Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2014 - 10 ZB 14.524

bei uns veröffentlicht am24.04.2014

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wie sie der Kläger allein geltend macht, bestehen nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch hierauf habe. Der Kläger erfülle die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, weil er derzeit Sozialleistungen beziehe. Auch in der Vergangenheit habe der Kläger immer wieder Sozialleistungen in nicht unerheblichem Ausmaß in Anspruch genommen. Seit 2009 habe er ca. nur sechseinhalb Monate gearbeitet. Die zu treffende Prognoseentscheidung über die künftige Lebensunterhaltssicherung falle auch durch seinen schlechten Gesundheitszustand negativ aus. Auf ein Verschulden für den Sozialleistungsbezug komme es nicht an. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Dies gelte sowohl im Hinblick auf den Sozialleistungsbezug als auch auf das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK. Die berufliche und wirtschaftliche Integration des Klägers sei trotz des langjährigen Aufenthalts gescheitert. Hierbei sei unerheblich, dass der Kläger keine Verwandten mehr im Heimatland habe. Der Vortrag, dass er der serbokroatischen Sprache nicht mächtig sei, sei unglaubhaft, weil er erst als Vierjähriger mit seiner Mutter ins Bundesgebiet eingereist sei und die Mutter später wieder nach Serbien gezogen sei.

Der Kläger bringt im Zulassungsverfahren vor, dass ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben sei. Eine Zusammenschau des 39-jährigen Aufenthalts des Klägers in der Bundesrepublik sowie das fehlende Verschulden am Sozialleistungsbezug begründeten einen Ausnahmefall. Darüber hinaus sei eine Verwurzelung gemäß Art. 8 EMRK unzutreffend verneint worden. Vorliegend sei der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK nicht gerechtfertigt. Eine ernsthafte Begründung für eine Aufenthaltsbeendigung fehle, wenn der Grund des Sozialhilfebezugs nicht verschuldet, sondern schicksalsbedingt sei.

Mit diesen Ausführungen in der Zulassungsbegründung hat der Kläger aber die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass in der Person des Klägers die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt ist. Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung auch aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 Rn. 25). Die Erwerbsbiografie des Klägers zeichnet sich nach dem vorgelegten Rentenverlauf dadurch aus, dass seine Erwerbstätigkeit immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen war und er Arbeitslosengeld oder andere Sozialleistungen bezogen hat. Der Bezug von Sozialleistungen führte letztlich auch dazu, dass bereits erstmals am 14. Oktober 2005 ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und dem Kläger erst am 11. September 2007 erneut eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 7 AufenthG erteilt worden war. Seit dem Jahr 2009 hat der Kläger fast durchgehend Sozialleistungen bezogen. Nach dem vorgelegten Rentenversicherungsverlauf ging der Kläger seit dem 16. Januar 2001 bis heute nur knappe 29 Monate einer Beschäftigung nach. Bei der Prognoseentscheidung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kommt es entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht darauf an, ob der Ausländer unverschuldet Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII in Anspruch nimmt (Dienelt, a. a. O., § 5 Rn. 20). Es ist auch nicht absehbar, dass der Kläger künftig seinen Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit wird sichern können. Durch seine gesundheitlichen Einschränkungen ist er zwar vollschichtig erwerbsfähig, er kann jedoch nur leichte Tätigkeiten ausführen. Zudem ist er mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt wohl nur schwer vermittelbar, weil er keine abgeschlossene Berufsausbildung und durchgängige Erwerbsbiografie nachweisen kann. Die Teilnahme an einem Projekt zur Verbesserung der beruflichen Integration ist bislang ebenfalls erfolglos geblieben.

Ferner hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, das ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung nicht vorliegt. Hierfür müssten entweder besondere, atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels müsste aus Gründen höherrangigen Rechts, wie etwa Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK, geboten sein (Dienelt, a. a. O., § 5 Rn. 29; Maor in Beck´scher Online-Kommentar, AuslR, § 5 Rn. 20; BVerwG U.v. 30.4.2009 - 1 C 3/08 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 28.2.2014 - 10 ZB 13.2410 - juris Rn. 7). Mit der Normierung der Pflicht zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 70). Daher ist bei der Annahme eines Ausnahmefalls ein strenger Maßstab anzulegen (Maor, a. a. O., § 5 Rn. 20). Die Regelerteilungsvoraussetzungen sind deshalb grundsätzlich verschuldensunabhängig anzuwenden (Maor, a. a. O., § 5 Rn. 20). Ein unverschuldeter Sozialleistungsbezug vermag unter Umständen einen Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG begründen, wenn sich der Ausländer persönlich in einer Sondersituation befindet, die sich wesentlich von der anderer Ausländer unterscheidet. Kann ein Ausländer wegen seines Alters oder dauerhafter Erkrankung keine den Lebensunterhalt sichernde Beschäftigung finden, rechtfertigt dies als solches (noch) nicht die Annahme eines Ausnahmefalls (Hailbronner, AuslR, AufenthG, Stand Sept. 2013, § 5 Rn. 18). Es entspricht vielmehr der Regel, die Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2005 - 8 S 8.05 - juris Rn. 8). Denn die Tatsache, dass ein Ausländer aufgrund seines Alters oder einer Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann, stellt keinen Umstand dar, der im Einzelfall von der im gesetzlichen Tatbestand typisierten Konstellation deutlich abweicht. Eine wie im Fall des Klägers aufgrund von mehreren in der Vergangenheit erlittenen Erkrankungen eintretende Einschränkung der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt liegt nicht außerhalb des der gesetzgeberischen Entscheidung zugrundeliegenden Erfahrungshorizonts.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet keinen Ausnahmefall vom Erfordernis der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts zu begründen vermag. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet ein gewichtiges, aber nicht das allein entscheidende Kriterium zur Bestimmung eines vom Regelversagungsgrund abweichenden Ausnahmefalls ist (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2009 - 2 M 132/09 - juris Rn. 4). Vielmehr muss der Ausländer die ihm durch einen langen Aufenthalt gegebene Gelegenheit auch genutzt haben, sich wirtschaftlich und sozial so zu integrieren, dass eine Verfestigung seiner Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eingetreten ist und ihn eine Beendigung des Aufenthalts besonders hart treffen würde. Zu der langjährigen Dauer des Aufenthalts müssen also noch besondere Umstände hinzutreten (SächsOVG, B.v. 5.12.2012 - 3 B 258/12 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 4.12.2013 - 10 CS 13.1449 - juris Rn. 22). Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte „Privatleben“ kann nur angenommen werden, wenn die „Verwurzelung“ des Ausländers infolge fortgeschrittener beruflicher und sozialer Integration bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Reintegration im Herkunftsstaat dazu führt, dass das geschützte Privatleben nur noch hier geführt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2010 - 19 ZB 10.1129 - juris Rn. 7). Der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger eine wirtschaftliche und soziale Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht gelungen ist, ist der Kläger mit seinem Vorbringen im Zulassungsantrag jedoch nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger seinen Sozialhilfebezug nicht zu verantworten habe, reicht für die Annahme einer dauerhaften Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht aus. Auch hat der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach ihm eine Rückkehr in sein Heimatland noch zumutbar sei, weil er nach Auffassung des Gerichts die serbische Sprache beherrsche, nicht (ernsthaft) in Zweifel gezogen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 152


(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 8


(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 7 Aufenthaltserlaubnis


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorg

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bei uns veröffentlicht am 28.02.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5000,- Euro festgesetzt. IV
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Verwaltungsgericht München Urteil, 14. Apr. 2016 - M 24 K 15.5642

bei uns veröffentlicht am 14.04.2016

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung o

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bei uns veröffentlicht am 14.02.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 10 ZB 16.1850

bei uns veröffentlicht am 08.02.2017

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Juli 2017 - M 12 K 17.1107

bei uns veröffentlicht am 20.07.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegu

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel. Sie wird zu den in den nachfolgenden Abschnitten genannten Aufenthaltszwecken erteilt. In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis nach Satz 3 berechtigt nicht zur Erwerbstätigkeit; sie kann nach § 4a Absatz 1 erlaubt werden.

(2) Die Aufenthaltserlaubnis ist unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen. Ist eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen, so kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5000,- Euro festgesetzt.

IV

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Die Klägerin verfolgt mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung ihre in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug weiter.

Der zulässige Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Zulassungsgründe liegen nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn die Klägerin einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung, die Klage der Klägerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu ihrem Ehemann abzuweisen, selbstständig tragend darauf gestützt, dass der Lebensunterhalt der Klägerin nicht gesichert sei (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG) und die nach der RL 2003/86/EG erforderliche Einzelfallprüfung nicht ergebe, dass vom Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts vorliegend abzusehen sei. Die Klägerin halte sich erst seit kurzer Zeit im Bundesgebiet auf. Sie habe, obwohl sie bereits seit 2001 nach islamischem Recht mit ihrem im Bundesgebiet lebenden Ehemann verheiratet sei, bei der Familie des Ehemanns in Pakistan gelebt. Der Ehemann der Klägerin habe keine nennenswerten Bindungen zu seinen deutschen Kindern aus der Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen.

Die Klägerin macht insoweit geltend, das Erstgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass die Klägerin und ihr Ehemann tatsächlich keine Sozialleistungen in Anspruch nähmen, und mit welchem Gewicht die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts in die (Abwägungs-) Entscheidung einzustellen sei. Zudem habe es verkannt, dass Art. 17 RL 2003/86/EG bei der Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung eine Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde fordere. Die Prüfung, ob eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorliege, stelle keine Ermessensentscheidung dar.

Diese Ausführungen stellen aber die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die Entscheidung des Beklagten bestätigt, nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es auch die unionsrechtlichen Vorgaben der RL 2003/86/EG zulassen, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung von der Sicherung des Lebensunterhalts für den jeweiligen Antragsteller durch den Zusammenführenden abhängig zu machen. Gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/86/EG kann der Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreichen. Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht erkannt, dass es bei diesem Nachweis nicht darauf ankommt, ob der Zusammenführende tatsächlich Sozialhilfeleistungen in Anspruch nimmt, sondern anhand abstrakter Kriterien, wie vorliegend den Sozialhilferegelsätzen, zu prüfen ist, ob der Zusammenführende nach der Einreise des Antragstellers Anspruch auf Sozialhilfeleistungen hätte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die RL 2003/86/EG vorsieht, dass der Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen und zu prüfen ist, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich der Zusammenführende aufhält (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 RL 2003/86/EG). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen dargelegt, dass die Einkommensverhältnisse des Ehemanns der Klägerin die Prognose rechtfertigten, die Klägerin und ihr Ehemann könnten künftig nicht ohne die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen den notwendigen Lebensunterhalt sichern, und dass die fehlende Lebensunterhaltssicherung das Interesse der Klägerin an der Aufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft überwiege. Bezüglich der Lebensunterhaltssicherung hat es darauf abgestellt, dass das nach Abzug der Krankenversicherung und der Wohnkosten verbleibende Einkommen des Ehemanns deutlich unter dem nach § 20 Abs. 4 SGB II erforderlichen Mindestmaß dessen, was zur Sicherung des Lebensunterhalts erforderlich ist, bleibe, die Klägerin keinen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhalts leisten werde, die Einkünfte des Ehemanns saisonabhängig und etwaige Krankheits- oder Urlaubszeiten nicht berücksichtigt seien. Im Rahmen der einzelfallbezogenen Prüfung anhand der in Art. 17 RL 2003/86/EG vorgegebenen Kriterien hat das Erstgericht zulasten der Klägerin berücksichtigt, dass sie sich erst seit kurzem in der Bundesrepublik aufhalte, sie trotz der seit 2001 bestehenden Ehe in Pakistan bei der Familie ihres Ehemanns verblieben sei und keine Bindungen in der Bundesrepublik aufgebaut habe. Auch die Beziehung des Ehemanns zu seinen deutschen Kindern hat das Erstgericht gewürdigt. Weder die Prognoseentscheidung zur Lebensunterhaltssicherung noch die Ausführungen zur Einzelfallprüfung nach Art. 17 RL 2003/86/EG hat die Klägerin mit ihrem Vorbringen im Zulassungsantrag mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Die nach Art. 17 RL 2003/86/EG erforderliche Einzelfallprüfung hat das Verwaltungsgericht dadurch vorgenommen, dass es anhand der konkreten Umstände geprüft hat, ob eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zuzulassen ist. Dieses Vorgehen begründet entgegen den Darlegungen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Art. 17 RL 2003/86/EG fordert lediglich eine Berücksichtigung der in der Vorschrift genannten Kriterien in gebührender Weise. Weitere Vorgaben macht die Richtlinie nicht. Auch aus der zitierten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (U. v. 4.3.2010 - Chakroun, C-578/08 - juris) ergibt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht, dass die individuelle Prüfung als Ermessensentscheidung zu erfolgen habe. Der Europäische Gerichtshof verlangt lediglich „eine konkrete Prüfung der einzelnen Situation des Antragstellers“ bzw. „eine individualisierte Prüfung“ (EuGH, U. v. 4.3.2010, a. a. O., Rn. 48). Eine Ausnahme i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kann - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - insbesondere aus verfassungs-, völker- oder unionsrechtlichen Aspekten in Betracht kommen (Funke-Kaiser in Gemeinschaftskommentar, AufenthG, Stand Sept. 2013, § 5 Rn. 22; BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 16.12 - juris Rn. 16). Die Prüfung des Ausnahmefalls bleibt folglich nicht nur auf atypische Umstände des Einzelfalls beschränkt, sondern umfasst gerade auch unionsrechtliche Wertentscheidungen, denen die ausländerrechtliche Entscheidung nicht widersprechen darf (Funke-Kaiser, a. a. O.). Die Einbeziehung der individualisierten Prüfung aus Art. 17 RL 2003/86/EG in die Prüfung des Ausnahmefalls i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG hat daher nicht zur Folge, dass den individuellen Belangen des Antragstellers weniger Gewicht zukäme. Denn ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG ist nicht nur dann anzunehmen, wenn besondere atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, sondern auch wenn dies aus Gründen höherrangigen Rechts, wie etwa Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK, geboten ist (st. Rspr. des BVerwG; U. v. 30.4.2009 - 1 C 3.08 - juris Rn. 13; U. v. 13.6.2013 - 10 C 16.12 juris Rn. 16 ff.). Die Beachtung und im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angemessene Berücksichtigung gerade der (auch) in Art. 17 RL 2003/86/EG genannten familiären Belange des Antragstellers ist damit bei der Prüfung eines Ausnahmefalls ohnehin aufgrund höherrangigen Rechts geboten. Die vom Gerichtshof geforderte ausgewogene und sachgerechte Bewertung der bei der Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung nach Art. 17 RL 2003/86/EG zu berücksichtigenden Interessen (vgl. EuGH, U. v. 6.12.2012 - C-356/11 u. a. - juris Rn. 81) verlangt nichts anderes.

Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, „ob die nach Art. 17 RL 2003/86/EG geforderte Einzelfallprüfung mit der Prüfung des Vorliegens einer Atypik i. S. d. § 5 Abs. 1 AufenthG identisch ist“, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nur dann den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer u. a. erläutert, weshalb die formulierte Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (vgl. etwa BayVGH, B. v. 30.10.2013 -10 ZB 11.1390 - juris Rn. 17). Daran fehlt es vorliegend. Das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 13.6.2013 - 10 C 16.12 - juris Rn. 20) prüft - wie bereits oben dargelegt - im Rahmen der Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, ob alle nach Art. 17 RL 2003/86/EG zu berücksichtigenden Interessen ausgewogen und sachgerecht bewertet werden. Insoweit ist die von der Klägerin aufgeworfene Frage bereits vom Bundesverwaltungsgericht dahingehend beantwortet, dass die Einzelfallprüfung nach Art. 17 RL 2003/86/EG im Rahmen der Ausnahmefallprüfung erfolgt. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich auch nicht mit Blick auf eine erforderliche Auslegung von Unionsrecht. Dann müsste die aufgeworfene Frage die Auslegung von Unionsrecht betreffen und sich für den Verwaltungsgerichtshof voraussichtlich die Notwendigkeit ergeben, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 124 Rn. 10). Die von der Klägerin gestellte Frage betrifft aber letztlich nicht die Auslegung von Unionsrecht, sondern die methodische bzw. verfahrensrechtliche Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben in das bestehende nationale Aufenthaltsrecht. Weder die RL 2003/86/EG noch der Gerichtshof geben vor, wie die ausgewogene und sachgerechte Bewertung der nach Art. 17 RL 2003/86/EG zu berücksichtigenden Interessen methodisch zu erfolgen hat. Dies überlässt der Gerichtshof ausdrücklich den zuständigen nationalen Behörden und Gerichten. Letzteren obliegt es zu prüfen, ob die Entscheidung, mit der ein Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung abgelehnt wurde, unter Beachtung der Art. 7 Abs. 1 Buchst. c RL 2003/86/EG und Art. 7 und 24 Abs. 2 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erfolgt ist (vgl. EuGH, U. v. 6.12.2012 - C-356/11 u. a. - juris Rn. 81 und LS 2).

Führt das Zulassungsvorbringen hinsichtlich eines die Entscheidung des Erstgerichts selbstständig tragenden Grundes nicht zur Zulassung der Berufung, so ist der Antrag auf Zulassung der Berufung schon deshalb abzulehnen.

Unabhängig davon würde aber auch das Vorbringen der Klägerin zum weiteren die Entscheidung des Erstgerichts selbstständig tragenden Grund der Einreise ohne das erforderliche Visum nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache auch insoweit nicht vorliegen.

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auch darauf gestützt, dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht vorliege, weil die Klägerin nicht mit einem Visum zur Familienzusammenführung in das Bundesgebiet eingereist sei. Es hat die Vereinbarkeit der Regelung in § 5 Abs. 2 AufenthG mit der RL 2003/86/EG bejaht.

Das Verwaltungsgericht ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Familienzusammenführung vor der Einreise in den Aufnahmestaat zu stellen und zu prüfen ist. Dies ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 und Art. 13 RL 2003/86/EG. Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 RL 2003/86/EG steht dem nicht entgegen. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Februar 2013 (10 CS 12. 2679) ausgeführt, dass die Gestattung der Einreise und des Aufenthalts nach Art. 4 Abs. 1 UAbs. 1 RL 2003/86/EG nicht nur unter dem Vorbehalt der in Kapitel IV sowie Art. 16 der Richtlinie genannten Bedingungen stehe, sondern dass die Mitgliedstaaten die Einreise und den Aufenthalt ausdrücklich nur „gemäß dieser Richtlinie“ gestatten. Folglich gilt insoweit auch Art. 5 Abs. 3 RL 2003/86/EG, wonach der Antrag für die Gestattung der Einreise zu stellen und zu prüfen ist, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats aufhalten, selbst wenn sich diese Vorschrift im Kapitel III der Richtlinie befindet. Das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsauffassung abzuweichen. Wenn die Klägerin zunächst mit einem Schengen-Visum in die Bundesrepublik eingereist ist, hat sie damit die Anforderungen des Art. 5 Abs. 3 RL 2003/86/EG nicht erfüllt. Die Richtlinie trifft ausschließlich Regelungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung (s. Art. 1 RL 2006/86/EG). Die Vorschriften über die Einreise und die Antragstellung vor der Einreise beziehen sich folglich auf die beabsichtigte Familienzusammenführung. Ein lediglich zu touristischen Zwecken erteiltes Visum genügt damit weder den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 1 AufenthG noch des Art. 5 Abs. 3 RL 2003/86/EG. .

Die von der Klägerin als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, „ob die Voraussetzungen eines subjektiven Rechts auf Familienzusammenführung nur vorliegen, wenn ein Antragsteller ein Visum zur Familienzusammenführung beantragt hat“, führt nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig. Es ergibt sich eindeutig aus Art. 13 RL 2003/86/EG, dass die Einreise des Familienangehörigen erst genehmigt wird, nachdem der Antrag auf Familienzusammenführung geprüft und ihm stattgegeben wurde. Die Einreise setzt somit grundsätzlich eine Antragstellung vom Ausland aus voraus, es sei denn der Mitgliedstaat lässt es zu, dass der Antrag auf Familienzusammenführung erst gestellt wird, wenn sich der Familienangehörige bereits in seinem Hoheitsgebiet befindet (Art. 5 Abs. 3 UAbs. 2 RL 2003/86/EG). Diese Fälle sind im nationalen Aufenthaltsrecht abschließend in §§ 39 ff. AufenthV geregelt. Die Einreise mit einem Schengen-Visum befreit nicht vom Erfordernis der Antragstellung für die Genehmigung der Familienzusammenführung vom Ausland aus.

Der Antrag der Klägerin, ihr unter Beiordnung des von ihr benannten Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren zu bewilligen, ist abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 und § 121 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung (vgl. § 40 EGZPO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013) sind nicht erfüllt.

Nach § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO a. F. erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung der Klägerin bot aber zum für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags (st. Rspr.; vgl. z. B. BayVGH, B. v. 14.5.2013 - 10 C 10.3007 - juris Rn. 6 m. w. N.) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil Zulassungsgründe nicht vorliegen und der Antrag auf Zulassung der Berufung daher abzulehnen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Zulassungsverfahrens folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Einer Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens bedarf es nicht, weil Gerichtskosten nicht erhoben werden und eine Kostenerstattung nach § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4ZPO ausgeschlossen ist.

Da Gerichtskosten nicht erhoben werden, ist eine Streitwertfestsetzung für das Prozesskostenhilfeverfahren entbehrlich.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Augsburg rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.