verwaltungsgericht im Übrigen zutreffend abgelehnt hat, war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts insoweit nicht entscheidungserheblich, als sie allein das sog. Zeitmoment der Verwirkung, nicht hingegen das Umstandsmoment tangiert, wohingegen das Verwaltungsgericht das Vorliegen beider Elemente der Verwirkung im vorliegenden Fall verneint hat. Insoweit wäre die bezeichnete Rechtsfrage auch für eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich. Die Zulassung der Berufung kann daher nicht auf § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützt werden. Der Antrag auf Zulassung der Berufung war daher abzulehnen.

3. Der Kläger trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten der Jugendhilfe nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben. Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Juli 2013 nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.

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Verwaltungsgericht Augsburg Beschluss, 05. Feb. 2015 - Au 3 K 14.933

bei uns veröffentlicht am 05.02.2015

Tenor Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt. Gründe I. Die Klägerin begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage, die gegen die Rückfo

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(1) Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.

(2) Hilfe zur Erziehung wird insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt. Art und Umfang der Hilfe richten sich nach dem erzieherischen Bedarf im Einzelfall; dabei soll das engere soziale Umfeld des Kindes oder des Jugendlichen einbezogen werden. Unterschiedliche Hilfearten können miteinander kombiniert werden, sofern dies dem erzieherischen Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(2a) Ist eine Erziehung des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses erforderlich, so entfällt der Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nicht dadurch, dass eine andere unterhaltspflichtige Person bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen; die Gewährung von Hilfe zur Erziehung setzt in diesem Fall voraus, dass diese Person bereit und geeignet ist, den Hilfebedarf in Zusammenarbeit mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 36 und 37 zu decken.

(3) Hilfe zur Erziehung umfasst insbesondere die Gewährung pädagogischer und damit verbundener therapeutischer Leistungen. Bei Bedarf soll sie Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Sinne des § 13 Absatz 2 einschließen und kann mit anderen Leistungen nach diesem Buch kombiniert werden. Die in der Schule oder Hochschule wegen des erzieherischen Bedarfs erforderliche Anleitung und Begleitung können als Gruppenangebote an Kinder oder Jugendliche gemeinsam erbracht werden, soweit dies dem Bedarf des Kindes oder Jugendlichen im Einzelfall entspricht.

(4) Wird ein Kind oder eine Jugendliche während ihres Aufenthalts in einer Einrichtung oder einer Pflegefamilie selbst Mutter eines Kindes, so umfasst die Hilfe zur Erziehung auch die Unterstützung bei der Pflege und Erziehung dieses Kindes.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

(1) Junge Volljährige erhalten geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden. Eine Beendigung der Hilfe schließt die erneute Gewährung oder Fortsetzung einer Hilfe nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 nicht aus.

(2) Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Absatz 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt.

(3) Soll eine Hilfe nach dieser Vorschrift nicht fortgesetzt oder beendet werden, prüft der Träger der öffentlichen Jugendhilfe ab einem Jahr vor dem hierfür im Hilfeplan vorgesehenen Zeitpunkt, ob im Hinblick auf den Bedarf des jungen Menschen ein Zuständigkeitsübergang auf andere Sozialleistungsträger in Betracht kommt; § 36b gilt entsprechend.

Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche sind geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 14.06.2012 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Halle (Saale) (Az.: 23 F 871/10) unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels abgeändert:

Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter für die Zeit von Juni 2009 bis Februar 2013 einen rückständigen Kindesunterhalt von insgesamt 4.610,00 € Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 1.218,00 € seit dem 22.07.2010 (Datum der Rechtshängigkeit) sowie auf weitere jeweils 92,00 € seit dem 02.08.2010, 02.09.2010, 02.10.2010, 02.11.2010, 02.12.2010, 02.01.2011, 02.02.2011, 02.03.2011, 02.04.2011, 02.05.2011, 02.06.2011, 02.07.2011, 02.09.2011, 02.10.2011, 02.11.2011, 02.12.2011, 02.01.2012, 02.03.2012, 02.04.2012, 02.05.2012, 02.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012 und 01.11.2012 und auf weitere jeweils 272,00 € seit dem 01.12.2012, 01.01.2013 und 01.02.2013 zu zahlen.

Des weiteren wird der Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller zu Händen der Kindesmutter ab dem Monat März 2013 einen jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes für ein erstes und ein zweites Kind in Höhe von derzeit 92,00 € (gegenwärtiger monatlicher Zahlbetrag mithin: 272,00 €) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf den jeweiligen Unterhaltsbetrag ab jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.

Der weiter gehende Antrag des Antragstellers wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner zu 3/4 und der Antragsteller zu 1/4.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.747,00 € festgesetzt.

In Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts zum Verfahrenswert wird der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren wie folgt festgesetzt:

• für die Zeit bis 29.06.2011 einschließlich:   

1.643,00 €,

• für die Zeit ab 30.06.2011:

 2.747,00 €.

Die Entscheidung ist sofort wirksam.

Gründe

A.

1

Der Antragsteller (*26.03.2006) nimmt den Antragsgegner (*15.03.1984) auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von laufend jeweils 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen Kindergeldes „zum 1. des auf die gerichtliche Entscheidung im schriftlichen Verfahren folgenden Monats" sowie auf Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit ab Oktober 2008 unter Abzug empfangener Leistungen nach dem UVG sowie anteiligen Kindergeldes in Anspruch.

2

Der Antragsgegner und die Kindesmutter, die allein sorgeberechtigt ist und den Antragsteller im Verfahren vertritt, waren und sind nicht miteinander verheiratet. Der Antragsteller wird von seiner Mutter betreut und versorgt und ist wohnhaft in H. .

3

Vom 01.12.2006 an bis zum 30.11.2012 bezog der Antragsteller Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in jeweiliger gesetzlicher Höhe (monatlich 117,00 € bis Dezember 2009, 133,00 € von Januar 2010 bis Februar 2012 und 180,00 € von März 2012 bis November 2012).

4

Der ebenfalls in H. wohnhafte Antragsgegner geht seit dem 01.08.2011 aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 27.07.2011 mit der Fa. „B.“ in H. einer geringfügigen Beschäftigung (Wochenarbeitszeit: 14,9 Stunden; vgl. Bl. 16 BH VKH AG) nach, mit der er monatlich netto 396,80 € erzielt. Zusätzlich bezieht er Leistungen nach dem SGB II in Höhe von derzeit monatlich 381,50 €.

5

Der Antragsgegner hat bis 1994 die Grundschule besucht und beendete seine Schulausbildung 1999 (offenbar ohne Abschluss). Anschließend absolvierte er ein Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und nahm von 2001 bis 2003 an einem Förderlehrgang im ABZ L. teil. Von 2003 bis 2006 holte der Antragsgegner seinen Hauptschulabschluss nach und durchlief eine Ausbildung zum Bau- und Metallmaler im Bildungszentrum „R.“. Länger gearbeitet hat er in diesem Beruf nicht. Vielmehr war er im Rahmen von Praktika beschäftigt. Vom 05.07.2010 bis 27.08.2010 befand er sich in einer Bildungsmaßnahme bei der „E.“ GmbH.

6

Der Antragsgegner ist nur dem Antragsteller gegenüber unterhaltsverpflichtet.

7

Mit Schreiben ihrer damaligen anwaltlichen Interessenvertreter vom 21.10.2008 forderte die Kindesmutter den Antragsgegner unter Fristsetzung bis 12.11.2008 zur Auskunftserteilung über sein Einkommen in der Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 (unzutreffend als „September 2009" bezeichnet) unter Belegvorlage auf. Zugleich wurde vom Antragsgegner die Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 77,00 € (202,00 € Zahlbetrag abzüglich 125,00 € Unterhaltsvorschuss) ab Oktober 2008 verlangt. Erstinstanzlich hat der Antragsgegner den Zugang dieses Schreibens bestritten. Daraufhin hat der Antragsteller ein Schreiben seiner früheren anwaltlichen Interessenvertreter an seine Mutter vom 24.11.2008 vorgelegt, dem entnommen werden kann, dass der Antragsgegner auf das Schreiben vom 21.10.2008 Auskunft erteilt hat.

8

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antragsgegner wie folgt zur Zahlung von Kindesunterhalt an den Antragsteller verpflichtet:

9

• für Oktober 2008 bis April 2010: insgesamt 1.643,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.04.2010 (vom Amtsgericht unzutreffend als Datum der Rechtshängigkeit bezeichnet; diese ist allerdings ausweislich des Empfangsbekenntnisses in Band I, Bl. 27 d. A. erst am 22.07.2010 eingetreten; der 20.04.2010 ist das Datum der Anhängigkeit),

10

• für die Zeit von Mai 2010 bis Juni 2012 monatlich den Differenzbetrag zwischen 100 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe und den geleisteten Unterhaltsvorschusszahlungen, „also monatlich 92,00 €“ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 92,00 € ab Verzug, „d. h. ab jeweils dem 2. des Monats ab jeweiliger Fälligkeit",

11

• für die Zeit ab Juli 2012 100 % des Mindestunterhalts (Amtsgericht: „des Mindestbetrags") der 2. Altersstufe bis zum 28.02.2018 und ab dem 01.03.2018 der 3. Altersstufe abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes in Höhe von derzeit 92,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab jeweiliger Fälligkeit.

12

Zur Begründung stützt sich das Amtsgericht auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Antragsgegners. Dieser habe er nicht genügt. Schon von ihrer Anzahl her reichten die von ihm vorgetragenen Bewerbungen nicht aus, um die Erfüllung seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit annehmen zu können, denn erwartet würden von ihm insoweit monatlich 20 bis 40 Bewerbungen. Außerdem seien seine Bewerbungsschreiben alle inhaltsgleich abgefasst. Schon aufgrund der stereotypen Wortwahl sei deshalb davon auszugehen, dass keine ernsthaften Bemühungen um eine konkrete Stelle entfaltet worden seien, die erfolgversprechend gewesen wären. Soweit der Antragsgegner ins Feld führe, sich überwiegend telefonisch beworben zu haben, genüge dies ebenfalls nicht den Anforderungen, die an einen Unterhaltspflichtigen im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu stellen seien, zumal sich Telefonate nur schwer nachweisen ließen. Es sei davon auszugehen, dass der Antragsgegner bei hinreichenden Bemühungen tatsächlich einen Arbeitsplatz hätte finden können. Aufgrund seiner Berufsausbildung als Bau- und Metallmaler könne angenommen werden, dass auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit eine reale Beschäftigungschance bestehe. Die Erwerbsbiografie des Antragsgegners sei lückenlos, und er unterliege keinen gesundheitlichen Einschränkungen und befinde sich „mitten im Erwerbsalter". Die Beweislast dafür, keine Arbeitsstelle finden zu können, mit denen er den Mindestunterhalt zahlen könne, treffe den Antragsgegner. Bei ausreichenden Bemühungen könne er eine Tätigkeit finden, aus der er Einkünfte von zumindest 1.100,00 € netto erzielen könne. Weil ihm auch noch eine Nebentätigkeit zuzumuten sei, aus der er weitere monatlich 150,00 € bis 200,00 € hinzuverdienen könne, sei er dazu in der Lage, wenigstens den Mindestunterhalt zu zahlen, zumal er sich nur einer einzigen Unterhaltsverpflichtung gegenüber sehe.

13

Was die geltend gemachten Unterhaltsrückstände betreffe, schulde der Antragsgegner jeweils nur den Differenzbetrag zwischen dem Mindestunterhalt und den vom Antragsteller empfangenen Leistungen nach dem UVG.

14

Sowohl künftig fällig werdenden Unterhalt als auch Unterhaltsrückstände bis einschließlich 30.04.2010 habe der Antragsgegner zu verzinsen. Rechtshängigkeit sei zwar bereits am 20.04.2010 eingetreten, jedoch sei der jeweilige monatliche Unterhaltsbetrag bereits ab dem 1. des jeweiligen Monats geschuldet, sodass der Gesamtrückstand bis 30.04.2010 ab Rechtshängigkeit verzinslich sei.

15

Für den Zeitraum vom 01.05.2010 bis 30.06.2012 sei der Unterhaltsanspruch in Höhe des jeweiligen Differenzbetrags zwischen dem Mindestunterhalt und den bereits empfangenen UVG-Leistungen, also in monatlicher Höhe von 92,00 €, nur ab der jeweiligen Fälligkeit, d. h. jeweils ab dem 2. eines jeden Monats aus jeweils 92,00 € zu verzinsen. Der weitergehende Antrag auf Zahlung von Zinsen bezogen auf Unterhaltsforderungen aus der Zeit vom 01.05.2010 bis 30.06.2012 insgesamt ab Rechtshängigkeit sei hingegen abzuweisen.

16

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Er begehrt die vollumfängliche Abweisung des Antrags des Antragstellers, macht fehlende Leistungsfähigkeit geltend und führt weiter ins Feld, nachdem der Antragsteller Leistungen nach dem UVG erhalte, komme eine Überbürdung von Unterhaltsbeträgen auf ihn über diesen Betrag hinaus nicht in Betracht.

17

In seinem Ausbildungsberuf als Bau- und Metallmaler habe er keine Berufserfahrung erwerben können, denn er habe darin nicht nachhaltig gearbeitet.

18

Das Amtsgericht stelle überzogene Anforderungen an die Erfüllung seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit und verletze ihn dadurch in seinen Rechten. Das erstinstanzlich angenommene fiktive Einkommen sei nicht realistisch, denn es berücksichtige nicht, dass er lediglich als ungelernte Kraft eingesetzt werden könne. Er habe seine Erwerbsbemühungen dokumentiert und dargelegt, dass er trotz entsprechender Bemühungen keine anderweitige Tätigkeit gefunden habe.

19

Er habe seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit nicht verletzt, zumal er eine geringfügige Beschäftigung ausübe, sodass er nicht ohne weiteres (wie ein nicht erwerbstätiger Unterhaltsschuldner) auf 20 bis 40 Bewerbungen im Monat verwiesen werden könne.

20

Die Ansicht des Amtsgerichts, Bewerbungen um Arbeitsstellen, die inhaltsgleich abgefasst seien, seien unberücksichtigt zu lassen, treffe nicht zu.

21

Ebenfalls zu beanstanden sei, dass das Amtsgericht telefonische Bewerbungen nicht akzeptiere, denn auch diese seien als ernsthaft anzusehen, zumal ausschließlich schriftliche Bewerbungen seine finanziellen Möglichkeiten überschritten (mindestens 2,50 €/Bewerbung).

22

Die Grundlage für die Annahme des Amtsgerichts, auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit habe er eine Beschäftigungschance in seinem Ausbildungsberuf, sei nicht erkennbar. Außer Praktika verfüge er nämlich über keinerlei Berufserfahrung. Außerdem stehe die Verletzung seiner Obliegenheit, sich um Arbeit zu bemühen, dem Bezug von Leistungen nach dem SGB II entgegen. Ferner führe eine Ausbildung im Bildungszentrum „R.“ nicht per se zur Vermittelbarkeit in ein vollschichtiges Beschäftigungsverhältnis.

23

Der angefochtene Beschluss lasse offen, auf welcher Grundlage ein Nettoeinkommen von 1.100,00 € zuzüglich Nebeneinkünften von 150,00 € bis 200,00 € von ihm erzielbar sein solle. Dieses Zahlenwerk entbehre jeglicher Substanz.

24

Das Amtsgericht habe die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den an eine Einkommensfiktion aufgrund der Verletzung einer gesteigerten Erwerbsobliegenheit (Beschlüsse vom 18.06.2012) zu stellenden Anforderungen nicht beachtet. Es müsse nämlich auch das Grundrecht des Unterhaltsverpflichteten auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit berücksichtigt werden.

25

Selbst wenn man unterstelle, er habe sich nicht ausreichend um eine einträgliche Beschäftigung bemüht, fehle es ihm objektiv an der Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, die ihm die Zahlung von Unterhalt in einer die vom Antragsteller bezogenen UVG-Leistungen übersteigenden Höhe erlaubten. Die Annahme eines erzielbaren Einkommens von 1.100,00 € netto monatlich orientiere sich nicht an den Gegebenheiten des Arbeitsmarktes und den Einkommenschancen einer ungelernten Kraft.

26

Ferner habe das Amtsgericht nicht beachtet, dass auch bei Ansatz fiktiver Einkünfte berufsbedingte Aufwendungen abzusetzen seien, wie es auch das Bundesverfassungsgericht verlange.

27

Neben einer Vollzeittätigkeit als ungelernte Kraft könne ihm im Übrigen nicht auch noch eine Nebentätigkeit angesonnen werden.

28

Das Amtsgericht habe auch nicht in Rechnung gestellt, dass er bei Steuerklasse I ohne Berücksichtigung persönlicher Freibeträge (außer dem Kinderfreibetrag) und den üblichen Abzügen für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge brutto rund 1.795,00 € verdienen müsse, um den Mindestunterhalt zu leisten. Hierzu müsse er einen Stundenlohn von über 10,00 € erzielen, der aber für eine ungelernte Kraft im Rahmen einer Hilfstätigkeit unrealistisch sei. Angesetzt werden könne vielmehr nur ein Stundenlohn von 5,00 € bis 6,00 € brutto.

29

Der Antragsteller tritt der Beschwerde nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 16.11.2012 entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluss.

30

Er führt aus, der Antragsgegner sei mit einer ungelernten Kraft nicht zu vergleichen. Er verfüge nämlich über eine abgeschlossene Berufsausbildung und habe auch im Rahmen von Praktika gewisse Erfahrungen gewonnen. Deshalb sei es ihm verwehrt, sich auf fehlende Berufserfahrung zu berufen, und keinesfalls bewege sich ein für ihn erzielbarer Stundenlohn nur im Bereich zwischen 5,00 € und 6,00 €.

31

Das Amtsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Antragsgegner sich nicht ausreichend um einen einträglichen Arbeitsplatz bemüht habe. Weder Anzahl noch Inhalt der vorgelegten Bewerbungsschreiben ließen ernsthafte Bemühungen erkennen. Auch habe er sich nicht bundesweit beworben. Er, der Antragsteller, habe hingegen den Nachweis führen können, dass der Antragsgegner auf dem Arbeitsmarkt bei hinreichenden Bemühungen zwischen 1.351,00 € brutto (Rostock) und 3.766,00 € brutto (Iserlohn) monatlich verdienen könne. Selbst wenn man mit dem Amtsgericht lediglich erzielbare Einkünfte von 1.100,00 € netto zugrunde lege, könne er mit einem Nebenverdienst von 150,00 € bis 200,00 € monatlich ohne Weiteres ausreichende Einkünfte erzielen, um den Mindestunterhalt zahlen zu können. Auch Bemühungen um Nebentätigkeiten habe er nicht entfaltet.

32

Was das Vorbringen des Antragsgegners betreffe, nicht über genügende finanzielle Mittel zu verfügen, um Bewerbungen zu fertigen und zu versenden, sei dem entgegen zu halten, dass er einen Zuschuss für Bewerbungen beim zuständigen Jobcenter bzw. bei der Agentur für Arbeit hätte beantragen können.

B.

33

Die Beschwerde des Antragsgegners hat zum Teil Erfolg. Der Antragsteller hat gegen ihn Unterhaltsansprüche aus §§ 1601, 1602, 1603 Abs. 2, 1610, 1612, 1612a, 1612b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2,1613 Abs. 1 BGB nur nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen.

I.

34

Mit Blick auf die Untätigkeit des Antragstellers bei der Geltendmachung von Unterhaltsforderungen in dem hier u. a. relevanten Zeitraum von Oktober 2008 bis Mai 2009 sind seine Ansprüche verwirkt.

35

Das Zeitmoment des Verwirkungstatbestandes ist nämlich grundsätzlich erfüllt, wenn Unterhaltsrückstände geltend gemacht werden, deren Fälligkeit mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage / des Antrags bzw. vor einem erneuten Tätigwerden des Unterhaltsgläubigers mit dem Ziel der Durchsetzung seiner Forderungen eingetreten ist (BGH FamRZ 1988, 370; BGH NJW 2003, 128; OLG Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007 - Az.: 10 WF 93/07 -, zitiert nach juris"). Dies ist hier der Fall, denn erstmals geltend gemacht wurden Auskunfts- und Zahlungsansprüche vom Antragsteller mit dem außergerichtlichen Anwaltsschreiben vom 21.10.2008, und erst mit der formlosen Übersendung der verfahrenseinleitenden Antragsschrift im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren an den Antragsgegner im Juni 2010 wurde er erneut im Zusammenhang mit der Durchsetzung seiner Unterhaltsforderungen tätig. Also können Unterhaltsrückstände bis einschließlich Mai 2009 von der Verwirkung betroffen sein.

36

Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das so genannte Umstandsmoment an, d. h. es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH NJW2003,128; OLG Brandenburg aaO).

37

Da von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten ist, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht, darf der Unterhaltsschuldner, wenn das Verhalten des Unterhaltsgläubigers den Eindruck erweckt, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, sodass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät. Sind Anhaltspunkte dafür, dass es im zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedarf es keiner besonderen Feststellungen dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen eingerichtet hat (vgl. zum Ganzen BGH FamRZ 1988, 370; OLG Brandenburg aaO).

38

Vorliegend hat der bereits seinerzeit anwaltlich vertretene Antragsteller im Oktober 2008 erstmals Zahlung und eine Einkommensauskunft vom Antragsgegner verlangt. Er hat hierauf - ausweislich des Schreibens der jetzigen Antragstellervertreter an die Kindesmutter vom 24.11.2008 - lediglich Bescheide der ARGE eingereicht. Eine weitere Geltendmachung von Unterhalts- bzw. Auskunftsansprüchen blieb bis zur Übersendung der Antragsschrift vom 20.04.2010 im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahrens im Juni 2010 aus. Dieses Verhalten des Antragstellers durfte beim Antragsgegner den Eindruck hervorrufen, er (der Antragsteller) sei im fraglichen Zeitraum von Oktober 2008 bis Juli 2009 nicht bedürftig gewesen. Dafür, dass der Antragsgegner mit Blick auf die Ausgleichung von Unterhaltsrückständen Ersparnisse gebildet hätte, ist nichts ersichtlich.

39

Am gefundenen Ergebnis ändert sich nichts dadurch, dass vorliegend Minderjährigenunterhalt streitgegenständlich ist. Dass die Verjährung von Unterhaltsansprüchen eines minderjährigen Kindes gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt ist (§ 207 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a BGB), steht der Annahme einer Verwirkung der Ansprüche während der Dauer der Minderjährigkeit nicht entgegen (BGH FamRZ 1999,1422).

40

Die ab Juni 2009 fällig gewordenen Unterhaltsrückstände können allerdings aufgrund der Auskunfts- und Zahlungsaufforderung vom 21.10.2008 gemäß § 1613 Abs. 1 BGB vom Antragsteller verlangt werden.

II.

41

Die Leistungsfähigkeit des Antragsgegners kann vorliegend nicht anhand seiner im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich erzielten Einkünfte (die nicht für die Zahlung von 100 % des jeweiligen Mindestunterhalts ausreichen), sondern nur unter Rückgriff auf fiktive Einkünfte ermittelt werden, denn die Heranziehung von Gehaltsvergleichsdaten aus „nettolohn.de" verdeutlicht, dass er in seinem erlernten Beruf als Bau- und Metallmaler signifikant höhere Einkünfte erzielen könnte, als er sie aus seiner derzeitigen geringfügigen Beschäftigung erzielt.

42

Der Antragsgegner kann sich nämlich wegen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht mit Erfolg darauf berufen, er erziele kein Einkommen, das ihm unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts die Zahlung des Mindestunterhalts erlaube.

43

Ausreichendes Vorbringen des Antragsgegners zu Erwerbsbemühungen in Gestalt von Bewerbungen um andere, einträglichere Arbeitsstellen fehlt. Die von ihm ins Feld geführten Bewerbungen können auf ihre Ernsthaftigkeit hin nicht überprüft werden, weil die darin erwähnten Anlagen (Lebenslauf, Facharbeiterbrief) nicht vorgelegt wurden. Außerdem sind die Bewerbungen - wie vom Antragsgegner zu verlangen - nicht überregional ausgerichtet, sondern sie beschränken sich auf die Region Halle. Ihre Datierung deutet ferner darauf hin, dass sie unter „Verfahrensdruck" gefertigt wurden.

44

All dies rechtfertigt es, beim Antragsgegner fiktive Einkünfte anzunehmen und einer Unterhaltsberechnung zugrunde zu legen.

45

Aus einer Tätigkeit als Bau- und Metallmaler in Berlin könnte er ausweislich des Internetportals „nettolohn.de" (Basis: 132 Gehaltsdaten) monatlich im Durchschnitt 1.611,11 € brutto bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden erzielen.

46

Das Internet ist für die Ermittlung fiktiver Einkünfte eine anerkannte Erkenntnisquelle (vgl. nur OLG Karlsruhe NJW-RR 2011, 655; OLG Hamm, Urt. v. 14.09.2011 - 5 UF 45/11 - zitiert nach „juris").

47

Wegen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit des Antragsgegners kann ihm allerdings auch eine Tätigkeit über 40 Wochenarbeitsstunden hinaus bis zu 48 Stunden nach Maßgabe von §§ 3, 9 Abs. 1 ArbZG angesonnen werden (vgl. BGH FamRZ 2009, 314). Auf dieser Grundlage ergibt sich aus der Hochrechnung des Durchschnittsverdienstes von 1.611,11 € für 40 Wochenarbeitsstunden ein erzielbares Durchschnittseinkommen von brutto 1.933,33 €.

48

Weil der Antragsgegner gehalten ist, sich mit Blick auf seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit auch um Stellen zu bemühen, in denen die Vergütung über den Durchschnittslohn hinaus geht, ist es darüber hinaus angemessen, dem o. g. ermittelten Durchschnittswert einen Zuschlag von 10 % hinzuzurechnen, um das fiktive Einkommen zu ermitteln.

49

Es ist daher von erzielbaren Einkünften des Antragsgegners in Höhe von

50

2.126,66 € brutto

51

monatlich auszugehen, wobei vorliegend mit Rücksicht auf die unterstellte vollschichtige Beschäftigung und die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes nicht zusätzlich noch ein weiteres Einkommen aus einer Nebenbeschäftigung angesetzt werden kann.

52

Rechnet man diesen Betrag mit Hilfe der „Brutto-Netto-Rechner"-Funktion von „nettolohn.de" unter Zugrundelegung von Steuerklasse 1 und eines 0,5-Kinderfreibetrags in ein Nettogehalt um, ergibt sich ein Wert von

53

1.441,71 €.

54

Hiervon werden 5 % pauschal für berufsbedingten Aufwand (72,09 €) abgesetzt, sodass sich

55

1.369,62

56

ergeben.

57

Es folgen daraus unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts von 900,00 € (Juni 2009 bis Dezember 2010), 950,00 € (Januar 2011 bis Dezember 2012) bzw. 1.000,00 € (ab Januar 2013) folgende Verteilungsmassen:

58

Juni 2009 bis Dezember 2010:

469,62 €,

Januar 2011 bis Dezember 2012    

419,62 €,

ab Januar 2013:

369,62 €.

59

Somit ist durchgehend von voller (fiktiver) Leistungsfähigkeit des Antragsgegners für den Mindestunterhalt in der Zeit seit Juni 2009 auszugehen.

60

Unter Berücksichtigung anteiligen staatlichen Kindergeldes und bis November 2012 empfangener Unterhaltsvorschussleistungen ergibt sich auf dieser Grundlage ein vom Antragsteller zu beanspruchender Unterhaltsrückstand für die Zeit von Juni 2009 bis Februar 2013 in Höhe von insgesamt 4.610,00 €.

61

Ab März 2013 beträgt der laufende dynamisierte Unterhaltsanspruch des Antragstellers 100,0 % des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes in Höhe von derzeit monatlich 92,00 €.

III.

62

Zinsen in der geltend gemachten gesetzlichen Höhe kann der Antragsteller auf der Grundlage seiner aktuellen Anträge wie folgt verlangen:

63

• auf 1.218,00 € (betrifft Rückstände von Juni 2009 bis Juli 2010) ab Rechtshängigkeit (22.07.2010),

64

• auf je 92,00 € seit dem 02.08.2010, 02.09.2010, 02.10.2010, 02.11.2010, 02.12.2010, 02.01.2011, 02.02.2011, 02.03.2011, 02.04.2011, 02.05.2011, 02.06.2011, 02.07.2011, 02.09.2011, 02.10.2011, 02.11.2011, 02.12.2011, 02.01.2012, 02.02.2012, 02.04.2012, 02.05.2012, 02.06.2012, 01.07.2012, 01.08.2012, 01.09.2012, 01.10.2012, 01.11.2012,

65

• nach Auslaufen der Leistungen nach dem UVG auf je 272,00 € seit dem 01.12.2012, 01.01.2013 und 01.02.2013.

66

Mit Blick auf die vom Amtsgericht ausgesprochene Verzinslichkeit der Ansprüche des Antragstellers aus dem Zeitraum August 2010 bis Juni 2012 erst ab dem jeweiligen Monatszweiten verbleibt es bei der erstinstanzlichen Entscheidung, die der Antragsteller unangefochten gelassen hat.

67

Periodisch wiederholt zu werden brauchte die im anwaltlichen Schreiben vom 21.10.2008 liegende Mahnung nicht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 286 Rn 19).

68

Soweit Zinsansprüche aus noch nicht fällig gewordenen Unterhaltsansprüchen ab März 2013 geltend gemacht werden, ist dies begründet unter dem Gesichtspunkt von § 291 S. 2, 2. HS BGB.

IV.

69

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 243 S. 1 und 2 Nr. 1 FamFG; 116 Abs. 3 S. 2 und 3 FamFG; 40 Abs. 1 S. 1, 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG.

70

Dabei sind folgende Umstände grundlegend für die Wertfestsetzung:

71

Maßgeblicher Zeitraum gemäß § 51 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 FamGKG ist die Zeit von Oktober 2008 bis April 2011. Der Monat April 2010 ist wegen der Antragseinreichung am 18.08.2010 noch Rückstand im Sinne von § 51 Abs. 2 S. 1 FamGKG. Für die Zeit von Oktober 2008 bis April 2010 hat das Amtsgericht 1.643,00 € tituliert, für die Zeit von Mai 2010 bis April 2011 1.104,00 € (12 Monate x 92,00 € [317,00 € abzüglich 92,00 € Kindergeldanteil und weiter abzüglich 133,00 € Leistung nach dem UVG]).

72

Gemäß § 55 Abs. 3 FamGKG ist die erstinstanzliche Wertfestsetzung (4.907,00 €) abzuändern. Für die Zeit von der Antragseinreichung bis zum 29.06.2011 beträgt der zutreffende Wert 1.643,00 € (ursprünglich verlangter Betrag für Oktober 2008 bis April 2010). Darüber hinaus hat der Antragsteller für die für den Verfahrenswert maßgebliche weitere Zeit von Mai 2010 bis April 2011 zunächst keinen Kindesunterhalt geltend gemacht, denn nach der angekündigten Antragstellung sollten weitere Unterhaltszahlungen erst mit dem ersten Tag des auf die letzte mündliche Verhandlung (diese fand am 07.02.2013 statt) folgenden Monats einsetzen.

73

Den für die Verfahrenswertfestsetzung relevanten Zeitraum von Mai 2010 bis April 2011 hat der Antragsteller vielmehr erst mit Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 30.06.2011 ausgefüllt (12 Monate x 225,00 € abzüglich 133,00 € UVG-Leistung = weitere 1.104,00 €).


(1) Zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 heranzuziehen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(1a) Unabhängig von ihrem Einkommen sind nach Maßgabe von § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 94 Absatz 3 heranzuziehen:

1.
Kinder und Jugendliche zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen,
2.
junge Volljährige zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 1, 4 und 8 genannten Leistungen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 19 zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 Nummer 2 genannten Leistungen,
4.
Elternteile zu den Kosten der in § 91 Absatz 1 genannten Leistungen und vorläufigen Maßnahmen; leben sie mit dem jungen Menschen zusammen, so werden sie auch zu den Kosten der in § 91 Absatz 2 genannten Leistungen herangezogen.

(2) Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird; Elternteile werden getrennt herangezogen.

(3) Ein Kostenbeitrag kann bei Eltern ab dem Zeitpunkt erhoben werden, ab welchem dem Pflichtigen die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Ohne vorherige Mitteilung kann ein Kostenbeitrag für den Zeitraum erhoben werden, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war. Entfallen diese Gründe, ist der Pflichtige unverzüglich zu unterrichten.

(4) Ein Kostenbeitrag kann nur erhoben werden, soweit Unterhaltsansprüche vorrangig oder gleichrangig Berechtigter nicht geschmälert werden. Von der Heranziehung der Eltern ist abzusehen, wenn das Kind, die Jugendliche, die junge Volljährige oder die Leistungsberechtigte nach § 19 schwanger ist oder der junge Mensch oder die nach § 19 leistungsberechtigte Person ein leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(5) Von der Heranziehung soll im Einzelfall ganz oder teilweise abgesehen werden, wenn sonst Ziel und Zweck der Leistung gefährdet würden oder sich aus der Heranziehung eine besondere Härte ergäbe. Von der Heranziehung kann abgesehen werden, wenn anzunehmen ist, dass der damit verbundene Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Kostenbeitrag stehen wird.

Schweben zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger Verhandlungen über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert. Die Verjährung tritt frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung ein.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.