Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Jan. 2017 - L 13 R 1206/13

bei uns veröffentlicht am25.01.2017
vorgehend
Sozialgericht München, S 4 KN 31/13, 18.11.2013

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. November 2013 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zuordnung der vom Kläger in P. vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 zurückgelegten Versicherungszeiten zur Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI.

Der im ... 1950 in P. geborene Kläger, anerkannter Spätaussiedler (Ausweis A), hat seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 8. Dezember 1986. Nach dem Besuch der Volksschule von 1957 bis 1964 hat er ausweislich der Bestätigung des polnischen Sozialversicherungsträgers vom 24. April 1987 vom 1. September 1964 bis 30. Juni 1969 das Bergbautechnikum in H. besucht und im Anschluss daran folgende Tätigkeiten ausgeübt:

3. Oktober 1969 bis 28. Februar 1971: Zimmermann untertage 1. März 1971 bis 14. Juli 1974: Betriebszimmermann untertage 15. Juli 1974 bis 24. Dezember 1983: Zimmermann untertage Darüber hinaus ist in dieser Bestätigung vermerkt, dass der Kläger vom 23. März bis 24. Dezember 1983 Krankengeld bezog und danach ab 25. Dezember 1983 BU-Rente (Invalidenrente) wegen eines Arbeitsunfalls. In der Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 24. Dezember 1983 habe er 3186 Schichten verrichtet, die zu 1 1/2 anzurechnen seien.

Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens gab der Kläger am 20. Dezember 1986 an, er habe vom 1. Oktober 1969 bis 25. Dezember 1983 eine Tätigkeit als Zimmermann in der Kohlengrube M. verrichtet und Schichtlohn erhalten.

Aus dem polnischen Legitimationsbuch geht für die Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 24. Dezember 1983 eine Tätigkeit als Zimmermann untertage hervor.

Mit Bescheid vom 11. Juli 1989 stellte die Beklagte den Versicherungsverlauf des Klägers gemäß § 108 h Abs. 3 RKG für die Zeiten bis 31. Dezember 1982 fest. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 8. November 1999 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 SGB VI die im beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als 6 Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31. Dezember 1992, als für die Beteiligten verbindlich fest, soweit sie nicht bereits früher festgestellt worden sind. Die in dem beigefügten Zuordnungsblatt eingetragenen rentenrechtlichen Zeiten würden in dem angegebenen Umfang anerkannt. Es seien Zeiten zurückgelegt worden, die nach bisherigen rentenrechtlichen Vorschriften berücksichtigt wurden. Diese Vorschriften seien geändert worden. Es sei geprüft worden, welche Zeiten nach den Neuregelungen anzurechnen sind. Sie seien in diesem Bescheid dargestellt. Bisherige Bescheide über die Berücksichtigung dieser Zeiten werden hiermit insoweit aufgehoben. Aus dem Bescheid geht hervor, dass die Zeit vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 4 zugeordnet worden ist.

Mit Schreiben vom 19. März 2008 begehrte der Kläger eine Überprüfung seiner Einstufung in Qualifikationsgruppen. Er habe das Berufstechnikum abgeschlossen und müsse daher in die Qualifikationsgruppe 2 eingestuft werden. Er legte eine Bescheinigung des hessischen Kultusministers vom 7. September 1987 vor. Daraus geht hervor, dass der Kläger am Bergbautechnikum Fachrichtung Bergbauwesen in H. eine Ausbildung als Bergbautechniker abgeschlossen habe (nachgewiesen durch das Reifezeugnis). Er sei damit berechtigt, die Berufsbezeichnung „Staatlich geprüfter Techniker Fachrichtung Bergbautechnik“ zu führen.

Der Überprüfungsantrag wurde mit Bescheid vom 27. März 2008 abgelehnt. Es müsse nachgewiesen werden, dass eine der Qualifikation entsprechende Tätigkeit auf Technikerniveau tatsächlich ausgeübt worden sei. Nach den vorliegenden Arbeitsbescheinigungen sowie der Bestätigung des polnischen Rentenversicherungsträger habe er vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 jedoch durchgehend die Facharbeitertätigkeit als Zimmermann/Betriebszimmermann untertage ausgeübt. Es verbleibe daher bei der Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit weiterem Bescheid vom 9. Juni 2009 stellte die Beklagte erneut den Versicherungsverlauf gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI fest. Für die Zeit vom 1. September 1964 bis 17. April 1967 könnten wegen einer Rechtsänderung die bisher vorgemerkten Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung nicht mehr berücksichtigt werden.

Der hiergegen erhobene, nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung der hiergegen zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage (Az. S 4 KN 197/09) verwies der Kläger auf seine in P. absolvierte Ausbildung zum Bergbautechniker. Techniker seien in die Qualifikationsgruppe 2 einzustufen. Zwar sei die Tätigkeit des Klägers im betroffenen Zeitraum als Zimmermann bzw. als Betriebszimmermann bezeichnet worden. Der Kläger sei aber nicht lediglich als Facharbeiter im Einsatz gewesen, sondern habe Aufsichtsaufgaben innegehabt. Insbesondere sei er aufgrund seiner Ausbildung und Qualifikation als Vorarbeiter beschäftigt worden. Er habe deswegen täglich ca. 1,5 Stunden vor dem jeweiligen Untertageeinsatz an Betriebsbesprechungen teilgenommen, in denen die Tagesaufgaben verteilt worden seien. Anschließend habe er als Vorarbeiter den einzelnen Bergleuten ihre Aufgaben in seiner Gruppe zugeteilt. Während des Einsatzes sei er befugt gewesen, die Ausführung der Aufgaben zu kontrollieren. Für die Sicherheit am Arbeitsplatz sei er ebenfalls verantwortlich gewesen. Nach der Durchführung des Tageseinsatzes sei es seine Aufgabe gewesen, entsprechende Berichte über die ausgeführten Einsätze zu schreiben und diese an die Hauptaufsichtsperson weiterzugeben. Er habe auch die Verantwortung dafür getragen, dass alle Mitarbeiter ihrer Gruppe eine Einsatzmarke ausgehändigt erhielten bzw. sie diese nach ihrem Einsatz wieder zurückgegeben haben. Er habe also beaufsichtigt, ob alle Mitarbeiter aus ihrem Einsatz zurückkommen. Außerdem habe er ca. einmal wöchentlich die Mitarbeiter seiner Gruppe hinsichtlich der Sicherheitsvorkehrungen und Vorschriften zu unterrichten gehabt. Er habe aufgrund seiner Qualifikation eine Vorarbeiterfunktion innegehabt.

Die Klage wurde vom Kläger im Termin vom 16. November 2010 zurückgenommen, nachdem der Vorsitzende darauf hingewiesen hatte, dass die Klage unzulässig sei, weil der Kläger hinsichtlich seines Antrags mit dem Bescheid vom 9. Juni 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2009 nicht beschwert sei. Die streitgegenständlichen Zeiten seien bereits mit Feststellungsbescheid vom 8. November 1999 bestandskräftig festgestellt worden.

Mit Schreiben vom 20. Juli 2011 begehrte der Kläger erneut die Überprüfung des Versicherungsverlaufs und die Einstufung in die Qualifikationsgruppe 2. Es wurden Erklärungen von drei ehemaligen Mitarbeitern der Kohlengrube M., den Herren E., F. und C. vorgelegt. Daraus ergäben sich das Ausmaß der Aufgaben des Klägers sowie seine Position in der betrieblichen Hierarchie.

Aus der Erklärung des Herrn E. vom 24. Mai 2011 geht hervor, er sei vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 Mitarbeiter in dem Steinkohlenbergwerk M. gewesen. Seitdem habe er den Kläger gekannt. Der Kläger sei in diesem Zeitraum als Zimmerhauer beschäftigt gewesen. Es sei bekannt, dass der Kläger das Bergbautechnikum beendet und an Berufsfortbildungslehrgängen oder Lehrgängen zum Zweck der Qualifikationserhöhung teilgenommen habe. In Anbetracht der Ausbildung als Bergbautechniker habe er in der Aufsicht gearbeitet. In Anbetracht der Ausbildung seien ihm Aufgaben mit einem Schwierigkeitsgrad und dem Verantwortlichkeitsbereich anvertraut worden, die für Personen mit seiner technischen Ausbildung vorgesehen gewesen seien. Er habe an Besprechungen vor seiner Schicht, vor der täglichen Arbeitsaufnahme teilgenommen (ca. 1,5 Stunden). Vor der Einfahrt habe er die Zuteilung der Arbeitnehmer und der Arbeit für die einzelnen Posten der Arbeitsverrichtung untertage vorgenommen. Er habe sich mit der Verantwortung für den Arbeitsschutz befasst, nach der Ausfahrt über Tage schriftliche Berichte für die höhere Aufsicht verfasst. Er habe auch Belegschaftsschulungen im Bereich des Arbeitsschutzes und der Arbeitshygiene durchgeführt. Es sei oft vorgekommen, dass Aufsichtsarbeitnehmer als einfache Arbeitnehmer geführt worden seien. Tatsächlich hätten sie jedoch andere, höhere Funktionsposten bekleidet als die, die aus der Lohn-Personal-zuordnung ersichtlich gewesen seien. Soweit ihm bekannt sei, habe eine solche Situation über einen gewissen Zeitraum hindurch auch beim Kläger stattgefunden.

Herr F. erklärte, der Kläger sei in den siebziger Jahren sein Vorgesetzter als mittlere Aufsicht gewesen. Er habe das Bergbautechnikum beendet und Arbeiten als mittlere Aufsicht verrichtet, obwohl er keine Ernennung besessen habe. Als Arbeitnehmer der mittleren Aufsicht habe er an den täglichen Abfertigungen teilgenommen und die Arbeitnehmer untertage für die täglichen Aufgaben vorbereitet.

Herr C. führte aus, er kenne den Kläger seit 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983. In diesem Zeitraum sei der Kläger als Betriebszimmermann beschäftigt gewesen. Im Übrigen finden sich - in einer fast wortgleichen Erklärung - dieselben Ausführungen wie bei Herrn E …

In einem von der Beklagten übermittelten Fragebogen gab der Kläger an, die Beschäftigung im strittigen Zeitraum sei nur untertage im Dreischichtenmodell verrichtet worden. Er habe Barlohn zzgl. 8 t Kohle pro Jahr und eine Leistungszulage einmal im Quartal erhalten. Er habe Aufsichts- und Dispositionsbefugnisse gegenüber anderen Beschäftigten gehabt. Seiner Aufsicht hätten 20-30 Facharbeiter/angelernte Kräfte unterstanden. Er habe ausschließlich Überwachungstätigkeiten ausgeführt. Zu seinen Pflichten habe gehört:

– Teilnahme bei der Vorschicht-Abfertigung vor dem Arbeitsbeginn (1,5 Stunden vor den Einfahrten untertage) - Arbeits- und Beschäftigtenverteilung auf einzelne Posten - Kontrolle der Posten und der ausgeübten Arbeit untertage, Kontrolle der Arbeitssicherheit - Nach der Ausfahrt: Schreiben der Berichte über ausgeübte Arbeiten und Beratung im Büro der höheren Aufsicht - Prüfung der Markenkontrolle, ob alle Beschäftigte von untertage ausgefahren sind. Außerdem habe die Schulung der Mannschaft aus dem Bereich Arbeitsschutz und Arbeitshygiene einmal in der Woche zu seinen Pflichten gehört.

Das Reifezeugnis eines Technikums vom 20. September 1969 wurde vorgelegt. Danach hat der Kläger das Recht erworben, den Titel eines Bergbautechnikers zu führen.

Die Beklagte legte daraufhin die eigenen Angaben des Klägers sowie die drei Zeugenaussagen dem polnischen Versicherungsträger vor und bat um Mitteilung, ob statt der Tätigkeit als Zimmermann untertage tatsächlich die Tätigkeit als Aufseher verrichtet worden sei. Der polnische Versicherungsträger antwortete, in dem Archiv der Grube befinde sich keine Dokumentation, die bestätige, dass der Kläger während der Beschäftigung als Zimmermann untertage die Arbeit als Aufseher durchgeführt habe. Aus der Lohndokumentation gehe auch nicht hervor, dass der Kläger die Aufsichtsarbeiten über die Arbeiter durchgeführt habe. Die übersandten Kopien der Zeugenaussagen könnten als Beweismittel für die Durchführung der Änderung der Eintragung im Bereich der Tätigkeit nicht verwendet werden.

Mit Bescheid vom 16. August 2012 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Der polnische Versicherungsträger habe anhand der Personalakte und Lohndokumentation des Klägers die Tätigkeit als Aufseher nicht bestätigt. Auch habe der Kläger laut Arbeitsbescheinigung 1 1/2 fache Schichten in dem besagten Zeitraum zurückgelegt. Zudem habe er am 13. April 1983 einen Arbeitsunfall erlitten, der nach seinen eigenen Angaben beim Heben eines Kohletransportes geschehen sei. Diese beiden Tatsachen sprächen der Annahme der Tätigkeit eines Aufsehers entgegen.

Der hiergegen erhobene, nicht begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2012 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben, das den Rechtsstreit zuständigkeitshalber an das SG verwiesen hat. Zur Begründung ist ausgeführt, der Kläger sei Bergbautechniker und habe die Prüfung am ... in P. erfolgreich bestanden. Er habe auch eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Dies ergebe sich aus den Aussagen der ehemaligen Mitarbeiter E., F. und C …

Mit Bescheid vom 23. Mai 2013 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit ab dem 1. Mai 2013. In der Rechtsmittelbelehrungwurde auf das Rechtsmittel des Widerspruchs hingewiesen. Dieser wurde vom Kläger mit Schreiben vom 14. Juni 2013 eingelegt. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 erklärte die Beklagte, der Altersrentenbescheid sei Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden.

In der mündlichen Verhandlung am 18. November 2013 hat der Kläger erklärt, er habe während seiner gesamten Zeit in P. die gleichen Tätigkeiten ausgeübt. Er habe als Aufseher in einer Schicht gearbeitet. Körperliche Tätigkeiten als Zimmermann habe er nicht ausgeübt. Sein Vorgesetzter sei ein Schichtsteiger gewesen. Für ihn habe er in einem Abschnitt die Aufsicht ausgeübt. Sein Arbeitstag habe mindestens 11 Stunden gehabt, die normalen Zimmermänner hätten nur 7,5 Stunden täglich gearbeitet. Er habe einen weißen Helm getragen; dies habe einen Aufseher symbolisiert. Die Zimmermänner hätten braune Helme getragen. Der Unfall habe sich wie folgt ereignet: er habe gesehen, wie die Kohle vom Band gefallen sei und habe dann geholfen, diese wieder auf das Band zu heben. Dabei habe er sich an der Wirbelsäule verletzt. Vor und nach jeder Schicht habe er im Büro über Tage gearbeitet. Er habe vom Obersteiger im Beisein des Schichtsteigers Anweisungen erhalten und habe ihm Bericht gegeben. Er habe erst nach Hause gehen dürfen, wenn alle Arbeiter ihre Marken abgegeben hätten. Die polnischen Zeugenaussagen seien von den Zeugen persönlich geschrieben worden. Er habe ihnen eine Vorlage unterbreitet.

Mit Urteil vom 18. November 2013 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Bescheid vom 8. November 1999 abzuändern und die Zeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 in die Qualifikationsgruppe 2 einzustufen.

Der Altersrentenbescheid sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden, da dieser Bescheid den Bescheid vom 16. August 2012 weder abändere noch ersetze. Der streitgegenständlichen Bescheid sei rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen vor. Der Kläger habe eine seiner Qualifikation als Techniker entsprechende Tätigkeit ausgeübt. Eine reine Aufsichtstätigkeit auf der mittleren Ebene im Bergbau nach Abschluss des Bergbautechnikums sei der Qualifikationsgruppe 2 zuzuordnen. Bei Zugrundelegung der eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sei es überwiegend wahrscheinlich, dass dieser ausschließlich Aufgaben der mittleren Aussicht ausgeübt habe. Zwar habe der polnische Versicherungsträger nur Tätigkeiten als Zimmermann untertage bescheinigt. Die eigenen Angaben des Klägers seien jedoch überzeugender bzw. zumindest überwiegend wahrscheinlich. Seine Angaben seien stimmig und sehr gut nachvollziehbar gewesen. Auch habe er offen zugegeben, dass er den Text der Zeugenaussage auf Anraten seines Bevollmächtigten vorformuliert habe. Dies spreche für seine Ehrlichkeit. Er sei zwar als Zimmermann untertage in der Personalverwaltung geführt worden, weil unter anderem bei seinem Eintreten in den Betrieb keine Stelle als Schichtsteiger frei gewesen sei. Auch habe er später nicht als Steiger eingestuft werden wollen, da dies einen Beitritt in die Kommunistische Partei erfordert hätte. Dies wollte er seinem Vater nicht zumuten. Er habe mit Details belegen können, dass er ausschließlich aufsichtsführende Tätigkeiten als Gehilfe des Schichtsteigers verrichtet habe. Hierfür sprächen die unterschiedlichen Helmfarben, die Vor- und Nachbesprechungen beim Obersteiger und die vergleichsweise langen täglichen Arbeitszeiten. Auch sei es grundsätzlich wahrscheinlich, dass ein Arbeitnehmer entsprechend seiner Ausbildung eingesetzt werde. Die Angaben des Klägers in Hinblick auf den Arbeitsunfall und die Anrechnung von eineinhalbfachen Schichten stünden einer Tätigkeit der mittleren Aufsicht nicht entgegen. Der Kläger sei tatsächlich überwiegend und für die ganze Dauer einer Schicht untertage tätig gewesen. Damit rechtfertige sich auch die eineinhalbfache Anrechnung. Der Arbeitsunfall sei nur anlässlich einer Hilfestellung eingetreten. Im Übrigen habe der Kläger keine körperlichen Arbeiten verrichtet. Es sei üblich, dass aufsichtsführende Mitarbeiter bei Notfällen helfend und dann auch mit körperlicher Arbeit unterstützend eingreifen.

Hiergegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, der Kläger verfüge zwar über eine Qualifikation im Sinne der Qualifikationsgruppe 2. Fraglich sei jedoch, ob er entsprechende Tätigkeiten verrichtet habe. Nach seinen eigenen Angaben im Rahmen des Zuzugs habe er die Tätigkeit als Zimmermann untertage verrichtet. Dies entspreche den Eintragungen im polnischen Legitimationsbuch, in der Arbeitsbescheinigung vom 7. April 1987 und der Auskunft des polnischen Versicherungsträgers vom 24. April 1987. Diesen Urkunden sei der Vorzug zu geben gegenüber der eidesstattlichen Versicherung des Klägers. Die vorgelegten Zeugenerklärungen seien kaum verwertbar. Die Aussagekraft werde dadurch erschüttert, dass sie vom Kläger selbst vorgefertigt gewesen seien. Der polnische Versicherungsträger habe nach deren Auswertung erklärt, nach Kontaktaufnahme mit der ehemaligen Arbeitgeberin des Klägers könne eine aufsichtsführende Beschäftigung nicht bestätigt werden. Damit bestünden Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Vortrags des Klägers.

Der Kläger hat sich den Ausführungen des SG angeschlossen. Die Zeugenerklärungen stünden nicht im Widerspruch zu der bisherigen Arbeitsbescheinigung des Klägers. Vielmehr würden sie den Sachverhalt ergänzen und vervollständigen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 11. Oktober 2016 den Zeugen F. und in der mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2017 den Zeugen C. jeweils uneidlich einvernommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 18. November 2013 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 23. Mai 2013 zu verurteilen, die Versicherungszeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen und Leistungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, da die zulässige Klage unbegründet ist. Der Kläger hat entgegen der Annahme des SG keinen Anspruch auf Zuordnung der Versicherungszeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 zur Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI und Zahlung einer dementsprechend höheren Altersrente. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Streitgegenstand ist nur noch der Bescheid vom 23. Mai 2013 über die Gewährung von Altersrente an den Kläger, der gemäß § 96 SGG an die Stelle des ursprünglich angefochtenen Überprüfungsbescheids vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2012 getreten ist.

Gemäß § 96 Abs. 1 SGG wird nach Klageerhebung ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt.

Ursprünglich angefochtener Bescheid war der Bescheid vom 16. August 2012. Inhalt der Regelung dieses Bescheids war die Ablehnung des Antrags des Klägers, den Bescheid vom 8. November 1999 teilweise zurückzunehmen und die Versicherungszeiten vom 3. Oktober 1969 bis 31. März 1983 der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI zuzuordnen. Diese Regelung wurde durch den Rentenbescheid vom 23. Mai 2013 ersetzt. Ein Ersetzen im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn ein neuer Verwaltungsakt ganz an die Stelle des alten tritt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 96 Rn 4a). Der Rentenbescheid vom 23. Mai 2013 ist - nach Erlass des Widerspruchsbescheids - ganz an die Stelle sowohl des bestandskräftig gewordenen Vormerkungsbescheids vom 8. November 1999 als auch des ablehnenden Überprüfungsbescheids vom 16. August 2012 getreten. Zwar handelt es sich bei der Feststellung des Tatbestand einer rentenrechtlichen Zeit sowie der Ablehnung, eine bereits bestandskräftig gewordene Feststellung zurückzunehmen und durch eine andere zu ersetzen, und der Rentenwertfestsetzung unter Berücksichtigung auch dieser Zeit nicht um identische Regelungsgegenstände. Sie stehen jedoch in einem Verhältnis sachlicher und zeitlicher Exklusivität zueinander. Vor dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung darf der Rentenversicherungsträger nicht über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten entscheiden (§ 149 Abs. 5 Satz 3 SGB VI) und den Rentenwert bestimmen. Ab dem Zeitpunkt der Feststellung einer Leistung wiederum erledigen sich Vormerkungsbescheide gemäß § 39 Abs. 2 SGB X auf andere Weise und dürfen durch weitere Feststellungen einzelner wertbestimmender Elemente von vornherein nicht mehr ersetzt werden. Nach Erlass seines Rentenbescheids besteht kein Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf einen Vormerkungsbescheid mehr; ein solches Verfahren ist vielmehr unzulässig (vgl. BSG, Urteil vom 6. Mai 2010, B 13 R 118/08 R). Das Begehren des Klägers zielte auch - ungeachtet der Fassung seines Antrags vor dem SG in der mündlichen Verhandlung (§ 123 SGG) - ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheids in Wirklichkeit auf dessen Anfechtung und die Verurteilung der Beklagten im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) zu einer höheren Rentenleistung.

Die Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 ist zulässig. Insbesondere wurde ein Widerspruchsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Der erneuten Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegen den die ursprünglich angefochtenen Bescheide ersetzenden Rentenbescheid bedurfte es nicht.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Der Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung und Bewertung der von ihm in P. zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten richtet sich nach dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen - DPSVA - vom 9. Oktober 1975, da die Wohnsitzverlegung des Klägers in das Bundesgebiet am 8. Dezember 1986 und damit vor dem 1. Januar 1991 erfolgte, der Kläger sich seitdem im Bundesgebiet aufhält und die strittige Beitragszeit im zeitlichen Anwendungsbereich des DPSVA 1975 liegt (vgl. Art. 27 Abs. 2 bis 4 DPSVA 1990). Dieses Abkommen gilt auch nach dem Beitritt Polens zur Europäischen Union am 1. Mai 2004 fort (vgl. Art. 8 Abs. 1 S. 2 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 in Verbindung mit Anhang II dieser Verordnung, wonach der Rechtsstatus auf der Grundlage des Abkommens von 1975 der Personen beibehalten wird, die vor dem 1. Januar 1991 ihren Wohnsitz auf dem Hoheitsgebiet Deutschlands oder Polens genommen hatten und weiterhin dort ansässig sind).

Nach Art. 4 DPSVA 1975 gilt für Abkommenszeiten das Prinzip der Eingliederung in das innerstaatliche System der sozialen Sicherheit des Wohnsitzlandes. Der die Rente gewährende Versicherungsträger des Wohnsitzlandes rechnet nach den für ihn geltenden Vorschriften im anderen Staat zurückgelegte Versicherungszeiten, Beitragszeiten und diese gleichgestellte Zeiten so an, als ob sie im Wohnsitzland zurückgelegt worden wären (Art. 4 Abs. 1 DPSVA 1975). Gemäß Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 vom 12. März 1976 (BGBl II 393) in der Fassung durch Art. 20 Nr. 2 und 3 des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) sind diese Zeiten bei Feststellungen einer Rente nach dem 30. Juni 1990 in unmittelbarer Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG), dessen Art. 1 das Fremdrentengesetz (FRG), bildet, zu berücksichtigen.

Darüber hinaus finden die Bestimmungen des FRG auf den Kläger unmittelbar Anwendung, da er als Spätaussiedler anerkannt ist (vgl. § 1 Abs. 1 a FRG).

Gemäß § 22 Abs. 1 FRG i.V.m. § 256 b Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind die Entgeltpunkte für den Kläger nach Durchschnittsverdiensten zu ermitteln, die sich nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 genannten Bereiche ergeben. Damit hat der Gesetzgeber für die Versicherten aus den Herkunftsgebieten die Tabellenwerke übernommen, die den Einkommensverhältnissen sowie den Ausbildungs- und Fortbildungsstrukturen der ehemaligen DDR angepasst waren.

In die „Qualifikationsgruppe 2 Fachschulabsolventen“ sind einzuordnen:

1. Personen, die an einer Ingenieur- oder Fachschule in einer beliebigen Studienform oder extern den Fachschulabschluss entsprechend den geltenden Rechtsvorschriften erworben haben und denen eine Berufsbezeichnung der Fachschulausbildung erteilt worden ist 2. -(betrifft Beitrittsgebiet) 3. Personen, die an staatlich anerkannten mittleren und höheren Fachschulen außerhalb des Beitrittsgebiets eine Ausbildung abgeschlossen haben, die der Anforderung des Fachschulabschlusses im Beitrittsgebiet entsprach, und ein entsprechendes Zeugnis besitzen 4. Technische Fachkräfte, die berechtigt die Berufsbezeichnung „Techniker“ führten, sowie Fachkräfte, die berechtigt eine dem Techniker gleichwertige Berufsbezeichnung entsprechend der Systematik der Berufe im Beitrittsgebiet (z. B. Topograph, Grubensteiger) führten.

Eine Einstufung in „Qualifikationsstufe 3 Meister“ kommt für Personen in Betracht, die einen urkundlichen Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister bzw. als Meister des Handwerks besitzen beziehungsweise denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Qualifikation als Meister zuerkannt wurde. Hierzu zählen nicht in Meisterfunktion eingesetzte oder den Begriff „Meister“ als Tätigkeitsbezeichnung führende Personen, die einen Meisterabschluss nicht haben (z. B. Platzmeister, Wagenmeister).

In die „Qualifikationsgruppe 4 Facharbeiter“ sind nach der Anlage 13 zum SGB VI Personen eingeordnet, die über die Berufsausbildung oder im Rahmen der Erwachsenenqualifizierung nach abgeschlossener Ausbildung in einem Ausbildungsberuf die Facharbeiterprüfung bestanden haben und im Besitz eines Facharbeiterzeugnisses (Facharbeiterbrief) sind oder denen auf Grund langjähriger Berufserfahrung entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen im Beitrittsgebiet die Facharbeiterqualifikation zuerkannt worden ist. Hierzu zählen nicht Personen, die im Rahmen der Berufsausbildung oder der Erwachsenenqualifizierung auf Teilgebieten eines Ausbildungsberufes entsprechend der Systematik der Ausbildungsberufe im Beitrittsgebiet ausgebildet worden sind.

Nach S. 1 der Anlage 13 sind Versicherte in eine der Qualifikationsgruppen einzustufen, wenn sie deren Qualifikationsmerkmale erfüllen und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt haben.

Bei der Einstufung in Qualifikationsgruppen ist zunächst zu untersuchen, welches Qualifikationsniveau der Versicherte im Herkunftsgebiet erworben hat. Dann ist festzustellen, ob das im Herkunftsgebiet erworbene Qualifikationsniveau einem Qualifikationsniveau der DDR entspricht, wie es in den Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum SGB VI geschrieben ist (BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03 R, in juris).

Der Kläger verfügt im Sinne des Satzes 1 der Anlage 13 über eine formelle Qualifikation als Techniker im Sinne der der Qualifikationsgruppe 2. Dies steht für den Senat fest aufgrund des vom Kläger vorgelegten Reifezeugnisses vom 20. September 1969. Danach hat der Kläger das Recht erworben, den Titel eines Bergbautechnikers zu führen. Dieser in P. erworbene Technikerabschluss entspricht auch - übertragen auf die Verhältnisse der ehemaligen DDR - einem dort erlangten Abschluss als Techniker. Denn aufgrund der „Vereinbarung zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Volksrepublik P. über die Äquivalenz der Dokumente der Bildung und akademischen Grade und Titel, die in der DDR und in der Volksrepublik P. ausgestellt bzw. verliehen werden“ vom 24. Februar 1977 war ein polnischer Technikerabschluss einem DDR- Technikerabschluss gleichgestellt. Da sich in den Qualifikationsgruppen die DDR-Verhältnisse widerspiegeln, ist es auch gerechtfertigt, diese in der ehemaligen DDR geltenden Abkommensregelungen über die Gleichwertigkeit von Ausbildungsabschlüssen zu übernehmen (ebenso Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. März 2002, L 13 KN 6/99, wonach zur Frage der Gleichwertigkeit von Bildungsabschlüssen auf die bilateralen Abkommen der DDR zurückgegriffen werden kann).

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen vor dem SG und dem erkennenden Senat ist jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger im Sinne des Satzes 1 der Anlage 13 auch eine „entsprechende“ Tätigkeit ausgeübt hat.

Für die Feststellung, dass ein Versicherter eine seiner formellen Qualifikation „entsprechende Tätigkeit“ ausgeübt hat, ist ausreichend, dass die verrichtete Tätigkeit im Wesentlichen der erworbenen Qualifikation entspricht (BSG, Urteil vom 12. November 2003, B 8 KN 2/03, in juris). Aus der Bezugnahme auf den „Grubensteiger“ als eine Berufsbezeichnung, die dem des Technikers gleichwertig ist, im Rahmen der Qualifikationsgruppe 2 lässt sich ableiten, dass im Bereich des Bergbaus tatsächlich Tätigkeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet worden sein müssen, damit von einer dem Berufsabschluss „Techniker“ entsprechenden Tätigkeit gesprochen werden kann. Der Steiger ist auch im polnischen Bergbau eine Aufsichtsperson, die Verantwortung für einen Teil des Bergwerks und die ihm unterstellten Personen trägt. Eine Tätigkeit als verantwortlicher Aufseher mit überwachenden und planenden Arbeiten ohne prägende persönliche, zimmermannstypische handwerkliche Mitarbeit würde diesem Tätigkeitsbild eines Grubensteigers entsprechen. Unabdingbar hierfür ist die Übernahme von Verantwortung dafür, dass die bergmännischen Arbeiten in dem jeweiligen Zuständigkeitsgebiet des Grubenbetriebs fachgerecht und störungsfrei durchgeführt werden.

Kennzeichnend für Tätigkeiten im Sinne der von der Beklagten angenommenen Qualifikationsgruppe 4 ist hingegen die eigenhändige und selbstständige Verrichtung von Zimmermannsarbeiten auf einem Niveau, das grundsätzlich eine mehr als 2-jährige Ausbildung voraussetzt.

Für die Frage, welche Tätigkeiten der Kläger tatsächlich ausgeführt hat, ist nicht ein Nachweis im Sinne einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit erforderlich. Ausreichend ist vielmehr, dass der Kläger glaubhaft macht (§ 4 FRG), Arbeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet zu haben.

Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken soll, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind.

Bei Berücksichtigung der vom Kläger selbst gemachten Aussagen, der Angaben in seinem Legitimationsbuch, der Auskünfte des polnischen Sozialversicherungsträgers, der schriftlichen Zeugenaussagen sowie der vor dem Senat abgegebenen Aussagen der erreichbaren Zeugen F. und C. ist es für den Senat nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Kläger tatsächlich im strittigen Zeitraum Tätigkeiten auf dem Niveau eines Steigers verrichtet hat.

Gegen die vom Kläger geltend gemachte Verrichtung von Überwachungstätigkeiten sprechen schon sehr deutlich seine eigenen Angaben im Kontenklärungsverfahren. Dort hatte er nicht angegeben, ausschließlich Aufsichtstätigkeiten verrichtet zu haben. Vielmehr hat er hier erklärt, als „Zimmermann“ tätig gewesen zu sein.

Auch später ist noch ausgeführt worden, der Kläger sei als „Vorarbeiter“ eingesetzt gewesen. Diese Selbstbeschreibung spricht für eine herausgehobene Position unter den Facharbeitern („primus inter pares“), da auch ein Vorarbeiter - wie sich auch schon aus der Bezeichnung ergibt - üblicherweise noch selbst Arbeiten verrichtet, und nicht nur Überwachungstätigkeiten ohne eigene Mitarbeit ausübt. Auch der Zeuge C. hat angegeben, dass Vorarbeiter noch selbst körperlich mitgearbeitet haben. Diese frühen Angaben des Klägers haben für den Senat einen hohen Beweiswert, da sie zum einen im Unterschied zu der späteren Behauptung einer Tätigkeit als Aufseher noch nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Begehren (Einstufung in eine höhere Qualifikationsgruppe) gemacht wurden und es zum anderen nicht der Lebenserfahrung entspricht, dass man sich bei der Angabe seiner eigenen beruflichen Tätigkeiten abqualifiziert.

Darüber hinaus sprechen die übereinstimmenden Angaben im Legitimationsbuch sowie die Auskünfte des polnischen Sozialversicherungsträgers gegen die spätere Behauptung des Klägers, er sei ausschließlich als Aufsichtsperson tätig gewesen. Hier ist übereinstimmend von einer Tätigkeit als (Betriebs) Zimmermann die Rede. Die Eintragung „Aufsichtsperson“ oder "(Gruben) Steiger findet sich an keiner Stelle. Der polnische Sozialversicherungsträger hat seine Angaben auch nach Vorlage der Zeugenerklärungen und Nachfrage beim Arbeitgeber des Klägers nicht revidiert.

Der Umstand, dass vom polnischen Arbeitgeber bestätigt worden ist, der Kläger habe im streitigen Zeitraum überwiegend 1 1/2 fache Schichten verfahren, spricht ebenfalls gegen die Verrichtung von Aufsichtstätigkeiten. Nach polnischem Recht hat eine 1 1/2 fache Anrechnung zu erfolgen, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die im Rundschreiben Nr. 2 des polnischen Ministers für Bergbau und Energie vom 23. Februar 1970 (Rundschreiben) aufgrund des § 5 der „Verordnung des Vorsitzenden des Komitees für Arbeit und Entlohnung vom 22. Oktober 1968 über die Bestimmung einiger Arbeitsposten, deren Beschäftigungsausführung als eine Bergbautätigkeit angesehen wird, die zum Empfang von Bergmannsruhegeld oder Bergmannsrente berechtigt“ (V. 1968) sowie - für Zeiten ab 1. Januar 1983 - der Verordnung des polnischen Ministers für Arbeit, Löhne und soziale Angelegenheiten vom 21. Januar 1984 (Verordnung 1984; vgl. Poletzky, Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik P., 2. Aufl. 1990, S. 335, 329; vgl. BSG, Urteil vom 29. September 1997, Az. 8 RKn 16/96, in juris Rn. 27), aufgeführt sind.

Gemäß § 1. 1 Nr. 10 Rundschreiben gelten als Beschäftigungszeiten, die gemäß Verordnung (1968) eineinhalbfach bei der Bemessung des Bergmanns-Ruhegeldes oder der Bergmannsrente anrechenbar sind, Beschäftigungszeiten nach der Befreiung auf den nachstehend aufgeführten Arbeitsposten: Bergmann-Zimmermann und Füller vor Ort und im Querschlag beim Umlegen, im Trockenversatz und im hydraulischen und pneumatischen Versatz.

Soweit der Kläger als Zimmermann untertage tätig war, ist damit die Anrechnung eineinhalbfacher Anrechnung nachvollziehbar. Reine aufsichtsführende Tätigkeiten sind jedoch in § 1. 1 Rundschreiben nicht genannt. Damit ist nicht plausibel, warum dem Kläger vom polnischen Sozialversicherungsträger eineinhalbfach anzurechnende Schichten bestätigt worden sind, wenn er rein aufsichtsführend tätig war.

Aus der Verordnung 1984 geht aus § 2 hervor, dass als Zeiten der Arbeit unter Tage wie auch in Schwefelbergwerken im Sinne des Art. 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Rentenversorgung der Arbeitnehmer und ihrer Familien vom 1. Februar 1983 (Gesetz 1983) Arbeitszeiten an den Arbeitsplätzen angesehen werden, die in dem als Anlage Nr. 2 dieser Verordnung beigefügten Verzeichnis aufgeführt sind. Unter der Anlage Nr. 2 (Verzeichnis derjenigen Arbeitsplätze, an denen die Arbeitszeit untertage sowie in Schwefelbergwerken eineinhalbfach angerechnet wird) ist unter der Nr. 8 der Bergmann-Zimmermann, Füller, Ausbauer, die vor Ort beim Verlegen von Förderanlagen, beim Bau von Versatzdämmen beim Umbau von Versatzrohrleitungen sowie beim Abbauversatz beschäftigt sind, aufgeführt. Auch hier findet sich kein Hinweis auf Aufsichtstätigkeiten.

Diesbezüglich findet sich nur in § 3 folgende Regelung: „Als Arbeitnehmer der Bergwerksbetriebsaufsicht und -leitung, die mindestens die Hälfte der Arbeitstage im Monat untertage oder in Schwefelbergwerken arbeiten und denen die Zeiten der Zugehörigkeit zu Rettungsmannschaften oder der Arbeit als Mechaniker für die Rettungsgeräte nach Art. 6 Abs. 2 des Gesetzes 1983 eineinhalbfach angerechnet werden, werden Arbeitnehmer angesehen, die in dem als Anlage Nr. 3 dieser Verordnung beigefügten Verzeichnis aufgeführt sind.“ In der Anlage 3 finden sich dann alle Steiger, sowie Aufsichtsmeister der Abteilungen unter anderem für Schachten sowie andere Bedienstete der Betriebsaufsicht und Betriebsleitung von Gruben, die eine entsprechende Genehmigung des Bergamtes besitzen.

Daraus folgt jedoch nur, dass derartigen Aufsichtspersonen eineinhalbfach Schichten nur insoweit angerechnet worden sind, als sie zu Rettungsmannschaften zugehörig waren oder als Mechaniker für die Rettungsgeräte eingesetzt wurden. Dies ist beim Kläger aber nicht der Fall.

Die schriftlichen Zeugenaussagen sprechen zwar für die Behauptung des Klägers, als Aufseher tätig gewesen zu sein. Ihre Glaubwürdigkeit leidet aber darunter, dass der Kläger diese Aussagen nach seinen eigenen Angaben vorformuliert hat.

Die Aussagen der in den mündlichen Verhandlungen am 16. Oktober 2016 und 25. Januar 2017 uneidlich einvernommenen Zeugen F. und C. vermochten den Senat ebenfalls nicht davon zu überzeugen, dass der Kläger im strittigen Zeitraum eine Tätigkeit als verantwortlicher Aufseher auf dem Niveau eines Steigers mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeübt hat.

Am ehesten für den Kläger sprechen die Aussagen des Zeugen C … Dieser hat angegeben, der Kläger sei als „Starzysta“ tätig gewesen, habe dabei 10 bis 20 Leute unter sich gehabt. Er sei für diese verantwortlich gewesen. Die Verantwortung für die Schicht habe beim Steiger gelegen. Steiger und „Starzysta“ hätten nicht körperlich mitgearbeitet. Ein „Starzysta“ sei ein Steiger in einer Art Probezeit ohne behördliche Genehmigung gewesen. Unterhalb der „Starzysta“ habe es noch Vorarbeiter gegeben, die körperlich mitgearbeitet hätten. Um „Starzysta“ zu werden, habe man die Ausbildung zum Techniker im Bergbau benötigt. Für körperlich Arbeitende seien Schichten bis zu 1,8 fach angerechnet worden. Auch die „Starzysta“ seien so behandelt worden, sie seien ja auch als Zimmermänner geführt worden. Steiger hätten diese Vergünstigungen nicht bekommen.

Die Glaubwürdigkeit des Zeugen C. leidet allerdings nach der Einschätzung des Senats darunter, dass der Kläger ausweislich seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2017 mit dem Zeugen C. über das Verfahren gesprochen und ihn auch über die Aussagen des Zeugen F. informiert hat, wenn auch nicht in allen Details. Der Zeuge C. wiederum hat angegeben, „er sei gestern mit dem Kläger noch mal durchgegangen, was in der Erklärung vom Mai 2011 stehe. Er wisse von der Aussage des Zeugen F., könne sich aber nicht an Einzelheiten erinnern. Er habe mit dem Kläger darüber gesprochen, dass die Angaben nicht mit der schriftlichen Erklärung des Zeugen übereinstimmen. Die schriftliche Erklärung des Zeugen F. kenne er aber nicht“.

Es hat also (erneut) eine Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Kläger und dem Zeugen stattgefunden, was Zweifel daran sät, dass der Zeuge völlig unbeeinflusst seine Aussage abgegeben hat. Während der Kläger deutlich klargestellt hat, dass er vor der Verhandlung mit dem Zeugen C. über das Verfahren gesprochen und ihn auch über die Aussage des Zeugen F. informiert habe, wenn auch nicht in allen Details, hat der Zeuge C. versucht, dies auf ein bloßes Gespräch über den Inhalt der Erklärung vom Mai 2011 zu reduzieren. Auch sind seine Einlassungen zu der Aussage des Zeugen F. wenig glaubwürdig. Seine Aussage, er wisse von dessen Aussage, könne sich aber nicht an Einzelheiten erinnern, habe mit dem Kläger darüber gesprochen, dass die Angaben nicht mit der schriftlichen Erklärung des Zeugen F. übereinstimmen, wobei er aber diese nicht kenne, erwecken nicht den Anschein offener und wahrheitsgetreuer Angaben der tatsächlichen Vorgänge im Vorfeld der mündlichen Verhandlung.

Darüber hinaus hat der Zeuge C. erklärt, der Kläger habe ihn gebeten, seine schriftliche Erklärung vom 23. Mai 2011 zu schreiben. Er habe sie in Anwesenheit des Klägers formuliert. Es sei kein vorformulierter Text des Klägers gewesen. Dies widerspricht jedoch der Angabe des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 18. November 2013 vor dem SG, wonach die Zeugenaussagen zwar von den Zeugen persönlich geschrieben worden seien, er ihnen aber eine Vorlage unterbreitet habe. Für die Einlassung des Klägers spricht dabei, dass die schriftliche Aussage des Zeugen C. sehr ähnlich zu der des Zeugen E. ist.

Darüber hinaus zeichnet der Zeuge C. ein Bild des polnischen Bergbaus, das von jahrzehntelangen falschen Angaben in Legitimationsbüchern und Lohnlisten und der rechtswidrigen Beschäftigung von Mitarbeitern mit aufsichtlichen Tätigkeiten ohne bergaufsichtliche Genehmigung geprägt ist. Nach seinen Angaben ist der Kläger unter den Augen der zuständigen Behörden über Jahrzehnte als Steiger ohne behördliche Genehmigung („Starzysta“) tätig geworden, wobei er aber doch wieder nicht vollumfänglich die Verantwortung eines Steigers getragen hat, da nach der Aussage des Zeugen C. die Verantwortung für die Schicht beim „wirklichen“ Steiger gelegen habe. Auch war bei Zugrundelegung der Angaben des Zeugen C. über Jahre die Lohnabrechnung des Klägers offensichtlich rechtswidrig, da die Zuerkennung von eineinhalbfachen Schichten an Aufsichtspersonen nach den einschlägigen Bestimmungen des polnischen Rechts nicht zulässig war. Dies erscheint dem Senat wenig plausibel.

Schließlich ist bei der Bewertung der Aussage des Zeugen C. auch zu berücksichtigen, dass dieser jedenfalls seine Angaben über die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten nicht aus eigener Wahrnehmung machen konnte. Er und der Kläger hätten, so der Zeuge, in verschiedenen Abteilungen in der Vorbereitung gearbeitet. Er wisse nicht mehr, ob ihm der Kläger einmal unterstellt gewesen sei.

Deutlich gegen den Kläger sprechen die Angaben des Zeugen F … Dieser hat bestätigt, der Kläger habe auch länger arbeiten müssen. Der Kläger habe an den Treffen mit dem Obersteiger aber nur als Vorarbeiter teilgenommen. Auch Vorarbeiter hätten Rapporte schreiben müssen. Selbst die mittlere Aufsicht habe tatsächlich in der Gruppe mitgearbeitet und nicht lediglich die Aufsicht geführt. Auch die mittleren Aufsichten hätten, so der Zeuge F., ihm als Steiger unterstanden. Eigene Verantwortung hätten sie nicht getragen, nur Aufsichtsfunktionen vom Abteilungsleiter zuerkannt erhalten. Diese mittlere Aufsicht im Sinne der Angaben des Zeugen F. soll nach Aussage des Zeugen C. mit den „Starzysta“ identisch sein.

Die Aussage des Zeugen F. spricht deutlich dafür, dass der Kläger - entsprechend seinen Angaben im Kontenklärungsverfahren - selbst handwerkliche Arbeiten verrichtet und nur im eingeschränkten Umfang darüber hinaus wie ein Vorarbeiter oder allenfalls wie eine mittlere Aufsicht aufsichtlich tätig geworden ist. Diese Aussage ist auch eher damit vereinbar, dass für den Kläger eineinhalbfache Schichten verrechnet wurden und der Kläger keine bergaufsichtliche Genehmigung als verantwortliche Aufsichtsperson hatte. Bei der Zugrundelegung der Aussage des Zeugen F. ergibt sich nach Einschätzung des Senats ein viel stimmigeres Bild als bei der des Zeugen C … Erstere ist im Gegensatz zu letzterer sowohl mit den urkundlichen Eintragungen als auch den ursprünglichen Angaben des Klägers gut vereinbar. Durch eine Vorarbeitertätigkeit mit zusätzlichen aufsichtlichen Komponenten bzw. als mittlere Aufsicht wird aber die Qualifikationsebene der Qualifikationsgruppe 2 noch nicht erreicht. Eine einem Steiger entsprechende Verantwortung liegt in einer derartigen Tätigkeit nicht.

In der Zusammenschau aller Umstände hält der Senat damit die tatsächliche Verrichtung von der Qualifikationsgruppe 2 entsprechenden Tätigkeiten durch den Kläger im strittigen Zeitraum nicht für überwiegend wahrscheinlich. Die Qualifikationsgruppe 3 kommt von vornherein nicht in Betracht, da der Kläger weder eine Meisterqualifikation hat noch als Meister tätig geworden ist. Damit hat es bei der von der Beklagten vorgesehenen Zuordnung des strittigen Zeitraums zur Qualifikationsgruppe 4 zu verbleiben.

Der Berufung war daher stattzugeben und die Klage gegen den nur noch angefochtenen Bescheid vom 23. Mai 2013 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung (§ 193 SGG) berücksichtigt, dass der Kläger im Berufungsverfahren erfolglos geblieben ist.

Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 39 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes


(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

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Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

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(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlag

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 149 Versicherungskonto


(1) Der Träger der Rentenversicherung führt für jeden Versicherten ein Versicherungskonto, das nach der Versicherungsnummer geordnet ist. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und E

Fremdrentengesetz - FRG | § 4


(1) Für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismi

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Tenor Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über d

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(1) Der Träger der Rentenversicherung führt für jeden Versicherten ein Versicherungskonto, das nach der Versicherungsnummer geordnet ist. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind, zu speichern. Ein Versicherungskonto darf auch für Personen geführt werden, die nicht nach den Vorschriften dieses Buches versichert sind, soweit es für die Feststellung der Versicherungs- oder Beitragspflicht und für Prüfungen bei Arbeitgebern (§ 28p des Vierten Buches) erforderlich ist.

(2) Der Träger der Rentenversicherung hat darauf hinzuwirken, dass die im Versicherungskonto gespeicherten Daten vollständig und geklärt sind. Die Daten sollen so gespeichert werden, dass sie jederzeit abgerufen und auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung übermittelt werden können. Stellt der Träger der Rentenversicherung fest, dass für einen Beschäftigten mehrere Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8a des Vierten Buches gemeldet oder die Zeitgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Vierten Buches überschritten sind, überprüft er unverzüglich diese Beschäftigungsverhältnisse. Stellen die Träger der Rentenversicherung fest, dass eine Beschäftigung infolge einer Zusammenrechnung versicherungspflichtig ist, sie jedoch nicht oder als versicherungsfrei gemeldet worden ist, teilen sie diese Beschäftigung mit den notwendigen Daten der Einzugsstelle mit. Satz 4 gilt entsprechend, wenn die Träger der Rentenversicherung feststellen, dass beim Zusammentreffen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften über den Übergangsbereich nicht oder nicht mehr vorliegen.

(3) Der Träger der Rentenversicherung unterrichtet die Versicherten regelmäßig über die in ihrem Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf).

(4) Versicherte sind verpflichtet, bei der Klärung des Versicherungskontos mitzuwirken, insbesondere den Versicherungsverlauf auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, alle für die Kontenklärung erheblichen Tatsachen anzugeben und die notwendigen Urkunden und sonstigen Beweismittel beizubringen.

(5) Hat der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen, stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest. Bei Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften ist der Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Der Träger der Rentenversicherung führt für jeden Versicherten ein Versicherungskonto, das nach der Versicherungsnummer geordnet ist. In dem Versicherungskonto sind die Daten, die für die Durchführung der Versicherung sowie die Feststellung und Erbringung von Leistungen einschließlich der Rentenauskunft erforderlich sind, zu speichern. Ein Versicherungskonto darf auch für Personen geführt werden, die nicht nach den Vorschriften dieses Buches versichert sind, soweit es für die Feststellung der Versicherungs- oder Beitragspflicht und für Prüfungen bei Arbeitgebern (§ 28p des Vierten Buches) erforderlich ist.

(2) Der Träger der Rentenversicherung hat darauf hinzuwirken, dass die im Versicherungskonto gespeicherten Daten vollständig und geklärt sind. Die Daten sollen so gespeichert werden, dass sie jederzeit abgerufen und auf maschinell verwertbaren Datenträgern oder durch Datenübertragung übermittelt werden können. Stellt der Träger der Rentenversicherung fest, dass für einen Beschäftigten mehrere Beschäftigungen nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 oder § 8a des Vierten Buches gemeldet oder die Zeitgrenzen des § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Vierten Buches überschritten sind, überprüft er unverzüglich diese Beschäftigungsverhältnisse. Stellen die Träger der Rentenversicherung fest, dass eine Beschäftigung infolge einer Zusammenrechnung versicherungspflichtig ist, sie jedoch nicht oder als versicherungsfrei gemeldet worden ist, teilen sie diese Beschäftigung mit den notwendigen Daten der Einzugsstelle mit. Satz 4 gilt entsprechend, wenn die Träger der Rentenversicherung feststellen, dass beim Zusammentreffen mehrerer Beschäftigungsverhältnisse die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschriften über den Übergangsbereich nicht oder nicht mehr vorliegen.

(3) Der Träger der Rentenversicherung unterrichtet die Versicherten regelmäßig über die in ihrem Versicherungskonto gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (Versicherungsverlauf).

(4) Versicherte sind verpflichtet, bei der Klärung des Versicherungskontos mitzuwirken, insbesondere den Versicherungsverlauf auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen, alle für die Kontenklärung erheblichen Tatsachen anzugeben und die notwendigen Urkunden und sonstigen Beweismittel beizubringen.

(5) Hat der Versicherungsträger das Versicherungskonto geklärt oder hat der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen, stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest. Bei Änderung der dem Feststellungsbescheid zugrunde liegenden Vorschriften ist der Feststellungsbescheid durch einen neuen Feststellungsbescheid oder im Rentenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten wird erst bei Feststellung einer Leistung entschieden.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2008 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Klage gegen den Rentenbescheid der Beklagten vom 22. Juli 2005 in der Gestalt des Bescheids vom 21. Oktober 2005 und des Widerspruchsbescheids vom 26. April 2010 hinsichtlich der rentensteigernden Berücksichtigung von Zeiten der schulischen Ausbildung zwischen Juli 1979 und August 1990 - an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Zeiten der Schul- bzw Hochschulausbildung während einer Strafhaft als Anrechnungszeiten zu berücksichtigen sind.

2

Der 1941 geborene Kläger nahm während einer ab 1978 verbüßten lebenslangen Freiheitsstrafe ab Juli 1979 an einem Kurs zur Erlangung der Fachhochschulreife teil. Der ganztägige Unterricht fand innerhalb der Justizvollzugsanstalt (JVA) bei gleichzeitiger Freistellung von der Arbeitspflicht statt; im Oktober 1980 beendete der Kläger die Ausbildung erfolgreich. Ab Oktober 1981 absolvierte er ebenfalls im Rahmen des Strafvollzugs ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Fernuniversität H, das er im August 1990 mit dem Diplom abschloss. Während dieses Zeitraums arbeitete er halbtags in der JVA und wurde dafür entsprechend entlohnt; darüber hinaus war er von der Arbeitspflicht als Strafgefangener befreit. Nach eigenen Angaben wandte er wöchentlich wenigstens 20 Stunden für das Fernstudium auf. Von Januar 1991 an war der Kläger als Freigänger versicherungspflichtig beschäftigt; nach seinen Angaben wurde die weitere Vollstreckung der Freiheitsstrafe im Oktober 1992 zur Bewährung ausgesetzt und die Reststrafe nach Ablauf der fünfjährigen Bewährungsfrist erlassen.

3

Den vom Kläger im Rahmen einer Kontenklärung gestellten Antrag auf Vormerkung der Zeiträume vom 2.7.1979 bis 23.10.1980 sowie vom 1.10.1981 bis 31.12.1990 als Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 28.6.2000). Sein Antrag vom 29.4.2004, diese Entscheidung zu ändern, blieb erfolglos (nicht angefochtener Bescheid der Beklagten vom 9.6.2004).

4

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1.5.2005 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit einem monatlichen Zahlbetrag von 941,17 Euro (Rentenbescheid vom 22.7.2005). Seinen Widerspruch, mit dem er ua die Berücksichtigung der in der Strafhaft absolvierten Schul- und Hochschulausbildung als Anrechnungszeiten begehrte, behandelte die Beklagte insoweit als erneuten Antrag auf Überprüfung des bindenden Bescheids vom 28.6.2000. Dieser hatte wiederum keinen Erfolg (Bescheid vom 21.10.2005; Widerspruchsbescheid vom 26.6.2006).

5

Das SG Karlsruhe hat die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 21.10.2005 und vom 26.6.2006 verpflichtet, den Bescheid vom 28.6.2000 abzuändern und - unter Berücksichtigung der gesetzlichen Höchstdauer von 96 Monaten - die Zeiten vom 2.7.1979 bis 27.10.1980 sowie vom 1.10.1981 bis 30.5.1988 als Anrechnungszeiten festzustellen (Urteil vom 15.8.2007).

6

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 25.9.2008 - NZS 2009, 677). Gegenstand des Rechtsstreits sei allein der Bescheid vom 21.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.6.2006. Durch den Rentenbescheid vom 22.7.2005 sei der eine Vormerkung der streitbefangenen Zeiträume ablehnende Bescheid vom 28.6.2000 nicht ersetzt worden; dieser entfalte weiterhin rechtliche Wirkung, da seine Bestandskraft der Bewilligung einer höheren Rente unter Berücksichtigung der geltend gemachten Anrechnungszeiten entgegenstehe. Ob der Kläger die Feststellung jener Zeiten im Wege der Vormerkung verlangen oder ob er angesichts des bereits eingetretenen Leistungsfalls nur noch eine Änderung des Rentenbescheids geltend machen könne, bedürfe keiner Entscheidung, denn die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 21.10.2005 müsse jedenfalls in der Sache ohne Erfolg bleiben. Eine Korrektur des Vormerkungsbescheids vom 28.6.2000 hinsichtlich dort nicht berücksichtigter Zeiten sei nach § 44 Abs 2 SGB X zu beurteilen, da dessen Gegenstand keine Sozialleistung sei, auch wenn das Verfahren mit dem Ziel der Gewährung höherer Rente betrieben werde. Die Beklagte habe eine Änderung dieses Bescheids jedoch zu Recht abgelehnt, da die geltend gemachten Zeiten einer Schul- bzw Hochschulausbildung während einer Strafhaft nicht als Anrechnungszeiten iS des § 58 SGB VI zu behandeln seien.

7

Zwar sei der Kurs zur Erlangung der Fachhochschulreife nach seinem zeitlichen Umfang als Schulausbildung anzusehen, während dies bei dem Teilzeitstudium an der Fernuniversität zweifelhaft sei. Letzteres müsse aber nicht weiter aufgeklärt werden, denn einer Vormerkung beider Zeiträume als Anrechnungszeit stehe bereits entgegen, dass der Kläger nicht wegen dieser Ausbildungen an einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gehindert gewesen sei. Dies sei jedoch nach dem Zweck der Regelung in § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI im Wege einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs der Norm sowie zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu fordern. Allein der Umstand, dass der Kläger während der fraglichen Zeiten in Strafhaft gewesen sei, habe ihm die Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit verwehrt. Die Schul- bzw Hochschulausbildung bei voller bzw hälftiger Freistellung von der Arbeit als Strafgefangener sei an die Stelle der eigentlich bestehenden - nicht rentenversicherungspflichtigen - Arbeitspflicht getreten; sie stehe damit in so engem Zusammenhang mit der Strafhaft, dass sich eine andere rentenrechtliche Einordnung verbiete. Das gelte auch für den Zeitraum eines Praktikums des Klägers bei der I.-GmbH, zumal nicht nachgewiesen sei, dass dieses innerhalb des im Berufungsverfahren noch streitbefangenen Zeitraums (bis 30.5.1988) absolviert worden sei. Dem Beweisantrag auf Zeugenvernehmung des den Kläger während des Fernstudiums betreuenden Diplom-Pädagogen habe nicht gefolgt werden müssen, weil es auf die fiktive Tatsache, ob das Justizministerium bereits vor dem 1.6.1988 Freigang bewilligt hätte, für die Entscheidung nicht ankomme.

8

Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision die Verletzung von § 58 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB VI. Eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs dieser Norm sei weder nach ihrem Wortlaut noch nach dem systematischen Zusammenhang oder nach ihrem Sinn und Zweck gerechtfertigt; eine durch Auslegung zu schließende Lücke bestehe angesichts der detaillierten Regelung ebenfalls nicht. Die Entscheidung des LSG werde zudem weder den Besonderheiten des Strafvollzugs noch dem Einzelfall des Klägers gerecht, denn sie verfehle das in § 3 Abs 1 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) normierte Gebot, das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich anzugleichen und schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs entgegenzuwirken. Die Anerkennung von Ausbildungszeiten während einer Strafhaft als Anrechnungszeiten führe auch nicht zu einer ungerechtfertigten Privilegierung gegenüber Strafgefangenen, die ihrer Arbeitspflicht nach § 41 StVollzG genügten, hierdurch aber nicht in die Rentenversicherung einbezogen würden. Der eine Ausbildung absolvierende Strafgefangene erhalte - anders als der seine Arbeitspflicht erfüllende - keine Vergütung; er verzichte vielmehr im Interesse seiner beruflichen Qualifizierung darauf, um nach der Haftentlassung der Versichertengemeinschaft mit einer besseren beruflichen Perspektive und entsprechend höheren Beiträgen zur Verfügung zu stehen. Gerade dies solle durch die Anerkennung als Anrechnungszeit honoriert werden; der vom LSG angeführte Wertungswiderspruch bestehe deshalb nicht. Zudem habe das LSG nicht gewürdigt, dass er zugunsten der Hochschulausbildung bewusst auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Rahmen des Freigängerstatus verzichtet habe.

9

Darüber hinaus habe das LSG die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 103 SGG) sowie seinen - des Klägers - Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es erstmals in den schriftlichen Urteilsgründen die zeitliche Inanspruchnahme durch das Fernstudium im Umfang von mehr als 28 Wochenstunden in Frage gestellt habe, ohne ihm zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben oder weitere Ermittlungen anzustellen. Sein darauf bezogener Beweisantrag sei zu Unrecht abgelehnt worden. Das LSG habe auch dadurch gegen § 103 SGG verstoßen, dass es der Frage nicht nachgegangen sei, ob das Praktikum außerhalb des Strafvollzugs von Anfang Mai bis Mitte Juni 1988 belege, dass für ihn damals die Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im offenen Vollzug bestanden habe.

10

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. August 2007 zurückzuweisen,

        

hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2008 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. August 2007 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte verpflichtet ist, unter Aufhebung ihres Bescheids vom 21. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 2006 den Bescheid vom 28. Juni 2000 abzuändern und die Zeiträume vom 2. Juli 1979 bis zum 27. Oktober 1980 sowie vom 1. Oktober 1981 bis zum 3. August 1990 bis zur gesetzlichen Höchstgrenze als Anrechnungszeiten festzustellen,

        

hilfsweise,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. September 2008 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält das angefochtene Urteil für inhaltlich zutreffend und zudem auch die Sachurteilsvoraussetzungen für erfüllt. Gegenstand des Rechtsstreits sei allerdings nicht eine Korrektur des Vormerkungsbescheids vom 28.6.2000, denn dieser habe sich mit Erlass des Rentenbescheids vom 22.7.2005 erledigt. Der Widerspruchsbescheid vom 26.6.2006 sei jedoch so auszulegen, dass er auch den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid zurückgewiesen habe. Die gerügten Verfahrensmängel lägen nicht vor.

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Auf Hinweis des Senats hat die Beklagte am 26.4.2010 einen weiteren Widerspruchsbescheid erlassen und darin den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid vom 22.7.2005 aus den bereits in ihren bisherigen Bescheiden benannten Gründen zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Klägers hat nur im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Einer Sachentscheidung des Senats steht das Fehlen einer von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzung entgegen, nämlich der Abschluss des Vorverfahrens zum Rentenbescheid vom 22.7.2005 durch einen Widerspruchsbescheid spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG). Auch wenn dieser Widerspruchsbescheid zwischenzeitlich erlassen wurde, hat der Senat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage weiterhin als derzeit unzulässig anzusehen.

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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist das Begehren des Klägers auf höhere Altersrente wegen Arbeitslosigkeit unter Berücksichtigung der in Strafhaft zurückgelegten Zeiten der Schul- bzw Hochschulausbildung.

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a) Ein solches Begehren ist nach Eintritt des Leistungsfalls auch dann, wenn in Bezug auf die streitbefangenen Zeiten bereits ein bindend gewordener (ablehnender) Vormerkungsbescheid erlassen wurde, nicht im Wege eines gesonderten Verfahrens zur Korrektur des Vormerkungsbescheids, sondern vielmehr im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zum Erlass des Rentenbescheids (bzw - nachfolgend - zu dessen Überprüfung) zu verfolgen. Im Rentenbescheid sind sämtliche für die Berechnung der Rente bedeutsamen Zeiten auf der Grundlage des zutreffenden Sachverhalts und des für die Rentenbewilligung maßgeblichen Rechts (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI)zu berücksichtigen. Stehen einer solchen Entscheidung Feststellungen eines Vormerkungsbescheids entgegen, sind diese "im Rentenbescheid" (vgl § 149 Abs 5 Satz 2 Teils 1 Alt 2 SGB VI)aufzuheben, und zwar entweder nach § 44 Abs 2 SGB X (bei rechtswidrig nicht begünstigenden Feststellungen) oder nach § 45 SGB X (bei rechtswidrig begünstigenden Feststellungen); im Falle einer Änderung der zugrunde liegenden Vorschriften hat die Korrektur "mit Wirkung für die Vergangenheit" ohne Anwendung von § 24 und § 48 SGB X zu erfolgen(§ 149 Abs 5 Satz 2 Teils 2 SGB VI). Dem Erfordernis einer Aufhebung entgegenstehender Feststellungen eines Vormerkungsbescheids "im Rentenbescheid" ist allerdings auch dann noch Genüge getan, wenn eine solche Regelung während eines laufenden Widerspruchsverfahrens gegen den Rentenbescheid in einem gesonderten Bescheid getroffen wird, der sodann gemäß § 86 SGG zum Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird(Senatsurteil vom 13.11.2008 - B 13 R 43/07 R - Juris RdNr 17), oder wenn dies im Widerspruchsbescheid selbst geschieht (Senatsurteil vom 13.11.2008 - B 13 R 77/07 R - Juris RdNr 19, 22). Zu beachten ist jedoch, dass nach Erlass eines Rentenbescheids ein Rechtsschutzbedürfnis zur Durchführung eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens nur in Bezug auf den Vormerkungsbescheid nicht mehr besteht; ein solches Verfahren ist mithin unzulässig (so bereits BSG vom 22.9.1981 - SozR 1500 § 53 Nr 2 S 3; vgl auch BSG vom 14.5.2003 - SozR 4-2600 § 256b Nr 1 RdNr 8 ff; BSG vom 23.8.2005 - SGb 2006, 429 RdNr 41).

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b) Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte über das vom Kläger in seinem Widerspruch gegen den Rentenbescheid vom 22.7.2005 erneut geltend gemachte Begehren einer Berücksichtigung seiner Schul- bzw Hochschulausbildung in Strafhaft als Anrechnungszeiten mit gesondertem Bescheid nach § 44 SGB X vom 21.10.2005 entschieden hat. Allerdings war die diesem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung, es könne Widerspruch erhoben werden, unrichtig. Denn ein eigenständiger Widerspruch gegen die Entscheidung, dass eine Korrektur des Vormerkungsbescheids vom 28.6.2000 hinsichtlich der Ausbildungs-Anrechnungszeiten nicht erfolge, war unzulässig. Der unnötig (aber unschädlich) separat erlassene Bescheid vom 21.10.2005 wurde vielmehr kraft Gesetzes zum Gegenstand des bei seinem Erlass noch andauernden Widerspruchsverfahrens gegen den Rentenbescheid (vgl § 86 SGG; vgl zu einer ähnlichen Konstellation auch Senatsurteil vom 20.7.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 3 RdNr 7 f). Dem hätte die Rechtsbehelfsbelehrung Rechnung tragen müssen, anstatt den Kläger - wie die Beklagte mittlerweile einräumt - auf den Irrweg eines auf die Vormerkung der Anrechnungszeiten verengten separaten Widerspruchs- und Klageverfahrens zu leiten.

18

Auch das Berufungsgericht hätte auf der Grundlage seiner (nicht zutreffenden) Rechtsmeinung, dass die Klage ungeachtet des Erlasses des Rentenbescheids vom 22.7.2005 nur den Überprüfungsbescheid vom 21.10.2005 in Bezug auf den Vormerkungsbescheid vom 28.6.2000 zum Gegenstand habe, nicht in der Sache entscheiden dürfen. Es hätte die Klage vielmehr wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig verwerfen müssen (vgl BSG vom 22.9.1981 - SozR 1500 § 53 Nr 2 S 2). Das Begehren des Klägers zielte jedoch - ungeachtet der Fassung seiner Klageanträge in den Vorinstanzen (§ 123 SGG) - in Wirklichkeit von Anfang an auf die Anfechtung des Rentenbescheids vom 22.7.2005 und des - wie bereits ausgeführt - zum Bestandteil des Widerspruchsverfahrens gewordenen Bescheids vom 21.10.2005 sowie zugleich auf die Verurteilung der Beklagten zu einer höheren Rentenleistung (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage, § 54 Abs 1 und 4 SGG; vgl auch BSG vom 14.5.2003 - SozR 4-2600 § 256b Nr 1 RdNr 10). Über diesen Streitstoff hat das LSG seinen eigenen Darlegungen zufolge bislang nicht entschieden.

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2. Dem Senat ist es in dieser prozessualen Lage verwehrt, selbst abschließend in der Sache zu entscheiden (§ 170 Abs 1 Satz 2 bzw Abs 2 Satz 1 SGG). Denn auf der Grundlage des vorliegenden Streitgegenstands ist die Klage gegen den Rentenbescheid im Revisionsverfahren infolge des bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren in Bezug auf diesen Bescheid noch nicht abgeschlossenen Vorverfahrens als unzulässig zu behandeln (§ 78 Abs 1 Satz 1 SGG - s hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 78 RdNr 3). Die Beklagte hatte bis zu dem genannten Zeitpunkt noch nicht über den vom Kläger mit Schreiben vom 1.9.2005 eingelegten, am 24.9.2005 begründeten und (nach Erlass des Überprüfungsbescheids vom 21.10.2005) am 5.11.2005 bekräftigten Widerspruch gegen den aus seiner Sicht "alles entscheidenden Schluss-Rentenbescheid" vom 22.7.2005 entschieden. Das Fehlen dieser unverzichtbaren und von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzung (vgl BSG vom 18.3.1999 - SozR 3-1500 § 78 Nr 3 S 5 mwN; BSG vom 25.4.2007 - B 12 AL 2/06 R - Juris RdNr 20) zwingt in der hier vorliegenden besonderen Verfahrenskonstellation dazu, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

20

Der Widerspruchsbescheid vom 26.6.2006 kann entgegen der in der Revisionserwiderung geäußerten Ansicht der Beklagten nicht dahingehend ausgelegt werden, dass in ihm zugleich über den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid vom 22.7.2005 entschieden wurde. Für eine solche Auslegung fehlen jegliche Anhaltspunkte in dem bekannt gegebenen Wortlaut des genannten Widerspruchsbescheids (vgl § 39 Abs 1 Satz 2 SGB X). In ihm wird ausdrücklich nur "der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21.10.2005" - also gegen den von der Beklagten erlassenen Bescheid zur Überprüfung des Vormerkungsbescheids vom 28.6.2000 - mit der Begründung zurückgewiesen, die Voraussetzungen des § 44 SGB X lägen nicht vor. Ausführungen, die sich auf die Rentenfestsetzung beziehen, finden sich in jenem Widerspruchsbescheid nicht einmal ansatzweise. Vor diesem Hintergrund kann der objektive Erklärungsinhalt des Widerspruchsbescheids vom 26.6.2006 aus der Sicht des Erklärungsempfängers nur so verstanden werden, dass die Beklagte damit ausschließlich über den Rechtsbehelf des Klägers gegen den Bescheid vom 21.10.2005 und inhaltlich nur über die Frage, ob der Vormerkungsbescheid vom 28.6.2000 zu korrigieren sei, entschieden hat; die umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit des Rentenbescheids vom 22.7.2005 war ersichtlich nicht Gegenstand jener Entscheidung. Eine nachträgliche Interpretation des Regelungsgehalts dieses Bescheids in dem von der Beklagten nunmehr favorisierten Sinn wäre mit den für die Auslegung von Verwaltungsakten maßgeblichen Vorgaben (vgl hierzu BSG vom 28.10.2008 - SozR 4-1500 § 77 Nr 1 RdNr 15 sowie Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 RdNr 26 mwN) nicht vereinbar.

21

Eine abschließende Entscheidung der Beklagten über den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil die Beklagte im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens dem Begehren des Klägers entgegengetreten ist und die Abweisung seiner Klage beantragt hat (BSG vom 5.9.2006 - BSGE 97, 47 = SozR 4-2700 § 34 Nr 1, RdNr 29 mwN; BSG vom 25.4.2007 - B 12 AL 2/06 R - Juris RdNr 20). Es kann hier dahingestellt bleiben, ob allein eine "besondere Gestaltung des Falles" eine geeignete Rechtfertigung dafür ist, abweichend von den vorgenannten Entscheidungen den Abschluss des Vorverfahrens als Voraussetzung für eine Sachentscheidung des Gerichts als verzichtbar anzusehen (vgl BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 18 f). Die besondere Ausprägung der verfahrensrechtlichen Konstellation, über die der Senat vorliegend zu befinden hat, bietet jedenfalls keine Grundlage dafür, allein aus verfahrensökonomischen Erwägungen auf die Durchführung des Vorverfahrens zu verzichten. Anders als in dem vom 4. Senat entschiedenen Fall hat die Beklagte hier im Verlauf des Revisionsverfahrens mit Bescheid vom 26.4.2010 über den Widerspruch des Klägers gegen den Rentenbescheid entschieden. Dieser Widerspruchsbescheid kann nach der Regelung in § 171 Abs 2 SGG nicht zum Gegenstand des Revisionsverfahrens werden; er ist vielmehr zunächst von den Tatsachengerichten zu überprüfen (vgl BSG vom 30.11.1961 - BSGE 16, 21, 23 f = SozR Nr 5 zu § 78 SGG). Somit ist dem Senat schon aus diesem Grund eine abschließende Entscheidung in der Sache verwehrt; er hat vielmehr im Revisionsverfahren die Klage weiterhin als unzulässig anzusehen.

22

Das führt jedoch nicht dazu, die Revision des Klägers ohne Sachentscheidung zurückzuweisen. Der Senat hält es vielmehr im Interesse der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und einer Beschleunigung des weiteren Verfahrens für tunlich, die Sache an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Das Berufungsgericht wird sodann auf der Grundlage des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2010 in der Sache zu entscheiden haben.

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Dieser Widerspruchsbescheid gilt nach erfolgter Zurückverweisung an das LSG nicht mehr gemäß § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Zwar ändert bzw ersetzt er iS der genannten Vorschrift den im vorliegenden Rechtsstreit angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 21.10.2005. Jene Regelung erfasst jedoch nicht den Fall, dass eine Sache, die bei Erlass des neuen Verwaltungsakts nicht mehr beim LSG, sondern schon beim BSG rechtshängig gewesen ist, infolge Zurückverweisung durch das BSG erneut beim LSG rechtshängig wird (BSG vom 21.1.1959 - BSGE 9, 78, 79; BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 187/04 B - Juris RdNr 11). In einer solchen Konstellation ist der neue Verwaltungsakt vielmehr nicht anders zu behandeln, als wenn er während des Berufungsverfahrens erlassen worden wäre, dh es ist nicht § 171 Abs 2 SGG anzuwenden, sondern § 153 Abs 1 SGG iVm § 96 SGG. Entsprechendes gilt, wenn es sich bei dem neuen Verwaltungsakt - wie hier - um einen Widerspruchsbescheid handelt. Dies wird durch die Neufassung des § 96 Abs 1 SGG(mWv 1.4.2008 durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444) nicht ausgeschlossen. Danach wird ein nach Klageerhebung erlassener neuer Verwaltungsakt "nur dann" Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er "nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangen ist". Mit dieser Formulierung soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs lediglich der Anwendungsbereich des § 96 SGG "auf den Zeitraum zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und Klageerhebung" erstreckt werden(Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks 16/7716 S 18 f - Zu Nr 16). Sie hat hingegen nicht den Zweck, die Einbeziehung der nach Klageerhebung, aber vor Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Bescheide oder gar des erst nach Klageerhebung erlassenen Widerspruchsbescheids zu unterbinden (vgl Binder in Lüdtke, SGG, 3. Aufl 2008, § 96 RdNr 3, 11). Vielmehr ist auch in einer solchen prozessualen Lage Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den - ggf auch erst nach Klageerhebung erlassenen - Widerspruchsbescheid gefunden hat (§ 95 SGG - s hierzu BSG vom 25.3.1999 - SozR 3-1300 § 24 Nr 14 S 40). Mithin wird nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits das Berufungsgericht nunmehr über den Rentenbescheid vom 22.7.2005 in der Gestalt des Bescheids vom 21.10.2005 und des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2010 zu befinden haben.

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3. Der Senat weist in diesem Zusammenhang - ohne dass dies für seine Entscheidung tragend wäre - auf folgende, für die Würdigung der materiellen Rechtslage bedeutsame Aspekte hin:

25

Die rentensteigernde Berücksichtigung von Zeiten einer beruflichen Ausbildung, in denen der Versicherte selbst keine eigenen (Beitrags-)Leistungen erbracht hat, ist Ausdruck besonderer staatlicher Fürsorge und ein Akt des sozialen Ausgleichs; sie ist - entgegen dem Vorbringen der Revision - keine Gegenleistung der Solidargemeinschaft dafür, dass der Versicherte aufgrund der Ausbildung später möglicherweise höhere Verdienste erzielt und damit entsprechend höhere Beiträge leistet (vgl BVerfGE 58, 81, 112 f = SozR 2200 § 1255a Nr 7 S 12 f). Damit stellt die Berufsausbildung als solche keine Eigenleistung des Versicherten zugunsten der Rentenversicherung dar; sie liegt vielmehr in seinem eigenen Interesse und Verantwortungsbereich (BVerfGE 117, 272, 299 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 67; s auch Senatsurteile vom 13.11.2008: B 13 R 43/07 R - Juris RdNr 21 - und B 13 R 77/07 R - Juris RdNr 26). Gleichwohl vom Gesetzgeber gewährte Ausbildungs-Anrechnungszeiten dienen (ebenso wie weitere Tatbestände von Anrechnungszeiten) dem Zweck, dem Versicherten einen rentenrechtlichen Ausgleich dafür zu verschaffen, dass er durch bestimmte, im Gesetz näher definierte Umstände aus seinem persönlichen Bereich unverschuldet an der Zahlung von Pflichtbeiträgen zur (deutschen) gesetzlichen Rentenversicherung gehindert war (BSG - Großer Senat - vom 9.12.1975 - BSGE 41, 49 f = SozR 2200 § 1259 Nr 13 S 42 f; BSG vom 15.6.1976 - BSGE 42, 86 f = SozR 2200 § 1259 Nr 18 S 60 f). Dementsprechend können Zeiten, für die aus Rechtsgründen keine wirksamen Pflichtbeiträge entrichtet werden konnten, auch keine Anrechnungszeiten sein (vgl BSG vom 15.6.1976, aaO).

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Speziell für Ausbildungszeiten, die vom Versicherten während einer Strafhaft absolviert wurden, ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass die Zeit der Strafhaft selbst rentenrechtlich weiterhin keine Beitragszeit ist (vgl § 190 Nr 13 iVm § 198 Abs 3 StVollzG - zur Verfassungsmäßigkeit der Nichteinbeziehung Strafgefangener in die Sozialversicherung s BVerfG vom 1.7.1998 - BVerfGE 98, 169, 200, 212). Mithin führen auch Ausbildungen, die während einer Strafhaft in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse des Gefangenen an Stelle der grundsätzlich bestehenden Arbeitspflicht durchgeführt werden (§ 37 Abs 3 iVm § 41 Abs 1 StVollzG), nicht zu einem Ausfall an Beiträgen zur Rentenversicherung. Würden gleichwohl nur Ausbildungszeiten während einer Strafhaft als Anrechnungszeiten rentensteigernd berücksichtigt, nicht aber Zeiten, in denen der Gefangene seiner Arbeitspflicht nachkam, wäre dies im Lichte des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 Abs 1 GG) kaum zu rechtfertigen. Selbst wenn hinreichende sachliche Gründe dafür bestünden, die im Rahmen von Vollzugslockerungen gestattete unbeaufsichtigte Ausübung einer Arbeit, Berufsausbildung oder beruflichen Weiterbildung auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses außerhalb der Anstalt (Freigang gemäß § 11 Abs 1 Nr 1 Alt 2 iVm § 39 Abs 1 StVollzG) trotz weiterhin vollstreckter Strafhaft (ausnahmsweise) als rentenversicherungspflichtig zu behandeln (vgl § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI; s auch Wunder/Diehm, SozSich 2009, 74 f; Mrozynski, SGb 1990, 315, 316), so ist jedenfalls nicht ohne weiteres ersichtlich, dass dies ebenso für eine Schul- oder Hochschulausbildung gilt, die der Strafgefangene in der Haftanstalt absolviert, auch wenn er während dieser Zeit ansonsten möglicherweise Freigang erhalten hätte. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dürfte eine solche Ausbildung nicht die auf der Grundlage eines freien Beschäftigungsverhältnisses absolvierte Arbeit bzw Berufsausbildung eines Strafgefangenen mit Freigängerstatus ersetzen; sie träte vielmehr an die Stelle der (beitragsfreien) Pflichtarbeit.

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4. Das LSG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Für Zeiten der in §§ 15 und 16 genannten Art werden Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz, Satz 2 und 9 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ermittelt. Hierzu werden für Zeiten nach dem 31. Dezember 1949 die in Anlage 14 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch genannten oder nach § 256b Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch festgestellten Durchschnittsjahresverdienste um ein Fünftel erhöht und für Zeiten vor dem 1. Januar 1950 Entgeltpunkte auf Grund der Anlagen 1 bis 16 dieses Gesetzes ermittelt. Die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs richtet sich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit, ist für die Bestimmung des Bereichs diese maßgeblich. Kommen nach dem Ergebnis der Ermittlungen mehrere Bereiche in Betracht, ist von ihnen der Bereich mit den niedrigsten Durchschnittsverdiensten des jeweiligen Jahres maßgeblich. Ist eine Zuordnung zu einem oder zu einem von mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolgt die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend für die Zuordnung zu einer Qualifikations- oder Leistungsgruppe. Zeiten eines gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstes werden Entgeltpunkte zugeordnet, die zu berücksichtigen wären, wenn der Wehr- oder Ersatzdienst im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet abgeleistet worden wäre. Kindererziehungszeiten nach § 28b sind Entgeltpunkte zuzuordnen, wie wenn die Erziehung im Bundesgebiet erfolgt wäre.

(2) Zeiten der Ausbildung als Lehrling oder Anlernling erhalten für jeden Kalendermonat 0,025 Entgeltpunkte.

(3) Für Beitrags- oder Beschäftigungszeiten, die nicht nachgewiesen sind, werden die ermittelten Entgeltpunkte um ein Sechstel gekürzt.

(4) Die nach den Absätzen 1 und 3 maßgeblichen Entgeltpunkte werden mit dem Faktor 0,6 vervielfältigt.

(1) Für die Feststellung der nach diesem Gesetz erheblichen Tatsachen genügt es, wenn sie glaubhaft gemacht sind. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

(2) Absatz 1 gilt auch für außerhalb der Bundesrepublik Deutschland eingetretene Tatsachen, die nach den allgemeinen Vorschriften erheblich sind.

(3) Als Mittel der Glaubhaftmachung können auch eidesstattliche Versicherungen zugelassen werden. Der mit der Durchführung des Verfahrens befaßte Versicherungsträger ist für die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen zuständig; er gilt als Behörde im Sinne des § 156 des Strafgesetzbuchs.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.