Verwaltungsgericht München Urteil, 20. Juli 2017 - M 12 K 17.1107

bei uns veröffentlicht am20.07.2017

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.

Der am … geborene Kläger ist usbekischer Staatsangehöriger. Der Kläger hat zwei Söhne deutscher Staatsangehörigkeit, geb. am … 1990 und am … 1996. Der Kläger lebt nicht in häuslicher Gemeinschaft mit seinen Söhnen.

Am … Juli 2007 reiste der Kläger erstmals ins Bundesgebiet ein.

Seit seiner Einreise bezieht der Kläger nach eigenen Angaben SGB II-Leistungen.

Am 7. August 2007 wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug erteilt, die am 18. August 2008, 19. August 2009 und 22. Mai 2012 letztmals bis 22. Mai 2015, verlängert wurde.

Durch Urteil des Amtsgerichts … vom … September 2012 wurde die Ehe des Klägers rechtskräftig geschieden. Die Ehefrau hatte im Scheidungsverfahren angegeben, seit dem 14. Juni 2011 vom Kläger getrennt zu leben. Das Familiengericht kam zu dem Ergebnis, dass beide seit dem 16. Juni 2010 getrennt lebten.

Gemäß Bescheid des Jobcenters München vom 9. Dezember 2014 wurden dem Kläger von Januar 2015 bis Juni 2015 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 616,90 Euro bewilligt.

Am 18. Mai 2015 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug und erhielt eine Erlaubnisfiktion, letztmals verlängert am 15. Dezember 2016.

Gemäß Bescheid des Jobcenters München vom 29. November 2015 bezog der Kläger von Januar 2016 bis Juni 2016 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 621,90 Euro.

Mit Schreiben vom 23. November 2015 wurde der Kläger zur beabsichtigten Antragsablehnung angehört.

Von 25. November 2015 bis 28. Februar 2016 war der Kläger geringfügig mit einem Monatsverdienst von maximal 450,- Euro beim Winterdienst beschäftigt.

Der Kläger teilte am ... Dezember 2015 schriftlich mit, schon seit 2007 in München zu leben und keine Verbindungen zur Heimat zu haben. Er habe mehrmals versucht eine Arbeitsstelle zu finden, aber nur Absagen bekommen. Er bemühe sich weiter um eine Beschäftigung.

Am 28. Februar 2016 schloss der Kläger einen von 29. Februar 2016 bis 28. Februar 2017 befristeten Arbeitsvertrag als …kraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2 Stunden und bei Bedarf 4,5 Stunden und einem Verdienst von 9,80 Euro pro Stunde.

Eine Gehaltsabrechnung vom März 2016 ergab einen Nettoverdienst von 273,68 Euro.

Am … April 2016 legte der Kläger einen Arbeitsvertrag mit geänderten Stundenzahlen vor. Danach arbeitete der Kläger bis 28. Februar 2017 wöchentlich 10 Stunden und bei Bedarf 4,5 Stunden.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2016 wies die Beklagte darauf hin, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten könne. Ausgehend von dem Arbeitsvertrag vom 28. Februar 2016 mit veränderter Stundenzahl verbliebe dem Kläger abzüglich einer Miete von 194,90 Euro ein Bruttoarbeitslohn von 373,50 Euro.

Das Jobcenter München teilte am 22. November 2016 mit, dass Leistungen in Höhe von durchschnittlich 627,90 Euro bezogen würden. Leistungen würden seit dem 17. August 2007 bezogen. Ein Ende des Leistungsbezugs sei nicht abzusehen. Gelegentlich würden kurzfristige geringfügige Beschäftigungen ausgeübt, eine dauerhafte Anrechnung von Arbeitseinkommen sei nicht gegeben.

Gemäß Bescheid des Jobcenters München vom 26. November 2016 wurden dem Kläger von Januar 2017 bis Juni 2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 632,90 Euro bewilligt.

Am … Dezember 2016 legte der Kläger bei der Beklagten sowohl einen Arbeitsvertrag, nach dem er ab 2. November 2016 als Aushilfe im Winterdienst für monatlich 136,- Euro beschäftigt ist, und einen bis 28. Februar 2017 befristeten Arbeitsvertrag, nach dem er als …arbeiter mit maximal 450,- Euro beschäftigt ist, vor.

Mit Bescheid vom 13. Januar 2017 hat die Beklagte den Antrag auf Aufenthaltserlaubnis vom 18. Mai 2015 abgelehnt, den Kläger verpflichtet, das Bundesgebiet zu verlassen und die Abschiebung nach Usbekistan oder einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG bestehe, da der Kläger geschieden sei. Ein Anspruch aus § 31 Abs. 1 AufenthG bestehe nur für den Aufenthalt in dem Jahr nach Ablauf der Gültigkeit der vorangegangenen ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis. Der Anspruch könne sich allenfalls auf den zwischen Mai 2015 und Mai 2016 liegenden einjährigen Aufenthalt beziehen. Ein weiterer Aufenthalt richte sich nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Es stehe entgegen, dass der Lebensunterhalt nicht gesichert sei. Die Privilegierung gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG gelte nur für erstmalige Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 AufenthG. Bei allen weiteren Verlängerungen müsse der Lebensunterhalt gesichert sein. Der Kläger beziehe seit mehr als neun Jahren und auch derzeit SGB II-Leistungen. Er habe zwar während der letzten Jahre zeitweise Anstrengungen unternommen, um den Leistungsbezug zu senken, die aufgenommenen Beschäftigungen hätten aber nicht zu einer Einstellung des Leistungsbezuges geführt. Es sei nicht anzunehmen, dass der Lebensunterhalt künftig auf Dauer eigenständig gesichert werde. Es stünden auch keine anderweitigen Existenzmittel zur Verfügung. Ein Ausnahmefall sei nicht gegeben. Aus dem Alter des Klägers könne auf keine Atypik geschlossen werden. Er habe seit seiner Einreise keine Beschäftigung aufgenommen, die eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts ermögliche. Dem Kläger sei die Rückkehr ins Heimatland zumutbar. Der Kläger habe 54 Jahre im Heimatland gelebt. Die Versagung der Aufenthaltserlaubnis sei nicht unverhältnismäßig. Seine Söhne könne er besuchen und den Kontakt per Telefon und Internet aufrechterhalten.

Mit Schriftsatz vom … Februar 2017, bei Gericht eingegangen am 16. Februar 2017, hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben.

Mit Schreiben vom … März 2017 hat der Kläger ausgeführt, dass er seit 9,5 Jahren in Deutschland lebe und auch seine Söhne hier wohnten. In Usbekistan habe er keine Verwandten und keine Wohnung. Er habe sich bei vielen Firmen beworben, aber Absagen bekommen. Er wolle in Deutschland leben und arbeiten. Er habe Kontakt zu seiner Familie und wolle mit dieser zusammenziehen. Dem Schreiben liegt ein Attest des …-Klinikums bei, wonach beim Kläger eine Alkoholintoxikation und Alkoholabhängigkeit diagnostiziert werden.

Mit Schriftsatz vom 13. April 2017 hat die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsatz vom … Juni 2017 hat der Prozessbevollmächtigte beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Januar 2017 zu verpflichten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Die Ablehnung seines Antrages im Bescheid vom 13. Januar 2017 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Die Beklagte hat dem Kläger zu Recht die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis versagt, da die Voraussetzungen für eine im Ermessen der Beklagten stehende weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 AufenthG nicht vorliegen.

Eine Erteilung der Aufenthaltserlaubnis scheitert daran, dass die auch im Rahmen des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG anzuwendende allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, wonach die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt des Ausländers gesichert ist, nicht vorliegt. Auch liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre.

Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG gesichert.

Zwar muss bei einer erstmaligen Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach § 31 Abs. 1 AufenthG die allgemeine Erteilungsvoraussetzung der Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erfüllt sein. Weitere Verlängerungen nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG setzen aber voraus, dass diese allgemeine Erteilungsvoraussetzung vorliegt (BayVGH, B.v. 17.06.2013 – 10 C 13.881 – juris Rn. 15 m.w.N). Die Privilegierung des § 31 Abs. 4 Satz 1 AufenthG bezieht sich nur auf den Aufenthalt in dem Jahr unmittelbar nach Ablauf der Gültigkeit der ehegattenbezogenen Aufenthaltserlaubnis (vgl. BVerwG, U.v. 22. 6. 2011 – 1 C-5/10). Dieses Jahr endete am 22. Mai 2016.

Nach der gesetzlichen Definition in § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann; die in § 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgeführten öffentlichen Mittel bleiben außer Betracht. Es bedarf mithin der positiven Prognose, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Von einer Sicherung des Lebensunterhaltes kann daher nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen, was nicht allein durch eine punktuelle Betrachtung des jeweils aktuellen Beschäftigungsverhältnisses beurteilt werden kann. Es muss unter Berücksichtigung der Berufschancen und der bisherigen Erwerbsbiografie eine gewisse Verlässlichkeit des Mittelzuflusses gewährleistet sein, die unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit eine positive Prognose zulässt (BayVGH, B.v. 8.2.2017, 10 ZB 16.1850 – juris Rn. 13; B.v. 24.4.2014 – 10 ZB 14.524 - juris Rn. 6). Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (vgl. zusammenfassend Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 25 m.w.N.).

Diese Prognoseentscheidung fällt zu Lasten des Klägers aus.

Der Kläger bezieht seit seiner Einreise 2007 SGB II-Leistungen, zuletzt ausweislich des Bescheids des Jobcenters München in Höhe von 632,90 Euro. Die vom Kläger vorgelegten Arbeitsverträge als …kraft und beim Winterdienst führen aufgrund der geringen Stundenzahl und dem geringen Verdienst pro Stunde nicht dazu, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittelbestreiten kann. Zudem waren die beiden Arbeitsverträge bis 28. Februar 2017 befristet und eine Verlängerung ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Es ist nicht abzusehen, ob und dass der Kläger seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet voraussichtlich in Zukunft aus eigenen Mitteln sicherstellen können wird. Es ist nicht zu erwarten, dass er auf Dauer Arbeitseinkünfte erzielen wird, die seinen Bedarf decken werden. Dies ergibt sich aus einer rückschauenden Betrachtung auf die geringe Erwerbstätigkeit und den Sozialleistungsbezug des Klägers in den vergangenen Jahren und auch aus seinen erfolglos gebliebenen Bewerbungen. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass der Kläger 64 Jahre alt ist und es in diesem Alter deutlich schwerer ist, eine Arbeit zu finden, durch die er seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel sichern kann.

Es ist daher nicht abzusehen, ob und wann der Kläger eine Arbeitsstelle erhalten wird.

Dass beim Kläger eine Alkoholintoxikation und Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, führt zu keiner anderen Entscheidung. Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert ist, kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „unverschuldet“ soziale Leistungen in Anspruch nimmt. Eine derartige Einschränkung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung ist (anders als im Einbürgerungsrecht oder bei § 9 Abs. 2 S. 3, 6 AufenthG) den gesetzlichen Regelungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, welche den fiskalischen Interessen, die mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt werden, ein großes Gewicht einräumen, nicht zu entnehmen (vgl. BayVGH, U.v. 9.12.2005 – 19 B 15.1066 - juris Rn. 42 unter Verweis auf Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 46 m.w.N., Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m.w.N.).

Ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht anzuwenden wäre, ist nicht ersichtlich. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Regelvoraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichem Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U.v. 30. 4. 2009 – 1 C 3.08 – juris, BayVGH, U.v. 19.12.2015 – 19 B 15.1066 – juris Rn. 43, B.v. 24.4.2014 – 10 ZB 14.528 – juris Rn. 7 m.w.N.).

Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigen, liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass ein etwaiges – auf seinen langjährigen Aufenthalt in Deutschland gründendes – Vertrauen des Klägers auf ein weiteres Recht auf Verbleib im Bundesgebiet schutzwürdig wäre. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet ein gewichtiges, aber nicht das allein entscheidende Kriterium zur Bestimmung eines vom Regelversagungsgrund abweichenden Ausnahmefalls ist (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2009 – 2 M 132/09 – juris Rn. 4). Vielmehr muss der Ausländer die ihm durch einen langen Aufenthalt gegebene Gelegenheit auch genutzt haben, sich wirtschaftlich und sozial so zu integrieren, dass eine Verfestigung seiner Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eingetreten ist und ihn eine Beendigung des Aufenthalts besonders hart treffen würde. Zu der langjährigen Dauer des Aufenthalts müssen also noch besondere Umstände hinzutreten (BayVGH, B.v. 4.12.2013 – 10 CS 13.1449 – juris Rn. 22).

Der Kläger hält sich seit 2007 im Bundesgebiet auf. Die eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen Ehefrau ist spätestens durch das Scheidungsurteil des Amtsgerichts M.. … vom … September 2012 beendet. Die beiden Söhne des Klägers sind erwachsen und nicht mehr auf dessen Unterstützung angewiesen. Der Kläger kann diese besuchen und telefonisch sowie per Internet den Kontakt aufrechterhalten. Sonstige schützenswerte familiäre oder anderweitige Bindungen hat der Kläger nicht vorgetragen und sind nicht ersichtlich. Auch beruflich hat sich der Kläger in der Bundesrepublik Deutschland nicht integriert. Das fortgeschrittene Alter des Klägers ist kein atypischer Umstand, der ein Abweichen vom Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertigen würde (BayVGH, U.v. 19.12.2015 - 19 B 15.1066 – juris Rn. 44).

Die Beklagte hat auch zutreffend angenommen, dass die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes verstößt. Der Kläger konnte angesichts des schon lange andauernden Bezugs von Sozialleistungen nicht damit rechnen, dass er eine Aufenthaltserlaubnis erhält. Hinsichtlich der persönlichen Bindungen zu den Söhnen wird nach oben verwiesen. Dem Kläger ist auch zumutbar, sich in seinem Heimatland eine Existenz aufzubauen. Er spricht russisch. Vor seiner Einreise 2007 lebte der Kläger 54 Jahre in seinem Heimatland.

Auch die auf § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG gestützte Abschiebungsandrohung und die auf § 50 AufenthG gestützte Ausreisefrist begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Weitere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 28 Familiennachzug zu Deutschen


(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen 1. Ehegatten eines Deutschen,2. minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,3. Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorgezu erteilen, wenn der Deutsche seinen ge

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 31 Eigenständiges Aufenthaltsrecht der Ehegatten


(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn 1. die eheliche Lebensgemeinschaft

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 50 Ausreisepflicht


(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht. (2) Der Ausländer hat da

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 2 Begriffsbestimmungen


(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist. (2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 9 Niederlassungserlaubnis


(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt. (2) Einem Ausländer ist die Niederl

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 10 ZB 16.1850

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt. Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 09. Dez. 2015 - 19 B 15.1066

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Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 19 B 15.1066 Im Namen des Volkes Urteil vom 9. Dezember 2015 (VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365) 19. Senat Sachgebiet

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 24. Apr. 2014 - 10 ZB 14.524

bei uns veröffentlicht am 24.04.2014

Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründ

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(1) Die Aufenthaltserlaubnis ist dem ausländischen

1.
Ehegatten eines Deutschen,
2.
minderjährigen ledigen Kind eines Deutschen,
3.
Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge
zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Sie ist abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 zu erteilen. Sie soll in der Regel abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 erteilt werden. Sie kann abweichend von § 5 Abs. 1 Nr. 1 dem nicht personensorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen erteilt werden, wenn die familiäre Gemeinschaft schon im Bundesgebiet gelebt wird. § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2, Satz 3 und Abs. 2 Satz 1 ist in den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 entsprechend anzuwenden.

(2) Dem Ausländer ist in der Regel eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn er drei Jahre im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht, kein Ausweisungsinteresse besteht und er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. § 9 Absatz 2 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend. Im Übrigen wird die Aufenthaltserlaubnis verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht.

(3) Die §§ 31 und 34 finden mit der Maßgabe Anwendung, dass an die Stelle des Aufenthaltstitels des Ausländers der gewöhnliche Aufenthalt des Deutschen im Bundesgebiet tritt. Die einem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge erteilte Aufenthaltserlaubnis ist auch nach Eintritt der Volljährigkeit des Kindes zu verlängern, solange das Kind mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebt und das Kind sich in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder Hochschulabschluss führt.

(4) Auf sonstige Familienangehörige findet § 36 entsprechende Anwendung.

(5) (weggefallen)

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

(1) Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist.

(2) Erwerbstätigkeit ist die selbständige Tätigkeit, die Beschäftigung im Sinne von § 7 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und die Tätigkeit als Beamter.

(3) Der Lebensunterhalt eines Ausländers ist gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Nicht als Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gilt der Bezug von:

1.
Kindergeld,
2.
Kinderzuschlag,
3.
Erziehungsgeld,
4.
Elterngeld,
5.
Leistungen der Ausbildungsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem Bundesausbildungsförderungsgesetz und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz,
6.
öffentlichen Mitteln, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen und
7.
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Ist der Ausländer in einer gesetzlichen Krankenversicherung krankenversichert, hat er ausreichenden Krankenversicherungsschutz. Bei der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug werden Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16a bis 16c, 16e sowie 16f mit Ausnahme der Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, als gesichert, wenn der Ausländer über monatliche Mittel in Höhe des monatlichen Bedarfs, der nach den §§ 13 und 13a Abs. 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bestimmt wird, verfügt. Der Lebensunterhalt gilt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 16d, 16f Absatz 1 für Teilnehmer an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, sowie § 17 als gesichert, wenn Mittel entsprechend Satz 5 zuzüglich eines Aufschlages um 10 Prozent zur Verfügung stehen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat gibt die Mindestbeträge nach Satz 5 für jedes Kalenderjahr jeweils bis zum 31. August des Vorjahres im Bundesanzeiger bekannt.

(4) Als ausreichender Wohnraum wird nicht mehr gefordert, als für die Unterbringung eines Wohnungssuchenden in einer öffentlich geförderten Sozialmietwohnung genügt. Der Wohnraum ist nicht ausreichend, wenn er den auch für Deutsche geltenden Rechtsvorschriften hinsichtlich Beschaffenheit und Belegung nicht genügt. Kinder bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres werden bei der Berechnung des für die Familienunterbringung ausreichenden Wohnraumes nicht mitgezählt.

(5) Schengen-Staaten sind die Staaten, in denen folgende Rechtsakte in vollem Umfang Anwendung finden:

1.
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 19),
2.
die Verordnung (EU) 2016/399 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex) (ABl. L 77 vom 23.3.2016, S. 1) und
3.
die Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft (ABl. L 243 vom 15.9.2009, S. 1).

(6) Vorübergehender Schutz im Sinne dieses Gesetzes ist die Aufenthaltsgewährung in Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG des Rates vom 20. Juli 2001 über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen, die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten (ABl. EG Nr. L 212 S. 12).

(7) Langfristig Aufenthaltsberechtigter ist ein Ausländer, dem in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union die Rechtsstellung nach Artikel 2 Buchstabe b der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. EU 2004 Nr. L 16 S. 44), die zuletzt durch die Richtlinie 2011/51/EU (ABl. L 132 vom 19.5.2011, S. 1) geändert worden ist, verliehen und nicht entzogen wurde.

(8) Langfristige Aufenthaltsberechtigung – EU ist der einem langfristig Aufenthaltsberechtigten durch einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellte Aufenthaltstitel nach Artikel 8 der Richtlinie 2003/109/EG.

(9) Einfache deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten Nr. R (98) 6 vom 17. März 1998 zum Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen – GER).

(10) Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau A 2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11) Ausreichende deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(11a) Gute deutsche Sprachkenntnisse entsprechen dem Niveau B2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

(12) Die deutsche Sprache beherrscht ein Ausländer, wenn seine Sprachkenntnisse dem Niveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen entsprechen.

(12a) Eine qualifizierte Berufsausbildung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn es sich um eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf handelt, für den nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren festgelegt ist.

(12b) Eine qualifizierte Beschäftigung im Sinne dieses Gesetzes liegt vor, wenn zu ihrer Ausübung Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich sind, die in einem Studium oder einer qualifizierten Berufsausbildung erworben werden.

(12c) Bildungseinrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind

1.
Ausbildungsbetriebe bei einer betrieblichen Berufsaus- oder Weiterbildung,
2.
Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung.

(13) International Schutzberechtigter ist ein Ausländer, der internationalen Schutz genießt im Sinne der

1.
Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 304 vom 30.9.2004, S. 12) oder
2.
Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9).

(14) Soweit Artikel 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), der die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung betrifft, maßgeblich ist, gelten § 62 Absatz 3a für die widerlegliche Vermutung einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und § 62 Absatz 3b Nummer 1 bis 5 als objektive Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr im Sinne von Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 entsprechend; im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 bleibt Artikel 28 Absatz 2 im Übrigen maßgeblich. Ferner kann ein Anhaltspunkt für Fluchtgefahr vorliegen, wenn

1.
der Ausländer einen Mitgliedstaat vor Abschluss eines dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz verlassen hat und die Umstände der Feststellung im Bundesgebiet konkret darauf hindeuten, dass er den zuständigen Mitgliedstaat in absehbarer Zeit nicht aufsuchen will,
2.
der Ausländer zuvor mehrfach einen Asylantrag in anderen Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 gestellt und den jeweiligen anderen Mitgliedstaat der Asylantragstellung wieder verlassen hat, ohne den Ausgang des dort laufenden Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung oder zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz abzuwarten.
Die für den Antrag auf Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung zuständige Behörde kann einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festhalten und vorläufig in Gewahrsam nehmen, wenn
a)
der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 oder 2 besteht,
b)
die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und
c)
der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Überstellungshaft entziehen will.
Der Ausländer ist unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Überstellungshaft vorzuführen. Auf das Verfahren auf Anordnung von Haft zur Überstellung nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 finden die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend Anwendung, soweit das Verfahren in der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 nicht abweichend geregelt ist.

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis weiter.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich nicht die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

1. Der Kläger verfolgt mit seiner Klage das Ziel, die Beklagte zur Neuverbescheidung seiner Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund eines eigenständigen Aufenthaltsrechts des Ehegatten nach § 31 Abs. 1, Abs. 4 AufenthG zu verpflichten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Recht abgelehnt habe.

Für die (erstmalige) Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für ein Jahr nach dem Ablauf der ehebezogenen Aufenthaltserlaubnis am 11. November 2012 fehle es an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG; zum damaligen Zeitpunkt sei bereits gegen ihn wegen zweier Straftaten ermittelt worden, er habe deshalb einen Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung - a.F.) erfüllt. Gründe für das Vorliegen einer atypischen Fallgestaltung, die zu einer Abweichung vom Regelfall führen könnten, seien nicht erkennbar.

Selbst wenn ein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AufenthG für ein Jahr bestanden hätte, so würden derzeit nicht die Voraussetzungen für eine im Ermessen der Beklagten stehende weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG vorliegen, da derzeit ein Ausweisungsinteresse bestehe und der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, womit zwei Regelerteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AufenthG (n.F.) fehlen würden. Es liege kein atypischer Ausnahmefall vor, der ein Absehen von den genannten Regelerteilungsvoraussetzungen gebieten würde.

2. Mit seinem Vorbringen hat der Kläger die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

a) Bezüglich der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG a.F.) bzw. kein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n.F.), bringt der Kläger vor, dass in seinem Fall aufgrund der persönlichen Umstände ausnahmsweise von der Regel des § 5 Abs. 1 AufenthG abzuweichen sei. Er lebe seit acht Jahren im Bundesgebiet, habe sich hier voll integriert und beherrsche die deutsche Sprache nahezu perfekt. Seine alkoholbedinge Krise, die er überwunden habe, hänge mit der Ehekrise zusammen. Weil sich die Ehefrau von ihm getrennt habe, habe er seinen Halt verloren. In kurzer Zeit sei es zu den Straftaten gekommen, wobei es sich eher um Kleinkriminalität handle. Zuvor und auch nach seiner Inhaftierung habe er sich niemals etwas zuschulden kommen lassen. Seit einem Jahr, nämlich seit dem Zeitpunkt seiner Inhaftierung, sei er nachweislich trocken. Auch habe er jetzt seinen Halt in seiner Christengemeinde gefunden. Deshalb sei die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts falsch, aufgrund der abgebrochenen Therapie im Jahr 2012 bestehe weiterhin die Gefahr eines Rückfalls und damit weiterer Straftaten. Nach allem sei es grob unverhältnismäßig, ihm nun noch seine Straftaten vorzuhalten.

Damit aber hat der Kläger keine Gründe für einen Ausnahmefall vorgetragen, aufgrund derer von der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung abzusehen wäre. Ein derartiger Ausnahmefall ist nur gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelvoraussetzung beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalles nach Sinn und Zweck und unter Beachtung höherrangigen Rechts, wie z.B. des Schutzes von Ehe und Familie i.S.v. Art. 6 GG, als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (vgl. BVerwG, U. v. 13.6.2013 - 10 C 16/12 - juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 9.12.2015 - 19 B 15.1066 - juris Rn. 35; BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.524 - juris Rn. 7; BayVGH, B. v. 4.12.2013 - 10 CS 13.1449, 10 C 1310 C 13.1451 - juris Rn. 21; Maor in Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, Stand 1.11.2016, § 5 AufenthG Rn. 20).

Davon ausgehend, unterscheiden sich die Ausweisungsgründe bzw. das Ausweisungsinteresse, das sich aus den Straftaten des Klägers ergibt, nicht von der Mehrzahl der Fälle, in denen die Ausweisungsgründe bzw. das Ausweisungsinteresse der Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis (als Regelfall) entgegensteht. Insbesondere können die Straftaten nicht wegen eines angeblichen Zusammenhangs mit der Trennung von seiner Ehefrau als „Kleinkriminalität“ relativiert werden. Zwar wurde bei allen fünf Verurteilungen „nur“ eine Geldstrafe verhängt, doch betrafen zwei der Fälle (Vorfälle am 6./7.4.2012 und vom 4.4.2015) erhebliche Gewalttätigkeiten seitens des Klägers. Auch die vom Kläger geltend gemachte Alkoholisierung bei den Taten - die sich so eindeutig aus den Verurteilungen nicht entnehmen lässt - begründet keinen außergewöhnlichen Geschehensablauf, zumal der Kläger außer seiner nicht belegten Behauptung, nunmehr „trocken“ zu sein, keine erfolgreiche Therapie seiner Suchterkrankung (siehe ärztliches Attest, Bl. 182 der Behördenakte) vorweisen kann. Das Verwaltungsgericht hat die persönlichen Belange des Klägers eingehend gewürdigt und ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK oder Art. 6 Abs. 1 GG ein Absehen von den in § 5 Abs. 1 AufenthG genannten Regelerteilungsvoraussetzungen nicht geboten sei.

b) Weiter ist der Kläger der Meinung, im Gegensatz zur Annahme des Verwaltungsgerichts sei auch sein Lebensunterhalt gesichert, weshalb es nicht an der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG fehle. Er habe nach seiner Entlassung aus der Haft keine öffentlichen Mittel mehr in Anspruch genommen; inzwischen habe er auch einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Auch die Wohnsituation sei seit einem Jahr unverändert. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts liege daher ein atypischer Ausnahmefall vor. Er habe seit seiner Einreise bis zur Trennung von der Ehefrau in geordneten Verhältnissen gelebt und sei wirtschaftlich und sozial integriert gewesen. Abgesehen von dem Absturz nach der Trennung habe er nach seiner Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt wieder Anschluss an sein früheres Leben gefunden.

Damit hat der Kläger aber weder die Feststellung des Verwaltungsgerichts, sein Lebensunterhalt sei nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert, noch die Bewertung, dass insoweit kein atypischer Ausnahmefall vorliege, nachhaltig erschüttert.

Das Verwaltungsgericht führt zu Recht aus, dass es insoweit einer positiven Prognose bedarf, dass der Lebensunterhalt des Ausländers in Zukunft ohne Inanspruchnahme anderer öffentlicher Mittel gesichert ist. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts kann nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen, was nicht allein durch eine punktuelle Betrachtung des jeweils aktuellen Beschäftigungsverhältnisses beurteilt werden kann. Es muss unter Berücksichtigung der Berufschancen und der bisherigen Erwerbsbiografie eine gewisse Verlässlichkeit des Mittelzuflusses gewährleistet sein, die unter dem Gesichtspunkt der Dauerhaftigkeit eine positive Prognose zulässt (vgl. z.B. BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.524 - juris Rn. 6). Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht, darauf abgestellt, dass der Kläger erst seit wenigen Tagen vor der mündlichen Verhandlung wieder in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stand und zuvor mehrere Jahre nur zeitweise erwerbstätig war. Dem kann der Kläger letztlich nur entgegensetzen, dass er beabsichtige, wieder an seine frühere Erwerbstätigkeit (vor der Trennung von seiner Ehefrau im Jahr 2012) anzuknüpfen.

Aber selbst wenn man von einem gesicherten Lebensunterhalt ausgehen oder einen atypischen Ausnahmefall im Sinn des § 5 Abs. 1 AufenthG annehmen würde, wäre dies angesichts der fehlenden allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht mehr entscheidungserheblich und könnte nicht mehr zur Zulassung der Berufung führen, weil ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis schon aus anderen Gründen nicht besteht (BayVGH, B. v. 16.3.2016 - 10 ZB 14.2634 - juris Rn. 12).

c) Auch soweit der Kläger in den Schriftsätzen vom 7. Dezember 2016 und vom 19. Dezember 2016 vorträgt, dass er seine Ehefrau, von der er seit 2012 getrennt lebe, im November 2016 wieder getroffen habe, und dass sie beide wieder eine eheliche Lebensgemeinschaft aufnehmen möchten, begründet keine ernsthaften Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts.

Zum einen handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der lange nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (17.10.2016) vorgebracht wurde. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Darlegungsfrist grundsätzlich nur noch insoweit ergänzt werden, als der konkret zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt ist. Eine Ergänzung der Zulassungsgründe liegt aber dann nicht vor, wenn ein neuer, bislang noch nicht dargelegter Zulassungsgrund nach Ablauf der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorgebracht wird oder innerhalb eines Zulassungsgrundes neue selbständige Gründe angeführt werden (BayVGH, B. v. 21.9.2016 - 10 ZB 16.1296 - juris Rn. 11).

Zum anderen ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 1, Abs. 4 AufenthG, also aus eigenständigem Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft; die Neu- oder Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft wäre aber im Rahmen eines neuen Antrags auf Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zu würdigen.

Im Übrigen hat die Ehefrau laut der von der Beklagten am 20. Dezember 2016 aufgenommenen Niederschrift keineswegs die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft erklärt, sondern allenfalls für die Zukunft nicht ausgeschlossen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wie sie der Kläger allein geltend macht, bestehen nicht.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch hierauf habe. Der Kläger erfülle die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, weil er derzeit Sozialleistungen beziehe. Auch in der Vergangenheit habe der Kläger immer wieder Sozialleistungen in nicht unerheblichem Ausmaß in Anspruch genommen. Seit 2009 habe er ca. nur sechseinhalb Monate gearbeitet. Die zu treffende Prognoseentscheidung über die künftige Lebensunterhaltssicherung falle auch durch seinen schlechten Gesundheitszustand negativ aus. Auf ein Verschulden für den Sozialleistungsbezug komme es nicht an. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Dies gelte sowohl im Hinblick auf den Sozialleistungsbezug als auch auf das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK. Die berufliche und wirtschaftliche Integration des Klägers sei trotz des langjährigen Aufenthalts gescheitert. Hierbei sei unerheblich, dass der Kläger keine Verwandten mehr im Heimatland habe. Der Vortrag, dass er der serbokroatischen Sprache nicht mächtig sei, sei unglaubhaft, weil er erst als Vierjähriger mit seiner Mutter ins Bundesgebiet eingereist sei und die Mutter später wieder nach Serbien gezogen sei.

Der Kläger bringt im Zulassungsverfahren vor, dass ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegeben sei. Eine Zusammenschau des 39-jährigen Aufenthalts des Klägers in der Bundesrepublik sowie das fehlende Verschulden am Sozialleistungsbezug begründeten einen Ausnahmefall. Darüber hinaus sei eine Verwurzelung gemäß Art. 8 EMRK unzutreffend verneint worden. Vorliegend sei der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK nicht gerechtfertigt. Eine ernsthafte Begründung für eine Aufenthaltsbeendigung fehle, wenn der Grund des Sozialhilfebezugs nicht verschuldet, sondern schicksalsbedingt sei.

Mit diesen Ausführungen in der Zulassungsbegründung hat der Kläger aber die Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt.

Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass in der Person des Klägers die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt ist. Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung auch aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 Rn. 25). Die Erwerbsbiografie des Klägers zeichnet sich nach dem vorgelegten Rentenverlauf dadurch aus, dass seine Erwerbstätigkeit immer wieder von Zeiten der Arbeitslosigkeit unterbrochen war und er Arbeitslosengeld oder andere Sozialleistungen bezogen hat. Der Bezug von Sozialleistungen führte letztlich auch dazu, dass bereits erstmals am 14. Oktober 2005 ein Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und dem Kläger erst am 11. September 2007 erneut eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 7 AufenthG erteilt worden war. Seit dem Jahr 2009 hat der Kläger fast durchgehend Sozialleistungen bezogen. Nach dem vorgelegten Rentenversicherungsverlauf ging der Kläger seit dem 16. Januar 2001 bis heute nur knappe 29 Monate einer Beschäftigung nach. Bei der Prognoseentscheidung im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG kommt es entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren nicht darauf an, ob der Ausländer unverschuldet Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII in Anspruch nimmt (Dienelt, a. a. O., § 5 Rn. 20). Es ist auch nicht absehbar, dass der Kläger künftig seinen Lebensunterhalt aus eigener Erwerbstätigkeit wird sichern können. Durch seine gesundheitlichen Einschränkungen ist er zwar vollschichtig erwerbsfähig, er kann jedoch nur leichte Tätigkeiten ausführen. Zudem ist er mit den bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen auf dem Arbeitsmarkt wohl nur schwer vermittelbar, weil er keine abgeschlossene Berufsausbildung und durchgängige Erwerbsbiografie nachweisen kann. Die Teilnahme an einem Projekt zur Verbesserung der beruflichen Integration ist bislang ebenfalls erfolglos geblieben.

Ferner hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, das ein Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung nicht vorliegt. Hierfür müssten entweder besondere, atypische Umstände vorliegen, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels müsste aus Gründen höherrangigen Rechts, wie etwa Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK, geboten sein (Dienelt, a. a. O., § 5 Rn. 29; Maor in Beck´scher Online-Kommentar, AuslR, § 5 Rn. 20; BVerwG U.v. 30.4.2009 - 1 C 3/08 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 28.2.2014 - 10 ZB 13.2410 - juris Rn. 7). Mit der Normierung der Pflicht zur Sicherung des Lebensunterhalts in § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG als allgemeine Regelerteilungsvoraussetzung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist (vgl. BT-Drs. 15/420 S. 70). Daher ist bei der Annahme eines Ausnahmefalls ein strenger Maßstab anzulegen (Maor, a. a. O., § 5 Rn. 20). Die Regelerteilungsvoraussetzungen sind deshalb grundsätzlich verschuldensunabhängig anzuwenden (Maor, a. a. O., § 5 Rn. 20). Ein unverschuldeter Sozialleistungsbezug vermag unter Umständen einen Ausnahmefall von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG begründen, wenn sich der Ausländer persönlich in einer Sondersituation befindet, die sich wesentlich von der anderer Ausländer unterscheidet. Kann ein Ausländer wegen seines Alters oder dauerhafter Erkrankung keine den Lebensunterhalt sichernde Beschäftigung finden, rechtfertigt dies als solches (noch) nicht die Annahme eines Ausnahmefalls (Hailbronner, AuslR, AufenthG, Stand Sept. 2013, § 5 Rn. 18). Es entspricht vielmehr der Regel, die Aufenthaltserlaubnis abzulehnen, um die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 4.3.2005 - 8 S 8.05 - juris Rn. 8). Denn die Tatsache, dass ein Ausländer aufgrund seines Alters oder einer Erkrankung keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen kann, stellt keinen Umstand dar, der im Einzelfall von der im gesetzlichen Tatbestand typisierten Konstellation deutlich abweicht. Eine wie im Fall des Klägers aufgrund von mehreren in der Vergangenheit erlittenen Erkrankungen eintretende Einschränkung der Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt liegt nicht außerhalb des der gesetzgeberischen Entscheidung zugrundeliegenden Erfahrungshorizonts.

Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch angenommen, dass der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet keinen Ausnahmefall vom Erfordernis der dauerhaften Sicherung des Lebensunterhalts zu begründen vermag. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet ein gewichtiges, aber nicht das allein entscheidende Kriterium zur Bestimmung eines vom Regelversagungsgrund abweichenden Ausnahmefalls ist (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 31.8.2009 - 2 M 132/09 - juris Rn. 4). Vielmehr muss der Ausländer die ihm durch einen langen Aufenthalt gegebene Gelegenheit auch genutzt haben, sich wirtschaftlich und sozial so zu integrieren, dass eine Verfestigung seiner Lebensverhältnisse im Bundesgebiet eingetreten ist und ihn eine Beendigung des Aufenthalts besonders hart treffen würde. Zu der langjährigen Dauer des Aufenthalts müssen also noch besondere Umstände hinzutreten (SächsOVG, B.v. 5.12.2012 - 3 B 258/12 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 4.12.2013 - 10 CS 13.1449 - juris Rn. 22). Ein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte „Privatleben“ kann nur angenommen werden, wenn die „Verwurzelung“ des Ausländers infolge fortgeschrittener beruflicher und sozialer Integration bei gleichzeitiger Unmöglichkeit der Reintegration im Herkunftsstaat dazu führt, dass das geschützte Privatleben nur noch hier geführt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 13.7.2010 - 19 ZB 10.1129 - juris Rn. 7). Der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass dem Kläger eine wirtschaftliche und soziale Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht gelungen ist, ist der Kläger mit seinem Vorbringen im Zulassungsantrag jedoch nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Allein der Hinweis darauf, dass der Kläger seinen Sozialhilfebezug nicht zu verantworten habe, reicht für die Annahme einer dauerhaften Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse nicht aus. Auch hat der Kläger die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, wonach ihm eine Rückkehr in sein Heimatland noch zumutbar sei, weil er nach Auffassung des Gerichts die serbische Sprache beherrsche, nicht (ernsthaft) in Zweifel gezogen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Die Niederlassungserlaubnis ist ein unbefristeter Aufenthaltstitel. Sie kann nur in den durch dieses Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen mit einer Nebenbestimmung versehen werden. § 47 bleibt unberührt.

(2) Einem Ausländer ist die Niederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn

1.
er seit fünf Jahren die Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
sein Lebensunterhalt gesichert ist,
3.
er mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist; berufliche Ausfallzeiten auf Grund von Kinderbetreuung oder häuslicher Pflege werden entsprechend angerechnet,
4.
Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung unter Berücksichtigung der Schwere oder der Art des Verstoßes gegen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder der vom Ausländer ausgehenden Gefahr unter Berücksichtigung der Dauer des bisherigen Aufenthalts und dem Bestehen von Bindungen im Bundesgebiet nicht entgegenstehen,
5.
ihm die Beschäftigung erlaubt ist, sofern er Arbeitnehmer ist,
6.
er im Besitz der sonstigen für eine dauernde Ausübung seiner Erwerbstätigkeit erforderlichen Erlaubnisse ist,
7.
er über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt,
8.
er über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet verfügt und
9.
er über ausreichenden Wohnraum für sich und seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen verfügt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 sind nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Von diesen Voraussetzungen wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Im Übrigen kann zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 7 und 8 abgesehen werden. Ferner wird davon abgesehen, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und er nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs hatte oder er nach § 44a Abs. 2 Nr. 3 nicht zur Teilnahme am Integrationskurs verpflichtet war. Darüber hinaus wird von den Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 2 und 3 abgesehen, wenn der Ausländer diese aus den in Satz 3 genannten Gründen nicht erfüllen kann.

(3) Bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, genügt es, wenn die Voraussetzungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 durch einen Ehegatten erfüllt werden. Von der Voraussetzung nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird abgesehen, wenn sich der Ausländer in einer Ausbildung befindet, die zu einem anerkannten schulischen oder beruflichen Bildungsabschluss oder einem Hochschulabschluss führt. Satz 1 gilt in den Fällen des § 26 Abs. 4 entsprechend.

(4) Auf die für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis werden folgende Zeiten angerechnet:

1.
die Zeit des früheren Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis, wenn der Ausländer zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Besitz einer Niederlassungserlaubnis war, abzüglich der Zeit der dazwischen liegenden Aufenthalte außerhalb des Bundesgebiets, die zum Erlöschen der Niederlassungserlaubnis führten; angerechnet werden höchstens vier Jahre,
2.
höchstens sechs Monate für jeden Aufenthalt außerhalb des Bundesgebiets, der nicht zum Erlöschen der Aufenthaltserlaubnis führte,
3.
die Zeit eines rechtmäßigen Aufenthalts zum Zweck des Studiums oder der Berufsausbildung im Bundesgebiet zur Hälfte.

(1) Die Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten wird im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn

1.
die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens drei Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat oder
2.
der Ausländer gestorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand
und der Ausländer bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU war, es sei denn, er konnte die Verlängerung aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht rechtzeitig beantragen. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Aufenthaltserlaubnis des Ausländers nicht verlängert oder dem Ausländer keine Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU erteilt werden darf, weil dies durch eine Rechtsnorm wegen des Zwecks des Aufenthalts oder durch eine Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis nach § 8 Abs. 2 ausgeschlossen ist.

(2) Von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 ist abzusehen, soweit es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, dem Ehegatten den weiteren Aufenthalt zu ermöglichen, es sei denn, für den Ausländer ist die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen. Eine besondere Härte liegt insbesondere vor, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit des Ehegatten im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam ist oder aufgehoben worden ist, wenn dem Ehegatten wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht oder wenn dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Ehegatte Opfer häuslicher Gewalt ist. Zu den schutzwürdigen Belangen zählt auch das Wohl eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes. Zur Vermeidung von Missbrauch kann die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ehegatte aus einem von ihm zu vertretenden Grund auf Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch angewiesen ist.

(3) Wenn der Lebensunterhalt des Ehegatten nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft durch Unterhaltsleistungen aus eigenen Mitteln des Ausländers gesichert ist und dieser eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU besitzt, ist dem Ehegatten abweichend von § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 5 und 6 ebenfalls eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen.

(4) Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch steht der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis unbeschadet des Absatzes 2 Satz 4 nicht entgegen. Danach kann die Aufenthaltserlaubnis verlängert werden, solange die Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU nicht vorliegen.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 19 B 15.1066

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 9. Dezember 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365)

19. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte:

Aufenthaltsrecht

Eigenständiges Aufenthaltsrecht des geschiedenen

Ehegatten nach einem Jahr (hier: verneint)

Ausweisungsgrund

Ausweisungsinteresse

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Stadt ..., vertreten durch den Oberbürgermeister, ...

- Beklagte -

beteiligt: Landesanwaltschaft ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen Ausländerrechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 19. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Thumann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof König aufgrund mündlicher Verhandlung am 24. November und am 9. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 26. August 1950 geborene Kläger (vietnamesischer Staatsangehöriger) reiste im Jahr 1991 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylverfahren sowie ein Asylfolgeverfahren blieben erfolglos. Die am 19. Juli 2002 mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossene Ehe des Klägers wurde am 24. September 2010 geschieden. Die letzte dem Kläger wegen dieser Ehe erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 2. Mai 2012 gültig. Vor deren Ablauf (am 20. April 2012) beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Am 23. Februar 2012 verurteilte das Amtsgericht S. den Kläger wegen eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit einem Vergehen der Nötigung, dieses in Tateinheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung und einem Vergehen der Bedrohung, in Tateinheit mit einem Vergehen der Beleidigung in Tatmehrheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 4. Oktober 2012 rechtskräftig. Festgesetzt wurde eine Bewährungszeit von vier Jahren. Den Gründen des Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger an einem nicht mehr genauer zu bestimmenden Tag im Februar 2006 seine am 27. August 1991 geborene Adoptivtochter (die Nichte seiner damaligen Ehefrau) sexuell missbraucht und diese im September sowie Dezember 2009 geschlagen, bedroht und beleidigt hat.

Mit Bescheid vom 4. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf „Erteilung“ einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Nr. 3) und drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe vor allem die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei gegeben. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege kein Ausnahmefall vor. Der Umstand, dass der Kläger mit seinem Opfer in einem Haushalt gelebt habe, begründe keinen Ausnahmefall. Dies gelte auch für die Tatsache, dass sich der Kläger seit 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Besonders schützenswerte familiäre Bindungen lägen im Bundesgebiet nicht vor. Selbst bei Annahme eines Ausnahmefalls wegen des über 20-jährigen Aufenthaltes wäre nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ablehnung des Verlängerungsantrags ebenfalls geboten. Im Übrigen stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert sei. Nicht in Betracht komme auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Am 29. April 2013 erhob der Kläger gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht und trug zur Begründung vor, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Soweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, lägen in seiner Person Umstände vor, die die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls rechtfertigten. Bezüglich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelte es zu berücksichtigen, dass eine aktuelle Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gegeben sei. Der Ausweisungsgrund sei daher unbeachtlich. Aufgrund der konkreten und individuellen Situation des Klägers sei es ausgeschlossen, dass er nochmals vergleichbare oder andere Straftaten begehen werde. Jedenfalls ergebe sich eine Ausnahme von dieser Regelerteilungsvoraussetzung aus der langen Aufenthaltszeit des Klägers, seinem fortgeschrittenen Alter, seiner schlechten Gesundheit, seinen familiären Bindungen in Deutschland (zwei Nichten) und Europa (zwei Söhne in Tschechien) sowie der Tatsache, dass er in Vietnam keine Möglichkeit habe, sein wirtschaftliches Auskommen zu sichern.

Mit Urteil vom 27. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2013 aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei insoweit rechtswidrig, als diese zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass einem Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG entgegen stünden. Da die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen jedoch grundsätzlich im Ermessen stehe, sei die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen gewesen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen, da ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Zwar habe der Kläger in der Vergangenheit trotz Rente und eines Nebenverdienstes bereits öffentliche Leistungen bezogen und dürfte nach der insoweit anzustellenden Prognose auch zukünftig auf solche Leistungen (ergänzend) angewiesen sein. Allerdings bestehe bei ihm wegen einer Schwerbehinderung von 50% eine volle Erwerbsminderung. Diese vom Kläger unverschuldete Erwerbsunfähigkeit und die damit verbundene Unfähigkeit, seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, begründe beim Kläger zusammen mit den Umständen, dass er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befinde, er sich seit über 20 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und seit August 2002 hier auch seinen rechtmäßigen Aufenthalt habe, einen Ausnahmefall. Auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden. Es könne dahinstehen, ob der Ausweisungsgrund dabei überhaupt noch aktuell sei, da der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eine Tat vom Februar 2006 zugrunde liege. Jedenfalls sei auch insoweit von einem Ausnahmefall auszugehen. Der Kläger halte sich seit 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt sei seit August 2002 auch durchgehend rechtmäßig gewesen. In den über 20 Jahren seines Aufenthalts sei der Kläger abgesehen von der bereits genannten Verurteilung lediglich zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Diebstahl). Schwerer wiege die Verurteilung vom 23. Februar 2012. Die Kammer gehe davon aus, dass die begangenen Straftaten, die dieser Verurteilung zugrunde lägen, den besonderen familiären Umständen geschuldet gewesen seien. Eine entsprechende Gefährdungslage bestehe durch die Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau sowie der damit einhergehenden auch räumlichen Trennung von seiner Adoptivtochter nicht mehr und werde im Hinblick auch auf das fortgeschrittene Lebensalter des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch nicht wieder eintreten. Zu berücksichtigen gelte es dabei zudem, dass die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs erst 6 Jahre nach der eigentlichen Tatbegehung erfolgt sei. Zwar sei es in der Folgezeit im Jahr 2009 noch zweimal zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Adoptivtochter und der damaligen Ehefrau gekommen, eine auch nur annähernd so schwere Verfehlung habe der Kläger jedoch seit 2006 nicht mehr begangen. Auch hier könnten schließlich der besondere Umstand, dass der Kläger zu 50% schwerbehindert sei und bei ihm eine volle Erwerbsminderung vorliege, sowie eine gewisse Entfremdung von seinem Heimatland aufgrund des über 20 Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unberücksichtigt bleiben.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei nicht wegen eines Ausnahmefalls unbeachtlich. Dafür reiche, anders als das Verwaltungsgericht meine, die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht aus, zumal der Kläger demnächst das gesetzliche Rentenalter erreiche. Es sei auch zweifelhaft, woher das Verwaltungsgericht die Erkenntnis nehme, es liege eine unverschuldete Erwerbsunfähigkeit vor. Auch könne der Kläger trotz rechtlicher Erwerbsminderung tatsächlich arbeiten und ein gewisses Einkommen erzielen. Hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nehme das Verwaltungsgericht ebenfalls unrichtig eine Ausnahme an. Trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen sexueller Nötigung leugne der Kläger die Straftat nach wie vor. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Gericht zu der Annahme habe gelangen können, dass die begangenen Straftaten sich auf das soziale Umfeld des Klägers beschränkten. Die Geschädigte der Straftaten habe sich gerade einmal sechs Monate im Familienverband des Klägers befunden, als es zu den Straftaten gekommen sei. In diesem kurzen Zeitraum seien noch keine solchen familiären Bindungen entstanden, die sich nennenswert vom bloßen außerfamiliären Kontakten unterschieden. Es handele sich um keine Straftaten, die ein familiäres Umfeld voraussetzten. Das Verwaltungsgericht habe die Annahme einer Atypik einseitig auf den persönlichen Eindruck gestützt, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Auch der zeitliche Abstand zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung rechtfertige keine Ausnahme von der Regel. Die Beklagte habe im wohlverstandenen Sinne des Klägers die Rechtskraft des Strafurteils abgewartet. Die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 50% und die Erwerbsminderung könnten eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht rechtfertigen. Auch mit der Schwerbehinderung und der Erwerbsminderung sei dem Kläger die Begehung von Sexualstraftaten und sonstigen Straftaten möglich. Ebenso wenig könne hier der Aufenthalt des Klägers seit dem Jahr 1991 im Bundesgebiet eine Ausnahme rechtfertigen. Der Kläger spreche bis heute so gut wie kein Wort Deutsch. Er habe sich weder in die Gesellschaft integriert noch hier soziale Bindungen aufgebaut. Berücksichtige man nur den rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers seit August 2002, so ergebe sich ein deutliches Mehrgewicht für die Straftaten. Weiter sei zu beachten, dass das (letzte) Strafverfahren aufgrund der Leugnung der Taten durch den Kläger länger als üblich gedauert habe. Hätte der Täter die Taten zugegeben, wäre die Einholung von psychologischen Gutachten und die Auseinandersetzung mit diesen entbehrlich gewesen. Insofern könne auch die Dauer des Strafverfahrens nicht eine dem Kläger vorteilhafte Ausnahme rechtfertigen. Völlig außer Acht gelassen habe das Gericht die Tatsache, dass der Kläger keine schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet besitze. Auch könne er aus der ihm zustehenden Rente in Vietnam seinen Lebensunterhalt mit einem überdurchschnittlichen Einkommen bestreiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2014 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, er beziehe derzeit keine ergänzenden öffentlichen Leistungen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, er sei vielmehr als Küchenhilfe erwerbstätig. Er sei auch nicht mehr straffällig geworden.

Die Vertreterin des öffentlichen Interesses teilt die Auffassung der Beklagten, stellt jedoch keinen Antrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO), weshalb das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 AufenthG, hilfsweise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG; er hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über sein Begehren erneut zu entscheiden.

Hinsichtlich § 31 AufenthG zielt das Begehren des Klägers auf die Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, nachdem die in § 31 Abs. 1 AufenthG geregelten, der Gewinnung einer eigenständigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage dienenden 12 Monate infolge des Ablaufs der letzten ehebedingten Aufenthaltserlaubnis am 2. Mai 2012 bereits seit mehr als 2 Jahren verstrichen sind (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2011 - 1 C 5/10 - juris, Rn. 13).

Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 hat der Kläger auch den seit 1. August 2015 in Kraft befindlichen § 25b AufenthG angesprochen. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er allerdings deutlich machen lassen, dass er damit keine Änderung des Streitgegenstands herbeiführen wollte (zum Ausweisungsinteresse, das nach § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch diesem Aufenthaltstitel entgegensteht, vgl. nachfolgend Nr. 1).

Der Kläger erfüllt die für beide Anspruchsgrundlagen geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, wonach kein Ausweisungsinteresse bestehen darf (1.). Der Kläger erfüllt die für den Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach der Lebensunterhalt gesichert sein muss (2.). Auch dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG steht die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Von ihr kann zwar insoweit abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Es fehlt jedoch an einer Grundlage für eine solche Ermessensausübung zugunsten des Klägers, denn die in Frage kommenden Absehens-Gründe sind, soweit sie nicht identisch sind mit den für eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung in Frage kommenden Gründen, die nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen (vgl. Nr. 2 lit. b), an den Schwierigkeiten zu orientieren, denen sich aus humanitären Gründen aufgenommene Personen bei der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegenübersehen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 135) und denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenübergestanden hat. Die Erwerbsminderung des Klägers hat andere Ursachen und sie hat Erwerbsmöglichkeiten belassen, die der Kläger nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten nur teilweise und mit Blick auf Sozialleistungen genutzt hat und nutzt (vgl. Nr. 2 lit. a, dd und lit. b). Im Übrigen steht dem Kläger der Anspruch nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht zu, weil seine Ausreise nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (vgl. die Ausführungen mit Blick auf Art. 8 EMRK unter Nr. 1 lit. a, aa, bbb).

1. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Das hier als Regelversagungsgrund festgelegte Ausweisungsinteresse liegt vor (a) und es fehlt an einem atypischen Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre (b).

a) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der mit Wirkung vom 1.8.2015 durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 - BGBl. I S. 1386 - geänderten Fassung - AufenthG n. F. -, die wegen der vorliegenden Verpflichtungsklage anzuwenden ist). Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses finden sich in § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 AufenthG n. F., die allerdings gemäß Art. 9 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 erst am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Diese derzeit bestehende Rechtslage wirft die Frage auf, ob solche noch nicht in Kraft gesetzten Bestimmungen zur Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. herangezogen werden können, oder ob trotz der Neufassung dieser Bestimmung zur Zeit noch die zu ihrer Altfassung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze anzuwenden sind, da die begriffliche Bezugnahme ins Leere geht. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben, weil sowohl im erstgenannten Fall (aa) als auch im anderen Fall (bb) die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vorliegen.

aa) Ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. liegt bei Heranziehung der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Es ist zwar nicht vollkommen eindeutig, ob das Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. bei dieser Auslegung bereits dann vorliegt, wenn das in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. genannte öffentliche Interesse an der Ausweisung (das im Ausweisungsfall noch mit den privaten Belangen - dem Bleibeinteresse - abgewogen werden müsste) gegeben ist (hierzu lit. aaa), oder erst dann, wenn als Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vorgesehenen Abwägung die Ausweisung verfügt werden könnte (hierzu lit. bbb). Dies kann aber offen bleiben, denn vorliegend hat das Bleibeinteresse des Klägers kein Gewicht, das das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiegt. Allerdings spricht für eine Auslegung des Begriffs „Ausweisungsinteresse“ in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. im Sinne eines öffentlichen Interesses an der Ausweisung, dass der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (Stand 7.4.2014, www.ggua.de, recherchiert im August 2015) sowohl im Rahmen des § 5 AufenthG als auch für die Überschrift des § 54 AufenthG noch den Begriff „öffentliches Aufenthaltsinteresse“ verwendet hat (vgl. die Änderungsvorschläge Nrn. 4 und 27, S. 8 und 13 ff. des Referentenentwurfs), dass die Begründungen hierzu (S. 34 ff. und S. 43 ff. des Referentenentwurfs) die Absicht belegen, insoweit die bisherigen Strukturen aufrechtzuerhalten, und dass auch die zum Teil zum 1. August 2015 und zum Teil zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Neufassung - auch wenn sie insoweit den Begriff „Ausweisungsinteresse“ ohne das Beiwort „öffentlich“ gebraucht - dadurch, dass sie den Textgehalt des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. in die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „Bleibeinteresse“ aufspaltet (vgl. § 54 Abs. 1 a. A. sowie § 55 Abs. 1 a. A. AufenthG n. F.), darauf hindeutet, dass der Begriff des Ausweisungsinteresses nicht das Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. beschriebenen Abwägung bezeichnet. Dafür spricht weiter, dass die Bundesregierung in der Gesetzesentwurfsbegründung die Umformulierungen in § 5 AufenthG lediglich als „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ bezeichnet (BT-Drs.18/4097, S. 35) und die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „öffentliches Ausweisungsinteresse“ in § 54 AufenthG gleichsetzt (BT-Drs. 18/4097, S. 50 bis 52). Dementsprechend spricht vieles dafür, unter einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. einen Tatbestand zu verstehen, der in dem erst ab 1. Januar 2016 geltenden § 54 AufenthG n. F. definiert ist (so auch Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 8), und demgemäß von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen ist, wenn der Aufenthalt des Ausländers im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet (so VGH Baden-Württemberg, B. v. 25.8.2015 - 11 S 1500/15 - juris), ohne dass zu prüfen ist, ob im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und frei von Ermessensfehlern erlassen werden könnte.

aaa) Wegen der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers vom 23. Februar 2012 liegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n. F. ein schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Amtsgerichts S. vom 23. Februar 2012 ergebende Ausweisungsinteresse noch beachtlich.

Ein Ausweisungsinteresse ist so lange beachtlich, wie aktuell eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist, mithin noch erheblich ist (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.2, Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 11). Der Umstand, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, schließt eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht aus (vgl. zur alten Rechtslage BayVGH, B. v. 3.1.2007 - 24 CS 06.2634 - juris; Huber, AufenthG, Stand 2010, § 5 Rn. 6). Auch ist das Ausweisungsinteresse unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes nicht verbraucht. Die Beklagte hat dem Kläger keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erteilt und auch sonst nicht zu erkennen gegeben, dass sie in den Straftaten des Klägers keinen Ausweisungsgrund (bzw. kein Ausweisungsinteresse) sieht. Auch der Zeitablauf zwischen der Haupttat (2006) und der Verurteilung (2012) führt nicht zum Verbrauch des Ausweisungsinteresses (zum Verbrauch eines Ausweisungsgrundes vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn.10).

Die Annahme einer aktuellen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist angesichts von Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der Straftaten, die der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. zugrunde liegen, sowie im Hinblick auf sein übriges Verhalten gerechtfertigt. Er hat seine Adoptivtochter, ein zur Tatzeit vierzehnjähriges Mädchen, sexuell missbraucht, in dem er u. a. mit seiner Zunge in das Geschlechtsteil seines Opfers eindrang. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wiegen schwer. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualdelikten stellt wegen der besonderen Empfindlichkeit dieser Personengruppe eine überragend wichtige Aufgabe der Gesellschaft dar. Zur Schwere der Tat trägt weiter bei, dass sie gegenüber einer Schutzbefohlenen begangen worden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den als glaubhaft begutachteten Aussagen seines Opfers (Zeugenvernehmung der KPI S. vom 19.9.2009) schon vor und auch nach der zentralen, im Februar 2006 begangenen Tat die körperliche Nähe seines Adoptivkindes gesucht hat, indem er öfters ohne Anklopfen in das Zimmer seines Opfers gekommen ist, um sie „anzuschauen und zu begutachten“, sie zudem mehrfach unsittlich berührt und gestreichelt hat. Im September 2009 hat er dann erneut versucht, sie zu küssen; er hat sie genötigt, körperlich misshandelt und explizit mit dem Tode bedroht, wenn er „nichts verlangen“ dürfe. Im Dezember 2009 hat der Kläger seine Adoptivtochter noch einmal körperlich misshandelt und beleidigt. Angesichts der weiteren Vorfälle in den Jahren 2006 und 2009 teilt der Senat nicht die auf das zentrale Geschehen im Februar 2006 eingegrenzte, ein Augenblicksversagen nahelegende Sichtweise des Verwaltungsgerichts (vgl. Seite 10 des Urteils). Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Straftaten seien in einem familiären Umfeld geschehen und würden sich nach der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter wohl nicht mehr wiederholen, greift nicht durch. Der Kläger hat in den Terminen vom 3. August 2010, 14. Februar 2012 und 23. Februar 2012 der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht S. die im Februar 2006, September 2009 und Dezember 2009 begangenen Straftaten geleugnet. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2014 hat er gemäß der dort gefertigten Niederschrift erklärt, die Tat nicht begangen zu haben, und ausgeführt, seine Tochter habe manchmal verlangt, dass er sie küsse, vor Gericht habe sie etwas anderes gesagt, er könne das Gegenteil aber nicht beweisen. Insbesondere angesichts der vorliegenden aussagepsychologischen Begutachtung ist eine tatsächliche Grundlage für die Leugnung des Klägers nicht zu erkennen. Er hat sich mit seinen Taten nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine psychologische oder medizinische Behandlung zur Abklärung oder Therapie seines sexuellen Fehlverhaltens in Anspruch genommen. Das Rückfallrisiko besteht unabhängig von der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter. Gelegenheiten zum sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen können sich dem Kläger jederzeit bieten; insbesondere ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass der Kläger erneut Beziehungen zu Personen aufnimmt, in deren Obhut sich Kinder befinden. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf das fortgeschrittene Alter des Klägers greift nicht durch. Der Kläger ist nunmehr 65 Jahre alt. Die Straftaten vom Dezember 2009 hat er im Alter von 59 Jahren begangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es in der dazwischenliegenden Zeit bei dem Kläger zu mentalen oder kontitutionellen Veränderungen gekommen ist, die Straftaten der von ihm begangenen Art und Weise unwahrscheinlich machen. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich seine Persönlichkeitsstruktur in einer das Rückfallrisiko herabsetzenden oder gar beseitigenden Weise geändert haben könnte. Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das vom Ausweisungsverfahren vorausgesetzte Strafurteil erst im Jahr 2012 ergangen ist. Im Übrigen bestehen für eine säumige Verfahrensführung keine Anhaltspunkte. Das vom Kläger unter Druck gesetzte minderjährige Opfer hat sich erst im September 2009 der Polizei offenbart. Die Dauer des Strafverfahrens beruht auf einer umfassenden Beweisaufnahme. Da der Kläger seine Taten geleugnet hat, konnten seinem Opfer die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens und das damit verbundene Wiederaufrufen des Tatgeschehens nicht erspart werden. Das Verteidigungsvorbringen des Klägers hat darüber hinaus eine umfangreiche Begutachtung auch seiner Person erforderlich gemacht.

Der Umstand, dass das Amtsgericht S. in seinem Urteil vom 21. Februar 2012 die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat und der Kläger innerhalb der noch laufenden Bewährungszeit bisher nicht erneut straffällig geworden ist, räumt die Anhaltspunkte für vom Kläger ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10, NVwz 1997, 1119,1120, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - BverwGE 112, 185,193, Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40 und - soweit ersichtlich - zuletztvom 13.12.2012 - 1 C 20/11 - InfAuslR 2013, 169; vgl. auch Discher in GK AufenthG, Stand Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241ff) sind zwar die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Strafvollziehung zur Bewährung von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von solchen strafgerichtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die Prognose, ob der Ausländer eine Gefahr für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, die sein Fernhalten rechtfertigt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten (auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung) und muss daher von den zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten eigenständig getroffen werden. Das nunmehrige Wohlverhalten des Klägers räumt die Anhaltspunkte für von ihm ausgehende Sicherheitsgefahren nicht aus, weil ab dem Jahr 2009 zunächst das Strafverfahren stattgefunden hat, sodann die Bewährungszeit und das ausländerrechtliche Verfahren.

bbb) Ein der Titelerteilung entgegenstehendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. besteht auch dann, wenn es zur Voraussetzung hätte, dass eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Sicherheitsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers zu dem Ergebnis kommt, dass eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei erlassen werden könnte. Es bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Insbesondere wäre eine Ausweisungsverfügung nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger ist im Alter von einundvierzig Jahren (im Jahr 1991) in das Bundesgebiet gekommen. Er hat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen. Zu einer Aufenthaltsbeendigung ist es nicht gekommen, weil er eine Mitwirkung an der für die Rückführung erforderlichen Passausstellung verweigert hat (Bl. 70 ff der Ausländerakte). Auch nach dem bestandskräftigen Abschluss eines Asylfolgeverfahrens ist er seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen. Am 12. Januar 2001 (kurz vor dem Ablauf der ihm bis 20.1.2001 gesetzten Frist) hat er gegenüber dem Landratsamt S. erklärt, er wolle (nach der Scheidung von seiner vietnamesischen Ehefrau) nunmehr eine deutsche Staatsangehörige heiraten. Nach der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen G. ist ihm im August 2002 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Im Februar 2006 hat er die im August 2005 eingereiste, im Vorfeld der Einreise von ihm und seiner Ehefrau adoptierte Tochter seiner Schwägerin missbraucht. Angesichts dieser Umstände kann sich der Kläger auf weniger als 4 Jahre im Bundesgebiet berufen, in denen sein Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gestanden und ihn zur Begründung eines Privatlebens im Sinne des Art 8 EMRK befugt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden Gerichtshof) hat festgestellt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention Ausländern nicht das Recht zusichert, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, und dass ein Staat berechtigt ist, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (EGMR, U. v. 18.10.2006 <Üner> Nr. 46410/99 - juris). Demzufolge kommt den nationalen Vorschriften über die Erteilung von Aufenthaltsrechten maßgebliches Gewicht zu. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 EMRK ein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet auch dann in Betracht, wenn sich die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach den Umständen aufdrängt (vgl. u. a. U. v. 31.1.2006 Nr. 50435/99 - InfAuslR 2006, 298). Vorliegend hat sich vor August 2002 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aufgedrängt. Bis zum Jahr 2002 hat sich der Kläger zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet aufgehalten, das er mit der unzutreffenden Behauptung, von Verfolgung bedroht zu sein, und u. a. mit der Vorlage gefälschter Unterlagen betrieben hat (zum geringen Gewicht von Asylverfahrenszeiten im Rahmen des Art. 8 EMRK vgl. EGMR, U. v. 8.4.2008 Bw.-Nr. 21878/06 Rn. 76). Ab Februar 2006 hat der Kläger eine gewichtige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dargestellt und durch den geschaffenen Ausweisungsgrund die ihm in behördlicher Unkenntnis hiervon erteilten Aufenthaltserlaubnisse entwertet. Nachdem der Kläger bis zum Jahr 2002 auf einen Fortbestand seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht vertrauen durfte, hat seine Tätigkeit als Fliesenleger in dieser Zeit nicht zu berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Bindungen an das Bundesgebiet geführt. In den Jahren 2003 bis 2009 hat der Kläger nicht gearbeitet, vielmehr seinen Lebensunterhalt aus seinem Rentenbezug und dem Einkommen seiner damaligen Ehefrau bestritten. Ab dem Jahr 2009 ist er zwar wieder (in wechselndem Umfang, jedoch nicht vollschichtig) berufstätig gewesen. Die Missbrauchstat hatte hier jedoch bereits stattgefunden, das Ermittlungs-, Straf- und Ausweisungsverfahren war eingeleitet. Die weitgehend fehlenden Deutschkenntnisse des Klägers, die in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Tage getreten sind, sprechen ebenfalls gegen starke Bindungen an das Bundesgebiet. Einen zu berücksichtigenden privaten Belang des Klägers stellt allerdings der Umstand dar, dass ihm seit September 2002 die Schwerbehinderten-Eigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt ist sowie zunächst eine vollständige Erwerbsminderung und - wie in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist - nach dem Jahr 2013 eine teilweise.

Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht verheiratet, er hat hier keine Kinder. Dem von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 behaupteten näheren Kontakt seit mehr als 15 Jahren zu seinen beiden in Tschechien wohnenden erwachsenen Söhnen (mit denen er im Bundesgebiet nie zusammengewohnt hat) steht seine eidesstattliche Versicherung vom 22. Mai 2013 (vorgelegt im Verwaltungsgerichtsverfahren) gegenüber, der zufolge jedenfalls bis zu diesem Tag kein engerer Kontakt zu den Söhnen bestanden hat. Auch sein Hinweis auf zwei im Bundesgebiet lebende Nichten begründet nicht die Annahme wesentlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet. Der behauptete wöchentliche Kontakt reicht hierfür nicht aus, so dass die Frage der Richtigkeit dieser Behauptung offen bleiben kann. Gegen sie sprechen die Pauschalität der Behauptung sowie die offensichtliche Unrichtigkeit der Angaben betreffend die Beziehungen zu den Söhnen.

Es ist nicht dargetan, dass sich der Kläger von seinem Heimatland weitgehend entfremdet hätte. Dort hat er vor seiner Ausreise nach Europa 38 Jahre gelebt. Er war in Vietnam nach seinem Vortrag 18 Jahre berufstätig. Dort wohnen nahe Verwandte (zwei Schwestern). Mit seinen im Bundesgebiet erworbenen Rentenansprüchen von voraussichtlich mindestens 343,93 Euro ab dem 1. Januar 2016 (vgl. Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 2.12.2015 an die Beklagte) ist es ihm möglich, in Vietnam finanziell abgesichert zu leben. Hinzu kommen seine in Vietnam erworbenen Rentenansprüche (vgl. Bl. 26, 46 ff, 89 der Verwaltungsgerichtsakte).

Insgesamt bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, inwieweit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 seit September 2002 (und einer sich ab Oktober 2003 anschließenden vollen, sodann nach dem Jahr 2013 teilweisen Erwerbsminderung) medizinisch gerechtfertigt ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI kann, wer voll erwerbsgemindert ist, nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten. Der Kläger hat zwar (bezogen auf die entsprechende sozialrechtliche Feststellung) nach dem Bekanntwerden der Straftaten vom Februar 2006 und nach der Trennung von seiner erwerbstätigen Frau wieder gearbeitet, dann aber teilweise (ab dem Jahr 2013 und nunmehr erneut) in einem Ausmaß jenseits der Grenzen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (5,5 bzw. 5 Stunden am Tag). Im Termin vom 9. Dezember 2015 zur mündlichen Verhandlung ist zur Sprache gekommen, dass die Absenkung der sozialrechtlichen Feststellung einer vollständigen Erwerbsminderung auf eine teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag erfolgt ist. Eine gesundheitliche Entwicklung, die der Abänderung zugrunde gelegen haben könnte, hat der Kläger trotz entsprechender Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht genannt. Nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom 10. Mai 2004 (Bl. 267 der Ausländerakte) liegen beim Kläger u. a. eine Gebrauchsminderung des rechten Arms, degenerative Veränderungen im Ellenbogen des rechten Arms, eine Nervenschädigung im rechten Arm mit Taubheit/Lähmung sowie körperliche Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund vor. Hierzu heißt es in dem neurologischen Gutachten des Dr. M. vom 25.10.2011 (Bl. 241 ff. der Strafakte), dem Kläger gelinge es nur sehr schlecht, eine fast vollständige Gebrauchsunfähigkeit seines rechten Arms und seiner rechten Hand zu zeigen, es spreche mehr dafür, dass die vom Kläger demonstrierte Funktionsstörung der freien Willensbestimmung im Sinne einer Simulation unterliege, selbst ein amputierter Arm könne nicht alleinig Erwerbsunfähigkeit begründen, auch eine im Jahr 2002 operierte Magenerkrankung führe erfahrungsgemäß nicht zur Erwerbsunfähigkeit, letztlich bleibe als möglicherweise relevant und eine Erwerbsunfähigkeit begründend allein die subjektive Schmerzangabe, der Kläger mache keineswegs den Eindruck von Schmerzgequältheit, ohne konkrete plausibilisierende Diagnose könne die alleinige subjektive Angabe von Schmerzen eine Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.

bb) Soweit für das Bestehen eines Ausweisungsinteresses auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung abzustellen ist, liegen die Voraussetzungen ebenfalls vor. Wie sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. vom 23. Februar 2012 ergibt, hat dieser im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. In einem solchen Fall genügt auch ein vereinzelter Verstoß (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 55 AufenthG Rn. 22, Graßhof in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 13, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 55.2.2.2). Durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat der Kläger einen Ausweisungsgrund verwirklicht (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 6,7). Das Gesetz in seiner bisherigen Fassung unterstellt, dass vom Kläger bereits deshalb eine künftige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, weil er den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt hat (vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., § 5 AufenthG Rn. 11). Nach den bis zum Inkrafttreten der Neufassung geltenden Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn ein Ausweisungsgrund gegeben ist, ohne dass eine Ausweisungsabwägung erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. U. v. 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris Rn. 13 m. w. N.).

b) Gründe für ein Abweichen von der Regel, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels das Fehlen eines Ausweisungsinteresses voraussetzt, liegen nicht vor. Ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalls nach Sinn und Zweck als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (vgl. Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 20, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.4). Davon ausgehend unterscheiden sich die Delinquenz des Klägers, die von ihm ausgehenden Gefahren, seine privaten Belange und seine Gesamtsituation nicht von der Mehrzahl der Fälle, in denen das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses (Ausweisungsgrunds) der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei ein Ausnahmefall gegeben, da ein Fortbestehen einer Gefährdungslage durch den Kläger in Anbetracht der aus dem Jahr 2006 stammenden, familiären Umständen geschuldeten Haupttat nicht mehr bestehe, er sich nach einem Aufenthalt von über zwanzig Jahren im Bundesgebiet in einem fortgeschrittenen Alter befinde, zu 50 Prozent schwerbehindert sei und von einer gewissen Entfremdung von seinem Heimatland auszugehen sei. Eine umfassende Einordnung und Abwägung der gegenläufigen Interessen führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass eine Ausnahme von der Regel nicht vorliegt. Bezug genommen wird auf die Ausführungen zu den öffentlichen und privaten Belangen unter aaa) und bbb).

2. Der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Anschluss an den hier gegebenen Ablauf von einem Jahr nach der spätestens im Jahr 2009 erfolgten Aufhebung der Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau steht zudem § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht gesichert (a) und ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor (b).

a) Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (vgl. zusammenfassend Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 25 m. w. N.).

Diese Prognoseentscheidung fällt zulasten des Klägers aus.

aa) Der Kläger war zwischen den Jahren 1994 und 2003 als unselbstständiger Arbeitnehmer, sodann wieder (zunächst in geringem Umfang) ab dem Jahr 2009 erwerbstätig. Vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Oktober 2013 ging er einer Beschäftigung als Küchenhilfe in dem Imbiss T. nach. Zuletzt hat er dort ab dem 1. März 2013 bei einer Arbeitszeit von 25 Stunden in der Woche 600 Euro verdient (Arbeitsvertrag, Bl. 442 ff. der Ausländerakte). In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er berichtet, dass der Arbeitsvertrag zum 31. Oktober 2015 geendet und er sich im Anschluss daran als arbeitssuchend gemeldet hat. Er hat den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass er am 6. November 2015 im Amt für soziale Leistungen der Beklagten vorgesprochen hat, um einen Antrag zu stellen. Er hat einen Arbeitsvertrag vorgelegt, nach dem er nunmehr seit dem 15. November 2015 in einem anderen Betrieb als Küchenhilfe arbeitet mit einem Monatslohn von 1000 Euro brutto. Die in dem Vertrag nicht vermerkte Arbeitszeit beträgt nach seiner Aussage fünf Stunden am Tag.

bb) Der Kläger hat vom 1. Mai 2010 bis zum 31. August 2012 vom Sozialamt des Landratsamts S. Sozialleistungen in Höhe von monatlich 112,00 bis 509,74 Euro erhalten (Bescheinigung des Landratsamtes S. vom 25.11. 2015). Sodann stand er bis Mai 2013 im Leistungsbezug des Amtes für soziale Leistungen der Beklagten (Auszahlungen von 104,49 bis 373,53 Euro). Dieses Amt hat am 16. November 2015 eine Probeberechnung für die künftige Grundsicherung des Klägers vorgelegt (künftiger Auszahlungsbetrag 595,36 Euro). Die Beklagte hat in Anbetracht neuer Erkenntnisse über die künftigen Rentenansprüche des Klägers am 8. Dezember 2015 (allerdings noch in Unkenntnis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrags) mitgeteilt, dass der Kläger in Zukunft voraussichtlich einen Sozialleistungsbedarf von ca. 380 Euro haben werde.

cc) Davon ausgehend wird der Kläger seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet in Zukunft nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen können. Es ist nicht zu erwarten, dass er auf Dauer Arbeitseinkünfte erzielen wird, die seinen Bedarf von ca. 720 Euro decken (vgl. die Probeberechnung der Beklagten vom 16.11.2015). Dies ergibt sich zum einen aus einer rückschauenden Betrachtung auf die geringe Erwerbstätigkeit und den Sozialleistungsbezug des Klägers in den vergangenen Jahren. Ein Bemühen, die verbliebene Erwerbsfähigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI) zur Erzielung von Einkommen zu nutzen, hat der Kläger ab dem Jahr 2004 bis zur Trennung von seiner damaligen Ehefrau, die im Wesentlichen für den Familienunterhalt gesorgt hat, nicht gezeigt. Nach sich steigernden Arbeitstätigkeiten in den Folgejahren hat er sodann Anfang November 2015 im Hinblick auf seinen Renteneintritt und die einvernehmliche Beendigung seiner Tätigkeit als Küchenhilfe zum 31. Oktober 2015 bei der Beklagten einen weiteren Sozialleistungsbezug beantragt. Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die nunmehr aufgenommene Tätigkeit ab dem 15. November 2015 im Zusammenhang damit steht, dass der Kläger das Renteneintrittsalter erst zum 1. Januar 2016 erreicht, und damit ihre Annahme zum Ausdruck bringt, der Kläger werde wegen des dann eintretenden Grundsicherungsanspruchs die Erwerbstätigkeit nicht lange fortsetzen. Beim Bezug von Grundsicherung (§§ 42 ff. SGB XII) sind die Arbeitseinkünfte des Klägers nach §§ 85 ff. SGB XII grundsätzlich einzusetzen. Die Arbeitsaufnahme mag zudem dem ausländerrechtlichen Verfahren geschuldet sein.

dd) Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert ist, kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „unverschuldet“ Leistungen nach dem hier anzuwendenden SGB XII in Anspruch nimmt. Eine derartige Einschränkung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung ist (anders als im Einbürgerungsrecht oder bei § 9 Abs. 2 S. 3, 6 AufenthG) für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 31 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 AufenthG den gesetzlichen Regelungen, welche den fiskalischen Interessen, die mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt werden, ein großes Gewicht einräumen, nicht zu entnehmen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 46 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N.).

b) Ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Regelvoraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U. v. 30. 4. 2009 - 1 C 3.08 - juris, BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.528 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Recht beseitigen, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der Ausländer zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa Alter oder Gebrechen) nicht in der Lage ist, ist kein derartiger atypischer Umstand (vgl. OVG Berlin, U. v. 21.5.2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 23 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N., Heilbronner, AuslR, Stand September 2013, § 5 AufenthG Rn.18). Ein solches Hindernis liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag künftig bei einer Arbeitszeit von 5 Stunden am Tag ein Einkommen von 1000 Euro im Monat erzielen will. Damit bringt er zum Ausdruck, dass weder sein Alter noch die festgestellte Schwerbehinderung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts entgegenstehen. Ebenso wenig kann deshalb ein Ausnahmefall angenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung ab dem Jahr 2004 nur noch beschränkt Erwerbseinkünfte erzielen und deshalb umfangreichere Rentenansprüche nicht erwerben konnte. Der Kläger konnte zwar als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Von dieser Möglichkeit hat er aber während des ehelichen Zusammenlebens mit seiner damaligen Ehefrau keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr von deren Einkünften und seiner Rente gelebt. Diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen eines atypischen Falls, weil der Kläger kein Bemühen gezeigt hat, seine verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung von Einkommen zu nutzen. Auch der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet als solcher begründet keinen Ausnahmefall, nachdem das Erwerbsverhalten des Klägers während seines Aufenthalts nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 19 B 15.1066

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 9. Dezember 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365)

19. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte:

Aufenthaltsrecht

Eigenständiges Aufenthaltsrecht des geschiedenen

Ehegatten nach einem Jahr (hier: verneint)

Ausweisungsgrund

Ausweisungsinteresse

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Stadt ..., vertreten durch den Oberbürgermeister, ...

- Beklagte -

beteiligt: Landesanwaltschaft ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen Ausländerrechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 19. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Thumann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof König aufgrund mündlicher Verhandlung am 24. November und am 9. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 26. August 1950 geborene Kläger (vietnamesischer Staatsangehöriger) reiste im Jahr 1991 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylverfahren sowie ein Asylfolgeverfahren blieben erfolglos. Die am 19. Juli 2002 mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossene Ehe des Klägers wurde am 24. September 2010 geschieden. Die letzte dem Kläger wegen dieser Ehe erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 2. Mai 2012 gültig. Vor deren Ablauf (am 20. April 2012) beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Am 23. Februar 2012 verurteilte das Amtsgericht S. den Kläger wegen eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit einem Vergehen der Nötigung, dieses in Tateinheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung und einem Vergehen der Bedrohung, in Tateinheit mit einem Vergehen der Beleidigung in Tatmehrheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 4. Oktober 2012 rechtskräftig. Festgesetzt wurde eine Bewährungszeit von vier Jahren. Den Gründen des Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger an einem nicht mehr genauer zu bestimmenden Tag im Februar 2006 seine am 27. August 1991 geborene Adoptivtochter (die Nichte seiner damaligen Ehefrau) sexuell missbraucht und diese im September sowie Dezember 2009 geschlagen, bedroht und beleidigt hat.

Mit Bescheid vom 4. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf „Erteilung“ einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Nr. 3) und drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe vor allem die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei gegeben. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege kein Ausnahmefall vor. Der Umstand, dass der Kläger mit seinem Opfer in einem Haushalt gelebt habe, begründe keinen Ausnahmefall. Dies gelte auch für die Tatsache, dass sich der Kläger seit 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Besonders schützenswerte familiäre Bindungen lägen im Bundesgebiet nicht vor. Selbst bei Annahme eines Ausnahmefalls wegen des über 20-jährigen Aufenthaltes wäre nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ablehnung des Verlängerungsantrags ebenfalls geboten. Im Übrigen stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert sei. Nicht in Betracht komme auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Am 29. April 2013 erhob der Kläger gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht und trug zur Begründung vor, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Soweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, lägen in seiner Person Umstände vor, die die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls rechtfertigten. Bezüglich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelte es zu berücksichtigen, dass eine aktuelle Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gegeben sei. Der Ausweisungsgrund sei daher unbeachtlich. Aufgrund der konkreten und individuellen Situation des Klägers sei es ausgeschlossen, dass er nochmals vergleichbare oder andere Straftaten begehen werde. Jedenfalls ergebe sich eine Ausnahme von dieser Regelerteilungsvoraussetzung aus der langen Aufenthaltszeit des Klägers, seinem fortgeschrittenen Alter, seiner schlechten Gesundheit, seinen familiären Bindungen in Deutschland (zwei Nichten) und Europa (zwei Söhne in Tschechien) sowie der Tatsache, dass er in Vietnam keine Möglichkeit habe, sein wirtschaftliches Auskommen zu sichern.

Mit Urteil vom 27. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2013 aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei insoweit rechtswidrig, als diese zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass einem Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG entgegen stünden. Da die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen jedoch grundsätzlich im Ermessen stehe, sei die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen gewesen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen, da ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Zwar habe der Kläger in der Vergangenheit trotz Rente und eines Nebenverdienstes bereits öffentliche Leistungen bezogen und dürfte nach der insoweit anzustellenden Prognose auch zukünftig auf solche Leistungen (ergänzend) angewiesen sein. Allerdings bestehe bei ihm wegen einer Schwerbehinderung von 50% eine volle Erwerbsminderung. Diese vom Kläger unverschuldete Erwerbsunfähigkeit und die damit verbundene Unfähigkeit, seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, begründe beim Kläger zusammen mit den Umständen, dass er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befinde, er sich seit über 20 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und seit August 2002 hier auch seinen rechtmäßigen Aufenthalt habe, einen Ausnahmefall. Auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden. Es könne dahinstehen, ob der Ausweisungsgrund dabei überhaupt noch aktuell sei, da der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eine Tat vom Februar 2006 zugrunde liege. Jedenfalls sei auch insoweit von einem Ausnahmefall auszugehen. Der Kläger halte sich seit 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt sei seit August 2002 auch durchgehend rechtmäßig gewesen. In den über 20 Jahren seines Aufenthalts sei der Kläger abgesehen von der bereits genannten Verurteilung lediglich zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Diebstahl). Schwerer wiege die Verurteilung vom 23. Februar 2012. Die Kammer gehe davon aus, dass die begangenen Straftaten, die dieser Verurteilung zugrunde lägen, den besonderen familiären Umständen geschuldet gewesen seien. Eine entsprechende Gefährdungslage bestehe durch die Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau sowie der damit einhergehenden auch räumlichen Trennung von seiner Adoptivtochter nicht mehr und werde im Hinblick auch auf das fortgeschrittene Lebensalter des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch nicht wieder eintreten. Zu berücksichtigen gelte es dabei zudem, dass die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs erst 6 Jahre nach der eigentlichen Tatbegehung erfolgt sei. Zwar sei es in der Folgezeit im Jahr 2009 noch zweimal zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Adoptivtochter und der damaligen Ehefrau gekommen, eine auch nur annähernd so schwere Verfehlung habe der Kläger jedoch seit 2006 nicht mehr begangen. Auch hier könnten schließlich der besondere Umstand, dass der Kläger zu 50% schwerbehindert sei und bei ihm eine volle Erwerbsminderung vorliege, sowie eine gewisse Entfremdung von seinem Heimatland aufgrund des über 20 Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unberücksichtigt bleiben.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei nicht wegen eines Ausnahmefalls unbeachtlich. Dafür reiche, anders als das Verwaltungsgericht meine, die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht aus, zumal der Kläger demnächst das gesetzliche Rentenalter erreiche. Es sei auch zweifelhaft, woher das Verwaltungsgericht die Erkenntnis nehme, es liege eine unverschuldete Erwerbsunfähigkeit vor. Auch könne der Kläger trotz rechtlicher Erwerbsminderung tatsächlich arbeiten und ein gewisses Einkommen erzielen. Hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nehme das Verwaltungsgericht ebenfalls unrichtig eine Ausnahme an. Trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen sexueller Nötigung leugne der Kläger die Straftat nach wie vor. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Gericht zu der Annahme habe gelangen können, dass die begangenen Straftaten sich auf das soziale Umfeld des Klägers beschränkten. Die Geschädigte der Straftaten habe sich gerade einmal sechs Monate im Familienverband des Klägers befunden, als es zu den Straftaten gekommen sei. In diesem kurzen Zeitraum seien noch keine solchen familiären Bindungen entstanden, die sich nennenswert vom bloßen außerfamiliären Kontakten unterschieden. Es handele sich um keine Straftaten, die ein familiäres Umfeld voraussetzten. Das Verwaltungsgericht habe die Annahme einer Atypik einseitig auf den persönlichen Eindruck gestützt, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Auch der zeitliche Abstand zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung rechtfertige keine Ausnahme von der Regel. Die Beklagte habe im wohlverstandenen Sinne des Klägers die Rechtskraft des Strafurteils abgewartet. Die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 50% und die Erwerbsminderung könnten eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht rechtfertigen. Auch mit der Schwerbehinderung und der Erwerbsminderung sei dem Kläger die Begehung von Sexualstraftaten und sonstigen Straftaten möglich. Ebenso wenig könne hier der Aufenthalt des Klägers seit dem Jahr 1991 im Bundesgebiet eine Ausnahme rechtfertigen. Der Kläger spreche bis heute so gut wie kein Wort Deutsch. Er habe sich weder in die Gesellschaft integriert noch hier soziale Bindungen aufgebaut. Berücksichtige man nur den rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers seit August 2002, so ergebe sich ein deutliches Mehrgewicht für die Straftaten. Weiter sei zu beachten, dass das (letzte) Strafverfahren aufgrund der Leugnung der Taten durch den Kläger länger als üblich gedauert habe. Hätte der Täter die Taten zugegeben, wäre die Einholung von psychologischen Gutachten und die Auseinandersetzung mit diesen entbehrlich gewesen. Insofern könne auch die Dauer des Strafverfahrens nicht eine dem Kläger vorteilhafte Ausnahme rechtfertigen. Völlig außer Acht gelassen habe das Gericht die Tatsache, dass der Kläger keine schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet besitze. Auch könne er aus der ihm zustehenden Rente in Vietnam seinen Lebensunterhalt mit einem überdurchschnittlichen Einkommen bestreiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2014 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, er beziehe derzeit keine ergänzenden öffentlichen Leistungen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, er sei vielmehr als Küchenhilfe erwerbstätig. Er sei auch nicht mehr straffällig geworden.

Die Vertreterin des öffentlichen Interesses teilt die Auffassung der Beklagten, stellt jedoch keinen Antrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO), weshalb das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 AufenthG, hilfsweise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG; er hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über sein Begehren erneut zu entscheiden.

Hinsichtlich § 31 AufenthG zielt das Begehren des Klägers auf die Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, nachdem die in § 31 Abs. 1 AufenthG geregelten, der Gewinnung einer eigenständigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage dienenden 12 Monate infolge des Ablaufs der letzten ehebedingten Aufenthaltserlaubnis am 2. Mai 2012 bereits seit mehr als 2 Jahren verstrichen sind (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2011 - 1 C 5/10 - juris, Rn. 13).

Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 hat der Kläger auch den seit 1. August 2015 in Kraft befindlichen § 25b AufenthG angesprochen. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er allerdings deutlich machen lassen, dass er damit keine Änderung des Streitgegenstands herbeiführen wollte (zum Ausweisungsinteresse, das nach § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch diesem Aufenthaltstitel entgegensteht, vgl. nachfolgend Nr. 1).

Der Kläger erfüllt die für beide Anspruchsgrundlagen geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, wonach kein Ausweisungsinteresse bestehen darf (1.). Der Kläger erfüllt die für den Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach der Lebensunterhalt gesichert sein muss (2.). Auch dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG steht die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Von ihr kann zwar insoweit abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Es fehlt jedoch an einer Grundlage für eine solche Ermessensausübung zugunsten des Klägers, denn die in Frage kommenden Absehens-Gründe sind, soweit sie nicht identisch sind mit den für eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung in Frage kommenden Gründen, die nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen (vgl. Nr. 2 lit. b), an den Schwierigkeiten zu orientieren, denen sich aus humanitären Gründen aufgenommene Personen bei der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegenübersehen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 135) und denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenübergestanden hat. Die Erwerbsminderung des Klägers hat andere Ursachen und sie hat Erwerbsmöglichkeiten belassen, die der Kläger nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten nur teilweise und mit Blick auf Sozialleistungen genutzt hat und nutzt (vgl. Nr. 2 lit. a, dd und lit. b). Im Übrigen steht dem Kläger der Anspruch nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht zu, weil seine Ausreise nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (vgl. die Ausführungen mit Blick auf Art. 8 EMRK unter Nr. 1 lit. a, aa, bbb).

1. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Das hier als Regelversagungsgrund festgelegte Ausweisungsinteresse liegt vor (a) und es fehlt an einem atypischen Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre (b).

a) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der mit Wirkung vom 1.8.2015 durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 - BGBl. I S. 1386 - geänderten Fassung - AufenthG n. F. -, die wegen der vorliegenden Verpflichtungsklage anzuwenden ist). Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses finden sich in § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 AufenthG n. F., die allerdings gemäß Art. 9 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 erst am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Diese derzeit bestehende Rechtslage wirft die Frage auf, ob solche noch nicht in Kraft gesetzten Bestimmungen zur Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. herangezogen werden können, oder ob trotz der Neufassung dieser Bestimmung zur Zeit noch die zu ihrer Altfassung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze anzuwenden sind, da die begriffliche Bezugnahme ins Leere geht. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben, weil sowohl im erstgenannten Fall (aa) als auch im anderen Fall (bb) die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vorliegen.

aa) Ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. liegt bei Heranziehung der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Es ist zwar nicht vollkommen eindeutig, ob das Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. bei dieser Auslegung bereits dann vorliegt, wenn das in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. genannte öffentliche Interesse an der Ausweisung (das im Ausweisungsfall noch mit den privaten Belangen - dem Bleibeinteresse - abgewogen werden müsste) gegeben ist (hierzu lit. aaa), oder erst dann, wenn als Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vorgesehenen Abwägung die Ausweisung verfügt werden könnte (hierzu lit. bbb). Dies kann aber offen bleiben, denn vorliegend hat das Bleibeinteresse des Klägers kein Gewicht, das das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiegt. Allerdings spricht für eine Auslegung des Begriffs „Ausweisungsinteresse“ in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. im Sinne eines öffentlichen Interesses an der Ausweisung, dass der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (Stand 7.4.2014, www.ggua.de, recherchiert im August 2015) sowohl im Rahmen des § 5 AufenthG als auch für die Überschrift des § 54 AufenthG noch den Begriff „öffentliches Aufenthaltsinteresse“ verwendet hat (vgl. die Änderungsvorschläge Nrn. 4 und 27, S. 8 und 13 ff. des Referentenentwurfs), dass die Begründungen hierzu (S. 34 ff. und S. 43 ff. des Referentenentwurfs) die Absicht belegen, insoweit die bisherigen Strukturen aufrechtzuerhalten, und dass auch die zum Teil zum 1. August 2015 und zum Teil zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Neufassung - auch wenn sie insoweit den Begriff „Ausweisungsinteresse“ ohne das Beiwort „öffentlich“ gebraucht - dadurch, dass sie den Textgehalt des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. in die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „Bleibeinteresse“ aufspaltet (vgl. § 54 Abs. 1 a. A. sowie § 55 Abs. 1 a. A. AufenthG n. F.), darauf hindeutet, dass der Begriff des Ausweisungsinteresses nicht das Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. beschriebenen Abwägung bezeichnet. Dafür spricht weiter, dass die Bundesregierung in der Gesetzesentwurfsbegründung die Umformulierungen in § 5 AufenthG lediglich als „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ bezeichnet (BT-Drs.18/4097, S. 35) und die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „öffentliches Ausweisungsinteresse“ in § 54 AufenthG gleichsetzt (BT-Drs. 18/4097, S. 50 bis 52). Dementsprechend spricht vieles dafür, unter einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. einen Tatbestand zu verstehen, der in dem erst ab 1. Januar 2016 geltenden § 54 AufenthG n. F. definiert ist (so auch Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 8), und demgemäß von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen ist, wenn der Aufenthalt des Ausländers im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet (so VGH Baden-Württemberg, B. v. 25.8.2015 - 11 S 1500/15 - juris), ohne dass zu prüfen ist, ob im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und frei von Ermessensfehlern erlassen werden könnte.

aaa) Wegen der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers vom 23. Februar 2012 liegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n. F. ein schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Amtsgerichts S. vom 23. Februar 2012 ergebende Ausweisungsinteresse noch beachtlich.

Ein Ausweisungsinteresse ist so lange beachtlich, wie aktuell eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist, mithin noch erheblich ist (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.2, Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 11). Der Umstand, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, schließt eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht aus (vgl. zur alten Rechtslage BayVGH, B. v. 3.1.2007 - 24 CS 06.2634 - juris; Huber, AufenthG, Stand 2010, § 5 Rn. 6). Auch ist das Ausweisungsinteresse unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes nicht verbraucht. Die Beklagte hat dem Kläger keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erteilt und auch sonst nicht zu erkennen gegeben, dass sie in den Straftaten des Klägers keinen Ausweisungsgrund (bzw. kein Ausweisungsinteresse) sieht. Auch der Zeitablauf zwischen der Haupttat (2006) und der Verurteilung (2012) führt nicht zum Verbrauch des Ausweisungsinteresses (zum Verbrauch eines Ausweisungsgrundes vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn.10).

Die Annahme einer aktuellen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist angesichts von Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der Straftaten, die der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. zugrunde liegen, sowie im Hinblick auf sein übriges Verhalten gerechtfertigt. Er hat seine Adoptivtochter, ein zur Tatzeit vierzehnjähriges Mädchen, sexuell missbraucht, in dem er u. a. mit seiner Zunge in das Geschlechtsteil seines Opfers eindrang. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wiegen schwer. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualdelikten stellt wegen der besonderen Empfindlichkeit dieser Personengruppe eine überragend wichtige Aufgabe der Gesellschaft dar. Zur Schwere der Tat trägt weiter bei, dass sie gegenüber einer Schutzbefohlenen begangen worden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den als glaubhaft begutachteten Aussagen seines Opfers (Zeugenvernehmung der KPI S. vom 19.9.2009) schon vor und auch nach der zentralen, im Februar 2006 begangenen Tat die körperliche Nähe seines Adoptivkindes gesucht hat, indem er öfters ohne Anklopfen in das Zimmer seines Opfers gekommen ist, um sie „anzuschauen und zu begutachten“, sie zudem mehrfach unsittlich berührt und gestreichelt hat. Im September 2009 hat er dann erneut versucht, sie zu küssen; er hat sie genötigt, körperlich misshandelt und explizit mit dem Tode bedroht, wenn er „nichts verlangen“ dürfe. Im Dezember 2009 hat der Kläger seine Adoptivtochter noch einmal körperlich misshandelt und beleidigt. Angesichts der weiteren Vorfälle in den Jahren 2006 und 2009 teilt der Senat nicht die auf das zentrale Geschehen im Februar 2006 eingegrenzte, ein Augenblicksversagen nahelegende Sichtweise des Verwaltungsgerichts (vgl. Seite 10 des Urteils). Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Straftaten seien in einem familiären Umfeld geschehen und würden sich nach der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter wohl nicht mehr wiederholen, greift nicht durch. Der Kläger hat in den Terminen vom 3. August 2010, 14. Februar 2012 und 23. Februar 2012 der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht S. die im Februar 2006, September 2009 und Dezember 2009 begangenen Straftaten geleugnet. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2014 hat er gemäß der dort gefertigten Niederschrift erklärt, die Tat nicht begangen zu haben, und ausgeführt, seine Tochter habe manchmal verlangt, dass er sie küsse, vor Gericht habe sie etwas anderes gesagt, er könne das Gegenteil aber nicht beweisen. Insbesondere angesichts der vorliegenden aussagepsychologischen Begutachtung ist eine tatsächliche Grundlage für die Leugnung des Klägers nicht zu erkennen. Er hat sich mit seinen Taten nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine psychologische oder medizinische Behandlung zur Abklärung oder Therapie seines sexuellen Fehlverhaltens in Anspruch genommen. Das Rückfallrisiko besteht unabhängig von der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter. Gelegenheiten zum sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen können sich dem Kläger jederzeit bieten; insbesondere ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass der Kläger erneut Beziehungen zu Personen aufnimmt, in deren Obhut sich Kinder befinden. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf das fortgeschrittene Alter des Klägers greift nicht durch. Der Kläger ist nunmehr 65 Jahre alt. Die Straftaten vom Dezember 2009 hat er im Alter von 59 Jahren begangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es in der dazwischenliegenden Zeit bei dem Kläger zu mentalen oder kontitutionellen Veränderungen gekommen ist, die Straftaten der von ihm begangenen Art und Weise unwahrscheinlich machen. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich seine Persönlichkeitsstruktur in einer das Rückfallrisiko herabsetzenden oder gar beseitigenden Weise geändert haben könnte. Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das vom Ausweisungsverfahren vorausgesetzte Strafurteil erst im Jahr 2012 ergangen ist. Im Übrigen bestehen für eine säumige Verfahrensführung keine Anhaltspunkte. Das vom Kläger unter Druck gesetzte minderjährige Opfer hat sich erst im September 2009 der Polizei offenbart. Die Dauer des Strafverfahrens beruht auf einer umfassenden Beweisaufnahme. Da der Kläger seine Taten geleugnet hat, konnten seinem Opfer die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens und das damit verbundene Wiederaufrufen des Tatgeschehens nicht erspart werden. Das Verteidigungsvorbringen des Klägers hat darüber hinaus eine umfangreiche Begutachtung auch seiner Person erforderlich gemacht.

Der Umstand, dass das Amtsgericht S. in seinem Urteil vom 21. Februar 2012 die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat und der Kläger innerhalb der noch laufenden Bewährungszeit bisher nicht erneut straffällig geworden ist, räumt die Anhaltspunkte für vom Kläger ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10, NVwz 1997, 1119,1120, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - BverwGE 112, 185,193, Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40 und - soweit ersichtlich - zuletztvom 13.12.2012 - 1 C 20/11 - InfAuslR 2013, 169; vgl. auch Discher in GK AufenthG, Stand Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241ff) sind zwar die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Strafvollziehung zur Bewährung von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von solchen strafgerichtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die Prognose, ob der Ausländer eine Gefahr für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, die sein Fernhalten rechtfertigt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten (auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung) und muss daher von den zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten eigenständig getroffen werden. Das nunmehrige Wohlverhalten des Klägers räumt die Anhaltspunkte für von ihm ausgehende Sicherheitsgefahren nicht aus, weil ab dem Jahr 2009 zunächst das Strafverfahren stattgefunden hat, sodann die Bewährungszeit und das ausländerrechtliche Verfahren.

bbb) Ein der Titelerteilung entgegenstehendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. besteht auch dann, wenn es zur Voraussetzung hätte, dass eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Sicherheitsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers zu dem Ergebnis kommt, dass eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei erlassen werden könnte. Es bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Insbesondere wäre eine Ausweisungsverfügung nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger ist im Alter von einundvierzig Jahren (im Jahr 1991) in das Bundesgebiet gekommen. Er hat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen. Zu einer Aufenthaltsbeendigung ist es nicht gekommen, weil er eine Mitwirkung an der für die Rückführung erforderlichen Passausstellung verweigert hat (Bl. 70 ff der Ausländerakte). Auch nach dem bestandskräftigen Abschluss eines Asylfolgeverfahrens ist er seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen. Am 12. Januar 2001 (kurz vor dem Ablauf der ihm bis 20.1.2001 gesetzten Frist) hat er gegenüber dem Landratsamt S. erklärt, er wolle (nach der Scheidung von seiner vietnamesischen Ehefrau) nunmehr eine deutsche Staatsangehörige heiraten. Nach der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen G. ist ihm im August 2002 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Im Februar 2006 hat er die im August 2005 eingereiste, im Vorfeld der Einreise von ihm und seiner Ehefrau adoptierte Tochter seiner Schwägerin missbraucht. Angesichts dieser Umstände kann sich der Kläger auf weniger als 4 Jahre im Bundesgebiet berufen, in denen sein Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gestanden und ihn zur Begründung eines Privatlebens im Sinne des Art 8 EMRK befugt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden Gerichtshof) hat festgestellt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention Ausländern nicht das Recht zusichert, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, und dass ein Staat berechtigt ist, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (EGMR, U. v. 18.10.2006 <Üner> Nr. 46410/99 - juris). Demzufolge kommt den nationalen Vorschriften über die Erteilung von Aufenthaltsrechten maßgebliches Gewicht zu. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 EMRK ein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet auch dann in Betracht, wenn sich die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach den Umständen aufdrängt (vgl. u. a. U. v. 31.1.2006 Nr. 50435/99 - InfAuslR 2006, 298). Vorliegend hat sich vor August 2002 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aufgedrängt. Bis zum Jahr 2002 hat sich der Kläger zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet aufgehalten, das er mit der unzutreffenden Behauptung, von Verfolgung bedroht zu sein, und u. a. mit der Vorlage gefälschter Unterlagen betrieben hat (zum geringen Gewicht von Asylverfahrenszeiten im Rahmen des Art. 8 EMRK vgl. EGMR, U. v. 8.4.2008 Bw.-Nr. 21878/06 Rn. 76). Ab Februar 2006 hat der Kläger eine gewichtige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dargestellt und durch den geschaffenen Ausweisungsgrund die ihm in behördlicher Unkenntnis hiervon erteilten Aufenthaltserlaubnisse entwertet. Nachdem der Kläger bis zum Jahr 2002 auf einen Fortbestand seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht vertrauen durfte, hat seine Tätigkeit als Fliesenleger in dieser Zeit nicht zu berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Bindungen an das Bundesgebiet geführt. In den Jahren 2003 bis 2009 hat der Kläger nicht gearbeitet, vielmehr seinen Lebensunterhalt aus seinem Rentenbezug und dem Einkommen seiner damaligen Ehefrau bestritten. Ab dem Jahr 2009 ist er zwar wieder (in wechselndem Umfang, jedoch nicht vollschichtig) berufstätig gewesen. Die Missbrauchstat hatte hier jedoch bereits stattgefunden, das Ermittlungs-, Straf- und Ausweisungsverfahren war eingeleitet. Die weitgehend fehlenden Deutschkenntnisse des Klägers, die in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Tage getreten sind, sprechen ebenfalls gegen starke Bindungen an das Bundesgebiet. Einen zu berücksichtigenden privaten Belang des Klägers stellt allerdings der Umstand dar, dass ihm seit September 2002 die Schwerbehinderten-Eigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt ist sowie zunächst eine vollständige Erwerbsminderung und - wie in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist - nach dem Jahr 2013 eine teilweise.

Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht verheiratet, er hat hier keine Kinder. Dem von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 behaupteten näheren Kontakt seit mehr als 15 Jahren zu seinen beiden in Tschechien wohnenden erwachsenen Söhnen (mit denen er im Bundesgebiet nie zusammengewohnt hat) steht seine eidesstattliche Versicherung vom 22. Mai 2013 (vorgelegt im Verwaltungsgerichtsverfahren) gegenüber, der zufolge jedenfalls bis zu diesem Tag kein engerer Kontakt zu den Söhnen bestanden hat. Auch sein Hinweis auf zwei im Bundesgebiet lebende Nichten begründet nicht die Annahme wesentlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet. Der behauptete wöchentliche Kontakt reicht hierfür nicht aus, so dass die Frage der Richtigkeit dieser Behauptung offen bleiben kann. Gegen sie sprechen die Pauschalität der Behauptung sowie die offensichtliche Unrichtigkeit der Angaben betreffend die Beziehungen zu den Söhnen.

Es ist nicht dargetan, dass sich der Kläger von seinem Heimatland weitgehend entfremdet hätte. Dort hat er vor seiner Ausreise nach Europa 38 Jahre gelebt. Er war in Vietnam nach seinem Vortrag 18 Jahre berufstätig. Dort wohnen nahe Verwandte (zwei Schwestern). Mit seinen im Bundesgebiet erworbenen Rentenansprüchen von voraussichtlich mindestens 343,93 Euro ab dem 1. Januar 2016 (vgl. Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 2.12.2015 an die Beklagte) ist es ihm möglich, in Vietnam finanziell abgesichert zu leben. Hinzu kommen seine in Vietnam erworbenen Rentenansprüche (vgl. Bl. 26, 46 ff, 89 der Verwaltungsgerichtsakte).

Insgesamt bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, inwieweit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 seit September 2002 (und einer sich ab Oktober 2003 anschließenden vollen, sodann nach dem Jahr 2013 teilweisen Erwerbsminderung) medizinisch gerechtfertigt ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI kann, wer voll erwerbsgemindert ist, nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten. Der Kläger hat zwar (bezogen auf die entsprechende sozialrechtliche Feststellung) nach dem Bekanntwerden der Straftaten vom Februar 2006 und nach der Trennung von seiner erwerbstätigen Frau wieder gearbeitet, dann aber teilweise (ab dem Jahr 2013 und nunmehr erneut) in einem Ausmaß jenseits der Grenzen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (5,5 bzw. 5 Stunden am Tag). Im Termin vom 9. Dezember 2015 zur mündlichen Verhandlung ist zur Sprache gekommen, dass die Absenkung der sozialrechtlichen Feststellung einer vollständigen Erwerbsminderung auf eine teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag erfolgt ist. Eine gesundheitliche Entwicklung, die der Abänderung zugrunde gelegen haben könnte, hat der Kläger trotz entsprechender Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht genannt. Nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom 10. Mai 2004 (Bl. 267 der Ausländerakte) liegen beim Kläger u. a. eine Gebrauchsminderung des rechten Arms, degenerative Veränderungen im Ellenbogen des rechten Arms, eine Nervenschädigung im rechten Arm mit Taubheit/Lähmung sowie körperliche Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund vor. Hierzu heißt es in dem neurologischen Gutachten des Dr. M. vom 25.10.2011 (Bl. 241 ff. der Strafakte), dem Kläger gelinge es nur sehr schlecht, eine fast vollständige Gebrauchsunfähigkeit seines rechten Arms und seiner rechten Hand zu zeigen, es spreche mehr dafür, dass die vom Kläger demonstrierte Funktionsstörung der freien Willensbestimmung im Sinne einer Simulation unterliege, selbst ein amputierter Arm könne nicht alleinig Erwerbsunfähigkeit begründen, auch eine im Jahr 2002 operierte Magenerkrankung führe erfahrungsgemäß nicht zur Erwerbsunfähigkeit, letztlich bleibe als möglicherweise relevant und eine Erwerbsunfähigkeit begründend allein die subjektive Schmerzangabe, der Kläger mache keineswegs den Eindruck von Schmerzgequältheit, ohne konkrete plausibilisierende Diagnose könne die alleinige subjektive Angabe von Schmerzen eine Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.

bb) Soweit für das Bestehen eines Ausweisungsinteresses auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung abzustellen ist, liegen die Voraussetzungen ebenfalls vor. Wie sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. vom 23. Februar 2012 ergibt, hat dieser im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. In einem solchen Fall genügt auch ein vereinzelter Verstoß (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 55 AufenthG Rn. 22, Graßhof in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 13, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 55.2.2.2). Durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat der Kläger einen Ausweisungsgrund verwirklicht (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 6,7). Das Gesetz in seiner bisherigen Fassung unterstellt, dass vom Kläger bereits deshalb eine künftige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, weil er den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt hat (vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., § 5 AufenthG Rn. 11). Nach den bis zum Inkrafttreten der Neufassung geltenden Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn ein Ausweisungsgrund gegeben ist, ohne dass eine Ausweisungsabwägung erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. U. v. 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris Rn. 13 m. w. N.).

b) Gründe für ein Abweichen von der Regel, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels das Fehlen eines Ausweisungsinteresses voraussetzt, liegen nicht vor. Ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalls nach Sinn und Zweck als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (vgl. Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 20, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.4). Davon ausgehend unterscheiden sich die Delinquenz des Klägers, die von ihm ausgehenden Gefahren, seine privaten Belange und seine Gesamtsituation nicht von der Mehrzahl der Fälle, in denen das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses (Ausweisungsgrunds) der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei ein Ausnahmefall gegeben, da ein Fortbestehen einer Gefährdungslage durch den Kläger in Anbetracht der aus dem Jahr 2006 stammenden, familiären Umständen geschuldeten Haupttat nicht mehr bestehe, er sich nach einem Aufenthalt von über zwanzig Jahren im Bundesgebiet in einem fortgeschrittenen Alter befinde, zu 50 Prozent schwerbehindert sei und von einer gewissen Entfremdung von seinem Heimatland auszugehen sei. Eine umfassende Einordnung und Abwägung der gegenläufigen Interessen führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass eine Ausnahme von der Regel nicht vorliegt. Bezug genommen wird auf die Ausführungen zu den öffentlichen und privaten Belangen unter aaa) und bbb).

2. Der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Anschluss an den hier gegebenen Ablauf von einem Jahr nach der spätestens im Jahr 2009 erfolgten Aufhebung der Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau steht zudem § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht gesichert (a) und ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor (b).

a) Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (vgl. zusammenfassend Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 25 m. w. N.).

Diese Prognoseentscheidung fällt zulasten des Klägers aus.

aa) Der Kläger war zwischen den Jahren 1994 und 2003 als unselbstständiger Arbeitnehmer, sodann wieder (zunächst in geringem Umfang) ab dem Jahr 2009 erwerbstätig. Vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Oktober 2013 ging er einer Beschäftigung als Küchenhilfe in dem Imbiss T. nach. Zuletzt hat er dort ab dem 1. März 2013 bei einer Arbeitszeit von 25 Stunden in der Woche 600 Euro verdient (Arbeitsvertrag, Bl. 442 ff. der Ausländerakte). In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er berichtet, dass der Arbeitsvertrag zum 31. Oktober 2015 geendet und er sich im Anschluss daran als arbeitssuchend gemeldet hat. Er hat den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass er am 6. November 2015 im Amt für soziale Leistungen der Beklagten vorgesprochen hat, um einen Antrag zu stellen. Er hat einen Arbeitsvertrag vorgelegt, nach dem er nunmehr seit dem 15. November 2015 in einem anderen Betrieb als Küchenhilfe arbeitet mit einem Monatslohn von 1000 Euro brutto. Die in dem Vertrag nicht vermerkte Arbeitszeit beträgt nach seiner Aussage fünf Stunden am Tag.

bb) Der Kläger hat vom 1. Mai 2010 bis zum 31. August 2012 vom Sozialamt des Landratsamts S. Sozialleistungen in Höhe von monatlich 112,00 bis 509,74 Euro erhalten (Bescheinigung des Landratsamtes S. vom 25.11. 2015). Sodann stand er bis Mai 2013 im Leistungsbezug des Amtes für soziale Leistungen der Beklagten (Auszahlungen von 104,49 bis 373,53 Euro). Dieses Amt hat am 16. November 2015 eine Probeberechnung für die künftige Grundsicherung des Klägers vorgelegt (künftiger Auszahlungsbetrag 595,36 Euro). Die Beklagte hat in Anbetracht neuer Erkenntnisse über die künftigen Rentenansprüche des Klägers am 8. Dezember 2015 (allerdings noch in Unkenntnis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrags) mitgeteilt, dass der Kläger in Zukunft voraussichtlich einen Sozialleistungsbedarf von ca. 380 Euro haben werde.

cc) Davon ausgehend wird der Kläger seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet in Zukunft nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen können. Es ist nicht zu erwarten, dass er auf Dauer Arbeitseinkünfte erzielen wird, die seinen Bedarf von ca. 720 Euro decken (vgl. die Probeberechnung der Beklagten vom 16.11.2015). Dies ergibt sich zum einen aus einer rückschauenden Betrachtung auf die geringe Erwerbstätigkeit und den Sozialleistungsbezug des Klägers in den vergangenen Jahren. Ein Bemühen, die verbliebene Erwerbsfähigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI) zur Erzielung von Einkommen zu nutzen, hat der Kläger ab dem Jahr 2004 bis zur Trennung von seiner damaligen Ehefrau, die im Wesentlichen für den Familienunterhalt gesorgt hat, nicht gezeigt. Nach sich steigernden Arbeitstätigkeiten in den Folgejahren hat er sodann Anfang November 2015 im Hinblick auf seinen Renteneintritt und die einvernehmliche Beendigung seiner Tätigkeit als Küchenhilfe zum 31. Oktober 2015 bei der Beklagten einen weiteren Sozialleistungsbezug beantragt. Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die nunmehr aufgenommene Tätigkeit ab dem 15. November 2015 im Zusammenhang damit steht, dass der Kläger das Renteneintrittsalter erst zum 1. Januar 2016 erreicht, und damit ihre Annahme zum Ausdruck bringt, der Kläger werde wegen des dann eintretenden Grundsicherungsanspruchs die Erwerbstätigkeit nicht lange fortsetzen. Beim Bezug von Grundsicherung (§§ 42 ff. SGB XII) sind die Arbeitseinkünfte des Klägers nach §§ 85 ff. SGB XII grundsätzlich einzusetzen. Die Arbeitsaufnahme mag zudem dem ausländerrechtlichen Verfahren geschuldet sein.

dd) Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert ist, kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „unverschuldet“ Leistungen nach dem hier anzuwendenden SGB XII in Anspruch nimmt. Eine derartige Einschränkung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung ist (anders als im Einbürgerungsrecht oder bei § 9 Abs. 2 S. 3, 6 AufenthG) für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 31 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 AufenthG den gesetzlichen Regelungen, welche den fiskalischen Interessen, die mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt werden, ein großes Gewicht einräumen, nicht zu entnehmen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 46 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N.).

b) Ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Regelvoraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U. v. 30. 4. 2009 - 1 C 3.08 - juris, BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.528 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Recht beseitigen, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der Ausländer zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa Alter oder Gebrechen) nicht in der Lage ist, ist kein derartiger atypischer Umstand (vgl. OVG Berlin, U. v. 21.5.2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 23 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N., Heilbronner, AuslR, Stand September 2013, § 5 AufenthG Rn.18). Ein solches Hindernis liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag künftig bei einer Arbeitszeit von 5 Stunden am Tag ein Einkommen von 1000 Euro im Monat erzielen will. Damit bringt er zum Ausdruck, dass weder sein Alter noch die festgestellte Schwerbehinderung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts entgegenstehen. Ebenso wenig kann deshalb ein Ausnahmefall angenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung ab dem Jahr 2004 nur noch beschränkt Erwerbseinkünfte erzielen und deshalb umfangreichere Rentenansprüche nicht erwerben konnte. Der Kläger konnte zwar als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Von dieser Möglichkeit hat er aber während des ehelichen Zusammenlebens mit seiner damaligen Ehefrau keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr von deren Einkünften und seiner Rente gelebt. Diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen eines atypischen Falls, weil der Kläger kein Bemühen gezeigt hat, seine verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung von Einkommen zu nutzen. Auch der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet als solcher begründet keinen Ausnahmefall, nachdem das Erwerbsverhalten des Klägers während seines Aufenthalts nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 19 B 15.1066

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 9. Dezember 2015

(VG Würzburg, Entscheidung vom 27. Januar 2014, Az.: W 7 K 13.365)

19. Senat

Sachgebietsschlüssel: 600

Hauptpunkte:

Aufenthaltsrecht

Eigenständiges Aufenthaltsrecht des geschiedenen

Ehegatten nach einem Jahr (hier: verneint)

Ausweisungsgrund

Ausweisungsinteresse

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Stadt ..., vertreten durch den Oberbürgermeister, ...

- Beklagte -

beteiligt: Landesanwaltschaft ..., als Vertreter des öffentlichen Interesses,

wegen Ausländerrechts;

hier: Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 19. Senat,

durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Herrmann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof Dr. Thumann, den Richter am Verwaltungsgerichtshof König aufgrund mündlicher Verhandlung am 24. November und am 9. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 27. Januar 2014 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 26. August 1950 geborene Kläger (vietnamesischer Staatsangehöriger) reiste im Jahr 1991 in das Bundesgebiet ein. Ein Asylverfahren sowie ein Asylfolgeverfahren blieben erfolglos. Die am 19. Juli 2002 mit einer deutschen Staatsangehörigen geschlossene Ehe des Klägers wurde am 24. September 2010 geschieden. Die letzte dem Kläger wegen dieser Ehe erteilte Aufenthaltserlaubnis war bis zum 2. Mai 2012 gültig. Vor deren Ablauf (am 20. April 2012) beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

Am 23. Februar 2012 verurteilte das Amtsgericht S. den Kläger wegen eines Vergehens des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in Tatmehrheit mit einem Vergehen der Nötigung, dieses in Tateinheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung und einem Vergehen der Bedrohung, in Tateinheit mit einem Vergehen der Beleidigung in Tatmehrheit mit einem Vergehen der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist seit dem 4. Oktober 2012 rechtskräftig. Festgesetzt wurde eine Bewährungszeit von vier Jahren. Den Gründen des Urteils ist zu entnehmen, dass der Kläger an einem nicht mehr genauer zu bestimmenden Tag im Februar 2006 seine am 27. August 1991 geborene Adoptivtochter (die Nichte seiner damaligen Ehefrau) sexuell missbraucht und diese im September sowie Dezember 2009 geschlagen, bedroht und beleidigt hat.

Mit Bescheid vom 4. April 2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf „Erteilung“ einer Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte ihn unter Fristsetzung auf, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Nr. 3) und drohte ihm die Abschiebung nach Vietnam oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat an (Nr. 4). Zur Begründung wurde ausgeführt, der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis stehe vor allem die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Der Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG sei gegeben. Im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege kein Ausnahmefall vor. Der Umstand, dass der Kläger mit seinem Opfer in einem Haushalt gelebt habe, begründe keinen Ausnahmefall. Dies gelte auch für die Tatsache, dass sich der Kläger seit 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Besonders schützenswerte familiäre Bindungen lägen im Bundesgebiet nicht vor. Selbst bei Annahme eines Ausnahmefalls wegen des über 20-jährigen Aufenthaltes wäre nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Ablehnung des Verlängerungsantrags ebenfalls geboten. Im Übrigen stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen, da der Lebensunterhalt des Klägers nicht gesichert sei. Nicht in Betracht komme auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG.

Am 29. April 2013 erhob der Kläger gegen den Bescheid Klage zum Verwaltungsgericht und trug zur Begründung vor, er habe einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG, hilfsweise nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Soweit die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien, lägen in seiner Person Umstände vor, die die Annahme eines atypischen Ausnahmefalls rechtfertigten. Bezüglich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG gelte es zu berücksichtigen, dass eine aktuelle Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder sonstiger erheblicher Interessen der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gegeben sei. Der Ausweisungsgrund sei daher unbeachtlich. Aufgrund der konkreten und individuellen Situation des Klägers sei es ausgeschlossen, dass er nochmals vergleichbare oder andere Straftaten begehen werde. Jedenfalls ergebe sich eine Ausnahme von dieser Regelerteilungsvoraussetzung aus der langen Aufenthaltszeit des Klägers, seinem fortgeschrittenen Alter, seiner schlechten Gesundheit, seinen familiären Bindungen in Deutschland (zwei Nichten) und Europa (zwei Söhne in Tschechien) sowie der Tatsache, dass er in Vietnam keine Möglichkeit habe, sein wirtschaftliches Auskommen zu sichern.

Mit Urteil vom 27. Januar 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. April 2013 aufgehoben und diese verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Bescheid der Beklagten sei insoweit rechtswidrig, als diese zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass einem Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG entgegen stünden. Da die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen jedoch grundsätzlich im Ermessen stehe, sei die Verpflichtung der Beklagten auszusprechen gewesen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG stehe der Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht entgegen, da ein atypischer Ausnahmefall vorliege. Zwar habe der Kläger in der Vergangenheit trotz Rente und eines Nebenverdienstes bereits öffentliche Leistungen bezogen und dürfte nach der insoweit anzustellenden Prognose auch zukünftig auf solche Leistungen (ergänzend) angewiesen sein. Allerdings bestehe bei ihm wegen einer Schwerbehinderung von 50% eine volle Erwerbsminderung. Diese vom Kläger unverschuldete Erwerbsunfähigkeit und die damit verbundene Unfähigkeit, seinen Lebensunterhalt vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, begründe beim Kläger zusammen mit den Umständen, dass er sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter befinde, er sich seit über 20 Jahren im Bundesgebiet aufhalte und seit August 2002 hier auch seinen rechtmäßigen Aufenthalt habe, einen Ausnahmefall. Auch die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG könne dem Kläger nicht entgegen gehalten werden. Es könne dahinstehen, ob der Ausweisungsgrund dabei überhaupt noch aktuell sei, da der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen eine Tat vom Februar 2006 zugrunde liege. Jedenfalls sei auch insoweit von einem Ausnahmefall auszugehen. Der Kläger halte sich seit 1991 ununterbrochen im Bundesgebiet auf, sein Aufenthalt sei seit August 2002 auch durchgehend rechtmäßig gewesen. In den über 20 Jahren seines Aufenthalts sei der Kläger abgesehen von der bereits genannten Verurteilung lediglich zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, Diebstahl). Schwerer wiege die Verurteilung vom 23. Februar 2012. Die Kammer gehe davon aus, dass die begangenen Straftaten, die dieser Verurteilung zugrunde lägen, den besonderen familiären Umständen geschuldet gewesen seien. Eine entsprechende Gefährdungslage bestehe durch die Scheidung des Klägers von seiner Ehefrau sowie der damit einhergehenden auch räumlichen Trennung von seiner Adoptivtochter nicht mehr und werde im Hinblick auch auf das fortgeschrittene Lebensalter des Klägers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch nicht wieder eintreten. Zu berücksichtigen gelte es dabei zudem, dass die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs erst 6 Jahre nach der eigentlichen Tatbegehung erfolgt sei. Zwar sei es in der Folgezeit im Jahr 2009 noch zweimal zu handgreiflichen Auseinandersetzungen mit der Adoptivtochter und der damaligen Ehefrau gekommen, eine auch nur annähernd so schwere Verfehlung habe der Kläger jedoch seit 2006 nicht mehr begangen. Auch hier könnten schließlich der besondere Umstand, dass der Kläger zu 50% schwerbehindert sei und bei ihm eine volle Erwerbsminderung vorliege, sowie eine gewisse Entfremdung von seinem Heimatland aufgrund des über 20 Jahre währenden Aufenthalts im Bundesgebiet nicht unberücksichtigt bleiben.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.

Zur Begründung der Berufung trägt die Beklagte vor, der Lebensunterhalt des Klägers sei nicht gesichert. Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sei nicht wegen eines Ausnahmefalls unbeachtlich. Dafür reiche, anders als das Verwaltungsgericht meine, die volle Erwerbsminderung des Klägers nicht aus, zumal der Kläger demnächst das gesetzliche Rentenalter erreiche. Es sei auch zweifelhaft, woher das Verwaltungsgericht die Erkenntnis nehme, es liege eine unverschuldete Erwerbsunfähigkeit vor. Auch könne der Kläger trotz rechtlicher Erwerbsminderung tatsächlich arbeiten und ein gewisses Einkommen erzielen. Hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nehme das Verwaltungsgericht ebenfalls unrichtig eine Ausnahme an. Trotz rechtskräftiger Verurteilung wegen sexueller Nötigung leugne der Kläger die Straftat nach wie vor. Es sei nicht nachvollziehbar, wie das Gericht zu der Annahme habe gelangen können, dass die begangenen Straftaten sich auf das soziale Umfeld des Klägers beschränkten. Die Geschädigte der Straftaten habe sich gerade einmal sechs Monate im Familienverband des Klägers befunden, als es zu den Straftaten gekommen sei. In diesem kurzen Zeitraum seien noch keine solchen familiären Bindungen entstanden, die sich nennenswert vom bloßen außerfamiliären Kontakten unterschieden. Es handele sich um keine Straftaten, die ein familiäres Umfeld voraussetzten. Das Verwaltungsgericht habe die Annahme einer Atypik einseitig auf den persönlichen Eindruck gestützt, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht habe. Auch der zeitliche Abstand zwischen Tatbegehung und rechtskräftiger Verurteilung rechtfertige keine Ausnahme von der Regel. Die Beklagte habe im wohlverstandenen Sinne des Klägers die Rechtskraft des Strafurteils abgewartet. Die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad der Behinderung von 50% und die Erwerbsminderung könnten eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht rechtfertigen. Auch mit der Schwerbehinderung und der Erwerbsminderung sei dem Kläger die Begehung von Sexualstraftaten und sonstigen Straftaten möglich. Ebenso wenig könne hier der Aufenthalt des Klägers seit dem Jahr 1991 im Bundesgebiet eine Ausnahme rechtfertigen. Der Kläger spreche bis heute so gut wie kein Wort Deutsch. Er habe sich weder in die Gesellschaft integriert noch hier soziale Bindungen aufgebaut. Berücksichtige man nur den rechtmäßigen Aufenthalt des Klägers seit August 2002, so ergebe sich ein deutliches Mehrgewicht für die Straftaten. Weiter sei zu beachten, dass das (letzte) Strafverfahren aufgrund der Leugnung der Taten durch den Kläger länger als üblich gedauert habe. Hätte der Täter die Taten zugegeben, wäre die Einholung von psychologischen Gutachten und die Auseinandersetzung mit diesen entbehrlich gewesen. Insofern könne auch die Dauer des Strafverfahrens nicht eine dem Kläger vorteilhafte Ausnahme rechtfertigen. Völlig außer Acht gelassen habe das Gericht die Tatsache, dass der Kläger keine schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet besitze. Auch könne er aus der ihm zustehenden Rente in Vietnam seinen Lebensunterhalt mit einem überdurchschnittlichen Einkommen bestreiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 27. Januar 2014 aufzuheben

und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und führt ergänzend aus, er beziehe derzeit keine ergänzenden öffentlichen Leistungen zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes, er sei vielmehr als Küchenhilfe erwerbstätig. Er sei auch nicht mehr straffällig geworden.

Die Vertreterin des öffentlichen Interesses teilt die Auffassung der Beklagten, stellt jedoch keinen Antrag.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der angefochtene Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 4. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 VwGO), weshalb das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 31 AufenthG, hilfsweise gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG; er hat auch keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über sein Begehren erneut zu entscheiden.

Hinsichtlich § 31 AufenthG zielt das Begehren des Klägers auf die Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, nachdem die in § 31 Abs. 1 AufenthG geregelten, der Gewinnung einer eigenständigen wirtschaftlichen Lebensgrundlage dienenden 12 Monate infolge des Ablaufs der letzten ehebedingten Aufenthaltserlaubnis am 2. Mai 2012 bereits seit mehr als 2 Jahren verstrichen sind (vgl. BVerwG, U. v. 22.06.2011 - 1 C 5/10 - juris, Rn. 13).

Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 hat der Kläger auch den seit 1. August 2015 in Kraft befindlichen § 25b AufenthG angesprochen. In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er allerdings deutlich machen lassen, dass er damit keine Änderung des Streitgegenstands herbeiführen wollte (zum Ausweisungsinteresse, das nach § 25b Abs. 2 Nr. 1 AufenthG auch diesem Aufenthaltstitel entgegensteht, vgl. nachfolgend Nr. 1).

Der Kläger erfüllt die für beide Anspruchsgrundlagen geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht, wonach kein Ausweisungsinteresse bestehen darf (1.). Der Kläger erfüllt die für den Anspruch aus § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG geltende Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, wonach der Lebensunterhalt gesichert sein muss (2.). Auch dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch aus § 25 Abs. 5 AufenthG steht die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Von ihr kann zwar insoweit abgesehen werden (§ 5 Abs. 3 S. 2 AufenthG). Es fehlt jedoch an einer Grundlage für eine solche Ermessensausübung zugunsten des Klägers, denn die in Frage kommenden Absehens-Gründe sind, soweit sie nicht identisch sind mit den für eine Ausnahme von der Regelerteilungsvoraussetzung in Frage kommenden Gründen, die nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten und des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifen (vgl. Nr. 2 lit. b), an den Schwierigkeiten zu orientieren, denen sich aus humanitären Gründen aufgenommene Personen bei der Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen gegenübersehen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 135) und denen der Kläger zu keinem Zeitpunkt gegenübergestanden hat. Die Erwerbsminderung des Klägers hat andere Ursachen und sie hat Erwerbsmöglichkeiten belassen, die der Kläger nach der zutreffenden Auffassung der Beklagten nur teilweise und mit Blick auf Sozialleistungen genutzt hat und nutzt (vgl. Nr. 2 lit. a, dd und lit. b). Im Übrigen steht dem Kläger der Anspruch nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG auch deshalb nicht zu, weil seine Ausreise nicht aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (vgl. die Ausführungen mit Blick auf Art. 8 EMRK unter Nr. 1 lit. a, aa, bbb).

1. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Ermessensvorschrift des § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG steht § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG entgegen. Das hier als Regelversagungsgrund festgelegte Ausweisungsinteresse liegt vor (a) und es fehlt an einem atypischen Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre (b).

a) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der mit Wirkung vom 1.8.2015 durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 - BGBl. I S. 1386 - geänderten Fassung - AufenthG n. F. -, die wegen der vorliegenden Verpflichtungsklage anzuwenden ist). Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses finden sich in § 53 Abs. 1 und § 54 Abs. 1 AufenthG n. F., die allerdings gemäß Art. 9 des Gesetzes vom 27. Juli 2015 erst am 1. Januar 2016 in Kraft treten. Diese derzeit bestehende Rechtslage wirft die Frage auf, ob solche noch nicht in Kraft gesetzten Bestimmungen zur Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. herangezogen werden können, oder ob trotz der Neufassung dieser Bestimmung zur Zeit noch die zu ihrer Altfassung entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze anzuwenden sind, da die begriffliche Bezugnahme ins Leere geht. Diese Frage kann vorliegend aber offen bleiben, weil sowohl im erstgenannten Fall (aa) als auch im anderen Fall (bb) die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. vorliegen.

aa) Ein Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. liegt bei Heranziehung der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Es ist zwar nicht vollkommen eindeutig, ob das Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. bei dieser Auslegung bereits dann vorliegt, wenn das in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. genannte öffentliche Interesse an der Ausweisung (das im Ausweisungsfall noch mit den privaten Belangen - dem Bleibeinteresse - abgewogen werden müsste) gegeben ist (hierzu lit. aaa), oder erst dann, wenn als Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vorgesehenen Abwägung die Ausweisung verfügt werden könnte (hierzu lit. bbb). Dies kann aber offen bleiben, denn vorliegend hat das Bleibeinteresse des Klägers kein Gewicht, das das öffentliche Ausweisungsinteresse überwiegt. Allerdings spricht für eine Auslegung des Begriffs „Ausweisungsinteresse“ in § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. im Sinne eines öffentlichen Interesses an der Ausweisung, dass der Referentenentwurf des Bundesministeriums des Innern (Stand 7.4.2014, www.ggua.de, recherchiert im August 2015) sowohl im Rahmen des § 5 AufenthG als auch für die Überschrift des § 54 AufenthG noch den Begriff „öffentliches Aufenthaltsinteresse“ verwendet hat (vgl. die Änderungsvorschläge Nrn. 4 und 27, S. 8 und 13 ff. des Referentenentwurfs), dass die Begründungen hierzu (S. 34 ff. und S. 43 ff. des Referentenentwurfs) die Absicht belegen, insoweit die bisherigen Strukturen aufrechtzuerhalten, und dass auch die zum Teil zum 1. August 2015 und zum Teil zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Neufassung - auch wenn sie insoweit den Begriff „Ausweisungsinteresse“ ohne das Beiwort „öffentlich“ gebraucht - dadurch, dass sie den Textgehalt des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. in die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „Bleibeinteresse“ aufspaltet (vgl. § 54 Abs. 1 a. A. sowie § 55 Abs. 1 a. A. AufenthG n. F.), darauf hindeutet, dass der Begriff des Ausweisungsinteresses nicht das Ergebnis der in § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. beschriebenen Abwägung bezeichnet. Dafür spricht weiter, dass die Bundesregierung in der Gesetzesentwurfsbegründung die Umformulierungen in § 5 AufenthG lediglich als „Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff.“ bezeichnet (BT-Drs.18/4097, S. 35) und die Begriffe „Ausweisungsinteresse“ und „öffentliches Ausweisungsinteresse“ in § 54 AufenthG gleichsetzt (BT-Drs. 18/4097, S. 50 bis 52). Dementsprechend spricht vieles dafür, unter einem Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. einen Tatbestand zu verstehen, der in dem erst ab 1. Januar 2016 geltenden § 54 AufenthG n. F. definiert ist (so auch Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 8), und demgemäß von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen ist, wenn der Aufenthalt des Ausländers im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG n. F die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik gefährdet (so VGH Baden-Württemberg, B. v. 25.8.2015 - 11 S 1500/15 - juris), ohne dass zu prüfen ist, ob im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und frei von Ermessensfehlern erlassen werden könnte.

aaa) Wegen der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers vom 23. Februar 2012 liegt gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG n. F. ein schwerwiegendes (öffentliches) Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG n. F. vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist das sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Amtsgerichts S. vom 23. Februar 2012 ergebende Ausweisungsinteresse noch beachtlich.

Ein Ausweisungsinteresse ist so lange beachtlich, wie aktuell eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu befürchten ist, mithin noch erheblich ist (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.2, Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 11). Der Umstand, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist, schließt eine aktuelle Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht aus (vgl. zur alten Rechtslage BayVGH, B. v. 3.1.2007 - 24 CS 06.2634 - juris; Huber, AufenthG, Stand 2010, § 5 Rn. 6). Auch ist das Ausweisungsinteresse unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes nicht verbraucht. Die Beklagte hat dem Kläger keinen Aufenthaltstitel in Kenntnis des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens erteilt und auch sonst nicht zu erkennen gegeben, dass sie in den Straftaten des Klägers keinen Ausweisungsgrund (bzw. kein Ausweisungsinteresse) sieht. Auch der Zeitablauf zwischen der Haupttat (2006) und der Verurteilung (2012) führt nicht zum Verbrauch des Ausweisungsinteresses (zum Verbrauch eines Ausweisungsgrundes vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn.10).

Die Annahme einer aktuellen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist angesichts von Art, Gewicht und Unrechtsgehalt der Straftaten, die der Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. zugrunde liegen, sowie im Hinblick auf sein übriges Verhalten gerechtfertigt. Er hat seine Adoptivtochter, ein zur Tatzeit vierzehnjähriges Mädchen, sexuell missbraucht, in dem er u. a. mit seiner Zunge in das Geschlechtsteil seines Opfers eindrang. Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung wiegen schwer. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Sexualdelikten stellt wegen der besonderen Empfindlichkeit dieser Personengruppe eine überragend wichtige Aufgabe der Gesellschaft dar. Zur Schwere der Tat trägt weiter bei, dass sie gegenüber einer Schutzbefohlenen begangen worden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger nach den als glaubhaft begutachteten Aussagen seines Opfers (Zeugenvernehmung der KPI S. vom 19.9.2009) schon vor und auch nach der zentralen, im Februar 2006 begangenen Tat die körperliche Nähe seines Adoptivkindes gesucht hat, indem er öfters ohne Anklopfen in das Zimmer seines Opfers gekommen ist, um sie „anzuschauen und zu begutachten“, sie zudem mehrfach unsittlich berührt und gestreichelt hat. Im September 2009 hat er dann erneut versucht, sie zu küssen; er hat sie genötigt, körperlich misshandelt und explizit mit dem Tode bedroht, wenn er „nichts verlangen“ dürfe. Im Dezember 2009 hat der Kläger seine Adoptivtochter noch einmal körperlich misshandelt und beleidigt. Angesichts der weiteren Vorfälle in den Jahren 2006 und 2009 teilt der Senat nicht die auf das zentrale Geschehen im Februar 2006 eingegrenzte, ein Augenblicksversagen nahelegende Sichtweise des Verwaltungsgerichts (vgl. Seite 10 des Urteils). Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Straftaten seien in einem familiären Umfeld geschehen und würden sich nach der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter wohl nicht mehr wiederholen, greift nicht durch. Der Kläger hat in den Terminen vom 3. August 2010, 14. Februar 2012 und 23. Februar 2012 der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht S. die im Februar 2006, September 2009 und Dezember 2009 begangenen Straftaten geleugnet. Noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 27. Januar 2014 hat er gemäß der dort gefertigten Niederschrift erklärt, die Tat nicht begangen zu haben, und ausgeführt, seine Tochter habe manchmal verlangt, dass er sie küsse, vor Gericht habe sie etwas anderes gesagt, er könne das Gegenteil aber nicht beweisen. Insbesondere angesichts der vorliegenden aussagepsychologischen Begutachtung ist eine tatsächliche Grundlage für die Leugnung des Klägers nicht zu erkennen. Er hat sich mit seinen Taten nicht auseinandergesetzt und insbesondere keine psychologische oder medizinische Behandlung zur Abklärung oder Therapie seines sexuellen Fehlverhaltens in Anspruch genommen. Das Rückfallrisiko besteht unabhängig von der Scheidung von der Ehefrau und der Trennung von der Adoptivtochter. Gelegenheiten zum sexuellen Missbrauch eines Kindes oder Jugendlichen können sich dem Kläger jederzeit bieten; insbesondere ist es keineswegs unwahrscheinlich, dass der Kläger erneut Beziehungen zu Personen aufnimmt, in deren Obhut sich Kinder befinden. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf das fortgeschrittene Alter des Klägers greift nicht durch. Der Kläger ist nunmehr 65 Jahre alt. Die Straftaten vom Dezember 2009 hat er im Alter von 59 Jahren begangen. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass es in der dazwischenliegenden Zeit bei dem Kläger zu mentalen oder kontitutionellen Veränderungen gekommen ist, die Straftaten der von ihm begangenen Art und Weise unwahrscheinlich machen. Auch ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich seine Persönlichkeitsstruktur in einer das Rückfallrisiko herabsetzenden oder gar beseitigenden Weise geändert haben könnte. Angesichts dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das vom Ausweisungsverfahren vorausgesetzte Strafurteil erst im Jahr 2012 ergangen ist. Im Übrigen bestehen für eine säumige Verfahrensführung keine Anhaltspunkte. Das vom Kläger unter Druck gesetzte minderjährige Opfer hat sich erst im September 2009 der Polizei offenbart. Die Dauer des Strafverfahrens beruht auf einer umfassenden Beweisaufnahme. Da der Kläger seine Taten geleugnet hat, konnten seinem Opfer die Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens und das damit verbundene Wiederaufrufen des Tatgeschehens nicht erspart werden. Das Verteidigungsvorbringen des Klägers hat darüber hinaus eine umfangreiche Begutachtung auch seiner Person erforderlich gemacht.

Der Umstand, dass das Amtsgericht S. in seinem Urteil vom 21. Februar 2012 die gegen den Kläger verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat und der Kläger innerhalb der noch laufenden Bewährungszeit bisher nicht erneut straffällig geworden ist, räumt die Anhaltspunkte für vom Kläger ausgehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U. v. 28.1.1997 - 1 C 17.94 - Buchholz 402.240 § 48 AuslG 1990 Nr. 10, NVwz 1997, 1119,1120, v. 16.11.2000 - 9 C 6.00 - BverwGE 112, 185,193, Buchholz 402.240 § 51 AuslG Nr. 40 und - soweit ersichtlich - zuletztvom 13.12.2012 - 1 C 20/11 - InfAuslR 2013, 169; vgl. auch Discher in GK AufenthG, Stand Juni 2009, vor §§ 53 ff. Rn. 1241ff) sind zwar die Entscheidungen der Strafgerichte über eine Aussetzung der Strafvollziehung zur Bewährung von tatsächlichem Gewicht und stellen bei der ausländerrechtlichen Prognose ein wesentliches Indiz dar. Eine Bindungswirkung geht von solchen strafgerichtlichen Entscheidungen jedoch nicht aus. Die Prognose, ob der Ausländer eine Gefahr für die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstellt, die sein Fernhalten rechtfertigt, bestimmt sich nämlich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten (auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung) und muss daher von den zuständigen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten eigenständig getroffen werden. Das nunmehrige Wohlverhalten des Klägers räumt die Anhaltspunkte für von ihm ausgehende Sicherheitsgefahren nicht aus, weil ab dem Jahr 2009 zunächst das Strafverfahren stattgefunden hat, sodann die Bewährungszeit und das ausländerrechtliche Verfahren.

bbb) Ein der Titelerteilung entgegenstehendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG n. F. besteht auch dann, wenn es zur Voraussetzung hätte, dass eine unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Sicherheitsinteresses mit den privaten Interessen des Klägers zu dem Ergebnis kommt, dass eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei erlassen werden könnte. Es bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Insbesondere wäre eine Ausweisungsverfügung nicht im Hinblick auf Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.

Der Kläger ist im Alter von einundvierzig Jahren (im Jahr 1991) in das Bundesgebiet gekommen. Er hat erfolglos ein Asylverfahren durchlaufen. Zu einer Aufenthaltsbeendigung ist es nicht gekommen, weil er eine Mitwirkung an der für die Rückführung erforderlichen Passausstellung verweigert hat (Bl. 70 ff der Ausländerakte). Auch nach dem bestandskräftigen Abschluss eines Asylfolgeverfahrens ist er seiner Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, nicht nachgekommen. Am 12. Januar 2001 (kurz vor dem Ablauf der ihm bis 20.1.2001 gesetzten Frist) hat er gegenüber dem Landratsamt S. erklärt, er wolle (nach der Scheidung von seiner vietnamesischen Ehefrau) nunmehr eine deutsche Staatsangehörige heiraten. Nach der Eheschließung mit der deutschen Staatsangehörigen G. ist ihm im August 2002 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt worden. Im Februar 2006 hat er die im August 2005 eingereiste, im Vorfeld der Einreise von ihm und seiner Ehefrau adoptierte Tochter seiner Schwägerin missbraucht. Angesichts dieser Umstände kann sich der Kläger auf weniger als 4 Jahre im Bundesgebiet berufen, in denen sein Aufenthalt im Einklang mit den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen gestanden und ihn zur Begründung eines Privatlebens im Sinne des Art 8 EMRK befugt hat. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im folgenden Gerichtshof) hat festgestellt, dass die Europäische Menschenrechtskonvention Ausländern nicht das Recht zusichert, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten, und dass ein Staat berechtigt ist, die Einreise von Ausländern in sein Hoheitsgebiet und ihren Aufenthalt dort nach Maßgabe seiner vertraglichen Verpflichtungen zu regeln (EGMR, U. v. 18.10.2006 <Üner> Nr. 46410/99 - juris). Demzufolge kommt den nationalen Vorschriften über die Erteilung von Aufenthaltsrechten maßgebliches Gewicht zu. Allerdings kommt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 8 EMRK ein begründetes Vertrauen auf den Fortbestand des Aufenthalts im Bundesgebiet auch dann in Betracht, wenn sich die Zuerkennung eines Aufenthaltsrechts nach den Umständen aufdrängt (vgl. u. a. U. v. 31.1.2006 Nr. 50435/99 - InfAuslR 2006, 298). Vorliegend hat sich vor August 2002 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht aufgedrängt. Bis zum Jahr 2002 hat sich der Kläger zur Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet aufgehalten, das er mit der unzutreffenden Behauptung, von Verfolgung bedroht zu sein, und u. a. mit der Vorlage gefälschter Unterlagen betrieben hat (zum geringen Gewicht von Asylverfahrenszeiten im Rahmen des Art. 8 EMRK vgl. EGMR, U. v. 8.4.2008 Bw.-Nr. 21878/06 Rn. 76). Ab Februar 2006 hat der Kläger eine gewichtige Bedrohung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dargestellt und durch den geschaffenen Ausweisungsgrund die ihm in behördlicher Unkenntnis hiervon erteilten Aufenthaltserlaubnisse entwertet. Nachdem der Kläger bis zum Jahr 2002 auf einen Fortbestand seines Aufenthalts im Bundesgebiet nicht vertrauen durfte, hat seine Tätigkeit als Fliesenleger in dieser Zeit nicht zu berücksichtigungsfähigen wirtschaftlichen Bindungen an das Bundesgebiet geführt. In den Jahren 2003 bis 2009 hat der Kläger nicht gearbeitet, vielmehr seinen Lebensunterhalt aus seinem Rentenbezug und dem Einkommen seiner damaligen Ehefrau bestritten. Ab dem Jahr 2009 ist er zwar wieder (in wechselndem Umfang, jedoch nicht vollschichtig) berufstätig gewesen. Die Missbrauchstat hatte hier jedoch bereits stattgefunden, das Ermittlungs-, Straf- und Ausweisungsverfahren war eingeleitet. Die weitgehend fehlenden Deutschkenntnisse des Klägers, die in den Terminen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu Tage getreten sind, sprechen ebenfalls gegen starke Bindungen an das Bundesgebiet. Einen zu berücksichtigenden privaten Belang des Klägers stellt allerdings der Umstand dar, dass ihm seit September 2002 die Schwerbehinderten-Eigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 zuerkannt ist sowie zunächst eine vollständige Erwerbsminderung und - wie in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden ist - nach dem Jahr 2013 eine teilweise.

Der Kläger ist im Bundesgebiet nicht verheiratet, er hat hier keine Kinder. Dem von ihm im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 behaupteten näheren Kontakt seit mehr als 15 Jahren zu seinen beiden in Tschechien wohnenden erwachsenen Söhnen (mit denen er im Bundesgebiet nie zusammengewohnt hat) steht seine eidesstattliche Versicherung vom 22. Mai 2013 (vorgelegt im Verwaltungsgerichtsverfahren) gegenüber, der zufolge jedenfalls bis zu diesem Tag kein engerer Kontakt zu den Söhnen bestanden hat. Auch sein Hinweis auf zwei im Bundesgebiet lebende Nichten begründet nicht die Annahme wesentlicher familiärer Bindungen im Bundesgebiet. Der behauptete wöchentliche Kontakt reicht hierfür nicht aus, so dass die Frage der Richtigkeit dieser Behauptung offen bleiben kann. Gegen sie sprechen die Pauschalität der Behauptung sowie die offensichtliche Unrichtigkeit der Angaben betreffend die Beziehungen zu den Söhnen.

Es ist nicht dargetan, dass sich der Kläger von seinem Heimatland weitgehend entfremdet hätte. Dort hat er vor seiner Ausreise nach Europa 38 Jahre gelebt. Er war in Vietnam nach seinem Vortrag 18 Jahre berufstätig. Dort wohnen nahe Verwandte (zwei Schwestern). Mit seinen im Bundesgebiet erworbenen Rentenansprüchen von voraussichtlich mindestens 343,93 Euro ab dem 1. Januar 2016 (vgl. Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 2.12.2015 an die Beklagte) ist es ihm möglich, in Vietnam finanziell abgesichert zu leben. Hinzu kommen seine in Vietnam erworbenen Rentenansprüche (vgl. Bl. 26, 46 ff, 89 der Verwaltungsgerichtsakte).

Insgesamt bestehen keine das öffentliche Interesse überwiegenden privaten Belange. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, inwieweit die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft mit einem Grad der Behinderung von 50 seit September 2002 (und einer sich ab Oktober 2003 anschließenden vollen, sodann nach dem Jahr 2013 teilweisen Erwerbsminderung) medizinisch gerechtfertigt ist. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI kann, wer voll erwerbsgemindert ist, nicht mehr als drei Stunden am Tag arbeiten. Der Kläger hat zwar (bezogen auf die entsprechende sozialrechtliche Feststellung) nach dem Bekanntwerden der Straftaten vom Februar 2006 und nach der Trennung von seiner erwerbstätigen Frau wieder gearbeitet, dann aber teilweise (ab dem Jahr 2013 und nunmehr erneut) in einem Ausmaß jenseits der Grenzen des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI (5,5 bzw. 5 Stunden am Tag). Im Termin vom 9. Dezember 2015 zur mündlichen Verhandlung ist zur Sprache gekommen, dass die Absenkung der sozialrechtlichen Feststellung einer vollständigen Erwerbsminderung auf eine teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme einer Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag erfolgt ist. Eine gesundheitliche Entwicklung, die der Abänderung zugrunde gelegen haben könnte, hat der Kläger trotz entsprechender Nachfrage in der mündlichen Verhandlung nicht genannt. Nach dem Bescheid des Versorgungsamts vom 10. Mai 2004 (Bl. 267 der Ausländerakte) liegen beim Kläger u. a. eine Gebrauchsminderung des rechten Arms, degenerative Veränderungen im Ellenbogen des rechten Arms, eine Nervenschädigung im rechten Arm mit Taubheit/Lähmung sowie körperliche Beschwerden ohne organisch fassbaren Befund vor. Hierzu heißt es in dem neurologischen Gutachten des Dr. M. vom 25.10.2011 (Bl. 241 ff. der Strafakte), dem Kläger gelinge es nur sehr schlecht, eine fast vollständige Gebrauchsunfähigkeit seines rechten Arms und seiner rechten Hand zu zeigen, es spreche mehr dafür, dass die vom Kläger demonstrierte Funktionsstörung der freien Willensbestimmung im Sinne einer Simulation unterliege, selbst ein amputierter Arm könne nicht alleinig Erwerbsunfähigkeit begründen, auch eine im Jahr 2002 operierte Magenerkrankung führe erfahrungsgemäß nicht zur Erwerbsunfähigkeit, letztlich bleibe als möglicherweise relevant und eine Erwerbsunfähigkeit begründend allein die subjektive Schmerzangabe, der Kläger mache keineswegs den Eindruck von Schmerzgequältheit, ohne konkrete plausibilisierende Diagnose könne die alleinige subjektive Angabe von Schmerzen eine Erwerbsunfähigkeit nicht begründen.

bb) Soweit für das Bestehen eines Ausweisungsinteresses auf die Rechtsprechungsgrundsätze zu § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 31. Juli 2015 geltenden Fassung abzustellen ist, liegen die Voraussetzungen ebenfalls vor. Wie sich aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht S. vom 23. Februar 2012 ergibt, hat dieser im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nicht geringfügig gegen Rechtsvorschriften verstoßen. In einem solchen Fall genügt auch ein vereinzelter Verstoß (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 55 AufenthG Rn. 22, Graßhof in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 13, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 55.2.2.2). Durch die Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat der Kläger einen Ausweisungsgrund verwirklicht (Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, a. a. O., Rn. 6,7). Das Gesetz in seiner bisherigen Fassung unterstellt, dass vom Kläger bereits deshalb eine künftige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, weil er den Ausweisungstatbestand des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt hat (vgl. Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., § 5 AufenthG Rn. 11). Nach den bis zum Inkrafttreten der Neufassung geltenden Grundsätzen liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits dann vor, wenn ein Ausweisungsgrund gegeben ist, ohne dass eine Ausweisungsabwägung erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, z. B. U. v. 28.9.2004 - 1 C 10.03 - juris Rn. 13 m. w. N.).

b) Gründe für ein Abweichen von der Regel, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels das Fehlen eines Ausweisungsinteresses voraussetzt, liegen nicht vor. Ein Ausnahmefall ist nur dann gegeben, wenn ein atypischer Geschehensablauf vorliegt, der so bedeutsam ist, dass er das jedenfalls sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrundes beseitigt. Es muss sich um eine Abweichung handeln, die die Anwendung des Regelfalls nach Sinn und Zweck als derart unverhältnismäßig erscheinen lässt, dass es unzumutbar wäre, an ihr festzuhalten (vgl. Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Onlinekommentar Ausländerrecht, Stand 1.1.2015, § 55 AufenthG Rn. 20, vgl. auch Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum AufenthG Nr. 5.1.2.4). Davon ausgehend unterscheiden sich die Delinquenz des Klägers, die von ihm ausgehenden Gefahren, seine privaten Belange und seine Gesamtsituation nicht von der Mehrzahl der Fälle, in denen das Vorliegen eines Ausweisungsinteresses (Ausweisungsgrunds) der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegensteht. Der Senat folgt nicht der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es sei ein Ausnahmefall gegeben, da ein Fortbestehen einer Gefährdungslage durch den Kläger in Anbetracht der aus dem Jahr 2006 stammenden, familiären Umständen geschuldeten Haupttat nicht mehr bestehe, er sich nach einem Aufenthalt von über zwanzig Jahren im Bundesgebiet in einem fortgeschrittenen Alter befinde, zu 50 Prozent schwerbehindert sei und von einer gewissen Entfremdung von seinem Heimatland auszugehen sei. Eine umfassende Einordnung und Abwägung der gegenläufigen Interessen führt vielmehr zu dem Ergebnis, dass eine Ausnahme von der Regel nicht vorliegt. Bezug genommen wird auf die Ausführungen zu den öffentlichen und privaten Belangen unter aaa) und bbb).

2. Der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 31 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Anschluss an den hier gegebenen Ablauf von einem Jahr nach der spätestens im Jahr 2009 erfolgten Aufhebung der Lebensgemeinschaft mit seiner damaligen Ehefrau steht zudem § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entgegen. Der Lebensunterhalt des Klägers ist nicht gesichert (a) und ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor (b).

a) Die Prüfung, ob die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt ist, erfolgt durch eine Prognoseentscheidung, im Rahmen derer darüber zu befinden ist, ob der Ausländer seinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichendem Krankenversicherungsschutz in Zukunft auf Dauer ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann. Von einer Sicherung des Lebensunterhalts im Sinn des § 2 Abs. 3 AufenthG kann insoweit nur ausgegangen werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Erforderlich ist bei der Prognose eine Abschätzung aufgrund rückschauender Betrachtung, ob ohne unvorhergesehene Ereignisse in Zukunft gewährleistet erscheint, dass der Lebensunterhalt dauerhaft und ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel aufgebracht werden kann (vgl. zusammenfassend Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 25 m. w. N.).

Diese Prognoseentscheidung fällt zulasten des Klägers aus.

aa) Der Kläger war zwischen den Jahren 1994 und 2003 als unselbstständiger Arbeitnehmer, sodann wieder (zunächst in geringem Umfang) ab dem Jahr 2009 erwerbstätig. Vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Oktober 2013 ging er einer Beschäftigung als Küchenhilfe in dem Imbiss T. nach. Zuletzt hat er dort ab dem 1. März 2013 bei einer Arbeitszeit von 25 Stunden in der Woche 600 Euro verdient (Arbeitsvertrag, Bl. 442 ff. der Ausländerakte). In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2015 hat er berichtet, dass der Arbeitsvertrag zum 31. Oktober 2015 geendet und er sich im Anschluss daran als arbeitssuchend gemeldet hat. Er hat den Vortrag der Beklagten bestätigt, dass er am 6. November 2015 im Amt für soziale Leistungen der Beklagten vorgesprochen hat, um einen Antrag zu stellen. Er hat einen Arbeitsvertrag vorgelegt, nach dem er nunmehr seit dem 15. November 2015 in einem anderen Betrieb als Küchenhilfe arbeitet mit einem Monatslohn von 1000 Euro brutto. Die in dem Vertrag nicht vermerkte Arbeitszeit beträgt nach seiner Aussage fünf Stunden am Tag.

bb) Der Kläger hat vom 1. Mai 2010 bis zum 31. August 2012 vom Sozialamt des Landratsamts S. Sozialleistungen in Höhe von monatlich 112,00 bis 509,74 Euro erhalten (Bescheinigung des Landratsamtes S. vom 25.11. 2015). Sodann stand er bis Mai 2013 im Leistungsbezug des Amtes für soziale Leistungen der Beklagten (Auszahlungen von 104,49 bis 373,53 Euro). Dieses Amt hat am 16. November 2015 eine Probeberechnung für die künftige Grundsicherung des Klägers vorgelegt (künftiger Auszahlungsbetrag 595,36 Euro). Die Beklagte hat in Anbetracht neuer Erkenntnisse über die künftigen Rentenansprüche des Klägers am 8. Dezember 2015 (allerdings noch in Unkenntnis des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Arbeitsvertrags) mitgeteilt, dass der Kläger in Zukunft voraussichtlich einen Sozialleistungsbedarf von ca. 380 Euro haben werde.

cc) Davon ausgehend wird der Kläger seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet in Zukunft nicht aus eigenen Mitteln sicherstellen können. Es ist nicht zu erwarten, dass er auf Dauer Arbeitseinkünfte erzielen wird, die seinen Bedarf von ca. 720 Euro decken (vgl. die Probeberechnung der Beklagten vom 16.11.2015). Dies ergibt sich zum einen aus einer rückschauenden Betrachtung auf die geringe Erwerbstätigkeit und den Sozialleistungsbezug des Klägers in den vergangenen Jahren. Ein Bemühen, die verbliebene Erwerbsfähigkeit (vgl. § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI) zur Erzielung von Einkommen zu nutzen, hat der Kläger ab dem Jahr 2004 bis zur Trennung von seiner damaligen Ehefrau, die im Wesentlichen für den Familienunterhalt gesorgt hat, nicht gezeigt. Nach sich steigernden Arbeitstätigkeiten in den Folgejahren hat er sodann Anfang November 2015 im Hinblick auf seinen Renteneintritt und die einvernehmliche Beendigung seiner Tätigkeit als Küchenhilfe zum 31. Oktober 2015 bei der Beklagten einen weiteren Sozialleistungsbezug beantragt. Es ist nachvollziehbar, wenn die Beklagte darauf hinweist, dass die nunmehr aufgenommene Tätigkeit ab dem 15. November 2015 im Zusammenhang damit steht, dass der Kläger das Renteneintrittsalter erst zum 1. Januar 2016 erreicht, und damit ihre Annahme zum Ausdruck bringt, der Kläger werde wegen des dann eintretenden Grundsicherungsanspruchs die Erwerbstätigkeit nicht lange fortsetzen. Beim Bezug von Grundsicherung (§§ 42 ff. SGB XII) sind die Arbeitseinkünfte des Klägers nach §§ 85 ff. SGB XII grundsätzlich einzusetzen. Die Arbeitsaufnahme mag zudem dem ausländerrechtlichen Verfahren geschuldet sein.

dd) Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel auf Dauer gesichert ist, kommt es nicht darauf an, ob der Ausländer „unverschuldet“ Leistungen nach dem hier anzuwendenden SGB XII in Anspruch nimmt. Eine derartige Einschränkung des Erfordernisses der Lebensunterhaltssicherung ist (anders als im Einbürgerungsrecht oder bei § 9 Abs. 2 S. 3, 6 AufenthG) für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den §§ 31 Abs. 4 Satz 2, 8 Abs. 1 AufenthG den gesetzlichen Regelungen, welche den fiskalischen Interessen, die mit dem Erfordernis der Sicherung des Lebensunterhalts verfolgt werden, ein großes Gewicht einräumen, nicht zu entnehmen (vgl. Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, AuslR, 10. Aufl. 2013, § 5 AufenthG Rn. 46 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, Beck`scher Online-Kommentar, Ausländerrecht, Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N.).

b) Ein atypischer Sachverhalt, auf den der Regelversagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht anzuwenden wäre, liegt nicht vor. Es ist nicht unverhältnismäßig, insbesondere im Falle des Klägers auch nicht unzumutbar, an der Regelvoraussetzung festzuhalten. Der Gesetzgeber bringt durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zum Ausdruck, dass die Sicherung des Lebensunterhalts bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln im Ausländerrecht als eine Voraussetzung von grundlegendem staatlichen Interesse anzusehen ist. Ausnahmen von der Regel sind daher grundsätzlich eng auszulegen. Ein Ausnahmefall ist nur bei besonderen, atypischen Umständen gegeben, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regelung beseitigen, oder die Erteilung des Aufenthaltstitels muss aus Gründen höherrangigen Rechts wie etwa Art. 6 GG oder im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten sein (BVerwG, U. v. 30. 4. 2009 - 1 C 3.08 - juris, BayVGH, B. v. 24.4.2014 - 10 ZB 14.528 - juris Rn. 7 m. w. N.).

Atypische Umstände, die so bedeutsam sind, dass sie das sonst ausschlaggebende Recht beseitigen, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der Ausländer zur Sicherung seines Lebensunterhalts aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen (etwa Alter oder Gebrechen) nicht in der Lage ist, ist kein derartiger atypischer Umstand (vgl. OVG Berlin, U. v. 21.5.2012 - 2 B 8.11 - juris Rn. 23 m. w. N., Maor in Kluth/Heusch, a. a. O., Stand 1.8.2015, § 5 AufenthG Rn. 20 m. w. N., Heilbronner, AuslR, Stand September 2013, § 5 AufenthG Rn.18). Ein solches Hindernis liegt schon deshalb nicht vor, weil der Kläger nach seinem eigenen Vortrag künftig bei einer Arbeitszeit von 5 Stunden am Tag ein Einkommen von 1000 Euro im Monat erzielen will. Damit bringt er zum Ausdruck, dass weder sein Alter noch die festgestellte Schwerbehinderung einer eigenständigen Sicherung des Lebensunterhalts entgegenstehen. Ebenso wenig kann deshalb ein Ausnahmefall angenommen werden, weil der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung ab dem Jahr 2004 nur noch beschränkt Erwerbseinkünfte erzielen und deshalb umfangreichere Rentenansprüche nicht erwerben konnte. Der Kläger konnte zwar als Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Von dieser Möglichkeit hat er aber während des ehelichen Zusammenlebens mit seiner damaligen Ehefrau keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr von deren Einkünften und seiner Rente gelebt. Diese Umstände sprechen gegen das Vorliegen eines atypischen Falls, weil der Kläger kein Bemühen gezeigt hat, seine verbliebene Erwerbsfähigkeit zur Erzielung von Einkommen zu nutzen. Auch der langjährige Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet als solcher begründet keinen Ausnahmefall, nachdem das Erwerbsverhalten des Klägers während seines Aufenthalts nicht unberücksichtigt bleiben kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 ff ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt (§§ 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 GKG).

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Ein Ausländer ist zur Ausreise verpflichtet, wenn er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt und ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei nicht oder nicht mehr besteht.

(2) Der Ausländer hat das Bundesgebiet unverzüglich oder, wenn ihm eine Ausreisefrist gesetzt ist, bis zum Ablauf der Frist zu verlassen.

(2a) (weggefallen)

(3) Durch die Einreise in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einen anderen Schengen-Staat genügt der Ausländer seiner Ausreisepflicht nur, wenn ihm Einreise und Aufenthalt dort erlaubt sind. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der ausreisepflichtige Ausländer aufzufordern, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben.

(4) Ein ausreisepflichtiger Ausländer, der seine Wohnung wechseln oder den Bezirk der Ausländerbehörde für mehr als drei Tage verlassen will, hat dies der Ausländerbehörde vorher anzuzeigen.

(5) Der Pass oder Passersatz eines ausreisepflichtigen Ausländers soll bis zu dessen Ausreise in Verwahrung genommen werden.

(6) Ein Ausländer kann zum Zweck der Aufenthaltsbeendigung in den Fahndungshilfsmitteln der Polizei zur Aufenthaltsermittlung und Festnahme ausgeschrieben werden, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist. Ein Ausländer, gegen den ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 besteht, kann zum Zweck der Einreiseverweigerung zur Zurückweisung und für den Fall des Antreffens im Bundesgebiet zur Festnahme ausgeschrieben werden. Für Ausländer, die gemäß § 15a verteilt worden sind, gilt § 66 des Asylgesetzes entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.