vorgehend
Sozialgericht München, S 29 KR 563/14, 04.09.2014

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.09.2014 wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist eine Untätigkeitsklage.

1. Der Kläger war im Herbst 2008 wegen Bezuges von Leistungen nach dem SGB II (Alg II) gesetzlich krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Am Donnerstag, 16.10.2008 wurde er bei der Firma X. in A. vorstellig. Diese gibt an, der Kläger sei nicht gegen Entgelt beschäftigt worden, am Folgetag habe dieser nicht arbeiten können wegen Stromausfalls. Am Montag, 20.10.2008 sei der Kläger erneut bei der X. erschienen, der Betriebsleiter habe ihn jedoch nicht eingestellt. Am 23.10.2008 bescheinigte Dr. H. dem Kläger Arbeitsunfähigkeit ab 22.10.2008 wegen Schädelhirnkontusion. Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind für die Zeit bis 31.10.2008 (Dr. H.) sowie am 6.11.2008 bis 16.11.2008 (Dr. G.) ausgestellt.

Zur Entscheidung über die Bewilligung von Krankengeld kam es nicht, vielmehr erstattete die Beklagte unter dem 13.3.2009 Strafanzeige wegen Betruges. Der Kläger hatte im Laufe des Jahres 2008 in einer Vielzahl von Fällen während des Alg-II-Bezuges, namentlich am 22.10.2008, Kontakt zu Arbeitgebern aufgenommen und sodann faktenwidrig jeweils das Vorliegen eines Arbeitsunfalles und Arbeitsunfähigkeit mit dem Ziel des Erhalts von Sozialleistungen behauptet. Zugleich hatte er den jeweiligen vermeintlichen Arbeitgeber vor den Arbeitsgerichten verklagt (zB Klage zur Niederschrift vom 19.11.2008 Arbeitsgericht B-Stadt - Az.: RAST 424/08); insoweit wird auf die 25 Arbeitsgerichtsverfahren umfassende Liste aus den Jahren 2007 bis 2010 auf Blatt 188 ff der erstinstanzlichen Gerichtsakte Bezug genommen. Wegen dieser Vorgehensweise wurde der Kläger in mehreren Fällen am 15.11.2011 - rechtskräftig seit 23.11.2011 - wegen Betruges verurteilt (Amtsgericht B-Stadt, Az.: 852 Ds 388 Js 35507/09).

2. Am 12.1.2009 hat der Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht München erhoben, weil er von der Beklagten keine Hilfe bekommen habe. Mit Schriftsatz vom 13.7.2009 hat der damalige Klägerbevollmächtigte - der den Kläger auch im Strafverfahren vertreten hat - nach dem Ergehen eines Bescheides nachgefragt sowie angekündigt, das klageverfahren könne für erledigt erklärt werden, falls mittlerweile über den Krankengeldantrag des Klägers entschieden worden sei.

Nach Aussetzung der Untätigkeitsklage wegen der strafrechtlichen Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 31.7.2014 den geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld abschlägig verbeschieden, weil der Kläger nicht beschäftigt gewesen war, sondern im Leistungsbezug nach dem SGB II gestanden hatte. Gegen diesen Bescheid ist Widerspruch nicht eingelegt worden. In der Folgezeit hat der Kläger die für den Fall eines Bescheiderlasses angekündigte Erledigterklärung der Untätigkeitsklage nicht abgegeben, so dass das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 4.9.2014 die Untätigkeitsklage abgewiesen hat wegen Erledigung sowie wegen des Vorliegens eines sachlichen Grundes für die Nichtentscheidung.

3. Dagegen hat der Kläger persönlich Berufung eingelegt. Er habe lange Zeit keine Nachricht bekommen.

Der Kläger beantragt somit weiterhin sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts München vom 4.9.2014 zu verurteilen, den Anspruch des Klägers Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab 22.10.2008 zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Verwaltungsakten der Beklagten. darauf sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft, §§ 143, 151 SGG, sie bleibt aber ohne Erfolg.

Streitgegenstand ist der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 4.9.2014, mit welchem die Untätigkeitsklage vom 12.1.2009 abgewiesen wurde.

Eine Untätigkeitsklage ist nach § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig, wenn seit der Stellung eines Antrags auf Vornahme eines Verwaltungsaktes sechs Monaten vergangen sind, und sie ist begründet, wenn der Antrag ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist.

1. Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, d.h. Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (vgl. BSG vom 28.3.2013, B 4 AS 12/12 R - mwN).

Zur Recht hat das Sozialgericht die Klage als Untätigkeitsklage iSd § 88 SGG gewertet. Denn der Kläger selbst hatte im Klageschriftsatz angegeben, er habe „keine Hilfe von ... bekommen“. Um dem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. BVerfG vom 30.04.2003, Az.: 1 PBvU 1/02 und vom 03.03.2004, Az.: 1 BvR 461/03) ist vor der Tatsache, dass die Beklagte im September 2009 nicht über einen geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld wegen der am 23.10.2008 von Dr. H. erstbescheinigten ab 22.10.2008 sowie für die Zeit bis 31.10.2008 (Dr. H.) und am 6.11.2008 bis 16.11.2008 (Dr. G.) folgebescheinigte Arbeitsunfähigkeit entschieden hatte, das Begehren des Klägers als Tätigwerden gegenüber der Untätigkeit der Beklagten zu werten. Dem entspricht der Anwalts-Schriftsatz vom 13.7.2009, mit welchem unter dem Betreff „Leistungen nach dem SGB V (Krankengeld)“ nach Bescheiderlass nachgefragt sowie angekündigt wurde, für den Fall des zwischenzeitlichen Bescheiderlass könne das Klageverfahren erledigt werden.

2. Die zunächst formwirksame Untätigkeitsklage ist jedenfalls unzulässig geworden, als die Beklagte mit Bescheid vom 31.7.2014 einen Anspruch des Klägers auf Krankengeld ab 22.10.2009 abgelehnt hat. Denn mit Bescheiderlass war das Ziel der Klage erreicht, ein Rechtsschutzbedürfnis liegt seither nicht mehr vor.

3. Die Untätigkeitsklage war darüber hinaus unbegründet, weil die Beklagte zum Einen sachliche Veranlassung hatte, den Sachverhalt zum Anspruch auf Krankengeld eingehend zu ermitteln und zum Anderen die Sachverhaltsermittlung zeitaufwändig war. Denn der Kläger hatte nach dem Inhalt der beigezogenen Akten sowie nach den Gerichtsakten beider Instanzen im Laufe des Jahres 2008 in einer Vielzahl von Fällen während des Alg-II-Bezuges, namentlich am 22.10.2008, Kontakt zu Arbeitgebern aufgenommen und sodann faktenwidrig jeweils das Vorliegen eines Arbeitsunfalles sowie mit dem Ziel des Erhalts von Krankengeld durch die Beklagte Arbeitsunfähigkeit behauptet. Dieses Vorgehen ist auch durch die Klage vom 19.11.2008 zum Arbeitsgericht B-Stadt - Az.: RAST 424/08) sowie durch die Vielzahlt von Arbeitsgerichtsverfahren nachgewiesen. Wegen dieser Vorgehensweise ist der Kläger zudem in mehreren Fällen rechtskräftig vom Amtsgericht B-Stadt (Az.: 852 Ds 388 Js 35507/09) wegen Betruges verurteilt.

Um diese Hintergründe aufzuklären war die Beklagte somit veranlasst, vom Erlass eines Bescheides hinsichtlich eines Krankengeldanspruches ab 22.10.2008 abzusehen.

4. Schließlich fehlt es für die Klage an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Kläger kein Krankengeldanspruch ab 22.10.2008 zusteht. Denn der Ablehnungsbescheid vom 31.7.2014 ist gem. §§ 84 Abs. 2 S. 3, 66 Abs. 2 SGG nach Ablauf der Jahresfrist nicht mehr mit einem Widerspruch anfechtbar und damit rechtskräftig geworden; ein Schriftsatz, welcher in einen Widerspruch (um-)gedeutet werden kann, ist im vorliegenden Verfahren nicht feststellbar.

Im Übrigen hat der Kläger keinen Anspruch auf Krankengeld gem. § 44 Abs. 1 SGB V, weil er nach den glaubhaften Angaben der Firma X. A. bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht gegen Arbeitsentgelt beschäftigt war. Die anderslautenden Einlassungen des Klägers sind vor dem Hintergrund der strafrechtlichen Verurteilung nicht glaubhaft. Im maßgeblichen Zeitpunkt war der Kläger vielmehr als Alg-II-Bezieher krankenversichert und hatte somit nach § 44 Abs. 2 Nr. 1 iVm § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V keinen Anspruch auf Krankengeld.

Die Berufung bleibt damit vollumfänglich ohne Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe iSd § 160 Abs. 2 SGG sind nicht erkennbar.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 5 Versicherungspflicht


(1) Versicherungspflichtig sind1.Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,2.Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht be

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(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt

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(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzur

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Bundessozialgericht Urteil, 28. März 2013 - B 4 AS 12/12 R

bei uns veröffentlicht am 28.03.2013

Tenor Die Sprungrevision der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

Tenor

Die Sprungrevision der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis zum 31.10.2011, insbesondere darüber, ob die Höhe des Regelbedarfs verfassungsgemäß bestimmt worden ist.

2

Der Kläger zu 1 lebt mit der Klägerin zu 2 und dem am 15.10.2009 geborenen gemeinsamen Sohn, dem Kläger zu 3, in einer Mietwohnung in D. Für diese Unterkunft fallen Kosten in Höhe von monatlich 285 Euro Grundmiete zuzüglich Nebenkosten in Höhe von monatlich 110 Euro sowie Kosten für Heizung in Höhe von monatlich 100 Euro als Vorauszahlung an. Zudem sind nach dem Mietvertrag monatlich 40 Euro für Strom an den Vermieter zu überweisen.

3

Mit begünstigendem Änderungsbescheid vom 12.5.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1182 Euro unter Berücksichtigung eines monatlichen Regelbedarfs der Kläger zu 1 und zu 2 in Höhe von je 328 Euro sowie für den Kläger zu 3 in Höhe von 215 Euro abzüglich des gezahlten Kindergelds in Höhe von 184 Euro als Einkommen (= 31 Euro). Leistungen für Unterkunft und Heizung erbrachte er in Höhe von insgesamt 495 Euro monatlich, nach Köpfen aufgeteilt. Daneben verfügte der Beklagte die direkte Überweisung der Unterkunftsaufwendungen sowie von 40 Euro für Stromkosten - aus dem Regelbedarf - an den Vermieter. Den Widerspruch der Kläger gegen die Höhe der bewilligten Leistungen wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24.6.2011 zurück.

4

Die am 5.7.2011 erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil vom 10.1.2012). Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass den Klägern keine höheren Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zustünden. Der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erst zweijährige Kläger zu 3, der weder eine Schule noch einen Kindergarten besuche, beanspruche keine Leistungen aus dem "Bildungspaket" der Abs 2 bis 7 des § 28 SGB II. Ein Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarfe sei ebenfalls nicht gegeben. Die Kosten für Unterkunft und Heizung übernehme der Beklagte in tatsächlicher Höhe. Das vom Kläger zu 1 erzielte Einkommen in Höhe von 56,35 Euro sei vom Beklagten zutreffend nicht berücksichtigt worden. Die Kläger zu 1 und zu 2 seien gesetzlich krankenversichert, der Kläger zu 3 familienversichert. Grundrechte seien durch die Höhe der gewährten Leistungen nicht verletzt, insbesondere nicht Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG. Nach Wegfall eines Abzugs für die Warmwasserpauschale und der Berücksichtigung von Bedarfen der Kinder und Jugendlichen sei eine Verfassungswidrigkeit der Leistungshöhe nicht festzustellen. Das SG hat in seinem Urteil die Sprungrevision zugelassen.

5

Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Neuregelung der Regelbedarfe durch das zum 1.1.2011 in Kraft getretene Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII (vom 24.3.2011, BGBl I 453 - im Weiteren RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG). Die Regelungen genügten nicht den Anforderungen, welche sich aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG und dem hierzu ergangenen Urteil des BVerfG vom 9.2.2010 ergäben. Für die Bemessung der Regelbedarfsstufe 1 nach § 8 Abs 1 Nr 1 RBEG seien teilweise unzutreffende Referenzgruppen ("verdeckt Arme") in die Berechnung der Bedarfshöhe einbezogen worden bzw relevante Referenzgruppen ("Aufstockerhaushalte", Leistungsberechtigte nach AsylbLG, BAföG) außer Betracht geblieben. Entgegen den Vorgaben des BVerfG seien die Referenzgruppen auch in quantitativer Hinsicht unzutreffend bestimmt worden. Das Verfahren zur Ableitung des Regelbedarfs aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe sei nicht in transparenter Art und Weise durchgeführt worden. Die von der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe vorgenommenen Abschläge zB für alkoholische Getränke und Tabakwaren, Gaststättenbesuche sowie weiterer Positionen führten zu einer übermäßigen Kürzung des statistisch ermittelten Bedarfs. Die Zurechnung der Stromkosten zum Regelbedarf anstatt zu den Kosten der Unterkunft sei ebenfalls zu missbilligen. Hinsichtlich der Festlegung der Regelbedarfsstufen 4 bis 6 gemäß § 8 Abs 1 Nr 4 bis 6 RBEG sei der Gesetzgeber seiner Begründungspflicht nicht nachgekommen. Das lebensnotwendige physische Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen sei nicht ausreichend und nicht realitätsgerecht ermittelt worden. Zum Beispiel seien die Ausgabepositionen für bestimmte Waren, wie insbesondere Kinderschuhe, nicht altersgerecht bzw unzutreffend festgesetzt worden. Auch seien Leistungen für Kosten eines Mobiltelefons nicht im Regelbedarf enthalten. In Bezug auf die Bildungsbedarfe fehle es gänzlich an Ermittlungen. Der Betrag in Höhe von 100 Euro für Schulausstattung sei freihändig geschätzt, zudem fehle dem Gesetz eine Fortschreibungsregel. Da aufgrund der Berücksichtigung eines Schulausstattungsbedarfs der Regelbedarf für Kinder für Schreibwaren, Zeichenmaterial und Ähnliches gekürzt worden sei, sei auch der Regelbedarf inkorrekt bestimmt. Dies gelte auch für den Bereich der Teilhabeleistungen. Hier seien wichtige Teilbereiche unberücksichtigt gelassen worden, wie zB Kinobesuche. Das Verfahren zur Ermittlung der Bedarfe sei auch insoweit intransparent und nicht nachvollziehbar oder sachgerecht. Da die Ermittlung des Regelbedarfs mit einer Vielzahl von Fehlern behaftet sei, die den Vorgaben des BVerfG widersprächen, sei die Höhe des Regelbedarfs zu niedrig festgesetzt.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Januar 2012 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12. Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2011 zu verurteilen, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs für die Zeit vom 1. Mai 2011 bis zum 31. Oktober 2011 zu gewähren.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er ist der Auffassung, dass die bewilligten Regelbedarfe verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Die vom BVerfG aufgestellten Grundsätze der Transparenz, der Systemeinhaltung, der sachlichen Rechtfertigung von Systemabweichungen sowie von Schätzungen und Vermeidung von Zirkelschlüssen seien beachtet worden. Der Rückgriff auf die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe werde vom BVerfG ausdrücklich gebilligt. Auch das Statistikmodell sei für verfassungsgemäß erachtet worden. Die Bestimmung der Referenzgruppen sei in verfassungskonformer Weise erfolgt. Ebenso seien die vorgenommenen Abschläge nicht zu beanstanden, da der Gesetzgeber lediglich das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern habe.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision ist unbegründet.

10

1. Streitgegenstand sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2011, als durch den Bescheid des Beklagten vom 12.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2011 bewilligt. Maßgebend für die Bestimmung des Streitgegenstands ist der geltend gemachte prozessuale Anspruch, dh Klageantrag und Klagegrund im Hinblick auf einen bestimmten Sachverhalt (BSG SozR 4-5425 § 24 Nr 11 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 51 Nr 4 RdNr 26 mwN). Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid über den Anspruch der Kläger auf Alg II und Sozialgeld insgesamt entschieden. Damit stehen Regel- sowie Unterkunfts- und Heizbedarf und ggf Mehrbedarfs- sowie Bildungs- und Teilhabeleistungen im Streit. Diesen Bescheid haben die Kläger - nach dem Antrag, den sie im Revisionsverfahren gestellt haben - insgesamt mit ihrer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen.

11

Die Kläger haben danach ihr Klagebegehren nicht auf den Regelbedarf beschränkt. Soweit sie sich argumentativ ausschließlich mit den ihrer Ansicht nach verfassungswidrig zu niedrig festgesetzten Regelbedarfen auseinandersetzen, folgt hieraus ebenso wenig, wie aus der Ergänzung des Antrags um die Worte "unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs", eine Beschränkung des Streitgegenstands. Die Beschränkung des Streitgegenstands auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelbedarfe nach dem SGB II wäre zudem auch eine nicht zulässige Begrenzung (BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R - RdNr 8 mwN; vgl auch zum Teilanerkenntnis BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; zum Teilvergleich SozR 4-4200 § 11 Nr 43 RdNr 16).

12

Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie von 40 Euro für Stromkosten aus dem Regelbedarf an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst mithin nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers als die Kläger zudem im Bescheid vom 12.5.2011 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten.

13

2. Die Kläger haben mit ihrem Begehren jedoch keinen Erfolg. Der Bescheid vom 12.5.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2011 ist rechtmäßig. Die Höhe der den Klägern bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ist nicht zu beanstanden. Sie haben einfachgesetzlich keinen Anspruch auf höhere Leistungen im Zeitraum vom 1.5. bis 31.10.2011. Die Höhe ihres Regelbedarfs ist auch nicht verfassungswidrig zu niedrig bemessen.

14

Der Senat konnte in der Sache selbst entscheiden. Das erstinstanzliche Urteil ist noch nicht verfahrensfehlerhaft nicht mit Gründen iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG versehen(s auch BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 131/11 R - RdNr 10). Es lassen sich gerade noch eine eigenständige Auseinandersetzung mit der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe und damit hinreichende Entscheidungsgründe iS des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG erkennen.

15

Aus den vom SG festgestellten Tatsachen folgt, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II gegeben sind. Die Kläger haben einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, jedoch nur in dem von dem Beklagten bewilligten Umfang. Sie haben weder Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung (3.), noch auf eine Mehrbedarfsleistung nach § 21 SGB II (6.) oder Leistungen zur Teilhabe und Bildung nach § 28 SGB II (5.). Der erkennende Senat ist darüber hinaus von der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelbedarfe nach dem SGB II in der Fassung des RBEG überzeugt (4.), soweit es den Regelbedarf für Alleinstehende (a.) und erwachsene Ehepartner, die zusammenleben (b.) sowie für Erwachsene in einem Paarhaushalt mit Kind (c.) und ein Kind bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres (d.) betrifft.

16

3. Der Bescheid vom 12.5.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.6.2011 ist im Hinblick auf die Bestimmung der Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nicht zu beanstanden. Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Der Beklagte hat hier der Leistungsbewilligung die sich aus dem Mietvertrag ergebenden tatsächlichen Aufwendungen zugrunde gelegt. Danach hatten die Kläger im streitigen Zeitraum einen Bedarf in Höhe von monatlich 495 Euro, der sich aus einer Grundmiete in Höhe von 285 Euro zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 110 Euro sowie einer Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 100 Euro monatlich ergibt.

17

4. Die Kläger haben nach den bindenden Feststellungen des SG (§ 163 SGG) keinen Anspruch auf Leistungen für Mehrbedarfe, insbesondere nicht nach § 21 Abs 7 SGB II. Es fehlt insoweit an den tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines solchen Bedarfs. Denn es liegt kein Hinweis auf eine dezentrale Warmwassererzeugung in der Wohnung der Kläger vor. Vielmehr haben die Kläger monatlich einen Betrag in Höhe von 100 Euro für Heiz- und Warmwasserkosten zu zahlen.

18

5. Leistungen zur Deckung von Bedarfen für Bildung und Teilhabe kann der Kläger zu 3 für den hier in Betracht kommenden Zeitraum nicht beanspruchen. Er hat sie nach den Feststellungen des SG nicht beantragt. Leistungen für Bildung und Teilhabe bedürfen jedoch nach § 37 Abs 1 S 2 SGB II - mit Ausnahme der hier aufgrund des Alters des Klägers zu 3 ohnehin nicht in Betracht kommenden Leistungen für den persönlichen Schulbedarf(§ 28 Abs 3 SGB II)- des gesonderten Antrags. Für Zeiten vor der Antragstellung werden nach § 37 Abs 2 SGB II Leistungen nicht erbracht.

19

6. Es bestand für den Senat auch kein Anlass, das Verfahren nach Art 100 Abs 1 S 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zur Vereinbarkeit von § 19 Abs 1 S 1, § 20 Abs 1 und Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG mit Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG einzuholen. Der erkennende Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass der Gesetzgeber durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG die ab dem 1.1.2011 neu festgesetzte Höhe der Regelbedarfe für Alleinstehende (a.), Ehepartner, die zusammenleben (b.), Erwachsene in einem Paarhaushalt mit Kind (c.) und Kindern bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres (d.) in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen hat.

20

Verfassungsrechtlicher Maßstab für die Prüfung ist wegen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers eine zurückhaltende materielle Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelung dahingehend, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Da eine Ergebniskontrolle am Maßstab des Grundrechts auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG) nur begrenzt möglich ist, muss jenseits der Evidenzkontrolle überprüft werden, ob die Leistungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu rechtfertigen sind (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 = BGBl I 2010, 193, RdNr 141 ff, im Weiteren BVerfG aaO).

21

a) Der Regelbedarf der Kläger zu 1 und 2 leitet sich nach § 20 Abs 4 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG iVm § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG von dem eines Alleinstehenden in einem Einpersonenhaushalt ab. Der Regelbedarf eines solchen alleinstehenden Erwachsenen ist durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Der erkennende Senat schließt sich insoweit dem 14. Senat des BSG an, der dies im Juli 2012 in zwei Entscheidungen im Einzelnen dargelegt hat (SozR 4-4200 § 20 Nr 17 RdNr 19 ff; vom 12.7.2012 - B 14 AS 189/11 R - RdNr 14). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden gegen die benannten Urteile nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG Beschluss vom 20.11.2012 - 1 BvR 2203/12 - unveröffentlicht; BVerfG Beschluss vom 27.12.2012 - 1 BvR 2471/12 - unveröffentlicht; zur Bedeutung dessen s Rixen, SozSich 2013, 73 ff).

22

Der Gesetzgeber hat insoweit den ihm zugewiesenen Auftrag, das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum zu gewährleisten, erfüllt. Der 14. Senat hat hierzu ausgeführt, dass bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung der Neuermittlung der Regelbedarfe der Entscheidungsprozess des Gesetzgebers bei der Neuordnung der §§ 28 ff SGB XII auf die Bemessung des Regelbedarfs in § 20 Abs 2 S 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG zu übertragen sei. Der Gesetzgeber habe den Umfang des konkreten gesetzlichen Anspruchs auch in einem transparenten und sachgerechten Verfahren ermittelt, das den Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 9.2.2010 (BVerfGE, aaO) nach realitätsgerechten sowie nachvollziehbaren Festsetzungen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren entspreche. Dabei habe sich der Gesetzgeber des vom BVerfG gebilligten Statistikmodells bedienen können. Innerhalb dieses Ansatzes habe er, ausgehend von der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008, die Referenzgruppe anhand der unteren Einkommensgruppen bestimmt, ohne seinen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum zu überschreiten.

23

Dies gilt auch, soweit in der Literatur vorgebracht wird, der Gesetzgeber sei seinem Auftrag, auch die "versteckt Armen" aus der Regelbedarfsberechnung auszunehmen, nicht hinreichend nachgekommen (s nur Irene Becker, SozSich, Sonderheft September 2011, 20 ff). Es überzeugt den Senat nicht, wenn unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BVerfG deswegen die Höhe des Regelbedarfs als nicht mit Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG vereinbar bewertet wird (so Münder, SozSich Sonderheft September 2011, 70 ff). Das BVerfG hatte den Verzicht auf eine Schätzung des Anteils der "verdeckt Armen" durch den Gesetzgeber in Ermangelung hinreichend sicherer empirischer Grundlagen durch die EVS 2003 für die Vergangenheit für vertretbar gehalten (BVerfG aaO, RdNr 169). An dem Mangel der Möglichkeit, methodisch unzweifelhaft und ohne Setzungen die "verdeckt Armen" aus den Referenzhaushalten auszuschließen, hat sich auch bei der Auswertung der EVS 2008 nichts geändert. Dies gilt zumindest für den hier zur Verfügung stehenden zeitlichen Rahmen. Durch diesen wird der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers mitbestimmt. Aufgrund der an den Gesetzgeber gerichteten Umsetzungsverpflichtung der Entscheidung des BVerfG bis zum 31.12.2010 (BVerfGE aaO, RdNr 216) stand ein Zeitraum von nicht einmal einem Jahr für die Neufestsetzung der Regelbedarfe zur Verfügung und die Ergebnisse der EVS 2008 lagen erst im Herbst 2010 vollständig vor. In der Begründung zum RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG wird daher eine Korrektur der Referenzgruppen um die "verdeckt Armen" ua mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der Vielgestaltigkeit der Einkünfte von Haushalten hätte eine Einzelfallauswertung der Haushalte erfolgen müssen. Diese wäre jedoch weder durch die Wissenschaft noch durch das Statistische Bundesamt zu leisten gewesen (BT-Drucks 17/3404, S 88). Auch insoweit wird zwar in der Literatur Kritik angebracht, insbesondere an dem über "das Notwendige hinausgehende Anforderungsprofil" des Gesetzgebers. Dadurch würden die Grenzen des Datensatzes der EVS zwangsläufig erreicht. Es werden daher Vorschläge zur methodischen Identifizierung der "verdeckten Armut" gemacht (s zusammenfassend Irene Becker, SozSich, Sonderheft September 2011, 24), die einen weniger großen Genauigkeitsgrad aufweisen (Irene Becker, SozSich, Sonderheft September 2011, 22). Ob der Gesetzgeber sich jedoch entschließt, angesichts der Vorgaben des BVerfG derartige offene "Ungenauigkeiten" in seine Berechnung einzubeziehen, muss seiner Entscheidung im Rahmen seines Gestaltungsspielraums vorbehalten bleiben. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den Vorschlägen um wissenschaftlich noch nicht abschließend diskutierte Ansätze handelt, ein sachgerechtes Verfahren zu entwickeln oder weiterzuentwickeln, um so eine statistisch zuverlässig über der Sozialhilfeschwelle liegende Referenzgruppe zu ermitteln (Irene Becker, SozSich, Sonderheft September 2011, 21). Dies ändert allerdings nichts daran, dass der Gesetzgeber bei der Auswertung der EVS 2013 der ihm vom BVerfG auferlegten Pflicht zur Fortentwicklung des Bedarfsermittlungssystems nachkommen muss und darauf zu achten haben wird, dass Haushalte, deren Nettoeinkommen unter dem Niveau der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von SGB II und SGB XII liegt, aus der Referenzgruppe ausgeschieden werden (BVerfGE, aaO, RdNr 169). Dies hat der Gesetzgeber jedoch auch selbst erkannt. Er hat in § 10 Abs 1 iVm § 10 Abs 2 Nr 1 RBEG eine Verpflichtung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) bestimmt, dem Bundestag ua für die Weiterentwicklung der Methoden zur Abgrenzung der Referenzhaushalte nach § 3 Abs 1 RBEG hinsichtlich der Bestimmung von Haushalten der EVS Vorschläge zu unterbreiten, die nicht als Referenzhaushalte zu berücksichtigen sind, weil deren eigene Mittel nicht zur Deckung des jeweils zu unterstellenden Bedarfs nach dem SGB II und SGB XII ausreichen.

24

Der erkennende Senat ist ebenso wie der 14. Senat des BSG ferner davon überzeugt, dass die im Rahmen des Statistikmodells begründete Herausnahme einzelner Positionen durch den Gesetzgeber nicht zu beanstanden ist. Er folgt dem 14. Senat, wenn dieser ausführt, die regelbedarfsrelevanten Ausgabenpositionen und -beträge seien so bestimmt, dass ein interner Ausgleich möglich bleibe. Auch bei der Kennzeichnung einzelner Verbrauchspositionen als bedarfsrelevant und dem Ausschluss bzw der Kürzung anderer Verbrauchspositionen hat der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Zutreffend hat er sich schließlich bei der Regelung eines Fortschreibungsmechanismus an seiner Entscheidung für das Statistikmodell orientiert. Um Wiederholungen zu vermeiden sieht der erkennende Senat von einer Darstellung der Ausführungen im Einzelnen ab.

25

b) Die Festsetzung eines - im Vergleich zu alleinstehenden Erwachsenen - niedrigeren Regelbedarfs für die Kläger zu 1 und zu 2 gemäß § 20 Abs 4 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, § 8 Abs 1 Nr 2 RBEG aufgrund des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft - hier: aufgrund einer Ehe zwischen dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 - ist ebenso wenig verfassungswidrig. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass durch das gemeinsame Wirtschaften Aufwendungen erspart werden und deshalb zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt. Da aufgrund des Zusammenlebens anzunehmen ist, dass beide Partner "aus einem Topf" wirtschaften, ist es auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber für beide Partner einen gleich hohen Bedarf in Ansatz bringt (vgl BVerfG, aaO, RdNr 154; s auch Kohte in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl 2011, § 20 SGB II RdNr 54).

26

c) Auch soweit es den Regelbedarf für zwei zusammenlebende Erwachsene betrifft, in deren Haushalt mindestens ein Kind lebt, kann nicht angenommen werden, dass dieser evident zu niedrig bestimmt worden ist, obwohl der Bedarf der beiden Erwachsenen nur auf einer Ableitung dessen von einem alleinstehenden Erwachsenen beruht. Eine gesonderte Bedarfserhebung ist insoweit nicht erfolgt. Die Sonderauswertung "Paarhaushalt mit einem Kind" diente nur dazu, die "Kinderausgaben" in diesem Paarhaushalt zu bestimmen (BT-Drucks 17/3404, S 64 f). Zwar mangelt es an einer näheren Begründung für die konkrete Bemessung des grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarfs für Erwachsene, die mit Kindern zusammenleben. Aus dem bloßen Fehlen einer Begründung für die Ableitung des Regelbedarfs der Erwachsenen in einem Paarhaushalt ausschließlich von dem eines Alleinstehenden kann im Gegensatz zu Münder (in Soziale Sicherheit - Sonderheft September 2011, S 80) jedoch noch nicht auf eine Unvereinbarkeit mit Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG geschlossen werden.

27

Der gesetzliche Leistungsanspruch muss stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf decken (BVerfG, aaO, RdNr 137). Dabei darf der Gesetzgeber in Erfüllung seines Gewährleistungsauftrags jedoch auch wertende Entscheidungen treffen, um die soziale Wirklichkeit zeit- und realitätsgerecht zu erfassen. Der Umfang des Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenzminimum hängt von den gesellschaftlichen Anschauungen über das für ein menschenwürdiges Dasein Erforderliche, der konkreten Lebenssituation des Hilfebedürftigen sowie den jeweiligen wirtschaftlichen und technischen Gegebenheiten ab und ist danach vom Gesetzgeber konkret zu bestimmen. Hierbei steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu, der enger ist, soweit er das zur Sicherung der physischen Existenz eines Menschen Notwendige konkretisiert, und weiter, wo es um Art und Umfang der Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben geht (BVerfG, aaO, RdNr 138; BVerfGE 126, 331 RdNr 103). Aus dem Erfordernis, alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen, folgt jedoch nicht, dass die Höhe des existenznotwendigen Lebensunterhalts durch den Einsatz einer allein richtigen Berechnungsmethode punktgenau ermittelt werden kann und jede Abweichung als Verfassungsverstoß anzusehen ist (vgl Spellbrink, DVBl 2011, 661). Weder sind normative Setzungen grundsätzlich ausgeschlossen, noch ist es für die verfassungsrechtliche Prüfung von Bedeutung, ob die maßgeblichen Gründe für die gesetzliche Neuregelung im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich als solche genannt wurden oder gar den Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind (BVerfG, NVwZ-RR 2012, 257). Inhaltlicher Maßstab der einfachgesetzlichen Festschreibung des Leistungsanspruchs sind Sachgerechtigkeit und Vertretbarkeit (BVerfG, aaO, RdNr 171). Gemessen an diesem Maßstab führt die Ableitung des Bedarfs der Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit einem Kind von dem eines Alleinstehenden derzeit nicht zu einer evident zu niedrig bemessenen existenzsichernden Leistung.

28

Genaue Datengrundlagen zur Ermittlung des Bedarfs von zwei Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind liegen nicht vor. Ebenso wie für die Bestimmung des Existenzminimums des Kindes gilt auch hier, dass bei Haushalten mit Kindern der überwiegende Teil der Verbrauchsausgaben nicht direkt und unmittelbar auf Erwachsene und Kinder aufgeteilt werden konnte (BT-Drucks 17/3404, S 64; s zu den Einzelheiten unter 6 d cc). Es ist insoweit zwar eine Sonderauswertung für Familienhaushalte durchgeführt worden. Gleichwohl konnten im Rahmen der zur Verfügung stehenden Umsetzungszeit (s hierzu unter 6 a) nur die Verbrauchsausgaben für den gesamten Haushalt erfasst werden. Die Ableitung des Bedarfs der beiden Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind von dem eines Alleinstehenden ist daher zurzeit methodisch noch sachgerecht und vertretbar. Dies gilt umso mehr, als der erkennende Senat davon ausgeht, dass höhere Bedarfe wegen des Kindes im Wesentlichen durch erhöhte Aufwendungen im Teilhabebereich entstehen, etwa dadurch, dass das Kind - zumindest das kleinere - im Rahmen seines Anspruchs nach § 28 Abs 7 SGB II noch nicht allein am sozialen und kulturellen Leben teilnehmen kann, also der Begleitung bedarf(s hierzu auch Irene Becker in SozSich, Sonderheft September 2011, 17). Im Bereich der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ausgehend von der Vorgabe, dass hier nur das Minimum gewährleistet werden muss (BVerfG, aaO, RdNr 166), jedoch, wie schon dargelegt, weiter. Den Rahmen für seinen Gestaltungsspielraum bei Rückgriff auf das Statistikmodell bildet die Überlegung, dass die Summe der für die Gewährleistung des Existenzminimums erforderlichen Verbrauchsausgaben ein monatliches Budget bilden, über dessen konkrete Verwendung der Leistungsberechtigte selbst entscheidet. Maßgebend ist, dass der Gesamtbetrag des Budgets ausreicht, die Existenz zu sichern (BT-Drucks 17/3404 S 51). Dem Umstand möglicher erhöhter Bedarfe der Erwachsenen durch ein Kind in einem Paarhaushalt kann daher zum einen allgemein durch Rückgriff auf den internen Ausgleich innerhalb der Pauschale Rechnung getragen werden. Zum anderen hat der Gesetzgeber im Rahmen der Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs für Erwachsene wegen der Einführung des Bildungs- und Teilhabepakets für Kinder und Jugendliche, für Eltern eine Mitgliedschaft in Organisationen ohne Erwerbscharakter erstmals in voller Höhe als regelbedarfsrelevant definiert (vgl BT-Drucks 17/3404, S 64). Insoweit ist mithin der erhöhte Bedarf durch die Teilhabe des Kindes in die Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs eines Alleinstehenden eingerechnet worden.

29

Die Berücksichtigung bei der Bemessung der Pauschale hat auch hier zur Folge, dass die Entscheidung, wofür der Betrag genutzt wird, dem einzelnen Bedarfsgemeinschaftsmitglied obliegt, er also auch für andere Aufwendungen durch die Teilhabe des Kindes genutzt werden kann. Gleichwohl wird der Gesetzgeber die Bedarfe von zwei Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind bei der Auswertung der EVS 2013 unter Beachtung der sich aus § 10 Abs 2 Nr 3 RBEG ergebenden Verpflichtung zu berücksichtigen haben. Danach hat das BMAS dem Bundestag bis Juli 2013 für die Ermittlung von regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben von Erwachsenen Vorschläge zu unterbreiten, die in einem Mehrpersonenhaushalt leben. Diese bilden sodann die Grundlage für die Ermittlung von Regelbedarfen und die danach vorzunehmende Bestimmung von Regelbedarfsstufen für Erwachsene, die nicht in einem Einpersonenhaushalt leben.

30

Soweit Münder in seine Überlegungen auch die "Haushaltsgemeinkosten" einbezieht, wird zwar schon nicht hinreichend deutlich, welche Kosten er hier betrachtet (Münder, SozSich, Sonderheft September 2011, 85). Unbestritten steigen nach allgemeiner Lebenserfahrung durch ein Kind in einem Haushalt allerdings die Aufwendungen etwa in den Abteilungen 04 (Wohnen, Energie und Wohnungsinstandhaltung), 05 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände), 08 (Nachrichtenübermittlung) und 12 (andere Waren und Dienstleistungen). Derartige Aufwendungen sind jedoch in die Bemessung der Regelbedarfe der Kinder in Abhängigkeit von den Aufwendungen des Haushalts, als deren eigene Bedarfe eingeflossen (zur verfassungsrechtlichen Bewertung der Kinderregelbedarfe s unten unter 6 d, cc). Inwieweit darüber hinaus den Erwachsenen selbst durch das Zusammenleben mit dem Kind weitere Bedarfe als die durch die bereits erörterten der Teilhabe entstehen, ist nicht ersichtlich.

31

Daraus, dass der Gesetzgeber für Alleinerziehende einen zusätzlichen Bedarf bei Pflege und Erziehung von Kindern (§ 21 Abs 3 SGB II) erkannt hat, folgt keine Verengung seines Gestaltungsspielraums derart, dass von der Annahme der Verfassungswidrigkeit der Ableitung der Höhe des Regelbedarfs für zwei Erwachsene in einem Paarhaushalt mit einem Kind ausschließlich von dem Regelbedarf eines Alleinstehenden ausgegangen werden müsste. Dies folgt zwar nicht bereits daraus, dass der Gesetzgeber bei den Alleinerziehenden nicht den Regelbedarf an sich höher bemessen hat, sondern ihnen eine zusätzliche Mehrbedarfsleistung zubilligt. Er braucht die Existenz nicht allein durch die Regelleistung zu sichern. Es obliegt seinem Gestaltungsspielraum, ob er sich insoweit ergänzender Leistungen bedient oder den erkannten Bedarf in die Bemessung des Regelbedarfs einbezieht. Entscheidend insoweit ist nur, dass das verfassungsrechtlich gebotene Existenzminimum sichergestellt wird (BVerfG, aaO, RdNr 170). Soweit mithin aus dem für Alleinerziehende ermittelten verfassungsrechtlich relevant zu deckenden Bedarf folgen sollte, dass sich dieser mit dem von zwei Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind deckt, jedoch entweder nicht in der Höhe deren Regelbedarfs niederschlägt oder nicht über eine gesonderte Leistung gedeckt wird, kann dies auch bedeuten, dass das verfassungsrechtlich zu gewährleistende Existenzminimum der Erwachsenen im Paarhaushalt mit Kindern unterschritten wird. Dies ist jedoch nicht der Fall.

32

Es mangelt den Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind bereits an einem verfassungsrechtlich relevanten Bedarf durch die Erziehung und Pflege der Kinder, wie er für "Alleinerziehende" erkannt worden ist. Bei dem Personenkreis der Alleinerziehenden ist von einer besonderen Bedarfssituation auszugehen, bei der typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14 ff; BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 15). Solche besonderen Lebensumstände sind ausgehend von den Gesetzesmaterialien zur Einführung und zum Zweck der entsprechenden Regelung im BSHG (vgl den Gesetzentwurf des Bundesrates vom 26.3.1985, BT-Drucks 10/3079 S 5) exemplarisch darin gesehen worden, dass Alleinerziehende wegen der Sorge für ihre Kinder typischerweise weniger Zeit haben, preisbewusst einzukaufen sowie zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen müssen bzw externen Rat in Betreuungs-, Gesundheits- und Erziehungsfragen benötigen. Auch der Zweck des § 21 Abs 3 SGB II liegt darin, den höheren Aufwand von Alleinerziehenden für die Versorgung und Pflege bzw Erziehung der Kinder etwa wegen geringerer Beweglichkeit und zusätzlicher Aufwendungen für die Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen(BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 167/11 R - RdNr 14; BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5, RdNr 1). Zwar ist an diesen Gründen die Kritik geäußert worden, der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei wegen des gesellschaftlichen Wandels überholt (Düring in Gagel, SGB II/SGB III, Stand XI/2010, § 21 RdNr 19 und Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K, Stand V/2011, § 21 RdNr 36). Abgesehen davon, dass sich die Gruppe der Alleinerziehenden gegenüber allen anderen Haushaltsformen nach wie vor besonders oft unterhalb der relativen Einkommensschwelle befindet und auch als Erwerbstätige signifikant niedrigere Einkommen als Paarhaushalte erzielt (vgl den 4. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung 2012, S 324, 329), ändert ein Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen nichts an der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Wertung im Hinblick auf die Bemessung des Regelbedarfs eines Paares mit Kind. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind verfassungsrechtlich anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam, noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (BVerfGE 113, 167 ff, 215 = SozR 4-2500 § 266 Nr 6). Zumindest können diese Wertungen nicht umgekehrt dazu führen, dass Bedarfe durch Kindererziehung in dem gleiche Maße wie bei Alleinstehenden auch bei zwei Erwachsenen in einem Paarhaushalt mit Kind bedarfserhöhend berücksichtigt werden müssten, ohne dass das Existenzminimum Letzterer evident zu niedrig bemessen wäre.

33

d) Auch die Festsetzung des Regelbedarfs für den Kläger zu 3 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der für Kinder, die, wie der Kläger zu 3, unter sechs Jahre alt sind, gesetzlich in § 23 Nr 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, § 8 Abs 1 Nr 6 RBEG vorgesehene Bedarf ist, zumindest soweit er Kinder bis zur Vollendung des 2. Lebensjahres betrifft, nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt worden. Der Gesetzgeber hat den ihm insoweit zustehenden Gestaltungsspielraum nicht evident unter- bzw überschritten.

34

aa) Soweit es die Fragen der grundsätzlichen Eignung der EVS zur Bestimmung des Umfangs des existenznotwendigen Bedarfs, die Wahl der Referenzhaushalte, die Tragfähigkeit der Auswertung und die grundsätzliche Bestimmung des regelsatzrelevanten Bedarfs angeht, gilt dasselbe, wie für die Bemessung des Regelbedarfs für die Alleinstehenden ausgeführt (6 a). Um Wiederholungen zu vermeiden, wird darauf verwiesen.

35

bb) Eine Problematisierung der Altersstufungen in den Regelbedarfsstufen des § 28 Abs 4 SGB XII iVm § 8 Abs 1 Nr 4 bis 6, Abs 2 RBEG, § 23 Nr 1 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG erübrigt sich im vorliegenden Fall. Selbst mit der von Margot Münnich und Thomas Krebs verwendeten Stufung in der Studie "Ausgaben für Kinder in Deutschland" (in Wirtschaft und Statistik 2002, S 1080 ff), auf die das BVerfG verwiesen hat (BVerfG aaO, RdNr 194, 198), würde sich hier kein anderes Ergebnis ergeben. Auch bei ihnen umfasst die unterste Altersstufe Kinder im Alter von 0 bis unter 6 Jahren. Da der Kläger zu 3 im hier streitigen Zeitraum erst das zweite Lebensjahr vollendet hat, sind weitere Differenzierungen nach anderen Altersgruppen nicht entscheidungserheblich.

36

Die generelle Bemessung des kindlichen Regelbedarfs nach Altersstufen ist nicht zu beanstanden. Das BVerfG hat insoweit auch lediglich darauf hingewiesen, dass nach der oben benannten Studie von Münnich/Krebs, die bis zum 1.12.2010 geltenden Altersstufen nach § 28 Abs 1 S 3 Nr 1 SGB II nicht abbildeten, dass sich die Ausgaben für den privaten Konsum eines Kindes generell mit steigendem Lebensalter erhöhten und dass sie im Vergleich zwischen Kindern unter 6 Jahren (1. Altersgruppe) und Kindern zwischen 12 und 18 Jahren (3. Altersgruppe) bei Alleinerziehenden mit einem Kind um mehr als ein Drittel und bei Paaren mit einem Kind fast um die Hälfte wachsen würden (BVerfG, aaO, RdNr 194 unter Verweis auf Münnich/Krebs, aaO, S 1089, 1091).

37

cc) Auch die Bestimmung des Regelbedarfs von Kindern mittels des Verteilungsschlüssels in Ableitung vom Bedarf des Haushalts ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

38

Der Gesetzgeber hatte bis zum RBEG Ermittlungen zum Bedarf von Kindern unterlassen. Der Abschlag von 40 % gegenüber der Regelleistung für einen Alleinstehenden beruhte - so das BVerfG - auf einer freihändigen Setzung ohne empirische und methodische Fundierung (BVerfG, aaO, RdNr 191). Da der Gesetzgeber des RBEG sich zur Bedarfsermittlung der vom BVerfG gebilligten Methode der EVS bedient hat, in der EVS die Ausgaben für den privaten Verbrauch jedoch nur für den Haushalt insgesamt erfasst werden, sind ausschließlich beim Einpersonenhaushalt alle Verbrauchsausgaben eindeutig der im Haushalt lebenden Person zuzuordnen. Bei Mehrpersonenhaushalten, so die Begründung zum Entwurf des RBEG, sei dies dagegen nur bei wenigen Verbrauchsausgaben möglich. Dies bedeute aber auch, dass bei Haushalten mit Kindern der überwiegende Teil der Verbrauchsausgaben nicht direkt und unmittelbar auf Erwachsene und Kinder aufgeteilt werden könne (BT-Drucks 17/3404, S 64 ff). Die Zuordnung der Verbrauchsausgaben der Familienhaushalte auf die im Haushalt lebenden Personen - zwei erwachsene Personen und ein Kind - erfolgte deswegen nunmehr auf der Grundlage der Studie "Kosten eines Kindes", die im Auftrag des BMFSFJ erstellt wurde. Für die Ermittlung der Anteile sind gesonderte Berechnungen vorgenommen worden. Diese Festlegungen sind - so die Begründung zum Entwurf des RBEG - in einer hierzu vom BMFSFJ eingerichteten Arbeitsgruppe unter Einbeziehung von Wissenschaftlern getroffen worden. Die Verteilung erfolgt entweder auf Grundlage von Gutachten (bei den Bedarfen für Ernährung, Getränke, Verpflegungsdienstleistungen, Strom und Wohnungsinstandsetzung), nach Köpfen (bei den Bedarfen für Gesundheitspflege, Telefon und Zeitungen/Bücher, Bekleidung und Schuhe), nach der neuen OECD-Skala (bei den Bedarfen für Kühlschränke, Waschmaschinen, Haushaltsgeräte, Diensten und Gütern für Körperpflege) oder allein auf Erwachsene bzw Kinder (bei den Bedarfen für Praxisgebühren, Post- und Kurierdienste, Finanzdienstleistungen und Mitgliedsbeiträge für Organisationen ohne Erwerbszweck). Das Statistische Bundesamt hat alsdann aufgrund der in dieser Arbeitsgruppe ermittelten und festgelegten Verteilungsschlüssel modellhaft für alle Haushalte mit Kindern auf Basis der EVS 1998 und 2003 eine Verteilung der Haushaltsausgaben auf Kinder und Erwachsene ermittelt (BT-Drucks 17/3404, S 64 ff). Zwar ist damit im Ergebnis eine normative Festlegung für die Verteilung der Haushaltsausgaben auf Erwachsene und Kinder im Haushalt erfolgt. Auch wird die nunmehr gewählte Methode zur Feststellung des existenzsichernden kindlichen Bedarfs in der Literatur als zwischenzeitlich durch neue Erkenntnisse überholt bezeichnet (vgl Irene Becker SozSich, Sonderheft September 2011, S 17 ff). Die Methode des Verteilungsschlüssels ist jedoch gleichwohl eine verfassungsrechtlich zulässige Methode zur Bestimmung des existenzsichernden kindlichen Bedarfs.

39

Die Methode des Verteilungsschlüssels stellt ein transparentes und nachvollziehbares Verfahren zur Bemessung des Kinderregelbedarfs dar. Ihr liegt eine wissenschaftlich begründete Methode zugrunde. Das BVerfG selbst hat auf die Möglichkeit der Wahl dieser Methode hingewiesen (BVerfG, aaO, RdNr 198). Es hatte die Verfassungswidrigkeit des Sozialgeldes für Kinder nach § 28 Abs 1 S 3 Nr 1 1. Alt SGB II in Höhe von 207 Euro auch in erster Linie damit begründet, dass die Ableitung des Regelbedarfs für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres mit 60 % von der Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des Existenzminimums beruht und festgestellt, dass schon die Alltagserfahrungen auf das Vorhandensein eines besonderen kinder- und alterspezifischen Bedarfs hindeuten, den es in dem Satz "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen" zusammengefasst hat. Ihr Bedarf, der zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gedeckt werden müsse, habe sich an kindlichen Entwicklungsphasen auszurichten und an dem, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich sei (BVerfG, aaO, RdNr 195). Dies gewährleistet die Bestimmung des kindlichen Bedarfs durch Verteilung der Aufwendungen des Familienhaushalts auf die Haushaltsmitglieder. Die Wahl der "besten" Methode ist verfassungsrechtlich nicht geboten, solange die gewählte Methode vertretbar und geeignet ist. Dies gilt für die Methode des "Verteilungsschlüssels". Sie wird daher auch in der juristischen Literatur überwiegend als eine verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeit bewertet, den kindlichen Bedarf zu messen und zuzuordnen (vgl Hörrmann, Rechtsprobleme des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, 1. Aufl 2013, S 113; Münder, SozSich - Sonderheft September 2011, 85).

40

Soweit Kritik an dem hinterlegten Zahlenmaterial geübt und hieraus abgeleitet wird, dass es deswegen an einem qualitativ validen Ergebnis mangele (Hörrmann, Rechtsprobleme des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, 1. Aufl 2013, S 116) und das Transparenzgebot missachtet worden sei (ders, aaO, S 18; Lenze, WSi-Mitteilungen 2011, 534, 537), vermag der Senat hieraus keine Verfassungswidrigkeit der Höhe des Regelbedarfs für ein Kind bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres abzuleiten. Dass zum Teil keine konkret bezifferten Aufwendungen in die Bemessung eingeflossen sind, ist dem Umstand geschuldet, dass insoweit nicht genügend Haushalte Angaben zu ihrem Verbrauchsverhalten gemacht haben (weniger als 25 Haushalte; s auch BT-Drucks 17/3404, S 65; zur Kritik hieran vgl Irene Becker in SozSich, Sonderheft September 2011, 33, die zu dem Ergebnis gelangt, dass die für Kinder unter 6 Jahren durchgeführte Regelbedarfsberechnung statistisch nicht hinreichend signifikant sei). Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot kann hierin deswegen jedoch nicht erkannt werden (so auch Mogwitz, ZfSH/SGB 2011, 323, 333). Die Bedarfe sind gleichwohl zu jeweils 100 % als regelsatzrelevanter Anteil des Kindes in die Bemessung des Regelbedarfs eingeflossen (BT-Drucks 17/3404, S 52). Da die Methode des "Verteilungsschlüssels" an sich, wie schon dargelegt, nicht zu beanstanden ist, kann angesichts der engen zeitlichen Vorgaben des BVerfG zur Umsetzung der Neuregelung (s bereits unter 6 a) allein aufgrund nicht hinreichender Befragungsergebnisse noch kein evident zu niedrig bemessener Regelbedarf für den Kläger zu 3 festgestellt werden (Mogwitz, ZfSH/SGB 2011, 323, 333; vgl auch Irene Becker in SozSich, Sonderheft September 2011, 18 f). Nach § 10 Abs 2 Nr 2 RBEG hat das BMAS den Auftrag, dem Deutschen Bundestag bis zum 1.7.2013 Vorschläge für die Überprüfung und Weiterentwicklung der Verteilungsschlüssel hinsichtlich der Verteilung der Verbrauchsausgaben von Familienhaushalten nach § 2 Nr 2 RBEG auf Kinder und Jugendliche als Grundlage für die Ermittlung von regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben nach § 6 RBEG vorzulegen. Auf dieser Grundlage muss der Gesetzgeber bei der Auswertung der EVS 2013, um dem verfassungsrechtlichen Maßstab der Ermittlung des Anspruchsumfangs in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu entsprechen (BVerfGE aaO, Leitsatz 3), auf aussagekräftige Daten zurückgreifen können.

41

dd) Das Vorbringen der Kläger zu der Bedarfsposition "Kinderschuhe", die ihrer Ansicht nach in verfassungswidriger Art zu niedrig bemessen worden sind, vermag nicht zu überzeugen. Dass dieser Bedarf für Kinder unter 6 Jahren (Abteilung 03, laufende Nr 8) um 2,58 Euro niedriger ist als für Kinder zwischen 6 und 14 Jahren, kann zumindest bei einem bis zu zweijährigen Kind keine fehlerhafte Bemessung nach sich ziehen. Es ist nicht ersichtlich, dass für die hier zu betrachtende Altersgruppe bis zu 2 Jahren der eingestellte monatliche Bedarf von 7,02 Euro evident zu niedrig bemessen ist. Zur Begründung führen die Kläger an, Kinderfüße seien in den ersten Lebensjahren besonders leicht deformierbar, wüchsen in den ersten drei Lebensjahren 1,5 mm pro Monat und Kinder unter 6 Jahren benötigten besonders häufig neue Schuhe. Kinder laufen jedoch nicht vom ersten Tag ihres Lebens an, sondern in der Regel erst mit einem Jahr. Gleichwohl ist in dem Regelbedarf auch zwischen der Geburt und der Vollendung des ersten Lebensjahres ein Bedarf für Schuhe von monatlich 7,02 Euro berücksichtigt worden.

42

Wenig überzeugend erscheint auch die in der Literatur vorgebrachte Kritik an der Höhe des Regelbedarfs für Kinder bis zu 2 Jahren in der Abteilung 12 (andere Waren und Dienstleistungen). Es wird darauf hingewiesen, dass für "sonstige Verbrauchsgüter für die Körperpflege" (laufende Nr 74) nur 2,19 Euro als regelbedarfsrelevante Verbrauchsausgabe pro Kind eingestellt seien. Von diesem Betrag könne beispielsweise ein Vorrat an Babywindeln nur für ein paar Tage gekauft werden (Rothkegel, ZfSH/SGB 2011, 79). Insoweit wird jedoch verkannt, dass auch der Regelbedarf für Kinder in pauschalierter Form gewährt wird. Dies bedeutet, dass ein erhöhter Bedarf für eine bestimmte Position durch einen verminderten Bedarf bei einer anderen Position ausgeglichen werden kann. Dies zeigt sich bei der Abteilung 08 besonders deutlich. Dort sind "sonstige Verbrauchsgüter für die Körperpflege" für alle Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren als regelbedarfsrelevant berücksichtigt. Im Normalfall sind für ein fünfjähriges Kind keine Aufwendungen für Windeln mehr erforderlich, hingegen jedoch möglicherweise aus den Positionen 69 (Uhren) oder 73 (Toilettenpapier). Umgekehrt wird ein Kind im Alter des Klägers zu 3 keinen Bedarf für Uhren, elektrische Geräte zur Körperpflege, Haarpflege, Rasiermittel (laufende Nr 72) oder Toilettenpapier (laufende Nummer 73) haben.

43

ee) Auch die Aufspaltung der Grundsicherungsleistungen für Kinder in der Altersstufe des Klägers zu 3 in Regelbedarf und Bildungs- sowie Teilhabebedarfe nach § 28 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG führt nicht zu einer Verletzung von Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG durch Unterschreitung des ihnen zu sichernden Existenzminimums.

44

(1) Alg II bzw Sozialgeld und Leistungen zur Bildung und Teilhabe dienen in ihrer Kombination der Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums iS des Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG. Das BVerfG hat den grundsicherungsrelevanten Bedarf von Kindern und Jugendlichen aus einer Zusammenschau der für das Alg II/Sozialgeld bedeutsamen Bedarfe und denen zur Bildung und Teilhabe bestimmt (BVerfGE, aaO, RdNr 197). Die Bedarfe für Bildung und Teilhabe stellen also nicht lediglich über den grundsicherungsrechtlich relevanten Bedarf hinausgehende Leistungen an Kinder und Jugendliche dar, sondern sind gerade Teil des grundsicherungsrelevanten Bedarfs, den der Gesetzgeber zu decken hat (BVerfG, aaO, RdNr 192). Dem hat der Gesetzgeber durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung der passiven Leistungen des SGB II durch § 19 Abs 1 und 2 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG Rechnung getragen. Nunmehr können auch die in §§ 19, 28 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG genannten Bedarfe die Leistungsberechtigung insgesamt auslösen(vgl § 7 Abs 2 S 3, § 9 Abs 2 S 3, § 13 Abs 1 Nr 4 SGB II; vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 Rz 23, Stand XI/12).

45

(2) Auch wenn für den Kläger zu 3 keine Leistungen für Bildung und Teilhabe beantragt worden sind, sind diese gleichwohl bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der existenzsichernden Leistungen zu berücksichtigen. Der gesetzliche Leistungsanspruch muss zwar so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (BVerfGE, aaO, RdNr 137 unter Hinweis auf BVerfGE 87, 153, 172; BVerfGE 91, 93, 112; BVerfGE 99, 246, 261; BVerfGE 120, 125, 155 und 166). Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum umfasst jedoch die Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie die wertende Einschätzung des notwendigen Bedarfs (BVerfGE, aaO, RdNr 138). Insoweit kommt es, wenn der Gesetzgeber - wie im Teilhabe- und Bildungsbereich - Sach- oder Dienstleistungen zur Existenzsicherung anbietet, nicht darauf an, ob diese Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen werden. Entscheidend ist vielmehr, dass sie zur Verfügung stehen. Dies ist bei Kindern bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres durch die Zusammenschau von Regelbedarf und Leistungen für Bildung und Teilhabe der Fall. Soweit wie hier, die Gewährung von Grundsicherungsleistungen jedoch von der Antragstellung abhängig ist, obliegt es dem einzelnen Leistungsberechtigten, seinen Bedarf gegenüber dem Leistungsträger geltend zu machen.

46

(3) Im Gegensatz zur Auffassung des SG ist ein Kind im Alter des Klägers zu 3 auch nicht von den gesetzlich vorgesehenen Leistungen des § 28 SGB II ausgeschlossen. Sie sind Teil auch seiner Existenzsicherung. § 28 Abs 2 S 2 und § 28 Abs 6 S 1 Nr 2 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG sehen vor, dass für Kinder, die eine Kindertageseinrichtung besuchen Ausflüge und Mittagsverpflegung förderfähig sind. Dabei handelt es sich nicht lediglich um Kindergärten. Vielmehr ist der Begriff im gleichen Sinn auszulegen wie § 22 Abs 1 S 1 SGB VIII und umfasst damit neben Kindergärten - unabhängig von ihrer Bezeichnung im einzelnen Fall - auch Krabbelgruppen, Kinderhorte, Kleinspielkreise, Kinderkrippen etc(vgl Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 28 RdNr 45 [Stand: 11/12]; Leopold in Schlegel/Voelzke/Radüge, JurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, § 28 RdNr 49; Thommes in Gagel, SGB II/III, § 28 SGB II RdNr 13 [Stand: 4/12]; vgl auch Fach in Oestreicher, SGB II/XII, § 28 SGB II RdNr 51 [Stand: 10/12]; aA O. Loose in Hohm, GK-SGB II, § 28 RdNr 29 [Stand: 12/11], der - trotz § 26 SGB VIII methodisch fragwürdig - auf das jeweilige Landesrecht zurückgreifen möchte). Jedenfalls gemeint sind Einrichtungen zur Betreuung von Kindern im Vorschulalter. Ebenso stehen die Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG für den Kläger zu 3 zur Verfügung. Soweit diese auf Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, auf Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbaren angeleiteten Tätigkeiten der kulturellen Bildung und der Teilnahme an Freizeiten beschränkt sind, folgt auch hieraus keine verfassungswidrige Unterversorgung des Klägers zu 3. Diese Leistungen dienen dem legitimen Ziel der Herstellung von Chancengleichheit zwischen leistungs- und nichtleistungsbeziehenden Kindern, insbesondere durch Integration in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen (BT-Drucks 17/3404 S 106). Dass der Gesetzgeber dort nicht alle denkbaren Bereiche gemeinschaftlicher Aktivität von Kindern aufgenommen hat, ist dem vom BVerfG (BVerfG, aaO, RdNr 133, 138) ausdrücklich gebilligten Gestaltungsspielraum geschuldet. Dieser Gedanke rechtfertigt es auch, zB Kinobesuche von der Förderfähigkeit zumindest bei Kindern im Alter des Klägers zu 3 auszunehmen. Im Übrigen ist die einfachgesetzliche Regelung des § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG, die durch ihre offenen Tatbestände viele Spielräume eröffnet, erforderlichenfalls in verfassungskonformer Weise auszulegen.

47

(4) Unschädlich ist insoweit auch, dass der Gesetzgeber die Bildungs- und Teilhabeleistungen als Sach- oder Dienstleistungen und nicht in einer Pauschale als Geldleistung erbringt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bleibt dem Gesetzgeber die Entscheidung überlassen, ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass der Gesetzgeber etwa im Rahmen des § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nicht bloß einen monatlichen Geldbetrag in Höhe von 10 Euro an leistungsberechtigte Kinder zur Verfügung stellt, sondern diesen mit bestimmten Verwendungszwecken verknüpft hat. Mit der Zurverfügungstellung des Geldbetrags allein könnte nicht sichergestellt werden, dass die Geldmittel auch dazu verwendet werden, eben den Teilhabeanteil - als kindgerechter Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums - eines Kindes zu decken. Eine alleinige nachträgliche Kontrolle der zweckentsprechenden Verwendung geleisteter Geldzahlungen (vgl § 29 Abs 4 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) als theoretisch denkbares milderes Mittel reicht nicht aus, um das soziokulturelle Existenzminimum in dem Zeitraum sicherzustellen, für welchen die Leistungen gewährt werden. Vielmehr bedarf es einer gegenwärtigen Sicherstellung im fraglichen Zeitraum (Gegenwärtigkeitsprinzip).

48

(5) Nicht entscheidungserheblich ist ferner, dass das SG keine Feststellungen zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Wohnortgemeinde bzw dem sozialen Umfeld des Klägers zu 3 im Hinblick auf das dortige Teilhabeangebot iS des § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG getroffen hat. Die Teilhabemöglichkeiten sind zwar abhängig von den örtlichen Verhältnissen. Sie sollen jedoch lediglich gewährleisten, dass den Betroffenen eine Teilhabe im Rahmen der bestehenden örtlichen Infrastruktur ermöglicht wird. Damit reicht es für die Existenzsicherung aus, wenn die Inanspruchnahme entsprechender Angebote durch die Teilhabeleistungen sichergestellt wird.

49

Die Träger der Leistungen für Bildung und Teilhabe (gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II die kommunalen Träger) trifft nach der nicht zu beanstandenden gesetzgeberischen Konzeption insoweit auch kein Sicherstellungsauftrag. Vielmehr haben sie lediglich die finanziellen Hürden zu beseitigen, die einer Integration von Kindern und Jugendlichen in die Gesellschaft entgegenstehen bzw sie behindern können (vgl BT-Drucks 17/3404 S 107). Zwar wird verschiedentlich gegen eine gutscheinweise Gewährung von Teilhabeleistungen und eine dadurch eintretende Erfüllung des Leistungsanspruchs (vgl § 29 Abs 2 S 1, Abs 3 S 1 SGB II) eingewandt, insbesondere im "ländlichen Bereich" könne es so zu einer Unterdeckung des Teilhabebedarfs von Kindern und Jugendlichen kommen, falls dort keine entsprechenden Angebote bestünden (so zB Münder, SozSich, Sonderheft September 2011, 88 f). Es erscheint indes bei tatsächlicher Betrachtung kaum vorstellbar, dass es Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland gibt, in denen es überhaupt keine Angebote für Kinder, insbesondere solcher der Altersstufe 1, gibt, die in Anspruch genommen werden könnten. Dies gilt auch für den hier zu beurteilenden Fall, der zudem den städtischen Bereich betrifft.

50

Das Fehlen eines Sicherstellungsauftrages iS der Bereitstellung eines, womöglich sogar eigenen Angebots der Kommunen ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums beinhaltet zwar eine Verpflichtung des Staates zum Schutz der menschlichen Würde dahingehend, dass er es zu unterlassen hat, ua durch öffentlich-rechtliche Vorschriften diese verfassungsrechtliche Garantie zu beeinträchtigen. Dem Gesetzgeber ist hierbei indes ein erheblicher Gestaltungsspielraum zuzugestehen (BVerfG, aaO, RdNr 133, 138; Höfling in Sachs, GG, 6. Aufl 2011, Art 1 RdNr 49; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 1 RdNr 14). Der Staat ist lediglich verpflichtet, die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein, erforderlichenfalls auch durch Sozialleistungen zu sichern (vgl BVerfG vom 29.5.1990 - 1 BvL 20/84 - BVerfGE 82, 60, 85 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1; Dreier in Dreier, GG, Band I, 2. Aufl 2004, Art 1 Abs 1 RdNr 158 mwN; Höfling in Sachs, GG, 6. Aufl 2011, Art 1 RdNr 31 f, 48; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 1 RdNr 22). Hieraus lässt sich, wie das BVerfG betont hat (BVerfG, aaO, RdNr 138), indes kein konkreter Leistungsanspruch zugunsten Einzelner ableiten.

51

(6) Auch rechnerisch wird die Herausnahme einzelner vormals regelbedarfsrelevanter Positionen durch das RBEG aus dem Regelbedarf durch die Bildungs- und Teilhabeleistungen in der Altersstufe des Klägers zu 3 ausgeglichen. Der Bedarf für den Bereich "Außerschulischer Unterricht, Hobbykurse" beträgt nach dem zuvor bereits näher erörterten Verteilungsschlüssel bis zu 3,58 Euro pro Kind in einem Paarhaushalt mit Kind. In dem Haushalt fallen jedoch insgesamt Bedarfe in Höhe von maximal 10,74 Euro für die Verbrauchsposition "Außerschulischer Unterricht, Hobbykurse" an. Für "Mitgliedsbeiträge an Organisationen ohne Erwerbszweck" sind es bis zu 2,60 Euro für den gesamten Haushalt, je nach Alter des Kindes (BT-Drucks 17/3404, S 106). Angesichts dessen ist es evident, dass aufgrund des Leistungsbetrags von 10 Euro nach § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG die Herausnahme der Bedarfspositionen einen Ausgleich findet(aA wohl Lenze, WSI-Mitteilungen 2011, 534, 537, die allerdings auch die Kürzungen wohl erst für die Altersstufe 2 annimmt; Rothkegel, ZfSH/SGB 2011, 69, 80 f, der eher die zutreffende Höhe der Leistungen nach § 28 Abs 7 SGB II bezweifelt).

52

Soweit gegen die nach § 28 Abs 7 SGB II vorgesehene Berücksichtigung eines Bedarfs an Leistungen zur Teilhabe in Höhe von 10 Euro im Monat vorgebracht wird, dieser Betrag sei "ins Blaue hinein" geschätzt und nicht folgerichtig iS der Rechtsprechung des BVerfG ermittelt, geht dieser Einwand hinsichtlich des Klägers zu 3 als Anspruchsberechtigtem ins Leere. Der vom Gesetzgeber gewählte Wert ist nicht zu beanstanden. Aus der Auswertung der EVS 2008 ergibt sich hinsichtlich der Ausgaben des privaten Konsums von Ehepaaren und sonstigen Paarhaushalten mit einem Kind im Alter von unter sechs Jahren, dass die anteiligen für Kinder in diesem Alter vorgesehenen Bedarfe deutlich unterhalb der gesetzlich vorgesehenen 10 Euro monatlich liegen. Für Freizeit- und Kulturdienstleistungen weist die EVS 2008 für Kinder im Alter unter sechs Jahren insgesamt einen Wert von 5,56 Euro monatlich aus (BT-Drucks 17/3404 S 146, Code 159 094). Davon wurden 1,08 Euro für "Außerschulischen Unterricht und Hobbykurse" (BT-Drucks 17/3404 S 146 Code 160 0941 020), die für den Teilhabebedarf iS des § 28 Abs 7 SGB II relevant sind, aus dem Regelbedarf gestrichen. Letztlich wird auch von Kritikern zugestanden, dass der vom Gesetzgeber veranschlagte Betrag in Höhe von 10 Euro pro Monat nicht evident unzureichend ist, um den Bedarf zu decken (vgl Münder in SozSich, Sonderheft September 2011, 87).

53

Gegen die Berücksichtigung der Auswertung solcher Angaben im Rahmen des § 28 Abs 7 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG kann nicht eine mangelnde Datentransparenz eingewendet werden. Der für Kinder im Alter von 0 bis 5 Jahren ermittelte Wert ist offen ausgewiesen (BT-Drucks 17/3404 S 146). Auf die Frage nach der Behandlung von Positionen, die in der EVS 2008 aufgrund der geringen Anzahl auswertbarer Angaben (weniger als 25 Haushalte) durch " / " gekennzeichnet wurden (hierzu zB Mogwitz, ZfSH/SGB 2011, 323, 332 f), kommt es im hier zu beurteilenden Fall nicht an.

54

(7) Die vielfach kritisierten "Kürzungen" des Regelbedarfs von Kindern wegen der Leistungen für den persönlichen Schulbedarf nach § 28 Abs 3 SGB II in der Fassung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG trifft den Kläger zu 3 nicht. Die Position "sonstige Verbrauchsgüter" (ua Schreibwaren und Zeichenmaterial) in der Abteilung 09 ist für Kinder bis zu 5 Jahren zu 100 % regelbedarfsrelevant. Erst für Kinder ab 6 bis 17 Jahren werden diese Güter aus der Bemessung des Regelbedarfs herausgenommen, weil für diese Leistungen gesondert über das Schulbasispaket gewährt werden (BT-Drucks 17/3404, S 72). Der Einwand, der Schulausstattungsbedarf gemäß § 28 Abs 3 SGB II sei lediglich freihändig geschätzt und empirisch nicht nachgewiesen oder nachvollziehbar, geht bei Betrachtung der Person des Klägers zu 3 daher ebenfalls ins Leere, denn er ist insoweit nicht anspruchsberechtigt. Dies sind nur Schülerinnen und Schüler.

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung (§ 23 Abs. 4, §§ 24, 40 Abs. 2 und § 41) behandelt werden.

(2) Keinen Anspruch auf Krankengeld haben

1.
die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 sowie die nach § 10 Versicherten; dies gilt nicht für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 6 Versicherten, wenn sie Anspruch auf Übergangsgeld haben, und für Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13, sofern sie abhängig beschäftigt und nicht nach den §§ 8 und 8a des Vierten Buches geringfügig beschäftigt sind oder sofern sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind und eine Wahlerklärung nach Nummer 2 abgegeben haben,
2.
hauptberuflich selbständig Erwerbstätige, es sei denn, das Mitglied erklärt gegenüber der Krankenkasse, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll (Wahlerklärung),
3.
Versicherte nach § 5 Absatz 1 Nummer 1, die bei Arbeitsunfähigkeit nicht mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts auf Grund des Entgeltfortzahlungsgesetzes, eines Tarifvertrags, einer Betriebsvereinbarung oder anderer vertraglicher Zusagen oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründenden Sozialleistung haben, es sei denn, das Mitglied gibt eine Wahlerklärung ab, dass die Mitgliedschaft den Anspruch auf Krankengeld umfassen soll. Dies gilt nicht für Versicherte, die nach § 10 des Entgeltfortzahlungsgesetzes Anspruch auf Zahlung eines Zuschlages zum Arbeitsentgelt haben,
4.
Versicherte, die eine Rente aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe oder von anderen vergleichbaren Stellen beziehen, die ihrer Art nach den in § 50 Abs. 1 genannten Leistungen entspricht. Für Versicherte nach Satz 1 Nr. 4 gilt § 50 Abs. 2 entsprechend, soweit sie eine Leistung beziehen, die ihrer Art nach den in dieser Vorschrift aufgeführten Leistungen entspricht.
Für die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 gilt § 53 Absatz 8 Satz 1 entsprechend. Für die nach Nummer 2 und 3 aufgeführten Versicherten bleibt § 53 Abs. 6 unberührt. Geht der Krankenkasse die Wahlerklärung nach Satz 1 Nummer 2 und 3 zum Zeitpunkt einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zu, wirkt die Wahlerklärung erst zu dem Tag, der auf das Ende dieser Arbeitsunfähigkeit folgt.

(3) Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Arbeitsunfähigkeit richtet sich nach arbeitsrechtlichen Vorschriften.

(4) Versicherte haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Maßnahmen nach Satz 1 und die dazu erforderliche Verarbeitung personenbezogener Daten dürfen nur mit schriftlicher oder elektronischer Einwilligung und nach vorheriger schriftlicher oder elektronischer Information des Versicherten erfolgen. Die Einwilligung kann jederzeit schriftlich oder elektronisch widerrufen werden. Die Krankenkassen dürfen ihre Aufgaben nach Satz 1 an die in § 35 des Ersten Buches genannten Stellen übertragen.

(1) Versicherungspflichtig sind

1.
Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind,
2.
Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch beziehen oder nur deshalb nicht beziehen, weil der Anspruch wegen einer Sperrzeit (§ 159 des Dritten Buches) oder wegen einer Urlaubsabgeltung (§ 157 Absatz 2 des Dritten Buches) ruht; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
2a.
Personen in der Zeit, für die sie Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 des Zweiten Buches beziehen, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 24 Absatz 3 Satz 1 des Zweiten Buches bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist,
3.
Landwirte, ihre mitarbeitenden Familienangehörigen und Altenteiler nach näherer Bestimmung des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte,
4.
Künstler und Publizisten nach näherer Bestimmung des Künstlersozialversicherungsgesetzes,
5.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen,
6.
Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung, es sei denn, die Maßnahmen werden nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erbracht,
7.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
8.
behinderte Menschen, die in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
9.
Studenten, die an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen eingeschrieben sind, unabhängig davon, ob sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, wenn für sie auf Grund über- oder zwischenstaatlichen Rechts kein Anspruch auf Sachleistungen besteht, längstens bis zur Vollendung des dreißigsten Lebensjahres; Studenten nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres sind nur versicherungspflichtig, wenn die Art der Ausbildung oder familiäre sowie persönliche Gründe, insbesondere der Erwerb der Zugangsvoraussetzungen in einer Ausbildungsstätte des Zweiten Bildungswegs, die Überschreitung der Altersgrenze rechtfertigen,
10.
Personen, die eine in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschriebene berufspraktische Tätigkeit ohne Arbeitsentgelt verrichten, längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres, sowie zu ihrer Berufsausbildung ohne Arbeitsentgelt Beschäftigte; Auszubildende des Zweiten Bildungswegs, die sich in einem förderungsfähigen Teil eines Ausbildungsabschnitts nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz befinden, sind Praktikanten gleichgestellt,
11.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren,
11a.
Personen, die eine selbständige künstlerische oder publizistische Tätigkeit vor dem 1. Januar 1983 aufgenommen haben, die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie mindestens neun Zehntel des Zeitraums zwischen dem 1. Januar 1985 und der Stellung des Rentenantrags nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren; für Personen, die am 3. Oktober 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatten, ist anstelle des 1. Januar 1985 der 1. Januar 1992 maßgebend,
11b.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch
a)
auf eine Waisenrente nach § 48 des Sechsten Buches oder
b)
auf eine entsprechende Leistung einer berufsständischen Versorgungseinrichtung, wenn der verstorbene Elternteil zuletzt als Beschäftigter von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches befreit war,
erfüllen und diese beantragt haben; dies gilt nicht für Personen, die zuletzt vor der Stellung des Rentenantrags privat krankenversichert waren, es sei denn, sie erfüllen die Voraussetzungen für eine Familienversicherung mit Ausnahme des § 10 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 oder die Voraussetzungen der Nummer 11,
12.
Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie zu den in § 1 oder § 17a des Fremdrentengesetzes oder zu den in § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung genannten Personen gehören und ihren Wohnsitz innerhalb der letzten 10 Jahre vor der Stellung des Rentenantrags in das Inland verlegt haben,
13.
Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und
a)
zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b)
bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.

(2) Der nach Absatz 1 Nr. 11 erforderlichen Mitgliedszeit steht bis zum 31. Dezember 1988 die Zeit der Ehe mit einem Mitglied gleich, wenn die mit dem Mitglied verheiratete Person nicht mehr als nur geringfügig beschäftigt oder geringfügig selbständig tätig war. Bei Personen, die ihren Rentenanspruch aus der Versicherung einer anderen Person ableiten, gelten die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 11 oder 12 als erfüllt, wenn die andere Person diese Voraussetzungen erfüllt hatte. Auf die nach Absatz 1 Nummer 11 erforderliche Mitgliedszeit wird für jedes Kind, Stiefkind oder Pflegekind (§ 56 Absatz 2 Nummer 2 des Ersten Buches) eine Zeit von drei Jahren angerechnet. Eine Anrechnung erfolgt nicht für

1.
ein Adoptivkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Adoption bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat, oder
2.
ein Stiefkind, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Eheschließung mit dem Elternteil des Kindes bereits die in § 10 Absatz 2 vorgesehenen Altersgrenzen erreicht hat oder wenn das Kind vor Erreichen dieser Altersgrenzen nicht in den gemeinsamen Haushalt mit dem Mitglied aufgenommen wurde.

(3) Als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Bezieher von Vorruhestandsgeld, wenn sie unmittelbar vor Bezug des Vorruhestandsgeldes versicherungspflichtig waren und das Vorruhestandsgeld mindestens in Höhe von 65 vom Hundert des Bruttoarbeitsentgelts im Sinne des § 3 Abs. 2 des Vorruhestandsgesetzes gezahlt wird.

(4) Als Bezieher von Vorruhestandsgeld ist nicht versicherungspflichtig, wer im Ausland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, mit dem für Arbeitnehmer mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in diesem Staat keine über- oder zwischenstaatlichen Regelungen über Sachleistungen bei Krankheit bestehen.

(4a) Die folgenden Personen stehen Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 gleich:

1.
Auszubildende, die im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz in einer außerbetrieblichen Einrichtung ausgebildet werden,
2.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).
Als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte im Sinne des Absatzes 1 Nr. 1 gelten Personen, die als nicht satzungsmäßige Mitglieder geistlicher Genossenschaften oder ähnlicher religiöser Gemeinschaften für den Dienst in einer solchen Genossenschaft oder ähnlichen religiösen Gemeinschaft außerschulisch ausgebildet werden.

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Bei Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit regelmäßig mindestens einen Arbeitnehmer mehr als geringfügig beschäftigen, wird vermutet, dass sie hauptberuflich selbständig erwerbstätig sind; als Arbeitnehmer gelten für Gesellschafter auch die Arbeitnehmer der Gesellschaft.

(5a) Nach Absatz 1 Nr. 2a ist nicht versicherungspflichtig, wer zuletzt vor dem Bezug von Bürgergeld privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in Absatz 5 oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Satz 1 gilt nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Personen nach Satz 1 sind nicht nach § 10 versichert. Personen nach Satz 1, die am 31. Dezember 2015 die Voraussetzungen des § 10 erfüllt haben, sind ab dem 1. Januar 2016 versicherungspflichtig nach Absatz 1 Nummer 2a, solange sie diese Voraussetzungen erfüllen.

(6) Nach Absatz 1 Nr. 5 bis 7 oder 8 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig ist. Trifft eine Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 6 mit einer Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 7 oder 8 zusammen, geht die Versicherungspflicht vor, nach der die höheren Beiträge zu zahlen sind.

(7) Nach Absatz 1 Nr. 9 oder 10 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 8, 11 bis 12 versicherungspflichtig oder nach § 10 versichert ist, es sei denn, der Ehegatte, der Lebenspartner oder das Kind des Studenten oder Praktikanten ist nicht versichert oder die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nummer 11b besteht über die Altersgrenze des § 10 Absatz 2 Nummer 3 hinaus. Die Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 9 geht der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 10 vor.

(8) Nach Absatz 1 Nr. 11 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 7 oder 8 versicherungspflichtig ist. Satz 1 gilt für die in § 190 Abs. 11a genannten Personen entsprechend. Bei Beziehern einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem 31. März 2002 nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 versicherungspflichtig geworden sind, deren Anspruch auf Rente schon an diesem Tag bestand und die bis zu diesem Zeitpunkt nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte versichert waren, aber nicht die Vorversicherungszeit des § 5 Abs. 1 Nr. 11 in der seit dem 1. Januar 1993 geltenden Fassung erfüllt hatten und deren Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte nicht von einer der in § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 in der am 10. Mai 2019 geltenden Fassung genannten Personen abgeleitet worden ist, geht die Versicherung nach § 10 oder nach § 7 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte der Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 vor.

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches, dem Teil 2 des Neunten Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

(9) Kommt eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nach Kündigung des Versicherungsvertrages nicht zu Stande oder endet eine Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit nach § 9, ist das private Krankenversicherungsunternehmen zum erneuten Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, wenn der vorherige Vertrag für mindestens fünf Jahre vor seiner Kündigung ununterbrochen bestanden hat. Der Abschluss erfolgt ohne Risikoprüfung zu gleichen Tarifbedingungen, die zum Zeitpunkt der Kündigung bestanden haben; die bis zum Ausscheiden erworbenen Alterungsrückstellungen sind dem Vertrag zuzuschreiben. Wird eine gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 nicht begründet, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach der Beendigung des vorhergehenden Versicherungsvertrages in Kraft. Endet die gesetzliche Krankenversicherung nach Satz 1 vor Erfüllung der Vorversicherungszeit, tritt der neue Versicherungsvertrag am Tag nach Beendigung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft. Die Verpflichtung nach Satz 1 endet drei Monate nach der Beendigung des Versicherungsvertrages, wenn eine Versicherung nach den §§ 5, 9 oder 10 nicht begründet wurde. Bei Beendigung der Versicherung nach den §§ 5 oder 10 vor Erfüllung der Vorversicherungszeiten nach § 9 endet die Verpflichtung nach Satz 1 längstens zwölf Monate nach der Beendigung des privaten Versicherungsvertrages. Die vorstehenden Regelungen zum Versicherungsvertrag sind auf eine Anwartschaftsversicherung in der privaten Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

(10) nicht belegt

(11) Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz sind, werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als zwölf Monate nach dem Aufenthaltsgesetz besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes besteht. Angehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder Staatsangehörige der Schweiz werden von der Versicherungspflicht nach Absatz 1 Nr. 13 nicht erfasst, wenn die Voraussetzung für die Wohnortnahme in Deutschland die Existenz eines Krankenversicherungsschutzes nach § 4 des Freizügigkeitsgesetzes/EU ist. Bei Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz liegt eine Absicherung im Krankheitsfall bereits dann vor, wenn ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit, Schwangerschaft und Geburt nach § 4 des Asylbewerberleistungsgesetzes dem Grunde nach besteht.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.