Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2015 - 10 ZB 14.2102

bei uns veröffentlicht am02.07.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 1 K 13.1995, 05.08.2014

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, mit dem er seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Gesellschafter der F. GmbH weiterverfolgt, ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), noch ist die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.) oder besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO; 3.) zuzulassen.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Das ist jedoch nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit als Gesellschafter der F. GmbH abgewiesen, weil der Kläger weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 Abs. 1 AufenthG noch gemäß § 2 Abs. 1 AuslG 1965 in Verbindung mit Art. 41 Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (Zusatzprotokoll) zustehe. Es könne dahinstehen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 AufenthG vorlägen, weil jedenfalls die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG nicht erfüllt sei. Der Kläger sei ohne das nach § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 AufenthG erforderliche Visum in das Bundesgebiet eingereist, um hier als Selbstständiger, Inhaber und Geschäftsführer der F. GmbH erwerbstätig zu sein. Der Kläger sei von der Visumpflicht auch nicht nach Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll befreit gewesen. Die im März 2001 gemeinschaftsrechtlich durch Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO eingeführt Visumpflicht unterwerfe den Kläger vorliegend bei der Einreise keinen strengeren Voraussetzungen als die am 1. Januar 1973 in der Bundesrepublik Deutschland geltende Rechtslage. Denn schon damals sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVAuslG ein Sichtvermerk nötig gewesen, wenn der Ausländer - wie der Kläger - einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg auf diese Standstill-Regelung im Hinblick auf die allgemeine passive Dienstleistungsfreiheit berufen. Auch die vom Bevollmächtigten des Klägers angeführte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (U. v. 26.3.2014 - 11 B 10.14 - juris) führe vorliegend zu keinem anderen Ergebnis, weil der Kläger nicht zur Erbringung von Dienstleistungen gegenüber einem Kunden in der Bundesrepublik, sondern zum dauerhaften Aufenthalt und zur Erwerbstätigkeit eingereist sei. Der Kläger habe den beantragten Aufenthaltstitel auch nicht nach § 39 Nr. 3 AufenthV im Bundesgebiet einholen können. Vom Visumerfordernis könne in seinem Fall nicht nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Der Kläger habe keinen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sowohl nach § 21 AufenthG als auch ggf. nach § 2 Abs. 1 AuslG 1965. In beiden Fällen stehe die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Ermessen der Behörde. Auch sei nicht erkennbar, dass die Nachholung des Visumverfahrens für den Kläger unzumutbar sei. Sein Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiege nicht das öffentliche Interesse an der Einhaltung der Einreisevorschriften. Bei der anzustellenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht davon habe ausgehen dürfen, ohne Visumverfahren dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. An der Einhaltung des Visumverfahrens bestehe ein besonderes öffentliches Interesse. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger bei einer Ausreise zum Wehrdienst eingezogen und möglicherweise nahe der syrischen Grenze stationiert werde, begründe daher keine Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens. Aus dem Umstand, dass sich der Kläger am 5. April 2012 gegenüber der Ausländerbehörde auf die Fiktionswirkung des § 21 Abs. 3 AuslG 1965 berufen habe und daraufhin keine Reaktion der Ausländerbehörde erfolgt sei, könne er nichts zu seinen Gunsten herleiten. Einem eventuellen Anspruch nach § 2 Abs. 1 AuslG 1965 in Verbindung mit Art. 41 Zusatzprotokoll stehe jedenfalls schon entgegen, dass die Anwesenheit des Klägers Belange der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 AuslG 1965 beeinträchtige. Auch insoweit sei die Nichterteilung der Aufenthaltserlaubnis daher nicht ermessensfehlerhaft.

Dagegen macht der Kläger mit dem Zulassungsantrag geltend, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, dass er bei seiner Einreise am 9. Januar 2012 zunächst nur zu Besprechungen mit seinem Bevollmächtigten und dem damaligen Geschäftsführer seiner Firma eingereist sei, was er der Beklagten am 9. Februar 2012 auch angezeigt und worauf ihm die Beklagte eine Grenzübertrittsbescheinigung ausgestellt habe. Der Kläger habe im Schriftsatz vom 9. Februar 2012 die aus damaliger Sicht zutreffende Auffassung vertreten, dass er sich zum Dienstleistungsempfang visumfrei im Bundesgebiet aufhalten dürfe. Auch müsse berücksichtigt werden, dass aufgrund der Standstill-Regelung bezüglich der Einreise türkischer Staatsbürger, die aus geschäftlichen Gründen einreisen wollten, § 2 Abs. 3 AuslG 1965 in Verbindung mit § 5 DVAuslG und Nr. 15 AuslGVwV zur Anwendung komme und danach türkische Geschäftsleute für Besprechungen oder Verhandlungen im Bundesgebiet keines Visums bedürften. Demgemäß habe sich der Kläger bis zum 9. April 2014 (Zeitpunkt der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis) rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

Damit wird jedoch ein tragender Rechtssatz des Erstgerichts nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt betrifft und nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, Demirkan; BayVGH, U. v. 5.8.2014 - 10 BV 13.2020; BVerwG, B. v. 20.11.2014 - 1 B 24.14 - jeweils juris). Dass der Kläger und sein Bevollmächtigter im behördlichen Verfahren eine andere - unzutreffende - Rechtsauffassung vertreten haben, ist insoweit irrelevant. Entgegen der Auffassung des Klägers entfiel die Erlaubnis- bzw. Visumpflicht seiner Einreise und des Aufenthalts im Bundesgebiet auch nicht gemäß § 2 Abs. 3 AuslG 1965 in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 DVAuslG 1965 und Nr. 15 VwV zu § 2 AuslG 1965. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 DVAuslG 1965 waren Ausländer von der Erlaubnispflicht befreit, wenn sie sich im Dienst eines nicht im Geltungsbereich des Ausländergesetzes ansässigen Arbeitgebers zu einer ihrer Natur nach vorübergehenden Dienstleistung als Arbeitnehmer im Geltungsbereich des Ausländergesetzes aufhielten, sofern die Dauer des Aufenthalts zwei Monate nicht überstieg. Da von dieser Bestimmung demnach nur Arbeitnehmer erfasst wurden, nicht aber auch selbstständige Unternehmer (die im Übrigen ohnehin ihren Sitz in der Türkei haben müssten), wird der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung unter keinem Gesichtspunkt erfasst (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2015 - 1 C 9.14 - juris Rn. 25; anders in der Vorinstanz noch OVG Berlin-Bbg, U. v. 26.3.2014 - OVG 11 B 10.14 - juris Rn. 30). Dass der Kläger im Übrigen auch nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG 1965 fallen würde, weil sein Aufenthalt von Anfang an auf Dauer und die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit ausgelegt war, hat das Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung ausgeführt. Damit hat sich der Kläger im Zulassungsverfahren aber nicht substantiiert auseinandergesetzt.

Auch der Einwand, aus Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll, Art. 13 ARB 1/80 in Verbindung mit der danach anwendbaren günstigeren Regelung des § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1965 folge, dass der vom Kläger am 5. April 2014 bei der Stadt M. gestellte Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Selbstständiger unabhängig von den Modalitäten seiner Einreise die Fiktionswirkung ausgelöst und sein Aufenthalt somit bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde vorläufig als erlaubt gegolten habe, greift nicht durch. Denn abgesehen davon, dass - wie bereits ausgeführt - die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt betreffen kann und Art. 13 ARB 1/80 einen ordnungsgemäßen Aufenthalt (des Arbeitnehmers) im Aufnahmestaat voraussetzt (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2014 - 1 C 15.14 - juris Rn. 14 unter Verweis auf EuGH, U. v. 7.11.2013 - Rs. C-225/12, Demir - juris Rn. 35), über den der illegal nach Deutschland eingereiste Kläger gerade nicht verfügt, würde auch eine Fiktion nach § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1965 (vorläufiges Aufenthaltsrecht, das mit der Ablehnung des Antrags erlischt) den Kläger nicht seiner vom Verwaltungsgericht zutreffend festgestellten Pflicht (s. § 5 DVAuslG 1965) entheben, die Aufenthaltserlaubnis vor der Einreise in Form eines Sichtvermerks einzuholen.

Schließlich dringt der Kläger nicht mit seiner Rüge durch, das Verwaltungsgericht habe jedenfalls nicht hinreichend berücksichtigt, dass ihm ein Verstoß gegen Einreisebestimmungen mit Blick auf die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Rechtsprechung subjektiv nicht anzulasten sei, eine behördliche Stellungnahme zu dem unter Berufung auf die Fiktionswirkung des § 21 Abs. 3 Satz 1 AuslG 1965 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht erfolgt sei und die Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis unter Berufung auf die illegale Einreise daher gegen Treu und Glauben verstoße und ermessensfehlerhaft sei. Der Kläger könne das Visumverfahren nicht nachholen, da er bei einer Rückkehr in die Türkei für ein Jahr zum türkischen Wehrdienst eingezogen und im Grenzgebiet zu Syrien und Irak eingesetzt werden würde, was für ihn eine konkrete Lebensgefahr bedeuten würde.

Das Verwaltungsgericht ist vielmehr zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger weder den nach § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG erforderlichen strikten Rechtsanspruch auf Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (vgl. dazu BVerwG, U. v. 10.12.2014 - 1 C 15.14 - juris) besitzt noch es für ihn im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG unzumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Denn abgesehen davon, dass sich der Kläger mangels gefestigter Rechtsprechung oder einer anerkannten behördlichen Praxis nicht darauf verlassen durfte, sich als Dienstleistungsempfänger visumfrei in einen Mitgliedstaat begeben zu dürfen, teilt der Senat die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger von Anfang an trotz bestandskräftiger Ablehnung eines entsprechenden Visums zur dauerhaften Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Inland (illegal) eingereist ist, um damit in seinem Sinne „Fakten zu schaffen“. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang sein Argument, der - objektiv ohnehin unbehelfliche - Vorwand des Aufenthalts im Bundesgebiet zum Zweck des Dienstleistungsempfangs mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 9. Februar 2012 und der nachfolgende Antrag vom 5. April 2012 auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 2 Abs. 1 AuslG 1965 als Gesellschafter der F. GmbH hätten die Beklagte zu einer früheren Stellungnahme oder Reaktion veranlassen müssen, weshalb deren spätere Ablehnung dieses Antrags gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Woraus der Kläger in diesem Zusammenhang ein berechtigtes Vertrauen darauf herleiten will, dass ihm die Ausländerbehörde seine illegale Einreise und zudem anfängliche Täuschung über den eigentlichen Aufenthaltszweck bei der Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nicht entgegenhalten werde, ist nicht ersichtlich. Auch den Umstand, dass der Kläger bei einer Ausreise in der Türkei zum Wehrdienst eingezogen und möglicherweise nahe der syrischen Grenze stationiert werde, hat das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend gewürdigt. Die Behauptung im Zulassungsverfahren, daraus ergebe sich für den Kläger inzwischen eine konkrete Lebensgefahr, ist unsubstantiiert und daher ebenfalls ungeeignet, die Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens zu begründen. Ohne Rechtsfehler hat das Verwaltungsgericht bei seiner Würdigung der Gesamtumstände schließlich das besonders gewichtige, auch generalpräventiv wirkende öffentliche Interesse betont, eine bewusste Umgehung des Visumverfahrens zu verhindern, um dieses wichtige Steuerungsinstrument der Zuwanderung nicht zu entwerten (vgl. auch BVerwG, U. v. 10.12.2014 - 1 C 15.14 - juris Rn. 20).

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Soweit der Kläger als klärungsbedürftig erachtet, ob die Einführung der Zulassungsberufung gegen die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll verstößt, ist diese Frage bereits durch den Senat für die entsprechende Stillhalteregelung des Art. 13 ARB 1/80 entschieden (BayVGH, B. v. 19.5.2015 - 10 ZB 15.331 - juris Rn. 13 f., B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris Rn. 21 ff.). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Frage für den konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich ist. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten in seinem konkreten Fall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er etwa durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren.

3. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der vom Kläger noch geltend gemachten besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Einführung der Zulassungsberufung mit der Stillhalteklausel und die Unzumutbarkeit der Nachholung des Visumverfahrens kommt aus den oben dargelegten Gründen ebenfalls nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124a


(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

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(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochte

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 5 Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen


(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass 1. der Lebensunterhalt gesichert ist,1a. die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt is

Aufenthaltsverordnung - AufenthV | § 39 Verlängerung eines Aufenthalts im Bundesgebiet für längerfristige Zwecke


Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn1.er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besit

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 21 Selbständige Tätigkeit


(1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn 1. ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,2. die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwar

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2015 - 10 ZB 13.898

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Tenor I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Gründ

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 05. Aug. 2014 - 10 BV 13.2020

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Tenor I. In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 wird die Klage abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. III. Die Koste
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 22. Feb. 2017 - 8 B 57/16

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Tenor Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Der Antrag auf Bewilligung auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Der Streitwert wird auf 5.000,00 festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag auf Anordnung d

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn

1.
ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
2.
die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und
3.
die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist.
Die Beurteilung der Voraussetzungen nach Satz 1 richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung. Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.

(2) Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann auch erteilt werden, wenn völkerrechtliche Vergünstigungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bestehen.

(2a) Einem Ausländer, der sein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen hat oder der als Forscher oder Wissenschaftler eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18b, 18d oder § 19c Absatz 1 besitzt, kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Die beabsichtigte selbständige Tätigkeit muss einen Zusammenhang mit den in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnissen oder der Tätigkeit als Forscher oder Wissenschaftler erkennen lassen.

(3) Ausländern, die älter sind als 45 Jahre, soll die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn sie über eine angemessene Altersversorgung verfügen.

(4) Die Aufenthaltserlaubnis wird auf längstens drei Jahre befristet. Nach drei Jahren kann abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer die geplante Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und der Lebensunterhalt des Ausländers und seiner mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat, durch ausreichende Einkünfte gesichert ist und die Voraussetzung des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorliegt.

(5) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Eine erforderliche Erlaubnis zur Ausübung des freien Berufes muss erteilt worden oder ihre Erteilung zugesagt sein. Absatz 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Absatz 4 ist nicht anzuwenden.

(6) Einem Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt wird oder erteilt worden ist, kann unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erlaubt werden, wenn die nach sonstigen Vorschriften erforderlichen Erlaubnisse erteilt wurden oder ihre Erteilung zugesagt ist.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

Über die im Aufenthaltsgesetz geregelten Fälle hinaus kann ein Ausländer einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen oder verlängern lassen, wenn

1.
er ein nationales Visum (§ 6 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt,
2.
er vom Erfordernis des Aufenthaltstitels befreit ist und die Befreiung nicht auf einen Teil des Bundesgebiets oder auf einen Aufenthalt bis zu längstens sechs Monaten beschränkt ist,
3.
er Staatsangehöriger eines in Anhang II der Verordnung (EU) 2018/1806 aufgeführten Staates ist und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder ein gültiges Schengen-Visum für kurzfristige Aufenthalte (§ 6 Absatz 1 Nummer 1 des Aufenthaltsgesetzes) besitzt, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach der Einreise entstanden sind, es sei denn, es handelt sich um einen Anspruch nach den §§ 16b, 16e oder 19e des Aufenthaltsgesetzes,
4.
er eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz besitzt und die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 oder 2 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen,
5.
seine Abschiebung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes ausgesetzt ist und er auf Grund einer Eheschließung oder der Begründung einer Lebenspartnerschaft im Bundesgebiet oder der Geburt eines Kindes während seines Aufenthalts im Bundesgebiet einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erworben hat,
6.
er einen von einem anderen Schengen-Staat ausgestellten Aufenthaltstitel besitzt und auf Grund dieses Aufenthaltstitels berechtigt ist, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, sofern die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllt sind; § 41 Abs. 3 findet Anwendung,
7.
er seit mindestens 18 Monaten eine Blaue Karte EU besitzt, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ausgestellt wurde, und er für die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung eine Blaue Karte EU beantragt. Gleiches gilt für seine Familienangehörigen, die im Besitz eines Aufenthaltstitels zum Familiennachzug sind, der von demselben Staat ausgestellt wurde wie die Blaue Karte EU des Ausländers. Die Anträge auf die Blaue Karte EU sowie auf die Aufenthaltserlaubnisse zum Familiennachzug sind innerhalb eines Monats nach Einreise in das Bundesgebiet zu stellen,
8.
er die Verlängerung einer ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
9.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie 2014/66/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen eines unternehmensinternen Transfers (ABl. L 157 vom 27.5.2014, S. 1), und
b)
eine Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Mobiler-ICT-Karte nach § 19b des Aufenthaltsgesetzes beantragt,
10.
er
a)
einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaates besitzt, der ausgestellt worden ist nach der Richtlinie (EU) 2016/801 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zu Forschungs- oder Studienzwecken, zur Absolvierung eines Praktikums, zur Teilnahme an einem Freiwilligendienst, Schüleraustauschprogrammen oder Bildungsvorhaben und zur Ausübung einer Au-pair-Tätigkeit (ABl. L 132 vom 21.5.2016, S. 21), und
b)
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs zu einem Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18f des Aufenthaltsgesetzes beantragt oder
11.
er vor Ablauf der Arbeitserlaubnis oder der Arbeitserlaubnisse zum Zweck der Saisonbeschäftigung, die ihm nach § 15a Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 der Beschäftigungsverordnung erteilt wurde oder wurden, einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Saisonbeschäftigung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber beantragt; dieser Aufenthaltstitel gilt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als erteilt.
Satz 1 gilt nicht, wenn eine ICT-Karte nach § 19 des Aufenthaltsgesetzes beantragt wird.

(1) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels setzt in der Regel voraus, dass

1.
der Lebensunterhalt gesichert ist,
1a.
die Identität und, falls er nicht zur Rückkehr in einen anderen Staat berechtigt ist, die Staatsangehörigkeit des Ausländers geklärt ist,
2.
kein Ausweisungsinteresse besteht,
3.
soweit kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, der Aufenthalt des Ausländers nicht aus einem sonstigen Grund Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefährdet und
4.
die Passpflicht nach § 3 erfüllt wird.

(2) Des Weiteren setzt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte, einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt – EU voraus, dass der Ausländer

1.
mit dem erforderlichen Visum eingereist ist und
2.
die für die Erteilung maßgeblichen Angaben bereits im Visumantrag gemacht hat.
Hiervon kann abgesehen werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung erfüllt sind oder es auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Satz 2 gilt nicht für die Erteilung einer ICT-Karte.

(3) In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 24 oder § 25 Absatz 1 bis 3 ist von der Anwendung der Absätze 1 und 2, in den Fällen des § 25 Absatz 4a und 4b von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 1 bis 2 und 4 sowie des Absatzes 2 abzusehen. In den übrigen Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 kann von der Anwendung der Absätze 1 und 2 abgesehen werden. Wird von der Anwendung des Absatzes 1 Nr. 2 abgesehen, kann die Ausländerbehörde darauf hinweisen, dass eine Ausweisung wegen einzeln zu bezeichnender Ausweisungsinteressen, die Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen Straf- oder anderen Verfahrens sind, möglich ist. In den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 26 Absatz 3 ist von der Anwendung des Absatzes 2 abzusehen.

(4) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse im Sinne von § 54 Absatz 1 Nummer 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.

(1) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erteilt werden, wenn

1.
ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht,
2.
die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und
3.
die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist.
Die Beurteilung der Voraussetzungen nach Satz 1 richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zu Grunde liegenden Geschäftsidee, den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, der Höhe des Kapitaleinsatzes, den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und dem Beitrag für Innovation und Forschung. Bei der Prüfung sind die für den Ort der geplanten Tätigkeit fachkundigen Körperschaften, die zuständigen Gewerbebehörden, die öffentlich-rechtlichen Berufsvertretungen und die für die Berufszulassung zuständigen Behörden zu beteiligen.

(2) Eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit kann auch erteilt werden, wenn völkerrechtliche Vergünstigungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit bestehen.

(2a) Einem Ausländer, der sein Studium an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder vergleichbaren Ausbildungseinrichtung im Bundesgebiet erfolgreich abgeschlossen hat oder der als Forscher oder Wissenschaftler eine Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 18b, 18d oder § 19c Absatz 1 besitzt, kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Die beabsichtigte selbständige Tätigkeit muss einen Zusammenhang mit den in der Hochschulausbildung erworbenen Kenntnissen oder der Tätigkeit als Forscher oder Wissenschaftler erkennen lassen.

(3) Ausländern, die älter sind als 45 Jahre, soll die Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn sie über eine angemessene Altersversorgung verfügen.

(4) Die Aufenthaltserlaubnis wird auf längstens drei Jahre befristet. Nach drei Jahren kann abweichend von § 9 Abs. 2 eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden, wenn der Ausländer die geplante Tätigkeit erfolgreich verwirklicht hat und der Lebensunterhalt des Ausländers und seiner mit ihm in familiärer Gemeinschaft lebenden Angehörigen, denen er Unterhalt zu leisten hat, durch ausreichende Einkünfte gesichert ist und die Voraussetzung des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorliegt.

(5) Einem Ausländer kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer freiberuflichen Tätigkeit abweichend von Absatz 1 erteilt werden. Eine erforderliche Erlaubnis zur Ausübung des freien Berufes muss erteilt worden oder ihre Erteilung zugesagt sein. Absatz 1 Satz 3 ist entsprechend anzuwenden. Absatz 4 ist nicht anzuwenden.

(6) Einem Ausländer, dem eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck erteilt wird oder erteilt worden ist, kann unter Beibehaltung dieses Aufenthaltszwecks die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit erlaubt werden, wenn die nach sonstigen Vorschriften erforderlichen Erlaubnisse erteilt wurden oder ihre Erteilung zugesagt ist.

Tenor

I.

In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage der Klägerin, mit der sie die Feststellung begehrt, dass sie für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten darf.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dieser am 28. April 2010 erhobenen Feststellungsklage der Klägerin mit Urteil vom 9. Februar 2011 stattgegeben. Die Klage sei gemäß § 43 Abs. 1 VwGO als vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Der Klägerin, die bei einer verspäteten Landung am Flughafen München am 29./30. September 2009 ihren Anschlussflug nach Istanbul nicht mehr habe erreichen können und der durch die Beklagte das Verlassen des Transitbereichs des Flughafens und die Einreise zum Zwecke der Übernachtung in einem Hotel mangels Visum verweigert worden sei, sei es nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der ihr verwehrten Einreise im Wege einer nachträglichen Feststellungsklage überprüfen zu lassen. Gegenstand einer vorbeugenden Feststellungsklage könne jedoch auch ein hinreichend konkreter zukünftiger Sachverhalt sein. Die Klägerin, die nach eigenem Vortrag einer türkischen Unternehmerfamilie angehöre und regelmäßig weltweit unterwegs sei und dabei überwiegend Dienstleistungen von Fluggesellschaften in Anspruch nehme, habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung, da es hinreichend wahrscheinlich sei, dass sie erneut - zum Beispiel aufgrund Annullierung oder Verspätung von Flügen - kurzfristig und ungeplant in das Bundesgebiet zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen möchte. Ohne Besitz des entsprechenden Visums riskiere sie sogar strafrechtliche Konsequenzen. Die Klage sei auch begründet, da die Klägerin als Inhaberin eines gültigen türkischen Nationalpasses für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen und sich hier aufhalten dürfe. Zwar gehöre die Türkei zu den Staaten, deren Staatsangehörige für Aufenthalte bis zu drei Monaten nach § 6 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der maßgeblichen EG-Verordnung im Besitz eines entsprechenden Visums (Schengen-Visum) sein müssten. Jedoch könne sich die Klägerin auf Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (Zusatzprotokoll), dem nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbare Wirkung zukomme, berufen mit der Folge, dass die nachträglich eingeführte Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige als neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht anwendbar sei. Die im März 2001 durch Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO eingeführte Visumpflicht unterwerfe die Klägerin bei der Einreise strengeren Voraussetzungen, als sie in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1973 gegolten hätten. Sie stelle eine neue Beschränkung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll dar. Maßgeblich für die Interpretation des Begriffs des freien Dienstleistungsverkehrs in dieser Bestimmung sei das Verständnis der Vertragsparteien von der Dienstleistungsfreiheit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls. Der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Art. 56 ff. AEUV (früher: Art. 49 ff. EG), der heute unstreitig sowohl die aktive als auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, habe die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls als Rechtsposition mit eingeschlossen. Dies ergebe sich mit Blick sowohl auf die Erwägungsgründe und Art. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 als auch auf die Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973. Dem Assoziierungsabkommen und der Präambel des Zusatzprotokolls lasse sich nicht entnehmen, dass durch Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ausschließlich neue Beschränkungen der aktiven Dienstleistungsfreiheit verboten werden sollten. Zwar folge aus Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll keine (generelle) Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige, die zum Beispiel gelegentlich eines (Verwandten-)Besuchs im Bundesgebiet auch Dienstleistungen empfangen oder sogar dauerhaft in das Bundesrepublik einreisen wollten. Da sich die Klägerin aber kurzfristig zum zielgerichteten Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, in das Bundesgebiet begeben wolle, greife in ihrem Fall Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe bereits zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Denn der Klägerin sei tatsächlich nie die Einreise verweigert worden; sie sei nie bei der Bundespolizei am Flughafen vorstellig geworden. Zudem fehle es an der hinreichenden Konkretheit des festzustellenden Rechtsverhältnisses. Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beziehe sich im Übrigen einzig und allein auf den aktiven Dienstleistungsverkehr, also die Dienstleistungserbringung und nicht die passive Dienstleistungsfreiheit, der das Erstgericht im angefochtenen Urteil die touristischen Zwecke zuordne. Gegen das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte weite Verständnis des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll spreche schon die in Art. 1 Zusatzprotokoll dargelegte Zielsetzung der vorrangigen Annäherung der ökonomischen Verhältnisse zwischen den Vertragsparteien durch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und die Ausweitung des Handelsverkehrs. Gegen eine Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit auch auf Empfänger von Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten spreche zudem, dass damit die Unterscheidung zwischen Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten, und Personen, die zu anderen Zwecken (zum Beispiel Studium, Besuch etc.) ins Bundesgebiet einreisen wollten, unmöglich gemacht würde. Türkische Staatsangehörige, die zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollten, hätten auch schon vor Inkrafttreten des Zusatzprotokolls nach dem damals gültigen Ausländerrecht der Visumpflicht unterlegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, das Berufungsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV erneut die Frage der Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll für den Fall der Inanspruchnahme touristischer Dienstleistungen als alleinigem Aufenthaltszweck vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht gehe zu Recht von der Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage aus. Die Fluggesellschaft habe bei dem betreffenden Vorfall versucht, bei der Beklagten ein Einreisevisum für die Klägerin für eine Übernachtung im Hotel einzuholen. Die Beklagte habe dies jedoch verweigert. Da bei der Klägerin jederzeit wieder ein ähnlicher Fall eintreten könne und sie ein schutzwürdiges Interesse habe, nicht erneut mit den Unannehmlichkeiten einer verweigerten Einreise konfrontiert zu werden, sei die Klage zulässig. Nicht zutreffend sei auch die Auffassung der Beklagten, der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beinhalte nur den aktiven Dienstleistungsverkehr. Dass nach europäischem Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls die Dienstleistungsfreiheit auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasst habe, sei vom Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung festgestellt worden. Im Übrigen sei die allgemeine Visumpflicht für türkische Staatsbürger erst im Jahr 1980 eingeführt worden. Vorher habe eine Visumpflicht nur für Personen bestanden, die zum Zweck der Erwerbstätigkeit einreisen wollten.

Mit Beschluss vom 22. September 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren im Hinblick auf ein beim Gerichtshof der Europäischen Union in einem gleich gelagerten Verfahren anhängiges Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (Vorabentscheidungsersuchen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011) ausgesetzt.

Mit Urteil vom 24. September 2013 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren (Rechtssache Demirkan - C-221/11, Rn. 63) entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen sei, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasse, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

Nach der Fortsetzung des Berufungsverfahrens haben sich die Beklagte, der Vertreter des öffentlichen Interesses und die Klägerin zu dieser Entscheidung und zu einer möglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nach § 130a VwGO geäußert. Die Klägerin macht geltend, mit der Entscheidung des EuGH seien nicht alle europarechtlichen Fragen beantwortet. Insbesondere habe der Gerichtshof noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle. Im Übrigen sei es auch nicht richtig, dass der Gerichtshof erst mit seiner Rechtsprechung im Jahr 1984 (Urteil Luisi und Carbone) klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasse. Dies habe das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. So sei die Dienstleistungsempfängerfreiheit bereits in der Richtlinie Nr. 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 sowie der Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973 ausdrücklich anerkannt. Schließlich sei die Argumentation des EuGH in der angeführten Entscheidung nur nachzuvollziehen, wenn sie so verstanden werde, dass (nur) die Fälle gemeint seien, in denen die Einreise nicht ausschließlich zum Dienstleistungsempfang erfolge. Es werde angeregt, das Verfahren erneut auszusetzen und dem Gerichtshof eine näher präzisierte Frage zum Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll vorzulegen. In Anbetracht dieser Gründe werde eine mündliche Verhandlung in der Streitsache für erforderlich gehalten.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich dahin geäußert, für ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof sei kein Raum, da dieser die auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Frage klar und eindeutig beantwortet habe. Weder im Tenor noch in den Gründen seiner Entscheidung differenziere der Gerichtshof danach, ob der Empfang von Dienstleistungen ausschließlicher Zweck, Hauptzweck oder nur Nebenzweck der Einreise sei oder ob er nur bei Gelegenheit erfolge.

Die Beklagte hat sich diesen Ausführungen angeschlossen und im Übrigen auf ihre bisherigen Schriftsätze verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 4. August 2014 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist zwar zulässig (1.), weil sie auf ein hinreichend konkretes und streitiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten abstellt (1.1.), die Feststellungsklage nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber den dort genannten anderen Klagearten subsidiär ist (1.2.) und die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer aufenthaltsrechtlichen Rechte im Zusammenhang mit einer künftigen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu touristischen Zwecken besitzt (1.3.). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich sich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in das Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht (2.). Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (§ 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Erlaubnis in Form eines Aufenthaltstitels (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs.1 EG-VisaVO), der für kurzfristige Aufenthalte (zu touristischen Zwecken) - wie von der Klägerin begehrt - als Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt wird (2.1.). Die die Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige normierenden ausländerrechtlichen Vorschriften sind auch nicht aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Art. 41 Abs. 1 ZP unanwendbar, weil sie keine „neuen Beschränkungen“ der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne dieser Stillhalteklausel darstellen (2.2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin zu Recht als zulässig angesehen.

1.1. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich diese Klage auf ein hinreichend konkretes und streitiges (zu diesem Erfordernis vgl. Möstl in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Hrsg: Posser/Wolff, Stand: 1.10.2013, § 43 Rn. 5 m. w. N.) und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Denn das auf die gerichtliche Feststellung gerichtete Klagebegehren, (künftig) für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, beinhaltet keine abstrakte Rechtsfrage ohne hinreichenden Fallbezug zur Klägerin. Vielmehr liegt aufgrund des Vorkommnisses am 29./30. September 2009, bei dem es ausweislich des im Klageverfahren vorgelegten Schreibens der Deutschen Lufthansa AG Kundendialog vom 14. Dezember 2009 offensichtlich nicht gelungen ist, aufgrund des verspäteten Flugs von Los Angeles nach München und des verpassten Anschlussflugs nach Istanbul bei der Bundespolizei (u. a.) für die Klägerin das Verlassen des Transitbereichs des Münchner Flughafens und die Einreise in das Bundesgebiet für eine Übernachtung im Hotel zu erreichen, ein hinreichend konkretisiertes streitiges Rechtsverhältnis vor, bei dem sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien über eine bloße abstrakte Rechtsfrage hinaus entsprechend verdichtet haben (vgl. Möstl, a. a. O., Rn. 5). Das von der Klägerin geltend gemachte Recht umfasst gerade (auch) die Möglichkeit eines solchen visumfreien Kurzaufenthalts zu touristischen Zwecken. Nicht Streitgegenstand dieser Klage ist dagegen die Frage, ob der Klägerin durch die Bundespolizei am 29./30. September 2009 tatsächlich zu Unrecht die Einreise zur Übernachtung in einem Hotel verweigert worden ist.

1.2. Die (vorbeugende) Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig, weil die Klägerin das von ihr geltend gemachte Recht vorrangig im Wege der Gestaltung- oder Leistungsklage verfolgen könnte bzw. müsste. Denn die Subsidiaritätsklausel greift hier nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts schon deshalb nicht, weil der Klägerin ein Abwarten nachträglichen, d. h. repressiven Rechtsschutzes (ausnahmsweise) nicht zumutbar ist. Als Mitglied einer türkischen Unternehmerfamilie nimmt die Klägerin - zwischen den Parteien unstreitig - häufig Dienstleistungen von Fluggesellschaften weltweit in Anspruch, so dass sich ein ähnlicher Vorfall wie am 29./30. September 2009 grundsätzlich jederzeit wieder ereignen kann. Bei Rechtsverhältnissen, die wiederholt auftreten, deren Bestehen oder Nichtbestehen also nicht nur einmalig von Interesse ist, ist nachträglicher Rechtsschutz durch die in Betracht kommende Gestaltungs- oder Leistungsklage der Feststellungsklage in Reichweite und Effektivität nicht gleichwertig (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 43 Rn. 41; Möstl, a. a. O., Rn. 27 jeweils m. w. N.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich Ausländer, die sich ohne die erforderliche Erlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, grundsätzlich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar machen. Die Klägerin kann daher nicht auf die nachträgliche Klärung des von ihr geltend gemachten Rechts auf visumfreien Kurzaufenthalt zu touristischen Zwecken verwiesen werden.

1.3. Aus den dargelegten Gründen besteht auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses. Denn der dafür erforderliche hinreichende Klärungsbedarf dieses konkreten und zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses im Wege der Feststellungsklage liegt im vorliegenden Fall auf der Hand.

2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht.

2.1. Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (s. § 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl 1964 II S. 509) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich gemäß § 15 AufenthV nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 i. V. m. den §§ 16 ff. AufenthV. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex; ABl. Nr. L 105 S. 1) muss ein Drittstaatsangehöriger für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen als Einreisevoraussetzung unter anderem im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. Nr. L 81 S. 1 - EGVisaVO), vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 in Verbindung mit Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO müssen Staatsangehörige der Türkei beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein. Der Aufenthaltstitel für wie von der Klägerin begehrte (kurzfristige) Aufenthalte im Gebiet der Schengen-Staaten von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an (zu touristischen Zwecken) wird als (Schengen-)Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt. Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht (hier: Visumpflicht) für Einreise und Aufenthalt besteht nach alledem im streitgegenständlichen Fall nicht.

2.2. Der somit nach geltendem nationalen Recht (sowie Unionsrecht) bestehenden Visumpflicht für kurzfristige Aufenthalte der Klägerin zu touristischen Zwecken steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel entgegen. Denn in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist inzwischen geklärt, dass sich türkische Staatsangehörige wie die Klägerin auf die unmittelbare Wirkung dieser Regelung (2.2.1.) grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit berufen können und der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Leitsatz und Rn. 55; vgl. auch EuGH, U. v. 10.7.2014 - Rs. C-138/13, N. Dogan /Bundesrepublik Deutschland - Rn. 28; 2.2.2.). Ungeachtet einer Bindungswirkung erga omnes des Urteils des Gerichtshofs vom 24. September 2013 (Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland) ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin (2.2.3.).

2.2.1. Gemäß Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll unmittelbare Wirkung, da er eine klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte, eindeutige Stillhalteklausel enthält, die eine Verpflichtung der Vertragsparteien begründet, die rechtlich eine reine Unterlassungspflicht ist. Folglich können sich türkische Staatsangehörige, auf die die Bestimmung anwendbar ist, vor den nationalen Gerichten auf die Rechte, die sie ihnen verleiht, berufen (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 45 m. w. N.; EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 38). Zwar ist die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts (materiell) ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen. Die Stillhalteklausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die den Zweck oder die Wirkung haben, die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch türkische Staatsangehörige im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats restriktiveren Bedingungen als denen zu unterwerfen, die galten, als das Zusatzprotokoll in diesem Mitgliedstaat in Kraft trat. Aus dem Urteil Soysal u. Savatli ergibt sich, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger zu verlangen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zuvor nicht verlangt wurde (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 47 ff.; U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 39 ff.).

2.2.2. Die (Auslegungs-)Frage, ob die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll auch für türkische Staatsangehörige gilt, die - anders als in dem dem Urteil Soysal u. Savatli zugrunde liegenden Fall - keine grenzüberschreitenden Dienstleistungen erbringen, sondern sich in einen Mitgliedstaat begeben wollen, um dort Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, hat der Gerichtshof mit dem Urteil vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan dahingehend entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in dieser Bestimmung diese (passive Dienstleistungs-)Freiheit nicht umfasst. Die den unionsrechtlichen Vorschriften über den Binnenmarkt (hier insbesondere: Art. 56 ff. AEUV - früher: Art. 49 ff. EG) gegebene Auslegung könne nicht automatisch auf die Auslegung eines von der Union mit einem Drittstaat geschlossenen Abkommens übertragen werden, sofern dies nicht im Abkommen selbst ausdrücklich vorgesehen sei. Insoweit verpflichte die Verwendung des Verbs „sich leiten lassen“ in Art. 14 des Assoziierungsabkommens (s. 64/733/EWG; ABl. 1964, Nr. 217, S. 3687) die Vertragsparteien nicht, die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr oder die zu ihrer Durchführung erlassenen Bestimmungen als solche anzuwenden, sondern nur, sie als Inspirationsquelle für die Maßnahmen zu betrachten, die zur Erreichung der in diesem Abkommen festgelegten Ziele zu erlassen sind. Überdies hänge die Übertragung der Auslegung einer Vertragsbestimmung auf eine vergleichbar, ähnlich oder sogar übereinstimmend gefasste Bestimmung eines Abkommens zwischen der Union und einem Drittstaat insbesondere davon ab, welchen Zweck jede dieser Bestimmungen in ihrem jeweiligen Rahmen verfolge. Insoweit komme dem Vergleich der Ziele und des Kontexts des Abkommens einerseits und des Vertrags (EG bzw. AEUV) andererseits erhebliche Bedeutung zu (EuGH, U. v. 24.9.2013 a. a. O. Rn. 42 ff.).

Bei dem hinsichtlich Zweck und Kontext des Assoziierungsabkommens einerseits und des betreffenden Unionsrechtsakts (insbesondere Art. 56 AEUV) andererseits angestellten Vergleich (EuGH a. a. O. Rn. 48 ff.) kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass insoweit grundlegende Unterschiede bestünden, weil das Assoziierungsabkommen (wie sein Zusatzprotokoll) einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck verfolge, während mit den wirtschaftlichen (Grund-)Freiheiten im Rahmen des Unionsrechts ein als Raum ohne Binnengrenzen konzipierter Binnenmarkt (s. Art. 3 Abs. 3 EUV) mit der Ermöglichung einer generellen Freizügigkeit für Unionsbürger (s. Art. 21 AEUV) geschaffen werden solle (EuGH a. a. O. Rn. 53 und 56). Aus dieser unterschiedlichen Zielsetzung leitet der Gerichtshof ab, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll, sei es unter Anknüpfung an die Niederlassungsfreiheit oder den freien Dienstleistungsverkehr, nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt betreffen könne (EuGH a. a. O. Rn. 53).

Als zweites Argument für dieses Auslegungsergebnis zieht der Gerichtshof auch den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen heran. Da der Gerichtshof erst 1984 im Urteil Luisi und Carbone klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Vertrags (EWG bzw. jetzt AEUV) auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls bei deren Unterzeichnung davon ausgegangen seien, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse (EuGH a. a. O. Rn. 57 ff.). Auch die Übung der Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens biete im Übrigen keine Anhaltspunkte für das Gegenteil, da auf beiden Seiten nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls teilweise eine Visumpflicht für touristische Aufenthalte eingeführt worden sei (EuGH a. a. O. Rn. 61).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Gerichtshof auf die erste Vorlagefrage geantwortet, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

2.2.3. Unabhängig davon, inwieweit das Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan (Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV) über die Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll Bindungswirkung erga omnes und damit auch im vorliegenden Verfahren entfaltet mit der Folge, dass der Verwaltungsgerichtshof Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll in dieser vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung anwenden muss (vgl. dazu Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, AEUV Art. 267 Rn. 69 ff.; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 52. Ergänzungslieferung 2014, AEUV Art. 267 Rn. 104 ff. jeweils m.w.N ), ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin. Die von Klägerseite im Berufungsverfahren insoweit geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Für die durch die Klägerin hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens und ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV besteht daher keine Veranlassung.

Der Einwand, der Gerichtshof habe in der Vorabentscheidung vom 24. September 2013 noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle, vermag solche Zweifel nicht zu begründen. Denn die dem Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vorgelegte Frage über die Auslegung des Begriffs „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ist ebenso klar und eindeutig wie die Beantwortung dieser Vorlagefrage durch den Gerichtshof, der festgestellt hat, dass dieser Begriff nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Gerichtshof differenziert in seiner Entscheidung gerade nicht danach, ob die Inanspruchnahme einer Dienstleistung - wie im Ausgangsfall Demirkan - bei Gelegenheit eines Familienbesuchs erfolgen soll oder - wie die Klägerin für sich geltend macht - die Inanspruchnahme der Dienstleistung das alleinige Ziel der (Ein-)Reise in den Mitgliedstaat bildet. Als Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wie sie der Gerichtshof für die Anwendung der Stillhalteklausel auf die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt als erforderlich ansieht (EuGH a. a. O. Rn. 55), ist danach gerade nicht der bloße Empfang von Dienstleistungen im Mitgliedstaat im Sinne der passiven Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV zu bewerten. Demgemäß bestand für den Gerichtshof auch keine Notwendigkeit mehr, auf die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache Demirkan einzugehen, bei der es um die Frage eines Finalitätskriteriums bei einer unterstellten zulässigen Berufung auf den Schutz der passiven Dienstleistungsfreiheit auch im Rahmen von Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ging. Dass dem Gerichtshof die Bandbreite möglicher Fallgestaltungen im Vorabentscheidungsverfahren Demirkan durchaus bewusst war, ergibt sich - worauf der Vertreter des öffentlichen Interesses in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat - schon aus den diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen und Erläuterungen des Generalanwalts V. (auch) zur zweiten Vorlagefrage in dessen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan (dort Rn. 73 ff.).

Nicht durchgreifend ist auch der weitere Hinweis der Klägerin, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens sei die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich bereits anerkannt gewesen, was insbesondere in der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. Nr. 56 S. 845), sowie der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. Nr. L 172 S.14) zum Ausdruck komme; dort sei jeweils auch der Aufenthaltszweck der Entgegennahme von Dienstleistungen ausdrücklich aufgeführt. Denn zum einen hat der Gerichtshof bei seiner Entscheidung in der Rechtssache Demirkan und der Auslegung des Begriffs des „freien Dienstleistungsverkehrs“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ganz entscheidend auf die unterschiedliche Zielsetzung des Assoziierungsabkommens und des Vertrags (EG bzw. AEUV) und erst in zweiter Linie auf den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen und seine Klarstellung der Gewährleistung der passiven Dienstleistungsfreiheit im Urteil Luisi und Carbone im Jahr 1984 abgestellt. Im Übrigen hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan ausführlich dargelegt, dass der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit und der Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs und insbesondere die Erstreckung der Dienstleistungsfreiheit auf die passive Dienstleistungsfreiheit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens „alles andere als unumstritten“ und unklar war (dort Rn. 55 ff.). Die Folgerung der Klägerin, die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls seien damals davon ausgegangen, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasst, ist daher lediglich eine vom Gerichtshof mit guten Gründen verworfene Mutmaßung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 13. November 2013 in der Fassung der Änderungen vom 12. November 2014 weiter. Mit diesem Bescheid wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus, untersagte die Wiedereinreise zuletzt für acht Jahre und drohte die Abschiebung in die Türkei an.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor. Die Berufung ist weder wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; 1.) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO; 2.) zuzulassen.

1.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen könnten, lägen nur vor, wenn der Kläger einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hätte (vgl. BVerfG, B. v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

Dies gilt zunächst, soweit der Kläger vorbringt, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Prognoseentscheidung, es bestehe die konkrete Gefahr, dass der Kläger auch nach seiner Haftentlassung schwere Straftaten begehen werde, nicht berücksichtigt, dass der Kläger erstmals eine Freiheitsstrafe verbüße, er in der Haft den Mittelschulabschluss mit der Note 2,1 abgelegt habe, sein Verhalten in der Justizvollzugsanstalt beanstandungsfrei sei, er erfolgreich an einer Drogen- und Gewalttherapie teilgenommen habe, beabsichtige, eine Schreinerlehre zu beginnen und ab August 2015 an einer weiterführenden Sozial- und Gewalttherapie in der Justizvollzugsanstalt teilnehmen werde.

Diese Ausführungen begründen aber keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Denn sie stellen weder einen einzelnen tragenden Rechtssatz noch eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung im Urteil des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren hat die Beklagte das positive Verhalten des Klägers im Strafvollzug in ihrer Ermessensentscheidung berücksichtigt. Das Erstgericht hat sich die Ausführungen der Beklagten gemäß § 117 Abs. 5 VwGO zu Eigen gemacht. Die Beklagte hat zum positiven Vollzugsverhalten des Klägers ausgeführt, dass sein Verhalten in der Haft nur begrenzte Aussagekraft für das Verhalten nach der Haftentlassung habe, da er unter der Kontrolle des Strafvollzugs und unter dem Druck des Ausweisungsverfahrens stehe (Bl. 92 der VG-Akte). Sie folgt damit der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein Wohlverhalten in der Haft nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen lasse (vgl. BayVGH, B. v. 6.5.2015 - 10 ZB 15.231 - juris Rn. 11 m. w. N.).

Auch die Teilnahme an dem Projekt „Therapie mit Langstrafigen“ und die künftigen Therapiepläne des Klägers rechtfertigen nicht die Annahme ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bezüglich der vom Erstgericht angenommenen erheblichen Gefahr der Begehung weiterer Straftaten seitens des Klägers nach der Haftentlassung. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren durch entsprechende Tatsachen glaubhaft gemacht hätte, dass er sich auch nach dem Ende der Strafhaft straffrei verhalten werde. Angesichts der zahlreichen Straftaten, die er vor seiner Verurteilung wegen versuchten Totschlags begangen hat, und der Schwere der der Verurteilung vom 13. Februar 2013 zugrundeliegenden Tat, liegen jedoch derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung keine Straftaten mehr begehen werde. Insoweit hat das Verwaltungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass das schwerwiegende Gewaltdelikt gegen die körperliche Unversehrtheit, das der Kläger aus einer persönlichen Kränkung heraus gegenüber seinem Schwager begangen hat, neben dem Alkohol- und Drogenkonsum auf eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung zurückzuführen sei. Der Kläger habe zwar von Januar 2014 bis November 2014 am Projekt „Therapie mit Langstrafigen zu Beginn der Haftzeit“ teilgenommen. Jedoch sei nach den Berichten der Justizvollzugsanstalt eine weiterführende Therapie in Einzelgesprächen bzw. ein soziales Kompetenztraining erforderlich. Solange diese Therapie nicht erfolgreich abgeschlossen worden sei und sich der Kläger nicht in einem Leben in Freiheit bewährt habe, könne von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden. Wenn der Kläger nunmehr im Zulassungsantrag auf die Teilnahme an dem Projekt „Therapie mit Langstrafigen“ und die beabsichtigte Teilnahme an einer weiterführenden Sozial- und Gewalttherapie verweist, so stellt er damit die Ausführungen des Erstgerichts, dass die Wiederholungsgefahr frühestens dann entfalle, wenn der Kläger die Therapie erfolgreich abgeschlossen habe, nicht ernsthaft in Frage. Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, wonach dann, wenn die Ursache der begangenen Straftaten (auch) in der Suchtmittelabhängigkeit liegt, die erfolgreiche Absolvierung einer Therapie zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist (vgl. BayVGH, B. v. 29.3.2014 - 10 ZB 14.538 - juris Rn. 6 m. w. N.). Dies gilt in gleicher Weise, wenn die Straftat - wie beim Kläger - zudem auf einer therapiebedürftigen Persönlichkeitsstörung beruht.

Der Einholung eines Prognosegutachtens zur konkreten Gefahr der Begehung weiterer Straftaten bedurfte es nicht. Bei der gerichtlichen Überprüfung der Ausweisung eines strafgerichtlich verurteilten Ausländers ist hinsichtlich der gebotenen Gefahrenprognose nicht alleine auf das Strafurteil und die diesem zugrundeliegende Straftat, sondern auf die Gesamtpersönlichkeit des Täters abzustellen. Dabei sind auch nachträgliche Entwicklungen einzubeziehen. Bei dieser Prognoseentscheidung bewegt sich das Gericht regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die den Richtern allgemein zugänglich sind. Die inmitten stehende Frage der Wiederholungsgefahr nach strafrechtlichen Verurteilungen kann daher grundsätzlich von den Gerichten regelmäßig ohne Zuziehung eines Sachverständigen beurteilt werden (vgl. BayVGH, B. v. 18.3.2015 - 10 C 14.2655 - juris Rn. 22 m. w. N.). Ein Sachverständigengutachten kann die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür allenfalls eine Hilfestellung bieten (BVerwG, B. v. 13.3.2009 - 1 B 20.08 - juris Rn. 5). Der Zuziehung eines Sachverständigen bedarf es nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände - etwa bei der Beurteilung psychischer Erkrankungen - nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, U. v. 4.10.2012 - 1 C 13.11 - juris Rn. 11). Ein solcher Sonderfall liegt beim Kläger nicht vor. Das Gericht hat seiner Prognose zum Bestehen der konkreten Gefahr, dass der Kläger auch nach seiner Haftentlassung weiterhin Straftaten begehen werde, zum einen die zahlreichen strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers, die Feststellungen des Strafgerichts zum Tathergang am 8. Februar 2012 sowie die Darlegungen der Sachverständigen Dr. L. und Dr. K. aus dem Strafverfahren zugrunde gelegt. Beide Sachverständigen bescheinigen dem Kläger eine Persönlichkeitsstruktur, die von geringer Frustrationstoleranz, hypochondrischen Zügen und der Fokussierung auf eigene Bedürfnisse geprägt sei. Der Kläger gebe selbst zu, dass er sich für gesellschaftliche Normen kaum interessiere und er ein Problem mit Fremdbestimmung und der Anerkennung von Regeln und Autoritäten habe. Es sei eine dissoziale Persönlichkeitsakzentuierung zu erkennen. Die Abschlussberichte der Justizvollzugsanstalt zum Projekt „Therapie mit Langstrafigen zu Beginn der Haft“ vom 21. August 2014 und 10. November 2014 lagen der Gefahrenprognose des Erstgerichts ebenfalls zugrunde. In beiden Berichten wird dem Kläger zwar bescheinigt, dass er sich mit seinen Problembereichen mit Hilfe der Therapeuten zunehmend offen und motiviert auseinandergesetzt habe. Es bestehe jedoch nach wie vor Therapiebedarf zur Verfestigung neu erworbener Verhaltensweisen. Sozialtherapeutische Maßnahmen werden für erforderlich gehalten. Auf dieser Grundlage war es dem Gericht möglich, eine Prognoseentscheidung zum Vorliegen der Wiederholungsgefahr auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu treffen.

Auch die Ausführungen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung rechtfertigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils. Er verweist zunächst auf die Urteile des EGMR in Sachen Beldjoudi (U. v. 26.3.1992 - 55/1990/246/317 - InfAuslR 1993, 86), Moustaquim (U. v. 18.2.1991 - 31/1989/191/291 - InfAuslR 1991, 149), Amrollahi (U. v. 11.7.2002 - 56811/00 - Inf AuslR 2004, 180) sowie auf den Bericht der Europäischen Kommission für Menschenrechte in Sachen Lamguindaz (InfAusR 1995, 133). Der Verweis auf einzelne Entscheidungen des EGMR reicht jedoch nicht aus, um die Feststellungen des Erstgerichts zur Bindung des Klägers an die Bundesrepublik, zur Schwere seiner Straftat und zu seinen Beziehungen in die Türkei und die darauf beruhende Abwägungsentscheidung ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Insbesondere fehlt es an einer substantiierten Darlegung, inwieweit die vom Kläger angeführten Beispiele aus der Rechtsprechung des EGMR mit der Situation des Klägers vergleichbar sind. Im Fall Beldjoudi war der ausgewiesene Ausländer mit einer Staatsangehörigen des Aufnahmestaates verheiratet, der nicht zugemutet werden konnte, mit ihm ins Ausland zu ziehen. Auch im Fall Amrollahi hatte der Beschwerdeführer eine Staatsangehörige des Aufnahmestaates geheiratet und mit ihr gemeinsame Kinder. Der Kläger hat demgegenüber keine eigene Kernfamilie in der Bundesrepublik gegründet. Die Entscheidung im Fall Moustaquim beruht darauf, dass der Beschwerdeführer die Straftaten als Jugendlicher begangen hatte. Der Kläger war bei Begehung des versuchten Totschlags bereits 25 Jahre alt. Im Fall Lamguindaz konnte der Beschwerdeführer die Sprache seines Heimatlandes kaum verstehen und nicht lesen und schreiben. Der Kläger spricht ausweislich der Feststellungen im Strafurteil fließend türkisch und er beherrscht zwei Sprachen (deutsch und türkisch) fast perfekt.

Die Tatsache, dass der Kläger in der Bundesrepublik geboren ist und seine gesamte Sozialisation hier erhalten hat, hat das Erstgericht bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung zugunsten des Klägers berücksichtigt. Andererseits hat es jedoch auch festgestellt, dass der Kläger noch Beziehungen zu seinem Heimatland hat, weil sich seine Eltern die Hälfte des Jahres in der Türkei aufhalten und auch noch entferntere Verwandte dort leben. Zudem beherrscht der Kläger die türkische Sprache. Die bloße Behauptung im Zulassungsverfahren, der Kläger habe keinerlei Beziehungen in die Türkei und spreche die türkische Sprache nicht so gut, um dort einer Arbeit nachzugehen, vermag die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht in Zweifel zu ziehen. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll vom 12.11.2014) erklärt, dass seine Eltern teils in der Türkei und teils im Bundesgebiet wohnten. Er spreche türkisch.

Das Angebot der Schwester des Klägers, den Kläger nach seiner Haftentlassung wieder bei ihr im Lebensmittelgeschäft mitarbeiten zu lassen und ihn in ihrer Wohnung aufzunehmen, hat das Erstgericht in seiner Entscheidung ebenfalls gewürdigt. Es kam jedoch zum Ergebnis, dass dieses Angebot die vom Kläger ausgehende Wiederholungsgefahr der Begehung weiterer Straftaten nach der Haftentlassung nicht entfallen ließe. Diese Wertung des Erstgerichts hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Auch wenn die Schwester des Klägers ihn nach der Haftentlassung unterstützen möchte, wird der Kontakt zwischen dem Kläger und seinen Verwandten im Bundesgebiet nicht zu einer Beistandsgemeinschaft, in der der Kläger auf die Lebenshilfe seiner Schwester angewiesen ist. Insofern ist die Beurteilung des Erstgerichts, dass es sich angesichts des Alters des Klägers um eine bloße Begegnungsgemeinschaft handle, nicht rechtsfehlerhaft.

2.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend hinreichend dargelegt. Um einen auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutern, weshalb die vorformulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Der Kläger hat schon keine Rechtsfrage formuliert. Sollte sein Zulassungsvorbringen dahingehend zu verstehen sein, dass er als klärungsbedürftig erachtet, ob die Einführung der Zulassungsberufung gegen Art. 13 ARB 1/80 verstößt, ist diese Frage bereits durch den Senat entschieden (BayVGH, B. v. 26.1.2015 - 10 ZB 13.898 - juris Rn. 21 ff.). Auch hat der Kläger nicht dargelegt, dass diese Frage für den konkreten Rechtsstreit überhaupt entscheidungserheblich ist. Insbesondere zeigt er nicht auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten in seinem konkreten Ausweisungsfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er insbesondere durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren. Der Kläger unterstellt lediglich, dass eine Berufungsentscheidung erst dann erginge, wenn der Kläger seine weiterführende Therapie abgeschlossen hätte oder das Prognosegutachten zur Strafaussetzung zur Bewährung vorläge.

Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidungen vom 13. Dezember 2012 und vom 14. Mai 2013 (U. v. 13.12.2012 - 1 C 20.11 - und U. v. 14.5.2013 - 1 C 13.12 - beide juris Rn. 34 bzw. 23) unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal; U. v. 17.9.2009 - Rs. C-242/06, Sahin - beide juris Rn. 61 bzw. 67). bereits zu verfahrensrechtlichen Regelungen, die sowohl ARB-berechtigte türkische Staatsangehörige als auch Unionsbürger in gleicher Weise betreffen, entschieden, dass der Erlass oder Wegfall von solchen Regelungen nicht im Widerspruch zu den Stillhalteklauseln in Art. 13 ARB 1/80 und Art. 41 Abs. 1 ZP stehe. Einer Vorlage an den EuGH bedarf es daher nicht

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

III.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 12. Mai 1986 im Bundesgebiet geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er war ab Dezember 1997 im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, ab Juni 2002 einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. einer Niederlassungserlaubnis.

Der Kläger hat im Bundesgebiet die Hauptschule besucht, jedoch keine Berufsausbildung durchlaufen. Erwerbstätig war er jeweils nur für kurze Zeit.

Der Kläger lebte zumeist mit seiner im Bundesgebiet lebenden Familie (Vater, zwei Schwestern und ein Bruder) zusammen. In der Türkei hat er entfernte Verwandte. Er ist der türkischen Sprache mächtig.

Bereits im Alter von 15 Jahren hat der Kläger seine ersten Straftaten begangen (Diebstahlsdelikte). Gewalttaten (Körperverletzungsdelikte, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung) kamen dazu. Nach mehreren Verurteilungen, u. a. zu Bewährungsstrafen, wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 11. September 2006 erstmals zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren vier Monaten verurteilt. Neben anderen Delikten (Sachbeschädigung, Diebstahl, Beleidigung, Bedrohung) hat er im Dezember 2005 eine vorsätzliche Körperverletzung begangen, bei der er dem Opfer mehrere Faustschläge ins Gesicht und einen Kopfstoß versetzte, wobei das Opfer erhebliche Verletzungen erlitt. Im Urteil werden dem Kläger schädliche Neigungen und Erziehungsdefizite bestätigt.

Am 18. April 2007 wurde der Kläger wegen eines am 15. April 2007 begangenen Körperverletzungsdelikts in Untersuchungshaft genommen.

Am 29. Mai 2007 verurteilte ihn das Amtsgericht Augsburg wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Beleidigung unter Einbeziehung der Verurteilung vom 11. September 2006 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren zehn Monaten. Ihm wurde zur Last gelegt, am 25. Juli 2006 zusammen mit einem anderen sein Opfer zusammengeschlagen zu haben, wobei dieses eine Nasenbeinfraktur, Prellungen, Hämatome und Bisswunden erlitt. Zudem hat er den Stiefvater des Opfers beleidigt und ihm gegenüber Drohungen gegen das Opfer ausgesprochen. Im Urteil wurde bei der Strafzumessung erneut davon ausgegangen, dass beim Kläger massive schädliche Neigungen vorliegen, zudem eine ausgeprägte Aggressivität und Gewaltbereitschaft. Er sei unbelehrbar, brutal und benötige eine Therapie.

Ab dem 30. Januar 2008 wurde der Kläger gemäß § 64 StGB in das Bezirkskrankenhaus P. verbracht, um dort eine Drogen- und Alkoholtherapie zu absolvieren.

Das Amtsgericht Augsburg verurteilte ihn nochmals am 21. Januar 2008 zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wegen gefährlicher Körperverletzung. Dem Urteil lag zugrunde, dass der Kläger am 15. April 2007 angetrunken seinem Opfer ohne Grund mit der Faust in den Rücken geschlagen und mit Kopf und Knien gegen den Kopf des Opfers gestoßen ist. Dieser erlitt eine Stirnhöhlenvorderwandfraktur und musste operiert werden. Im Rahmen der Strafzumessung ging das Amtsgericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 StGB aus und führte aus, dass der Kläger stark aggressiv sei, erheblich alkoholabhängig und bestätigte einen Abusus von Cannabinoiden. Es stellte ihm eine sehr ungünstige Prognose aus.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 2008 wies die Ausländerbehörde den Kläger aus dem Bundesgebiet aus, drohte seine Abschiebung aus der Haft an und erließ hilfsweise eine Abschiebungsandrohung. Im Rahmen der Begründung des Bescheids wurde berücksichtigt, dass der Kläger als assoziationsberechtigter türkischer Staatsangehöriger lediglich im Ermessenswege ausgewiesen werden dürfe. Zudem seien nur spezialpräventive Erwägungen zulässig. Eine Ausweisung sei nur möglich, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Ausländers außer der Störung der öffentlichen Ordnung auch eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorliege, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Dies alles sei beim Kläger gegeben. Auch unter Berücksichtigung von Art. 8 EMRK erweise sich die Ausweisung als verhältnismäßig.

Mit seiner Klage vom 19. Januar 2009 machte der Kläger im Wesentlichen geltend, er habe in der Haft und im Bezirkskrankenhaus positive Fortschritte gemacht. Er betreibe eine Ausbildung, nehme weder Drogen noch Alkohol zu sich und durchlaufe erfolgreich eine Therapie. Positive Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses vom Januar und September 2009 bestätigten dies.

Am 26. Oktober 2009 teilte das Bezirkskrankenhaus mit, dass beim Kläger ein Rückfall eingetreten sei. Er habe die Droge Speed genommen, nachdem er seine Arbeitsstelle verloren habe. Der Vorschlag der Klinik, die weitere Unterbringung zur Bewährung auszusetzen, werde zurückgezogen, da der Kläger unter schwierigen Lebensbedingungen keine stabile Abstinenz gegenüber illegalen Drogen aufrechterhalten könne.

Mit Beschluss vom 10. November 2009 setzte das Verwaltungsgericht das Verfahren im Hinblick auf die damals noch nicht geklärte Anwendbarkeit der Unionsbürgerrichtlinie auf türkische Staatsangehörige aus.

Im Januar 2010 durfte der Kläger wieder einen Arbeitsplatz außerhalb des Bezirkskrankenhauses annehmen. Am 1. Mai 2010 wurden die mit Urteil des Amtsgerichts Augsburg vom 21. Januar 2008 angeordnete Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sowie der Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt und Führungsaufsicht für drei Jahre angeordnet.

Ab seiner Entlassung war der Kläger zunächst vier Monate drogen- und alkoholfrei. Er schloss sich dann aber einer Rockergruppe an und konsumierte wieder Drogen. Vor seiner erneuten Inhaftierung im Juli 2011 nahm er zuletzt täglich eine Flasche Schnaps oder Wodka zu sich und ebenfalls täglich ein bis drei Gramm Kokain. Am 12. Mai 2011 hat der Kläger zusammen mit einem Mittäter eine Spielhalle überfallen, wobei er eine Angestellte mit einer Schreckschusswaffe bedrohte und die Aushändigung der Tageseinnahmen verlangte. Er erbeutete 1.130 Euro. 800 Euro davon behielt er für sich. Er verwendete das Geld zum Kauf von Drogen und gab den Rest in Nachtclubs aus. Wegen dieser Tat verurteilte ihn das Landgericht Augsburg mit Urteil vom 16. Mai 2012, das auf § 257c StPO beruhte, wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe und ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach eineinhalb Jahren Haft an. Nach dieser Verurteilung wurde auch der Bewährungsbeschluss des Amtsgerichts Neumarkt/Oberpfalz vom 1. Mai 2010 widerrufen.

Mit Bescheid vom 8. Februar 2013 befristete die Ausländerbehörde die Wirkung der Ausweisungsverfügung vom 18. Dezember 2008 auf die Dauer von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der Ausreise des Klägers. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht über das wieder aufgenommene Ausweisungsverfahren wurde der Befristungsbescheid in die Klage einbezogen. Mit Urteil vom 6. März 2013 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Hiergegen richtet sich der Zulassungsantrag des Klägers vom 16. April 2013.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenunterlagen Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt keine Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Diesen Zulassungsgrund hat der Kläger nämlich bereits nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt.

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist nur dann den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt, wenn der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, warum diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb sie klärungsbedürftig ist, und darlegt, warum ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2014 - 10 ZB 12.2742 - juris Rn. 42). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des Klägers in der Zulassungsbegründung jedoch nicht.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Rechtssache deshalb grundsätzliche Bedeutung habe, weil für türkische assoziationsberechtigte Staatsangehörige aufgrund der Einführung der allgemeinen Zulassungsberufung Verschlechterungen ihrer rechtlichen Situation eingetreten seien, nach Art. 13 ARB 1/80 die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft für türkische Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen aber keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürften. Die Benachteiligung der türkischen Staatsangehörigen liege darin, dass im Berufungsverfahren, das früher ohne vorherige Zulassung statthaft war, grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich sei und deshalb entgegen dem jetzt erforderlichen (vorherigen) Zulassungsverfahren noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung für den betroffenen Ausländer günstige Tatsachen vorgetragen werden konnten.

Dieses Vorbringen führt nicht zur Zulassung der Berufung. Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass bei Durchführung eines Berufungsverfahrens hinsichtlich der Sach- und Rechtslage im Ausweisungsverfahren auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der Entscheidung des Berufungsgerichts abzustellen ist (st. Rspr. des BVerwG; vgl. U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - Rn. 12 m. w. N.) und deshalb während des Berufungsverfahrens noch eintretende - sowohl günstige als auch ungünstige - neue Umstände zu berücksichtigen sind. Anders als im Berufungsverfahren sind demgegenüber im Zulassungsverfahren die Zulassungsgründe innerhalb einer bestimmten Frist darzulegen. Später eintretende neue Zulassungsgründe können demgemäß grundsätzlich keine Berücksichtigung mehr finden, auch wenn sie für den jeweiligen Kläger günstig sind (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Dies allein besagt aber noch nicht, dass die vom Kläger aufgeworfene Frage für den konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, wie dies zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erforderlich gewesen wäre. Der Kläger legt insbesondere nicht dar, wieso er in seinem konkreten Einzelfall besser gestellt wäre, wenn statt des Zulassungsverfahrens von vornherein die Berufung gegen das angefochtene Urteil möglich gewesen wäre. Denn bis zum jetzigen Zeitpunkt der Entscheidung über den Zulassungsantrag, zu dem womöglich auch bereits über eine Berufung entschieden worden wäre, hat der Kläger nichts vorgetragen, was bei der Überprüfung der Ausweisungsentscheidung des Beklagten in entscheidungserheblicher Weise noch zu seinen Gunsten einzustellen gewesen wäre. Er zeigt deshalb nicht in der gebotenen Weise auf, dass die Beurteilung der Sach- und Rechtslage zu unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkten, beim Berufungsverfahren zum jetzigen Zeitpunkt und beim Zulassungsverfahren mit Ablauf der Zulassungsbegründungsfrist, in seinem konkreten Ausweisungsfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis geführt hätte, er insbesondere durch die Entscheidung im Zulassungsverfahren schlechter gestellt wäre als in einem Berufungsverfahren.

Im Übrigen käme der Rechtssache auch dann keine grundsätzliche Bedeutung bei, wenn der Kläger eine konkrete Schlechterstellung durch die Einführung des Zulassungsverfahrens gegenüber dem früher von vornherein zulässigen Berufungsverfahren konkret dargelegt hätte. Denn die Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80, wonach die Mitgliedstaaten keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen dürfen, wäre zwar auf den Kläger, der eine aufenthaltsrechtliche Stellung aus Art. 7 ARB 1/80 besaß, anzuwenden. Jedoch erscheint bereits fraglich, ob die auf den Zugang zum Arbeits- bzw. Binnenmarkt zugeschnittene Stand-Still-Klausel überhaupt Verfahrensregelungen bei der Aufenthaltsbeendigung erfasst (vgl. BVerwG, B.v. 15.4.2013 - 1 B 22/12 - juris Rn. 13). Zudem stellt die Durchführung des Zulassungsverfahrens nach §§ 124 ff. VwGO keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Ausweisung dar, sondern lediglich eine spezielle Prozessvoraussetzung für die Einlegung der Berufung. Dies ergibt sich aus § 124 Abs. 1 VwGO, wonach den Beteiligten gegen Urteile die Berufung zusteht, wenn sie vom Verwaltungsgericht oder vom Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

Schließlich betrifft der Wegfall des Berufungsverfahrens ohne vorherige Zulassung der Berufung nicht nur türkische Assoziationsberechtigte, sondern auch Unionsbürger in gleicher Weise. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht der Erlass oder Wegfall von Regelungen, die - wie hier - in gleicher Weise auf türkische Staatsangehörige und auf Gemeinschaftsangehörige Anwendung finden, nicht im Widerspruch zur Stillhalteklausel in Art. 13 ARB 1/80 (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 1 C 20/11 - juris Rn. 34; U.v. 14.5.2013 - 1 C 13/12 - juris Rn. 23). Im Übrigen wäre die Aufrechterhaltung des generellen Berufungsverfahrens ohne vorherige Zulassung nur für türkische Staatsangehörige nicht mit dem Besserstellungsverbot des Art. 59 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl 1972 II S. 385) - ZP - vereinbar, denn nach dieser Vorschrift darf der Türkei in den von diesem Protokoll erfassten Bereichen keine günstigere Behandlung gewährt werden als diejenige, wie sie die Mitgliedstaaten untereinander aufgrund des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft einräumen. Da das Zulassungsverfahren auch auf Unionsbürger in den Fällen, in denen es um den Verlust ihres Rechts auf Einreise und Aufenthalt geht, Anwendung findet, kann für türkische Staatsangehörige in deren Ausweisungsverfahren nichts anderes gelten. Daran ändert auch die vom Kläger im Zulassungsverfahren zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Z. (U.v. 8.12.2011 - Rs. C-371/08 - NVwZ 2012, 422) nichts. Denn auch wenn nach dieser Entscheidung für Unionsbürger und türkische Staatsangehörige ein unterschiedlicher Maßstab hinsichtlich der Ausweisung gilt, betrifft sie nur den materiell-rechtlichen Bezugsrahmen für die Aufenthaltsbeendigung für die jeweilige Gruppe von Ausländern. Das Urteil in Sachen Z. verlangt aber nicht einen im Hinblick auf das statthafte Rechtsmittel unterschiedlichen Beurteilungszeitpunkt für Unionsbürger und türkische Assoziationsberechtigte.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Verschlechterungsverbot des Art. 13 ARB 1/80 wohl nicht dazu führen würde, die Vorschriften über die Zulassung der Berufung auf assoziationsberechtigte türkische Staatsangehörige überhaupt nicht anzuwenden und für diese in ausländerrechtlichen Streitigkeiten ausschließlich ein Berufungsverfahren durchzuführen. Denn hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage, den der Kläger allein thematisiert, wäre auch denkbar, diesen Zeitpunkt hinsichtlich der während des Zulassungsverfahrens noch eintretenden neuen Umstände bis zur Entscheidung im Zulassungsverfahren hinauszuschieben. Dies wird aber weder geltend gemacht noch sind - wie bereits oben ausgeführt - bis zu einem womöglich bis zur Entscheidung des Senats verlagerten Zeitpunkt Gründe vorgetragen worden, die im Fall des Klägers zu einer anderen Beurteilung führen könnten als zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zulassungsbegründungsfrist.

2. Der Senat hat auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - juris Rn. 11). Dies ist jedoch nicht der Fall.

2.1. Der Kläger rügt insbesondere, entgegen den Voraussetzungen, die der Europäische Gerichtshof für die Ausweisung eines türkischen assoziationsberechtigten Staatsangehörigen nach Art. 14 ARB 1/80 für erforderlich ansieht, habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil die positiven Ansätze des Klägers vollkommen außer Betracht gelassen und insbesondere die Mitwirkungsbereitschaft des Klägers und in naher Zukunft anstehende Therapien und Trainings nicht hinreichend berücksichtigt.

Demgegenüber ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass das Verhalten des Klägers auch zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch eine hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellte, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichts wird auch mit dem Zulassungsvorbringen nicht ernsthaft in Zweifel gezogen. Die konkrete Gefahr der Wiederholung vergleichbarer Straftaten besteht auch unter Berücksichtigung der im Zulassungsantrag aufgeführten positiven Ansätze des Klägers weiter. Ausgehend von einem differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab (vgl. BVerwG, U.v. 10.7.2012 - 1 C 19.11 - juris Rn. 16 m. w. N.; BayVGH, U.v. 25.3.2014 -10 BV 13.484 - juris Rn. 27) ist das Erstgericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, dass unter Berücksichtigung der Gesamtumstände beim Kläger mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit die Gefahr der Wiederholung entsprechend schwerer Straftaten, insbesondere im Bereich der Körperverletzungsdelikte, bestehe. Es hat dabei - ebenso wie der Beklagte im Bescheid vom 18. Dezember 2008 - sowohl die Tatumstände, die Persönlichkeitsstruktur des Klägers, dessen Perspektivlosigkeit und die mangelnde therapeutische Aufarbeitung seines Sucht- und Aggressionspotentials als auch sein Verhalten nach der Ausweisung gewürdigt und in seine Entscheidung einbezogen. Aufgrund der zahlreichen erheblichen Körperverletzungsdelikte, die der Kläger seit seinem 16. Lebensjahr begangen hat und deretwegen er zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden ist, bevor er zuletzt vom Landgericht Augsburg mit Urteil vom 16. Februar 2012 wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (der Kläger hat mit einer Schreckschusswaffe eine Spielhalle überfallen) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt worden ist, ist bei ihm von einem erheblichen Aggressionspotential auszugehen, das er bislang nicht überwunden hat. Denn zahlreiche von ihm begangene Delikte hingen mit seiner Alkoholabhängigkeit zusammen, die nach wie vor nicht hinreichend behandelt ist. Zudem blickt der Kläger auf eine langjährige „Drogenkarriere“ zurück. Deshalb bedarf es nach Einschätzung des von der Strafkammer des Landgerichts Augsburg beigezogenen Sachverständigen, dem sich das Verwaltungsgericht angeschlossen hat, sowohl einer Drogen- als auch einer Alkoholtherapie. Im genannten Strafurteil wird überzeugend ausgeführt, dass vom Kläger unbehandelt in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche Straftaten zu erwarten seien und deshalb sowohl seine Alkohol- als auch seine Drogensucht zuerst bekämpft werden müssten. Davon ist auch das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass die erfolgreiche Absolvierung dieser Therapien zwingende Voraussetzung für ein denkbares Entfallen der Wiederholungsgefahr ist (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 26.11.2013 -10 ZB 13.1873 - juris Rn. 7). Für die danach anzustellende Gefahrenprognose kommt es aber entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, ob dieser für eine neue Therapie vorgesehen ist, ob er seine Persönlichkeitsproblematik behandeln lassen und ob er ein Angebot einer Teilnahme an einem Aggressionstraining annehmen wird sowie auch nicht, dass Maßregelvollzug und Therapie für die Zukunft vorgesehen sind. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht darauf verwiesen, dass der bloße Wille zur Durchführung einer künftigen Therapie nicht ausreicht, um vorhandene Handlungs- und Verhaltensmuster dauerhaft zu korrigieren und dass auch ein Wohlverhalten in der Haft, wie der Kläger dies meint, nicht mit der notwendigen Sicherheit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung schließen lässt. Dies gilt erst recht beim Kläger, der bereits einmal ab 30. Januar 2008 im Bezirkskrankenhaus P. eine Drogentherapie durchgeführt hat, dort erhebliche Fortschritte gemacht hat und aufgrund mehrerer positiver Stellungnahmen des Bezirkskrankenhauses im Juli 2009 beurlaubt worden ist. Bereits im Oktober 2009 wurde bei ihm ein Rückfall festgestellt und die zunächst vorgeschlagene Entlassung auf Bewährung zurückgezogen. Aber auch nach Fortführung der Therapie und Entlassung zur Bewährung ab Mai 2010 ist es dem Kläger nur vier Monate lang gelungen, drogen- und alkoholfrei zu leben. Vor seiner nächsten Inhaftierung im Juli 2011 hat er ausweislich der Akten täglich eine Flasche Schnaps bzw. Wodka sowie ein bis drei Gramm Kokain konsumiert. Damit zeigen die konkreten Umstände beim Kläger deutlich, dass bei ihm nicht einmal der Abschluss einer Therapie ausreicht, um ihn dauerhaft von seiner Alkohol- und Drogensucht abzuhalten. Damit kommt aber auch dem Umstand, dass er eine Drogentherapie durchführen will und seine Persönlichkeitsproblematik behandeln möchte, sowie seiner angeblichen Mitwirkungsbereitschaft an sonstigen Therapien und Trainings nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da der Kläger damit zwar durchaus positive Ansätze zeigt, diese jedoch nach den bisherigen Erfahrungen mit ihm keinerlei Indiz dafür sind, dass tatsächlich seine Suchtprobleme und seine Persönlichkeitsproblematik in Zukunft erfolgreich überwunden werden können.

Aus demselben Grund kommt auch aktuellen positiven Führungsberichten der Justizanstalt keine ausschlaggebende Bedeutung zu, da solche auch früher schon vorlagen, der Kläger aber nach seiner ersten Beurlaubung und nochmals nach der Entlassung aus der Haft immer wieder in sein früheres Suchtverhalten zurückfiel und erneut schwere Straftaten begangen hat. Im Übrigen zeigt auch der Führungsbericht der Justizvollzugsanstalt K. vom 5. Februar 2013, dass der Kläger sich disziplinarisch nicht ordnungsgemäß verhält. Er musste geahndet werden, weil er Alkohol hergestellt hat. Aus dem Bericht geht hervor, dass beim Kläger nach wie vor eine ernstzunehmende Alkohol- und Drogenproblematik vorliege.

Zur Beurteilung der Gefahrenprognose musste das Verwaltungsgericht auch keine weiteren Stellungnahmen oder Sachverständigengutachten als die bereits vorliegenden einholen. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu bereits in seinem Beschluss vom 4. Mai 1990 (1 B 82/89 - juris - Rn. 7; st. Rspr..) ausgeführt, dass insbesondere in Fällen wiederholter Straftaten die Prüfung der Frage, ob eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung gegenwärtig noch besteht, grundsätzlich nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens erfordere, da sich das Gericht mit einer entsprechenden tatsächlichen Würdigung regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen bewege, die dem Richter allgemein zugänglich seien. Eine Ausnahme komme nur in Betracht, wenn die Prognose die Feststellung oder Bewertung von Umständen voraussetze, für die eine dem Richter nicht zur Verfügung stehende Sachkunde erforderlich sei, wie z. B. bei Vorliegen eines seelischen Leidens. Dass ein solcher Fall beim Kläger vorliege, wird aber weder im Zulassungsantrag behauptet noch ist dies sonst ersichtlich.

2.2. Auch das Vorbringen des Klägers, die Ausweisung sei unter Berücksichtigung des Schutzes seines Privat- und Familienlebens und der Tatsache, dass er sich bereits seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhalte, nicht verhältnismäßig, vermag ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht zu begründen.

Das Verwaltungsgericht - und ebenso der Beklagte im angefochtenen Bescheid - hat im angegriffenen Urteil bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ausweisung sämtliche Aspekte berücksichtigt, die nach der Rechtsprechung, insbesondere des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, als Kriterien bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Ausweisung heranzuziehen sind. Es hat dabei insbesondere auf die Vielzahl von Straftaten abgestellt, bei denen der Kläger ein hohes Gewalt- und Aggressionspotential gezeigt hat, und berücksichtigt, dass er erforderliche Therapien nicht abgeschlossen hat, sondern bereits mehrfach beim Versuch, eine Therapie zu durchlaufen, letztendlich gescheitert ist. Es hat ebenfalls in sein Prüfprogramm eingestellt, dass der Kläger im Bundesgebiet geboren ist und seine engere Familie hier lebt, aber auch darauf hingewiesen, dass damit eine Ausweisung nicht schlechthin untersagt sei. Schließlich hat es auch die Zumutbarkeit der Rückkehr des Klägers in das Land seiner Staatsangehörigkeit in seine Erwägungen einbezogen. Dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung dieser Umstände zum Ergebnis gelangt ist, die Ausweisung des Klägers sei verhältnismäßig, ist nicht zu beanstanden.

Insbesondere erweist sich der Einwand des Klägers im Zulassungsverfahren, eine Ausweisung sei dann unverhältnismäßig, wenn der Ausländer außer seiner Staatsangehörigkeit keine Bindungen mehr zu seinem Herkunftsland seiner Eltern besitzt, als nicht durchgreifend. Denn zum einen sind in die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht ausschließlich die Bindungen zum Herkunftsland einzustellen, sondern alle vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil (vgl. dazu dessen Rn. 49) genannten Gesichtspunkte als Kriterien heranzuziehen. Zudem trifft es nicht zu, dass der Kläger keine Bindungen mehr zur Türkei besitzt. So steht unwidersprochen fest, dass der Kläger die türkische Sprache beherrscht und sich nach eigenen Angaben (vgl. Niederschrift des VG Augsburg v. 6.3.2013) etwa alle zwei oder drei Jahre für mehrere Wochen zum Zwecke des Besuchs von Verwandten in der Türkei aufgehalten hat. Damals hat der Kläger auch ausgesagt, die Schwestern seiner Mutter lebten noch in der Türkei. Dass er sich zuletzt im Jahr 2006 in der Türkei aufgehalten hat, beruht offensichtlich auf seinen langjährigen Freiheitsstrafen, die er seit 2007 verbüßen musste. Auch trifft die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Kläger sei fest im türkischen Kulturkreis verwurzelt, bereits deshalb zu, weil er selbst ausgesagt hat, dass innerhalb der Familie immer noch Türkisch gesprochen werde und er in der Türkei noch familiäre Bindungen besitze. Zudem ergibt sich aus den Akten, dass er auch in der Justizvollzugsanstalt im Wesentlichen Kontakt zu türkischen Landsleuten gehalten hat (vgl. z. B. Führungsbericht der JVA K. vom 5.2.2013). Im Übrigen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob der Kläger nach Überzeugung des Erstgerichts noch fest im türkischen Kulturkreis verwurzelt ist, sondern allein darauf, wie weit er Bindungen zum Heimatstaat hat, insbesondere dessen Sprache beherrscht und womöglich eine familiäre Anlaufstelle in der Türkei besitzt.

Insbesondere greift der Einwand des Klägers nicht, dass eine Ausweisung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch bei langjährigen Verurteilungen zu Haftstrafen ohne Bewährung als unverhältnismäßig i. S. des Art. 8 Abs. 2 EMRK anzusehen sei, wenn der Ausländer seit vielen Jahren im Inland lebe. Die von ihm aufgezählten Entscheidungen können bereits deshalb nicht mit dem Fall des Klägers verglichen werden, weil jenen andere Sachverhalte zugrunde lagen. So war etwa im Fall Mehemi (EGMR, U.v. 26.9.1997 -Nr. 85/1996/704/896, Mehemi/Frankreich - InfAuslR 1997, 430) entscheidungserheblich, dass der dortige Kläger im Gegensatz zum vorliegenden Fall verheiratet und Vater dreier französischer Kinder war. Auch der Kläger im Fall Beldjoudi (EGMR, U.v. 26.3.1992 - Nr. 55/1990/246/317, Beldjoudi - InfAuslR 1993, 86) war mit einer französischen Staatsangehörigen verheiratet und hatte lange Zeit selbst die französische Staatsangehörigkeit besessen und diese lediglich aufgrund dessen, dass seine Eltern keine Beibehaltungserklärung abgegeben hatten, verloren. Zudem hatte er im Wesentlichen (nur) Vermögensdelikte begangen, stammte aus einem französischen Gebiet in Algerien und sprach kein Arabisch. Er lebte 40 Jahre lang in Frankreich. Auch die Rechtssache Moustaquim (EGMR, U.v. 18.2.1991 - Nr. 31/1989/191/291, Moustaquim/Belgien - InfAuslR 1991, 149) unterscheidet sich wesentlich vom Fall des Klägers. Zwar kannte auch der dortige Kläger sein Heimatland nur von Urlaubsreisen, er hat aber die ihm vorgeworfenen Straftaten als Jugendlicher begangen, und zwar alle innerhalb einer kurzen Zeitspanne von nur elf Monaten, und befand sich deswegen nur 16 Monate in Haft. Schließlich ist auch die Rechtssache Lamguindaz (Europäische Kommission für Menschenrechte, Bericht an den Ministerausschuss v. 13.10.1992 - Nr. 16152/92, Lamguindaz/Vereinigtes Königreich - InfAuslR 1995, 133) nicht geeignet, Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausweisung des Klägers zu wecken, denn der dort Betroffene hat zumeist nur geringfügige Vergehen begangen, die nur leichte Strafen, zum Teil auf Bewährung, nach sich zogen. Auch die Bezugnahme auf einen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH, B.v. 25.10.2000 - 24 CS 00.2611 - juris) führt nicht weiter, denn für die im Eilverfahren getroffene Abwägungsentscheidung war in erster Linie maßgebend, dass der Antragsteller „eher zufällig“ Franzose war, nicht die französische Sprache beherrschte und lediglich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt war. Eine Entscheidung über die Ausweisung wurde nicht getroffen, sondern lediglich weiterer Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren festgestellt. Schließlich ergibt sich aus den vom Kläger zitierten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Januar 1997 (BVerwG 1 C 17.94 - InfAuslR 1997, 296) und vom 29. September 1998 (BVerwG 1 C 8/96 - InfAuslR 1999, 54) nichts anderes, denn nach diesen Entscheidungen kommt zwar eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Ausländern in Betracht, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung praktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist. Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Im Übrigen widerspricht sich der Kläger mit seiner Argumentation im Zulassungsverfahren, wenn er ausführt: „Diese Schwierigkeiten sind bei einem in Deutschland geborenen und aufgewachsenen Ausländer in aller Regel weit größer als für einen Ausländer der sog. ersten Generation, dem Sprache und die Verhältnisse seines Heimatlandes vertraut sind.“ Gerade diese türkischen Sprachkenntnisse besitzt aber der in Deutschland geborene und aufgewachsene Kläger.

2.3. Der Kläger macht weiter geltend, ihm sei die Trennung von seiner Familie nicht zuzumuten. Die staatliche Pflicht zum Schutz des Familienlebens ergebe sich aus Art. 8 EMRK. Der Familienschutz bestehe auch für Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern.

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zu begründen. Zwar ist die Argumentation des Klägers, Art. 8 EMRK schütze auch die Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern, vom Ansatz her zutreffend (vgl. EGMR, U.v. 23.6.2008 - Nr. 1638/03, Maslov II - InfAuslR 2008, 333), jedoch verkennt er, dass das Recht des Klägers auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK die Ausweisung nicht von vornherein verhindert, sondern eine Abwägung der besonderen Umstände des Betroffenen und des Allgemeininteresses im jeweiligen Einzelfall erfordert (vgl. EGMR, U.v. 13.10.2011 - Nr. 41548/06, Trabelsi - juris Rn. 53). Diese Abwägung hat das Verwaltungsgericht fehlerfrei vorgenommen.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in den beiden von ihm genannten Entscheidungen einen anderen Maßstab bei der Auslegung von Art. 8 EMRK angelegt habe und sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts daher als europarechtswidrig erweise. Denn beiden Entscheidungen (EGMR, U.v. 11.7.2002 - Nr. 56811/00, Amrollahi -InfAuslR 2004, 180 und EGMR, U.v. 18.10.2006 - Nr. 46410/99, Üner/Niederlande -NVwZ 2007, 1279) liegt ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde als im vorliegenden Fall. In beiden Fällen war der Betroffene nämlich mit einer Staatsangehörigen des Staates, aus dem er ausgewiesen werden sollte, verheiratet, lebte mit dieser zusammen und hatte zudem jeweils zwei Kinder, die die Staatsangehörigkeit der Mutter hatten, aber keinerlei Beziehung zur Staatsangehörigkeit des Betroffenen. Demgegenüber hat der Kläger keine eigene Familie. Er ist weder verheiratet noch hat er Kinder. Das Verwaltungsgericht ist dennoch wegen seiner engen Beziehungen zu seinen Eltern und seinen Geschwistern, die im Bundesgebiet leben, von einem besonders geschützten Familien- und Privatleben ausgegangen (vgl. Rn. 51 des angegriffenen Urteils). Es hat dann aber zutreffend ausgeführt, weshalb diese Bindungen nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Ausweisung führen. Insbesondere ist dem erwachsenen, mittlerweile 28 Jahre alten Kläger, der nicht mehr auf die Fürsorge seiner Eltern angewiesen ist und auch sonst nicht auf den Beistand seiner Familie, die Rückkehr in sein Heimatland zumutbar. An diesem Abwägungsergebnis ändert auch die Behauptung des Klägers nichts, er habe keinen bzw. keinen engen Kontakt zu seinen in der Türkei lebenden entfernteren Verwandten und er sei auch nicht im türkischen Kulturkreis verwurzelt. Insoweit weist das Verwaltungsgericht zu Recht darauf hin, dass der Kläger zwar als sog. faktischer Inländer zu betrachten ist, seine Integration in die Verhältnisse des Bundesgebiets aber nicht so gewichtig ist, dass dies unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls der angefochtenen Ausweisungsentscheidung entgegenstehen könnte. Diese Einschätzung teilt auch der Senat.

3. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil solche Schwierigkeiten nicht den Anforderungen von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt wurden. Der Kläger hat sich vielmehr darauf beschränkt, das Vorliegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten zu behaupten und pauschal auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu verweisen. Im Übrigen kann insoweit auf die Ausführungen zu 1. verwiesen werden. Die Frage, ob in Fällen von Ausweisungen türkischer Staatsangehöriger ohne ein vorgeschaltetes Zulassungsverfahren unmittelbar ein Berufungsverfahren durchzuführen ist, lässt sich anhand der Rechtsprechung, insbesondere auch des Bundesverwaltungsgerichts, ohne größere Schwierigkeiten beantworten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts können vorbehaltlich des § 99 Abs. 2 und des § 133 Abs. 1 dieses Gesetzes sowie des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht angefochten werden.

(2) Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gilt für Entscheidungen des beauftragten oder ersuchten Richters oder des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle § 151 entsprechend.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.