Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15

bei uns veröffentlicht am08.03.2017
nachgehend
Sozialgericht Augsburg, S 4 U 33/14, 08.03.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.09.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Unfall der Klägerin vom 11.10.2012 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zu werten ist.

Die 1961 geborene Klägerin ist seit 1988 als Verwaltungsangestellte im Büro des Landrates am Landratsamt B-Stadt beschäftigt.

Am 11.10.2012 um 7:15 Uhr ereignete sich der streitgegenständliche Unfall. Die Klägerin befand sich mit dem Auto auf dem Weg von ihrem Wohnort in A-Stadt zum Landratsamt in B-Stadt. Die Gesamtstrecke von ihrem Wohnort zum Landratsamt hat nach Google Maps eine Länge von 18,5 km. Nach einer Teilstrecke von 17,3 km, also noch 1,2 km vor Erreichen ihres Zieles, wollte die Klägerin an der N- Straße 10 nach links abbiegen, um an der OMV-Tankstelle zu tanken. Sie setzte den Blinker links und hielt an, um den entgegenkommenden Verkehr abzuwarten. Während sie noch in der ursprünglichen Fahrtrichtung an der Straßenmitte stand, um eine Gelegenheit zum Abbiegen abzuwarten, fuhr ihr von hinten ein nachfolgender Lieferwagen, Marke Mercedes Sprinter, auf ihr Auto auf. Die Polizei ging von einem Alleinverschulden des rumänischen Fahrers des Lieferwagens aus, der aus Unachtsamkeit aufgefahren war.

Die Klägerin tankte dann und arbeitete am Unfalltag. Am Folgetag begab sie sich am Morgen zum D-Arzt, der eine HWS-Distorsion sowie eine Prellung der BWS und LWS diagnostizierte und sie bis zum 21.10.2012 krankschrieb. Am 22.10.2012 nahm die Klägerin ihre Arbeit wieder auf.

Am 05.11.2012 wurde eine MRT der HWS angefertigt.

Mit Bescheid vom 09.10.2013 erkannte die Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. Gleichzeitig bewilligte sie eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 29.12.2012 bis auf Weiteres.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 29.10.2013 Widerspruch ein mit dem Antrag, der Klägerin eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von mindestens 40 v.H. zu bewilligen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2014 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 09.10.2013 als unbegründet zurück. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass die Folgen des Unfalls vom 11.10.2012 in dem angefochtenen Bescheid zutreffend beschrieben und bewertet worden seien.

Am 20.02.2014 hat die Klägerin dagegen beim Sozialgericht (SG) Augsburg Klage erhoben.

Während des Klageverfahrens hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 14.07.2015 zur beabsichtigten Rücknahme des Bescheides vom 09.10.2013 an. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei der Unfall nicht mehr als versicherter Wegeunfall anzusehen, da er geschehen sei, nachdem die Klägerin durch Einleitung des Abbiegens zur Tankstelle und Verlangsamung des Fahrzeugs sowie Setzen des Blinkers die Änderung der Handlungstendenz manifestiert habe.

Mit Anwaltsschreiben vom 10.08.2015 nahm die Klägerin hierzu wie folgt Stellung: Sie habe sich am Unfalltag auf dem Weg zur Arbeit befunden. Den von ihr benutzten Pkw habe ihr Ehemann am Abend vorher in Gebrauch gehabt. Der Ehemann sei mit fast leerem Tank nach Hause zurückgekehrt und habe nicht mehr tanken können, da es in A-Stadt nur eine Tankstelle gebe, die um 21:00 Uhr schließe. Als die Klägerin am Unfalltag losfuhr, habe die Tankanzeige bereits geleuchtet, und die Restanzeige habe lediglich noch einen Fahrweg von 10 km angezeigt. Deshalb habe die Klägerin zunächst in A-Stadt tanken wollen. Die dortige Tankstelle hätte aber erst um 7:00 Uhr geöffnet, sodass die Klägerin bis B-Stadt habe weiterfahren müssen, um dort zu tanken. Sie habe aber in B-Stadt umgehend tanken müssen, weil sie jeden Moment damit rechnen musste, dass der Tank leer wurde. Im Normalfall tanke sie grundsätzlich abends, weil das Benzin dann immer günstiger sei und sie in der Früh auch meistens keine Zeit habe. Das Tanken am Morgen gehöre nicht zu ihren Gewohnheiten, sei jedoch ausnahmsweise erforderlich gewesen, da der Ehemann das Auto am Vortag benutzt und mit fast leerem Tank abgestellt habe.

Das SG hat ein Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 23.07.2014 eingeholt, der unfallbedingt eine MdE von 20 v.H. ab dem Zeitpunkt des Wiedererlangens der Arbeitsfähigkeit am 25.11.2013 angenommen hat.

Sodann hat das SG auf Antrag der Klägerin ein Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. vom 04.05.2015 eingeholt, der die unfallbedingte MdE auf unfallchirurgischem Fachgebiet bis zum 31.12.2012 auf 100 v.H., für die Zeit vom 01.01.2013 bis zum 28.02.2013 auf 30 v.H. und für die Zeit ab dem 01.03.2013 auf 20 v.H. einschätzte. Für die ernst zu nehmende Frage einer posttraumatischen Belastungsstörung empfahl er eine zusätzliche Begutachtung auf psychiatrischem Fachgebiet.

Mit Bescheid vom 26.08.2015 stellte die Beklagte die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 09.10.2013 gemäß § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) fest und nahm den Bescheid vom 09.10.2013 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die bis dahin gewährte vorläufige Entschädigung wurde mit Ablauf des Monats August 2015 entzogen. Die Entschädigungspflicht für etwaige künftige Behandlungsleistungen wurde abgelehnt. Der Bescheid war damit begründet, dass das Aufsuchen der Tankstelle ab der Einleitung des Abbiegens durch Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen des Blinkers nach der neuesten Rechtsprechung des BSG eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstelle, die nicht mehr versichert sei. Deshalb sei der Bescheid vom 09.10.2013 von Anfang an rechtswidrig gewesen. Das Vertrauen auf den Bestand des Bescheides sei nur für die Vergangenheit schutzwürdig, nicht jedoch für die Zukunft. Bei Abwägung des öffentlichen Interesses an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gegen das Interesse der Klägerin am Bestand des Verwaltungsaktes überwiege für die Zukunft das öffentliche Interesse. Die Klägerin könne ohnehin nicht auf den Fortbestand der gewährten Rente vertrauen, da diese lediglich als vorläufige Entschädigung bewilligt worden sei. Nach der Rechtsbehelfsbelehrung:des Bescheides wurde dieser gemäß § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 09.10.2013.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 insoweit abzuändern, als dass eine vorläufige Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 40 v.H. zu zahlen sei, und den Bescheid nach § 45 Abs. 1 SGB X vom 26.08.2015 aufzuheben.

Das SG hat mit Urteil vom 30.09.2015 (Az. S 4 U 33/14) die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 und des Bescheides nach § 45 Abs. 1 SGB X vom 26.08.2015 abgewiesen. In der Begründung hat das SG die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheides bejaht. Das Tanken als Vorbereitungshandlung sei nicht versichert gewesen und habe den versicherten Weg unterbrochen. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin als wahr unterstelle, hätte die Klägerin jedenfalls nicht 1 km vor Erreichen der Arbeitsstelle tanken müssen, sondern dies wäre entweder noch am Abend zuvor möglich gewesen oder in einer Arbeitspause des Unfalltages oder auf dem Rückweg. Für die Zeit bis zur Rücknahme des Bescheides hat das SG die Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. als ausreichend angesehen. Insoweit hat es das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. für überzeugend gehalten. Das Vorliegen von psychischen Gesundheitsstörungen, die auf den Unfall zurückzuführen wären, sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Diese seien im Klageverfahren erstmals am 27.02.2015, also etwa eineinhalb Jahre nach dem Unfall und erst nach Erwähnung durch den Sachverständigen Dr. R., geltend gemacht worden.

Die Klägerin hat gegen das Urteil, das ihr am 11.11.2015 zugestellt worden war, am 09.12.2015 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Das LSG hat im Berufungsverfahren am 25.01.2017 einen Trennungsbeschluss erlassen. Demnach betrifft der vorliegend streitgegenständliche Teil des Berufungsverfahrens, der unter dem bisherigen Az. L 2 U 458/15 fortgeführt wird, nur die Aufhebung des Rücknahmebescheides vom 26.08.2015. Über die Ansprüche auf Abänderung des Bescheides der Beklagten vom 09.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 und Bewilligung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 40 v.H. wird dagegen unter dem hier nicht streitgegenständlichen Teil der Berufung entschieden, der unter dem neuen Az. L 2 U 25/17 fortgeführt wird.

In der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2017 hat das LSG die Klägerin vernommen. Sie hat angegeben, dass sie bis zum Einsteigen in das Auto, als sie das Aufleuchten der Tankleuchte bemerkte, nicht gewusst zu haben, dass der Tank fast leer war, weil ihr Mann ihr nichts davon gesagt habe. Sie versicherte, bereits um 6:45 Uhr von zu Hause losgefahren zu sein. Sie habe nicht warten wollen, bis die Tankstelle in A-Stadt um 7:00 Uhr öffnete. Denn sie habe einen sehr stressigen Arbeitstag vor sich gehabt, weil sie eine Veranstaltung am Abend im Landratsamt zu organisieren und deshalb bereits früh am Morgen mit der Arbeit zu beginnen hatte. Tatsächlich sei sie auch erst am Abend gegen 21:30 Uhr oder 22:00 Uhr aus dem Landratsamt herausgekommen. Wenn sie in A-Stadt bis zur Öffnung der Tankstelle um 7:00 Uhr gewartet hätte, dann hätte es weitere Verzögerungen dadurch gegeben, dass sie dann in B-Stadt in den Berufsverkehr mit Staus gekommen wäre. Bereits zu Beginn der Fahrt habe das Tanklicht aufgeleuchtet.

Weiter hat das LSG den Ehemann der Klägerin, D., als Zeugen vernommen. Er hat angegeben, am Vortag von einem privaten Treffen mit Freunden in C-Stadt erst um 22:00 Uhr nach Hause gekommen zu sein. Zwischen C-Stadt und A-Stadt habe es damals auf weiter Strecke keine Tankstelle gegeben, sodass er trotz Aufleuchtens der Tankanzeige nicht mehr getankt habe. Da es schon zu spät war, sei er auch nicht mehr nach B-Stadt zum Tanken gefahren. Ob er seine Frau darüber informiert habe, dass der Tank fast leer war, könne er heute nicht mehr sagen. Er habe dies aber auch nicht als großes Problem gesehen, da seine Frau auf dem Weg zur Arbeit sowohl in A-Stadt als auch in B-Stadt tanken konnte. Beim Aufleuchten der Tankanzeige reiche die Reserve regelmäßig noch für etwa 50 km aus.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.09.2015 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 26.08.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Gegenstand der Berufung ist nach dem Trennungsbeschluss vom 25.01.2017 im vorliegenden Verfahren nur der Bescheid vom 26.08.2015, mit dem die Beklagte den Bescheid vom 09.10.2013 mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm und die darin gewährte Verletztenrente als vorläufige Entschädigung mit Ablauf des Monats August 2015 entzog.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 26.08.2015 abgewiesen. Diese Klage ist statthaft als isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, weil sich der Regelungsgehalt des Bescheides vom 26.08.2015 in der Rücknahme der mit Bescheid vom 09.10.2013 bewilligten Rechtsvorteile erschöpft. Die Klage ist auch ohne Vorverfahren zulässig, weil der Bescheid vom 26.08.2015 gemäß § 96 SGG Gegenstand des gegen den Bescheid vom 09.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 geführten Rechtsstreits geworden war. Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Bescheid vom 26.08.2015 rechtmäßig ist.

Die Beklagte konnte den Bescheid vom 09.10.2013 hinsichtlich der Feststellung eines Arbeitsunfalls gemäß § 45 SGB X zurücknehmen, weil dieser rechtswidrig war. Der Unfall der Klägerin vom 11.10.2012 war kein Arbeitsunfall. Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Im vorliegenden Fall kommt ein Wegeunfall im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII in Betracht. Danach sind versicherte Tätigkeiten auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die Klägerin befand sich zwar im Zeitpunkt des Unfalls noch in der Fahrtrichtung zur Arbeitsstelle und auch noch in der Straßenmitte, da sie noch nicht zur Tankstelle hin abgebogen war. Das BSG hat jedoch mit Urteil vom 04.07.2013 (Az. B 2 U 3/13 R) entschieden, dass, wenn der Versicherte sein Kraftfahrzeug auf dem Weg zur Arbeit zum Stehen bringt, um nach links zum Einkauf von Erdbeeren abzubiegen, sich in diesem nach außen beobachtbaren Verhalten die privatwirtschaftliche Handlungsmotivation dokumentiert und der versicherte Weg unterbrochen wird. Ebenso wie in der BSG-Entscheidung hatte auch die Klägerin vor dem Unfall bereits abgebremst und den Blinker gesetzt sowie das Fahrzeug zum Stehen gebracht, um nach links abzubiegen.

Der Zweck des Abbiegens, nämlich das beabsichtigte Tanken an der OMV-Tankstelle, war als eigenwirtschaftliche und damit unversicherte Tätigkeit anzusehen und zählte nicht mehr zu dem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Zurücklegen des Weges von und zur Arbeit. Grundsätzlich stellt das Auftanken des Fahrzeugs eine unversicherte Vorbereitungshandlung zu der versicherten Tätigkeit des Weges von und zur Arbeit dar (Keller in Hauck/ Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII Rdnr. 119). Nicht vollständig geklärt ist in der Rechtsprechung, unter welchen Voraussetzungen das Auftanken des Fahrzeugs ausnahmsweise versichert sein kann, wenn es während der Zurücklegung eines versicherten Weges notwendig wird, um das Ziel noch zu erreichen. Ohne Zweifel ist eine Ausnahme dann anzunehmen, wenn die Strecke von vornherein nicht mit einer vollständigen Tankfüllung zu bewältigen ist, weil in einem solchen Fall das Tanken zur Bewältigung der Strecke objektiv unabweisbar ist und auch nicht durch ausreichendes Tanken vor Antritt der Fahrt vermieden werden kann. Ein solcher Fall ist jedoch bei einer Strecke von knapp 20 km nicht gegeben.

Problematisch sind Fälle wie der vorliegende, in denen die Strecke zwar problemlos mit einer Tankfüllung zu bewältigen gewesen wäre, sich die Notwendigkeit des Tankens aber während der Fahrt unvorhergesehen ergibt. Die ältere Rechtsprechung ließ es ausreichen, dass sich bei Antritt oder während der Fahrt die Notwendigkeit ergab, den Reservetank in Anspruch zu nehmen (BSG, Urteil vom 30.01.1968 Az. 2 RU 51/65; zuletzt BSG, Urteil vom 24.05.1984 Az. 2 RU 3/83). Später hat das BSG eine strengere Linie angedeutet, allerdings ohne die ältere Rechtsprechung ausdrücklich aufzugeben, indem es das Tanken auf dem Heimweg von der Arbeit zwei Minuten vor Erreichen des Zieles nicht für versichert hielt, da das Nachtanken nicht zur Vollendung des Heimwegs erforderlich war, sondern nur für den am Folgetag - einem Sonntag - erneut vorzunehmenden Weg zur Arbeit, so dass die Handlungstendenz auf die Besorgung von Kraftstoff für den Weg zum Ort der Tätigkeit am nächsten Tag gerichtet war (BSG, Urteil vom 11.08.1998 Az. B 2 U 29/97 R). An der älteren Rechtsprechung ist auch in der Literatur Kritik geäußert worden, die fordert, die Gründe, aus denen der Versicherte erst bei Antritt oder während des Verlaufs der Fahrt die Notwendigkeit zu tanken erkennt, stärker zu berücksichtigen (vergleiche Hauck/ Noftz a.a.O.; Ricke in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 91. Erg. Lief. September 2016, § 8 SGB VII Rdnr. 218). Vor diesem Hintergrund mag zu diskutieren sein, das Tanken als versicherte Tätigkeit ausnahmsweise anzusehen, wenn der Kraftstoff aufgrund eines unerwarteten Mehrverbrauchs, etwa durch Staus oder technische Defekte, früher als geplant zur Neige geht, oder möglicherweise auch dann, wenn der Beschäftigte auf der Heimfahrt nach dem Ende der Spätschicht tankt, weil ihm unerwartet am selben Tag vom Arbeitgeber die Einteilung für die folgende Frühschicht mitgeteilt worden ist und er zwischen beiden Fahrten keine weitere Möglichkeit zu tanken hat (so BSG, Urteil vom 24.01.1995 Az. 8 RKnU 1/94 = SozR 3-2200 § 548 Nr. 23).

Im Ergebnis ist im Einklang mit der älteren BSG-Rechtsprechung anzuerkennen, dass das Tanken während einer versicherten Fahrt ausnahmsweise versichert sein kann, wenn die Notwendigkeit zu tanken unvorhersehbar eintritt. Diese Rechtsprechung ist jedoch dahingehend einschränkend weiterzuentwickeln, dass die Unvorhersehbarkeit der Notwendigkeit zu tanken nicht auf Gründen beruhen darf, die in der privaten, unversicherten Sphäre des Versicherten wurzeln.

Die Beschränkung der zum Versicherungsschutz führenden Unvorhersehbarkeit der Notwendigkeit zu tanken auf solche Gründe, die nicht im privaten unversicherten Bereich wurzeln, ergibt sich aus der Überlegung, dass Vorbereitungshandlungen, die in die Privatsphäre der Versicherten hineinreichen, grundsätzlich unversichert sein müssen, um eine zu starke Ausweitung des Versicherungsschutzes von der betrieblichen in die private Sphäre zu vermeiden. Der Gesetzgeber hat mit dem Versicherungstatbestand der Wege von und zur Arbeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ohnehin die versicherte Tätigkeit sehr weit in die private Sphäre der Versicherten hinein verlagert. Um hier Grenzen zu setzen, ist bei Vorbereitungshandlungen, die dieser weit in den privaten Bereich hineinreichenden versicherten Tätigkeit dienen, eine restriktive Auslegung geboten. Hinzu kommt die Erwägung, dass die Unvorhersehbarkeit der Notwendigkeit zu tanken bei Berücksichtigung rein privater Lebensumstände kaum sinnvoll zu bestimmen ist, zumal dem Begriff der Unvorhersehbarkeit eine Verletzung von Pflichten bzw. wenigstens von Obliegenheiten innewohnt, die im rein privaten Bereich schwer zu konkretisieren sind. Beispielsweise würde sich im vorliegenden Fall die Frage stellen, ob sich die Klägerin die Kenntnis und das Handeln ihres Ehemannes am Vortag zurechnen lassen muss und ob sie eventuell verpflichtet war, ihren Ehemann darüber aufzuklären und dazu anzuhalten, dass er das Fahrzeug am Vorabend mit ausreichender Tankfüllung abstellen müsse, bzw. ob es ihr oblegen hätte, das Fahrzeug nach Rückkehr des Ehemannes am Vorabend noch zu kontrollieren und gegebenenfalls noch eine längere Fahrt zum Auftanken zu machen.

Nach diesen Grundsätzen war die Notwendigkeit des Tankens für die Klägerin nicht im rechtlichen Sinne unvorhersehbar, da die Gründe für die Tatsache, dass die Klägerin die Notwendigkeit zu tanken erst bei Antritt der Fahrt erkennen konnte, ausschließlich im privaten unversicherten Bereich der Klägerin wurzelten, nämlich in erster Linie im Verhalten ihres Ehemannes, der am Abend zuvor spät nach Hause gekommen war und den Wagen mit fast leerem Tank abgestellt hatte, ohne der Klägerin davon zu berichten, als auch möglicherweise im eigenen Verhalten der Klägerin, die insoweit keine eigenen Kontrollen durchgeführt hatte.

Auch die übrigen Voraussetzungen der Rücknahme nach § 45 SGB X lagen vor. Ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne des § 45 SGB X war für die Zukunft nicht ersichtlich, insbesondere sind keine Dispositionen bekannt, die die Klägerin im Vertrauen auf die Wirksamkeit des aufgehobenen Verwaltungsaktes für die Zukunft getroffen hätte. Die Beklagte hat in dem Bescheid auch das nach § 45 Abs. 1 SGB X eröffnete Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Die für die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung geltende Zweijahresfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X wurde eingehalten. Die Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X war nicht anwendbar, weil die Rücknahme nicht für die Vergangenheit erfolgte. Die erforderliche Anhörung war mit Schreiben vom 14.07.2015 erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15 zitiert 14 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 96


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15

bei uns veröffentlicht am 08.03.2017

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.09.2015 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Sozialgericht Augsburg Urteil, 30. Sept. 2015 - S 4 U 33/14

bei uns veröffentlicht am 30.09.2015

Tenor I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 und des Bescheids nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch vom 26. August 2015 wird abgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 04. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R

bei uns veröffentlicht am 04.07.2013

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Re
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 08. März 2017 - L 2 U 458/15

bei uns veröffentlicht am 08.03.2017

Tenor I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.09.2015 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

Referenzen

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2014 und des Bescheids nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch vom 26. August 2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Anerkennung eines Arbeitsunfalles und auf eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 40 v.H. hat.

Die Klägerin ist 1961 geboren. Sie ist seit 1988 als Verwaltungsangestellte im Büro des Landrates beim Landratsamt D. tätig.

Am 11.10.2012 erlitt die Klägerin einen Verkehrsunfall, als sie auf dem Weg zum Landratsamt zum Tanken nach links zu einer Tankstelle abbiegen wollte. Die Klägerin hatte bereits angehalten und den Blinker gesetzt, als das nachfolgende Fahrzeug auf den Wagen der Klägerin auffuhr.

Die Klägerin begab sich am 12.10.2012, also einen Tag nach dem Unfall, zum Durchgangsarzt, der die Klägerin untersuchte und röntge. Das Röntgen der Halswirbelsäule (HWS) ergab keinen Hinweis auf frische knöcherne Verletzungen aber auf deutliche degenerative Veränderungen. Die Erstdiagnose lautete: HWS-Distorsion, Prellung Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS).

Weil die Klägerin immer wieder Schmerzen schilderte, wurde am 05.11.2012 eine Magnetresonanztomographie (MRT) der HWS erstellt. Diese ergab wie zuvor die Röntgenuntersuchung keine durch den Unfall verursachten Schädigungen aber fortgeschrittene Verschleißerscheinungen, nämlich eine Osteochondrose (d.h. die Nekrosen von Knochen), eine Spondylose (d.h. deformierende Erkrankungen der Wirbelsäule), Uncovertebralarthrose (d.h. ein Verschleiß der Gelenke zwischen den Wirbelkörpern der Halswirbelsäule) und auch eine Spondylarthrose (d.h. chronisch degenerative Veränderungen an den Wirbelgelenken).

Eine weitere MRT der BWS wurde am 09.07.2013 erstellt, also etwa neun Monate nach dem Unfall. Diese zeigte eine Kompression des 9. BWK mit Deckplatteneinsenkung und eine knöcherner Foramenreduktion (d.h. Lochreduktion) bei dem Wirbelkörpern Th9 und Th10.

Von Dr. H. wurden im Zwischenbericht vom 24.07.2013 erstmals Angstzustände dokumentiert.

Die Beklagte holte ein chirurgisches Gutachten bei Dr. K. ein, welches dieser am 19.07.2013 erstellte. Er kam zu der Einschätzung, dass als Unfallfolgen vorlägen: Eine HWS-Distorsion, die nach vier Wochen ausgeheilt sei, und eine bisher übersehene, konsolidierte BWK-9-Komprssionsfraktur mit erheblicher Höhenminderung. Die Behandlungsbedürftigkeit bestünde weiterhin, die Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 29.12.2012 bestanden. Die MdE sei ab dem 29.12.2012 mit 30 v.H. anzusetzen.

Dazu nahm Dr. W. am 16.09.2013 beratungsärztlich Stellung. Er beurteilte den Unfallfolgezustand wie Dr. K., die Beschwerden an der HWS seien jedoch wieder abgeklungen und es sei deshalb eine MdE von 20 v.H. angemessen.

Mit Bescheid vom 09.10.2013 erkannte die Beklagte einen Arbeitsunfall an. Als Unfallfolgen erkannte sie eine Prellung der HWS und einen Bruch des 9. BWK mit erheblicher Höhenminderung an. Sie leistete vorläufige Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 29.12.2012.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 29.10.2013 Widerspruch ein mit der Begründung, dass eine MdE von 40 v.H. angemessen wäre. Denn Dr. K. habe eine MdE von 30 v.H. für richtig gehalten und durch den Bruch des BWK 9 seien auch die Bandscheiben darüber und darunter beschädigt worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte noch einmal aus, weshalb unter Berücksichtigung der einschlägigen Begutachtungsliteratur eine MdE von 20 v.H. angemessen sei.

Dagegen hat die Klägerin am 20.02.2014 Klage vor dem Sozialgericht Augsburg erhoben, die Klagebegründung deckt sich mit der Argumentation im Widerspruch.

Das Gericht hat diverse Befundberichte und ein chirurgisches Gutachten bei Dr. E. eingeholt, welches dieser am 23.07.2014 erstellte. Als Unfallfolgen hat Dr. E. eine HWS-Distorsion Grad I angesehen, diese Weichteilzerrung sei folgenlos ausgeheilt. Außerdem habe die Klägerin durch den Unfall eine moderate posttraumatische Rundrückenfehlstatik der unteren BWS in Folge einer stabil ausgeheilten, erst verspätet diagnostizierten Deckplatten- und Vorderkantenimpressionsfraktur des 9.BWK erlitten. Die MdE sei mit 20 v.H. ab dem 25.11.2013, dem Zeitpunkt des Wiedererlangens der Arbeitsfähigkeit nach Aktenlage, anzusetzen.

Den von der Klägerin gestellten Befangenheitsantrag gegen Dr. E. hat das Gericht mit Beschluss vom 03.02.2015 als unbegründet abgelehnt.

Das Gericht hat auf Antrag der Klägerin ein chirurgisch-orthopädisches Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. F. eingeholt, welches dieser am 04.05.2015 erstellt hat. Nach dessen Einschätzung seien als Unfallfolgen eine keilförmige Deformierung des 9. BWK mit Fehlwinkel zwischen 20 und 25 °anzuerkennen. Außerdem geht er davon aus, dass als Unfallfolge auch eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vorläge, was aber durch ein fachärztliches Gutachten zu klären sei. Für die Unfallfolgen auf chirurgischem Fachgebiet betrage die MdE zunächst 30 v.H. und ab 29.02.2013 20 v.H.

Erstmals am 27.02.2015 hat die Klägerin im Verfahren geltend gemacht, dass sie auch unter psychischen Gesundheitsstörungen (Ängsten) leide, wofür sie den Unfall als Ursache ansehe.

Die Beklagte hat zur Entscheidung über die Rente auf unbestimmte Zeit am 20.05.2015 ein chirurgisches Gutachten bei Dr. K. eingeholt. Als Unfallfolgen hat dieser folgende Gesundheitsstörungen angesehen:

– Bewegungseinschränkungen im Bereich der BWS und HWS,

– chronische Schmerzen im Bereich der BWS mit Ausstrahlung in den linken Arm und den linken Brustkorb bis zum Brustbein,

– Angstzustände beim Autofahren,

– den Verlust sozialer Kontakte,

– Ein- und Durchschlafstörungen.

Die MdE hat er mit insgesamt 30 v.H. angesetzt. Dabei entfielen 20 v.H. auf die knöchern verheilte BWK-Fraktur, 10 v.H. auf das chronische Schmerzsyndrom und weitere 10 v.H. auf die psychischen Gesundheitsstörungen.

Die Beklagte hat am 26.08.2015 einen Bescheid nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) erlassen, mit dem sie den Bescheid vom 09.10.2013 als rechtswidrig feststellte und mit Wirkung für die Zukunft zurücknahm. Die bisher gewährte vorläufige Entschädigung ist der Klägerin damit mit Ablauf des Augusts 2015 entzogen worden. Die Beklagte stellte fest, dass der Klägerin zukünftig keine Entschädigung zustünde.

Die Beklagte hat dies damit begründet, dass der Unfall vom 11.10.2012 kein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gewesen sei. Die Anerkennung hätte nicht erfolgen dürfen, da das Tanken eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit darstelle und somit unversichert gewesen sei. Mit dem Setzen des Blinkers habe die Klägerin den ersten Schritt getan, um sich von ihrem versicherten Weg zur Arbeit auf den unversicherten Weg zu einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zu begeben.

Mit Schreiben vom 11.09.2015 hat die Klägerin beantragt, den Bescheid nach § 45 Abs. 1 SGB X vom 26.08.2015 aufzuheben. Es läge nach ihrer Ansicht ein Arbeitsunfall vor. Denn der Tank des Pkw sei so gut wie leer gewesen und die Klägerin hätte ohne Tanken den Arbeitsplatz nicht mehr erreichen können. Die angesteuerte Tankstelle liegt direkt am Arbeitsweg.

Die Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.01.2014 insoweit abzuändern, als dass eine vorläufige Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 40 v.H: zu zahlen ist und den Bescheid nach § 45 Abs. 1 SGB X vom 26.08.2015 aufzuheben.

Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig, sie ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid vom 26.08.2015, der nach § 45 SGB X den Bescheid vom 09.10.2013 zurücknimmt, ist nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des laufenden Klageverfahrens geworden. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 26.08.2015 den Bescheid vom 09.10.2013, in welchem sie einen Arbeitsunfall anerkannt hat, nach § 45 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zukunft zurückgenommen. Die Beklagte hat richtigerweise ausgeführt, dass der Verkehrsunfall vom 11.10.2012 keinen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung darstellt.

Das Gericht folgt der Begründung des streitgegenständlichen Verwaltungsaktes der Beklagten vom 26.08.2015 und macht von der Möglichkeit Gebrauch, nach § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abzusehen.

Lediglich ergänzend führt das Gericht aus:

1.) Rücknahme des den Unfall als Arbeitsunfall anerkennenden Bescheids Die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes vom 09.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.10.2012 nach § 45 SGB X war rechtmäßig.

Nach § 45 SGB X bedarf es für die rechtmäßige Rücknahme eines Verwaltungsakts, der begünstigend und (anfänglich) rechtswidrig ist. Wenn diese Grundvoraussetzungen vorliegen, kann ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden, wenn der Begünstigte nicht auf den Bestand vertraut hat oder sein Vertrauen nicht schutzwürdig ist. Für einen Dauerverwaltungsakte gilt zudem, dass dieser nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann.

Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind nach der vollen Überzeugung des Gerichts alle gegeben.

a) Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes

Insbesondere ist der Verwaltungsakt rechtswidrig, weil er den Verkehrsunfall fälschlich als Arbeitsunfall (Wegeunfall) anerkennt. Denn versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Im vorliegenden Fall war der Weg der Klägerin in dem Zeitpunkt, als sie anhielt und ihren Blinker setzte, um zur Tankstelle abzubiegen, nicht (mehr) versichert. Denn sie handelte dabei mit privater Handlungstendenz. Es fehlt somit an dem inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges.

Der erforderliche innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges besteht, wenn die Fortbewegung den Zweck hat, den Ort der Tätigkeit zu erreichen. Dabei müssen objektive Umstände die auf die versicherte Tätigkeit gerichtete Handlungstendenz stützen (BSG, 18. 1. 2011, B 2 U 9/10 R, BSGE 107, S. 197 ff., 199; Bundessozialgericht - BSG -, 02.12.2008, B 2 U 26/06 R, BSGE 102, S. 111 ff., 116 m.). Die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen eines versicherten Weges vorgelegen haben, trägt der Versicherte (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R -, BSGE 102, 111 - 121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29, SozR 4-2200 § 550 Nr. 2).

Unversichert sind z.B. Wegeunterbrechungen, also das Einschieben persönlicher für die Wegzurücklegung nicht erforderlicher Handlungen. Sie sind nur versichert, wenn die Handlungen „im Vorübergehen“ erledigt werden können oder wenn der Weg sonst unmöglich fortgesetzt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 11/08 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 34).

Bei eingeschobenen Vorbereitungshandlungen auf Wegen zum Ort der versicherten Tätigkeit ist der Betroffene nur dann versichert, wenn die Handlung zur Aufnahme oder Durchführung der versicherten Tätigkeit erforderlich ist, die Vorbereitungshandlung gerade auf diesem Weg vorzunehmen ist und deshalb der erforderliche enge sachliche Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit besteht (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008, B 2 U 17/07 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 28 Rz. 27 m., vgl. auch Keller in: Hauck/Noftz, SGB, 05/15, § 8 SGB VII, Rn. 26 a).

Eine Unterbrechung beginnt mit jedem Verhalten, mit dem der Versicherte nach außen erkennbar seine Handlungstendenz, das versicherte Ziel zu erreichen, zugunsten eigenwirtschaftlicher Zwecke aufgibt (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2008 - B 2 U 26/06 R -, BSGE 102, 111 - 121, SozR 4-2700 § 8 Nr. 29, SozR 4-2200 § 550 Nr. 2; BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 -, SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).

Zu betrachten ist immer der konkrete Weg, also der Streckenabschnitt. Wird dieser aus dienstlichen und gleichzeitig privaten Gründen zurückgelegt, ist entscheidend, was im Vordergrund steht. Nur bei überwiegender dienstlicher Handlungstendenz ist der Weg versichert (vgl. BSG, Urteil vom 12.05.2009 - B 2 U 12/08 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 33; BSG, Urteil vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 39; Keller in: Hauck/Noftz, SGB VII K § 8 Rn. 225 mit Verweis auf Rn. 24 - 25 a).

Das Tanken ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich eine privatwirtschaftliche Tätigkeit. Sie ist nur in Ausnahmefällen versichert, nämlich wenn die dringende Notwendigkeit des Tankens für den Versicherten nicht vorhersehbar und nicht vermeidbar war. Denn grundsätzlich obliegt es jedem Versicherten, bei der Fahrt mit dem privaten Pkw vorab für eine ausreichende Tankfüllung für den Arbeitsweg zu sorgen.

Vorliegend hatte die Klägerin dazu angesetzt, von ihrem dienstlich veranlassten Arbeitsweg abzufahren und zur Tankstelle zu fahren. Das Tanken ist in diesem Fall nach der Überzeugung des Gerichts eine rein privatwirtschaftliche Tätigkeit. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, dass es für sie völlig überraschend kam, dass im Tank nur noch so wenig Treibstoff war und dass sie nur noch einen Fahr Weg von 10 km hätte zurücklegen können. Doch selbst wenn man dies als wahr unterstellte, hätte die Klägerin jedenfalls ihren Weg noch fortgesetzt und ihre Arbeitsstelle in nur ca. 1 km Entfernung problemlos erreichen können. Das Tanken als Vorbereitungshandlung war also nicht zwingend gerade auf diesem Weg vorzunehmen, denn die Klägerin hätte zum einen noch am Abend zuvor tanken können oder aber in einer Arbeitspause des Unfalltages oder auf dem Rückweg.

b) Zeitliche Grenzen für die Rücknahme

Nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Der streitgegenständliche Bescheid ist vom 09.10.2013, der Bescheid nach § 45 SGB X vom 26.08.2015 - damit liegen zwischen beiden Verwaltungsakten weniger als zwei Jahre.

2.) Höhe der vorläufigen Verletztenrente Mit dem Wegfall der Anerkennung des Arbeitsunfalls entfällt auch jeglicher Anspruch auf Entschädigungsleistungen für die Zukunft - wie im Bescheid vom 26.08.2015 dargestellt. Lediglich klarstellend weist das Gericht deshalb darauf hin, dass der Verkehrsunfall nach der Überzeugung des Gerichts unter Würdigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere des Gutachtens von Dr. E., nicht zu gesundheitlichen Einschränkungen geführt hat, die eine MdE von mehr als 20 v.H. bedingt hätten. Das Vorliegen von psychischen Gesundheitsstörungen, die auf den Unfall zurückzuführen sind, ist bisher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Beachtlich ist hierbei, dass die Klägerin diese auch erst am 27.02.2015, also etwa 1 1/2 Jahre nach dem Unfall und erst nach Erwähnung durch Dr. F. im Klageverfahren erstmals geltend gemacht hat.

Dem Klagebegehren der Leistung einer vorläufigen Verletztenrente nach einer MdE von 40 v.H. hätte das Gericht insofern auch unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht stattgeben können.

Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben. Die Klage war daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 183, § 193 SGG.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2012 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 15. September 2011 zurückgewiesen.

Kosten sind in allen drei Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Ereignisses vom 20.7.2010 als Arbeitsunfall streitig.

2

Der Kläger wollte auf dem direkten Heimweg von der Arbeit in R. auf einem übersichtlichen Stück einer Ortsdurchfahrt links in ein Privatgrundstück einbiegen, um dort an einem Verkaufsstand Erdbeeren einzukaufen. Aufgrund des Gegenverkehrs musste er bis zum Stillstand abbremsen. Nach wenigen Sekunden fuhr die Unfallverursacherin ungebremst hinten auf seinen Pkw auf. Diese gab an, das klägerische Auto habe plötzlich angehalten, um nach links abzubiegen. Sie habe noch versucht zu bremsen, die Kollision aber nicht mehr vermeiden können. Das Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen die Unfallverursacherin wurde eingestellt. Bei dem Auffahrunfall erlitt der Kläger eine Stauchung und Zerrung der Halswirbelsäule ohne Zeichen einer Commotio. Er war bis 24.7.2010 arbeitsunfähig erkrankt.

3

Die Beklagte lehnte im Bescheid vom 16.11.2010 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Sie führte zur Begründung aus, der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Zurücklegung des Wegs setze voraus, dass die Zurücklegung des Wegs wesentlich dazu diene, die Wohnung zu erreichen. Beim Kläger sei zum Zeitpunkt des Unfalls die Handlungstendenz darauf ausgerichtet gewesen, an dem Straßenstand Erdbeeren zu kaufen, weshalb er eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt habe. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19.4.2011).

4

Hiergegen hat der Kläger Klage zum SG Reutlingen erhoben, das mit Urteil vom 15.9.2011 die Klage abgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, im Zeitpunkt des Unfalls sei die Handlungstendenz des Klägers nicht mehr auf das Zurücklegen des unmittelbaren Wegs von der versicherten Beschäftigung, sondern von privatwirtschaftlichen Interessen getragen gewesen. Dies habe sich auch objektiv im Anhalten niedergeschlagen. Die Fahrt auf ein an der gegenüberliegenden Straßenseite liegendes Grundstück, um dort Erdbeeren zu kaufen, könne nicht als lediglich geringfügige Unterbrechung des Wegs betrachtet werden, weil dieser Vorgang eine klare Zäsur im Zurücklegen des Wegs von der versicherten Beschäftigung darstelle. Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls zwar noch geographisch auf dem Heimweg befunden, juristisch jedoch nicht mehr, weil er die Zurücklegung dieses Wegs zugunsten einer nicht mit seiner Beschäftigung zusammenhängenden Tätigkeit in nicht nur geringfügiger Weise zumindest vorübergehend aufgegeben habe.

5

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG Baden-Württemberg durch Urteil vom 20.9.2012 das Urteil des SG und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass das Unfallereignis vom 20.7.2010 ein Arbeitsunfall gewesen sei. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei während des Unfalls versichert gewesen. Er habe auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung grundsätzlich unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII gestanden. Der Weg zur Arbeit sei nicht durch das bloße Anhalten, auch wenn dieses einem Lebensmitteleinkauf dienen sollte, unterbrochen worden. Zwar wäre der Einkauf selbst mit der Einfahrt auf ein Privatgrundstück diesem Weg nicht zuzurechnen, denn es fehle am inneren Zusammenhang mit der Beschäftigung. Eine Unterbrechung sei aber dann als geringfügig anzusehen, wenn - wie hier - der öffentliche Verkehrsraum der zur Arbeitsstätte führenden Straße nicht verlassen werde. Die räumliche Unterbrechung beginne erst dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum seines Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit verlasse und ende mit dem Erreichen dieses Verkehrsraums sowie der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels. Der Unfall habe sich indessen noch bevor der Kläger überhaupt die Fahrrichtung geändert hatte und damit im öffentlichen Verkehrsraum der genutzten Straße in einem Bereich ereignet, den der Kläger auch ohne den Einkauf der Erdbeeren auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte zur Wohnung befahren hätte. Dass der Kläger bereits angehalten und damit die Fortbewegung unterbrochen gehabt habe, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Das Anhalten des Autos, um einen Abbiegevorgang durchzuführen, sei zunächst ein neutraler Vorgang. Nach Ansicht der Beklagten und des SG wäre der Weg bereits dann unterbrochen und der Versicherungsschutz würde enden, wenn der Versicherte lediglich anhalte, es sei denn, er könnte seinerseits nachweisen, dass er aus versicherten Gründen angehalten habe. Diese Feststellung allein aufgrund der Absichten des Versicherten zu treffen - ohne dass es objektiv zu einem Verlassen des Verkehrswegs gekommen sei - würde zu nicht mehr justitiablen Ergebnissen gerade in den Fällen führen, in denen nicht mehr eindeutig geklärt werden könne, aus welchem Grund es zu einem Anhalten des Versicherten gekommen sei.

6

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Das Anhalten auf dem versicherten Weg vor dem Abbiegen zu privaten Zwecken sei nach der neueren Rechtsprechung des BSG nicht mehr vom Versicherungsschutz der Wegeunfallversicherung umfasst. Hiernach komme es nicht mehr darauf an, ob sich der Versicherte im öffentlichen Verkehrsraum befunden habe, sondern auf die Handlungstendenz. Es habe sich auch um keine lediglich geringfügige Unterbrechung gehandelt, weil der Erdbeerkauf nicht gleichsam nebenher habe erledigt werden können.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.9.2012 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Reutlingen vom 15.9.2011 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

        

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Deshalb war das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG zurückzuweisen. Der Kläger hat am 20.7.2010 keinen Arbeitsunfall erlitten.

10

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Zu den versicherten Tätigkeiten zählt gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit. Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - UV-Recht Aktuell 2013, 251, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; zuletzt BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).

11

Der Kläger befand sich nach den Feststellungen des LSG am 20.7.2010 auf dem direkten Heimweg von seiner Arbeitsstätte. Die durch den Auffahrunfall verursachten gesundheitlichen Einwirkungen auf den Körper des Klägers begründeten jedoch keinen Arbeitsunfall, weil sie nicht iS von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII "infolge" des Zurücklegens des versicherten Wegs auftraten und damit nach dem Schutzzweck der Norm nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen waren. Der Kläger selbst hat, indem er sein Fahrzeug zum Stehen brachte, die maßgebliche und unmittelbare Wirkursache für den Unfall - das Auffahren der Unfallverursacherin von hinten auf sein Fahrzeug - gesetzt. Er handelte dabei ausschließlich aus dem privatwirtschaftlichen Beweggrund, die Fahrt in anderer Richtung fortzusetzen, um dort Erdbeeren zu kaufen. Diese subjektive Handlungstendenz schlug sich unmittelbar in dem objektiv beobachtbaren Verhalten - dem vollständigen Abbremsen des Fahrzeugs - nieder (hierzu unter 1.) Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich dabei auch nicht um eine geringfügige, zu vernachlässigende Unterbrechung (vgl unter 2.).

12

1. Die konkrete Verrichtung des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls - das vollständige Abbremsen des Pkw - stand nicht unter Versicherungsschutz. Wie das BSG seit seiner Entscheidung vom 9.12.2003 (B 2 U 23/03 R - BSGE 91, 293 = SozR 4-2700 § 8 Nr 3) in ständiger Rechtsprechung betont hat (vgl nur Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 29/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 25, vom 2.12.2008 - B 2 U 17/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 28 und - B 2 U 26/06 R - BSGE 102, 111 = SozR 4-2700 § 8 Nr 29, RdNr 22 f sowie vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32) ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine konkrete Verrichtung noch der Fortbewegung auf das ursprüngliche Ziel hin (hier Wohnung des Klägers) dient, die Handlungstendenz des Versicherten. Diesen Grundsatz hatte das BSG bis zu der Entscheidung vom 9.12.2003 (aaO) freilich mit der Einschränkung versehen, dass der Versicherungsschutz trotz der vorübergehenden Lösung vom betrieblichen Zweck des Wegs solange erhalten bleibt, wie sich der Versicherte noch innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums der für den Weg zu oder von der Arbeitsstätte benutzten Straße aufhält. Die nicht mehr versicherte Unterbrechung des Wegs begann nach dieser überholten Rechtsprechung danach erst, wenn der öffentliche Verkehrsraum, beispielsweise durch Betreten eines Geschäfts oder durch Einbiegen in eine Seitenstraße, verlassen wurde. Sie endete, sobald der Versicherte nach Erledigung der eigenwirtschaftlichen Verrichtung zur Fortsetzung des Wegs in den Bereich der Straße zurückkehrte (s etwa BSG vom 2.7.1996 - 2 RU 16/95 - SozR 3-2200 § 550 Nr 14 mwN). An dieser einschränkenden Rechtsprechung, die in der Vergangenheit aus Gründen der Rechtsklarheit und Verwaltungspraktikabilität die Einbeziehung bestimmter im privaten Bereich wurzelnder Unfallrisiken in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in Kauf genommen hatte, hat der Senat seit nunmehr zehn Jahren nicht mehr festgehalten. Wird der Weg zu oder von der Arbeitsstätte durch eine private Besorgung mehr als nur geringfügig unterbrochen, besteht während der Unterbrechung kein Versicherungsschutz. Dieser setzt erst wieder ein, wenn die eigenwirtschaftliche Tätigkeit beendet ist und die Handlungstendenz auch nach außen erkennbar wieder darauf gerichtet ist, den ursprünglichen, versicherten Weg wieder aufzunehmen (vgl das Urteil des Senats vom heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R - Fortsetzung der Fahrt auf der Straße nach Beendigung eines Tankvorgangs).

13

Der Kläger hat hier sein Fahrzeug bis zum Stand abgebremst, um über die Gegenfahrbahn auf ein privates Gelände zu fahren, wo er Erdbeeren kaufen wollte. Das Kaufen der Erdbeeren stand als rein privatwirtschaftliche Handlung nicht mehr unter dem Schutz der Wegeunfallversicherung. Gründe dafür, nach denen die Nahrungsaufnahme in Form von Erdbeeren hier ausnahmsweise versichert gewesen sein könnte (vgl hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 18.6.2013 - B 2 U 7/12 R - mwN) sind weder festgestellt noch erkennbar. Begonnen hat der Kläger mit der Unterbrechung des versicherten Wegs mit dem Ziel des Erdbeerkaufs objektiv erkennbar in dem Moment, in dem er nach außen hin sichtbar seine subjektive Handlungstendenz in ein für Dritte beobachtbares "objektives" Handeln umgesetzt hat. Zutreffend hat das SG erkannt (vgl auch LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - Ende des Versicherungsschutzes der Wegeunfallversicherung bei objektiv erkennbarer Verlangsamung des Fahrzeugs und Setzen eines Blinkers auch auf eigener Fahrbahnhälfte), dass damit die private Handlung in Gang gesetzt war. Denkt man sich die durch das Abbremsen verobjektivierte subjektive Handlungstendenz des Klägers hinweg, so findet sich schon auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung kein naturwissenschaftlicher Grund mehr für das Auffahren der Unfallverursacherin. Einzige objektive Wirkursache für den Unfall war das Abbremsen aus privatwirtschaftlicher Motivation.

14

Wie der Senat am 9.12.2003 (aaO, RdNr 26) ausgeführt hat, steht es dem Versicherten frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wenn die Fortbewegung nach seiner Handlungstendenz der Zurücklegung des Wegs von oder zum Ort der Tätigkeit zu dienen bestimmt ist. Insofern mag der Autofahrer bei einer doppelspurigen Straße entscheiden, ob er die rechte oder die linke Fahrspur befährt. Sobald indes der Versicherte allein eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmen, wird der Versicherungsschutz unterbrochen, und zwar so lange, bis er die Fortbewegung auf sein ursprüngliches Ziel hin wieder aufnimmt (vgl hierzu das Urteil von heutigen Tage - 4.7.2013 - B 2 U 12/12 R). Bei Benutzung eines Fahrzeugs (Pkw, Motorrad, Fahrrad) wird die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz dabei nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er zB mit dem Ziel des Abbiegens durch das vollständige Abbremsen desselben nach außen dokumentiert, dass er sich auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will. Die konkrete Verrichtung - das Abbremsen bis zum Stillstand - war allein dem eigenwirtschaftlich geprägten Wunsch zuzurechnen, einen Einkauf durchzuführen. Erst dieser Wunsch führte überhaupt dazu, dass der Versicherte abbremste.

15

2. Entgegen der Rechtsansicht des LSG handelte es sich auch nicht um eine lediglich geringfügige, unbeachtliche Unterbrechung des Heimwegs. Wie der Senat in seinem Urteil vom 17.2.2009 (B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 15) klargestellt hat, ist eine Unterbrechung als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Wegs nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (BSG vom 9.12.2003, aaO, RdNr 7; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 12). Nach dieser Rechtsprechung bewirkte etwa ein Richtungswechsel mit einem Pkw auf einem grundsätzlich versicherten Heimweg, mit dem sich der Versicherte wieder in entgegengesetzter Richtung von seiner Wohnung wegbewegt, eine deutliche Zäsur, weil sich die Umkehr sowohl nach ihrer Zielrichtung als auch ihrer Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Heimweg unterscheidet (so auch BSG vom 19.3.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr 8 S 19 mwN; vgl auch für den 100 m längeren Weg zum Bankautomaten BSG vom 24.6.2003 - B 2 U 40/02 R).

16

Hier handelte der Kläger mit dem Ziel, über die Gegenfahrbahn hinweg ein privates Grundstück zu erreichen, um dort Erdbeeren einzukaufen. Die Gesamtheit dieses geplanten Handelns kann nicht mehr als geringfügig angesehen werden, weil sie eben gerade nicht "nur nebenbei" erledigt werden kann. Vielmehr setzt der subjektive Wunsch des Erdbeerkaufens eine neue objektive Handlungssequenz in Gang, die sich deutlich von dem bloßen "nach Hause fahren" abgrenzen lässt. Die konkrete Verrichtung des Abbremsens steht ihrerseits in einem unmittelbaren und untrennbaren Zusammenhang mit diesem Erdbeerkauf, der durch das zum Stand kommen des Pkw nach außen hin erkennbar in Gang gesetzt ist. Soweit das LSG rügt, damit werde einzig die geäußerte Motivation des jeweiligen Versicherten zum Maßstab des Versicherungsschutzes, so ist dies die Konsequenz der mit dem 9.12.2003 (aaO) begonnenen Rechtsprechung des Senats, die in der Praxis allerdings zu berechenbaren Ergebnissen führt (vgl insofern etwa nur LSG Berlin-Brandenburg vom 3.11.2011 - L 3 U 7/09 - sowie vom 16.5.2013 - L 3 U 268/11 -; vgl weiterhin Bayerisches LSG vom 25.10.2011 - L 3 U 52/11 - sowie vom 8.5.2007 - L 18 U 131/06 - Einkauf von Pilzen; LSG Niedersachen-Bremen vom 25.8.2010 - L 3 U 6/07 -; LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.9.2009 - L 15 U 298/08).

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.