vorgehend
Sozialgericht Augsburg, S 5 U 3/11, 30.01.2013

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Auf die Berufung wird der Beklagte unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Augsburg vom 30. Januar 2013 und unter Abänderung des Bescheids vom 8. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2011 verurteilt, dem Kläger eine Beschädigtenrente nach einem GdS von 50 für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. März 2012 und in Höhe von 40 für die Zeit ab 1. April 2012 zu zahlen.

II. Der Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtlichen Kosten zu 2/3 zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der Kläger wurde 1968 in B-Stadt geboren und wuchs in der DDR auf.

Er besuchte die Polytechnische Oberschule in B-Stadt bis zur 10. Klasse und begann nach dem Schulabgang 1984 eine Lehre als Gärtner (Stadtwirtschaft B-Stadt). Diese Lehre konnte er nicht abschließen, da man ihm nach eigenen Angaben wegen seiner Wehrdienstverweigerung Schwierigkeiten machte.

Am 15.10.1987 wurde der Kläger von der Volkspolizei festgenommen und in Untersuchungshaft genommen. Mit Urteil des Kreisgerichts B-Stadt vom 30.11.1987 wurde er wegen ungesetzlichem Grenzübertritt nach § 213 Strafgesetzbuch-DDR zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Am 08.08.1988 wurde er schließlich in die Bundesrepublik ausgewiesen.

Mit Beschluss des Landgerichts C-Stadt vom 03.09.2008 wurde das Urteil des Kreisgerichts B-Stadt vom 30.11.1987 aufgehoben und festgestellt, dass die aufgehobene Entscheidung rechtswidrig und der Kläger zu Unrecht vom 15.10.1987 bis 08.08.1988 inhaftiert gewesen sei (Rehabilitierungsentscheidung).

Im Übrigen liegt auch die Bescheinigung vom 02.03.1989 des Landratsamts M. gemäß § 10 Abs. 4 Häftlingshilfegesetz vor.

Nach der Ankunft in Westdeutschland am 08.08.1988 arbeitete der Kläger (nach der Zeit im Aufnahmelager G-Stadt) vorübergehend als Gärtner in Bad M. und war in C-Stadt sodann als Lagerarbeiter beschäftigt, später als Fahrer bei einem Paketdienst. Schließlich war der Kläger selbständig als Fahrer eines Paketdienstes berufstätig. In der Folge betrieb er zusammen mit seinem Vater etwa zehn Jahre lang bis 2000 selbständig ein Speditionsunternehmen. Ein Fernstudium zum Organisationsprogrammierer wurde nicht abgeschlossen. Vielmehr absolvierte er 2002 bis 2003 in M-Stadt über die Arbeitsagentur eine Ausbildung zum Mediendesigner. In diesem Beruf arbeitete er bei der Firma M. bis 2005, anschließend in C-Stadt bei der Firma W. über sechs Monate. Schließlich erfolgte eine Weiterbildung zum CNC-Programmierer in M-Stadt. Nach Abschluss der Weiterbildung arbeitete der Kläger als solcher bis August 2006 bei der Firma D. in E-Stadt (bzw. in deren Folgeunternehmen). Seit Anfang Oktober 2006 ist der Kläger bei der Firma K. GmbH in B-Stadt beschäftigt: Zunächst als CNC-Programmierer eingesetzt wurde er wegen wiederholten Umfallens nicht mehr an Maschinen beschäftigt und arbeitete dann in derselben Firma als Werkzeugvorbereiter. Da er auch in der Werkzeugvorbereitung mehrfach umfiel, wurde der Kläger in ein Büro umgesetzt, wo er nun für sich alleine arbeitet, nur einen Vorgesetzten hat und im Wesentlichen Rechnungen prüft.

Am 22.11.2007 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Antrag beim Beklagten. Er machte Knieprobleme, Zahnschäden, Platzangst, Kreislaufstörungen, Schlaflosigkeit und Panikanfälle geltend, die durch seine Inhaftierung im oben genannten Zeitraum entstanden seien. Zudem wies er auch auf den Suizidversuch während seines Haftaufenthalts hin. Bei seiner Verhaftung sei er von einem Grenzpolizisten angesprungen worden, wodurch er bleibend am Kniegelenk verletzt worden sei. Die Zahnverletzungen hätten ihm zwei Mithäftlinge beigebracht.

Im Verwaltungsverfahren erstellte der Psychiater Dr. S. des Beklagten am 27.05.2009 ein Gutachten. Als einschneidendes Lebensereignis sei nicht die Haftzeit, sondern die Zerrüttung der Herkunftsfamilie, nämlich der betrügerische Konkurs des Vaters mit Verurteilung zu einer Haftstrafe und der völlige Abbruch des Kontakts zu den Eltern, zu betrachten. Weiter machte der Arzt auf Hinweise auf das Vorliegen einer Persönlichkeitsproblematik mit schizoiden, zwanghaften und passiv aggressiven Anteilen aufmerksam; hierbei handele es sich um schädigungsfremde, in der Kindheit angelegte Strukturmerkmale. Schädigungsfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet seien daher keine festzustellen. Am selben Tag wurde der Kläger auch von dem Chirurgen Reiter des Beklagten begutachtet, der feststellte, dass Körperschäden als Schädigungsfolge nicht festzustellen seien.

Mit Bescheid vom 08.07.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die geltend gemachten Gesundheitsstörungen könnten nicht als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG anerkannt werden. Zu beachten sei u.a., dass der Kläger in den letzten 20 Jahren nach der Haft wegen psychischen Gesundheitsstörungen keine Behandlung in Anspruch genommen habe; die vom Beklagten eingeholten Krankenkassenauszüge würden seit November 1989 keine Arbeitsunfähigkeitszeiten aus psychischen Gründen belegen. Auch der berufliche Werdegang nach Haftbeendigung weise nicht auf gesundheitliche Beeinträchtigungen hin, vielmehr stehe ein einschneidendes Lebensereignis, nämlich das Zerwürfnis mit dem Vater und der völlige Kontaktabbruch mit den Eltern im Vordergrund. Bei diesem Sachverhalt könne letztlich dahingestellt bleiben, inwieweit eine Erkrankung auf psychiatrischem Fachgebiet vorliege. Allein der zeitliche Abstand zwischen dem Haftende und der erstmaligen Geltendmachung von psychischen Gesundheitsstörungen ohne den Nachweis von Brückensymptomen und ohne therapeutische Behandlungen spreche eindeutig gegen einen ursächlichen Zusammenhang.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.07.2009 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er eindeutig unter einer starken Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), starken Ängsten mit Panikattacken, schweren Depressionen und mehreren Phobien leide.

Im Widerspruchsverfahren wurde das Attest der behandelnden Fachärztin Dr. S. vom 07.12.2009 vorgelegt und von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie D. am 07.07.2011 ein Gutachten erstellt. Dort gab der Kläger u.a. an, dass er viele Jahre nun keinen Kontakt mehr zu den Eltern gehabt habe, vor allem nachdem er Akteneinsicht genommen und erfahren habe, dass sein Vater Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi gewesen sei. Der Kläger berichtete bei der Gutachterin weiter, sich immer bemüht zu haben, seine Arbeit durchzuhalten, um die Familie zu versorgen. Seit Sommer 2010 gehe er nach eigenen Angaben zu Dr. C. zur Psychotherapie; vorher habe er keine Psychotherapie gemacht. In seiner Stasi-Akte habe er gelesen, dass er auch in der Bundesrepublik über Jahre weiter durch die Stasi beobachtet worden sei. Er habe sich deshalb immer mehr zurückgezogen, nie über seine Probleme und über die Haftzeit gesprochen, denn er habe Angst gehabt, weil sie ihm ja verboten hätten, darüber zu sprechen und er ein Schweigegebot habe unterschreiben müssen.

Die Sachverständige D. diagnostizierte beim Kläger das Vollbild einer chronifizierten PTBS, eine Agoraphobie mit Panikstörung und Vermeidungsverhalten und depressive Symptome. Diese Gesundheitsstörungen wären ohne das schädigende Ereignis nicht eingetreten, da diese einen deutlichen inhaltlichen und durch die Reaktivierung mit Einsicht in die Unterlagen der ...-Behörde auch ausreichenden zeitlichen Bezug zu den Hafterlebnissen aufweisen, dem üblichen Verlauf dieser Störung entsprechen würden, durch den Kläger glaubhaft und nachvollziehbar dargestellt seien und an vielen Beispielen belegt würden. Die anderen Belastungen im Leben des Klägers vor und nach der Haft seien nicht geeignet, eine Traumafolgestörung auszulösen. Eine Disposition für eine psychische Erkrankung bzw. einen Vorschaden ließen sich nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Der Kläger sei durch die oben genannten Störungsbilder mindestens seit 2005 in seiner Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und seinen sozialen Aktivitäten deutlich eingeschränkt, so dass hierfür das Vorliegen eines ausreichend schweren Krankheitsbildes mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 40 bewertet werde. Es handle sich hier um eine eher schwere Störung, da die Symptomatik im Übermaß an Intensität und Häufigkeit vorliege als für die Diagnosestellung erforderlich sei; ein GdS von 30 werde daher nicht gewählt.

Auf das Gutachten stellte PD Dr. K. (Neurologe und Psychiater) des Beklagten fest (24.08.2011), dass aufgrund der Anamnese mehrere Symptome einer PTBS vorliegen würden. Wenn man von der Darstellung im Gutachten ausgehe, seien die diagnostischen Kriterien für eine PTBS großteils erfüllt. PD Dr. K. hat auf die intakten sozialen Beziehungen innerhalb der eigenen Familie und im beruflichen Bereich hingewiesen. Deshalb werde von versorgungsärztlicher Seite die Anerkennung von Symptomen einer PTBS im Sinne der Entstehung mit einem GdS von 30 vorgeschlagen. Aufgrund der Bezüge in sozialen und beruflichen Funktionsbereichen werde noch keine Tendenz zu mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten gesehen. Dazu passe auch, dass die Behandlung mit ambulanter Psychotherapie ohne unterstützende Medikation und ohne stationäre Maßnahmen erfolge.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.09.2011 half der Beklagter dem Widerspruch teilweise ab und erkannte als Folge einer Schädigung nach dem StrRehaG ab 01.11.2007 Symptome einer PTBS im Sinne einer Entstehung an. Der GdS betrage 30; Versorgungsrente (Grundrente) stehe ab November 2007 zu. Aus versorgungsärztlicher Sicht sei der GdS mit 30 zu bewerten, was einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit entspreche. Nach gegenwärtiger Einschätzung würden die Voraussetzungen für eine Erhöhung des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und für einen Berufsschadensausgleich nicht vorliegen. Ein Anspruch auf Höherbewertung des GdS nach der genannten Vorschrift und auf Berufsschadensausgleich bestehe frühestens in dem Monat, in dem die Maßnahme der medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgeschlossen würden, § 29 BVG. Die Hauptfürsorgestelle prüfe im Benehmen mit der Agentur für Arbeit die Erfolgsaussichten und die Zumutbarkeit einer Reha und führe sie gegebenenfalls auch durch. In dem Bescheid wurde der Kläger gebeten, sich an eine der beiden Stellen zu wenden, falls der Kläger eine entsprechende berufliche Rehabilitation in Anspruch nehmen wolle.

Im Übrigen wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 05.10.2011 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhoben und die Anerkennung eines GdS von 100 beantragt. Zur Begründung ist u.a. darauf hingewiesen worden, dass der Kläger seit dem Neubeginn im Westen versucht habe, zu vergessen, was geschehen sei. Er brauche zweifellos fachspezifische Hilfe und sei nicht als Erkrankter des schizophrenen Formenkreises abzustempeln. Die Bevollmächtigte hat auf das Gutachten der Ärztin D. hingewiesen. Allerdings sei der GdS, den die Ärztin mit 40 angebe, eine Unterbewertung. Die berufliche und soziale Einschränkung des Klägers sei wesentlich darüber liegend, da eine chronifizierte Belastungsstörung mit Agoraphobie und Panikstörungen und einer schweren Depression einhergehe. Dass der Kläger in einer Patchwork-Familie gelebt habe nach Scheidung der Eltern, habe ihn nicht traumatisiert und würde heute in keinem Sorgerechtsverfahren vor einem Familiengericht so interpretiert werden. Dass sein Vater ihn allerdings als Spitzel der Stasi denunziert habe, sei eine zusätzliche seelische Erschütterung und stehe unmittelbar in Zusammenhang mit der politischen Verfolgung des Klägers. Schließlich hat die Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass der Kläger nicht zu vertreten habe, die notwendige Therapie nicht früher erhalten zu haben. Dies habe vielmehr damit zu tun, dass dem Kläger „bisher nicht die sozial ausgleichende Hilfe zuteil“ geworden sei, die das Gesetz vorsehe.

In dem vom SG eingeholten Befundbericht der PD Dr. biol. hum. C., psychologische Psychotherapeutin, C-Stadt, vom 16.05.2012, hat diese dargelegt, dass sich der Kläger seit 28.07.2010 in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung im Behandlungszentrum befinde. Unter dieser sei es allmählich zu einer deutlichen Besserung des Gesamtbildes sowie zur deutlichen Reduktion aller Symptome gekommen, so dass Ende März 2012 die Beendigung der Behandlung für Mitte des Jahres konkret geplant worden sei. Nachdem der Kläger jedoch von der Anfrage des SG erfahren habe, sei es zur Reaktualisierung seiner Beschwerden gekommen, d.h. zur Aktivierung sowohl der PTBS als auch der Angst- und depressiven Symptomatik. Die Beschwerden hätten aber nicht mehr das Ausmaß wie zu Beginn der Behandlung erreicht, seien aber deutlich in ihrer Ausprägung gewesen. In der Folge werde nun die psychotherapeutische Behandlung bedarfsabhängig verlängert. Ferner werde man wohl auch in Zukunft mit einer Reaktualisierung der Beschwerden des Klägers unter Belastung - speziell, wenn es sich um Trigger für intrusives Wiedererleben handle - rechnen müssen.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2012 ist nun ein GdS über 40 begehrt worden, am 29.01.2013 dann schließlich ein GdS von 50 und ab 01.04.2012 von 40.

Das SG hat Beweis erhoben durch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten von Dr. A.. Der Facharzt hat in seinem Gutachten vom 24.10.2012 festgestellt, dass beim Kläger psychische Beschwerden im Vordergrund stehen würden, die nach Angaben des Klägers bereits nach der Haftentlassung bestanden, jedoch seit der Aufarbeitung mit der Einsichtnahme in die Stasi-Unterlagen im Jahr 2007 zugenommen hätten. Ab 01.11.2007 liege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine chronifizierte PTBS mit phobischer Angstsymptomatik und begleitenden psychosomatischen Beschwerden wie Spannungskopfschmerzen und Neigung zu Kreislaufdysregulation mit psychosomatischer Komponente vor. Es sei ungewöhnlich, dass die psychische Folgesymptomatik in stärkerer Ausprägung erst verzögert eingesetzt habe. Diese Verzögerung, so Dr. A., sei jedoch dadurch zu erklären, dass sich der Kläger durch seine beruflichen Aktivitäten habe ablenken können. Der Sachverständige hat darauf hingewiesen, dass es zu einem sozialen Rückzug nicht gekommen sei. Gegen eine schwere psychische Störung spreche die fehlende Notwendigkeit einer psychiatrischen Behandlung einschließlich medikamentöser Therapie bzw. der Erfolg der psychotherapeutischen Behandlung. Hinsichtlich der Bemessung des GdS hat Dr. A. hervorgehoben, dass der Kläger im Rahmen seiner Berufstätigkeit zwar als Folge seiner Kreislaufdysregulation mit psychosomatischer Komponente eine Versetzung in einen Arbeitsbereich als Werkzeugvorbereiter in Kauf habe nehmen müssen, in dieser nun ausgeübten Berufstätigkeit jedoch nicht wesentlich beeinträchtigt sei. Der GdS sei an der unteren Grenze des in Frage kommenden Bereichs mit 30 zu erfassen. Diese Bewertung beziehe sich auf den Zeitpunkt seiner jetzigen gutachterlichen Untersuchung. In Betracht zu ziehen sei jedoch, so der Gutachter, die Anerkennung eines höheren GdS ab 01.11.2007 bis zur Besserung unter psychotherapeutischer Behandlung im in C-Stadt (PD Dr. C.). Auch bei Berücksichtigung des Gutachtens der Ärztin D. mit dem von ihr verfassten psychopathologischen Befund könne eine stärkere Ausprägung psychischer Symptomatik im Rahmen der PTBS für diesen Zeitpunkt nachvollzogen werden. Dr. A. hat somit für den Zeitraum bis März 2012 einen GdS von 40 und ab April 2012 (sowie ab seiner Untersuchung) einen GdS von 30 vorgeschlagen.

Am 19.11.2012 hat der Beklagte ein Vergleichsangebot dahingehend abgegeben, unter Beibehaltung der Bezeichnung der Schädigungsfolge „Symptome einer PTBS“ für die zurückliegende Zeit vom 01.11.2007 bis 31.03.2012 einen GdS von 40 festzustellen.

Mit Schreiben vom 08.01.2013 hat das SG die Beteiligten darüber informiert, dass eine Entscheidung des Rechtsstreits per Gerichtsbescheid beabsichtigt sei. Hierzu haben der Beklagte am 11.01.2013 und der Kläger am 29.01.2013 das Einverständnis erteilt. In dem genannten Schriftsatz hat der Kläger einen eigenen Vergleichsvorschlag unterbreitet, nämlich die Anerkennung eines GdS von 50 für den Zeitraum ab 01.11.2007 und ab 01.04.2012 einen GdS von 40. Die Bevollmächtigte hat dabei ausgeführt, die chronifizierte Erkrankung des Klägers bedeute eine wiederkehrende schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigung und eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit für alle Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt; der Kläger sei auf eine besonders belastungsfreie Tätigkeit angewiesen. Außerdem sei er von Krankheitsschüben betroffen, was den Krankheitsbildern immanent sei.

Mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2013 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2011 verurteilt, dem Kläger eine Grundrente nach einem GdS von 40 im Zeitraum vom 01.11.2007 bis 31.03.2012 zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Begründung hat das SG dargelegt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei, dass der Kläger ab 01.11.2007 schädigungsbedingt unter den Folgen einer chronifizierten PTSBS mit phobischer Angst und begleitenden psychosomatischen Beschwerden leide. Das SG hat sich den Empfehlungen von Dr. A. angeschlossen. Dessen Einschätzung werde weitgehend, so das SG, auch von der Sachverständigen D. geteilt und stehe in Einklang mit den medizinischen Unterlagen. Ein GdS von 40 bzw. von 30 sei zutreffend. Insbesondere hat das SG eine schwere psychische Störung ausgeschlossen, da kein wesentlicher sozialer Rückzug zu erkennen sei und keine dauerhafte psychiatrische Behandlung habe in Anspruch genommen werden müssen. Für eine weitere Höherbewertung des GdS wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG gebe es keine Anhaltspunkte.

Am 04.03.2013 hat der Kläger hiergegen Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben und beantragt, dem Kläger eine Grundrente nach einem GdS von 50 bzw. ab 01.04.2012 von 40 zu gewähren. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte darauf aufmerksam gemacht, dass durch den Gutachter eine nur ungenügende Exploration erfolgt sei. Der Kläger sei nach der Ausweisung in den Westen an der dadurch gewonnenen Freiheit auch psychisch aufgerichtet worden und habe zusätzlich Halt in seiner Glaubensgemeinschaft gefunden, womit sich erkläre, dass er sich über 20 Jahre keiner medizinischen Behandlung unterzogen habe, obwohl er krank gewesen sei. Er habe eine Vermeidungsstrategie entwickelt. Es sei keineswegs ein Widerspruch, dass eine PTBS zeitweise verdrängt - auch über längere Zeit - und durch intensive Ablenkung unterdrückt werden könne, dass dann aber wieder Krankheitssymptome aufbrechen würden. Es stehe fest, dass der Kläger vor der psychischen und physischen Gewalt bei der Verhaftung und in der Haft keine Vorerkrankungen gehabt habe. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt habe der Kläger ein anhaltendes Rückzugsverhalten aus Angst, dass psychische Attacken auftreten würden; es handle sich um ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten. Die Psychotherapie im C-Stadt habe zu einer vorübergehenden Linderung der Krankheitssymptome geführt. Damit jedoch zu begründen, dass die Retraumatisierungen gewissermaßen auszuklammern seien und demzufolge ein GdS von 40 bis zum 31.03.2012 zu beschränken sei, können bereits aus medizinischen Erfahrungswerten bei traumatisierten Personen nicht bestätigt werden, wie vielfach in der Literatur beschrieben. Das Vermeidungsverhalten sei krankheitsimmanent.

Am 26.04.2016 hat ein Erörterungstermin des Senats stattgefunden, an dem u.a. auch der Kläger teilgenommen hat. In dem Termin hat dieser u.a. angegeben, dass eine Besserung der psychiatrischen Erkrankung in keiner Weise gegeben sei. Er brauche ein ruhiges und gleichmäßiges Leben. Eine Therapie erhalte er derzeit nicht, er nehme allerdings Effortil wegen den Kreislaufproblemen ein. Weiter hat er hervorgehoben, austherapiert zu sein.

Im Nachgang zu dem Termin hat der Senat von PD Dr. C. einen Befundbericht angefordert. In dem Bericht vom 25.05.2016 ist mitgeteilt worden, dass für den Kläger vom 11.10.2010 bis zum 27.11.2012 nach fünf diagnostischen Sitzungen insgesamt 49 Therapiesitzungen stattgefunden hätten. Sie, Dr. C., habe den Kläger zuletzt am 27.11.2012 gesehen. Als Diagnosen sind in dem Bericht Angst und depressive Störung gemischt sowie PTBS gestellt worden. AU sei zu keinem Zeitpunkt festgestellt worden. Während der Zeit der Psychotherapie sei es allmählich und kontinuierlich zu einer deutlichen Befundbesserung gekommen.

Am 24.05.2016 hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens von der D. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt, die am 30.09.2016 beauftragt worden ist. In dem Gutachten (erst) vom 07.08.2017 hat die Sachverständige den Kläger entsprechend der Beweisanordnung auch zu seinem Berufsleben befragt. Der Kläger hat dort - nach der Schilderung der ersten Tätigkeiten in der Bundesrepublik - angegeben, gemeinsam mit dem Vater ca. 1990 eine Spedition aufgemacht zu haben, wobei er hier ca. 18 Stunden am Tag gearbeitet habe. Eigentlich habe ihm die Arbeit Spaß gemacht, er habe aber mit diesem Sich-in-die-Arbeit-Stürzen seine Hafterinnerungen immer stark verdrängt. Seit dem 01.10.2006 arbeite er bei der Firma K. und sei erst als CNC-Programmierer tätig gewesen, nämlich ca. ein halbes Jahr, bis die gesundheitlichen Probleme aufgetreten seien (nachdem er die Unterlagen 2007 in der ...-Behörde eingesehen habe). In dieser Zeit seien seine psychischen Symptome massiv verschlimmert worden, er sei in diesem Rahmen auch immer wieder umgefallen. Dies sei insbesondere in Situationen passiert, in denen er viele Sachen gleichzeitig erledigen habe müssen. Auch habe er Probleme gehabt, weil in der Firma etliche Menschen aus Ostdeutschland gearbeitet hätten, was ihn immer an die Haftzeit erinnert habe und ihn auch unter Stress und Angst gesetzt habe. Er sei deshalb dann innerhalb der Firma von den Maschinen weggesetzt worden in die Werkzeugvorbereitung. Hier habe er anfangs mit zwei Kollegen gearbeitet und auch keinen Schichtdienst mehr machen dürfen; er habe nicht mehr alleine arbeiten dürfen. Da er auch in der Werkzeugvorbereitung mehrfach umgefallen sei, aufgrund der psychischen Probleme, seien die Kollegen auf ihn „zunehmend sauer“ gewesen. Man habe den Kläger deshalb in ein Büro umgesetzt, wo er ganz für sich alleine arbeite, nur einen Vorgesetzten habe, Rechnungen prüfe und somit keine Probleme mehr habe. Er müsse nicht in Kontakt zu anderen Kollegen treten und werde nicht ständig angesprochen bzw. gestört. Dadurch sei er jetzt etwas seltener auf der Arbeit umgefallen. In dem Büro für sich alleine habe er weniger Stress und weniger Situationen, in denen er angetriggert werde. Im weiteren Verlauf habe der Kläger, so die Fachärztin D., noch berichtet, dass er auch nach der Umsetzung in die Werkzeugvorbereitung und in die Rechnungskontrolle immer wieder Probleme gehabt habe, da er immer alles vorausplanen müsse. Er habe Probleme, sich umzustellen, Unvorhergesehenes oder Veränderungen auszuhalten, da er seit der Haft insgesamt einfach sehr verunsichert sei und sich nichts richtig zutraue.

Die Sachverständige hat festgestellt, dass in der Vorbegutachtung ausreichend Symptome einer PTBS festgestellt worden seien. Es sei für sie deshalb nicht verständlich, weshalb der Beklagte die Diagnose einer PTBS nicht als vollständig anerkennen wolle. Die Schädigungsfolge sei eindeutig als PTBS zu bezeichnen - mit phobischer Symptomatik, Vermeidungsverhalten und leichteren depressiven Symptomen und im Sinne der Entstehung zu bewerten.

In der jetzigen Begutachtungssituation habe der Kläger angegeben, dass er in seinen sozialen Aktivitäten weiterhin eingeschränkt sei, nur selten und unter großen Anstrengungen Einkäufe erledige und auch nur selten - ca. einmal im Monat - an Veranstaltungen bei den J. teilnehme. Er unterhalte ansonsten keinerlei Kontakte außerhalb der Familie. Zusätzlich habe er angegeben, dass er in den letzten Jahren nicht mehr alleine spaziere gehe, sondern nur mehr in Begleitung der Ehefrau, und auch die vorher bei Dr. A. berichteten Aktivitäten (wie Schwimmbadbesuche mit seinen Kindern) eingestellt habe. Die Fachärztin D. hat jedoch hervorgehoben, dass sich für diese mögliche leichtere Verschlechterung der sozialen Aktivitäten keine Bestätigungen finden würden, da sich der Kläger nicht in weiterer ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung befinde. Insofern folge sie, die Sachverständige, der Beurteilung von Dr. A., dass seit der genannten Therapie (bis November 2012) auch nach den eindeutigen Angaben von Dr. C. eine deutliche Besserung der Symptomatik eingetreten sei. Da das Vollbild der PTBS bis zum heutigen Zeitpunkt aber weiterhin vorliege mit den darin enthaltenen phobischen Symptomen und dem Vermeidungsverhalten, werde von ihr, der Fachärztin D., ein GdS von 30 (ab 01.04.2012) bis heute weiterhin bestätigt, ab dem 22.11.2007 bis zur Besserung der Symptomatik habe dieser 40 betragen.

In dem Gutachten hat die Sachverständige auch auf die zweimalige Umsetzung des Klägers in seiner Firma (einmal in die Werkzeugvorbereitung und dann in ein Kleinbüro zur Prüfung von Rechnungen - alleine im Raum etc.) hingewiesen. Soweit hier eine deutliche Verschlechterung sowohl im Berufsfeld als auch bzgl. der finanziellen Entschädigung entstanden sei, sei aus ihrer Sicht eine deutliche berufliche Beeinträchtigung schädigungsbedingt eingetreten. Der letzte vor der Manifestation der PTBS und der damit zusammenhängenden beruflichen Einschränkung bestehende Beruf sei der eines CNC-Programmierers gewesen. Die zweimalige Umsetzung sei eindeutig aufgrund der Schädigungsfolgen durchgeführt worden.

Entsprechend der Beweisanordnung des Gerichts hat die Sachverständige auch zu rehabilitativen Maßnahmen Stellung genommen. Bisher, so die Sachverständige, seien keine entsprechenden Maßnahmen durchgeführt worden. Die Fachärztin hat auf die umfangreiche psychotherapeutische Behandlung bei PD Dr. C. hingewiesen. Aufgrund der bereits eingetretenen langjährigen Chronifizierung des Krankheitsbildes und des krankheitsbedingten ausgeprägten Vermeidungsverhaltens des Klägers sei aus ihrer Sicht durch eine Reha-Maßnahme keine maßgebliche Verbesserung zu erwarten. Aufgrund der Angst vor Konfrontation mit der haftbedingten Symptomatik bestehe beim Kläger krankheitsbedingt ein Vermeidungsverhalten auch für ärztlich-therapeutische Maßnahmen. Eine ausreichende Motivation seitens des Klägers sei aber erforderlich, um hier eine erfolgreiche Behandlung durchzuführen. Eine medikamentöse Behandlung könne zwar zusätzlich in der Behandlung von Traumafolgestörungen eingesetzt werden, sei aber nie Mittel der ersten Wahl. Bei ausreichender Motivation solle dem Kläger, so die Fachärztin D., aber eine Reha-Maßnahme in einer traumaspezifischen Klinik mit hier auch ausreichender Behandlungsmöglichkeit gewährt werden, auch wenn die Prognose hier zurzeit als sehr ungünstig betrachtet werde.

Wenn die berufliche Betroffenheit gewährt werde, sei hier der GdS um 10 höher einzustufen. Da der Kläger weiterhin berufsfähig sei, wenn auch in jetzt eingeschränkterem Umfang, stehe eine Höherbewertung über 10 aus ihrer, der Gutachterin, Sicht nicht an. Im Übrigen stimme sie - bis auf die Beurteilung der beruflichen Betroffenheit - dem Gutachten von Dr. A. zu.

Auf das Gutachten hat der Beklagte am 09.10.2017 darauf hingewiesen, dass die Sachverständige letztlich die Höhe des GdS von 40 bzw. 30 bestätigt habe. Die Beantwortung der Beweisfrage hinsichtlich der besonderen beruflichen Betroffenheit beruhe dagegen allein auf den anamnestisch erhobenen Angaben des Klägers und sei daher zu hinterfragen. Bisher würden nur Behauptungen bezüglich finanzieller Einbußen aufgestellt; Belege hierfür gebe es jedenfalls nicht. Schließlich hat der Beklagte auf den Versicherungsverlauf des Klägers, der bei der DRV Schwaben geführt werde, hingewiesen, woraus ein „gravierender Einkommensverlust nicht zu entnehmen“ sei.

Mit Schriftsatz vom 24.11.2017 hat die Bevollmächtigte eine Bestätigung der Firma K. vom 21.11.2017 vorgelegt. Darin ist u.a. bestätigt worden, dass der Kläger am 01.10.2006 als CNC-Fräser in der Produktionsabteilung eingetreten sei. Aufgrund gesundheitlicher Gründe sei der Kläger ab dem 01.06.2017 als Helfer in der Werkzeugausgabe eingesetzt worden.

Hierzu hat wiederum der Beklagte am 05.03.2018 Stellung genommen. Die nun eingereichte Bestätigung der Firma K., die auf eine offenbar vom Kläger selbst gestellte Anfrage hin erfolgt sei, werde vom Beklagten zur Kenntnis genommen. Gleichwohl könne der klägerischen Argumentation nicht gefolgt werden. Der Beklagte habe den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 08.09.2011 auf die Möglichkeit einer beruflichen Rehabilitation ausdrücklich aufmerksam gemacht. Weshalb der Kläger dieses damalige Angebot - auch im Hinblick auf ein Fortkommen im ausgeübten Beruf - nicht angenommen habe, sei jedoch unbeachtlich. Tatsache bleibe, dass er diese Möglichkeit nicht in Anspruch genommen habe. Dass der Kläger gesundheitlich eingeschränkt sei, werde nicht bestritten. Die anerkannten Schädigungsfolgen führten aber nicht dazu, so der Beklagte, dass der Kläger nicht in der Lage sei, einen sozial gleichwertigen Beruf auszuüben. Zudem sei weder eine therapeutische noch medikamentöse Behandlung der Schädigungsfolgen zu verzeichnen. Der Beklagte sehe die Voraussetzungen von § 30 Abs. 2 BVG weiterhin als nicht erfüllt an.

Daraufhin hat die Bevollmächtigte am 20.03.2018 deutlich gemacht, es sei eine nicht hinzunehmende Unterstellung, wenn der Beklagte mit seinen Formulierungen suggeriere, dass die Erklärung des Arbeitgebers nicht den Tatsachen entspreche. Die Einschätzung des Arbeitgebers sei eine verantwortliche Erklärung. Der Arbeitgeber habe eindeutig formuliert, dass aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen das für den Kläger vorgesehene Personalentwicklungsprogramm nicht habe in Betracht kommen können. Wie bekannt sei, sei ein CNC-Fräser bereits mit hohen beruflichen Kompetenzen ausgestattet, um eine solche computergesteuerte Anlage bedienen zu können. Genau das treffe für den Kläger zu. Der Beklagte bleibe im Ungefähren, wenn er davon spreche, dass der Kläger einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben könne.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 30.01.2013 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 08.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2009 zu verurteilen, dem Kläger eine Beschädigtenrente nach einem GdS von 50 für den Zeitraum vom 01.11.2007 bis 31.03.2012 und nach einem GdS von 40 seit 01.04.2012 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und ist statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 SGG).

Sie ist auch begründet.

Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer Beschädigtenrente gem. § 30 Abs. 1 BVG mit einem GdS von 50 für den Zeitraum vom 01.11.2007 bis 31.03.2012 und in Höhe von 40 ab 01.04.2012 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit gem. § 30 Abs. 2 BVG. Der Gerichtsbescheid des SG und die angefochtenen Verwaltungsakte des Beklagten sind daher antragsgemäß entsprechend abzuändern.

Streitgegenstand ist vorliegend die Zuerkennung einer Beschädigtenrente unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinn von § 30 Abs. 2 BVG. Diese kann nicht isolierter Streitgegenstand sein; bei ihr handelt es sich lediglich um einen Teilfaktor zur Bemessung des GdS, der wiederum nur Tatbestandsmerkmal für Leistungsansprüche ist (vgl. das Urteil des Senats vom 19.07.2011 - L 15 VG 20/10), sodass es hinsichtlich des Streitgegenstands nicht darauf ankommt, wann dieser Aspekt in das Verfahren eingeführt worden ist.

Vom Kläger zu keiner Zeit beantragt worden ist die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs (BSA) nach § 30 Abs. 3 BVG. Sie ist daher nicht Streitgegenstand. Der Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG ist gegenüber dem BSA nach § 30 Abs. 3 BVG selbständig. Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht (vgl. das Urteil des Senats vom 23.05.2017 - L 15 VU 1/11). Der Anspruch auf BSA setzt nicht das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins voraus (BSG, Urteil vom 28.04.2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R, m.w.N.), was erst recht umgekehrt gilt.

1. Wie das SG zutreffend entschieden hat, ergibt sich ein höherer GdS als 40 bzw. 30 nicht aufgrund einer anderen Bewertung der funktionellen Einschränkungen durch die festgestellten Schädigungsfolgen bzw. durch die Feststellung anderer (weiterer) Schädigungsfolgen gemäß § 30 Abs. 1 BVG. Hierfür fehlt aufgrund der überzeugenden Darlegungen in den eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. A. und der Fachärztin D., ferner aufgrund des Befundberichts von PD Dr. C. vom 25.05.2016, jeglicher Ansatzpunkt. Der Senat macht sich die sachverständigen Feststellungen der genannten Gutachter zu eigen. Sowohl der von Amts wegen beauftragte Facharzt als auch die gemäß § 109 SGG bestellte Gutachterin kommen plausibel zu dem letztlich auch unbestrittenen Ergebnis, dass für die psychiatrischen Gesundheitsstörungen des Klägers bis März 2012 ein GdS von 40 und seitdem, nach der von PD Dr. C. attestierten Besserung, ein solcher von 30 zutreffend ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb hier eine höhere Einstufung sachgerecht sein sollte.

2. Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf Höherbewertung des GdS wegen einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach §§ 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG, 30 Abs. 2 BVG ab 01.11.2007 um 10.

Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des BVG, § 21 Abs. 1 Satz 1 StrRehaG. Nach § 30 Abs. 2 BVG ist der GdS höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn er aufgrund der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grad als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist.

Unter dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf ist nur der letzte vor der Schädigung ausgeübte Beruf zu verstehen (Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, § 30, Rn. 16). Den Regelbeispielen des § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG ist gemeinsam, dass die beruflichen Nachteile den Beschädigten besonderes treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen. Soweit das besondere berufliche Betroffensein in den mit der Schädigung verbundenen Nachteilen besteht, müssen diese Nachteile zu einer erheblich höheren Erwerbsminderung als nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Arbeitsleben führen (BSG, Urteil vom 09.05.1979 - 9 RV 71/78).

Eine rechtserhebliche besondere berufliche Betroffenheit ist nach § 30 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BVG gegeben, wenn infolge der Schädigung ein sozial gleichwertiger Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann. Dabei sind nicht nur die Einkommensverhältnisse ausschlaggebend; auch unabhängig von den Einkommensverhältnissen kann ein Beruf nach seiner gesellschaftlichen Bedeutung einen anderen gegenüber sozial ungleichwertig sein (BSG, a.a.O.).

Für die Kausalität zwischen den Schädigungsfolgen und der Berufsaufgabe bzw. der mangelnden Fähigkeit, einen sozial gleichwertigen Beruf auszuüben, gilt im sozialen Entschädigungsrecht - wie auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung - die Theorie der wesentlichen Bedingung. Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Freiheitsentziehung als schädigendem Vorgang und dem Gesundheitsschaden voraus, sowie dass die Freiheitsentziehung für den Gesundheitsschaden und dieser für die berufliche Beeinträchtigung wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. z.B. das Urteil des Senats vom 23.05.2017 - L 15 VU 1/13, m.w.N.). Gab es neben den Schädigungsfolgen noch konkurrierende Ursachen für die berufliche Beeinträchtigung, z.B. schädigungsfremde Gesundheitsstörungen, Insolvenz o.ä., so waren die Schädigungsfolgen wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges im o.g. Sinn - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig waren. Das ist dann der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges mindestens so viel Gewicht hatten wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. das Urteil des BSG zur Kausalität bzgl. der Schädigungsfolgen vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R).

Für den o.g. Ursachenzusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlichkeit ist - auch i.S. der besonderen beruflichen Betroffenheit und des BSA - zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier u.a. die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (BSG, a.a.O.). Es genügt nicht, dass ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann oder nur möglich ist; auch die „gute Möglichkeit“ genügt nicht (BSG, Urteil vom 19.03.1986 - 9a RVi 2/84).

Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die Beurteilung der zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen erwiesen sein (BSG, a.a.O.). Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1984 - 9a RV 43/83).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist für den Senat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dargelegt, dass der Kläger infolge der anerkannten Schädigungsfolgen in dem Beruf des CNC-Programmierers besonders betroffen ist, da er diesen nicht mehr ausüben kann. Zudem ist er infolge der Schädigung am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem plausibel begründeten Gutachten der Fachärztin D., aus der Arbeitgeberbescheinigung der Firma K. vom 21.11.2017 und aus den glaubhaften und nachvollziehbaren Schilderungen des Klägers.

So konnte der Kläger aufgrund seiner psychiatrischen Gesundheitsstörungen ab 01.06.2007 bei der genannten Firma nur mehr als Helfer in der Werkzeugausgabe eingesetzt werden. Später konnte der Kläger auch dort nicht mehr tätig sein; er kann nun nurmehr Bürotätigkeiten in einem Einzelzimmer verrichten, wo er ganz für sich alleine arbeitet, nur einen Vorgesetzten hat, Rechnungen prüft und somit keine Probleme mehr mit Kollegen hat. Er ist darauf angewiesen, dort ohne Kontakt zu anderen Kollegen zu arbeiten und die für ihn hinderlichen Störungen etc. zu vermeiden. Der Senat stimmt der Einschätzung der Bevollmächtigten, die diese bereits im o.g. Erörterungstermin zu der Tätigkeit als Werkzeugvorbereiter geäußert hat, zu, dass der Kläger quasi einen geschützten Arbeitsplatz innehat. Dies muss erst recht für die nunmehr ausgeübte Tätigkeit in dem Einzelbüro gelten.

Damit ist der Kläger nicht mehr in der Lage, den Beruf des CNC-Fräsers bzw. -Programmierers auszuüben. Erst recht kann er nicht mehr höhere Positionen einnehmen wie z.B. den des Produktionsmeisters. Wie das Unternehmen K. ausdrücklich bestätigt hat, ist es beim Kläger zu einer „Verschiebung vom Produzierenden zum Dienstleister“ gekommen und somit zu einer Lohneinbuße. Das Unternehmen hat ebenfalls klargestellt, dass es wegen seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung nicht mehr möglich gewesen ist, den Kläger - wie andere Facharbeiter auch - in ein Personalentwicklungsprogramm aufzunehmen. Hierdurch hat der Kläger keine zusätzlichen Qualifikationsmerkmale erreichen können; bei dem Unternehmen wäre es ansonsten möglich gewesen, durch spezifische Weiterbildungskonzeptionen nützliche Fähigkeiten zu erwerben, um höhere Positionen zu erreichen und somit auch mehr zu verdienen. Aus der Bescheinigung des Unternehmens vom 21.11.2017 ergibt sich auch, dass der Kläger hierdurch Lohneinbußen in erheblichen Umfang hinnehmen musste.

Zwar steht einem Betroffenen (in sämtlichen in § 30 Abs. 2 Satz 2 BVG genannten Fällen) eine Erhöhung des GdS nur zu, wenn die in diesen Tatbeständen beschriebenen beruflichen Nachteile ihn subjektiv besonders treffen, weil sie in sozialer oder wirtschaftlicher Hinsicht das Maß der Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben erheblich übersteigen (vgl. BSG, Urteile vom 19.02.1969 - 10 RV 561/66 - und vom 15.12.1977 - 10 RV 19/77). Bei der Beurteilung, ob ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil als Ausdruck einer besonderen Berufsbetroffenheit vorliegt, und bei der Erhöhung des GdS ist eine rein schematische Erhöhung aber nicht zulässig; es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen (vgl. z.B. LSG Berlin-Brandenburg vom 23.01.2015 - L 11 VU 24/10, m.w.N.).

Im Hinblick auf diese Rechtsprechung, die gewisse Unschärfen in Kauf nimmt, und bei Beachtung der o.g. geltenden Maßgaben für die Erhöhung des GdS geht der Senat nach eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorliegend davon aus, dass die berufliche Schädigung des Klägers so groß ist, dass der Zuschlag um 10 angemessen ist. Von Bedeutung ist dabei unter anderem, dass der Kläger sowohl von einem Aufstieg im Beruf ausgeschlossen als auch nur noch an einem quasi geschützten Arbeitsplatz - isoliert in einem Einzelbüro ohne Kontakte zu Kollegen - einsetzbar ist. Berücksichtigt hat der Senat dabei auch die Verdienstangaben in der oben genannten Bescheinigung des Unternehmens K..

Eine außergewöhnlich große Beeinträchtigung im Sinne einer Erhöhung um 20 liegt nach dem Ergebnis des Verfahrens jedoch sicher nicht vor, nachdem der Kläger noch einer Erwerbstätigkeit nachgeht.

Im Übrigen ist zwar dem Beklagten Recht zu geben, dass ein Anspruch auf Höherbewertung des GdS nach § 30 Abs. 2 BVG frühestens in dem Monat entsteht, in dem Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, sofern sie erfolgversprechend und zumutbar sind, abgeschlossen werden. Gleichwohl kann sich der Beklagte nicht auf den Anspruchsaufschub nach § 29 BVG berufen.

Die Regelung des § 29 BVG dient dazu, das Interesse des Beschädigten zu verstärken, an den Bemühungen des Trägers mitzuwirken. Die dazu angedrohte Sanktion, d.h. Beginn der in § 29 BVG genannten Leistungen erst nach Abschluss der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben, kann allerdings das Verhalten des Beschädigten - seine Mitwirkung - nur dann dem Normzweck entsprechend steuern, wenn er von dem drohenden Nachteil weiß, er also vorab über die leistungsrechtlichen Folgen fehlender Mitwirkung an erfolgversprechenden und zumutbaren Rehabilitationsmaßnahmen belehrt worden ist. Eine bloße Rehabilitationsaussicht genügt nicht (Rohr/Sträßer/Dahm, a.a.O., § 29, Rn. 2; BSG, Urteil vom 17.07.2008 - B 9/9a VS 1/06 R).

Weiter geht der Senat grundsätzlich davon aus, dass für einen Aufschub nach § 29 BVG ein konkretes Angebot der Verwaltung erforderlich ist, das etwa nach Ziel, Zeit, Ort, Inhalt, Dauer und Veranstalter der Reha-Maßnahme sowie nach begleitenden Leistungen bestimmt ist (vgl. Dau, in: Knickrehm, Gesamtes soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 29 BVG, Rn. 2). Hieran fehlt es vorliegend.

Unabhängig hiervon hält der Senat Maßnahmen zur medizinischen Rehabilitation für den Kläger auch nicht für erfolgversprechend und zumutbar. Diese Überzeugung hat er aus dem plausiblen Sachverständigengutachten der Fachärztin D. gewonnen. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die beim Kläger festgestellte Motivationslosigkeit krankheitsbedingt besteht; die behandlungsbedürftige psychische Störung ist Ursache für die fehlende Bereitschaft zur Rehabilitation. Da eine entsprechende Behandlung nur bei ausreichender Motivation erfolgversprechend ist, wie die Sachverständige überzeugend dargestellt hat, kann sie dem Kläger nicht als Grund für eine Leistungsversagung entgegengehalten werden (auch im Hinblick auf § 65 Sozialgesetzbuch Erstes Buch kann eine in der Person des Betroffenen liegende Krisensituation etc. einen wichtigen Grund, nicht mitzuwirken, darstellen, vgl. z.B. Hase, in BeckOK, § 65 SGB I, Rn. 2).

Im Übrigen können die Bedenken des Beklagten nicht durchgreifen.

a. Weder kann der Senat die Zweifel an der Objektivität der Arbeitgeberauskunft teilen. Es gibt keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass die Auskunft unrichtig sein sollte. Daher hat auch kein Anlass zu einer gerichtlichen Nachfrage bestanden.

b. Noch steht aus Sicht des Senats die Angabe des Klägers beim Sachverständigen Dr. A. entgegen, dass er mit seinem Beruf recht zufrieden sei und trotz gelegentlichem Umfallen den beruflichen Anforderungen doch gut gerecht werde. Denn die subjektiven Einschätzungen des Klägers widersprechen zwar seinem prozessualen Begehren und könnten unter Umständen diesbezüglich ein Indiz darstellen. Hiergegen stehen jedoch die Fakten, nämlich dass eben eine Herausnahme aus dem Produktionsprozess und eine (zweimalige) Versetzung in den Dienstleistungsbereich bzw. auf einen quasi geschützten Arbeitsplatz erforderlich gewesen sind. Es ist nicht näher aufzuklären, aus welchen Gründen der Kläger gegenüber dem genannten Gutachter Zufriedenheit gezeigt hat, d.h. gegebenenfalls, ob er sich seine berufliche Situation „schöngeredet“ hat. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger erst später im Rahmen des prozessualen Vorgehens für die berufliche Problematik sensibilisiert worden ist. So ist die berufliche Betroffenheit auch erst spät in das Verfahren eingeführt worden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, wie die Arbeitgeberauskunft - wie oben dargelegt - anschaulich zeigt.

c. Weiter folgt ein anderes Ergebnis auch nicht aus dem Versicherungsverlauf der gesetzlichen Rentenversicherung, in dem sich nach Auffassung des Beklagten ein „Einbruch“ hinsichtlich des Einkommens des Klägers ab 2007 nicht widerspiegelt. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert worden ist, was einen Einbruch i.e.S. beim Einkommen nicht erwarten lässt. Im Übrigen dürfte nicht auszuschließen sein, dass der Arbeitgeber, der sich durch die zweimalige Umsetzung des Klägers auf geeignetere Arbeitsplätze bereits kulant gezeigt hat, in einem gewissen Rahmen einen Einbruch abgefedert haben könnte. Auf jeden Fall zeigt bereits die Arbeitgeberbestätigung mit der Lohnbescheinigung die berufliche Betroffenheit ungeachtet des Versicherungsverlaufs.

d. Schließlich überzeugt den Senat auch nicht die in der mündlichen Verhandlung vom Beklagten geäußerte Auffassung, dass die berufliche Betroffenheit des Klägers bereits bei der Festsetzung des „medizinischen“ GdS nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ausreichend berücksichtigt sei. Denn die Härteregelung des § 30 Abs. 2 BVG weicht von der Vorgabe des Abs. 1 Satz 1 ab, den GdS nach den allgemeinen Auswirkungen in allen Lebensbereichen (nicht nur nach den Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben und unabhängig vom ausgeübten oder angestrebten Beruf) zu bemessen: Der GdS ist höher zu bewerten, wenn der Beschädigte im beruflichen Bereich durch die Art der Schädigungsfolgen individuell besonders betroffen ist (vgl. Dau, a.a.O., § 30, Rn. 14).

Die Berufung und das gesamte gerichtliche Verfahren haben damit nun Erfolg. Der Gerichtsbescheid sowie die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sind abzuändern und der Beklagte ist zur Zahlung der Beschädigtenrente nach dem GdS in den oben genannten Höhen zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass der Kläger nun erfolgreich ist, zunächst jedoch (siehe Klageerhebung vor dem SG) einen GdS von 100 begehrt und die Erhöhung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit erst spät im Verfahren beantragt hat.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 151


(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

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(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

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(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereich

Strafgesetzbuch - StGB | § 213 Minder schwerer Fall des Totschlags


War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minde

Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (Artikel I des Gesetzes vom 11. Dezember 1975, BGBl. I S. 3015) - SGB 1 | § 65 Grenzen der Mitwirkung


(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit 1. ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder2. ihre Erfüllung dem Betroffenen aus eine

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(1) Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorg

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 29


Sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgversprechend und zumutbar, so entsteht ein Anspruch auf Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs. 2, auf Berufsschadensausgleich sowie auf A

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Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbe

Bundessozialgericht Urteil, 16. Dez. 2014 - B 9 V 6/13 R

bei uns veröffentlicht am 16.12.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.

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War der Totschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm oder einem Angehörigen zugefügte Mißhandlung oder schwere Beleidigung von dem getöteten Menschen zum Zorn gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden oder liegt sonst ein minder schwerer Fall vor, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgversprechend und zumutbar, so entsteht ein Anspruch auf Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs. 2, auf Berufsschadensausgleich sowie auf Ausgleichsrente frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen werden.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten wegen Versorgung nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Klägerin ist 1950 in E-Stadt (T., ehem. DDR) geboren, wo sie 1969 das Abitur absolvierte. Danach durchlief sie eine Ausbildung zur Zahntechnikerin. In den Unterlagen aus der DDR ist von dem Beruf des Industriekaufmanns, zuletzt zahntechnische Hilfskraft in der Poliklinik E-Stadt die Rede. Wie der Beklagte in seinem Vermerk vom 12.07.2008 festhielt, war die Klägerin eine gute Schülerin mit gutem Abitur (Gesamtnote 2,0)

Mit ihrem Freund und späterem Ehemann W.D. A. hielt sie sich im Juli 1970 in Rumänien auf, um von dort aus in die Türkei und später nach Westdeutschland zu flüchten. Mitorganisiert wurde die Flucht vom Schwiegervater der Klägerin, der in K-Stadt ein Malergeschäft betrieb. Mit Urteil eines Gerichts in C. wurde die Klägerin wegen versuchten illegalen Grenzübertritts zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die Klägerin verbüßte die Freiheitsstrafe in Rumänien vom 21.07.1970 bis 02.02.1971. Anschließend wurde sie an die DDR ausgeliefert. Am 25.03.1971 gebar die Klägerin einen Sohn. Der Haftbefehl (wegen des dringenden Tatverdachts des illegalen Verlassens des Gebiets der DDR) wurde am 03.02.1971 laut Beschluss des Kreisgerichts E-Stadt aufgehoben. Bis 16.01.1972 wurde die Haft ausgesetzt, die Klägerin erhielt jedoch Hausarrest unter ständiger Überwachung. Vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 verbüßte die Klägerin Strafhaft in der JVA G-Stadt. Im Juni 1972 wurde die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland entlassen. Mit Beschluss des Landgerichts G-Stadt vom 21.06.2000 wurden die entsprechenden Urteile des Kreisgerichts E-Stadt und des Bezirksgerichts G-Stadt für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben (Rehabilitierungsentscheidung). In dem Beschluss wurde festgestellt, dass die Klägerin rehabilitiert und vom 17.01.1972 bis 21.06.1972 zu Unrecht in Haft gewesen sei. Den Antrag auf Rehabilitierung bezüglich der rumänischen Verurteilung und der dortigen Haftzeit hatte die Klägerin zuvor zurückgenommen. Am 20.02.1973 wurde von der Regierung von Schwaben eine Bescheinigung nach § 10 Abs. 4 des Häftlingshilfegesetzes ausgestellt.

Am 10.08.2007 begründete die Klägerin über ihren früheren Bevollmächtigten eine gegen den Beklagten in einem schwerbehindertenrechtlichen Verfahren (S 8 SB 284/07) zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobene Klage, die vom Beklagten als Antrag im gegenständlichen Versorgungsverfahren nach dem StrRehaG gewertet wurde. Im Verwaltungsverfahren wertete der Beklagte die zahlreichen vorgelegten Unterlagen aus. Unter anderem holte der Beklagte einen Befundbericht des BKH A-Stadt, Psychiater K., vom 13.05.2008 ein. In dem Bericht stellte der Facharzt fest, dass die Klägerin die Belastungen nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik „lange Zeit gut kompensieren“ habe können. Sie befinde sich seit 22.05.2007 in der ambulanten psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung und leide an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) mit verzögertem Beginn in Verbindung mit rezidivierenden depressiven Einbrüchen. Weiter schilderte der Facharzt die ursprünglich traumatisierenden Erlebnisse wie die Inhaftierung etc. Im Gegensatz zu früher könne die Klägerin die Probleme nicht mehr so gut kompensieren, da sie mit der Sorge um ihre eigene Gesundheit und die Gesundheit ihres Ehemanns erheblich belastet und wiederholt überfordert sei. Im Auftrag des Beklagten erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. am 25.07.2008 ein Gutachten. Bei Dr. C. machte die Klägerin zahlreiche wichtige Angaben zu ihrem Leben und den Fluchtereignissen etc. Unter anderem gab sie an, dass sie 1970 mit ihrem damaligen Verlobten die Flucht nach Westdeutschland geplant habe. Der Schwiegervater habe in A-Stadt ein Malergeschäft betrieben, welches ihr Verlobter übernehmen sollte. Unter anderem habe die Klägerin gesagt, so Dr. C., dass rückblickend „eigentlich“ die Haft in Rumänien „nicht so schlimm“ gewesen sei. Unter anderem habe man ihr in der DDR gedroht, wenn sie mit der Staatssicherheit nicht mitarbeite, könne auch eine Zwangsadoption des Kindes erfolgen. Belastend sei gewesen, dass sie sich täglich bei der Polizei habe melden müssen und dass die Staatssicherheit einen Schlüssel zur Wohnung besessen und sie ständig willkürlich kontrolliert habe. Diese Zeit habe sie schlimmer empfunden als die Haft in Rumänien. In die Bundesrepublik sei sie ohne ihr Kind gekommen und zunächst zwei Tage im Auffanglager in G-Stadt gewesen. Dann sei sie nach A-Stadt zu den Schwiegereltern gelangt, wo mittlerweile auch ihr Verlobter eingetroffen sei. Sie sei anschließend in A-Stadt von August bis November 1972 als Zahntechnikerin tätig gewesen; dann habe auch ihr Sohn ausreisen dürfen und sie habe sich dann ab November 1972 ihrem Sohn gewidmet. Ab 1975 sei sie dann wieder als Zahntechnikerin problemlos bis zu ihrem Wegeunfall 2006 vollschichtig tätig gewesen. Sie habe sich, so die Klägerin beim Gutachter Dr. C., der Arbeit voll gewachsen gefühlt, es habe keine Probleme gegeben und sie sei auch nicht längere Zeit krankgeschrieben gewesen. 2002 habe sie ihre Stasiakte angefordert und ihr entnommen, dass ihre damaligen guten Freundinnen und Freunde allesamt Stasispitzel gewesen seien, die sie mutmaßlich auch bei ihrem Fluchtversuch verraten hätten. Zudem schilderte die Klägerin Auseinandersetzungen mit der Berufsgenossenschaft (wegen des Wegeunfalls vom Februar 2006) und mit dem Arbeitsamt (Einstellung des Verletztengeldes durch die BG - laut Klägerin „wie Verhöre in der DDR“). Erst seit dieser Zeit, also seit 2006, seien immer wieder Ängste aufgetreten etc. Bei Dr. C. sagte die Klägerin auch aus, dass sie während ihrer mehr als dreißigjährigen beruflichen Tätigkeit keinerlei Behandlung benötigt habe, keine nervenärztliche Behandlung, keine Psychotherapie und keine Medikamente. Erst nach der Ellenbogenverletzung leide sie unter Alpträumen, sie träume oft davon, weglaufen zu müssen, und auch manchmal davon, dass man ihr den Sohn wegnehme. Sie habe sich auch erst im Mai 2007 in psychiatrische Behandlung begeben. In seiner Zusammenfassung hat der Sachverständige festgehalten, dass die Klägerin mehr als dreißig Jahre lang erfolgreich als Zahntechnikerin vollschichtig tätig sein hat können. Eine Latenz von 34 Jahren könne auch nicht durch Annahme einer spätmanifestierten oder „late-onset“-PTBS erklärt werden. Es sei, so Dr. C., „einfach nicht nachvollziehbar, dass 34 Jahre nach den belastenden Erlebnissen jetzt plötzlich entsprechende Symptome auftreten sollten“. Dazu komme, dass auch die weiteren Diagnosekriterien der PTBS nicht erfüllt seien. Von Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG sei somit nicht auszugehen.

Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 18.09.2008 den Antrag auf Beschädigtenversorgung ab, da keine Gesundheitsstörungen vorlägen, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf die besonderen Umstände während der Haft zurückgeführt und damit als Schädigungsfolgen nach dem StrRehaG anerkannt werden könnten.

Hiergegen erhob die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 02.10.2008 Widerspruch. Zur Begründung wurde ein Attest des Facharztes K. des BKH A-Stadt vorgelegt. Darin ist festgehalten, dass die Klägerin auf Grund ihrer intakten Grundpersönlichkeit die Folgen der Haft und des Hausarrests zunächst relativ gut kompensieren habe können, so dass posttraumatische Symptome nur in abgeschwächter Form aufgetreten seien. Eine versorgungsärztliche gutachterliche Stellungnahme von Dr. S. (Facharzt für Psychiatrie) vom 04.12.2008 wies darauf hin, dass die Klägerin bei Dr. C. ausdrücklich eine besondere Belastung vom Haftaufenthalt verneint habe. Das Schreiben des BKH weise in seiner Einseitigkeit und quasi apodiktischen Festlegungen, so Dr. S., eben mit Wahrscheinlichkeit nicht das Vorliegen einer PTBS nach. Am ehesten sei von einer neurotischen Fehlhaltung mit starkem Entschädigungsbegehren aus frustranen Auseinandersetzungen mit der BG seit dem Unfall im Februar 2006 auszugehen.

Mit Teilabhilfebescheid vom 14.07.2009 half der Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als er ab 01.08.2007 als Schädigungsfolgen im Sinne der Entstehung nach § 21 StrRehaG Teilsymptome einer posttraumatischen Belastungsstörung anerkannte. Der daraus resultierende Grad der Schädigungsfolgen (GdS) betrage 20. Dabei seien die gesamte Haftzeit und der Hausarrest berücksichtigt worden. Da der Widerspruch im Übrigen aufrechterhalten blieb, erließ der Beklagte am 21.07.2009 einen Widerspruchsbescheid, in dem er den Widerspruch im Übrigen zurückwies. Zunächst sei anzumerken, dass an den Ausführungen im Bescheid vom 18.09.2008, die Haft in Rumänien könne nicht berücksichtigt werden, nicht mehr festgehalten werde. Die festgestellte depressiven Verstimmungen seien schadensunabhängig. Sie könnten bei der Bewertung des GdS nicht berücksichtigt werden. Ein GdS von 30 bestehe nicht.

Hiergegen erhob die Klägerin über ihren früheren Bevollmächtigten zum SG Augsburg Klage (S 5 VH 1/09) mit dem Ziel, den Beklagten zur Anerkennung eines GdS von mindestens 40 zu verurteilen. In dem Klageverfahren schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sich der Beklagte bereit erklärte, eine PTBS als Schädigungsfolge nach dem StrRehaG anzuerkennen und einen GdS in Höhe von 30 ab 01.08.2007 festzusetzen.

Mit Bescheid vom 10.11.2009 führte der Beklagte den Vergleich aus und erkannte die vereinbarte Schädigungsfolge und den GdS von 30 an. Ob eine besondere berufliche Betroffenheit oder die Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs (BSA) vorlägen, könne erst nach weiterer Sachaufklärung zu einem späteren Zeitpunkt, so der Beklagte im Bescheid, entschieden werden. Mit Bescheid vom 12.11.2009 wurden die Versorgungsbezüge festgestellt. Dabei nahm dieser Bescheid irrtümlich auf das HHG Bezug.

Mit Schreiben vom 28.10.2009, eingegangen beim Beklagten am 23.12.2009, beantragte die Klägerin die Gewährung eines BSA bzw. machte die für die oben genannten Feststellungen erforderlichen Angaben. Dabei gab sie an, dass sie kein Studium aufnehmen habe können, da sie unter den traumatischen Erlebnissen in der Haft gelitten habe und unter PTBS immer noch leide und noch heute behandlungsbedürftig sei. Im Folgenden wurden Unterlagen zum beruflichen Werdegang der Klägerin ausgewertet. Unter anderem findet sich der Zulassungsbescheid der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) vom 10.09.1973. Nach dem Ergebnis des Vergabeverfahrens werde der Klägerin im Studiengang Zahnmedizin an der Freien Universität B-Stadt ein Studienplatz zugeteilt (die Einschreibungsfrist sei vom 13.09. bis 01.10.1973). Im Gutachten für die Rentenversicherung von Dr. K. findet sich die Angabe der Klägerin, diese habe wegen der Ellenbogenverletzung und den Rhizarthrosen im Beruf der Zahntechnikerin in A-Stadt aufgehört zu arbeiten. Weiter hat Dr. K. jedoch darauf hingewiesen, dass es sich offensichtlich um eine verzögerte protrahierte Reaktion auf belastende Ereignisse handle, soweit eine Einschränkung der psychischen Leistungsfähigkeit auf Grund der bestehenden PTBS vorliege. Diese seien ja bereits 1970 geschehen, die Klägerin habe von 1975 bis 2005 jedoch gearbeitet. Der Beklagte übernahm unter anderem die Angaben der Klägerin gegenüber der Staatssicherheit der DDR. Dort hatte sie angegeben, dass ihr Schwiegervater offenbar Mitte der 1960er Jahre einen schweren Verkehrsunfall erlitten habe, bei dem er sich schwere Verletzungen zugezogen und seine beiden (anderen) Kinder verloren habe. Diese Unfallfolgen hätten ihm so zu schaffen gemacht, dass er beschlossen habe, das Malereigeschäft in A-Stadt an seinen Sohn zu übergeben. Daraufhin seien die Pläne zur Flucht (über Rumänien und die Türkei) entwickelt worden. Die Klägerin habe eigentlich die DDR nicht verlassen wollen; es habe ein intaktes Familienleben bestanden. Aus Zuneigung und Liebe zu ihrem Verlobten, der seinem schwer kranken Vater helfen und dessen Malergeschäft in A-Stadt übernehmen wollte, habe sie sich dennoch zur Flucht entschlossen. Weiter wertete der Beklagte auch die Aussage der Klägerin vor der Staatssicherheit aus, dass sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin in A-Stadt unterhalten habe. In einem Aktenvermerk führte der Beklagte u.a. aus:

„Frau A. hat nach eigenen Angaben … die Risiken einer Flucht … auf sich genommen, um seinen schwer verunfallten Vater in dessen Tätigkeit als selbständiger Maler zu unterstützen bzw. dessen Betrieb in A-Stadt zu übernehmen. Zudem war der 1971 geborene Sohn B. damals erst zweieinhalb Jahre alt. Diese Faktoren haben bei der Entscheidung, nicht nach B-Stadt zu gehen, um dort ein Zahnmedizinstudium zu absolvieren, sicher auch eine Rolle gespielt. Frau A. hat sich auch bis 1975 der Betreuung und Erziehung des Sohnes gewidmet und erst dann wieder angefangen, als Zahntechnikerin zu arbeiten.“

Der Beklagte hat zudem darauf hingewiesen, dass auch die Gewährung der Erwerbsminderungsrente durch die DRV Bund nach dem Auftreten der PTBS keinen Anspruch auf BSA begründe. Er hat die Tatsache hervorgehoben, dass die Klägerin allein auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalls den Beruf als Zahntechnikerin nicht mehr ausüben habe können und bereits schädigungsfremd aus dem Berufsleben ausgeschieden sei.

Mit Bescheid vom 26.07.2010 lehnte der Beklagte daraufhin den Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA ab. Zur Begründung führte er aus, dass kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der anerkannten Schädigungsfolge im Sinne des StrRehaG und dem Absehen vom Studium bestehe. Sowohl der Streit mit der BG als auch der verzögerte Heilungsverlauf der Ellenbogenverletzung sowie die zwischenzeitlich gescheiterte berufliche Wiedereingliederung seien Auslöser für das Auftreten der PTBS gewesen, die erstmals durch Bescheid vom 10.11.2009 als Schädigungsfolge im Sinne des StrRehaG anerkannt worden sei (GdS 30). Unterlagen über ärztliche Behandlungen wegen einer psychischen Erkrankung oder einer PTBS lägen dem Beklagten bis zum Jahr 2007 nicht vor. Nach ihren eigenen Angaben bei der versorgungsärztlichen Untersuchung sei die Klägerin psychisch stabil gewesen, habe keinerlei Medikamente gebraucht und ihren Beruf als Zahntechnikerin über einen Zeitraum von über 20 Jahren ohne Beeinträchtigungen ausüben können. Die Aufgabe des Berufs als Zahntechnikerin sei schädigungsfremd erfolgt. Die nun hinzugetretene PTBS habe keinen Einfluss auf die Aufgabe dieses Berufs gehabt.

Am 16.08.2010 erhob die Klägerin Widerspruch, der sich, so der Bevollmächtigte, dagegen richte, dass der Antrag auf Höherbewertung des GdS wegen besonderer beruflicher Betroffenheit und auf BSA abgelehnt werde. In der Begründung des Widerspruchs hob der Bevollmächtigte hervor, dass der Berufswunsch Zahnmedizin bereits nach dem Abitur in der DDR existiert habe. Da aber die Eltern der Klägerin Betriebsinhaber eines halbstaatlichen Betriebs gewesen seien und die Klägerin somit kein Kind aus der „Arbeiterklasse“, habe sie in der DDR keinen Studienplatz erhalten. Außerdem sei ihre religiöse Einstellung ein weiteres Hindernis gewesen. Die Klägerin habe in der DDR eine Lehre als Zahntechnikerin begonnen, um später für das Studium vorbereitet zu sein. Nach der Haftentlassung habe die Klägerin in der Bundesrepublik ihr berufliches Ziel weiterverfolgt. Sie habe gehofft, durch das Studium ihre psychischen Probleme in den Griff zu bekommen. Zwar habe sie einen Studienplatz für Zahnmedizin in B-Stadt bekommen, jedoch feststellen müssen, dass sie den psychischen Anforderungen der Immatrikulation nicht gewachsen gewesen sei. Die Klägerin habe dann auch später noch einmal an der PH in P. versucht, sich zu bewerben und habe mit Erschrecken festgestellt, dass dies ebenfalls nicht möglich gewesen sei. „Die vielen Menschen, die immense Geräuschkulisse, die Gerüche der Menschen vor, hinter und neben ihr, die Enge beim Anstehen vor den Infotafeln verursachten bei ihr Übelkeit, Schwindel, Ekel und Kreislaufstörungen bis zum Erbrechen und kurzen Ohnmachtsanfällen.“ Die Klägerin habe in dieser Zeit aber noch keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen wollen, da sie gedacht habe, durch das Verdrängen und den Zeitablauf würde sie psychisch wieder stabiler werden, was aber nicht eingetroffen sei. Die Klägerin habe immer wieder Angstzustände und Panikattacken bekommen, wenn sie auf viele Menschen getroffen sei. Auch heute noch würden die Klägerin derartige Situationen belasten. Im späteren Beruf der Klägerin als Zahntechnikerin sei es ihr immer wieder passiert, dass sie das Zahnlabor verlassen habe müssen, wenn sich zu viele Leute in dem relativ kleinen Raum aufgehalten hätten. Nachdem die einschlägigen Situationen immer mehr zugenommen und sich verschlimmert hätten, so dass es zu Depressionen gekommen sei, habe sich die Klägerin in psychologische Behandlung begeben. Verstärkt worden seien die psychischen Belastungen durch den Wegeunfall und die daraus folgenden Auseinandersetzungen mit der BG. Der Klägerin sei es nur auf Grund der Kulanz ihres früheren Chefs Dr. F. möglich gewesen, ihren Beruf so lange auszuüben. Weiter legte die Klägerseite eine erneute Bescheinigung des Facharztes K. des BKH A-Stadt vom 03.11.2010 vor. Darin kam er zu dem Schluss, dass die Kriterien a) bis d) der PTBS zumindest in subsyndromaler Ausprägung bereits in den Siebzigerjahren erfüllt gewesen seien und sich auf Alltagsleben und die Entwicklung der Lebensperspektiven ausgewirkt hätten. So habe die Klägerin auf Grund ihrer Symptomatik die Einschreibung zum Studium nicht bewerkstelligen können. Dies sei auch in Begleitung ihres Ehemanns nicht anders gewesen. Nach Abbruch des Immatrikulationsvorgangs habe sie jedes Mal Wut und deutliche Reizbarkeit verspürt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nicht nachgewiesen, dass die Klägerin auf Grund der Hafterlebnisse das Studium der Zahnmedizin in B-Stadt nicht aufnehmen habe können. Ärztliche Unterlagen aus dieser Zeit, die bereits damals bestehende haftbedingte psychische Beeinträchtigungen bestätigen würden, gebe es nicht. Nach den vorliegenden Unterlagen sei die Flucht aus der DDR erfolgt, damit die Klägerin bei ihrem Ehemann sein könne, der auf Grund des schweren Unfalls seines Vaters den Familienbetrieb in A-Stadt übernehmen sollte. Dieser Umstand und die Tatsache, dass der Sohn der Klägerin 1973 erst zweieinhalb Jahre alt gewesen sei, hätten nach dem Dafürhalten des Beklagten bei der Entscheidung, A-Stadt nicht für ein Studium in B-Stadt zu verlassen, eine wesentliche Rolle gespielt. Nach Aktenlage und auch nach ihren eigenen Angaben habe die Klägerin bis zu ihrem Wegeunfall (15.02.2006) problemlos ihren beruflichen und privaten Alltag bewältigen können, ohne dass irgendwann die Notwendigkeit einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung bestanden hätte. Die Klägerin habe sich erstmalig im Mai 2007 in eine solche Behandlung auf Grund der Streitigkeit mit der Berufsgenossenschaft (BG), die die haftbedingte PTBS aktiviert hätte, begeben.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.12.2010 Klage zum SG Augsburg erhoben und sich entsprechend der Widerspruchsbegründung geäußert.

Zur medizinischen Sachverhaltsermittlung hat das SG Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich vom Facharzt K. und Hausarzt Dr. B … Weiter hat es die Rentenunterlagen der DRV Bund ausgewertet. Weitere Ermittlungen des SG haben nicht stattgefunden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 03.05.2011 sind die Beteiligten auf eine beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid hingewiesen worden. Daraufhin haben sie ihr Einverständnis hiermit erklärt.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.06.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Anspruch auf eine Höherbewertung des GdS auf Grund einer besonderen beruflichen Betroffenheit und auf BSA bestünden nicht. Die Tätigkeit als Zahntechnikerin habe die Klägerin wegen schädigungsfremden Gesundheitsstörungen aufgegeben im Hinblick auf die aufgehobene Leistungsfähigkeit mit ständiger feinmotorischer Belastung der Hände und Krafteinsatz bei Arbeiten mit Zangen. Dies ergebe sich aus einem für die Deutsche Rentenversicherung erstellten Gutachten von Dr. J. (vom 05.04.2007). Weiter sei auch ein besonderes berufliches Betroffensein auszuschließen, da von der Klägerin nicht vorgetragen worden und auch nicht erkennbar sei, dass diese durch die Schädigung im Sinne des StrRehaG am weiteren Aufstieg im Beruf gehindert gewesen sei. Im Hinblick auf das Zahnmedizinstudium liege eine besondere berufliche Betroffenheit ebenfalls nicht vor. Denn für das SG sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, dass die Schädigungsfolgen dazu geführt hätten, dass die Klägerin diesen vermeintlich angestrebten Beruf nicht aufnehmen hätte können. Der Zulassungsbescheid der ZVS genüge dem SG nicht. Vielmehr gehe es wie der Beklagte davon aus, dass die Klägerin aus schädigungsfremden Motiven von einem entsprechenden Studium Abstand genommen und den erlernten Beruf als Zahntechnikerin ausgeübt habe. So habe die Klägerin im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung vom 03.02.1970 angegeben, dass sie die Tätigkeit als zahntechnische Hilfskraft mit der Erwachsenenqualifikation in der Poliklinik E-Stadt aufgenommen habe, um danach als Zahntechnikfachkraft arbeiten zu können. Während des Aufenthalts 1970 in Rumänien habe sie sich mit ihrem Schwiegervater über die Möglichkeiten einer Tätigkeit als Zahntechnikerin (in A-Stadt) unterhalten. Dieser habe sich dann auch über die Ausbildungsmöglichkeiten zur Zahntechnikerin erkundigt. Dies spreche aus Sicht des Gerichts dafür, dass die Klägerin beabsichtigt habe, als Zahntechnikerin beschäftigt zu werden. Mit Blick auf die klägerischen Angaben bei Dr. C. schließe es das SG aus, dass die Klägerin ernsthaft in Erwägung gezogen habe, ein Studium in B-Stadt aufzunehmen, während sich der Ehemann in A-Stadt befunden hätte; dies umso mehr, als die Klägerin ihr kleines Kind zu versorgen gehabt habe. Unabhängig davon sei für das SG entgegen den zahlreichen klägerfreundlichen Stellungnahmen und Attesten des BKH A-Stadt überhaupt nicht nachgewiesen, dass die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt unter nennenswerten psychischen Störungen gelitten habe. Denn solche seien erst ab dem Jahr 2007 dokumentiert. Selbst die behandelnden Ärzte des BKH müssten, so das SG, einräumen, dass die Klägerin die traumatisierenden Erlebnisse lange Zeit gut kompensieren habe können und keine klinisch relevanten Beeinträchtigungen zu beklagen gehabt habe.

Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten am 08.07.2011 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben, die sie im Wesentlichen wie den o.g. Widerspruch begründet hat. Unter anderem hat sie (erneut) darauf hingewiesen, dass sie die Lehre als Zehntechnikerin als Vorbereitung für das Studium absolviert habe. Im Einzelnen hat sie hervorgehoben, dass es „kein großes Problem“ gewesen wäre, wenn die Familie nach B-Stadt gezogen wäre und sie dort das Studium absolviert hätte. Weiter ist darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin in dieser Zeit noch keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen habe wollen. Die im Gerichtsbescheid zitierten Aussagen der Klägerin seien von der Staatssicherheit aufgenommen worden, ohne dass die Klägerin Kenntnis davon gehabt habe. Die Aussagen seien „unter psychischer Folter erzwungen“ worden, so dass sie nicht Grundlagen eines Urteils sein könnten. Im weiteren Verlauf hat die Klägerseite noch mitgeteilt, dass der Ehemann der Klägerin die Firma seines Vaters in A-Stadt nicht übernommen habe. Er habe sich jedoch selbständig als Kirchenmaler gemacht. Diese Tätigkeit hätte er, so der Bevollmächtigte, auch in B-Stadt ausführen können. Unverständlich sei auch, wenn darauf hingewiesen werde, dass eine Frau mit einem Kleinkind nicht studieren könne.

Der Beklagte hat hervorgehoben, dass die Ausführungen des Bevollmächtigten nicht davon überzeugen könnten, dass der Klägerin auf Grund ihrer Schädigungsfolgen das angestrebte Zahnmedizinstudium mit der geforderten Wahrscheinlichkeit verwehrt gewesen sei. Vielmehr seien für den Beklagten nach wie vor die familiäre Situation mit kleinem Kind und beruflich örtlich festgelegtem Ehemann die Hauptgründe, nicht nach B-Stadt umzuziehen. Die Argumentation vom schnellen Finden einer geeigneten Tagesmutter für das Kind und eines passenden Arbeitsplatzes für den Ehemann in B-Stadt erscheine aus Sicht des Beklagten sehr idealisierend. Der Beklagte gehe weiterhin davon aus, dass die Klägerin bei der Ausübung ihres Berufs der Zahntechnikerin nicht durch die anerkannten Schädigungsfolgen wesentlich beeinträchtigt gewesen sei. Sodann hat die Klägerin Schilderungen hinsichtlich ihrer Studiensituation vorgelegt. Unter anderem geht daraus hervor, dass sie mit ihrem Mann vereinbart habe, die ersten zwei Semester in B-Stadt zu studieren wegen der Kinderbetreuung, und dass die Familie so genug Zeit gehabt hätte, auch in D-Stadt oder A-Stadt die Betreuung des Sohnes zu organisieren. Bei der Immatrikulation in B-Stadt habe sie entsetzt festgestellt, dass sie durch die Menschenmengen an der Uni „so getriggert“ worden sei, dass sie massive gesundheitliche Probleme bekommen habe. Sie, die Klägerin, könne nur immer wieder betonen, dass es ihr sehnlichster Wunsch gewesen sei, Zahnärztin zu werden. Da dies in der DDR nicht möglich gewesen sei, habe sie gehofft, durch die Flucht aus der DDR ihren Traum erfüllen zu können, deshalb habe sie sich auch als zahntechnische Hilfskraft anstellen lassen.

Am 21.03.2014 hat ein Beweisaufnahme- und Erörterungstermin des Senats stattgefunden. Hier hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts folgende Angaben gemacht: „Nach meiner Ausreise aus der DDR und dem Aufenthalt in G-Stadt bin ich dann zu meinem Mann, der vor mir freigelassen worden ist, nach A-Stadt gekommen. Mein Mann hatte dort lediglich aushilfsweise im Malergeschäft seines Vaters gearbeitet (nicht in der H-Str.). Er hat dann dort nach meiner Ankunft weiterhin nur aushilfsweise gearbeitet. Ich selbst habe zunächst nicht gearbeitet, sondern habe mich erst zurechtfinden müssen. Ich hatte dann auch eine Stelle als Zahntechnikerin in A-Stadt, wollte aber schließlich studieren, was ja mein eigentliches Berufsziel gewesen ist.“

Auf Nachfrage des Berichterstatters hat die Klägerin erklärt, dass gegen den Studienort B-Stadt auch nicht die unmittelbare Nähe der DDR und die Möglichkeit des völlig unkontrollierten Zugangs von DDR-Behörden nach B-Stadt gesprochen habe. Weiter hat sie angegeben:

„Ich war auch in B-Stadt, konnte mich jedoch dann dort nicht einschreiben. Später habe ich nochmals versucht, mich in D-Stadt einzuschreiben.“

Auf Nachfrage hat sie zudem berichtet, dass ihr Schwiegervater verstorben sei und die Stiefbrüder ihres Mannes von den damaligen Vorgängen keine Kenntnis hätten. Auch gebe es keine Freunde von damals, die Kenntnis hätten, da die Klägerin und ihr Mann damals ja neu nach A-Stadt gekommen seien.

Schließlich ist - auch mit Einverständnis der Beteiligten - eine Beweisaufnahme durch Einvernahme des Ehemanns der Klägerin W.D. A. erfolgt. Der Zeuge hat Folgendes ausgesagt: "Während der Zeit in der DDR bestanden unsere Pläne bezüglich eines Lebens in der Bundesrepublik vor allem darin, dass meine Frau dort Zahnmedizin studieren wollte, was ihr in der DDR verwehrt worden ist. Ich selbst wollte als gelernter Kirchenmaler in diesem Beruf tätig sein. Meine Frau wollte die ersten Semester an der FU B-Stadt studieren, da es dort als einziger Universität im Westen eine Kinderbetreuung gab, soweit wir dies erfahren haben. Ich habe mir in B-Stadt eine Arbeitsstelle gesucht und hatte bereits mehrere Angebote, Nachweise hierüber liegen mir selbstverständlich nicht mehr vor. Wir hätten auch eine Wohnung bekommen, Mietvertrag hatten wir noch keinen abgeschlossen. Ich habe in A-Stadt weiter als Dekorationsmaler gearbeitet, später in einem eigenen Betrieb (nach der Meisterschule). Ich habe zwar bei meinem Vater gearbeitet sowie bei der Firma F., den Betreib meines Vaters habe ich jedoch nie übernommen.

Auf Vorhalt des Berichterstatters, dass er am 26.04.2000 bei Dr. C. angegeben habe, sich in A-Stadt sehr intensiv um das Geschäft des Vaters gekümmert zu haben („kümmern müssen“), hat der Zeuge ausgeführt: „Es kann schon sein, dass ich so etwas geäußert habe. Das ist jedenfalls falsch. Ich habe noch zwei Stiefbrüder, die sich um das Geschäft gekümmert und den Betrieb geführt haben und dieses auch noch führen. 1975/76 habe ich in D-Stadt die Meisterschule besucht. Als Kirchenmaler hätte ich auch woanders als in A-Stadt genug Aufträge erhalten, auch in B-Stadt. Meine Frau konnte nicht Zahnmedizin studieren, weil sie keine Menschenansammlungen ertragen hat und andere Trigger vermeiden musste.“ Die Entscheidung hinsichtlich der Rückkehr nach A-Stadt haben wir einvernehmlich getroffen und haben für sie ungefähr eine Woche gebraucht, genau weiß ich es aber nicht mehr. Meine Frau hat später ja auch nochmals versucht zu studieren, was wiederum nicht gelungen ist. Wir haben beide gemerkt, dass unsere Gesundheit schlecht ist.„Meine Frau hat B-Stadt auch beim Antrag auf einen Studienplatz angegeben, da dort die Kinderbetreuung sichergestellt gewesen wäre.“

Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Senat zur Klarstellung alle Stellungnahmen und Befundberichte des BKH A-Stadt über die Klägerin aus dem Zeitraum 1972 bis 2000 angefordert. Daraufhin hat der Facharzt K. des BKH am 02.05.2014 keine älteren Befundberichte etc. als von 2007, jedoch - ungefragt - eine fachärztliche Stellungnahme vom 02.05.2014 vorgelegt. Es lasse sich noch feststellen, so der Facharzt K., dass eindeutige Symptome einer PTBS bereits in den Siebzigerjahren bestanden hätten, sofern man davon ausgehe, dass die Angaben der Klägerin glaubwürdig seien. Eine rückwirkende Diagnosestellung wie vorliegend basiere immer auf der Anamnese und der damit im Zusammenhang stehenden Plausibilität im Hinblick auf die gegebenen Diagnosekriterien. Bei der Klägerin ergebe sich hieraus aus fachärztlicher Sicht eindeutig die Schlussfolgerung, dass die Diagnose zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen habe.

Sodann ist am 08.08.2014 der Neurologe und Psychiater Dr. D. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach Aktenlage beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 10.02.2015 hat der Sachverständige hervorgehoben, dass es bereits äußerst fragwürdig sei, ob eine Inhaftierung auch unter den erschwerten Bedingungen einer Schwangerschaft ein Trauma darstelle, welches der Traumadefinition entspreche; dies gelte im speziellen Fall der Klägerin erst recht, wenn man ihre hierzu gegenüber Dr. C. gemachten Angaben berücksichtige, dass die Haft in Rumänien im Rückblick „nicht so schlimm“ gewesen sei. Unter Berücksichtigung der von der Klägerin gegebenen Information werde man die Haftsituation in Rumänien - trotz unbefriedigender hygienischer Verhältnisse und der problematischen Unterbringungssituation mit 45 Häftlingen in einer Zelle - nicht wirklich vergleichen können mit Folter, Kriegshandlung, Vergewaltigung o.ä … Auch der Hausarrest und die Überwachung durch die Staatssicherheit sowie die Bedrohung mit der Freigabe des Kindes der Klägerin für eine Adoption und natürlich auch die Aussicht auf eine längere Haftstrafe hätten, so Dr. D., ebenfalls eine erhebliche Belastung für die Klägerin dargestellt. Auch diese Situation erfülle jedoch nicht das Eingangskriterium für eine PTBS. Aus hiesiger Sicht lasse sich nicht beantworten, so der Sachverständige, inwieweit die weiteren Kriterien der PTBS gegeben gewesen seien. Schon der Versuch der Klärung wäre nicht mehr als eine Spekulation, da man sich hier ausschließlich auf die Angaben der Klägerin verlassen müsse und überdies die Symptomatik einer PTBS überall nachzulesen sei, so dass man - selbst wenn die Klägerin die Symptomatik einer PTBS korrekt beschreiben würde - nicht sicher sagen könne, ob es sich um eine Beschreibung eigener Erlebnisse und Beschwerden handeln würde.

Zusammenfassend hat Dr. D. festgestellt, dass nicht evident sei, ob bei der Klägerin in den 1970er Jahren einzelne Symptome einer PTBS bestanden hätten; dies sei zwar durchaus möglich, aber spekulativ und stünde somit, so Dr. D., keineswegs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest. Man werde nicht einmal davon ausgehen können, dass es wahrscheinlich sei, dass die Klägerin Symptome einer PTBS entwickelt habe, da außer ihren eigenen Angaben darüber keine Informationen zur Verfügung stünden. Weiter hat Dr. D. hervorgehoben, dass unklar sei, was die Klägerin dazu geführt habe, sich ab 22.05.2007 in ambulante psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung zu begeben, nachdem sie vorher niemals einen Nervenarzt aufgesucht und wohl niemals über psychische Beschwerden geklagt habe. Auch hier seien nur Spekulationen möglich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2015 ist die Rücknahme der Berufung angeregt worden. Der Bevollmächtigte hat daraufhin ein Gutachten gemäß § 109 SGG der Fachärztin F. nach persönlicher Untersuchung der Klägerin beantragt und Einwände gegen das Gutachten von Dr. D. vorgetragen. Das Gutachten ist von der Ärztin (erst) am 20.07.2016 erstellt worden. Darin hat sie auszugsweise auch schriftliche Angaben vom Ehemann der Klägerin W.D. A. (28.03.2016) und vom früheren Arbeitgeber Dr. F. (24.03.2016) geschildert, die sich gegenüber der Sachverständigen schriftlich geäußert hatten. Die Sachverständige hat ausführlich die Eigenanamnese und sonstige Schilderungen der Klägerin wiedergegeben, u.a. dass deren Traum immer gewesen sei, Zahnmedizin zu studieren. Ihr Mann habe übergangsweise beim Vater in der Malerfirma in A-Stadt gearbeitet und sie, die Klägerin, und ihr Ehemann seien damals sicher gewesen, dass der Ehemann in B-Stadt eine Arbeit finden könne. Wegen Angstzuständen und erheblichen Panikattacken sei die Immatrikulation „aber dann schiefgegangen“. Ein halbes Jahr später habe sie noch einmal versucht, sich in D-Stadt für ein Studium zum Lehramt einzuschreiben; auf Grund der gleichen Symptomatik habe auch dies nicht funktioniert. Letztlich habe sie akzeptieren müssen, dass sie auf Grund der psychischen Probleme nicht in der Lage sei, zu studieren, habe aber damals den Zusammenhang mit der Haftzeit „nicht ganz begriffen“. Zusammenfassend hat die Fachärztin F. hervorgehoben, dass aus ihrer Sicht die von der Klägerin beschriebene phobische Symptomatik mit Panikattacken und dem Vermeidungsverhalten inhaltlich auf die Haftbedingungen zurückzuführen sei. Die Klägerin habe bei ihr diese Problematik „nachvollziehbar und glaubhaft“ berichtet. Das Vorliegen schon in den 1970er Jahren werde durch den damaligen Chef Dr. F. bestätigt. Inwieweit die Klägerin hier auf Grund der Symptomatik und der Nichteinschreibung auf das Studium verzichtet habe oder inwieweit andere Gründe - wie die Arbeit des Ehemanns im Betrieb seines Vaters - eine Rolle bei diesem Verzicht gespielt hätten, könne von ihr, der Fachärztin, nicht beurteilt werden und sei auch nicht durch eine psychiatrische Begutachtung zu klären. Ebenfalls könne nicht geklärt werden, wie nachhaltig der Wunsch des Zahnmedizinstudiums gewesen sei und ob dieser Wunsch auf Grund der psychischen Probleme aufgegeben worden sei. Die Gutachterin sei aber ausreichend davon überzeugt, dass auf Grund der mit der PTBS verknüpften phobischen Symptome und des damit verbundenen Vermeidungsverhaltens die Klägerin auch Anfang der 1970er Jahre nicht in der Lage gewesen wäre, ein Studium durchzuführen, zumindest nicht in den Fächern mit hohen Studentenzahlen. Es spreche mehr für als gegen die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs des Entstehens der PTBS, in die eine phobische Symptomatik miteingegangen sei, mit der politischen Verfolgungszeit. Die Klägerin habe die damalige Symptomatik glaubhaft und für die Gutachterin gut inhaltlich einfühlbar geschildert; die Schilderung könne mit den Einschränkungen im Alltags- und Berufsleben nachvollziehbar verknüpft werden. Inhaltlich zeige sich auch ein deutlicher Zusammenhang zu den unterschiedlichen traumatischen einzelnen Belastungen der Verfolgungszeit. Eine lange Latenzzeit spreche nicht gegen die Entwicklung einer PTBS und der geschilderte Verlauf entspreche durchaus den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Störungsbild und den heute bekannten Studien. Auch die Vermeidung einer Behandlung oder Angst vor Stigmatisierung werde von vielen Haftopfern berichtet und sei deshalb nachvollziehbar. Weiter hat sie hervorgehoben, dass erfahrungsgemäß viele Klienten mit PTBS, insbesondere wenn es sich um weit zurückliegende Traumata handle, bzw. Klienten mit phobischen Störungen und Angsterkrankungen häufig erst sehr spät eine Behandlung aufnehmen würden und über lange Zeit immer bemüht seien, die Symptomatik durch Vermeidung selbst zu kompensieren, was in vielen Fällen über einen Zeitraum gelinge, insbesondere wenn eine Partnerschaft bestehe.

Auf das Gutachten hat der Beklagte wie folgt Stellung genommen: Die Sachverständige habe ausgeführt, dass nicht beurteilt werden könne, welche Rolle die bei der Klägerin damals bestehende Symptomatik und welche Rolle andere Gründe, wie die Arbeit des jetzigen Ehemanns im väterlichen Betrieb, für die Nichtaufnahme des Studiums gespielt hätten. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass die Klägerin bereits in den 1970er Jahren unter dem Vollbild einer PTBS gelitten habe. Dennoch habe nach Auffassung der Ärztin F. eine berufliche Betroffenheit bestanden, u.a. deshalb, da die Klägerin auch ihren Beruf als Zahntechnikerin 31 Jahre lang (1975 bis 2006) nur unter Aufbringung all ihrer Kräfte habe durchführen können. Dieser Schlussfolgerung könne der Beklagte beim besten Willen nicht folgen. Der Beklagte hat u.a. auf das Gutachten von Dr. D. verwiesen.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.01.2017 ist anheimgestellt worden, Nachweise o.ä. vorzulegen, dass Zahnärztin tatsächlich bereits der in DDR angestrebte Beruf gewesen sei. Am 10.02.2017 hat der Bevollmächtigte mitgeteilt, dass Nachweise nicht vorlägen. Er hat jedoch zwei schriftliche Erklärungen von ehemaligen Mitschülern der Klägerin vorgelegt. Darin ist der Berufswunsch der Klägerin bestätigt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 16.06.2011 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22.11.2010 zu verurteilen, der Klägerin eine Grundrente nach einem höheren GdS als 30 wegen besonderer beruflicher Betroffenheit sowie Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden und ist statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Sie erweist sich jedoch als in der Sache nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG Augsburg vom 16.06.2011 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 26.07.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.11.2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Wie das SG zutreffend entschieden hat, hat die Klägerin weder einen Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins noch einen solchen auf einen BSA.

Der Anspruch auf Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins nach § 30 Abs. 2 BVG ist gegenüber dem BSA nach § 30 Abs. 3 BVG selbständig. Eine gegenseitige Abhängigkeit besteht nicht. Der Anspruch auf BSA setzt nicht das Vorliegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins voraus (BSG, Urteil vom 28. April 2005 - B 9a/9 VJ 1/04 R, m.w.N.).

Der Beklagte hat zu Recht die Anerkennung eines besonderen beruflichen Betroffenseins und eines BSA abgelehnt. Die Klägerin hat vor dem Hintergrund, dass sie nicht Zahnärztin geworden ist, weder einen Anspruch auf eine Erhöhung ihres GdS wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins noch einen Anspruch auf Gewährung eines BSA.

Gegenstand des Verfahrens ist nur die Tatsache, dass die Klägerin das Studium der Zahnmedizin nicht absolviert und den Beruf der Zahnärztin nicht ausgeübt hat. Um mögliche Einschränkungen hinsichtlich ihrer Tätigkeit als Zahntechnikerin geht es vorliegend nicht. Dies ergibt sich aus dem gesamten Vortrag im Verfahren und schließlich aus der eindeutigen Einschränkung, die die Klägerin über ihren Bevollmächtigten im Erörterungstermin des Senats am 21.03.2014 gemacht hat. Darüber hinaus sind auch keinerlei Ansatzpunkte ersichtlich, dass hinsichtlich des Berufs der Zahntechnikerin, den die Klägerin - mehr als 30 Jahre lang und vollschichtig - ausgeübt hat, entsprechende Ansprüche gegeben sein könnten. Unter anderem hat die Klägerin bei der Gutachterin Dr. K. ausdrücklich angegeben, sie habe wegen ihrer Ellenbogenverletzung und den Rhizarthrosen in A-Stadt im Beruf der Zahntechnikerin aufgehört zu arbeiten; diese Gesundheitsstörungen rühren aber ohne jeden Zweifel nicht von den Hafterlebnissen her.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist gemäß § 30 Abs. 2 BVG höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten, dem begonnenen oder nachweisbar angestrebten Beruf besonders betroffen ist. Nach § 30 Abs. 3 BVG erhalten rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, nach Anwendung des Abs. 2 BSA. Einkommensverlust ist nach § 30 Abs. 4 Satz 1 BVG der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen.

Der Senat ist ebenso wie das SG zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, die Klägerin wäre ohne die Haft Zahnärztin geworden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.12.1997 - 9 RV 23/96) genügt für die Annahme des Erreichens des Vergleichsberufs die Wahrscheinlichkeit aus. Dies gilt auch für die Frage, ob es gerade die Schädigungsfolgen waren, die den Geschädigten gehindert haben, den fraglichen Beruf zu erreichen. Wahrscheinlichkeit ist - auch i.S. des § 30 Abs. 5 Satz 1 BVG - zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand - hier die behauptete berufliche Entwicklung - sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (BSG, a.a.O.). Die Wahrscheinlichkeit erstreckt sich allerdings nicht auf die Beurteilung der zugrunde zu legenden Tatsachen. Diese müssen erwiesen sein (BSG, a.a.O.). Der hypothetische Berufsweg wird danach aufgrund festgestellter Tatsachen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen als hypothetischer Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, prognostiziert (vgl. BSG, Urteil vom 08.08.1984 - 9a RV 43/83). Dafür muss der Berufsweg bereits zum Zeitpunkt der Schädigung nachgezeichnet werden können (vgl. BSG, Urteil vom 15.09.1988 - 9/9a RV 50/87).

Im Einzelnen ist im Fall der Klägerin Folgendes festzustellen:

1. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass bereits zum Zeitpunkt der Haft, also bereits im ersten Halbjahr 1972, für die Klägerin der Berufsweg einer Zahnärztin nachgezeichnet hat werden können. Insbesondere unterstellt der Senat, dass bei der Klägerin bereits damals der entsprechende Berufswunsch bestanden hat. Zwar soll die Klägerin gegenüber der Staatssicherheit angegeben haben, dass sie sich eine berufliche Zukunft als Zahntechnikerin gut vorstellen könne. Aus Sicht des Senats sind diese Angaben jedoch nicht verwertbar, da Aussagen gegenüber der Staatssicherheit als Beweismittel offensichtlich nicht herangezogen werden können. Dies folgt bereits daraus, dass bekanntlich solche Aussagen oftmals in den Unterlagen verfälscht wiedergegeben worden sind oder aufgrund der Besonderheiten der Vernehmungssituation (und gegebenenfalls den Haftumständen) nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen haben. Aufgrund der Angaben der Klägerin im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren spricht jedoch viel dafür, dass die Klägerin bereits 1972 Zahnärztin werden wollte, auch wenn freilich objektive schriftliche Nachweise (auch) insoweit nicht vorliegen. Hinzu kommt aber, dass nun auch zwei ehemalige Mitschüler der Klägerin bestätigt haben, dass Zahnmedizin für die Klägerin bereits in der DDR der angestrebte Beruf gewesen ist.

2. Der geltend gemachte Anspruch der Klägerin scheitert jedoch bereits daran, dass die behauptete Schädigungsfolge Teilsymptome einer PTBS - oder gar eine Vollsymptomatik - oder weitere Gesundheitsstörungen vor dem 01.08.2007 nicht nachgewiesen sind, aufgrund derer die Klägerin daran gehindert gewesen wäre, Zahnmedizin zu studieren.

Für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge und damit die Berücksichtigung im Rahmen eines Versorgungsanspruchs nach § 1 Abs. 1 BVG ist gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 StrRehaG ein wahrscheinlicher Zusammenhang der Freiheitsentziehung als schädigender Vorgang und der geltend gemachten Gesundheitsstörung erforderlich.

Entsprechend den vorgenannten Bestimmungen setzt die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette voraus (vgl. BSG, Urteil vom 25.03.2004 - B 9 VS 1/02 R): Eine Freiheitsentziehung (1. Glied) muss zu einer primären Schädigung (2. Glied) geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen (3. Glied) bedingt.

Die drei Glieder der Kausalkette müssen im Vollbeweis, d.h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen sein (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Demgegenüber reicht es für den zweifachen ursächlichen Zusammenhang der drei Glieder aus, wenn dieser jeweils mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Die Beweisanforderung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt sowohl für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999 - B 9 VS 2/98 R - in Aufgabe der früheren Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RV 31/90, die für den Bereich der haftungsbegründenden Kausalität noch den Vollbeweis vorausgesetzt hat -; vgl. auch jüngst BSG, Urteil vom 17.04.2013 - z.B. B 9 V 1/12 R) als auch den der haftungsausfüllenden Kausalität. Dies entspricht den Beweisanforderungen auch in anderen Bereichen der sozialen Entschädigung oder Sozialversicherung, insbesondere der wesensverwandten gesetzlichen Unfallversicherung.

Für den hinsichtlich der drei Glieder der Kausalkette maßgeblichen Vollbeweis ist es nach der Rechtsprechung zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000 - B 9 VG 3/99 R und vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R; vgl. z.B. auch das Urteil des erkennenden Senats vom 24.01.2017 - L 15 BL 7/15), d.h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993 - 9/9a RV 1/92).

Wie sich aus der obigen Darstellung des Sachverhalts bereits ergibt, kann nicht die Rede davon sein, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des vorliegenden Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der geltend gemachten Schädigungsfolgen bereits in der Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik zweifeln würde. Vielmehr hat der vom Senat beauftragte Sachverständige Dr. D. eindeutig festgestellt, dass es keineswegs mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, die Klägerin habe bereits in den 1970er Jahren an einzelnen Symptomen einer PTBS gelitten, auch wenn dies durchaus möglich ist. Der Sachverständige hat in seinem plausiblen und durchaus fundierten Gutachten nach Aktenlage nachvollziehbar festgehalten, dass es nicht einmal wahrscheinlich ist, die Klägerin habe nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik entsprechende Symptome entwickelt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen. Ferner hat auch der vom Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. C. plausibel die Annahme von Schädigungsfolgen abgelehnt und hervorgehoben, dass die Klägerin mehr als 30 Jahre lang ihren gesamten beruflichen und privaten Alltag bewältigen hat können und dass sie in dieser Zeit auch keinerlei Anlass für eine psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung gesehen hat.

Wie Dr. D. zutreffend hervorgehoben hat, sind die Angaben der Klägerin die einzigen zur Verfügung stehenden Informationen (zu den Angaben des Ehemanns und des früheren Arbeitgebers der Klägerin siehe unten). Selbst wenn man aber die Angaben der Klägerin glauben würde, wäre nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen die Diagnose einer PTBS höchst fragwürdig, nachdem aufgrund des Ablaufs der Ereignisse am Vorliegen des A-Kriteriums einer PTBS massive Zweifel bestehen. Mit Dr. D. geht der Senat davon aus, dass in einer derartigen Situation, die die Klägerin erleben hat müssen, allenfalls von einer Persönlichkeitsveränderung aufgrund schwerer Belastung ausgegangen werden muss. Wie der Sachverständige allerdings darauf hingewiesen hat, müsste auch hierfür zeitnah eine Diagnostik durchgeführt werden, was vorliegend nicht geschehen ist. In diesem Zusammenhang ist aus Sicht des Senats auch aussagekräftig, dass eine solche Diagnostik wohl deshalb unterblieben ist, weil die Klägerin hierzu keine Veranlassung gesehen hat. Schließlich könnten sich bei der Klägerin in der Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik auch Anpassungsstörungen (mit depressiver oder ängstlich depressiver Symptomatik) eingestellt haben. Die von der Klägerin beschriebene Symptomatik, die sie an der Immatrikulation gehindert haben soll (Provokation von Angst bzw. Paniksymptomatik bei Konfrontation mit größeren Menschenansammlungen), entspricht, wie Dr. D. nachvollziehbar dargestellt hat, einer agoraphoben Störung. Diese Störung ist jedoch relativ unspezifisch und tritt keinesfalls nur bei Menschen auf, die im Gefängnis gewesen sind, einmal schlechte Erfahrungen mit größeren Menschenansammlungen gemacht haben oder die Situationen wie die einer „verschärften“ Haft erlebt haben. Mit Dr. D. geht der Senat davon aus, dass diese Symptomatik auch sporadisch und ohne nachvollziehbare Ursache auftreten kann. Falls die Klägerin also eine derartige Symptomatik in den Jahren nach der Übersiedlung tatsächlich gezeigt haben sollte, ließe sich somit nicht sicher sagen, was zu ihrer Provokation geführt hätte.

Der Senat bestreitet in keiner Weise, dass die Inhaftierungen der Klägerin für diese eine ganz erhebliche psychische Belastung dargestellt haben. Es ist jedoch nicht der Rückschluss möglich, dass diese nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik auch fortgewirkt haben. Wie Dr. D. überzeugend festgestellt hat, ist keinesfalls auszuschließen, dass die Klägerin mit Beendigung ihrer DDR-Haft oder spätestens nach Geburt ihres Kindes gar keine psychische Störung mehr gehabt hat.

Der Senat stellt an dieser Stelle auch noch einmal klar, dass er sich außerstande sieht, den Aussagen der Klägerin selbst über ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen einen Beleg für das Vorliegen relevanter Teilsymptome einer PTBS nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik zu entnehmen. Denn er folgt der plausiblen Einschätzung des Sachverständigen Dr. D., dass die Angaben der Klägerin, die diese erst ab Aufnahme ihrer psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung gemacht hat, von äußerst eingeschränkter Aussagekraft sind, nachdem sich die Klägerin erst im Rahmen des anhängigen Verfahrens mehr als 30 Jahre nach dem erlittenen Geschehen dazu durchgerungen hat, eine solche Behandlung in Anspruch zu nehmen. Zudem ist, wenn auch in untergeordnetem Umfang (vgl. das Urteil des Senats vom 05.02.2013 - L 15 VG 22/09), das unmittelbare Interesse der Klägerin am Verfahrensausgang zu berücksichtigen.

Ein anderes Ergebnis des Verfahrens folgt auch nicht aus dem gemäß § 109 SGG eingeholten Sachverständigengutachten der Fachärztin F., auch wenn diese ausgeführt hat, dass aus ihrer Sicht zur Zeit nach der Übersiedlung in die Bundesrepublik bereits (zumindest) eine Teilsymptomatik im Sinne einer anderen Reaktion auf eine schwere Belastung nach dem ICD 10 bestanden habe, mit einzelnen Symptomen der PTBS wie Schlafstörungen und Alpträumen, erhöhter Reizbarkeit, insbesondere Panikreaktionen bei Phobie mit traumaassoziierten Triggerreizen. Die Sachverständige hat eine bereits damals bestehende Einschränkung der Klägerin gesehen. Aus ihrer Sicht seien die Teilsymptomatik der PTBS und die phobische Symptomatik nach der Haftentlassung objektiviert durch die Angaben des früheren Chefs der Klägerin ab 1975, nach Angaben des Ehemanns bereits nach der Haftentlassung. Die Klägerin habe die Symptomatiken glaubhaft geschildert. Aus Sicht des Senats ergibt sich aus diesem Gutachten jedoch kein Nachweis für das Bestehen der (Teil-) Symptome einer PTBS o.ä. Die Sachverständige F. hat sich lediglich auf die klägerischen Angaben sowie die Zeugenangaben gestützt und diese als plausibel bezeichnet. Davon abgesehen, dass der Senat diese Einschätzung der Sachverständigen nicht teilt, werden die von Dr. D. in seinem (der gutachterlichen Äußerung der Ärztin F. bereits vorangegangenen) Gutachten im Einzelnen dargestellten Zweifel in dem gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten nicht ausreichend behandelt bzw. nicht ausgeräumt. Im Übrigen hat der Senat vorliegend auch Zweifel, ob vorliegend die erforderliche „Distanz wie die einer Gerichtsperson“ auf Seiten der Sachverständigen vorgelegen hat (vgl. Kater, Das ärztliche Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren, 2. Aufl., S. 23). Denn das Gutachten zeigt an mehreren Stellen für die Klägerin günstige Ausführungen, ohne dass vom Gericht zu den jeweiligen Aspekten Beweisfragen gestellt worden wären und ohne dass die betreffenden Hinweise der Ärztin für die Beantwortung der relevanten Fragen (im Zusammenhang) unabdingbar gewesen wären. So hat sich die Gutachterin bemüßigt gefühlt, ungefragt klarzustellen, dass eine berufliche Betroffenheit vorliege. Weiter hat sie auf die eingeschränkte Verwertbarkeit von Unterlagen der Staatssicherheit hingewiesen. Dies ist jedoch nicht die Aufgabe der medizinischen Sachverständigen gewesen, da es sich hier ganz offensichtlich nicht um medizinische Erkenntnisse handelt.

Auch die Sachverständige Dr. K. ist im Übrigen in ihrem Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung den Nachweis, dass bereits damals Teilsymptome einer PTBS vorgelegen hätten, schuldig geblieben. Ein solcher ergibt sich auch nicht aus den Attesten und Bescheinigungen des behandelnden Arztes K. des BKH A-Stadt. So hat der Facharzt zwar, beispielsweise im Attest vom 03.11.2010, die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin und die streitgegenständlichen Hindernisse bei der Einschreibung zum Studium im Einzelnen beschrieben, letztlich jedoch eingestanden, dass für die Feststellung eindeutiger Symptome einer PTBS bereits in den siebziger Jahren die Annahme erforderlich sei, „dass die Angaben der Klägerin glaubwürdig sind“. Von ärztlicher Seite hätten er und seine Kollegen hieran keinen Zweifel. Letztlich verlässt sich also auch der Facharzt ausschließlich auf die Angaben der Klägerin bzw. ihres Ehemanns und des früheren Arbeitgebers Dr. F … Im Übrigen kann sich auch der Senat des Eindrucks, den der für den Beklagten im Verfahren tätige Facharzt für Psychiatrie Dr. S. am 04.12.2008 geschildert hat, nicht verwehren, dass der Klägerin seitens des BKH unter „Zurückstellung einer kritischen Betrachtungsweise“ in ihrem Bestreben geholfen werden sollte. Jedenfalls teilt der Senat die Einschätzung, dass die Bestätigungen, die seitens des BKH vorgelegt worden sind, quasi apodiktische Festlegungen enthalten und eine kritische Würdigung bzw. eine Diskussion der im Einzelnen im streitgegenständlichen Zeitraum ggf. vorliegenden Gesundheitsstörungen im Wesentlichen vermissen lassen.

Ein anderes Ergebnis der hier erörterten streitgegenständlichen Frage folgt auch nicht aus den Aussagen, die dem Senat schriftlich vorliegen, des früheren Arbeitgebers der Klägerin, weiter auch nicht aus den Zeugenaussagen des Ehemanns, die dieser im Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin des Senats gemacht hat.

– In einem Schreiben an die Sachverständige F. hat Dr. F. am 24.03.2016 bestätigt, dass die Klägerin von 1975 bis 2007 dort tätig gewesen sei. Unter anderem hat er angegeben, dass die Klägerin nur bei geöffneter Labortüre habe arbeiten können und sehr oft gestresst, gereizt gewesen sei und sich nur schlecht konzentrieren haben könne. Sie habe große Probleme gehabt, wenn sich mehrere Personen im Raum befunden hätten. Die Klägerin habe ihrem Arbeitgeber von Flashbacks und Kreislaufproblemen sowie Panikattacken bei Menschenansammlungen berichtet. Sie könne angeblich nicht einmal die Gerüche ertragen. Um sie nicht zu verlieren, habe er angeboten, ein kleines Labor bei ihr zu Hause einzurichten, damit sie dort einen Großteil der Arbeiten in Ruhe habe ausführen können. Bei ihm, Dr. F., bestehe kein Zweifel an einem erheblichen Trauma aufgrund der schlimmen Erlebnisse in der DDR. Aufgrund der Erzählungen und seines persönlichen Eindrucks von den Auffälligkeiten müsse man von psychischen Störungen der Klägerin infolge des erlittenen Traumas ausgehen.

Auch diese Angaben können aber nicht einen Nachweis von Teilsymptomen der geltend gemachten Schädigungsfolgen für den Zeitraum nach der Übersiedelung ergeben; hieraus folgt lediglich die bloße Möglichkeit, dass die Teilsymptome bereits damals gegeben waren. Insbesondere ist dem Senat bewusst, dass Dr. F. hier nicht als Facharzt eine Äußerung und Beurteilung abgegeben, sondern nur seine allgemeinen Einschätzungen - als der Klägerin wohlwollend gegenüber stehender früherer Arbeitgeber - deutlich gemacht hat. Auch der Senat geht davon aus, dass es durchaus Besonderheiten bzw. Auffälligkeiten im Verhalten der Klägerin am Arbeitsplatz gegeben hat und dass sich Dr. F. veranlasst gesehen hat, für die Klägerin besondere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Durch seine Angaben ist jedoch nicht nachgewiesen, dass diese Auffälligkeiten der Klägerin den Schweregrad erreicht hätten, um von relevanten Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebieten sprechen zu können. Dass Dr. F., wie dargelegt, die Veranlassung gesehen hat, der Klägerin das Arbeiten zu Hause zu ermöglichen, muss nicht zwangsläufig auf eine schwere Ausprägung einer psychischen Krankheit hindeuten, sondern kann auch vom Bestreben des Arztes geprägt gewesen sein, die Klägerin als Mitarbeiterin zu halten.

Im Übrigen sieht der Senat den Nachweis für das Vorliegen von Teilsymptomen einer PTBS auch durch die Zeugenaussage des Ehemanns der Klägerin nicht erbracht (siehe oben). Hier hat der Senat bereits aufgrund des eigenen Interesses des Ehemanns deutliche Objektivitätsbedenken. Zudem hat der Zeuge bei seiner Aussage nicht plausibel machen können, weshalb er gegenüber dem Gutachter Dr. C. angegeben hat, sich in A-Stadt sehr intensiv um das Geschäft seines Vaters gekümmert zu haben bzw. verpflichtet gewesen zu sein, sich darum zu kümmern, obwohl dies nach seinen eigenen Angaben unzutreffend gewesen sein soll.

Zusammenfassend ist aus Sicht des Senats festzuhalten, dass abgesehen von den Aussagen der Klägerin selbst und ihr nahestehender bzw. wohlwollend gegenüberstehender Personen keine objektiven Nachweise und sonstige Belege für das Vorliegen der geltend gemachten Schädigungsfolgen bereits im Zeitraum nach der Übersiedelung in die Bundesrepublik gegeben sind, was die Klägerin im Erörterungstermin des Senats am 21.03.2014 ausdrücklich bestätigt hat. Vielmehr bleibt letztlich die unumstößliche Tatsache, dass die Klägerin - wenn auch womöglich gefördert durch die wohlwollende Behandlung ihres Chefs Dr. F. - 31 Jahre lang in einem anerkannten Beruf vollschichtig tätig sein hat können und jegliche Behandlung nicht für erforderlich gehalten hat.

Abschließend weist der Senat noch darauf hin, dass er die von der Klägerseite gegen den Gutachter Dr. D. vorgebrachten Vorbehalte nicht nachvollziehen kann. Die Feststellung des früheren Bevollmächtigten, es sei müßig, sich mit dem Gutachten des Sachverständigen auseinanderzusetzen, weil dieser sich mit den vorliegenden Erkrankungen „wohl nicht so auskenne“, vermag der Senat nur als unqualifizierte Äußerung einzuordnen, ebenso wie die Anregung, Dr. D. solle sich einmal „mit der Problematik der Tätigkeit der Stasi beschäftigen, wie diese die Leute schikaniert“ habe. Vielmehr erfüllt Dr. D., der im Übrigen ein gerichtsbekannter und erfahrener Sachverständiger ist, in seinem vorgelegten Gutachten nach Aktenlage alle Anforderungen, die an ein qualifiziertes wissenschaftliches Gutachten zu stellen sind. Von der Klägerseite wurden denn auch keine konkreten Punkte genannt, die inhaltlich unter Verstoß gegen wissenschaftliche Erkenntnisse als fehlerhaft o.ä. zu kennzeichnen wären. Wenn die Klägerseite mitteilt, dass der Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur in T. gegenüber der Klägerin erklärt habe, immer Probleme zu haben, „wenn andere Gutachten einholen und nicht Frau Dr. F., die sich spezialisiert hat auf manische Erkrankungen aufgrund von Diktaturen und Inhaftierungen“, ist dem nur entgegenzuhalten, dass die Ermittlungen konkreter Unrechtsmaßnahmen des DDR-Systems nicht Aufgabe eines psychiatrischen Sachverständigen ist und dass die auf medizinisch-wissenschaftlicher Ebene zu untersuchenden Folgen von Inhaftierungen nicht ärztlichen Spezialgebieten vorbehalten ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass die konkreten Bedingungen, also das schädigende Ereignis, für den medizinischen Sachverständigen im Einzelnen klar erkennbar sind, was vorliegend der Fall war. Der Senat sieht die erfolgte Hervorhebung der Sachverständigen F. als problematisch an, weil sie diese - etwa im Sinne einer falsch verstandenen Klägerfreundlichkeit - in ein falsches Licht rücken könnte. Der Senat weiß jedoch, dass ein solcher genereller Vorwurf unberechtigt wäre, weil die Sachverständige in früheren vor dem Senat anhängigen Verfahren durchaus zu differenzierten Ergebnissen gekommen ist.

3. Selbst wenn man das Bestehen der Schädigungsfolgen (Teilsymptome einer PTBS mit entsprechenden Panikattacken etc.) unterstellen würde, was der Senat nicht für vertretbar hält (s. 2.), würde der Anspruch der Klägerin jedoch daran scheitern, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass es gerade die Schädigungsfolgen gewesen wären, die die Klägerin am Zahnmedizinstudium gehindert hätten.

Dies folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens. Zwar liegen der entsprechende Zulassungsbescheid der ZVS sowie die entsprechenden Angaben der Klägerin und ihres Ehemanns vor. Wie oben jedoch bereits für die Frage des Vorliegens der Schädigungsfolgen (Teilsymptome einer PTBS) ausgeführt, sieht sich der Senat nicht in der Lage, allein diesen Angaben einen Nachweis zu entnehmen. Entsprechendes gilt bezüglich der Frage, ob es gerade die Schädigungsfolgen waren, die den Geschädigten gehindert haben, den fraglichen Beruf zu erreichen.

Wie dargelegt ist die hier maßgebliche Wahrscheinlichkeit (nur dann) zu bejahen, wenn mehr Gesichtspunkte für als gegen einen bestimmten Umstand sprechen, so dass sich darauf die Überzeugung der Verwaltung oder des entscheidenden Gerichts gründen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013 - B 9 V 1/12 R). In diesem Sinne ist es nicht wahrscheinlich, dass die Klägerin aufgrund einer (nicht bewiesenen, s. 2.) Teilsymptomatik einer PTBS außerstande gewesen wäre, sich zum Studium der Zahnmedizin einzuschreiben und das Studium zu absolvieren. Denn für diese Annahme sprechen nicht mehr Gesichtspunkte als dagegen. Dass es gerade die Schädigungsfolgen gewesen sind, die die Klägerin am Zahnmedizinstudium gehindert haben, ist allenfalls möglich.

Dass die Klägerin vergeblich versucht hat, sich zu immatrikulieren, ergibt sich nur aus den Angaben der Klägerin selbst und ihres Ehemanns; der Senat hat oben aber bereits dargelegt, dass er gewichtige Bedenken hat, diesen Angaben zu folgen; dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin in B-Stadt war oder nicht. Auch aus dem Vorliegen des ZVS-Zulassungsbescheides folgt nichts anderes, denn es ist keinesfalls unwahrscheinlich, dass sich die Klägerin diesen nur vorsorglich hat ausstellen lassen, um sich hinsichtlich ihres (späteren) Berufswegs alle Optionen offen zu halten. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sind jedoch vor allem auch die für den Senat durchaus plausiblen alternativen Gründe für die Nichtaufnahme des Studiums, die in dem Verfahren herausgestellt worden sind, nämlich die Tatsachen der Kindererziehung und die der Ortsgebundenheit in A-Stadt, gewichtig. Zwar ist von der Klägerin und ihrem Ehemann behauptet worden, dass die Erziehung ihres Sohnes B. einem Studium der Klägerin nicht entgegengestanden hätte, da es in B-Stadt bei der Freien Universität als einziger Universität im Westen die Möglichkeit einer Kinderbetreuung gegeben habe und dass die Klägerin und ihr Ehemann nicht an A-Stadt gebunden gewesen seien. Der Senat kann jedoch nicht ausschließen, dass sich die Klägerin trotz bestehender Kinderbetreuungsmöglichkeit auch im Hinblick auf die neue Lebenssituation in der Bundesrepublik veranlasst gesehen haben könnte, (zumindest zunächst) von einem Studium Abstand zu nehmen. Hinsichtlich der Ortsgebundenheit ist oben bereits hervorgehoben worden, dass es hier widersprüchliche Äußerungen des Ehemanns der Klägerin gegeben hat. Nicht nachvollziehen kann der Senat im Übrigen auch, weshalb sich die Klägerin nicht einer Behandlung unterzogen hat, falls tatsächlich eine relevante Gesundheitsstörung vorgelegen haben sollte. Mit dem Sachverständigen Dr. D. geht er nämlich davon aus, dass es für die Klägerin nahe gelegen hätte, angesichts einer durch eine Angstsymptomatik blockierten Berufswahl einen Psychiater oder Psychotherapeuten aufzusuchen, um das Problem zu lösen, wenn es tatsächlich der innige Wunsch der Klägerin gewesen wäre, Zahnmedizin zu studieren und wenn sie tatsächlich aufgrund einer Angstsymptomatik bereits bei der Immatrikulation daran gehindert gewesen wäre. Wie Dr. D. bestätigt hat, hätte es auch bereits damals genügend Therapiemöglichkeiten hierfür gegeben, um eine wie die beschriebene phobische Störung erfolgreich zu behandeln. Die hierzu von der Klägerin gegebene Erklärung, sie habe sich nicht getraut, in Behandlung zu gehen, da sie immer befürchtet habe, das Sorgerecht für den Sohn zu verlieren, kann der Senat nicht nachvollziehen. Schließlich sind die Angaben der Klägerin hinsichtlich der Problematik mit größeren Menschenmengen widersprüchlich. Zwar hat sie behauptet, wegen der Menschenansammlungen sich nicht immatrikuliert und nicht studiert zu haben, aus ihren Angaben gegenüber der Sachverständigen F. geht jedoch hervor, dass sie durchaus mit Bussen oder der Straßenbahn gefahren ist und dass voll besetzte Züge lediglich „auch problematisch“ gewesen sind.

Zu weiteren Ermittlungen sieht sich der Senat im Übrigen nicht veranlasst. Insbesondere ist aufgrund der bereits vorliegenden detaillierten Angaben des früheren Arbeitgebers der Klägerin Dr. F. dieser nicht als Zeuge einzuvernehmen. Zugunsten der Klägerin kann unterstellt werden, dass dieser die bereits schriftlich gemachten Angaben - vor allem hinsichtlich der Problematik der Arbeit im Labor und der Schilderungen der Klägerin bzgl. ihrer Gesundheitsstörungen (Flashbacks und Kreislaufprobleme, siehe oben) - bestätigt. Der Ehemann der Klägerin ist bereits gerichtlich befragt worden und hat sich ausführlich und unmissverständlich geäußert.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Ein Betroffener, der infolge der Freiheitsentziehung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes. Dies gilt nicht, soweit er wegen desselben schädigenden Ereignisses bereits Versorgung auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes oder auf Grund von Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen, erhält.

(2) Einer Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht eine gesundheitliche Schädigung gleich, die durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Buchstabe e oder f des Bundesversorgungsgesetzes herbeigeführt worden ist.

(3) Wer als Berechtigter oder Leistungsempfänger nach Absatz 1 dieser Vorschrift oder § 22 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 10 Abs. 4 oder 5 des Bundesversorgungsgesetzes, als Pflegeperson oder als Begleitperson bei einer notwendigen Begleitung des Beschädigten durch einen Unfall unter den Voraussetzungen des § 8a des Bundesversorgungsgesetzes eine gesundheitliche Schädigung erleidet, erhält Versorgung nach Absatz 1.

(4) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne der Absätze 1 bis 3 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(5) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges. Wenn die Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. November 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung von Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenversorgung.

2

Der 1941 geborene Kläger war von November 1963 bis April 1968 als Zugschaffner und Zugfertigsteller bei der Deutschen Reichsbahn am Bahnhof G. beschäftigt. In den Jahren 1966 bis 1968 wurde er nach den Feststellungen des LSG durch Mitarbeiter der Staatssicherheit bedroht und unter Druck gesetzt und als inoffizieller Mitarbeiter geworben. Im April 1968 löste der Kläger sein Arbeitsverhältnis mit dem Bahnhof G. Danach war er als Reinigungsmüller bei den M., anschließend als Koch und Küchenleiter zunächst im R.-Heim und nach dortigen Verwerfungen ab 1976 im N. Krankenhaus in G. tätig.

3

Seit 1976 befand sich der Kläger nach seinen Angaben in nervenärztlicher Behandlung. In den Sozialversicherungsausweisen sind seit dieser Zeit Psychosen, Neurosen und paranoide Zustände dokumentiert. Seit 1980 bezog der Kläger eine Invalidenrente, seit 1992 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Ab dem 1.1.1991 erkannte das Land Brandenburg - Landesversorgungsamt - bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von 80 wegen psychovegetativer Störungen an und stellte das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen "G" und "B" fest (Bescheide vom 11.7.1995 und 7.9.1995). Das Ministerium des Innern des Landes Brandenburg hat nach dem Gesetz über die Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen im Beitrittsgebiet und die daran anknüpfenden Folgeansprüche (Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz - VwRehaG) später festgestellt, dass der Kläger durch Mitarbeiter der Staatssicherheit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war, die mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar waren; diese Maßnahmen wurden nach § 1 Abs 1 und 5 VwRehaG für rechtsstaatswidrig erklärt. Des Weiteren wurde festgestellt, dass der Kläger Verfolgter iS des § 1 Abs 1 Nr 3 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) ist. Als berufliche Verfolgungszeit wurde der Zeitraum von 1968 bis 1990 angegeben (Bescheid vom 23.11.1999). Den Antrag des Klägers auf "Entschädigung aufgrund staatlicher Willkür aus der DDR-Zeit" nach dem VwRehaG lehnte das beklagte Land hingegen ua nach Einholung eines nervenärztlichen Kausalitätsgutachtens bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Sozialmediziner Dr. T. vom 29.5.2000 ab, nachdem dieser aufgrund einer ambulanten Untersuchung zu dem Ergebnis gekommen war, dass die bei dem Kläger vorliegende schwere Zwangsneurose nicht ursächlich auf Verfolgungsmaßnahmen in den Jahren 1966 bis 1968 zurückgeführt werden könne (Bescheid vom 22.6.2000). Das Widerspruchsverfahren wurde auf Wunsch des Klägers vorläufig eingestellt (Schreiben vom 25.8.2000). Im Februar 2005 beantragte der Kläger erfolglos die Überprüfung seiner Versorgungsleistungen nach dem VwRehaG (Bescheid vom 1.7.2005; Widerspruchsbescheid vom 28.9.2005).

4

Das SG hat im anschließenden Klageverfahren auf Antrag des Klägers ein Gutachten bei dem Diplom-Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten Tr. eingeholt. Dieser hat nach ambulanten Untersuchungen des Klägers eine gemischte Angst-Zwangsstörung diagnostiziert, die chronifiziert und mit Wahrscheinlichkeit durch Verfolgungsmaßnahmen der Mitarbeiter der Staatssicherheit in der - vom Sachverständigen angenommenen - Verfolgungszeit von 1968 bis 1990 hervorgerufen worden sei. Der Grad der schädigungsbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 70 vH. Das SG hat weiter Beweis erhoben ua durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. G. Dieser ist nach ambulanter Untersuchung zur Einschätzung gelangt, bei dem Kläger liege ua eine chronifizierte schwere Zwangsstörung mit Begleitphänomenen vor. Die Zwangsstörung weise entstehungsmäßig neben neurologisch relevanten Belastungsfaktoren insbesondere psychosoziale Belastungsfaktoren auf, nämlich Belastungen in Kindheit und Jugend (ua Vergewaltigung der Mutter im Krieg, Verachtung durch den Vater, Schläge durch den Bruder), die von April 1966 bis Juni 1968 erlittenen Verfolgungsmaßnahmen (ua mit der Drohung von Verfehlungen am Arbeitsplatz und Unterstellung von Straftaten) und die Vorkommnisse bei seinem späteren Arbeitgeber im R. Heim (ua Vorwurf der Gefährdung einer ordnungsgemäßen Essensversorgung der Heimbewohner). Diese psychosozial relevanten Belastungsfaktoren, die wesentlich für die Entstehung und Aufrechterhaltung der schweren Zwangsstörung des Klägers seien, seien von ihrer Bedeutung her etwa gleichwertig. Eine etwaig genauere und prozentuale Aussage sei nicht möglich. Wollte man die Kausalität bejahen, läge bei dem Kläger seit Oktober 1998 ein schädigungsbedingter Grad einer MdE von 70 vH vor. Das SG hat die Klage hierauf abgewiesen. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens stehe nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit fest, dass die von dem Kläger geltend gemachte Angst- und Zwangsstörung Folge der rechtsstaatswidrigen Verfolgungsmaßnahmen der Mitarbeiter der Staatssicherheit der ehemaligen DDR sei (Urteil vom 13.1.2009).

5

Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Feststellung einer Schädigungsfolge und Versorgungsleistungen, auch wenn ein schädigendes Ereignis iS von § 1 VwRehaG für die Zeit von März 1966 bis Juni 1968 vorliege. Die im Kern von allen Gutachtern gestellte Diagnose einer chronifizierten schweren Zwangsstörung sei nicht wesentlich ursächlich auf das schädigende Ereignis zurückzuführen. Das in Bezug auf den richtigen Verfolgungszeitraum allein nachvollziehbare Gutachten des Sachverständigen Dr. G.
komme zu dem Ergebnis, dass die Zwangsstörung des Klägers im Wesentlichen auf drei gleichwertigen Ursachen beruhe. Nach der Rechtsprechung des 9. Senats des BSG bedeute dies, dass die streitigen Verfolgungsmaßnahmen innerhalb des Ursachenkomplexes mit ca einem Drittel eine untergeordnete Rolle einnehmen. Die Rechtsprechung des 2. Senats des BSG, nach der auch eine rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache rechtlich wesentlich sein könne, komme im Versorgungsrecht nicht zum Tragen (Urteil vom 22.11.2012).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der Kausalitätsnorm der (Theorie der) wesentlichen Bedingung und der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Das Berufungsgericht habe gegen Denkgesetze verstoßen, indem es aus drei nebeneinander bestehenden Einzelursachen geschlossen habe, dass keine dieser Ursachen wesentlich sein könne. Das LSG habe zudem Beweisanträge übergangen und das Fragerecht aus § 116 S 2 SGG verletzt.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. November 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 13. Januar 2009 sowie die Bescheide des Beklagten vom 22. Juni 2000 sowie vom 1. Juli 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei dem Kläger nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz eine Angst- und Zwangsstörung als Schädigungsfolge anzuerkennen und dem Kläger ab dem 1. Oktober 1998 eine Beschädigtenversorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit/einem Grad der Schädigungsfolgen von 70 vH zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 22. November 2012 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

8

Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Klage ist zwar zulässig (dazu 1.) Der Kläger hat aber keinen Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten Schädigungsfolgen und Gewährung von Beschädigtenversorgung (dazu 2.). Insbesondere ist das LSG bei der Prüfung des Anspruchs von einem zutreffenden rechtlichen Prüfmaßstab der Kausalität ausgegangen (dazu 3.).

10

1. Statthafte Klage ist die zutreffend vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit (§ 16 Abs 2 VwRehaG) erhobene kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 5 SGG; vgl BSGE 108, 97 = SozR 4-3800 § 1 Nr 18, RdNr 31). Gegenstand des Rechtsstreits ist die Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide vom 22.6.2000, 1.7.2005 und 28.9.2005, die Anerkennung von Schädigungsfolgen sowie die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Zu Recht ist das LSG deshalb auch nicht von einem auf Rücknahme des Bescheides vom 22.6.2000 gerichteten Überprüfungsbegehren iS des § 44 SGB X ausgegangen, auch wenn der Bescheid vom 1.7.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.9.2005 diese Rechtsgrundlage benennt. Wenn Unanfechtbarkeit noch nicht eingetreten ist, wird das Verfahren nach § 44 SGB X im Regelfall nicht benötigt(BSG SozR 4-4300 § 330 Nr 2 Juris RdNr 17; BVerwGE 115, 302; hierzu Merten in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Juni 2014, K § 44 RdNr 51). So verhält es sich hier. Denn in der Sache war der Widerspruchsbescheid vom 28.9.2005 auf den noch ausstehenden Abschluss des Verfahrens über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.6.2000 gerichtet (vgl § 78 SGG).

11

2. Die Voraussetzungen der für den geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung einer Schädigungsfolge sowie auf Gewährung einer Versorgung allein in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 3 VwRehaG liegen nicht vollständig vor. Nach § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Dies gilt nicht, soweit er wegen desselben schädigenden Ereignisses bereits Versorgung auf Grund des BVG oder auf Grund von Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, erhält (§ 3 Abs 1 S 2 VwRehaG). Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges (§ 3 Abs 5 S 1 RehaG).

12

a) Der Anspruch nach § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG ist eine von mehreren Folgemaßnahmen im Rahmen der SED-Unrechtsbereinigung. Das VwRehaG ist zum 1.7.1994 zusammen mit dem BerRehaG als Art 1 und 2 des Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 23.6.1994 (BGBl I 1311) mit dem Ziel eingeführt worden, neben der strafrechtlichen Rehabilitierung durch das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz (StrRehaG), welches bereits Gegenstand des Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 29.10.1992 (BGBl I 1814) war, eine Rehabilitierung durch Aufhebung rechtsstaatswidriger Verwaltungsentscheidungen zu ermöglichen. Dementsprechend ist eine hoheitliche Maßnahme einer deutschen behördlichen Stelle zur Regelung eines Einzelfalls in dem in Art 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (Beitrittsgebiet) aus der Zeit vom 8.5.1945 bis zum 2.10.1990 (Verwaltungsentscheidung), die zu einer gesundheitlichen Schädigung (§ 3), einem Eingriff in Vermögenswerte (§ 7) oder einer beruflichen Benachteiligung (§ 8) geführt hat, auf Antrag aufzuheben, soweit sie mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar ist und ihre Folgen noch unmittelbar schwer und unzumutbar fortwirken (§ 1 Abs 1 S 1 VwRehaG). Für eine hoheitliche Maßnahme, die nicht auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist, gelten die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend. An die Stelle der Aufhebung der Maßnahme tritt die Feststellung ihrer Rechtsstaatswidrigkeit (§ 1 Abs 5 S 1 und 2 VwRehaG). Die Aufhebung oder die Feststellung der Rechtsstaatswidrigkeit einer Maßnahme nach § 1 begründet Ansprüche nach Maßgabe dieses Gesetzes(§ 2 Abs 1 VwRehaG). Die Rehabilitierungsentscheidung ist danach von der Entscheidung über die - hier streitgegenständlichen - Folgeansprüche zu unterscheiden. Die Entscheidung über die Rehabilitierung obliegt der Rehabilitierungsbehörde (§ 12 VwRehaG), diejenige über den Ausgleich fortwirkender Folgen (vgl § 2 Abs 1 VwRehaG) je nach der Art des Primärschadens - wie hier bei Gesundheitsschädigung - der Versorgungsverwaltung (§ 12 Abs 4 VwRehaG), der nach dem Vermögensgesetz zuständigen Behörde bei Eingriffen in Vermögenswerte (§ 7 VwRehaG iVm dem Vermögensgesetz) und verschiedenen Sozialleistungsträgern bei beruflicher Benachteiligung (§ 8 VwRehaG iVm § 1 Abs 1 Nr 3 BerRehaG).

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b) Der Anspruch nach § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG ist nicht wegen konkurrierender Sozialleistungen ausgeschlossen. Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)kann davon ausgegangen werden, dass anderweitige Versorgungsleistungen, die den Anspruch nach § 3 Abs 1 S 2 VwRehaG ausschließen, nicht bezogen werden.

14

c) Der Kläger ist Betroffener iS von § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG. Er gehört zu dem nach § 1 VwRehaG berechtigten Personenkreis. Der Kläger war durch Mitarbeiter der Staatssicherheit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, die mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar waren. Diese Maßnahmen wurden nach § 1 Abs 1 und 5 VwRehaG für rechtsstaatswidrig erklärt. Die entsprechenden Feststellungen der Rehabilitierungsbehörde im Bescheid vom 23.11.1999 sind für die nachgeschalteten Fachbehörden bindend (§ 12 Abs 1 S 3 VwRehaG; zur fehlenden Verbindlichkeit von Tatsachenfeststellungen der Behörden der ehemaligen DDR vgl BVerfG Beschluss vom 24.9.2014 - 2 BvR 2782/10). Dies betrifft zum einen die genaue Bezeichnung der hoheitlichen Maßnahme, die den Anknüpfungspunkt für mögliche Folgeansprüche bildet. Und es betrifft zum anderen die Qualifizierung dieser Maßnahme als rechtsstaatswidrig. Jedenfalls bei Eingriffen in das Rechtsgut Gesundheit hat die Rehabilitierungsbehörde sich jedoch im Übrigen auf eine bloße Schlüssigkeitsprüfung zu beschränken. Die gilt insoweit - anders als beim Rechtsgut Beruf - auch für die Bestimmung der Verfolgungszeit (BVerwGE 119, 102 Juris RdNr 10 ff). Nach dem beschriebenen zweistufigen Prüfsystem entfaltet der Rehabilitierungsbescheid deshalb lediglich eine auf die Verfügungssätze beschränkte Tatbestandswirkung (hierzu allgemein Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, vor § 39 RdNr 4 ff). Hiervon hat sich das LSG in der Sache leiten lassen und die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale im Übrigen einer eigenständigen Prüfung unterzogen. Nach den bindenden - mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen - Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) steht danach fest, dass sich die Dauer der Verfolgungszeit im Hinblick auf das Rechtsgut Gesundheit entgegen den berufsbezogenen Ausführungen im Rehabilitierungsbescheid auf die Zeit von März 1966 bis Juni 1968 beschränkte.

15

d) Der Kläger leidet auch an einer gesundheitlichen Störung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Tatsacheninstanzen besteht kein Zweifel, dass der Kläger an einer chronifizierten schweren Zwangsstörung leidet, auch wenn das LSG insoweit von einer exakten Klassifizierung nach ICD 10 abgesehen hat (ggf F42; zur Notwendigkeit einer solchen Feststellung im Unfallversicherungsrecht vgl BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17). Das LSG hat auch keine klare Differenzierung nach Primär- und Folgeschaden getroffen, sondern insoweit einheitlich auf den Beginn der nervenärztlichen Behandlung des Klägers im Jahr 1976 abgestellt. Hierauf kommt es vorliegend jedoch nicht entscheidend an, da es jedenfalls am nötigen Zurechnungszusammenhang fehlt (dazu sogleich unter 3.).

16

3. Der Anspruch des Klägers scheitert daran, dass sich der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis der Verfolgung und der gesundheitlichen Erstschädigung (haftungsbegründende Kausalität) bzw den daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen (haftungsausfüllende Kausalität; § 3 Abs 5 S 1 VwRehaG) nicht herstellen lässt. Das LSG hat die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität über den Bedingungszusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne hinaus zutreffend an der Theorie der wesentlichen Bedingung orientiert und frei von Rechtsfehlern verneint. Wie sonst im sozialen Entschädigungsrecht (vgl zB parallel § 1 Abs 1 StrRehaG, § 4 Abs 1 S 1 HHG, § 1 Abs 1 S 1 OEG) gilt trotz des Verweises auf das BVG nur wegen der Folgen der Schädigung (§ 3 Abs 1 S 1 VwRehaG) gleichwohl die Kausalnorm der wesentlichen Bedingung (BT-Drucks 12/4994 S 32 zu § 3; vgl Rademacker in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, VwRehaG, §§ 1 bis 18 RdNr 9; allgemein BSG Urteil vom 12.6.2001 - B 9 V 5/00 R - BSGE 88, 153 = SozR 3-3100 § 5 Nr 9).

17

a) Bei der Beurteilung des Ursachenzusammenhangs hat das LSG der versorgungsrechtlich relevanten Teilursache der Verfolgungsmaßnahmen mit etwa einem Drittel rechtsfehlerfrei eine untergeordnete und für den Ursachenzusammenhang unwesentliche Bedeutung beigemessen, in dem es die Kausalitätsnorm der wesentlichen Bedingung in der spezifisch versorgungsrechtlichen Ausprägung zugrunde gelegt hat wie sie im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes (RVA - AN 1912, 930) in ständiger Rechtsprechung seit BSGE 1, 72 und BSGE 1, 150 durch den 9. Senat vertreten wird (zuletzt BSG Urteil vom 12.6.2001 - B 9 V 5/00 R - BSGE 88, 153 = SozR 3-3100 § 5 Nr 9). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1.10.1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend - seit Juli 2004 - den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1.1.2009 durch die Anlage zu § 2 VersMedV vom 10.12.2008 inhaltgleich ersetzt worden ist (Teil C Nr 1 b der Anl zu § 2 VersMedV; vgl BR-Drucks 767/1/08 S 3, 4).

18

Danach gilt als Ursache im Rechtssinn nicht jede Bedingung, gleichgültig mit welcher Intensität sie zum Erfolg beigetragen hat und in welchem Zusammenhang sie dazu steht. Als Ursachen sind vielmehr nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Das ist der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges als annähernd gleichwertig anzusehen sind. Kommt einem der Umstände gegenüber anderen indessen eine überragende Bedeutung zu, so ist dieser Umstand allein Ursache im Rechtssinne. Bei mehr als zwei Teilursachen ist die annähernd gleichwertige Bedeutung des schädigenden Vorgangs für den Eintritt des Erfolgs entscheidend. Haben also neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl zB BSG SozR Nr 23 zu § 30 BVG Juris RdNr 10; BSG Urteil vom 20.7.2005 - B 9a V 1/05 R RdNr 38). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (vgl in diesem Zusammenhang insbesondere BSGE 16, 216, 218 = SozR Nr 58 zu § 1 BVG). Im Einzelfall muss die Entscheidung darüber, welche Bedingungen im Rechtssinne als Ursache oder Mitursache zu gelten haben und welche nicht, aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (BSGE 1, 72 = SozR BVG § 1 Nr 1; BSG Urteil vom 12.6.2001 - B 9 V 5/00 R - BSGE 88, 153 = SozR 3-3100 § 5 Nr 9 Juris RdNr 32).

19

b) Das LSG hat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Anschluss an das Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. G. unangegriffen und verbindlich festgestellt, dass - ohne abgrenzbare Vorschäden oder Verschlimmerungsanteile - für die Entstehung wie Aufrechterhaltung der Zwangsstörung des Klägers im Wesentlichen drei Ursachen gleichermaßen in Betracht kommen: Belastungen in Kindheit und Jugend, die streitgegenständlichen Verfolgungsmaßnahmen zwischen 1966 und 1968 und die Vorkommnisse im R.-Heim. Durchgreifende Verfahrensrügen hat der Kläger hiergegen nicht erhoben. Die Rüge der unterlassenen Aufklärung (§ 103 SGG) geht fehl. Der beantragten weiteren Beweiserhebung durch Befragung des Sachverständigen Dr. G. zu den Kausalfaktoren aus der Zeit vor der Verfolgung musste das LSG nicht nachkommen, nachdem der Sachverständige die Frage nach dem Ursachenanteil von Kindheit und Jugend bereits eindeutig beantwortet hat. Insbesondere besagen die Ursachen nichts über den Zeitpunkt der Entstehung der streitbefangenen Erkrankung und steht deshalb die Aussage des Gutachters Dr. T. zur Fixierung von Neurosen an unbewusste Konfliktsituationen der Kindheit in keinem noch aufzulösenden Widerspruch zur Aussage des Gutachters Dr. G., dass die Zwangsstörung des Klägers mangels entsprechender Symptomatik vor der Verfolgungszeit nicht bestanden habe (Revisionsbegründung S 18). Objektiv sachdienliche Fragen, deren Beantwortung das LSG entgegen § 116 S 2 SGG unterbunden haben könnte, macht die Revision nicht geltend(vgl BSG Beschluss vom 27.11.2007 - B 5a/5 R 60/07 B - SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7 ff im Anschluss an BVerfG NJW 1998, 2273). Hiervon ausgehend hat das LSG frei von Rechtsfehlern im Wege wertender Betrachtung nach der Formel der "annähernden Gleichwertigkeit" eine untergeordnete Bedeutung des schädigenden Ereignisses für die geltend gemachten Schädigungsfolgen angenommen. Die schädigungsunabhängigen Faktoren einer belasteten Kindheit und Jugend sowie die Arbeitssituation im R.-Heim haben danach auch in rechtlicher Hinsicht den überwiegenden Anteil am Eintritt und der Aufrechterhaltung der jetzt festgestellten Angststörung oder anders formuliert letztlich rechtlich überragende Bedeutung. Ein von der Revision behaupteter logisch ungültiger Schluss liegt nicht vor (vgl im Übrigen AHP Nr 70, wonach Erkrankungen mit neurotischen Anteilen - wie hier sachverständigerseits angenommen und vom LSG unangegriffen festgestellt - nur dann mit schädigenden Ereignissen in ursächlichem Zusammenhang stehen, wenn diese in früher Kindheit über längere Zeit und in erheblichem Umfang wirksam waren; zur fortdauernden Gültigkeit der AHP als antizipierte Sachverständigengutachten, auch wenn die Kausalitätsbeurteilungen zu einzelnen Krankheitsbildern in der VersMedV nicht mehr enthalten sind, BR-Drucks 767/1/08 S 4; Rundschreiben des BMAS vom 15.12.2008 - IVc 3-48021 - 6).

20

c) Die Revision verweist allerdings mit Recht darauf, dass der im Unfallversicherungsrecht zuständige 2. Senat des BSG für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache "wesentlich" nicht gleichsetzt mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann danach für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben) (BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15). Diese Rechtsprechung, die ihren Ausgangspunkt ebenfalls in der Rechtsprechung des RVA (AN 1912, 930) und den frühen Entscheidungen des BSG in BSGE 1, 72 und BSGE 1, 150 nimmt, schließt die Wesentlichkeit einer von drei ungefähr gleichwertigen Teilursachen nicht bereits deshalb aus, weil die allein maßgebliche Teilursache nur zu einem Drittel Berücksichtigung finden kann (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 589 RVO im Anschluss an BSGE 13, 175 = SozR Nr 32 zu § 542 RVO). In die Bewertung einfließen muss vielmehr auch, ob den verbleibenden sozialrechtlich nicht maßgeblichen Teilursachen überragende Bedeutung zukommt. Erst wenn angenommen werden kann, dass diesen eine überragende Bedeutung beizumessen ist, folgt daraus, dass die nicht annähernd gleichwertige sozialrechtlich relevante Teilursache unwesentlich ist. Es werden insoweit wohl etwas niedrigere Anforderungen an die Stärke der Mitwirkung angelegt (vgl Krasney in Becker/ Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd 1, Stand Oktober 2013, § 8 RdNr 314; vgl auch Knickrehm, SGb 2010, 381, 384). Der erkennende Senat lässt offen, ob diese etwas andere Ausrichtung im Ansatz bei der nötigen Abwägung im Einzelfall die von der Revision gewünschten Ergebnisse ergäbe. Selbst wenn die behaupteten Unterschiede bestünden, sähe sich der Senat weder veranlasst, mit Blick auf eine etwaig besondere Ausrichtung der Theorie der wesentlichen Bedingung im Unfallversicherungsrecht seine langjährige Rechtsprechung zur "annähernden Gleichwertigkeit" im sozialen Entschädigungsrecht aufzugeben (dazu d) noch bestünde Anlass zu einer Anfrage bei dem mit Unfallversicherungsrecht befassten 2. Senat des BSG (dazu e).

21

d) Der 9. Senat hält an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Theorie der wesentlichen Bedingung unter Beibehaltung des Merkmals der "annähernden Gleichwertigkeit" fest. Die Rechtsprechung des 2. Senats mag Besonderheiten der gesetzlichen Unfallversicherung Rechnung tragen, die im sozialen Entschädigungsrecht grundsätzlich nicht von Bedeutung sind. In Betracht kommt insoweit insbesondere der Gesichtspunkt, dass im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung seit jeher eine Ersetzung der zivilrechtlichen Haftung durch die Ansprüche der Unfallversicherung stattfindet (vgl §§ 104 f SGB VII; ferner die Vorläufervorschrift in § 636 Abs 1 RVO; vgl auch schon § 95 des UVG vom 6.7.1884, RGBl 69; §§ 898 f RVO vom 19.7.1911, RGBl 509; grundlegend Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969, S 51 ff). Diese Regelung gehört zum Kernbestand der gesetzlichen Unfallversicherung (vgl BSG Urteil vom 26.6.2007 - B 2 U 17/06 R - BSGE 98, 285 = SozR 4-2700 § 105 Nr 2, RdNr 16)und legt damit auch wesentliche Umfangmerkmale des Schadensausgleichs fest (BSGE 73, 1 = SozR 3-2200 § 571 Nr 2 Juris RdNr 17). Strukturen dieser Art kennzeichnen das soziale Entschädigungsrecht nicht. Im sozialen Entschädigungsrecht, wo in der Regel die Folgen einer einmaligen schädigenden Einwirkung zu beurteilen sind, hat sich die Bestimmung der Wesentlichkeit nach der "annähernden Gleichwertigkeit" bewährt. Dies gilt unabhängig davon, dass in Einzelfällen auch im sozialen Entschädigungsrecht auf Wertungen etwa der gesetzlichen Unfallversicherung zurückgegriffen wird (vgl im Bereich des SVG bei der Bestimmung unfallunabhängiger Krankheiten BSG Beschluss vom 11.10.1994 - 9 BV 55/94 - HVBG-INFO 1995, 970; hierzu Keller, SGb 2007, 248, 249).

22

e) Eine Abweichung iS des § 41 Abs 2 SGG als Voraussetzung einer Anfrage beim 2. Senat bzw Vorlage an den Großen Senat kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um die unterschiedliche Beantwortung derselben Rechtsfrage handelt, auf der die frühere Entscheidung eines anderen Senats beruht, wenn also eine Identität der Rechtsfrage in der zu entscheidenden Sache und der früheren Entscheidung des anderen Senats besteht (vgl BSGE 94, 133 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2 Juris RdNr 29, 30 mwN). Insoweit entfiele die Vorlage auch nicht für den Fall der vorangehenden Missachtung der Vorlagepflicht durch einen anderen Senat (Roos in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 41 RdNr 14 mwN). Die genannte Entscheidung des 2. Senats (BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 15)ist auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 8 Abs 1 SGB VII) ergangen, während hier die Auslegung des § 3 Abs 1 S 1 VwRehaG Gegenstand der Entscheidung ist. Soweit der erkennende Senat in der Entscheidung vom 11.10.1994 (BSGE 75, 180, 182 mwN = SozR 3-3200 § 81 Nr 12) ausgeführt hat, die Grundentscheidungen des sozialen Unfallversicherungsrechts seien auch im Entschädigungsrecht zu beachten, würde damit die Rechtsfrage gleichwohl nicht zu einer solchen auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern beträfe weiterhin die Auslegung von Normen des sozialen Entschädigungsrechts, für die lediglich bestimmte Grundentscheidungen des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen werden (vgl BSGE 94, 133 = SozR 4-3200 § 81 Nr 2 Juris RdNr 29, 30 mwN). Der Senat nimmt die Abgrenzung nach Wertungen vor, die sich von den Wertungen des SGB VII unterscheiden. Diese Unterscheidung ist durch das Gesetz und seine unterschiedliche Aufgabenstellung angelegt. Daran ändert sich selbst dann nichts, wenn sich der erkennende wie auch Senate anderer Rechtsgebiete für die Ursachenbewertung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Ansatz maßgeblich auf die Rechtsprechung des 2. Senats beziehen (vgl BSG SozR 4-3200 § 81 Nr 5 RdNr 21 mwN; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr 15 RdNr 25; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 17 RdNr 21, 22).

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f) Das LSG brauchte deshalb den weiteren Beweisanträgen des Klägers zur bisher noch offengelassenen Brückensymptomatik (Revisionsbegründung S 19, 20; vgl zu Fällen einer möglichen Entbehrlichkeit der Brückensymptomatik BSG Beschluss vom 16.2.2012 - B 9 V 17/11 B - Juris RdNr 10) nicht nachgehen, da es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht mehr ankam (BSG Beschluss vom 31.1.2008 - B 13 R 53/07 B). Auch im Falle der Existenz der behaupteten Brückensymptome würde sich an der Zurechnung nach Maßgabe der aufgezeigten Theorie der wesentlichen Bedingung nichts ändern. Einen hinreichend klaren Beweisantrag zu einem Primärschaden vor 1976 hat der Kläger im Übrigen nicht gestellt.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

Sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgversprechend und zumutbar, so entsteht ein Anspruch auf Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 Abs. 2, auf Berufsschadensausgleich sowie auf Ausgleichsrente frühestens in dem Monat, in dem diese Maßnahmen abgeschlossen werden.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der Grad der Schädigungsfolgen ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer Grad der Schädigungsfolgen wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst. Vorübergehende Gesundheitsstörungen sind nicht zu berücksichtigen; als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Bei beschädigten Kindern und Jugendlichen ist der Grad der Schädigungsfolgen nach dem Grad zu bemessen, der sich bei Erwachsenen mit gleicher Gesundheitsstörung ergibt, soweit damit keine Schlechterstellung der Kinder und Jugendlichen verbunden ist. Für erhebliche äußere Gesundheitsschäden können Mindestgrade festgesetzt werden.

(2) Der Grad der Schädigungsfolgen ist höher zu bewerten, wenn Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen im vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, im nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen sind, der nach Eintritt der Schädigung ausgeübt wurde oder noch ausgeübt wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
auf Grund der Schädigung weder der bisher ausgeübte, begonnene oder nachweisbar angestrebte noch ein sozial gleichwertiger Beruf ausgeübt werden kann,
2.
zwar der vor der Schädigung ausgeübte oder begonnene Beruf weiter ausgeübt wird oder der nachweisbar angestrebte Beruf erreicht wurde, Beschädigte jedoch in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Ausmaß als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert sind, oder
3.
die Schädigung nachweisbar den weiteren Aufstieg im Beruf gehindert hat.

(3) Rentenberechtigte Beschädigte, deren Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist, erhalten nach Anwendung des Absatzes 2 einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 42,5 vom Hundert des auf volle Euro aufgerundeten Einkommensverlustes (Absatz 4) oder, falls dies günstiger ist, einen Berufsschadensausgleich nach Absatz 6.

(4) Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich der Ausgleichsrente (derzeitiges Einkommen) und dem höheren Vergleichseinkommen. Haben Beschädigte Anspruch auf eine in der Höhe vom Einkommen beeinflußte Rente wegen Todes nach den Vorschriften anderer Sozialleistungsbereiche, ist abweichend von Satz 1 der Berechnung des Einkommensverlustes die Ausgleichsrente zugrunde zu legen, die sich ohne Berücksichtigung dieser Rente wegen Todes ergäbe. Ist die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemindert, weil das Erwerbseinkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, der nicht mehr als die Hälfte des Erwerbslebens umfaßt, schädigungsbedingt gemindert war, so ist die Rentenminderung abweichend von Satz 1 der Einkommensverlust. Das Ausmaß der Minderung wird ermittelt, indem der Rentenberechnung für Beschädigte Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden, die sich ohne Berücksichtigung der Zeiten ergäben, in denen das Erwerbseinkommen der Beschädigten schädigungsbedingt gemindert ist.

(5) Das Vergleichseinkommen errechnet sich nach den Sätzen 2 bis 5. Zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die Grundgehälter der Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A aus den vorletzten drei der Anpassung vorangegangenen Kalenderjahren heranzuziehen. Beträge des Durchschnittseinkommens bis 0,49 Euro sind auf volle Euro abzurunden und von 0,50 Euro an auf volle Euro aufzurunden. Der Mittelwert aus den drei Jahren ist um den Prozentsatz anzupassen, der sich aus der Summe der für die Rentenanpassung des laufenden Jahres sowie des Vorjahres maßgebenden Veränderungsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Absatz 2 in Verbindung mit § 228b des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch) ergibt; die Veränderungsraten werden jeweils bestimmt, indem der Faktor für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer um eins vermindert und durch Vervielfältigung mit 100 in einen Prozentsatz umgerechnet wird. Das Vergleichseinkommen wird zum 1. Juli eines jeden Jahres neu festgesetzt; wenn das nach den Sätzen 1 bis 6 errechnete Vergleichseinkommen geringer ist, als das bisherige Vergleichseinkommen, bleibt es unverändert. Es ist durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu ermitteln und im Bundesanzeiger bekanntzugeben; die Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Abweichend von den Sätzen 1 bis 5 sind die Vergleichseinkommen der Tabellen 1 bis 4 der Bekanntmachung vom 14. Mai 1996 (BAnz. S. 6419) für die Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 durch Anpassung der dort veröffentlichten Werte mit dem Vomhundertsatz zu ermitteln, der in § 56 Absatz 1 Satz 1 bestimmt ist; Satz 6 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(6) Berufsschadensausgleich nach Absatz 3 letzter Satzteil ist der Nettobetrag des Vergleicheinkommens (Absatz 7) abzüglich des Nettoeinkommens aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit (Absatz 8), der Ausgleichsrente (§§ 32, 33) und des Ehegattenzuschlages (§ 33a). Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend.

(7) Der Nettobetrag des Vergleichseinkommens wird bei Beschädigten, die nach dem 30. Juni 1927 geboren sind, für die Zeit bis zum Ablauf des Monats, in dem sie auch ohne die Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden wären, längstens jedoch bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beschädigte die Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch erreicht, pauschal ermittelt, indem das Vergleichseinkommen

1.
bei verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 716 Euro übersteigende Teil um 36 vom Hundert und der 1 790 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert,
2.
bei nicht verheirateten Beschädigten um 18 vom Hundert, der 460 Euro übersteigende Teil um 40 vom Hundert und der 1 380 Euro übersteigende Teil um 49 vom Hundert
gemindert wird. Im übrigen gelten 50 vom Hundert des Vergleichseinkommens als dessen Nettobetrag.

(8) Das Nettoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Erwerbstätigkeit wird pauschal aus dem derzeitigen Bruttoeinkommen ermittelt, indem

1.
das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Erwerbstätigkeit um die in Absatz 7 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Vomhundertsätze gemindert wird,
2.
Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie Renten wegen Alters, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Landabgaberenten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte um den Vomhundertsatz gemindert werden, der für die Bemessung des Beitrags der sozialen Pflegeversicherung (§ 55 des Elften Buches Sozialgesetzbuch) gilt, und um die Hälfte des Vomhundertsatzes des allgemeinen Beitragssatzes der Krankenkassen (§ 241 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch); die zum 1. Januar festgestellten Beitragssätze gelten insoweit jeweils vom 1. Juli des laufenden Kalenderjahres bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres,
3.
sonstige Geldleistungen von Leistungsträgern (§ 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) mit dem Nettobetrag berücksichtigt werden und
4.
das übrige Bruttoeinkommen um die in Nummer 2 genannten Vomhundertsätze und zusätzlich um 19 vom Hundert des 562 Euro übersteigenden Betrages gemindert wird; Nummer 2 letzter Halbsatz gilt entsprechend.
In den Fällen des Absatzes 11 tritt an die Stelle des Nettoeinkommens im Sinne des Satzes 1 der nach Absatz 7 ermittelte Nettobetrag des Durchschnittseinkommens.

(9) Berufsschadensausgleich nach Absatz 6 wird in den Fällen einer Rentenminderung im Sinne des Absatzes 4 Satz 3 nur gezahlt, wenn die Zeiten des Erwerbslebens, in denen das Erwerbseinkommen nicht schädigungsbedingt gemindert war, von einem gesetzlichen oder einem gleichwertigen Alterssicherungssystem erfaßt sind.

(10) Der Berufsschadensausgleich wird ausschließlich nach Absatz 6 berechnet, wenn der Antrag erstmalig nach dem 21. Dezember 2007 gestellt wird. Im Übrigen trifft die zuständige Behörde letztmalig zum Stichtag nach Satz 1 die Günstigkeitsfeststellung nach Absatz 3 und legt damit die für die Zukunft anzuwendende Berechnungsart fest.

(11) Wird durch nachträgliche schädigungsunabhängige Einwirkungen oder Ereignisse, insbesondere durch das Hinzutreten einer schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörung das Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger Tätigkeit voraussichtlich auf Dauer gemindert (Nachschaden), gilt statt dessen als Einkommen das Grundgehalt der Besoldungsgruppe der Bundesbesoldungsordnung A, der der oder die Beschädigte ohne den Nachschaden zugeordnet würde; Arbeitslosigkeit oder altersbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gilt grundsätzlich nicht als Nachschaden. Tritt nach dem Nachschaden ein weiterer schädigungsbedingter Einkommensverlust ein, ist dieses Durchschnittseinkommen entsprechend zu mindern. Scheidet dagegen der oder die Beschädigte schädigungsbedingt aus dem Erwerbsleben aus, wird der Berufsschadensausgleich nach den Absätzen 3 bis 8 errechnet.

(12) Rentenberechtigte Beschädigte, die einen gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehegatten oder Lebenspartners, einem Verwandten oder einem Stief- oder Pflegekind führen oder ohne die Schädigung zu führen hätten, erhalten als Berufsschadensausgleich einen Betrag in Höhe der Hälfte der wegen der Folgen der Schädigung notwendigen Mehraufwendungen bei der Führung des gemeinsamen Haushalts.

(13) Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ruht der Anspruch auf Berufsschadensausgleich in Höhe des durch die Erhöhung der Grundrente nach § 31 Abs. 1 Satz 1 erzielten Mehrbetrags. Entsprechendes gilt, wenn die Grundrente nach § 31 Abs. 4 Satz 2 erhöht worden ist.

(14) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen:

a)
welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist,
b)
wie der Einkommensverlust bei einer vor Abschluß der Schulausbildung oder vor Beginn der Berufsausbildung erlittenen Schädigung zu ermitteln ist,
c)
wie der Berufsschadensausgleich festzustellen ist, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung neben einer beruflichen Tätigkeit weitere berufliche Tätigkeiten ausgeübt oder einen gemeinsamen Haushalt im Sinne des Absatzes 12 geführt hätte,
d)
was als derzeitiges Bruttoeinkommen oder als Durchschnittseinkommen im Sinne des Absatzes 11 und des § 64c Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt und welche Einkünfte bei der Ermittlung des Einkommensverlustes nicht berücksichtigt werden,
e)
wie in besonderen Fällen das Nettoeinkommen abweichend von Absatz 8 Satz 1 Nr. 3 und 4 zu ermitteln ist.

(15) Ist vor dem 1. Juli 1989 bereits über den Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben entschieden worden, so verbleibt es hinsichtlich der Frage, ob Absatz 4 Satz 1 oder 3 anzuwenden ist, bei der getroffenen Entscheidung.

(16) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Verteidigung und mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des Absatzes 1 maßgebend sind, sowie die für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung nach § 1 Abs. 3 maßgebenden Grundsätze und die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und der Stufen der Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 aufzustellen und das Verfahren für deren Ermittlung und Fortentwicklung zu regeln.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.