Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 06. Dez. 2018 - L 8 SF 185/17 EK

bei uns veröffentlicht am06.12.2018
nachgehend
Bundessozialgericht, B 10 ÜG 1/19 BH, 23.05.2019

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt in diesem Verfahren eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des Verfahrens S 13 AS 3025/13 vor dem Sozialgericht München (SG) und L 7 AS 37/16 vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG).

Das zu Grunde liegende Klageverfahren begann mit Klageerhebung am 02.12.2013 (die Daten beziehen sich jeweils auf den Eingang bei Gericht) zum SG („Widerspruch“ gegen einen Änderungsbescheid vom 23.11.2013 für den Zeitraum Januar 2014).

Am 10.02.2014 wurde der Beklagte an die Übersendung der Klageerwiderung sowie der Akten erinnert und um Erledigung bis zum 11.03.2014 gebeten.

Am 11.04.2014 wurde der Beklagte nochmals an die Klageerwiderung und Aktenübersendung erinnert mit Fristsetzung bis 09.05.2014.

Am 26.05.2014 erfolgte die dritte Erinnerung mit Frist bis zum 16.06.2014.

Der Beklagte erwiderte am 02.06.2014, dass aus seiner Sicht keine Klageerhebung gewollt gewesen sei, sondern der Kläger lediglich den Widerspruch dem SG im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zur Kenntnis übersandt habe.

Das SG forderte daraufhin den Kläger am 11.06.2014 zu einer entsprechenden Stellungnahme auf mit einer Frist von 2 Wochen.

Der Kläger stellte am 25.06.2014 einen zusätzlichen Antrag zur Klage (Auskunft über die Kosten der Maßnahmen, an denen der Kläger in den letzten vier Jahren teilgenommen hat).

Der Beklagte reagierte hierauf mit Stellungnahme vom 21.07.2014.

Der Kläger wurde am 30.07.2014 bezüglich der Beantwortung des Schreibens vom 11.07.2014 erinnert.

Der Kläger reichte am 17.07.2014 einen weiteren Schriftsatz ein.

Am 04.08.2014 ging ein weiterer Schriftsatz des Klägers ein, in dem er erklärte, dass eine Klage gewollt sei.

Der Beklagte beantragte daraufhin am 12.09.2014 Klageabweisung.

Am 23.10.2015 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört und ihm eine Äußerungsfrist bis zum 16.11.2015 eingeräumt.

Am 27.11.2015 wurde der Beklagte angefragt, ob zwischenzeitlich über den Widerspruch vom 02.12.2013 entschieden worden sei.

Der Beklagte übersandte daraufhin am 10.12.2015 den entsprechenden Widerspruchsbescheid vom 02.12.2014.

Mit Gerichtsbescheid vom 23.12.2015 wurden die Klagen abgewiesen. Dem Kläger wurde der Gerichtsbescheid am 29.12.2015 zugestellt.

Hiergegen legte der Kläger am 19.01.2016 Berufung zum LSG ein. Er teilte dabei mit, dass die Richterin mehr als genug Zeit zur ordnungsgemäßen Prüfung der Unterlagen gehabt habe.

Der Beklagte beantragte am 19.02.2016 die Zurückweisung der Berufung.

Am 23.02.2016 wurde das SG zur Übersendung sämtlicher Beklagtenunterlagen aufgefordert.

Am 15.04.2016 wurde das SG hieran erinnert. Die Unterlagen wurden daraufhin am 19.04.2016 übersandt.

Am 20.04.2016 erfolgte ein ausführlicher richterlicher Hinweis an den Beklagten.

Am 21.04.2016 erklärte der Kläger, dass er leider noch keinen Beschluss bekommen habe. Er hoffe, dass sein Verfassungsrecht bezüglich des Zugangs zu Informationen des Bundes sowie auf Auskunft zügig wiederhergestellt werde.

Am 18.05.2016 forderte die Berichterstatterin ergänzende Informationen vom Beklagten an.

Am 12.05.2016 erfolgte diesbezüglich Auskunft.

Am 04.07.2016 erklärte der Kläger nochmals, dass er bis jetzt keinen Beschluss in seiner Berufungsangelegenheit trotz eindeutiger gesetzlicher Lage bekommen habe und daher sein Verfassungsrecht seit drei Jahren nicht wiederhergestellt sei.

Dem Kläger wurde daraufhin am 04.07.2016 mitgeteilt, dass der Rechtsstreit zur Entscheidung vorgesehen sei und ein Termin zur mündlichen Verhandlung bei einem Berufungsverfahren, das erst seit 2016 anhängig sei, noch nicht benannt werden könne.

Am 08.07.2016 erklärte der Kläger nochmals, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb das Berufungsverfahren ein halbes Jahr anhängig und noch keine Entscheidung absehbar sei. Die Demokratie müsse schnellstmöglich wiederhergestellt werden. Das Verfahren sei drei Jahre beim SG München anhängig gewesen.

Am 01.02.2017 erhob der Kläger zur Präsidentin des LSG eine Verzögerungsrüge im Verfahren S 13 AS 3025/13 und L 7 AS 37/16.

Am 12.04.2017 wurde das Verfahren zur mündlichen Verhandlung am 29.06.2017 geladen. Am 09.05.2017 ging ein Schriftsatz des Klägers ein.

In der mündlichen Verhandlung am 29.06.2017 erhob der Kläger durch Vorlage eines entsprechenden Schriftsatzes eine Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer des Verfahrens S. 13 AS 3015 und L 7 AS 37/16.

Im Anschluss wurde mit Urteil vom 29.06.2017 der Beklagte zur Verbescheidung zweier Anträge verpflichtet und die übrigen Anträge abgewiesen.

Dieses Urteil wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 09.08.2017 zugestellt.

Der Kläger begründete die Entschädigungsklage damit, dass die unangemessene Verfahrensdauer bei ihm erhebliche Gesundheitsstörungen verursacht habe, unter anderem eine seelische Störung, ein Kopfschmerzsyndrom und eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit. Die unangemessene Verfahrensdauer habe sich auch negativ auf seine Selbstständigkeit ausgewirkt. Letztlich habe er seine Firma schließen müssen. Er habe die unangemessene Dauer der Verfahren mehrfach gerügt, unter anderem mit Verzögerungsrüge vom 31.01.2017.

Mit Schriftsatz vom 04.09.2017 erklärte der Kläger, dass er vor Erhebung der Entschädigungsklage die unangemessene Dauer der Verfahren mehrmals gerügt habe: am 31.01.2017 mit einer Verzögerungsrüge an Frau Präsidentin M. im Verfahren L 7 AS 37/16 bzw. S 13 AS 3025/13, durch Verzögerungsbeschwerde vom 11.12.2014 an das LSG (L 7 AS 847/14 B) sowie mehrmals zuvor im Verfahren L 7 AS 37/16.

Mit Beschluss vom 13.09.2017 wurde der vorläufige Streitwert für die Entschädigungsklage auf 5.400.-Euro festgesetzt.

Der Beklagte beantragte am 10.11.2017 Klageabweisung. Das Berufungsverfahren habe nicht unangemessen lange gedauert. Am 20.11.2017 ergänzte der Beklagte, dass auch eine Entschädigung bezüglich des Verfahrens vor dem SG nicht gegeben sei, da eine Verzögerungsrüge nicht erhoben worden sei.

Am 22.11.2017 beantragte der Kläger, den Streitwert auf 500.- Euro zu erhöhen, da das Gerichtsurteil bis heute nicht vom Beklagten umgesetzt worden sei.

Am 12.12.2017 erklärte der Kläger (unter dem Aktenzeichen L 8 SF 186/17 EK), dass er eine Verfahrensverzögerung

* des Verfahrens S 13 AS 3025/13 am 18.01.2016 im Berufungsschreiben gegen den Gerichtsbescheid vom 23.12.2015,

* der Verfahren S 13 AS 3015/13 und L 7 AS 37/16 im Befangenheitsantrag vom 18.01.2016 (S 29 S 1115/16 AB),

* der Verfahren S 13 AS 3025/13 und L 7 AS 37/16 mit Schreiben vom 21.04.2016 (im Verfahren L 7 AS 37/16),

* des Verfahrens S 13 AS 3025/13 mit Verzögerungsrüge vom 25.04.2016 an das Sozialgericht München,

* der Verfahren S 13 AS 3015/13 und L 7 AS 37/16 mit Schreiben vom 01.07.2016 an das LSG (im Verfahren L 7 AS 37/16),

* der Verfahren S 13 AS 3015/13 und L 7 AS 37/16 mit Schreiben vom 08.07.2016 an das LSG (im Verfahren L 7 AS 37/16),

* der Verfahren S 13 AS 3015/13 und L 7 AS 37/16 mit Schreiben vom 04.01.2017 im Verfahren S 46 AS 183/17 ER an das Sozialgericht München,

* der Verfahren S 13 AS 3015/13 und L 7 AS 37/16 mit Verzögerungsrüge vom 01.02.2017 an die Präsidentin des LSG mitgeteilt habe.

Auf Aufforderung übersandte der Kläger eine Verzögerungsrüge vom 25.04.2016 im Verfahren S 13 AS 3025/13. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sich in der Verfahrensakte S 13 AS 3025/13 keine Verzögerungsrüge vom 25.04.2016 befindet.

Der Kläger erklärte daraufhin, dass er die Verzögerungsrüge zusammen mit einer Verzögerungsrüge im Verfahren S 13 AS 2957/13 und einer Stellungnahme zu diesem Verfahren vom 27.04.2016 am 27.04.2016 per Einschreiben an das SG geschickt habe.

In der mündlichen Verhandlung am 06.12.2018 hat der Kläger beantragt,

ihn wegen des überlangen Gerichtsverfahrens mit 5.900.- Euro zu entschädigen.

Der Beklagtenvertreter hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Vervollständigung des Sachverhalts wird auf die Verfahrensakten der Verfahren S 13 AS 3025/13, S 29 SF 15/16 AB, S 46 AS 183/17 ER sowie L7 AS 37/16 verwiesen.

Gründe

Die auf § 198 GVG gestützte Entschädigungsklage ist bereits unzulässig.

1. Das LSG ist funktional und örtlich gemäß § 201 Abs. 1 S. 1 GVG i. v. m. § 202 S. 2 SGG zuständig für Klagen auf Entschädigungen nach § 198 GVG gegen den Freistaat Bayern.

2. Die Klage ist gemäß § 54 Abs. 5 SGG als allgemeine Leistungsklage zulässig, ohne dass es zuvor einer außergerichtlichen Geltendmachung des Zahlungsanspruchs bedurft hätte (BSG, Urteil vom 05.05.2015, B 10 ÜG 8/14 R).

Der Kläger hat den geltend gemachten Entschädigungsanspruch konkret mit 5.900.- Euro (5.400.- Euro am 04.09.17 sowie Erhöhung um 500.- Euro am 22.11.2017) beziffert.

3. Jedoch wurde die Wartefrist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG nicht eingehalten. Danach kann eine Klage zur Durchsetzung eines Entschädigungsanspruches frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Einhaltung der Frist ist eine besondere Sachurteilsvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/14 R). Hier hat der Kläger am 01.02.2017 beim LSG eine wirksame Verzögerungsrüge erhoben.

Eine weitere wirksame Verzögerungsrüge ist vom Kläger nicht erhoben worden. Im zu beurteilenden Ausgangsverfahren vor dem SG findet sich keine Verzögerungsrüge des Klägers in der Gerichtsakte. Der Kläger hat erstmals mit Schriftsatz vom 11.12.2017 (zum Verfahren L 8 SF 186/17 EK) vorgebracht, am 25.04.2016 eine Verzögerungsrüge im Verfahren S 13 AS 3025/13 erhoben zu haben und auf Aufforderung eine entsprechende Verzögerungsrüge vorgelegt. Unabhängig von der Frage, ob eine solche tatsächlich den Geschäftsbereich des SG erreicht hat, wäre eine solche Verzögerungsrüge erst nach Abschluss der Instanz durch Gerichtsbescheid vom 23.12.2015 erhoben worden und daher unbeachtlich. Denn eine Verzögerungsrüge nach § 198 Abs. 3 S. 1 GVG muss während des laufenden Klageverfahrens erhoben werden, um ihren Zweck (Warnfunktion des Gerichts, Aufforderung zur Verfahrensbeschleunigung) erfüllen zu können.

Die vom Kläger mit Schreiben vom 11.12.2017 (unter dem AZ L 8 SF 186/17 EK) angeführten Schreiben, vom 18.01.2016 (Berufung), vom 18.01.2016 im Befangenheitsantrag (S 29 AS 1115/16 AB) und vom 04.01.2017 im Verfahren S 46 AS 183/17 ER enthalten zwar Äußerungen über die Verfahrensdauer („Richterin hat mehr als genug Zeit zur ordnungsgemäßen Prüfung der Unterlagen“, „Übersendung der Akten an Sozialgericht (…) schon vor mehr als zwei Jahren“, „Gerichtsverfahren können mehr als vier Jahre dauern“), diese sind jedoch nicht dergestalt formuliert, dass eine Verzögerungsrüge i. S. d. § 198 Abs. 3 GVG angenommen werden könnte. Um die Warnfunktion erfüllen zu können, muss die Verzögerungsrüge zum Ausdruck bringen, dass der Kläger mit der von § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG ausdrücklich genannten Dauer des Verfahrens nicht einverstanden ist und eine Beschleunigung verlangt (Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 198 GVG RdNR. 89). Dies ist vorliegend nicht gegeben. Nach dem objektiven Empfängerhorizont waren die, in Schriftsätzen zu anderen Themen getätigten Ausführungen des Klägers zur Verfahrensdauer nicht als Verzögerungsrügen anzusehen, da nicht ausdrücklich eine Beschleunigung des Verfahrens verlangt wurde.

Im Berufungsverfahren hat der Kläger mit Schreiben vom 21.04.2016 erklärt, dass er bislang keinen Beschluss bekommen habe. Er hoffe, dass sein Verfassungsrecht, das seit drei Jahren dankt Duldung und Nichtstun auch des LSG nicht beachtet werde, zügig wiederhergestellt werde. Im Schreiben vom 01.07.2016 wiederholt der Kläger, dass er bislang keinen Beschluss bekommen habe und sein Verfassungsrecht seit drei Jahren nicht wiederhergestellt sei. Ebenso argumentiert der Kläger im Schreiben vom 08.07.2016, in dem er auf ein gerichtliches Schreiben reagiert, mit dem ihm mitgeteilt wird, dass ein Termin zur mündlichen Verhandlung noch nicht benannt werden könne. Es seien keine Gründe für eine mündliche Verhandlung ersichtlich, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das Berufungsverfahren bereits ein gutes halbes Jahr anhängig sei und auf unbestimmte Zeit nicht entschieden werde.

Selbst wenn man diese Schreiben des Klägers als Verzögerungsrügen auslegen würde, so wären diese jedenfalls verfrüht erhoben worden und daher unbeachtlich. Nach § 198 Abs. 3 S. 2 GVG kann die Verzögerungsrüge erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird. Die Vorschrift stellt für den frühestmöglichen Termin auf die Wahrscheinlichkeit ab, mit der eine Überlänge des Verfahrens eintreten wird, und erfordert damit eine Prognose. Es genügt, wenn der Betroffene erstmals objektive Anhaltspunkte dafür hat, das Verfahren nehme keinen angemessen zügigen Fortgang und der Verfahrensabschluss werde sich deshalb verzögern. Maßgeblich ist die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung aus der ex-ante-Perspektive eines vernünftigen Dritten in der Person des Klägers. Eine vor diesem Zeitpunkt verfrüht erhobene Rüge ist wirkungslos und geht ins Leere. Eine verfrühte Rüge wird auch nicht nachträglich wirksam, wenn im Nachgang die konkrete Möglichkeit einer Verzögerung entsteht. Dies widerspräche der vom Gesetz gewollten Warnfunktion der Rüge (Röhl in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 198 GVG, Rn. 94). Vorliegend war im Zeitpunkt der Schreiben des Klägers am 21.04.2016, 04.07.2016 und 08.07.2016 kein Anlass für die Besorgnis, dass das Verfahren nicht in angemessener Zeit beendet werden würde, gegeben. Das Berufungsverfahren begann erst im Januar 2016, im April 2016 war es damit gerade drei Monate, im Juli 2016 sechs Monate anhängig. Dieser Zeitraum war bis auf den Monat März 2016 vollständig von richterlicher Aktivität geprägt, so dass keinerlei Anzeichen dafür gegeben waren, dass das Verfahren nicht seinen angemessen zügigen Fortgang finden würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem BSG eine Verfahrensdauer von bis zu 12 Monaten je Instanz, die nicht durch konkrete verfahrensfördernde Schritte begründet und gerechtfertigt werden kann, regelmäßig als angemessen angesehen wird. Diese Zeitspanne muss nicht im Anschluss an die Erhebung der Klage liegen, sie kann vielmehr auch am Ende der jeweiligen Instanz liegen oder in mehrere Abschnitte unterteilt sein. Beruht die Verfahrensdauer, die 12 Monate übersteigt, auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung oder wird sie maßgeblich durch das Verhalten des Klägers, anderer Verfahrensbeteiligter oder Dritter verlängert, so macht auch dies die Verfahrensdauer in der Regel nicht unangemessen (st.Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 12/13, Rn. 52ff.). Auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Verfahrens, das insgesamt mit inaktiver Zeit von 12 Monaten zwei Jahre gedauert hat, ist daher nicht von diesem Grundsatz abzuweichen. Denn da das SG genau die vom BSG als gerechtfertigte Zeit inaktiv war, war auch dem LSG für die Berufungsinstanz dieser Zeitraum gutzuschreiben. Hier lag jedoch bislang erst ein Monat Inaktivität vor, somit bestand keinesfalls Anlass zur Besorgnis einer verzögerten Verfahrensführung. Auch wenn dem Kläger mitgeteilt worden war, dass ein Termin für die mündliche Verhandlung noch nicht benannt werden könne, deutete dies in diesem frühen Verfahrensstadium keinesfalls auf eine Verfahrensverzögerung hin.

Damit ist nur die Verzögerungsrüge vom 01.02.2017 wirksam gem. § 198 Abs. 3 S. 2 GVG (vgl. auch Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20. September 2018, OVG 3 A 3.18).

Bezogen auf diese Rüge ist jedoch die Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG nicht eingehalten. Denn der Kläger hat die Entschädigungsklage bereits am 29.06.2017 und somit innerhalb der bis zum 01.08.2017 laufenden sechsmonatigen Wartefrist durch Übergabe eines entsprechenden Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung vor Urteilsverkündung erhoben.

a. § 198 Abs. 5 S. 1 GVG stellt auf die Klageerhebung ab, nicht auf die Rechtshängigkeit der Klage. Im Verfahren des SGG ist mit dem Begriff der Klageerhebung die Klageeinreichung bei Gericht umschrieben. Anders als in Zivilverfahren nach § 253 Abs. 1 ZPO bedarf es für die Klageerhebung keiner Zustellung der Klageschrift. Dies ist der Formulierung in § 90 SGG zu entnehmen, wonach die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist. Klageerhebung ist damit die Einreichung der Klageschrift bzw. Aufnahme der Niederschrift. § 90 SGG gilt für alle Klagen im Zuständigkeitsbereich der Sozialgerichtsbarkeit, auch für Klagen nach § 202 S. 2 SGG i. V. m. § 201 Abs. 1 S. 1 GVG (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 90 RdNr. 3; a. A. Föllmer in: Schlegel/ Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 90 SGG, Rn. 4). Dies ergibt sich aus § 201 Abs. 2 S. 1 GVG i. V. m. § 202 Abs. 1 S. 2 SGG, wonach die Vorschriften des SGG über das Verfahren im ersten Rechtszug entsprechend anzuwenden sind. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Regelung des § 90 SGG für Verfahren nach §§ 198 ff. GVG nicht gelten sollte (im Ergebnis ebenso BFH, Urteil vom 12.07.2017, X K 3-7/16 für den Bereich der FGO).

An diesem Ergebnis ändert auch die zum 15.10.2016 eingeführte Regelung des § 94 Abs. 2 SGG nichts. Nach dieser Vorschrift wird eine Entschädigungsklage nach §§ 198 ff. GVG anders als andere Klagen im Sozialgerichtsverfahren, die gemäß § 94 Abs. 1 SGG mit Klageerhebung rechtshängig werden, erst mit Zustellung der Klageschrift rechtshängig.

Denn § 94 SGG regelt den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, der im Grundsatz nach § 94 S. 1 SGG durch Klageerhebung (nach § 90 SGG) erfolgt, und als Ausnahme nach § 94 S. 2 SGG für Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG die Zustellung der Klage voraussetzt. § 94 S. 2 SGG ist daher eine Sonderregelung für den Eintritt der Rechtshängigkeit, ändert jedoch am für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Begriff der Klageerhebung nichts. Durch die Klageerhebung werden die Verfahren nach §§ 198 ff GVG nur anhängig gemacht, die Rechtshängigkeit ist von der Zustellung der Klage abhängig (B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl., § 94 RdNr. 2, a. A. wohl Röhl, jurisPK, § 198 GVG, RdNr. 146). Es ist klar zu unterscheiden zwischen dem Begriff der Klageerhebung, der in § 90 SGG geregelt ist und keine Sonderregelung für Entschädigungsklagen nach §§ 198 ff. GVG vorsieht und dem Begriff der Rechtshängigkeit, der in § 94 SGG konkretisiert wird.

Damit ist die Wartefrist des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG durch die Klageerhebung am 29.06.2017 nicht eingehalten worden.

Die Einhaltung der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG stellt eine besondere Sachurteilsvoraussetzung dar, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist. Eine vor Fristablauf erhobene Klage wird deshalb nach Ablauf der Frist nicht zulässig (BSG, Urteil vom 03.09.2014, B 10 ÜG 2/14 R, RdNr. 19; BFH, Urteil vom 09.06.2015, XK11/14, RdNR. 9).

b. Die höchstrichterlich entwickelten Ausnahmen von dem Erfordernis der Einhaltung der Wartefrist sind im vorliegenden Streitfall nicht gegeben. Danach kann aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 198 Abs. 5 S. 1 GVG eine Entschädigungsklage ausnahmsweise bereits vor Ablauf der Wartefrist erhoben werden, wenn das betroffene Verfahren vor Fristablauf und im Zeitpunkt der Erhebung der Entschädigungsklage bereits beendet worden ist. Denn der Sinn der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG besteht darin, dem Gericht des Ausgangsverfahrens die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch eine - weitere - Verzögerung zu vermeiden. Bei bereits beendeten Verfahren wäre damit im Hinblick auf den Zweck ein Einhalten der Wartefrist nach § 198 Abs. 5 S. 1 GVG nicht sinnvoll, so dass eine teleologische Reduktion geboten ist (BFH, Urteil vom 09.06.2015, XK 11/14 RdNr. 12 f.; BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13, RdNr. 17).

Vorliegend ist das zu Grunde liegende Klageverfahren durch Rechtskraft des Urteils vom 29.06.2017, zugestellt am 09.08.2017, nach Ablauf der Rechtsmittelfrist am Montag, den 11.09.2017 (§ 64 Abs. 3 SGG) beendet worden. Die Verfahrensbeendigung erfolgte damit erst nach Ablauf der Wartefrist, die am 01.08.2017 ablief. Die Entschädigungsklage ist auch vor Verfahrensbeendigung, sogar ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 29.06.2017 bereits vor Urteilsverkündung durch Übergabe des Klageschriftsatzes erhoben worden.

Damit verbleibt es bei der Unzulässigkeit der Entschädigungsklage.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197 a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 198


(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach d

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 202


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 201


(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese

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(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung. (2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 90


Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 94


Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

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Bundesgerichtshof Urteil, 21. Mai 2014 - III ZR 355/13

bei uns veröffentlicht am 21.05.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 355/13 Verkündet am: 21. Mai 2014 Kiefer Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja GVG § 198 Abs. 6 Nr. 1

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(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

(1) Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen ein Land ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde. Zuständig für die Klage auf Entschädigung gegen den Bund ist der Bundesgerichtshof. Diese Zuständigkeiten sind ausschließliche.

(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Landgerichten im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden. Eine Entscheidung durch den Einzelrichter ist ausgeschlossen. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts findet die Revision nach Maßgabe des § 543 der Zivilprozessordnung statt; § 544 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden.

(3) Das Entschädigungsgericht kann das Verfahren aussetzen, wenn das Gerichtsverfahren, von dessen Dauer ein Anspruch nach § 198 abhängt, noch andauert. In Strafverfahren, einschließlich des Verfahrens auf Vorbereitung der öffentlichen Klage, hat das Entschädigungsgericht das Verfahren auszusetzen, solange das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

(4) Besteht ein Entschädigungsanspruch nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe, wird aber eine unangemessene Verfahrensdauer festgestellt, entscheidet das Gericht über die Kosten nach billigem Ermessen.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt. In Streitigkeiten über Entscheidungen des Bundeskartellamts, die die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen nach § 172a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen, sind die §§ 63 bis 80 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

Die Klage ist bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.

Durch die Erhebung der Klage wird die Streitsache rechtshängig. In Verfahren nach dem Siebzehnten Titel des Gerichtsverfassungsgesetzes wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens wird die Streitsache erst mit Zustellung der Klage rechtshängig.

(1) Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

(2) Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.

(3) Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.

(4) Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.

(5) Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.

(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist

1.
ein Gerichtsverfahren jedes Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss einschließlich eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe; ausgenommen ist das Insolvenzverfahren nach dessen Eröffnung; im eröffneten Insolvenzverfahren gilt die Herbeiführung einer Entscheidung als Gerichtsverfahren;
2.
ein Verfahrensbeteiligter jede Partei und jeder Beteiligte eines Gerichtsverfahrens mit Ausnahme der Verfassungsorgane, der Träger öffentlicher Verwaltung und sonstiger öffentlicher Stellen, soweit diese nicht in Wahrnehmung eines Selbstverwaltungsrechts an einem Verfahren beteiligt sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 355/13
Verkündet am:
21. Mai 2014
Kiefer
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Das Anhörungsrügeverfahren (hier: § 44 FamFG) und das vorangegangene
Hauptsacheverfahren stellen ein einheitliches Gerichtsverfahren im Sinne von
§ 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG dar. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer
(§§ 198 ff GVG) ist auf das Anhörungsrügeverfahren unmittelbar
anzuwenden.
BGH, Urteil vom 21. Mai 2014 - III ZR 355/13 - OLG Dresden
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anordnung des schriftlichen
Verfahrens mit einer Schriftsatzfrist bis zum 17. April 2014 durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter Wöstmann, Tombrink, Dr. Remmert und Reiter

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Juli 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Entschädigung für immaterielle Nachteile wegen überlanger Dauer eines Anhörungsrügeverfahrens nach § 44 FamFG in Anspruch.
2
Der Kläger ist Vater zweier minderjähriger ehelicher Kinder. Nach rechtskräftiger Ehescheidung regelte das Familiengericht durch Beschluss vom 18. Oktober 2010 den Umgang des Klägers mit seinen Kindern und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie das Recht zur Bestimmung des Schulbesuchs auf die Kindesmutter. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klä- gers wies das Oberlandesgericht nach mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 zurück. Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen (§ 70 Abs. 2 FamFG). Nach Zugang der schriftlichen Entscheidungsgründe Ende Oktober 2011 erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 7. November 2011 "Gehörsrüge nach § 44 FamFG", mit der er sein Beschwerdeziel weiterverfolgte. Zur Begründung führte er aus, das Beschwerdegericht habe seine Entscheidung "überbeschleunigt" und ihm keine Gelegenheit gegeben, sich angemessen mit dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens auseinanderzusetzen.
3
Der Vorsitzende des zuständigen Familiensenats verfügte am 14. November 2011 die Übersendung der Gehörsrüge an den Prozessbevollmächtigten der Kindesmutter zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Diese lag dem Senat am 5. Dezember 2011 vor. Nachdem der Kläger mit Schriftsätzen vom 5. und 23. Dezember 2011 eine zügige Entscheidung angemahnt und mit Schriftsatz vom 25. Mai 2012 die Sachbehandlung durch den Familiensenat als "skandalös" beanstandet hatte, wies das Oberlandesgericht die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 23. Juli 2012 zurück.
4
Mit seiner Entschädigungsklage hat der Kläger geltend gemacht, das Beschwerdegericht habe die Entscheidung über seine Gehörsrüge unangemessen verzögert. Der Beklagte schulde deshalb eine monatliche Entschädi- gung von 150 € (insgesamt 825 €).
5
Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt mit der Revision seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe


6
Die zulässige Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

I.


7
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
8
Dem Kläger stehe wegen der behaupteten unangemessenen Dauer des Anhörungsrügeverfahrens schon deshalb kein Entschädigungsanspruch zu, weil der geltend gemachte Anspruch von vornherein nicht in den Anwendungsbereich der § 198 ff GVG falle. Die Anhörungsrüge nach § 44 FamFG sei kein Gerichtsverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Das Hauptsacheverfahren sei durch den Beschluss des Beschwerdegerichts vom 6. Oktober 2011 rechtskräftig abgeschlossen worden. Da die nachfolgende Anhörungsrüge lediglich die Möglichkeit einer justizinternen Selbstkorrektur und damit eine Durchbrechung der Rechtskraft ermöglicht habe, stelle sie auch entschädigungsrechtlich kein eigenständiges Gerichtsverfahren dar. Es komme hinzu, dass die formalen Anforderungen an die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs mit dem Ablauf des Anhörungsrügeverfahrens nicht in Einklang zu bringen seien. Nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG müsse die Entschädigungsklage spätestens sechs Monate nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ausgangsverfahrens erhoben werden. Diese Voraussetzung könne nicht erfüllt werden, da die Entscheidung über die Anhörungsrüge nicht in Rechtskraft erwachse.

II.


9
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
10
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts stellen das Anhörungsrügeverfahren nach § 44 FamFG und das vorangegangene Hauptsacheverfahren entschädigungsrechtlich ein einheitliches Gerichtsverfahren dar. Die Entschädigungsregelung bei überlanger Verfahrensdauer (§§ 198 ff GVG) ist auf das durch die Gehörsrüge eröffnete Rechtsbehelfsverfahren unmittelbar anzuwenden.
11
1. § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG enthält eine Legaldefinition des Gerichtsverfahrens im entschädigungsrechtlichen Sinn. Danach gilt der gesamte Zeitraum von der Einleitung eines Verfahrens in der ersten Instanz bis zur endgültigen rechtskräftigen Entscheidung als ein Verfahren (BT-Drucks. 17/3802 S. 22), wobei das Gesetz von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff ausgeht. Gerichtsverfahren ist nicht jeder einzelne Antrag oder jedes Gesuch im Zusammenhang mit dem verfolgten Rechtsschutzbegehren (Senatsurteile vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 20 und vom 13. März 2014 - III ZR 91/13, BeckRS 2014, 06851 Rn. 23).
12
a) Durch die Gehörsrüge nach § 44 FamFG, die darauf abzielt, eine neue Entscheidung in der Sache herbeizuführen und die Rechtskraft des angegriffenen Beschlusses zu beseitigen, wird kein selbständiges Verfahren eingeleitet.
Vielmehr ist das Rügeverfahren dem durch den angegriffenen Beschluss zunächst beendeten Verfahren als Annex angegliedert. Es dient ausschließlich dem Zweck, das vorangegangene Verfahren auf den behaupteten Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu prüfen und führt bei begründeter Rüge zur Fortführung des ursprünglichen Verfahrens. Die Anhörungsrüge ist kein Rechtsmittel. Sie weist weder einen Suspensiv- noch einen Devolutiveffekt auf (Keidel/MeyerHolz , FamFG, 18. Aufl., § 44 Rn. 41, 58, 62; siehe auch Musielak, ZPO, 11. Aufl., § 321a Rn. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 321a Rn. 2, 15 ff). Das Anhörungsrügeverfahren ist nach alledem kein selbständiges Verfahren. Es wird dem Hauptsacheverfahren hinzugerechnet und ist somit Teil eines einheitlichen Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG. Kommt es (erstmals) im Anhörungsrügeverfahren zu einer sachlich nicht mehr gerechtfertigten Verzögerung, entsteht kein isolierter Entschädigungsanspruch (anders Guckelberger, DÖV 2012, 289, 294; Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 54). Vielmehr muss die Bearbeitungsdauer für die Gehörsrüge in die abschließende Betrachtung der Gesamtverfahrensdauer einbezogen werden. Denn Verzögerungen, die in einem Stadium des Verfahrens oder bei einzelnen Verfahrensabschnitten eingetreten sind, bewirken nicht zwingend die Unangemessenheit der Verfahrensdauer. Erforderlich ist vielmehr eine abschließende Gesamtabwägung (siehe Senatsurteile vom 14. November 2013 - III ZR 376/12, NJW 2014, 220 Rn. 28 ff; vom 5. Dezember 2013 - III ZR 73/13 aaO Rn. 40 ff; vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, NJW 2014, 939 Rn. 36 ff; vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, NJW 2014, 1183 Rn. 26 ff und vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 aaO Rn. 31 ff zu den maßgeblichen Abwägungskriterien).
13
b) Nach diesem Maßstab hätte das Oberlandesgericht die Anwendbarkeit der §§ 198 ff GVG auf die streitgegenständliche Gehörsrüge nicht ablehnen dürfen. Das familiengerichtliche Sorge- und Umgangsrechtsverfahren wurde durch unanfechtbaren Beschluss des Beschwerdegerichts (zunächst) rechtskräftig abgeschlossen (§ 70 Abs. 1, 2 FamFG). Die daraufhin vom Kläger erhobene Anhörungsrüge zielte darauf ab, das Ursprungsverfahren unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach § 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 FamFG fortzuführen und die Rechtskraft des Beschlusses vom 6. Oktober 2011 zu durchbrechen (vgl. Keidel/Meyer-Holz aaO § 44 Rn. 1, 53 ff, 62 f). Erst durch die Zurückweisung der Gehörsrüge mit Beschluss des Beschwerdegerichts vom 23. Juli 2012 wurde das Hauptsacheverfahren im Sinne von § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG endgültig rechtskräftig abgeschlossen (§ 44 Abs. 4 Satz 3 FamFG). Das Oberlandesgericht hätte daher die Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG mit Blick auf die Gesamtverfahrensdauer prüfen müssen.
14
2. Für dieses Ergebnis spricht auch der Zweck der neuen Entschädigungsregelung. Durch die Einräumung eines Entschädigungsanspruchs gegen den Staat bei überlanger Verfahrensdauer soll eine nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bestehende Rechtsschutzlücke geschlossen und eine Regelung geschaffen werden, die sowohl den Anforderungen des Grundgesetzes (Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) als auch denen der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Art. 6 Abs. 1, Art. 13 EMRK) gerecht wird (Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13; BeckRS 2014, 08780 Rn. 25; siehe auch BT-Drucks. 17/3802 S. 1, 15). Dementsprechend erfasst die Entschädigungsregelung sämtliche Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit (Zivilverfahren, freiwillige Gerichtsbarkeit und Strafverfahren einschließlich Bußgeldverfahren) und auf Grund entsprechender Anwendung auch alle Verfahren der Fachgerichtsbarkeiten (BT-Drucks. 17/3802 S. 22). Mit diesem umfassenden Gesetzeszweck wäre es schlechthin unvereinbar, Anhörungsrügeverfahren von vornherein nicht als Gerichtsverfahren im Sinne § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG anzusehen (anders Vielmeier, NJW 2013, 346, 349, 350). Denn die Verpflichtung des Staates, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen, kann allein schon dadurch verletzt werden, dass über eine singuläre Rechtsfrage, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs, in einem besonderen gesetzlichen Rechtsbehelfsverfahren verzögert entschieden wird und deshalb eine etwaige Rechtskraftdurchbrechung in der Schwebe bleibt.
15
3. Soweit § 198 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 GVG Mindestfristen enthalten, sind diese mit dem Ablauf eines Anhörungsrügeverfahrens ohne weiteres vereinbar.
16
a) Auch in diesem Fall gilt, dass die Verzögerungsrüge frühestens erhoben werden kann, wenn Anlass zu der Besorgnis besteht, dass über die Gehörsrüge nicht in angemessener Zeit entschieden wird. Maßgeblich ist, wann ein Betroffener erstmals Anhaltspunkte dafür hat, dass das Anhörungsrügeverfahren als solches keinen angemessen zügigen Fortgang nimmt (Ott aaO § 198 GVG Rn. 190). Es genügt grundsätzlich, dass die Verzögerungsrüge nach diesem Zeitpunkt im laufenden Anhörungsrügeverfahren erhoben wird (Senatsurteil vom 10. April 2014 - III ZR 335/13, BeckRS 2014, 08780 Rn. 31). Im vorangegangenen Verfahren bereits eingetretene Verzögerungen können allerdings durch eine erstmals im Rügeverfahren erhobene Verzögerungsrüge nicht mehr geltend gemacht werden. Dies folgt schon daraus, dass Gegenstand des Anhörungsrügeverfahrens allein die behauptete Gehörsverletzung ist und für das Gericht keine Möglichkeit mehr besteht, das bereits beendete Hauptsacheverfahren noch zu beschleunigen (vgl. Ott aaO § 198 GVG Rn. 173 f, 191; Schenke , NVwZ 2012, 257, 261).

17
b) Nach § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG kann der Entschädigungsanspruch frühestens sechs Monate nach wirksamer Erhebung der Verzögerungsrüge gerichtlich geltend gemacht werden. Der Sinn dieser Wartefrist besteht darin, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken und dadurch (weiteren) Schaden zu vermeiden (BTDrucks. 17/3802 S. 22; Ott aaO § 198 GVG Rn. 245; Schenke aaO S. 263). Aus diesem Schutzzweck des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG folgt, dass eine Klage ausnahmsweise vor Fristablauf erhoben werden kann, wenn das betroffene Verfahren - was bei Anhörungsrügen regelmäßig der Fall sein wird - schon vor Fristablauf beendet wurde (s. auch Vielmeier aaO S. 348 mit Angaben zur durchschnittlichen Bearbeitungsdauer von Anhörungsrügen). Ein Abwarten der Frist würde insofern keinen Sinn mehr machen. In diesen Fällen ist die Fristenregelung des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG teleologisch dahin einzuschränken, dass dann, wenn das als verspätet gerügte Verfahren schon vor Ablauf der SechsMonats -Frist abgeschlossen wurde, bereits vom Moment des Verfahrensabschlusses an eine Entschädigungsklage zulässig ist (Ott aaO § 198 GVG Rn. 246; Schenke aaO).
18
c) § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG normiert eine Klagefrist von sechs Monaten für die Geltendmachung des Anspruchs auf Entschädigung. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts hängt der Fristbeginn nicht davon ab, dass das Ausgangsverfahren rechtskräftig beziehungsweise mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung beendet wird. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut beginnt die Frist entweder mit der Rechtskraft der Entscheidung im Ausgangsverfahren oder "mit einer anderen Erledigung dieses Verfahrens". Dies bedeutet , dass im vorliegenden Fall die sechsmonatige Klagefrist mit der Bekanntgabe des Zurückweisungsbeschlusses vom 23. Juli 2012 in Gang gesetzt wurde.

III.


19
Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das Oberlandesgericht wird nunmehr erstmals zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1, 2 GVG vorliegen.
Schlick Wöstmann Tombrink
Remmert Reiter

Vorinstanz:
OLG Dresden, Entscheidung vom 24.07.2013 - 19 SchH 16/12 EntV -

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tag nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tag nach der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat.

(3) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.