Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 07. März 2014 - Vf. 54-VI/13

07.03.2014

Gericht

Bayerischer Verfassungsgerichtshof

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.

Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2013 Az. 7 ZB 12.1973 und das zugrunde liegende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. Juli 2012 Az. AN 2 K 11.02456, AN 2 K 12.00392.

1. Die Beschwerdeführerin war seit dem Wintersemester 2010/2011 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) im Bachelorstudiengang Biologie eingeschrieben. Aufgrund einer nicht bestandenen Pflichtklausur (Biologie I) am 18. Februar 2011 meldete sie sich zur Wiederholungsprüfung am 29. April 2011, von der sie jedoch unter Vorlage eines ärztlichen Attests wegen krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit zurücktrat. Am 14. Oktober 2011 nahm die Beschwerdeführerin erneut an der Klausur im Fach Biologie I teil. Mit Bescheid vom 29. November 2011 teilte ihr das Prüfungsamt mit, sie habe die Klausur und damit die Grundlagen- und Orientierungsprüfung endgültig nicht bestanden und könne ihr Studium daher nicht fortsetzen.

Mit Bescheid der FAU vom 5. Dezember 2011 wurde die Beschwerdeführerin mit Wirkung zum 19. Dezember 2011 exmatrikuliert.

Gegen den Bescheid des Prüfungsamtes legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. Dezember 2011 Widerspruch ein. Sie sei am Prüfungstag und insbesondere in den Wochen der Vorbereitung wegen eines allergischen Asthmas nicht in der Lage gewesen, ordentlich zu arbeiten. Die FAU wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9. März 2012 zurück.

2. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Klage zum Verwaltungsgericht gegen die FAU mit dem Antrag, die Hochschule unter Aufhebung des Bescheids vom 29. November 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids zu verpflichten, sie an einer weiteren Wiederholungsprüfung im Fach Biologie I teilnehmen zu lassen (Az. AN 2 K 12.00392). Mit einer gegen den Freistaat Bayern gerichteten weiteren Klage beantragte sie die Aufhebung des Exmatrikulationsbescheids vom

5. Dezember 2011 (Az. AN 2 K 11.02456).

Mit Urteil vom 31. Juli 2012 wies das Verwaltungsgericht die Klagen ab. Die Beschwerdeführerin habe die Klausur in Biologie I, die nur einmal wiederholt werden könne, endgültig nicht bestanden. Sie habe den Rücktritt von der Wiederholungsprüfung aufgrund einer krankheitsbedingten Prüfungsunfähigkeit erst mit dem Widerspruchsschreiben vom 4. Dezember 2011 und damit nicht unverzüglich erklärt. Angesichts der Begleitumstände könne sie sich nicht darauf berufen, ihr sei eine Prüfungsunfähigkeit nicht bewusst gewesen. Ein Prüfling sei gehalten, sich bei auftretenden Zweifeln im Hinblick auf ein reduziertes Leistungsvermögen unverzüglich um Aufklärung seines Gesundheitszustands zu bemühen. Der Beschwerdeführerin sei ihr Krankheitszustand laut eigenen Ausführungen seit dem 12. Mai 2011 bekannt gewesen. Sie habe zudem unter ständiger ärztlicher Kontrolle gestanden. Es sei unerfindlich, weshalb sie sich nicht noch rechtzeitig vor der Prüfung am 14. Oktober 2011 auf ihren Gesundheitszustand und ihre Prüfungsfähigkeit habe untersuchen lassen. Ein Abwarten mit der Erklärung des Rücktritts bis nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses sei jedenfalls nicht mehr unverzüglich im Sinn der Prüfungsordnung. Studierende, die eine erforderliche Prüfung endgültig nicht bestanden hätten, seien nach Art. 49 Abs. 2 Nr. 3 BayHSchG zu exmatrikulieren. Neben der Klausur in Biologie I habe die Beschwerdeführerin unstreitig auch die Klausur Allgemeine und Anorganische Chemie endgültig nicht bestanden.

3. Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. April 2013 ab

(Az. 7 ZB 12.1973). Für die Frage, ob im Fall des nachträglichen Prüfungsrücktritts eine im Prüfungszeitraum unerkannte Prüfungsunfähigkeit vorgelegen habe, komme es nicht auf das subjektive Empfinden der Prüfungsteilnehmerin an. Es sei deren Sache, sich vor Beginn der Prüfung zu vergewissern, ob ihre Leistungsfähigkeit durch Krankheit beeinträchtigt sei. Die Beschwerdeführerin könne dem nicht entgegenhalten, dass sie gehindert gewesen wäre, die sie behandelnden Ärzte in Erlangen wegen der großen Entfernung zu ihrem Heimatort rechtzeitig aufzusuchen. Zur Prüfungsteilnahme habe sie ohnehin an ihren Studienort reisen müssen. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Begrenzung der sogenannten Einzelfachwiederholung auf eine weitere fachliche Teilprüfung mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sei, habe der Verwaltungsgerichtshof an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die Prüfungswiederholung keine Zweifel. Auf die Frage, ob die Beschwerdeführerin auch das Fach Allgemeine und Anorganische Chemie endgültig nicht bestanden habe, komme es für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation nicht an, da hinsichtlich des endgültigen Nichtbestehens der Klausur im Fach Biologie I keine ernstlichen Zweifel bestünden. Im Übrigen müsse für die Exmatrikulation ein Bescheid über das endgültige Nichtbestehen einer Prüfung noch nicht unanfechtbar sein.

Der Beschluss vom 29. April 2013 wurde der Beschwerdeführerin laut Empfangsbekenntnis ihrer damaligen Bevollmächtigten am 2. Mai 2013 zugestellt.

II.

1. Mit ihrer auf den 1. Juli 2013 datierten und am 4. Juli 2013 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung des Rechts auf Nachteilsausgleich bei gesundheitlicher Beeinträchtigung, des Rechts auf Bildung und freie Berufswahl, des Rechts auf Akteneinsicht und des Rechts auf ordentliche Vertretung durch Prozessbevollmächtigte.

Wegen einer erblichen Hormonerkrankung könne sie nie die ihrem Können entsprechenden Prüfungsleistungen erbringen. Zur Zeit der Prüfung sei sie zudem wegen allergischen Asthmas in Behandlung gewesen; dass die Krankheit nicht ganz ausgeheilt gewesen sei, habe sie aber nicht gewusst. Eine Krankmeldung sei ihr nicht ohne Weiteres möglich gewesen, da sie sich an ihrem Wohnort befunden habe und ihr dortiger Hausarzt nicht zu einer Krankschreibung bereit gewesen sei. Bei der Wiederholungsklausur habe sie auch noch psychische Probleme gehabt, weil ihr Vater im Sterben gelegen habe; deshalb sei es dazu gekommen, dass sie die Krankmeldung erst nach Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eingereicht habe. Auch psychische Probleme stellten eine Beeinträchtigung dar, wegen derer man nicht benachteiligt werden dürfe. Zwar habe ihr der Lungenfacharzt in Erlangen am 24. Oktober 2011 bestätigt, dass eine Besserung eingetreten sei; aufgrund ihrer psychischen Situation seien ihr aber die Auswirkungen ihres Gesundheitszustands auf die Prüfung nicht klar gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe sie zu ihrer psychischen Situation nicht mündlich angehört und zudem für seine Entscheidung ein dreiviertel Jahr gebraucht, was durchaus nicht üblich sei.

Eine Verletzung des Rechts auf Bildung und freie Berufswahl liege darin, dass für die Klausur Biologie I trotz der großen Stoffmenge und der langen Dauer nur zwei Versuche vorgesehen seien, obwohl es ansonsten für jede Prüfung im Fach Biologie Bachelor an der FAU auch bei geringer Stoffmenge und kurzer Dauer drei Versuche gebe. Es sei nicht eindeutig, dass eine Person nach zweimaligem Nichtbestehen einer Prüfung nicht für den Beruf geeignet sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe nicht überprüft, inwieweit das nur zweimalige Ablegen einer Prüfung rechtmäßig sei. Die Beschwerdeführerin habe schon erlebt, dass Anträge von Studierenden auf nochmalige Wiederholung genehmigt worden seien.

Die FAU habe der Beschwerdeführerin die Akteneinsicht zu der angeblich nicht bestandenen Klausur in Anorganischer Chemie vom 16. März 2012 verweigert. Diesen im Zulassungsantrag angesprochenen Punkt habe der Verwaltungsgerichtshof ohne weitere Klärung vollständig übergangen.

Ihre Prozessbevollmächtigten hätten entgegen ihren anwaltlichen Pflichten keine Gehörsrüge erhoben und seien auch zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde nicht bereit gewesen.

Mit einem am 10. Juli 2013 versandten Anschreiben des Referenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs wurde die Beschwerdeführerin u. a. darauf hingewiesen, dass mit ihrem am 4. Juli 2013 eingegangenen Schriftsatz die Beschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG nicht gewahrt sei. Sie trug daraufhin mit Schreiben vom 25. Juli 2013 (Eingang 26. Juli 2013) ergänzend vor, es liege nicht in ihrer Verantwortung, dass die Verfassungsbeschwerde nicht fristgerecht eingereicht worden sei. Bei ihrer Bevollmächtigten aus dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die ursprünglich angeboten habe, auch die Verfassungsbeschwerde zu erheben, sei immer von einer Frist bis zum 4. Juli 2013 die Rede gewesen. Nachdem diese bei einem Termin in ihrer Kanzlei nicht mehr zur Vertretung bereit gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin einen anderen Rechtsanwalt beauftragt. Dieser habe ihr aber am 29. Juni 2013 geschrieben, dass er das Mandat doch nicht übernehmen wolle. Mit Hilfe eines weiteren Anwalts habe sie daraufhin die Verfassungsbeschwerde selbst verfasst, was nicht vor dem 2. Juli 2013 möglich gewesen sei. Den Schriftsatz habe sie dann per Eileinschreiben versandt, damit er noch bis zum 4. Juli 2013 rechtzeitig ankomme.

2. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hält die Verfassungsbeschwerde wegen Verfristung für unzulässig. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gründe der Fristversäumung rechtfertigten keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da keiner dieser Gründe ein von ihr nicht zu vertretendes Hindernis darstelle. Unabhängig davon habe sie nicht substanziiert vorgetragen, durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in ihrer Berufsfreiheit nach Art. 101 BV verletzt zu sein. Ihr Vorbringen lasse eine Grundrechtsverletzung nicht möglich erscheinen, weil die Begrenzung von Wiederholungsmöglichkeiten bei Prüfungen rechtmäßig sei. Eine darüber hinausgehende verfassungsrechtliche Fragestellung lasse sich nicht erkennen. Im Übrigen wäre die Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Das Erfordernis, eine Prüfungsunfähigkeit unverzüglich geltend zu machen, entspreche einer verhältnismäßigen Berücksichtigung subjektiver Empfindlichkeiten und einer rechtssicheren Ausgestaltung der betreffenden Verfahren.

III.

1. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits unzulässig, weil sie nicht fristgerecht erhoben wurde.

a) Nach Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG ist die Verfassungsbeschwerde spätestens zwei Monate nach der schriftlichen Bekanntgabe der vollständigen letztgerichtlichen Entscheidung an den Beschwerdeführer beim Verfassungsgerichtshof einzureichen. Letztinstanzliche Entscheidung war hier der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. April 2013, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2012 abgelehnt wurde. Die zweimonatige Verfassungsbeschwerdefrist begann daher mit der Bekanntgabe dieses Beschlusses an die Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin am 2. Mai 2013; sie endete gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1 VfGHG i. V. m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 2. Juli 2013. Bei Eingang der Verfassungsbeschwerde am Donnerstag, dem 4. Juli 2013, war die Frist somit bereits verstrichen.

b) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann der Beschwerdeführerin nicht gewährt werden.

Wer glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist nach Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VfGHG auf Antrag in den vorigen Stand einzusetzen. Für die Entscheidung hierüber ist gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 3 VfGHG die Spruchgruppe der Hauptsache zuständig.

Zwar ist in dem am 26. Juli 2013 eingegangenen Schreiben der Beschwerdeführerin vom 25. Juli 2013 ein (konkludenter) Antrag auf Wiedereinsetzung zu sehen (vgl. VerfGH vom 9.11.1966 VerfGHE 19, 98/99). Sie hat darin als Grund für die Fristversäumnis angegeben, ihre frühere Prozessbevollmächtigte habe als letztmöglichen Zeitpunkt für die Einreichung der Verfassungsbeschwerde unrichtigerweise den 4. Juli 2013 genannt. Wäre der Beschwerdeführerin das tatsächliche Fristende (2. Juli 2013) bekannt gewesen, so hätte sie den an diesem Tag fertig gestellten Beschwerdeschriftsatz wohl noch fristwahrend, z. B. per Telefax (vgl. VerfGH vom 9.10.1992 VerfGHE 45,137/141), beim Verfassungsgerichtshof eingereicht. Dass die anwaltliche Auskunft über den Fristablauf - legt man ihr Vorbringen zugrunde - unzutreffend war, konnte sie nicht erkennen. Sie musste sich auch nicht gemäß Art. 16 Abs. 6 VfGHG i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO ein Verschulden ihrer früheren Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen, da diese den Auftrag zur Einreichung der Verfassungsbeschwerde nicht angenommen hatte (vgl. BGH vom 17.5.1982 VersR 1982, 950 m. w. N.). Da die Beschwerdeführerin von dem Ablauf der Einreichungsfrist am 2. Juli 2013 erst durch das Anschreiben des Referenten des Verfassungsgerichtshofs erfahren hat, das am 12. Juli 2013 bei ihr eingegangen sein dürfte, hat sie den Wiedereinsetzungsantrag wohl auch binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses gestellt (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 VfGHG).

Gleichwohl kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Die Beschwerdeführerin hat den Tatsachenvortrag, aus dem sich die Gründe für ihr fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis ergeben sollen, nicht glaubhaft gemacht (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Für ihre Behauptung, bei der früheren Prozessbevollmächtigten sei immer die Rede davon gewesen, dass die Verfassungsbeschwerde bis zum 4. Juli 2013 eingereicht sein müsse, hat sie weder einen Zeugen benannt oder ein anderes präsentes Beweismittel angeboten noch eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt (Art. 30 Abs. 1 VfGHG i. V. m. § 173 Satz 1 VwGO, § 294 ZPO). Ein Ausnahmefall, bei dem eine schlichte Erklärung als ausreichend angesehen werden müsste, weil andere Mittel der Glaubhaftmachung nicht zur Verfügung stünden (vgl. VerfGH vom 19.10.1984 VerfGHE 37, 135/139; BVerfG vom 22.2.2002 NJW-RR 2002, 1006 m. w. N.), liegt ersichtlich nicht vor. Dass die frühere Bevollmächtigte, die auf dem Empfangsbekenntnis für den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs das Zustellungsdatum 2. Mai 2013 eingetragen hatte, als letzten Tag der Verfassungsbeschwerdefrist nicht den 2. Juli, sondern den 4. Juli 2013 angegeben haben könnte, erscheint im Übrigen so fernliegend, dass der behauptete Geschehensablauf nicht unbesehen zugunsten der Beschwerdeführerin unterstellt werden kann.

2. Unabhängig von der Fristversäumung ist die Verfassungsbeschwerde zum überwiegenden Teil auch deshalb unzulässig, weil sie den Anforderungen an die Substanziierung eines Grundrechtsverstoßes nicht genügt.

Nach Art. 51 Abs. 1 VfGHG sind in der Verfassungsbeschwerde die Handlung oder Unterlassung der Behörde oder des Gerichts, gegen die sich der Beschwerdeführer wendet, und das verfassungsmäßige Recht, dessen Verletzung er geltend macht, zu bezeichnen; die Verfassungsbestimmungen, deren Verletzung behauptet wird, sollen angeführt werden. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt damit voraus, dass der Beschwerdeführer zumindest in groben Zügen darstellt, inwiefern eine von ihm angegriffene Entscheidung seine verfassungsmäßigen Rechte verletzt (VerfGH vom 19.10.2010 BayVBl 2011, 404/405). Er darf sich nicht damit begnügen, irgendeine ein verfassungsmäßiges Recht verbürgende Norm der Bayerischen Verfassung anzuführen und als verletzt zu bezeichnen. Die bloße Behauptung, eine gerichtliche oder behördliche Entscheidung sei fehlerhaft, genügt zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/51 m. w. N.; vom 3.11.2010 BayVBl 2011, 575; vom 8.1.2013 - Vf. 21-VI-11 - juris Rn. 19). Es muss vielmehr mindestens in groben Umrissen erkennbar sein, inwiefern durch eine konkrete Maßnahme oder Entscheidung ein solches Recht verletzt sein soll.

a) Soweit die Beschwerdeführerin ihr „Recht auf Nachteilsausgleich bei gesundheitlicher Beeinträchtigung“ als verletzt ansieht, weil mehrere leistungsmindernde Krankheiten (erbliche Hormonerkrankung, allergisches Asthma, psychische Probleme) nicht angemessen berücksichtigt worden seien, legt sie nicht hinreichend dar, welches Grundrecht insoweit betroffen sein soll und inwiefern die angegriffenen Gerichtsentscheidungen dagegen verstoßen haben könnten.

Gemeinhin bezeichnet der prüfungsrechtliche Begriff des „Nachteilsausgleichs“ die aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV) folgende Verpflichtung der Prüfungsbehörden, solche Behinderungen eines Prüflings, die sich nicht auf die zu prüfende Leistungsfähigkeit auswirken, sondern nur deren Nachweis erschweren, ausnahmsweise durch Einräumung besonderer Prüfungsbedingungen auszugleichen (vgl. BVerwG vom 30.8.1977 - VII C 50.76 - juris Rn. 13; s. auch § 16 Satz 4 HRG). So müssen z. B. bei eingeschränkter Seh- oder Schreibfähigkeit oder bei Lese- und Rechtschreibschwäche auf Antrag Schreibzeitverlängerungen gewährt oder technische Hilfsmittel zugelassen werden, um eine konstitutionell bedingte Benachteiligung im Prüfungsverfahren möglichst zu kompensieren (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 259 f.

m. w. N.). Auch der besondere Gleichheitssatz des Art. 118 a BV, demzufolge Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden dürfen (Satz 1) und der Staat sich für gleichwertige Lebensbedingungen von Menschen mit und ohne Behinderung einzusetzen hat (Satz 2), enthält eine grundsätzliche Verpflichtung zu Ausgleichsmaßnahmen zugunsten behinderter Prüfungsteilnehmer (vgl. Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 118 a Rn. 1 f.; zu Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Niehues/Fischer, a. a. O., Rn. 262).

Dass dieses Recht auf Herstellung von behinderungskompensierenden Prüfungsbedingungen bei ihrer Teilnahme an der Wiederholungsklausur im Fach Biologie I verletzt worden wäre, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Sie hat insbesondere nicht behauptet, sich schon vor der damaligen Prüfung auf eine bestehende Behinderung berufen und beim Vorsitzenden des Prüfungsausschusses einen Nachteilsausgleich beantragt zu haben, wie dies in § 22 der Studien- und Prüfungsordnung für das Bachelorstudium der Biologie und das Masterstudium der Zell- und Molekularbiologie an der Universität Erlangen-Nürnberg (im Folgenden: SPO) für solche Fälle verlangt wird. Inwiefern die aus dem Gleichheitsgebot folgende Pflicht zum Nachteilsausgleich - über das bisherige Verständnis hinausgehend - auch bei der Entscheidung über die Rechtzeitigkeit eines krankheitsbedingten Rücktritts von der Prüfung bedeutsam sein könnte, legt die Beschwerdeführerin nicht dar. Ihre Ausführungen befassen sich vielmehr allein mit der den angegriffenen Gerichtsentscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Annahme, dass sie vor der Wiederholungsklausur davon abgesehen habe, sich zur Feststellung einer etwaigen Prüfungsunfähigkeit ärztlich untersuchen zu lassen, obwohl die Möglichkeit hierzu schon damals bestanden habe. Die dagegen mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemachten Einwände beruhen lediglich auf einer abweichenden Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts; eine mögliche Grundrechtsverletzung wird daraus nicht einmal ansatzweise ersichtlich.

b) Gleiches gilt für das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die FAU habe ihr zu Unrecht die Einsichtnahme in ihre Prüfungsakten zu der Klausur in Anorganischer Chemie vom 16. März 2012 verweigert und damit ihr Recht auf Akteneinsicht verletzt.

Allerdings setzt der grundrechtliche Anspruch (Art. 101 BV) auf ein verwaltungsinternes „Überdenken“ der Prüfungsentscheidung durch den Prüfer und auf deren gerichtliche Kontrolle voraus, dass einem Prüfling nach Bekanntgabe des Ergebnisses auf Verlangen Einblick in die ihn betreffenden Unterlagen gewährt wird (BVerwG vom 24.2.1993 BVerwGE 92, 132/137). Die Beschwerdeführerin hat aber nicht dargelegt, inwiefern sich die behauptete Verletzung des Akteneinsichtsrechts auf den Inhalt der Gerichtsentscheidungen, die Gegenstand ihrer Verfassungsbeschwerde sind, ausgewirkt haben soll. Im angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs wird die Frage, ob sie auch das Fach Allgemeine und Anorganische Chemie endgültig nicht bestanden habe, ausdrücklich offen gelassen, da es für die Rechtmäßigkeit der Exmatrikulation darauf nicht mehr ankomme. Selbst wenn bezüglich dieses Prüfungsabschnitts eine rechtswidrige Verweigerung der Akteneinsicht zweifelsfrei vorläge, hätte dies demnach den verwaltungsgerichtlichen Klagen der Beschwerdeführerin nicht zum Erfolg verhelfen können, da sich am endgültigen Nichtbestehen der vorhergehenden Klausur im Fach Biologie I und an der darauf beruhenden Exmatrikulation nichts ändern würde.

c) An der substanziierten Darlegung eines Grundrechtsverstoßes fehlt es auch, soweit sich die Beschwerdeführerin in ihrem „Recht auf eine ordentliche Vertretung durch Prozessbevollmächtigte“ verletzt sieht, weil ihre frühere Bevollmächtigte gegen die Entscheidung im Berufungszulassungsverfahren pflichtwidrig keine Gehörsrüge erhoben habe und später - ebenso wie ihr Kollege - auch nicht zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bereit gewesen sei.

Aus dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Gebot eines fairen Verfahrens (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) folgt das Recht, sich in Gerichtsverfahren gemäß der jeweiligen Prozessordnung durch einen Bevollmächtigten oder Beistand vertreten zu lassen (vgl. BVerfG vom 10.3.2010 - 2 BvR 941/09 - juris Rn. 23 ff.; BVerwG vom 28.4.1981 BVerwGE 62, 169/173). Auch wenn ein gesetzlicher Vertretungszwang besteht, wie z. B. bei Anträgen auf Zulassung der Berufung gegen verwaltungsgerichtliche Urteile (§ 67 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 VwGO), darf jeder Verfahrensbeteiligte den für ihn auftretenden Rechtsanwalt oder Rechtslehrer frei auswählen. Dass dieses prozessuale Recht durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs verletzt sein könnte, ist nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin war zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens gehindert, eine Person ihres Vertrauens als bevollmächtigten Vertreter zu bestellen. Ob die von ihr mit der Prozessführung beauftragte Rechtsanwältin diese Aufgabe „ordentlich“ erfüllt, d. h. das Rechtsschutzbegehren in der gebotenen Weise zur Geltung gebracht hat, kann hier dahinstehen. Denn für etwaige Versäumnisse in der Prozessführung wäre allein die Bevollmächtigte verantwortlich, so dass insoweit keine Handlung oder Unterlassung des Gerichts vorläge, die nach Art. 51 Abs. 1 Satz 2 VfGHG Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein könnte.

d) Soweit die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres Rechts auf Bildung und freie Berufswahl geltend macht, hat sie dagegen eine mögliche Grundrechtsverletzung hinreichend substanziiert dargelegt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs gehört zur allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 101 BV auch das Recht auf gleichen und freien Zugang zu den vorhandenen staatlichen Ausbildungsstätten (VerfGH vom 12.7.2013 NVwZ 2013, 1543/1544) sowie auf freie Wahl eines Berufs (VerfGH vom 2.7.1997 VerfGHE 50, 129/138). Eine Verletzung dieses Rechts sieht die Beschwerdeführerin vor allem darin, dass nicht bestandene Prüfungen im Rahmen der Grundlagen- und Orientierungsprüfung des Bachelorstudiums Biologie an der FAU nach § 27 Abs. 2 Satz 1 SPO nur einmal wiederholt werden dürfen, ohne dass die fehlende Eignung der Studierenden für den angestrebten Beruf nach einem zweimaligen Nichtbestehen bereits eindeutig feststehe. Wäre wegen dieses behaupteten Grundrechtsverstoßes die genannte Prüfungsbestimmung unwirksam, hätte der angefochtene Exmatrikulationsbescheid im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgehoben werden müssen.

IV.

Auch bezüglich dieser Grundrechtsrüge könnte aber die vorliegende Verfassungsbeschwerde, selbst wenn sie fristgerecht erhoben worden wäre, keinen Erfolg haben. Die in § 27 Abs. 2 Satz 1 SPO normierte Beschränkung auf insgesamt zwei Prüfungsversuche in der Grundlagen- und Orientierungsprüfung verstößt nicht gegen Bestimmungen der Bayerischen Verfassung.

1. Art. 101 BV ist nicht verletzt.

Das Grundrecht der Handlungsfreiheit, das auch den beruflichen Bereich einschließlich der Zulassung zu Prüfungen umfasst, steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, wobei zu den Gesetzen im Sinn des Art. 101 BV auch Satzungen gehören (VerfGH vom 27.1.1994 - Vf. 14-VII-92 - juris Rn. 66). Art. 101 BV setzt dem Normgeber allerdings Schranken beim Erlass von Rechtsvorschriften, die die Freiheits- und Berufssphäre begrenzen. Das als Freiheitsbeschränkung gewählte Mittel muss zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und darf die Handlungsfreiheit des Betroffenen nicht in unzumutbarer Weise einschränken. Daraus folgt, dass auch Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der angestrebten Berufstätigkeit stehen dürfen (VerfGH vom 28.1.1988 VerfGHE 41, 4/8 f.; vom 24.2.1988 VerfGHE 41, 17/21; vom 27.1.1994 Vf. 14-VII-92 - juris Rn. 66).

Aus Art. 101 BV lässt sich kein Recht herleiten, eine Prüfung, die den Weg zur Aufnahme eines Berufs eröffnet, unbegrenzt oft zu wiederholen. Wenn sich mit hinreichender Sicherheit ersehen lässt, dass ein Bewerber nicht geeignet ist, den dem Zweck der Abschlussprüfung entsprechenden Anforderungen zu genügen, kann sein Ausschluss von weiteren Prüfungsversuchen nicht als unzumutbare, unverhältnismäßige Beschränkung der Handlungs- und Berufsfreiheit aufgefasst werden (VerfGH vom 27.1.1994 - Vf. 14-VII-92 - juris Rn. 68; vgl. BVerfG vom 14.3.1989 BVerfGE 80, 1/35 f.). Auch die Begrenzung einer Einzelfachwiederholung auf (nur) eine weitere fachliche Teilprüfung kann danach zulässig sein (vgl. zu Art. 12 GG BVerfG vom 6.12.1994 - 1 BvR 1123/91 - juris Rn. 2; Niehues/Fischer, a. a. O. Rn. 769 m. w. N.).

Hinsichtlich der zur Grundlagen- und Orientierungsprüfung gehörenden Prüfungsteile durfte die FAU entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin ohne Verstoß gegen Art. 101 BV davon ausgehen, dass nach zweimaligem Scheitern regelmäßig mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass die betreffenden Kandidaten für die Fortsetzung des Studiums und für die Ausübung eines dem Studium entsprechenden Berufs nicht geeignet sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Verfassungsgerichtshof bei der Überprüfung solcher Bestimmungen Grenzen gesetzt sind. Die Einschätzung des universitären Normgebers, dass die Einzelprüfungen der Grundlagen- und Orientierungsprüfung nach Inhalt, Umfang und Bewertungsverfahren aussagekräftig genug sind, um jedenfalls für den Regelfall nach zwei Fehlversuchen sichere Rückschlüsse auf die mangelnde Eignung des Studierenden zu ermöglichen, beruht auf fachbezogenen Erwägungen und Wertungen. Diese könnten vom Verfassungsgerichtshof nur korrigiert werden, wenn sie offensichtlich fehlerhaft wären oder der verfassungsrechtlichen Wertordnung widersprächen (vgl. VerfGHE 41, 4/9 m. w. N.). Eine solche Feststellung lässt sich hier nicht treffen.

Die Grundlagen- und Orientierungsprüfung im Bachelorstudium Biologie an der FAU bezieht sich auf die Module Biologie I und Ökologische und Systematische Diversität A (§ 26 Abs. 1 SPO). Diese sind - neben weiteren Veranstaltungen -schon im ersten Semester zu absolvieren und sollen Grundlagen der Zellbiologie, Genetik und Entwicklungsbiologie vermitteln (Biologie I) bzw. eine Einführung in die Zoologie (Ökologische und Systematische Diversität A) bieten (Anlage 1 zur SPO). In den zugehörigen Modulprüfungen, bei denen 90- bzw. 45-minütige Klausuren zu schreiben sind, geht es demnach um Basiswissen, das für die Fortführung des Biologiestudiums als unverzichtbar erscheint. Dass den in einer Art Zwischenprüfung besonders hervorgehobenen Fächern Biologie I und Ökologische und Systematische Diversität A aus Sicht der Hochschule zentrale Bedeutung für ein erfolgreiches Studium zukommt, muss auch den Studierenden klar sein. Sie haben nach § 3 Abs. 1 Satz 2 SPO die Grundlagen- und Orientierungsprüfung bis zum Ende des zweiten Semesters zu absolvieren. Schon diese zeitliche Begrenzung macht deutlich, dass auf die genannten Prüfungsgebiete am Beginn des Studiums besondere Energie verwendet werden muss, da die anderen Fächer weitgehend darauf aufbauen. Die nur einmal mögliche Wiederholung stellt hier schon deshalb keine unzumutbare Beschränkung des Berufszugangs dar, weil sich die Wiederholer jeweils zielgerichtet auf ein einzelnes Prüfungsfach vorbereiten können (vgl. BVerfG vom 6.12.1994 - 1 BvR 1123/91 - juris Rn. 2). Die Einschätzung des Normgebers, bei zweimaligem Scheitern in einem der beiden Module der Grundlagen- und Orientierungsprüfung sei mit hinreichender Sicherheit ein Misserfolg auch im weiteren Studienverlauf zu erwarten, kann danach nicht als fehlerhaft angesehen werden.

2. Die Vorschrift des § 27 Abs. 2 Satz 1 SPO verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV).

Der Einwand der Beschwerdeführerin, für alle anderen Prüfungen im Bachelorstudiengang Biologie gewähre die FAU selbst bei geringer Stoffmenge und kurzer Dauer drei Versuche, lässt keine sachwidrige Ungleichbehandlung gleichartiger Sachverhalte erkennen. Es fehlt insoweit erkennbar an der Vergleichbarkeit. Die anderen studienbegleitenden Prüfungen, die jeweils zweimal wiederholt werden können (§ 31 Abs. 2 Satz 1 SPO), müssen im Unterschied zu den Prüfungen in den Fächern Biologie I und Ökologische und Systematische Diversität A nicht bereits am Anfang des Bachelorstudiums erfolgreich absolviert werden. Sie haben demnach nicht den Charakter einer für das weitere Studium richtungsweisenden Grundlagen- und Orientierungsprüfung, so dass hier einem zweifachen Misserfolg - aus der fachlichen Sicht des universitären Normgebers - nicht die gleiche Aussagekraft zukommt wie in den beiden vorgenannten Fächern.

Ob der (nicht weiter belegte) Sachvortrag der Beschwerdeführerin zutrifft, wonach entgegen § 27 Abs. 2 Satz 1 SPO Anträge anderer Studierender auf eine nochmalige (dritte) Klausurteilnahme genehmigt worden seien, kann hier offenbleiben. Aus etwaigen Verstößen im Verwaltungsvollzug könnte sich weder eine Unwirksamkeit der betreffenden Norm noch ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergeben (vgl. VerfGH vom 20.12.2012 BayVBl 2013, 334).

3. Unabhängig davon, ob Art. 128 Abs. 1 BV überhaupt ein Grundrecht gewährt (vgl. dazu Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Art. 128 Rn. 5), ist diese Verfassungsbestimmung jedenfalls nicht verletzt.

Nach dieser Verfassungsnorm hat der Staat im Rahmen seiner Möglichkeiten Vorkehrungen zu treffen, um dem Einzelnen die Chance zur beruflichen und bildungsmäßigen Entfaltung entsprechend seinen erkennbaren Fähigkeiten und seiner inneren Berufung zu geben (VerfGH vom 28.5.2009 VerfGHE 62, 79/97 m. w. N.). Hinsichtlich der Ausgestaltung von Bildungsgängen und Prüfungen belässt Art. 128 Abs. 1 BV dem Normgeber einen Entscheidungsspielraum. Ein Gebot des Inhalts, dass Prüfungen mehrfach wiederholbar sein müssen, kann Art. 128 Abs. 1 BV ebenso wenig entnommen werden wie Art. 101 BV (vgl. VerfGHE 41, 4/12; 41, 17/23; VerfGH vom 27.1.1994 - Vf. 14-VII-92 - juris Rn. 82). Kommt der Normgeber in einer nach Art. 101 BV hinnehmbaren Weise zu dem Ergebnis, dass das zweimalige Scheitern einen hinreichend sicheren Schluss auf die mangelnde Eignung für den gewählten Studiengang zulässt, dann verstößt der Ausschluss einer zweiten Wiederholung auch nicht gegen Art. 128 Abs. 1 BV (VerfGHE 41, 4/12; 41, 17/23; VerfGH vom 27.1.1994 - Vf. 14-VII-92 - juris Rn. 82).

V.

Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 07. März 2014 - Vf. 54-VI/13 zitiert 10 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 3


(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. (3) Ni

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden. (2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 187 Fristbeginn


(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. (2) Ist der Beginn

Zivilprozessordnung - ZPO | § 85 Wirkung der Prozessvollmacht


(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 188 Fristende


(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist. (2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Fa

Hochschulrahmengesetz - HRG | § 16 Prüfungsordnungen


Hochschulprüfungen werden auf Grund von Prüfungsordnungen abgelegt, die der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Stelle bedürfen. Prüfungsanforderung und -verfahren sind so zu gestalten, daß die Abschlußprüfung innerhalb der Regelstudienzeit

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Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidung, 07. März 2014 - Vf. 54-VI/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 10. März 2010 - 2 BvR 941/09

bei uns veröffentlicht am 10.03.2010

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 6. März 2009 - 82 Ls-114 Js 87/05-55/08 - verletzt Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes.

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(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.

(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sie von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit sie nicht von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden.

(2) Das Verschulden des Bevollmächtigten steht dem Verschulden der Partei gleich.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Hochschulprüfungen werden auf Grund von Prüfungsordnungen abgelegt, die der Genehmigung der nach Landesrecht zuständigen Stelle bedürfen. Prüfungsanforderung und -verfahren sind so zu gestalten, daß die Abschlußprüfung innerhalb der Regelstudienzeit vollständig abgelegt werden kann. Prüfungsordnungen müssen die Inanspruchnahme der Schutzfristen des § 3 des Mutterschutzgesetzes sowie der Fristen der landesrechtlichen Regelungen über die Elternzeit ermöglichen. Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen. Die Genehmigung einer Prüfungsordnung ist zu versagen, wenn sie eine mit § 11 oder § 19 unvereinbare Regelstudienzeit vorsieht. Die Genehmigung kann insbesondere versagt werden, wenn die Prüfungsordnung anderen Vorschriften über die Regelstudienzeit nicht entspricht. Die nach Landesrecht zuständige Stelle kann die Änderung einer geltenden Prüfungsordnung insbesondere verlangen, wenn diese den Anforderungen der Sätze 2 bis 6 nicht entspricht.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Gummersbach vom 6. März 2009 - 82 Ls-114 Js 87/05-55/08 - verletzt Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes.

...

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird für das Verfassungsbeschwerdeverfahren auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft den Ausschluss eines anwaltlichen Beistands von der Zeugenvernehmung.

I.

2

1. In einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Gummersbach, welches Korruptionsvorwürfe in der Energiewirtschaft zum Gegenstand hatte, wurde der Beschwerdeführer als Zeuge geladen. Er erschien mit einem zuvor mandatierten Rechtsanwalt.

3

Ausweislich des Sitzungsprotokolls gestaltete sich der Verfahrensablauf wie folgt:

4

Aufruf des Zeugen G.

5

Der Zeuge G. erschien in Begleitung seines Zeugenbeistands Rechtsanwalt Dr. V. Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte, dass sein Mandant, Herr Rechtsanwalt G., eine Unterstützung bei seiner Aussage im Hinblick auf § 55 StPO benötige und wünsche.

6

Es wurde Gelegenheit zu Stellungnahmen gegeben.

7

Die Staatsanwaltschaft sah unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung und des § 55 StPO keine Veranlassung, Herrn Rechtsanwalt Dr. V. als Zeugenbeistand zuzulassen.

8

Das Gericht zog sich um 10:09 Uhr zur Beratung zurück.

9

Die Sitzung wurde um 10:18 Uhr mit allen Prozessbeteiligten wie vor der Unterbrechung fortgesetzt.

10

Es erging folgender Gerichtsbeschluss:

11

b.u.v.

12

Es wird festgestellt, dass der Zeuge nicht berechtigt ist, einen Zeugenbeistand zu seiner Vernehmung hinzuzuziehen.

13

Rechtsanwalt Dr. V. beantragte zu diesem Beschluss rechtliches Gehör.

14

Das rechtliche Gehör wurde Herrn Rechtsanwalt Dr. V. gewährt, er gab eine Erklärung ab.

15

Die Erklärung wurde durch das Gericht zur Kenntnis genommen.

16

Herr Rechtsanwalt Dr. V. erklärte für den Zeugen, dass dieser sich das Recht vorbehalte, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Rechtsanwalt Dr. V. nahm im Zuschauerraum des Sitzungssaales Platz.

17

Einvernahme des Zeugen G.: …

18

2. Die hiernach eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht Köln durch Beschluss vom 14. April 2009 als unzulässig.

19

3. Durch Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 27. April 2009 wurden die vier Angeklagten des Ausgangsverfahrens wegen Vorteilsannahme und Beihilfe zur Vorteilsannahme und in Einzelfällen wegen Untreue zu Geldstrafen verurteilt. Das Berufungsverfahren ist vor dem Landgericht Köln anhängig.

20

4. Mit der fristgerecht eingereichten Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG. Er sei deshalb mit einem Rechtsanwalt erschienen, da er befürchtete, sich oder seiner Arbeitgeberin durch seine Aussage zu dem Problemkomplex "Korruptionsverdacht in der Energiewirtschaft" ungewollt zu schaden. Die Frage des Vorsitzenden, ob er sich durch die bevorstehende Vernehmung konkret der Gefahr ausgesetzt sehe, von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen zu müssen, habe der Beschwerdeführer aus Angst, ein de-facto-Geständnis potentieller eigener Straftaten abzugeben, durch seinen Rechtsanwalt verneinen lassen. Der Schutz des fairen Verfahrens sei jedoch nicht auf die Fälle beschränkt, in denen der Zeuge erwäge, sich auf § 55 StPO zu berufen. Für den Ausschluss des Zeugenbeistands fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Dieser sei zudem zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig gewesen. Es habe keine Gefahr bestanden, dass der Beistand seine Rechte missbrauchen werde.

21

5. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, der Bundesgerichtshof sowie der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Generalbundesanwalt hält die Verfassungsbeschwerde nach dem vorgetragenen Sachverhalt für zulässig und begründet.

II.

22

Die Verfassungsbeschwerde wird zur Entscheidung angenommen, weil dies zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine der Verfassungsbeschwerde stattgebende Entscheidung der Kammer sind gegeben. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Recht eines Zeugen auf Zuziehung eines anwaltlichen Beistands hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. BVerfGE 38, 105; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 <435>). Danach ist die zulässige Verfassungsbeschwerde in einem die Entscheidungskompetenz der Kammer eröffnenden Sinn offensichtlich begründet.

23

Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf ein faires Verfahren, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.

24

1. Die diesem immanente Forderung nach verfahrensmäßiger Selbständigkeit des in ein justizförmiges Verfahren hineingezogenen Bürgers bei der Wahrnehmung ihm eingeräumter prozessualer Rechte und Möglichkeiten gegenüber anderen Verfahrensbeteiligten gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen. Die Lage des Zeugen, der sich in Erfüllung seiner allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten der Gefahr eigener Verfolgung aussetzt, weist enge Bezüge zu der Situation des Beschuldigten auf (vgl. BVerfGE 38, 105 <112>). Im Gegensatz zu diesem unterliegt der Zeuge jedoch grundsätzlich der Aussage- und Wahrheitspflicht mit den sie sichernden Zwangsmitteln und Strafandrohungen. Er darf Belastendes nicht bloß verschweigen, sondern muss ausdrücklich ablehnen, ihm gefährlich erscheinende Fragen zu beantworten mit den damit verbundenen ungünstigen Auswirkungen gegenüber Verfahrensbeteiligten und Öffentlichkeit. Frei vom Aussagezwang ist dieser Zeuge erst, wenn er selbständig und sachgerecht über die Ausübung oder Nichtausübung des Auskunftsverweigerungsrechts entscheiden kann (vgl. BVerfGE 38, 105 <113>).

25

Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Zeugen jedoch nicht schlechthin ein allgemeines Recht auf Rechtsbeistand. Mit dem Postulat der Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege ist es nicht vereinbar, die Mitwirkung eines Rechtsbeistands in jedem Fall und ohne jede Einschränkung zu dulden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt vielmehr eine Abwägung zwischen dem Anspruch des Zeugen und dem öffentlichen Interesse an der Effizienz des Strafprozesses, die die Behörden und Gerichte unter Beachtung aller persönlichen und tatsächlichen Umstände des Einzelfalles vorzunehmen haben. Für die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands bedarf es daher einer besonderen rechtsstaatlichen Legitimation, die sich in unterschiedlicher Ausprägung aus der jeweiligen besonderen Lage des Zeugen, insbesondere aus den ihm im eigenen Interesse eingeräumten prozessualen Befugnissen bei der Erfüllung der allgemeinen staatsbürgerlichen Zeugenpflichten ergibt (vgl. BVerfGE 38, 105 <118>).

26

2. Diesen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses eines Zeugenbeistands entspricht die angegriffene Entscheidung des Amtsgerichts Gummersbach nicht.

27

Es fehlt an einer Abwägung zwischen den Interessen des Zeugen und denen des Staates an der Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Rechtspflege. Unabhängig von der Frage, wie sich bereits das Fehlen einer expliziten Rechtsgrundlage für den Ausschluss eines Zeugenbeistands (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 17. April 2000 - 1 BvR 1331/99 -, NStZ 2000, S. 434 <435>; zur Untauglichkeit des § 68b StPO a.F. als Rechtsgrundlage vgl. BTDrucks 13/7165, S. 8; 16/12098, S. 10, 15; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 68b Rn. 1) im Rahmen der Prüfung des fairen Verfahrens auswirkt, ist vorliegend nicht ersichtlich, dass die Zurückweisung des Beistands zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege erforderlich war. Ein Anwalt kann von der Vertretung des Zeugen dann ausgeschlossen werden, wenn seine Teilnahme erkennbar dazu missbraucht wird, eine geordnete und effektive Beweiserhebung zu erschweren oder zu verhindern und damit das Auffinden einer materiell richtigen und gerechten Entscheidung zu beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 38, 105 <120>). Anhaltspunkte hierfür sind in der angegriffenen Entscheidung nicht aufgezeigt.

28

a) Eine Abwägung ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Zeuge vor Beginn seiner Vernehmung keine näheren Angaben zum Grund der Hinzuziehung eines Beistands machte, sondern sich zunächst lediglich pauschal auf § 55 StPO berief. Nicht der Zeuge muss deren Notwendigkeit darlegen; der Ausschluss des Beistands bedarf der Rechtfertigung (vgl. auch Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 307/83 -, NStZ 1983, S. 374 <375>). Maßgebend ist, ob der Zeuge die Mitwirkung des Beistands für erforderlich hält, um seine prozessualen Rechte wahrzunehmen. Diese sind vielgestaltig: neben dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO fallen hierunter auch das Beanstandungsrecht bei Fragen, die unter § 68a StPO fallen sowie solchen, die unzulässig, ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, § 241 Abs. 2 StPO. Ferner Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit, §§ 171b, 172 GVG, z.B. zur Wahrung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, Anträge auf Ausschluss des Beschuldigten, § 247 StPO, das Recht auf Abgabe eines zusammenhängenden Berichts, § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Einflussnahme bei der Protokollierung sowie generell die Vermeidung von Aussagefehlern und Missverständnissen (vgl. BVerfGE 38, 105 <117>; Thomas, NStZ 1982, S. 489 <492>; Krey, in: Gedächtnisschrift für Karlheinz Meyer, 1990, S. 239 <260f.>). Diese weiteren Rechte des Zeugen lassen sich als zukünftiges prozessuales Geschehen zwar nahezu immer abstrakt, höchst selten aber konkret vorhersehen (vgl. Thomas, a.a.O.). Selbst wenn der Zeuge seine Rechte kennt, kann er sich somit in der Mehrzahl der Fälle vor seiner Vernehmung lediglich pauschal hierauf berufen, wodurch eine konkrete Begründungspflicht regelmäßig keine nähere Sachverhaltsaufklärung ermöglicht. Vom Zeugen entsprechende Ausführungen zum Grund des Erscheinens in Begleitung eines Rechtsbeistands zu verlangen, würde ihn auch der Gefahr aussetzen, solche Angaben zu machen, vor deren Offenbarung im Rahmen der Vernehmung ihn § 55 StPO gerade schützen will (vgl. Lüdeke, Der Zeugenbeistand, 1995, S. 56).

29

Den Interessen an einer effektiven Strafverfolgung und einem geordneten, auf die Wahrheitsfindung fokussierten Ablauf der Hauptverhandlung ist dann Rechnung getragen, wenn der Beistand bei einer Gefährdung dieser Ziele ausgeschlossen werden kann. Um dies zu ergründen, ist das Gericht durchaus befugt, die Umstände der Hinzuziehung eines Zeugenbeistands aufzuklären und entsprechende Fragen sowohl an den Zeugen als auch an dessen Beistand zu stellen, da es erst hierdurch in die Lage versetzt wird, etwaige Ausschlussgründe - jetzt gemäß § 68b Abs. 1 StPO - zu prüfen. Demgegenüber trifft den Zeugen grundsätzlich keine Rechtfertigungspflicht für das Erscheinen in Begleitung eines Rechtsbeistands. Eine Beeinträchtigung der effektiven Strafverfolgung besteht in der Regel nicht bereits dann, wenn der Zeuge keine Angaben zur eigentlichen Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Beistands macht (vgl. König, in: Festschrift für Riess, 2002, S. 243 <245>; BGH, Urteil vom 20. April 1989 - 4 StR 69/89 -, juris, Rn. 8).

30

b) Die Verneinung der Frage, ob der Beschwerdeführer davon ausgehe, sich im Rahmen der bevorstehenden Vernehmung auf § 55 StPO zu berufen, vermag einen Ausschluss des Zeugenbeistands nicht zu rechtfertigen (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], Vor § 48 Rn. 108). Bei § 55 Abs. 1 StPO handelt es sich nicht um ein generelles Aussageverweigerungs-, sondern um ein auf einzelne Fragen beschränktes Auskunftsverweigerungsrecht. Es gibt dem Zeugen die situative Befugnis, einzelne Fragen nicht zu beantworten (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 20, zur Ausnahme s. Rn. 51; Ignor/Bertheau, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2008, § 55 Rn. 5). Zwar ist es möglich, dass der Zeuge schon vor seinem Bericht (§ 69 Abs. 1 StPO) allein anhand des ihm mitgeteilten Beweisthemas die Gefahr einer Selbstbelastung erkennen und die Auskunft über einzelne Tatsachen, Sachverhaltskomplexe oder in Gänze verweigern kann. Vom letzteren Fall abgesehen, wird der Zeuge im Verhör (§ 69 Abs. 2 StPO) jedoch erst im Einzelfall je nach dem Inhalt an ihn gestellter Fragen entscheiden können, ob er sich durch deren Beantwortung der Gefahr eigener strafrechtlicher Verfolgung aussetzt (vgl. Rogall, in: Systematischer Kommentar zur StPO, 62. Lieferung [Juli 2009], § 55 Rn. 34). Es ist ihm daher grundsätzlich unmöglich, ex ante ein etwaiges Eingreifen des Auskunftsverweigerungsrechts zu prognostizieren. Inwiefern im vorliegenden Fall, auch mit Blick auf die Profession des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt, etwas anderes gelten könnte, hat das Amtsgericht nicht dargelegt.

31

3. Da der angegriffene Beschluss keine nachteiligen Rechtswirkungen mehr zeitigt, ist neben der Feststellung nach § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 95 Abs. 2 BVerfGG kein Raum (vgl. BVerfGE 42, 212 <222>; 44, 353 <354, 383>; 96, 44 <55 f.>).

32

Die Anordnung der Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 und § 14 Abs. 1 RVG.

33

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.