Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13. Juni 2012, S 38 KA 1021/11, wird zurückgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Arzneimittelregress im Quartal 3/09 betreffend Tetra Gelomyrtol. Das verschreibungspflichtige Arzneimittel enthält die Wirkstoffkombination des Antibiotikums Oxytetracyclin und des Schleimlösers Myrtol.

Die Klägerin ist eine aus zwei Allgemeinärzten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) in A-Stadt. Mit Bescheid vom 26.09.2011 sprach die Beklagte einen Regress in Höhe von 50,50 € nach § 18 der Prüfvereinbarung wegen der Verordnung von Tetra Gelomyrtol in 5 Fällen aus, weil das Arzneimittel nach den Arzneimittelrichtlinien (AM-RL) Anlage III Nr. 31 (Stand 01.04.2009) von der Verordnung ausgeschlossen sei. Dieser Ausschluss betreffe Hustenmittel, die fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen enthalten. Dazu gehöre auch Tetra Gelomyrtol.

Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgericht München. Der Ausschlusstatbestand des § 34 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 SGB V betreffe nur Erkältungskrankheiten und erkältungsbedingten Husten. Das verordnete Präparat sei jedoch indikationsgerecht zur Behandlung von akuter Bronchitis und Sinusitis eingesetzt worden. Das Mittel sei auch uneingeschränkt verordnungsfähig nach § 31 I SGB V in den zugelassenen Indikationen „Sinusitis und akute Bronchitis“. Nach dem Ausschlusstatbestand in Nr. 31 der Anlage III zur AM-RL würden fixe Kombinationen ausgeschlossen, wenn es sich bei diesen Kombinationen um Hustenmittel handelt. Während der bloß erkältungsbedingte - und damit viral verursachte - Husten im Regelfall nach etwa einer Woche auch ohne Behandlung von allein abklinge, bedürften die bakteriell bedingten Erkrankungen Sinusitis und akute Bronchitis einer medikamentösen Therapie, um insbesondere das bestehende Risiko einer Chronifizierung auszuschließen. Dabei sei der Einsatz auch eines Antibiotikums erforderlich, so dass die in Tetra Gelomyrtol enthaltene Wirkstoffkombination zur Behandlung der akuten Bronchitis und Sinusitis die optimale Behandlung darstelle. Insoweit handle es sich bei Tetra Gelomyrtol nicht um ein bloßes Hustenmittel im Sinne der Vorschrift Nr. 31 Anlage III der AM-RL Tetra. Der zunächst erhobene Einwand der Nichtigkeit des Ausschlusstatbestandes in Nr. 31 der Anlage III zur AM-RL wurde nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2011, B 6 KA 29/10 R nicht weiter aufrechterhalten.

Nach Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem Arzneimittel Tetra Gelomyrtol um eine von den AM-RL ausgeschlossene fixe Kombination des Antitussivums/Expektoran- tiums Myrtol mit dem Antibiotikum Oxytetracyclin. Ob damit Husten wegen einer Erkältungskrankheit oder Bronchitis behandelt würde, sei grundsätzlich unerheblich.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 13.06.2012 abgewiesen. Bei dem verordneten Präparat handle sich um ein Medikament, das eine fiktive Zulassung besäße und nach § 34 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 SGB V in Verbindung mit der Anlage III Nr. 31 AM-RL von der Versorgung für Erwachsene ausgeschlossen sei. Danach seien von der Versorgung nach § 31 SGB V Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfende und hustenlösende Mittel für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ausgeschlossen. Konkretisiert werde § 34 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 SGB V durch Anlage III Nr. 31 AM-RL. Dort ist geregelt, dass „Hustenmittel: Fixe Kombination von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen“ nicht verordnungsfähig sind. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 04.12.2011 festgestellt habe, sei die Regelung der Anlage III Nr. 31 AM-RL nicht zu beanstanden. In der dortigen Entscheidung habe das BSG zu einem nicht verschreibungspflichtigen homöopathischen Hustenmittel ausgeführt, dass aufgrund der fixen Kombination eines hustenlösenden und eines schleimlösenden Mittels kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen sei - eventuell würden sich die Wirkstoffe sogar gegeneinander aufheben - und darin die Erklärung liege, warum die Kombination nicht verordnungsfähig sei. Bei Tetra Gelomyrtol handele es sich zwar um ein verschreibungspflichtiges Präparat mit einer fixen Kombination eines Antibiotikums und eines Expektorantiums (Myrtol, schleimlösend und damit Auswurf fördernd), wie von allen Beteiligten eingeräumt werde. Der Ausschlusstatbestand liege dennoch vor, auch wenn Zweckbestimmung der Verordnung die Behandlung von Sinusitis und Bronchitis war und Tetra Gelomyrtol damit kein Hustenmittel im engeren Sinne sei. Darauf komme es aber nicht an. Denn Husten sei keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr nur ein Symptom einer Erkrankung. Die Entscheidung des Gesetzgebers und des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), ob ein Medikament verordnungsfähig sei oder nicht, habe sich an dem Anwendungsgebiet, also der „Erkrankung“ zu orientieren. Insofern sei die Diktion „Hustenmittel“ in Anlage III Nr. 31 AMR nicht korrekt, zumindest aber auslegungsfähig. Maßgeblich sei vielmehr die fixe Kombination. Denn der Gesetzgeber und der GBA wollten nicht nur Medikamente von der Versorgung ausschließen, deren fixe Kombination (weil sich die Effekte unter Umständen gegenseitig ausschließen) die Wirksamkeit fraglich erscheinen lassen, sondern auch Präparate in einer „Grauzone“, die singulär - jeder Wirkstoff für sich - nicht verordnungsfähig seien - Myrte -, sondern nur über den Umweg eines Kombinationspräparats mit fixen Kombinationen verordnungsfähig würden. Anhaltspunkte für eine medizinisch indizierte ausnahmsweise Verordnung von Tetra Gelomyrtol lägen nicht vor und seien auch nicht vorgetragen worden. Das SG hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Mit ihrer Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Aufhebung des Regresses weiter. Zwar sei dem Sozialgericht zuzustimmen, dass Husten für sich genommen keine eigenständige Krankheit, sondern vielmehr nur ein Symptom einer Erkrankung darstelle. Mit „Hustenmittel“ seien in Anlage III Nr. 31 solche Kombinationspräparate gemeint, die lediglich der Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen dienten. Hierzu gehöre Tetra Gelomyrtol gerade nicht. Denn nicht ausgeschlossen werden sollten durch Anlage III Nr. 31 solche Arzneimittel, die nicht lediglich das bloßes Symptom einer Erkrankung, nämlich den Husten, bekämpfen, sondern an der Behandlung der dem Husten zugrunde liegenden Erkrankung ansetzten.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) teilte auf Anfrage des Senats zum Zulassungsstatus von Tetra Gelomyrtol mit, dass der Antrag auf Zulassung bzw. Verlängerung der Zulassung nach § 105 und § 105 Abs. 4a AMG, so genannte Nachzulassung, am 01.01.1979 beim BfArM (damals noch BGA) einging. Die Zulassung wurde mit Bescheid vom 05.12.2005 versagt, die hiergegen eingelegte Klage am 30.07.2012 zurückgenommen. Das Arzneimittel war bis zum 06.08.2012 uneingeschränkt verkehrsfähig.

Zur der Problematik, dass Tetra Gelomyrtol im streitgegenständlichen Quartal lediglich eine fiktive Zulassung besaß, führt die Klägerin mit Schriftsatz vom 26.03.2014 aus. Die Rechtsprechung des BSG zum Arzneimittel Wobe-Mugos (B 1 KR 6/04 R, B 6 KA 63/07 und B 6 BA 3/08 R), wonach lediglich fiktiv zugelassene Arzneimittel nicht verordnungsfähig seien, sei auf Tetra Gelomyrtol nicht anzuwenden. Denn das BSG habe seine Entscheidungen zur Nicht-Verordnungsfähigkeit lediglich fiktiv zugelassener Arzneimittel damit begründet, dass für diese Arzneimittel zu Qualität und Wirksamkeit keine zuverlässigen wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen in dem Sinne getroffen werden könnten, dass der Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sei. Dies gelte insbesondere für Fälle, in denen die Verkehrfähigkeit des Arzneimittels auf der verfahrensrechtlichen Position der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels beruhe. Bei Tetra Gelomyrtol sei jedoch die Wirksamkeit und Sicherheit in einer ausreichenden Anzahl von Fällen belegt, wie eine nicht interventionelle Studie aus dem Jahr 2005 belege. Die Rechtsprechung des BSG sei daher so zu verstehen, dass jeweils das konkret im Streit stehende Arzneimittel anhand der Kriterien des BSG im Hinblick auf den Wirksamkeits- und Sicherheitsbeleg gesondert geprüft werden müsse. Aufgrund der vorliegenden Wirksamkeits- und Sicherheitsbelege sei Tetra Gelomyrtol daher im streitgegenständlichen Verordnungszeitraum verkehrs- und erstattungsfähig zulasten der gesetzlichen Krankenkassen gewesen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.06.2012, S 38 KA 1021/11, sowie den Bescheid der Beklagten vom 26.09.2011 aufzuheben, soweit darin wegen der Verordnung des Arzneimittels Tetra Gelomyrtol ein Regress in Höhe von 50,50 € festgesetzt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des SG für zutreffend. Tetra Gelomyrtol falle als Kombinationspräparat unter die Vorschrift der Nr. 31 der Anlage III AM-RL und sei damit von einer Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV ausgeschlossen. Eine Ausnahmeindikation sei nicht vorgesehen. Die fiktive Zulassung reiche nicht für eine Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV aus.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Die Beigeladene zu 1. führt aus, dass in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung eine Verordnung nach § 34 Abs. 1 S. 2 SGB V in Verbindung mit § 16 Abs. 5 AM-RL erfolgen könne. Nach Auffassung der Beigeladenen zu 2. beruht der Verordnungsausschluss in erster Linie auf dem Umstand, dass es sich bei Tetra Gelomyrtol um ein Kombinationspräparat handelt. Darauf, ob durch das ausgeschlossene Präparat nur ein Symptom oder die zugrunde liegende Krankheit behandelt werden soll, komme es deshalb nicht an.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten der Beklagten, die SG-Akte mit dem Az. S 38 KA 1021/11 sowie die Berufungsakte vor, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Gründe

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet.

Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht. Nach § 106 Abs. 5 S. 8 SGB V findet in Fällen der Festsetzung einer Ausgleichspflicht für den Mehraufwand bei Leistungen, die durch das Gesetz oder durch Richtlinie nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind, ein Vorverfahren nicht statt. Diese Ausnahmeregelung ist auf Fälle beschränkt, in denen sich die Unzulässigkeit der Verordnung unmittelbar und eindeutig aus dem Gesetz selbst oder aus den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ergibt. Zudem muss sich der Ausschluss aus spezifischen Regelungen des Krankenversicherungsrechts ergeben. Eine (einschränkende) Auslegung der Norm in diesem Sinne legt bereits ihr Wortlaut nahe. Danach gilt der Ausschluss des Vorverfahrens nur für „Leistungen, die durch das Gesetz oder durch die Richtlinie nach § 92 SGB V ausgeschlossen sind“ (vergleiche BSG, Urteil vom 11.05.2011, B 6 KA13/10 R). Vorliegend folgt der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit sowohl aus den Vorschriften des SGB V, nach denen nur zugelassene Arzneimittel verordnungsfähig sind als auch nach der Anlage III Nr. 31 der Arzneimittel-Richtlinie (Richtlinie gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 SGB V).

Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Verordnungsregresses ist § 106 Abs. 2 S. 4, Abs. 3 S. 3 SGB V (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.03.2007, BGBl. I S. 378). Danach können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den kassenärztlichen Vereinigungen über die in § 106 Abs. 2 S. 1 SGB V vorgesehenen Prüfungen hinaus andere Prüfungsarten vereinbaren. In den Verträgen ist auch festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Einzelfallprüfungen durchgeführt werden können. Von dieser Möglichkeit haben die Partner der Verträge in Bayern Gebrauch gemacht. Nach der hier maßgeblichen Prüfvereinbarung (PV vom 01.07.2010, gültig für Quartale ab 1/09) prüft die Prüfungsstelle nach § 18 PV auf Antrag, ob der Vertragsarzt im Einzelfall Arzneimittel verordnet hat, die von der Verordnung ausgeschlossen sind. Der Antrag ist innerhalb von 10 Monaten nach Abschluss des Verordnungsquartals bei der Prüfungsstelle einzureichen. Vorliegend ist der Antrag vom 21.06.2010 zwar erst am 24.11.2010 bei der Prüfungsstelle eingegangen und damit später als 10 Monate, jedoch dient die Prüfantragsfrist nur dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann (BSG, Urteil vom 18.08.2010, B 6 KA 14/09 R).

Die im vorliegenden Fall durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit einschließlich der Regressfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Die Verordnungen von Tetra Gelomyrtol im Quartal 3/09 waren nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der GKV verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

Das BSG hat in seinen Urteilen zu Wobe Mugos E (Urt. v. 27.09.2005, B 1 KR 6/04 R, SozR 4-2500 § 31 Nr. 3; Urt. v. 05.11.2008, B 6 KA 63/07 R, SozR 4-2500 § 106 Nr. 21; Urt. v. 06.05.2009, B 6 KA 3/08 R, veröffentlicht bei juris.de) entschieden, dass eine fiktive Zulassung, die nur darauf beruht, dass eine abschlägige Zulassungsentscheidung noch nicht bestandskräftig ist, trotz Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nicht zu einer Verordnungsfähigkeit zulasten der GKV führt. Tetra Gelomyrtol ist jedenfalls seit der Ablehnung der Nachzulassung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 05.12.2005 nicht mehr verordnungsfähig iS des SGB V. Fehlt die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 06. Mai 2009 - B 6 KA 3/08 R, BSG vom 14.3.2001 - B 6 KA 19/00 R).

Ein Anspruch auf Versorgung besteht im Rahmen der GKV nur nach Maßgabe des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. § 31 Abs. 1 SGB V. Diese Bestimmungen ergeben im Kontext mit den allgemeinen Regelungen der § 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten. Dafür sind zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen über das Arzneimittel in dem Sinne erforderlich, dass der Erfolg der Behandlung mit ihm durch eine ausreichende Anzahl von Behandlungsfällen belegt ist. Das BSG geht im Arzneimittelbereich davon aus, dass für eine Überprüfung durch den Bundesausschuss kein Raum ist, wenn es sich um ein Fertigarzneimittel handelt, das nach Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nach dem AMG zum Verkehr zugelassen wurde. Dieser Verweisung für die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln im Rahmen der GKV auf das Arzneimittelzulassungsverfahren liegt die Annahme zugrunde, dass dieses Verfahren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in ähnlicher Weise wie das Überprüfungsverfahren durch den Bundesausschuss gewährleistet. Wurde diese Prüfung durchlaufen und somit die erfolgreiche Anwendung des Arzneimittels anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen in einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt und ist dementsprechend für das Arzneimittel die Zulassung einschließlich der darin enthaltenen Ausweisung der Anwendungsgebiete erteilt worden, so ist es in diesem Umfang auch verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl. BSGE 95, 132 RdNr. 18 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 RdNr. 25 mit Bezugnahme auf BSGE 93, 1, 2 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 1 RdNr. 7). In solchen Fällen ist also mit der Zulassung - und der damit gegebenen Verkehrsfähigkeit im Sinne des AMG - zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV gegeben (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 06.05.2009, B 6 KA 3/08 R) .

Für eine Schlussfolgerung von der arzneimittelrechtlichen Zulassung auf eine Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV fehlt insbesondere dann eine Rechtfertigung, wenn die Zulassung bzw. die Verlängerung der Zulassung eines Arzneimittels ausdrücklich abgelehnt wurde und dieses lediglich deshalb weiterhin verkehrsfähig iS des AMG war, weil die Verlängerungsversagung noch nicht vollzogen wurde mangels Anordnung der Vollziehung gemäß § 105 Abs. 5b Satz 2 AMG. Die verfahrensrechtliche Position der aufschiebenden Wirkung, die darauf beruhte, dass der pharmazeutische Hersteller die Versagung der Verlängerung bzw. Zulassung angefochten hatte, reicht nicht aus als Basis für die Annahme der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (BSG, Urteil vom 06.05.2009 - B 6 KA 3/08 R). Daher durfte Tetra Gelomyrtol nach der Versagung der Nachzulassung mit Bescheid vom 05.12.2005 und damit auch im Quartal 3/09 nicht mehr zulasten der GKV verordnet werden. Der Einwand der Klägerin, für Tetra Gelomyrtol lägen Studien vor (Anwendungsstudie aus dem Jahr 2005), die anhand einer großen Zahl von Behandlungsfällen die Wirksamkeit des Arzneimittels belegen würden, geht ins Leere. Der Senat ist an die (bestandskräftige) Versagungsentscheidung des BfArM gebunden, eine eigene Prüfung zur Wirksamkeit von Tetra Gelomyrtol findet nicht statt.

Dass die Mitglieder der Klägerin möglicherweise von der nur fiktiven Zulassung von Tetra Gelomyrtol keine Kenntnis hatten, ist unerheblich. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus (BSG, Urteil vom 03. Februar 2010, B 6 KA 37/08 R).

Zudem fehlt es aber auch an einer Verordnungsfähigkeit, weil Tetra Gelomyrtol als Kombinationsmittel nach Anlage III Nr. 31 AMRL von der Verordnung ausgeschlossen ist.

Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst u. a. die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die aufgrund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen (§ 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V). Der GBA beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten, insbesondere u. a. Richtlinien über die Verordnung von Arzneimitteln (§ 92 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 und 3 und Satz 2 Nr. 6 SGB V). Der GBA hat auf dieser Rechtsgrundlage die Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie/AM-RL) in der - hier maßgeblichen - Fassung (in Kraft getreten am 1. April 2009) erlassen.

Nach § 16 Abs. 1 und 2 AM-RL dürfen Arzneimittel von Versicherten nicht beansprucht, von den behandelnden Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse

1. der diagnostische oder therapeutische Nutzen oder

2. die medizinische Notwendigkeit oder

3. die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist.

Diese Voraussetzungen treffen insbesondere zu, wenn

1. ein Arzneimittel unzweckmäßig ist,

2. eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist,

3. ein Arzneimittel nicht der Behandlung von Krankheiten dient oder die Anwendung aus medizinischen Gründen nicht notwendig ist,

4. das angestrebte Behandlungsziel ebenso mit nichtmedikamentösen Maßnahmen medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist oder

5. an Stelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist.

Die nach den Absätzen 1 und 2 des § 16 AM-RL in ihrer Verordnung eingeschränkten und von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel sind in einer Übersicht als Anlage III der Arzneimittel-Richtlinie zusammengestellt (§ 16 Abs. 3 AM-RL).

Danach fallen unter Anlage III Nr. 31 AM-RL „Hustenmittel: Fixe Kombination von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen“. Bei dem Arzneimittel Tetra Gelomyrtol handelt es sich unstreitig um eine fixe Kombination zwischen einem Mukolytikum (Myrtol) und dem Antibiotikum Oxytetracyclin. Eine fixe Kombination kann nicht nur dann problematisch sein, wenn die Wirkungen der einzelnen Bestandteile möglicherweise gegenläufig sind, sondern auch dann, wenn die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen einen gewissen Sinn macht. Denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Menge der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststeht. Der GBA durfte daher zur Regelung der Nr. 31 der Anlage III AM-RL auf dieser Basis zur Schlussfolgerung kommen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (Urteil des BSG vom 14.12.2011, B 6 KA 29/10 R). Der Verordnungsausschluss von Tetra Gelomyrtol als Kombinationspräparat basierte daher nicht (allein) darauf, dass Hustenmittel nach Nr. 31 der Anlage III AM-RL wegen deren Einsatz bei Bagatellerkrankungen ausgeschlossen wären (§ 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V), sondern weil grundsätzlich die Verordnung von Monopräparaten statt einer fixen Kombination eines Mukolytikums und eines anderen Wirkstoffes (hier Tetracyclin) wirtschaftlicher ist. Für welche Indikation das Arzneimittel zugelassen ist oder konkret verordnet wurde, ist für den Verordnungsausschluss nach Nr. 31 der Anlage III AM-RL nicht maßgeblich.

Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Verordnungen nach § 16 Abs. 5 AM-RL liegt ebenfalls nicht vor. Gemäß § 16 Abs. 5 AM-RL kann der behandelnde Arzt die nach § 16 Abs. 1 und 2 ausgeschlossenen Arzneimittel in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Eine solche Begründung fehlt bei den streitbefangenen Verordnungen und wurde auch nicht vorgetragen. Eine nachträglich abgegebene Begründung könnte die fehlende Begründung im Verordnungszeitpunkt auch nicht ersetzen.

Der Rechtmäßigkeit der Entscheidung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte sich im angefochtenen Bescheid nicht auf einen Verordnungsausschluss aufgrund der lediglich fiktiven Zulassung gestützt hat. Denn bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art liegt weder ein Beurteilungsspielraum vor, noch ist Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AM-RL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs. 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden (sogenannter Basismangel, vgl. BSG, Urteil vom 03. Februar 2010.B 6 KA 37/08 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 und 2 Satz 1 SGG i. V. m.. § 154 Abs. 1 und 2 VwGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 SGG.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - L 12 KA 115/12 zitiert 18 §§.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. B

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 92 Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses


(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erforder

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 27 Krankenbehandlung


(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

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(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 106 Wirtschaftlichkeitsprüfung


(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und d

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und B

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bei uns veröffentlicht am 03.02.2010

Tatbestand 1 Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 02. Apr. 2014 - L 12 KA 115/12.

Sozialgericht München Endurteil, 11. Okt. 2017 - S 38 KA 135/17

bei uns veröffentlicht am 11.10.2017

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid der Prüfungsstelle über die Wirt

Referenzen

(1) Der Anbieter hat keine Rechte in Bezug auf gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte (gemeinsam: „Schutzrechte“) des Mauterhebers oder der Betreibergesellschaft. Soweit nachfolgend nicht ein anderes geregelt ist, werden an den Anbieter unter dieser Vereinbarung keine Schutzrechte lizenziert.

(2) Sollten beim Anbieter im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren Schutzrechte bestehen oder entstehen, deren Nutzung für den Mauterheber im Zusammenhang mit der Erbringung mautdienstbezogener Leistungen im EETS-Gebiet BFStrMG von praktischer Bedeutung ist, räumt der Anbieter dem Mauterheber bereits jetzt ab dem Zeitpunkt der Entstehung dieser Schutzrechte ein einfaches Nutzungsrecht einschließlich des Rechts zur Unterlizenzierung für das EETS-Gebiet BFStrMG in dem zeitlichen und inhaltlichen Umfang ein, der für das Verhältnis zwischen Anbieter und Mauterheber erforderlich ist. Soweit es sich um Schutzrechte Dritter handelt, steht der Anbieter dafür ein, dass er zur Unterlizenzierung berechtigt ist.

(3) Soweit beim Mauterheber im Zusammenhang mit dem Prüfverfahren Schutzrechte entstehen, deren Nutzung für den Anbieter im Zusammenhang mit der Erbringung mautdienstbezogener Leistungen im EETS-Gebiet BFStrMG erforderlich ist, hat der Anbieter einen Anspruch auf Einräumung eines einfachen Nutzungsrechts für das EETS-Gebiet BFStrMG, in dem zeitlichen und inhaltlichen Umfang, der für das Verhältnis zwischen Anbieter und Mauterheber erforderlich ist. Eine Unterlizenzierung bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung des Mauterhebers. Der Anbieter steht dem Mauterheber für die Erfüllung der Pflicht gemäß Satz 2 ein.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Fertigarzneimittel, die sich am 1. Januar 1978 im Verkehr befinden, gelten als zugelassen, wenn sie sich am 1. September 1976 im Verkehr befinden oder auf Grund eines Antrags, der bis zu diesem Zeitpunkt gestellt ist, in das Spezialitätenregister nach dem Arzneimittelgesetz 1961 eingetragen werden.

(2) Fertigarzneimittel nach Absatz 1 müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit dem 1. Januar 1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsgebiete angezeigt werden. Bei der Anzeige homöopathischer Arzneimittel kann die Mitteilung der Anwendungsgebiete entfallen. Eine Ausfertigung der Anzeige ist der zuständigen Behörde unter Mitteilung der vorgeschriebenen Angaben zu übersenden. Die Fertigarzneimittel dürfen nur weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn die Anzeige fristgerecht eingeht.

(3) Die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels erlischt abweichend von § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 am 30. April 1990, es sei denn, dass ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder auf Registrierung vor dem Zeitpunkt des Erlöschens gestellt wird, oder das Arzneimittel durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder von der Registrierung freigestellt ist. § 31 Abs. 4 Satz 1 findet auf die Zulassung nach Satz 1 Anwendung, sofern die Erklärung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis zum 31. Januar 2001 abgegeben wird.

(3a) Bei Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 ist bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, und Nr. 3 nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist; im Übrigen findet auf Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 keine Anwendung. Ein Fertigarzneimittel nach Absatz 1, das nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt ist, darf bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3

1.
in geänderter Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge, wenn die Änderung sich darauf beschränkt, dass ein oder mehrere bislang enthaltene arzneilich wirksame Bestandteile nach der Änderung nicht mehr oder in geringerer Menge enthalten sind,
2.
mit geänderter Menge des arzneilich wirksamen Bestandteils und innerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches mit geänderter Indikation, wenn das Arzneimittel insgesamt dem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis angepasst wird,
3.
(weggefallen)
4.
mit geänderter Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile, soweit es sich um ein Arzneimittel mit mehreren wirksamen Bestandteilen handelt, deren Anzahl verringert worden ist, oder
5.
mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird,
in den Verkehr gebracht werden; eine Änderung ist nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist. Der pharmazeutische Unternehmer hat die Änderung anzuzeigen und im Falle einer Änderung der Zusammensetzung die bisherige Bezeichnung des Arzneimittels mindestens für die Dauer von fünf Jahren mit einem deutlich unterscheidenden Zusatz, der Verwechslungen mit der bisherigen Bezeichnung ausschließt, zu versehen. Nach einer Frist von sechs Monaten nach der Anzeige darf der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel nur noch in der geänderten Form in den Verkehr bringen. Hat die zuständige Bundesoberbehörde für bestimmte Arzneimittel durch Auflage nach § 28 Abs. 2 Nr. 3 die Verwendung einer Packungsbeilage mit einheitlichem Wortlaut vorgeschrieben, darf das Arzneimittel bei Änderungen nach Satz 2 Nr. 2 abweichend von § 109 Abs. 2 nur mit einer Packungsbeilage nach § 11 in den Verkehr gebracht werden.

(4) Dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung sind abweichend von § 31 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 beizufügen. Den Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3a sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 bestimmt die zuständige Bundesoberbehörde im Einzelnen. Auf Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde sind ferner Unterlagen einzureichen, die die ausreichende biologische Verfügbarkeit der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels belegen, sofern das nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Ein bewertendes Sachverständigengutachten ist beizufügen. § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 bis 7 und § 23 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 bis 5 sind innerhalb von vier Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.

(4a) Zu dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 sind die Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie die Gutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 bis zum 1. Februar 2001 nachzureichen, soweit diese Unterlagen nicht bereits vom Antragsteller vorgelegt worden sind; § 22 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. Satz 1 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt sind. Für Vollblut, Plasma und Blutzellen menschlichen Ursprungs bedarf es abweichend von Satz 1 nicht der Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 sowie des Gutachtens nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, es sei denn, dass darin Stoffe enthalten sind, die nicht im menschlichen Körper vorkommen. Ausgenommen in den Fällen des § 109a erlischt die Zulassung, wenn die in den Sätzen 1 bis 3 genannten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden sind.

(4b) (weggefallen)

(4c) Ist das Arzneimittel nach Absatz 3 bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entsprechend der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen, ist die Verlängerung der Zulassung zu erteilen, wenn

1.
sich das Arzneimittel in dem anderen Mitgliedstaat im Verkehr befindet und
2.
der Antragsteller
a)
alle in § 22 Abs. 6 vorgesehenen Angaben macht und die danach erforderlichen Kopien beifügt und
b)
schriftlich erklärt, dass die eingereichten Unterlagen nach den Absätzen 4 und 4a mit den Zulassungsunterlagen übereinstimmen, auf denen die Zulassung in dem anderen Mitgliedstaat beruht,
es sei denn, dass die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann.

(4d) Dem Antrag auf Registrierung sind abweichend von § 38 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 beizufügen. Die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15 und Abs. 2 Nr. 1 sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 sind der zuständigen Bundesoberbehörde auf Anforderung einzureichen. § 22 Abs. 4 bis 7 mit Ausnahme des Entwurfs einer Fachinformation findet entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 und 3 sind innerhalb von zwei Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.

(4e) Für die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder Registrierung nach Absatz 3 Satz 1 finden § 25 Abs. 5 Satz 5 und § 39 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(4f) Die Zulassung nach Absatz 1 ist auf Antrag nach Absatz 3 Satz 1 um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 vorliegt; für weitere Verlängerungen findet § 31 Anwendung. Die Besonderheiten einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) sind zu berücksichtigen.

(4g) Bei Arzneimitteln, die Blutzubereitungen sind, findet § 25 Abs. 8 entsprechende Anwendung.

(5) Bei Beanstandungen hat der Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz darzulegen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Die zuständige Bundesbehörde hat in allen geeigneten Fällen keine Beanstandung nach Satz 1 erster Halbsatz auszusprechen, sondern die Verlängerung der Zulassung auf der Grundlage des Absatzes 5a Satz 1 und 2 mit einer Auflage zu verbinden, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, die Mängel innerhalb einer von ihr nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmenden Frist zu beheben.

(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 mit Auflagen verbinden. Auflagen können neben der Sicherstellung der in § 28 Abs. 2 genannten Anforderungen auch die Gewährleistung von Anforderungen an die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zum Inhalt haben, es sei denn, dass wegen gravierender Mängel der pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit oder der Unbedenklichkeit Beanstandungen nach Absatz 5 mitgeteilt oder die Verlängerung der Zulassung versagt werden muss. Im Bescheid über die Verlängerung ist anzugeben, ob der Auflage unverzüglich oder bis zu einem von der zuständigen Bundesoberbehörde festgelegten Zeitpunkt entsprochen werden muss. Die Erfüllung der Auflagen ist der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung einer eidesstattlichen Erklärung eines unabhängigen Gegensachverständigen mitzuteilen, in der bestätigt wird, dass die Qualität des Arzneimittels dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. § 25 Abs. 5 Satz 5, 6 und 8 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweite Alternative gelten entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten entsprechend für die Registrierung nach Absatz 3 Satz 1.

(5b) Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen die Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 nicht statt. Die sofortige Vollziehung soll nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet werden, es sei denn, dass die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5c) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 erlischt die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bis zum 31. Dezember 1999 erklärt hat, dass er den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 zurücknimmt am 1. Februar 2001, es sei denn, das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung ist nach Satz 2 wieder aufzugreifen. Hatte der pharmazeutische Unternehmer nach einer vor dem 17. August 1994 ausgesprochenen Anforderung nach Absatz 4 Satz 2 die nach Absatz 4 erforderlichen Unterlagen fristgerecht eingereicht oder lag der Einreichungszeitpunkt für das betreffende Arzneimittel nach diesem Datum oder ist die Anforderung für das betreffende Arzneimittel erst nach diesem Datum ausgesprochen worden, so ist das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung von der zuständigen Bundesoberbehörde auf seinen Antrag wieder aufzugreifen; der Antrag ist bis zum 31. Januar 2001 unter Vorlage der Unterlagen nach Absatz 4a Satz 1 zu stellen.

(5d) Die Absatz 3 Satz 2 und Absätze 3a bis 5c gelten entsprechend für Arzneimittel, für die gemäß § 4 Abs. 2 der EG-Rechts-Überleitungsverordnung vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) Anlage 3 zu § 2 Nr. 2 Kapitel II Nr. 1 und 2 bis zum 30. Juni 1991 ein Verlängerungsantrag gestellt wurde.

(6) (weggefallen)

(7) (weggefallen)

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten; dabei ist den besonderen Erfordernissen der Versorgung von Kindern und Jugendlichen sowie behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen und psychisch Kranker Rechnung zu tragen, vor allem bei den Leistungen zur Belastungserprobung und Arbeitstherapie; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist. Er soll insbesondere Richtlinien beschließen über die

1.
ärztliche Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung,
3.
Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten und zur Qualitätssicherung der Früherkennungsuntersuchungen sowie zur Durchführung organisierter Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a einschließlich der systematischen Erfassung, Überwachung und Verbesserung der Qualität dieser Programme,
4.
ärztliche Betreuung bei Schwangerschaft und Mutterschaft,
5.
Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden,
6.
Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankenhausbehandlung, häuslicher Krankenpflege, Soziotherapie und außerklinischer Intensivpflege sowie zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes,
7.
Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit einschließlich der Arbeitsunfähigkeit nach § 44a Satz 1 sowie der nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a versicherten erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne des Zweiten Buches,
8.
Verordnung von im Einzelfall gebotenen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Beratung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation,
9.
Bedarfsplanung,
10.
medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27a Abs. 1 sowie die Kryokonservierung nach § 27a Absatz 4,
11.
Maßnahmen nach den §§ 24a und 24b,
12.
Verordnung von Krankentransporten,
13.
Qualitätssicherung,
14.
spezialisierte ambulante Palliativversorgung,
15.
Schutzimpfungen.

(1a) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 sind auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit kann dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben, einen Beschluss zu einzelnen dem Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu überprüfen und hierzu eine angemessene Frist setzen. Bei Nichteinhaltung der Frist fasst eine aus den Mitgliedern des Bundesausschusses zu bildende Schiedsstelle innerhalb von 30 Tagen den erforderlichen Beschluss. Die Schiedsstelle besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Bundesausschusses und je einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen bestimmten Vertreter. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 ist den für die Wahrnehmung der Interessen von Zahntechnikern maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(1b) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 ist den in § 134a Absatz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(2) Die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 haben Arznei- und Heilmittel unter Berücksichtigung der Bewertungen nach den §§ 35a und 35b so zusammenzustellen, daß dem Arzt die wirtschaftliche und zweckmäßige Auswahl der Arzneimitteltherapie ermöglicht wird. Die Zusammenstellung der Arzneimittel ist nach Indikationsgebieten und Stoffgruppen zu gliedern. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, sind zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbaren Wirkstoffen oder therapeutisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zu den Therapiekosten und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergibt; § 73 Abs. 8 Satz 3 bis 6 gilt entsprechend. Um dem Arzt eine therapie- und preisgerechte Auswahl der Arzneimittel zu ermöglichen, können ferner für die einzelnen Indikationsgebiete die Arzneimittel in folgenden Gruppen zusammengefaßt werden:

1.
Mittel, die allgemein zur Behandlung geeignet sind,
2.
Mittel, die nur bei einem Teil der Patienten oder in besonderen Fällen zur Behandlung geeignet sind,
3.
Mittel, bei deren Verordnung wegen bekannter Risiken oder zweifelhafter therapeutischer Zweckmäßigkeit besondere Aufmerksamkeit geboten ist.
Absatz 3a gilt entsprechend. In den Therapiehinweisen nach den Sätzen 1 und 7 können Anforderungen an die qualitätsgesicherte Anwendung von Arzneimitteln festgestellt werden, insbesondere bezogen auf die Qualifikation des Arztes oder auf die zu behandelnden Patientengruppen. In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 können auch Therapiehinweise zu Arzneimitteln außerhalb von Zusammenstellungen gegeben werden; die Sätze 3 und 4 sowie Absatz 1 Satz 1 dritter Halbsatz gelten entsprechend. Die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 können Empfehlungen zu den Anteilen einzelner Wirkstoffe an den Verordnungen im Indikationsgebiet vorsehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt die Grundsätze für die Therapiehinweise nach den Sätzen 1 und 7 in seiner Verfahrensordnung. Verordnungseinschränkungen oder Verordnungsausschlüsse nach Absatz 1 für Arzneimittel beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss gesondert in Richtlinien außerhalb von Therapiehinweisen. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann die Verordnung eines Arzneimittels nur einschränken oder ausschließen, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht durch einen Festbetrag nach § 35 hergestellt werden kann. Verordnungseinschränkungen oder -ausschlüsse eines Arzneimittels wegen Unzweckmäßigkeit nach Absatz 1 Satz 1 dürfen den Feststellungen der Zulassungsbehörde über Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels nicht widersprechen.

(2a) Der Gemeinsame Bundesausschuss kann im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft vom pharmazeutischen Unternehmer im Benehmen mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte oder dem Paul-Ehrlich-Institut innerhalb einer angemessenen Frist ergänzende versorgungsrelevante Studien zur Bewertung der Zweckmäßigkeit eines Arzneimittels fordern. Absatz 3a gilt für die Forderung nach Satz 1 entsprechend. Das Nähere zu den Voraussetzungen, zu der Forderung ergänzender Studien, zu Fristen sowie zu den Anforderungen an die Studien regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Werden die Studien nach Satz 1 nicht oder nicht rechtzeitig vorgelegt, kann der Gemeinsame Bundesausschuss das Arzneimittel abweichend von Absatz 1 Satz 1 von der Verordnungsfähigkeit ausschließen. Eine gesonderte Klage gegen die Forderung ergänzender Studien ist ausgeschlossen.

(3) Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel nach Absatz 2 gelten die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Die Klagen haben keine aufschiebende Wirkung. Ein Vorverfahren findet nicht statt. Eine gesonderte Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder Stoffgruppen nach Absatz 2 Satz 2, die Zusammenfassung der Arzneimittel in Gruppen nach Absatz 2 Satz 4 oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach Absatz 2 ist unzulässig.

(3a) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes und Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 ist den Sachverständigen der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft und Praxis sowie den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer, den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern, den Berufsvertretungen der Apotheker und den maßgeblichen Dachverbänden der Ärztegesellschaften der besonderen Therapierichtungen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gutachten oder Empfehlungen von Sachverständigen, die er bei Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 zur Verordnung von Arzneimitteln und zur Anwendung von Arzneimitteln für neuartige Therapien im Sinne von § 4 Absatz 9 des Arzneimittelgesetzes sowie bei Therapiehinweisen nach Absatz 2 Satz 7 zu Grunde legt, bei Einleitung des Stellungnahmeverfahrens zu benennen und zu veröffentlichen sowie in den tragenden Gründen der Beschlüsse zu benennen.

(4) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 sind insbesondere zu regeln

1.
die Anwendung wirtschaftlicher Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen mehrere Maßnahmen zur Früherkennung zusammenzufassen sind,
2.
das Nähere über die Bescheinigungen und Aufzeichnungen bei Durchführung der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten,
3.
Einzelheiten zum Verfahren und zur Durchführung von Auswertungen der Aufzeichnungen sowie der Evaluation der Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten einschließlich der organisierten Krebsfrüherkennungsprogramme nach § 25a.

(4a) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2021 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung in geeigneten Fällen. Bei der Festlegung der Regelungen nach Satz 1 ist zu beachten, dass im Falle der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung diese nicht über einen Zeitraum von bis zu drei Kalendertagen hinausgehen und ihr keine Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit folgen soll. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen nach Satz 1 über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über deren Umsetzung vorzulegen. Bei der Erstellung des Berichtes ist den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. In Ergänzung der nach Satz 1 beschlossenen Regelungen beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. Januar 2024 in den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 7 Regelungen zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei Erkrankungen, die keine schwere Symptomatik vorweisen sowie ausschließlich bezogen auf in der jeweiligen ärztlichen Praxis bekannte Patientinnen und Patienten auch nach telefonischer Anamnese.

(5) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 8 ist den in § 111b Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer, den Rehabilitationsträgern (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 bis 7 des Neunten Buches) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen. In den Richtlinien ist zu regeln, bei welchen Behinderungen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Verfahren die Vertragsärzte die Krankenkassen über die Behinderungen von Versicherten zu unterrichten haben.

(6) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist insbesondere zu regeln

1.
der Katalog verordnungsfähiger Heilmittel,
2.
die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen,
3.
die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung,
4.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer,
5.
auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Absatz 11 Satz 1 verzichtet werden kann sowie
6.
die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Absatz 11 Satz 1.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Heilmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 125 Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(6a) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 ist insbesondere das Nähere über die psychotherapeutisch behandlungsbedürftigen Krankheiten, die zur Krankenbehandlung geeigneten Verfahren, das Antrags- und Gutachterverfahren, die probatorischen Sitzungen sowie über Art, Umfang und Durchführung der Behandlung zu regeln; der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. Sofern sich nach einer Krankenhausbehandlung eine ambulante psychotherapeutische Behandlung anschließen soll, können erforderliche probatorische Sitzungen frühzeitig, bereits während der Krankenhausbehandlung sowohl in der vertragsärztlichen Praxis als auch in den Räumen des Krankenhauses durchgeführt werden; das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach Satz 1 und nach Absatz 6b. Die Richtlinien nach Satz 1 haben darüber hinaus Regelungen zu treffen über die inhaltlichen Anforderungen an den Konsiliarbericht und an die fachlichen Anforderungen des den Konsiliarbericht (§ 28 Abs. 3) abgebenden Vertragsarztes. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt in den Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebotes, insbesondere zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung der frühzeitigen diagnostischen Abklärung und der Akutversorgung, zur Förderung von Gruppentherapien und der Rezidivprophylaxe sowie zur Vereinfachung des Antrags- und Gutachterverfahrens. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien nach Satz 1 Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat.

(6b) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung, insbesondere für schwer psychisch kranke Versicherte mit einem komplexen psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann dabei Regelungen treffen, die diagnoseorientiert und leitliniengerecht den Behandlungsbedarf konkretisieren. In der Richtlinie sind auch Regelungen zur Erleichterung des Übergangs von der stationären in die ambulante Versorgung zu treffen.

(6c) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2023 in einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 Regelungen für eine berufsgruppenübergreifende, koordinierte und strukturierte Versorgung für Versicherte mit Verdacht auf Long-COVID. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann hierzu Regelungen treffen, die insbesondere eine interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik und den zeitnahen Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot sicherstellen. Er kann den Anwendungsbereich seiner Richtlinie auf die Versorgung von Versicherten erstrecken, bei denen ein Verdacht auf eine andere Erkrankung besteht, die eine ähnliche Ursache oder eine ähnliche Krankheitsausprägung wie Long-COVID aufweist.

(7) In den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 sind insbesondere zu regeln

1.
die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung,
2.
Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus,
3.
die Voraussetzungen für die Verordnung häuslicher Krankenpflege und für die Mitgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt,
4.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur Dekolonisation von Trägern mit dem Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA),
5.
Näheres zur Verordnung häuslicher Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung.
Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von häuslicher Krankenpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Leistungserbringern und zu den Regelungen gemäß Satz 1 Nummer 5 zusätzlich den maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7a) Vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Richtlinien zur Verordnung von Hilfsmitteln nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den in § 127 Absatz 9 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer und den Spitzenorganisationen der betroffenen Hilfsmittelhersteller auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7b) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von spezialisierter ambulanter Palliativversorgung nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 14 ist den maßgeblichen Organisationen der Hospizarbeit und der Palliativversorgung sowie den in § 132a Abs. 1 Satz 1 genannten Organisationen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7c) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung von Soziotherapie nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 ist den maßgeblichen Organisationen der Leistungserbringer der Soziotherapieversorgung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7d) Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach den §§ 135, 137c und § 137e ist den jeweils einschlägigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei Methoden, deren technische Anwendung maßgeblich auf dem Einsatz eines Medizinprodukts beruht, ist auch den für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der Medizinproduktehersteller und den jeweils betroffenen Medizinprodukteherstellern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Bei Methoden, bei denen radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung am Menschen angewandt werden, ist auch der Strahlenschutzkommission Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(7e) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht. Es wird durch zwei Vertreter der Länder ausgeübt, die von der Gesundheitsministerkonferenz der Länder benannt werden. Die Mitberatung umfasst auch das Recht, Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen zu lassen und das Recht zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über Anträge der Länder in der nächsten Sitzung des jeweiligen Gremiums zu beraten. Wenn über einen Antrag nicht entschieden werden kann, soll in der Sitzung das Verfahren hinsichtlich der weiteren Beratung und Entscheidung festgelegt werden. Entscheidungen über die Einrichtung einer Arbeitsgruppe und die Bestellung von Sachverständigen durch den zuständigen Unterausschuss sind nur im Einvernehmen mit den beiden Vertretern der Länder zu treffen. Dabei haben diese ihr Votum einheitlich abzugeben.

(7f) Bei den Richtlinien nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 13 und den Beschlüssen nach den §§ 136b und 136c erhalten die Länder ein Antrags- und Mitberatungsrecht; Absatz 7e Satz 2 bis 7 gilt entsprechend. Vor der Entscheidung über die Richtlinien nach § 136 Absatz 1 in Verbindung mit § 136a Absatz 1 Satz 1 bis 3 ist dem Robert Koch-Institut Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Robert Koch-Institut hat die Stellungnahme mit den wissenschaftlichen Kommissionen am Robert Koch-Institut nach § 23 des Infektionsschutzgesetzes abzustimmen. Die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(7g) Vor der Entscheidung über die Richtlinien zur Verordnung außerklinischer Intensivpflege nach Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 ist den in § 132l Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer sowie den für die Wahrnehmung der Interessen der betroffenen Versicherten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(8) Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Bestandteil der Bundesmantelverträge.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Sprechstundenbedarf.

2

Der als Praktischer Arzt im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Kläger bezog im Jahr 2001 in erheblichem Umfang "Hydroxyäthylstärke (HAES) steril 6 %" im Wege der Verordnung von Sprechstundenbedarf (SSB). HAES-Infusionslösungen werden zB bei Hörsturz und Tinnitus eingesetzt.

3

Die zu 2. beigeladene Krankenkasse (KK, hier: AOK) beantragte, nachdem sie am 24.7.2002 die Kostenstatistiken für das letzte Quartal des Jahres 2001 erhalten hatte, beim Prüfungsausschuss (PA), dass dieser gegen den Kläger wegen Überschreitung des durchschnittlichen Aufwands der Fachgruppe beim SSB um mehr als das Doppelte einen Regress festsetze (Antrag vom 24.9.2002; Begründung vom 16.12.2002). Antrag und Begründung wurden dem Kläger zugeleitet mit dem Hinweis, dass die beantragte Prüfung nach Durchschnittswerten nur durchgeführt werde, wenn für den Prüfzeitraum keine Prüfung nach Richtgrößen stattfinde. Nachdem diese nicht stattgefunden hatte, nahm der PA eine Überprüfung anhand von Durchschnittswerten vor mit dem Ergebnis, dass eine Maßnahme gegen den Kläger nicht veranlasst sei (Bescheid vom 22.12.2005): Zwar lägen seine Aufwendungen für den SSB, die durch die HAES-Infusionen im Umfang von 3975 DM verursacht seien, deutlich über dem Durchschnitt der Fachgruppe. Ihm seien aber Einsparungen durch den Bezug der Infusionen in Großgebinden und bei den allgemeinen Arzneikosten zugute zu halten.

4

Die Beigeladene zu 2. legte Widerspruch ein. Sowohl dieser als auch die nachgereichte Widerspruchsbegründung wurden dem Kläger zugeleitet. Der beklagte Beschwerdeausschuss setzte - unter Aufhebung des Bescheids des PA - einen Regress von 3799,75 Euro fest (Bescheid vom 27.11.2006): Dem Kläger sei im SSB-Bereich eine Überschreitung des durchschnittlichen Verordnungsaufwandes der Fachgruppe um 211,6 % anzulasten. Dabei werde eine Berechnung über das gesamte Jahr zugrunde gelegt, weil nur dies sachgerecht sei, da in den vier Quartalen eines Jahres sehr unterschiedliche Materialanforderungen festzustellen seien. Eine Rechtfertigung der Überschreitungen durch medizinische Besonderheiten sei nicht ersichtlich. SSB-Verordnungen seien nur für die Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt, für die weiteren Infusionen müsse der Arzt Einzelverordnungen für den konkreten Patienten ausstellen. Teilweise habe der Kläger HAES-Infusionslösungen auch bei anderen Krankheiten verordnet, bei denen dies nicht indiziert sei. Die Überschreitung der Durchschnittsverordnungskosten liege eindeutig im Bereich des sog offensichtlichen Missverhältnisses. Minderkosten bei den Verordnungen von Arznei- und Verbandmitteln könnten mangels kausalen Zusammenhangs mit den Mehrkosten beim SSB nicht als kompensierende Einsparungen anerkannt werden. Von den HAES-Verordnungen sei nur ein Anteil von 14 % = ca 1291 DM für Akutbehandlungen von Hörsturz und Tinnitus gerechtfertigt. Demnach belaufe sich der unwirtschaftliche Anteil auf ca 7931 DM. Ausgehend von dem SSB-Gesamtverordnungsvolumen des Klägers von 14 677,06 DM, das den Fachgruppendurchschnitt pro Fall um mehr als das Doppelte überschreite, ergebe sich - bei Zubilligung einer Überschreitung um 45 % und nach Abzug des Apothekenrabatts von 5 % - ein Regress in Höhe von 7431,66 DM = 3799,75 Euro.

5

Das vom Kläger angerufene SG hat den Regressbescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, über den Widerspruch der Beigeladenen zu 2. erneut zu entscheiden. Der angefochtene Bescheid sei teilweise rechtswidrig. Allerdings habe der Beklagte die Bestimmung der Prüfvereinbarung eingehalten, wonach die Prüfung längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorlägen, beantragt werden könne (§ 14 Abs 3 Prüfvereinbarung). Diese Frist sei durch den Prüfantrag vom 25.9.2002 gewahrt worden; der KK hätten die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen. Die Vier-Jahres-Frist für den Erlass des Prüfbescheids sei dagegen nur teilweise eingehalten worden. Diese beginne im Falle von Verordnung(sregress)en mit Erlass des Honorarbescheids für dasjenige Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausgestellt habe. Hiernach sei diese Frist durch den Bescheid vom 22.12.2005 bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt worden, allerdings nicht hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil der Erlass der Honorarbescheide für diese bereits mehr als vier Jahre zurückgelegen habe. Der gesonderten Betrachtung jedes einzelnen Quartals stehe nicht entgegen, dass bei SSB-Verordnungen alle vier Quartale eines Jahres zusammen überprüft würden; denn auch in diesem Fall bleibe der Zusammenhang jeder Verordnung mit dem konkreten Quartal ihrer Ausstellung bestehen. Deshalb sei für einen Regress hinsichtlich der Quartale I und II/2001 kein Raum mehr, sodass der Beklagte zur Neubescheidung, beschränkt auf die Quartale III und IV/2001, verpflichtet sei.

6

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, das SG habe zu Unrecht angenommen, die Vier-Jahres-Frist beginne für jedes einzelne Quartal gesondert. Die Frist habe vielmehr auch für die Quartale I und II/2001 erst nach dem Quartal IV/2001 zu laufen begonnen, sodass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 sie noch gewahrt habe. Dies folge daraus, dass gemäß der SSB-Vereinbarung die Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen nur insgesamt für vier aufeinanderfolgende Quartale geprüft werde. Offenbleiben könne, ob die Vier-Jahres-Frist schon sogleich nach Ablauf des vierten Quartals oder erst ab dem Erlass des Honorarbescheids für dieses Quartal oder gar erst ab Eingang der Kostenstatistiken für dieses Quartal beginne; denn in jedem dieser Fälle sei sie durch den Prüfbescheid vom 22.12.2005 gewahrt worden. Dieser habe nicht früher erlassen werden können, weil zunächst habe abgewartet werden müssen, ob Richtgrößenprüfungen durchgeführt würden, was die Möglichkeit einer Prüfung anhand von Durchschnittswerten gehindert hätte.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Urteil des SG. Es habe mit der Annahme, die Vier-Jahres-Frist sei, bezogen auf die Quartale I und II/2001, abgelaufen, die Rechtsprechung des BSG konsequent fortgeführt. Anhaltspunkte dafür, dass bei der Prüfung von SSB die Frist wegen der Gesamtüberprüfung mehrerer Quartale erst nach Ablauf des letzten Quartals beginne, seien nicht normativ vorgegeben und auch nicht durch die Rechtsprechung des BSG vorgezeichnet. Diese Auffassung laufe auch der Intention der SSB-Vereinbarung zuwider, die mit der Vorgabe jahresbezogener Prüfungen die Ärzte begünstigen wolle. Im Übrigen habe die Regelung über die jahresbezogene Prüfung nur den Rang von Landesrecht, was den aus Bundesrecht abzuleitenden, für jedes Quartal gesonderten Fristbeginn nicht ändern könne.

10

Die Beigeladene zu 2. schließt sich, ohne selbst einen Antrag zu stellen, den Ausführungen des Beklagten an. Sie führt ergänzend aus, nach ihrer Ansicht sei für die Vier-Jahres-Frist im Verordnungsbereich die Verjährungsregelung des § 45 Abs 1 SGB I maßgebend. Die Frist beginne erst ab Zugang der Verordnungsstatistiken und bei jahresbezogenen Prüfungen auch nur einheitlich für alle Quartale mit Vorliegen der Statistiken für das letzte Quartal des Jahres. Daher habe der Bescheid des Prüfungsausschusses die Frist noch gewahrt.

11

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG Erfolg. Die Revision ist ungeachtet der Mängel der Entscheidung des SG über die Zulassung der Sprungrevision zulässig (unten 1.). Sie betrifft vom Streitgegenstand her nur die Quartale I und II/2001, denn nur insoweit hat das SG einen Ablauf der Vier-Jahres-Frist angenommen und nur insoweit ist dessen Urteil mit der Revision angefochten worden (unten 2.). Die Revision des Beklagten ist erfolgreich, denn das angefochtene Urteil ist fehlerhaft. Das SG hat zu Recht die Rechtsgrundlage für den Bescheid in § 106 SGB V gesehen(unten 3.), aber zu Unrecht angenommen, die für Verordnungsregresse geltende vierjährige Ausschlussfrist sei im Zeitpunkt des Erlasses des Prüfbescheids vom 22.12.2005, bezogen auf die Quartale I und II/2001, bereits verstrichen gewesen (unten 4.). Für die abschließende Beurteilung, ob der Bescheid rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es allerdings noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückverwiesen wird (unten 5.).

13

1. Der Zulässigkeit der Revision steht nicht entgegen, dass das SG allein durch seinen Berufsrichter - ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter - die Revision unmittelbar gegen sein Urteil zugelassen hat. Dies ist zwar fehlerhaft; ungeachtet dieses Mangels ist der Zulassungsbeschluss aber wirksam und das Revisionsgericht an die Zulassung der Sprungrevision gebunden (vgl BSG BSGE 51, 23, 26 ff = SozR 1500 § 161 Nr 27 S 54 ff; BSGE 64, 296, 297 f = SozR 1500 § 161 Nr 33 S 69 f; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 13/06 R - Juris RdNr 9).

14

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.11.2006, der gegen den Kläger einen Regress in Höhe von 3799,75 Euro festsetzte und den Prüfbescheid des Zulassungsausschusses vom 22.12.2005 aufhob, der von Maßnahmen gegen den Kläger abgesehen hatte (zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids des Beschwerdeausschusses vgl zB BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 37/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN). Allerdings ist der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 nur insoweit Gegenstand, als die im Urteil des SG enthaltene Verpflichtung zur Neubescheidung Vorgaben enthält, die für den Beklagten nachteilig sind. Denn das Urteil des SG ist nur unter diesem Aspekt angefochten worden; nur der Beklagte hat Revision eingelegt.

15

Soweit die Vorgaben nachteilig für den Kläger sind, sind diese mangels Revisionseinlegung durch ihn nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Sie sind vielmehr bestandskräftig und damit bindend geworden (zu Differenzierungen hinsichtlich der Bestandskraft und Überprüfbarkeit von Neubescheidungsurteilen siehe eingehend BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 22 mwN; vgl auch zB BSGE 91, 153 = SozR 4-2500 § 85 Nr 3, RdNr 7 f; BSGE 92, 87 = SozR 4-2500 § 85 Nr 8, RdNr 4; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 4/09 R - RdNr 10, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 85 vorgesehen). Dementsprechend ist Gegenstand des hier anhängigen Revisionsverfahrens die Rechtmäßigkeit des Bescheids des Beklagten vom 27.11.2006 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt, ob mit ihm ein Regress wegen SSB-Verordnungen auch noch bezogen auf die Quartale I und II/2001 festgesetzt werden durfte oder ob dem die Vier-Jahres-Ausschlussfrist entgegenstand.

16

3. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Jahr 2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 17 und BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (aaO Satz 1 Nr 1) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese PrüfVen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (vgl BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 14 mwN).

17

Die PrüfVen enthalten regelmäßig auch Bestimmungen zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von SSB. Auch in der hier einschlägigen PrüfV von 1993 (die bis Oktober 2005 weitergalt) waren Regelungen speziell für die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen getroffen worden (siehe zB § 10, § 14 Abs 3, § 15 Abs 3 PrüfV; vgl dazu § 162 SGG betr Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung des Inhalts von Landesrecht, hierzu zB - betr PrüfV - BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 14, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 6/09 R - RdNr 30 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zur Frage, welche Arzneimittel im Wege der Verordnung als SSB bezogen werden dürfen, enthalten die SSB-Vereinbarungen nähere Regelungen; auch dies sind landesrechtliche Vorschriften, deren Anwendung und Auslegung den LSGen vorbehalten ist (§ 162 SGG, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 13).

18

4. Die Fristen, die für den Erlass eines Regressbescheids wegen unzulässiger oder unwirtschaftlicher Verordnung von SSB gelten, sind gewahrt worden. Dem Regress kann weder der Ablauf der (a) Frist für die Stellung des Prüfantrags noch der Ablauf der (b) Frist für den Erlass des Prüfbescheids entgegengehalten werden.

19

a) Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, scheitert die Regressfestsetzung nicht daran, dass die zu 2. beigeladene KK die Überprüfung der SSB-Verordnungen des Klägers zu spät beantragt hätte.

20

Zum einen ist die Frist, die in der PrüfV für Prüfanträge bei SSB-Verordnungen normiert ist, eingehalten worden: Anträge auf Überprüfung von SSB-Verordnungen können gemäß § 14 Abs 3 PrüfV "längstens für die letzten vier zurückliegenden Quartale, für die statistische Unterlagen vorliegen, gestellt werden". Der zu 2. beigeladenen KK haben die Kostenstatistiken für das Quartal IV/2001 erst am 24.7.2002 vorgelegen, wie im Urteil des SG zugrunde gelegt und von keinem der Beteiligten in Frage gestellt worden ist (§ 163 SGG; vgl vorliegend auch § 161 Abs 4 SGG). Im Urteil des SG ist dazu festgestellt, dass es sich im Zeitpunkt des Antrags der Beigeladenen zu 2. - am 24./25.9.2002 - bei den Quartalen I bis IV/2001 um die letzten vier handelte, für die statistische Unterlagen vorlagen. Auf dieser Grundlage hat das SG folgerichtig den Schluss gezogen, dass die in § 14 Abs 3 PrüfV für die Prüfung normierte Frist eingehalten war.

21

Zum anderen kommt es auf die Einhaltung der Frist des § 14 Abs 3 PrüfV ohnehin nicht an. Wie der Senat in seinem Urteil vom 3.2.2010 (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 19 bis 22) klargestellt hat, dient die Prüfantragsfrist (nur) dem Interesse der Verfahrensbeschleunigung, aus deren Versäumnis nicht ein Hindernis, das Verfahren überhaupt durchzuführen, abgeleitet werden kann. Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn durchgeführt wird, dient eine andere Frist, nämlich die Vier-Jahres-Frist (hierzu siehe unten b; - diese Rspr fortsetzend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 20/09 R - Juris RdNr 29 bis 31). Hat mithin die Nichteinhaltung der Frist für die Stellung des Prüfantrags nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt dieser - hier ohnehin eingehaltenen - Frist im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu.

22

b) Dem Regressbescheid kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die für Regressfestsetzungen geltende Vier-Jahres-Frist sei nicht gewahrt worden.

23

Das SG vertritt die Auffassung, der Prüfbescheid vom 22.12.2005 habe die Vier-Jahres-Frist lediglich bezogen auf die Quartale III und IV/2001 gewahrt, nicht aber hinsichtlich der Quartale I und II/2001, weil seit deren Ende - bzw seit dem Erlass der Honorarbescheide für diese Quartale - bereits mehr als vier Jahre verstrichen waren, als der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 erließ. Die Frist habe für diese Quartale nicht etwa deshalb erst später begonnen, weil die Überprüfung von SSB-Verordnungen in Frage stehe und diese sich grundsätzlich auf alle vier Quartale eines Jahres zusammen erstrecke. Auch bei SSB-Verordnungen bleibe der Zusammenhang der Verordnungen mit jeweils einem konkreten Quartal bestehen, sodass die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal beginne.

24

Diesen Ausführungen des SG kann nur teilweise gefolgt werden. Die Auffassung des SG, dass für den hier streitbefangenen SSB-Regress eine Ausschlussfrist von vier Jahren gilt, trifft zu (unten aa und bb). Unzutreffend ist hingegen dessen Ansicht, die Frist beginne gesondert für jedes einzelne Quartal mit Erlass des Quartalshonorarbescheids und sei deshalb für die Quartale I und II/2001 bereits abgelaufen. Bei SSB-Verordnungen sind grundsätzlich vier aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, und die Vier-Jahres-Frist beginnt einheitlich nach Ablauf des letzten dieser Quartale (unten cc). Der Fristlauf war im Übrigen auch schon gehemmt (unten dd).

25

aa) Wie der Senat in seinem Urteil vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - klargestellt hat, unterliegt die Festsetzung von Regressen wegen der Verordnung von Arzneimitteln, die der Arzt nicht verordnen durfte, keiner Verjährung, sondern einer Ausschlussfrist (BSG aaO RdNr 18 ff - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit Zusammenfassung seiner Rspr). Eine Verjährung gilt nur für Festsetzungen eines sog sonstigen Schadens, dem nur solche Regresse wegen Fehlverordnungen zuzuordnen sind, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Verordnung ergeben (Urteil aaO RdNr 22 bis 26). Handelt es sich dagegen um Fehler, die sich speziell aus der Verordnung selbst ergeben, wie zB bei Verordnungen unter Verstoß gegen die Arzneimittel-Richtlinie bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel, so liegen Fälle des § 106 SGB V vor, für die keine Verjährungs-, sondern nur eine Ausschlussfrist in Betracht kommt(aaO RdNr 22 f, 26, 27 ff).

26

Für die Verordnung von Arzneimitteln, die nicht patienten-, sondern praxisbezogen als SSB erfolgt, gilt nichts anderes. In der Rechtsprechung des Senats ist seit langem geklärt, dass den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von SSB-Verordnungen - im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen SSB-Vereinbarung - wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne - im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit den durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe - übertragen werden kann (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 8; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 6; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 24 RdNr 14). Auch der Umstand, dass Regresse wegen vereinbarungswidriger oder unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen kein Verschulden des Vertragsarztes voraussetzen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12), weist auf die Zuordnung der gesamten SSB-Prüfung zur allgemeinen Wirtschaftlichkeitsprüfung iS des § 106 SGB V und nicht zur Sonderkonstellation der Verantwortung des Vertragsarztes für die Verursachung eines "sonstigen Schadens" bei den KKn hin(so jüngst auch BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 26, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, mit Hinweis auf BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 5 ff betr fehlerhafte Aufteilung des SSB zwischen Primär- und Ersatzkassen).

27

bb) Die Ausschlussfrist für Regressbescheide auf der Grundlage des § 106 SGB V beträgt nach der Rechtsprechung des BSG - in Anlehnung an die sonstigen ebenfalls vierjährigen Fristen zB in den Büchern des SGB und auch bei sachlich-rechnerischen Richtigstellungen - vier Jahre. Mit dieser Festlegung hat das BSG der Notwendigkeit zeitlicher Begrenzung von Prüfverfahren aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Rechtssicherheit Rechnung getragen (vgl oben RdNr 21 und zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 aaO RdNr 28 mwN).

28

cc) Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Vier-Jahres-Frist beginnt, ist dahin zu beantworten, dass diese Frist für Verordnungsregresse im Regelfall unmittelbar nach Ablauf des Quartals beginnt, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Die kostenmäßige Zuordnung von Verordnungen kann unterschiedlich gestaltet sein. Erfolgt die Zuordnung zu dem Quartal, in dem der Arzt die Verordnung ausstellte, so ist der Ablauf dieses Quartals auch für den Beginn der Vier-Jahres-Frist maßgebend. Erfolgt die kostenmäßige Zuordnung der Verordnung danach, in welchem Quartal die Verordnung eingelöst wurde - dh danach, wann die Kosten entstanden -, so ist der Ablauf dieses Quartals maßgebend. Welche dieser beiden Varianten bei Auseinanderfallen des Verordnungs- und des Einlösezeitpunkts einschlägig ist, kann in einer allgemein-abstrakten normativen Regelung, zB in der PrüfV, bestimmt werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 23; zu insoweit differenzierenden Regelungen vgl BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8; vgl auch unten RdNr 35). Besteht keine normative Festlegung, kann die Zuordnung sich aus der Verwaltungspraxis der Prüfgremien ergeben.

29

Das Ergebnis ist durch die Regelung des § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V gesetzlich vorgezeichnet. Zwar betrifft diese Bestimmung als solche nur die Richtgrößenprüfung - und normiert insoweit eine kürzere, zweijährige Frist -, hat aber mit dem Kriterium "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" generelle Bedeutung. Bei dem "Verordnungszeitraum" kann es sich - so der Regelfall - um ein Quartal handeln, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf dieses Quartals beginnt (unten RdNr 33 und 37), oder - in besonderen Fällen eines sachlich-veranlasst längeren Prüfzeitraums - um einen Zeitraum mehrerer Quartale, sodass die Vier-Jahres-Frist nach Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals beginnt (unten RdNr 34). Im Fall von SSB-Verordnungen liegt in aller Regel eine solche besondere Konstellation vor (unten RdNr 35 iVm 38).

30

Für die Zuordnung einer Verordnung zu einem bestimmten Quartal ist der Zeitpunkt, in dem der Honorarbescheid erlassen wird, ohne Bedeutung. Der Honorarbescheid markiert den maßgebenden Zeitpunkt für den Beginn der Vier-Jahres-Frist nur insoweit, als die Versagung oder Kürzung von Honorar in Rede steht, dh in Fällen sachlich-rechnerischer Prüfung, degressionsbedingter Honorarminderung und der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise (siehe zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R - RdNr 31 - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen - mit umfangreichen Rspr-Nachweisen). In gleicher Weise im Verordnungsbereich für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Erlass des Honorarbescheids abzustellen, wäre verfehlt. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise und die Überprüfung der Behandlungsweise betreffen zwei unterschiedliche Bereiche; eine "Gesamtprüfung" findet nicht statt. Ein Sachgrund, durch Abstellen auf den Erlass des Honorarbescheids einen "Gleichklang" des Fristlaufs im Honorar- und im Verordnungsbereich zu erreichen, besteht nicht. Dafür reicht nicht aus, dass in seltenen Fällen Anlass zur Prüfung bestehen kann, ob ein Verordnungsmehraufwand durch einen Minderaufwand im Honorarbereich kompensiert wird, was erst ab Erlass des Honorarbescheids fundiert beurteilt werden kann (zu dieser abweichenden Ansicht vgl Clemens in jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 153, und in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 105; ebenso im Ergebnis: Peikert in Schnapp/Wigge, Handbuch des Vertragsarztrechts, 2. Aufl 2006, § 20 RdNr 17 aE; - zur Rechtsfigur kompensierender Einsparun gen vgl Clemens in Laufs/Kern aaO § 36 RdNr 71 bis 73 mwN; siehe auch RdNr 100 und RdNr 122 f). Zudem gibt es Fälle, in denen das Abstellen auf den Erlass eines Honorarbescheids nicht möglich ist. Denn für das Quartal, dem die Verordnung zugeordnet wird, ergeht nicht stets auch ein Honorarbescheid: Wenn zB ein Arzt eine Verordnung am 20.6. ausstellt, diese aber erst am 2.7. in der Apotheke eingelöst wird, wird die Verordnung in der Regel kostenmäßig diesem dritten Quartal zugeordnet. In diesem sucht aber möglicherweise der Patient den Arzt nicht wieder auf, oder der Arzt führt seine vertragsärztliche Tätigkeit jetzt nicht mehr weiter. Dann ergeht für dieses Quartal, jedenfalls bezogen auf Leistungen des Arztes gegenüber diesem Patienten, kein Honorarbescheid.

31

Überzeugend ist auch nicht die Ansicht, bei Verordnungsregressen sei für den Beginn der Vier-Jahres-Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem den KKn alle Unterlagen und Daten vorliegen, die für die fundierte Beurteilung erforderlich sind, ob ein Regressantrag sinnvoll ist. Hiernach begänne die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der Arzneikostenstatistiken. Bei diesem Ausgangspunkt würde der Arzt, der durch den Lauf der Vier-Jahres-Frist geschützt werden und Rechtssicherheit erhalten soll (hierzu vgl oben RdNr 21, 27), mit Risiken belastet, die dem Verantwortungsbereich der vertragsärztlichen Institutionen zuzurechnen sind. Zu deren Aufgaben gehört die Organisation und die Bewältigung der verwaltungstechnischen Abläufe und damit auch die kürzere oder längere Dauer der Unterlagen- und Datenbeschaffung (vgl dazu Clemens in jurisPraxisKommentar aaO RdNr 154). Durchgreifend ist auch nicht der Gesichtspunkt, dass Richtgrößenprüfungen grundsätzlich vorrangig sind und deshalb erst nach Klärung von deren Durchführbarkeit - was uU schwierige Fragen wie zB diejenige der Wirksamkeit der Richtgrößenvereinbarung implizieren kann - die Durchschnittsprüfung in Angriff genommen werden kann. Auch bei kumulativer Berücksichtigung aller denkbaren Schwierigkeiten bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass bei einer Gesamtfrist von vier Jahren in einer erheblichen Zahl der Fälle die verbleibende Zeit zu knapp sein könnte für eine fundierte, dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragende Prüfung und dass deshalb die Vier-Jahres-Frist erst mit Eingang der maßgeblichen Unterlagen und Daten bei den KKn beginnen dürfe.

32

Abzulehnen ist auch die Erwägung, die Vier-Jahres-Frist beginne für die einzelnen Quartale eines Jahres jeweils erst mit dem Anfang des nächstfolgenden Kalenderjahrs, so wie dies im Zivilrecht in weitem Umfang geregelt ist (vgl § 199 Abs 1 BGB). Die Heranziehung von Verjährungsgrundsätzen, wie die Beigeladene zu 2. dies befürwortet, ist damit nicht vereinbar, dass es sich bei der Vier-Jahres-Frist gerade um eine Ausschluss- und nicht um eine Verjährungsfrist handelt (vgl oben RdNr 25). Das BSG hat es auch in anderen Fällen abgelehnt, für den Beginn von Ausschlussfristen auf den Ablauf des Kalenderjahres abzustellen (vgl - aus dem Honorarbereich - BSG MedR 2008, 100, RdNr 21 und 23, sowie BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 21 und 23).

33

Nach alledem beginnt die Vier-Jahres-Frist für Verordnungsregresse stets am "Ende des geprüften Verordnungszeitraums" (vgl § 106 Abs 2 Satz 7 Halbsatz 2 SGB V), dh in dem (Normal-)Fall, dass die Arzneimittelverordnungen eines Quartals auf ihre Sachgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft werden, unmittelbar nach Ablauf des Quartals, dem die Verordnung kostenmäßig zugeordnet ist. Dies entspricht einer schon bisher in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Ansicht (so zB SG Berlin vom 27.8.2008 - S 83 KA 74/07 - Juris RdNr 18 ff = GesR 2009, 255 f; Hartmannsgruber, ZMGR 2008, 124, 128; Dahm/Hofmayer in Rieger/Dahm/Steinhilper , Heidelberger Kommentar Arztrecht, Krankenhausrecht, Medizinrecht, Beitrag Nr 5560 "Wirtschaftlichkeitsprüfung", RdNr 231, Stand Einzelkommentierung August 2010; Scholz in Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl 2010, § 106 RdNr 26).

34

Liegen indessen besondere Umstände vor, die Anlass geben, mehrere aufeinander folgende Quartale zusammen zu überprüfen, so bilden diese den "geprüften Verordnungszeitraum". Der Beginn der Vier-Jahres-Frist "nach Ende des geprüften Verordnungszeitraums" bedeutet in einer solchen Konstellation, dass die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des Gesamtzeitraums beginnt, also erst nach dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals.

35

Die Voraussetzung, dass besondere Sachgründe Veranlassung zur Gesamtprüfung mehrerer aufeinander folgender Quartale geben, ist in aller Regel bei der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit von SSB-Verordnungen erfüllt. Denn bei SSB-Verordnungen sind erhebliche Schwankungen von Quartal zu Quartal typisch; diese Verordnungen erfolgen en bloc für einen Vorrat von ca einem Quartal. Hat der Arzt in einem Quartal den dafür angelegten Vorrat nicht verbraucht, so werden seine SSB-Verordnungen im nachfolgenden Quartal geringer ausfallen. Ist sein Vorrat vorzeitig aufgebraucht, so muss er ggf ein weiteres Mal im selben Quartal SSB-Verordnungen vornehmen. Durch solche Schwankungen sind uU in einzelnen Quartalen besonders hohe, in anderen Quartalen dagegen besonders geringe oder gar keine SSB-Verordnungen zu verzeichnen, ohne dass dies als sachwidrig angesehen werden kann. In solchen Fällen wäre eine auf nur einzelne Quartale beschränkte Prüfung problematisch. Solchen Besonderheiten wird nur eine Prüfung gerecht, die mehrere Quartale zusammenfasst, und zwar im Falle des SSB möglichst vier aufeinanderfolgende Quartale (so schon BSG vom 6.2.2008 - B 6 KA 57/07 B - RdNr 2, 3, 8 - hier mit Hinweis auf teilweise normierte weitere Differenzierungen für die Zuordnung der Fälle bei Auseinanderfallen von Verordnungs- und Einlösequartal; - vgl dazu Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 133). Eine Gesamtprüfung von vier aufeinander folgenden Quartalen ist im Übrigen auch ausdrücklich in der für den vorliegenden Fall maßgeblichen SSB-Vereinbarung vorgeschrieben (siehe deren Abschnitt V).

36

Der Senat hat bereits zu anderen Prüfungsbereichen ausgeführt, dass es notwendig sein kann, vier aufeinander folgende Quartale zu einer Einheit zusammenzufassen und dass dann die Vier-Jahres-Frist erst ab Ablauf des letzten zu dieser Einheit gehörenden Quartals beginnt. So hat er - im Honorarbereich - für degressionsbedingte Honorarminderungen (§ 85 Abs 4b ff SGB V), die jahresbezogen zu berechnen sind (§ 85 Abs 4b ff SGB V), in seinen Urteilen vom 28.3.2007 entschieden, dass ein Regressbescheid die vierjährige Ausschlussfrist noch "wahrt …, wenn er innerhalb von vier Jahren nach Erlass des letzten Honorarbescheids für den Degressionszeitraum bekannt gegeben worden ist" (BSG MedR 2008, 100 RdNr 18 aE; ebenso - zur Änderung eines Degressionsbescheids - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35 RdNr 18 aE).

37

Kein in dieser Weise besonderer Fall, in dem die Vier-Jahres-Frist erst nach Ablauf des letzten von mehreren Quartalen beginnt, ist dagegen dann gegeben, wenn die Rechtmäßigkeit von Verordnungen zB bei umstrittenem Off-Label-Use zusammengefasst für mehrere Quartale überprüft wird. In diesem Fall die gleichliegende Problematik mehrerer Quartale in einem Verfahren zusammenzufassen, mag der Verwaltungsvereinfachung dienen und auch im Interesse des betroffenen Arztes liegen. In einer derartigen Konstellation ist aber im Regelfall die Voraussetzung, dass nur bei Zusammenfassung mehrerer Quartale die Verordnungsweise sachgerecht beurteilt werden kann, nicht erfüllt. Deshalb beginnt in solchen Fällen, ungeachtet der zusammenfassenden Prüfung, die Vier-Jahres-Frist gesondert für jedes Quartal nach dessen Ablauf, so wie dies dem Normalfall entspricht (hierzu vgl oben RdNr 33).

38

Da vorliegend Gegenstand der Verordnungsprüfung die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von SSB waren und die SSB-Überprüfung hier, wie es sachlich veranlasst ist (vgl oben RdNr 35) und auch der Sollvorgabe in der SSB-Vereinbarung entsprach (Abschnitt V Satz 2), auf alle vier Quartale des Jahres 2001 erstreckt wurde (vgl oben RdNr 35), war das Ende des "geprüften Verordnungszeitraums" der 31.12.2001. Mithin begann die Vier-Jahres-Frist für alle vier Quartale des Jahres 2001 am 1.1.2002, sodass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Frist wahrte.

39

dd) Die Vier-Jahres-Frist wurde im Fall des Klägers für den gesamten Verordnungszeitraum der Quartale I bis IV/2001 aber nicht nur dadurch gewahrt, dass der Prüfbescheid vom 22.12.2005 noch vor Ablauf von vier Jahren seit dem Ablauf des letzten dazugehörenden Quartals erlassen wurde, sondern der Lauf der Frist war zudem durch den Antrag der KK vom 24.9.2002 an den Prüfungsausschuss auf Festsetzung eines Regresses gehemmt worden (siehe den Prüfantrag der Beigeladenen zu 2. vom 24.9.2002): Der Senat erkennt in ständiger Rechtsprechung an, dass die Ausschlussfristen für sachlich-rechnerische Richtigstellungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen durch einen Prüfantrag der KKn gehemmt werden, sofern auch der betroffene Arzt von dem Prüfantrag Kenntnis erlangt (vgl zusammenfassend BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R -, RdNr 33-35 iVm 40, 46, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das war hier der Fall.

40

Unschädlich ist, dass nach dem Prüfantrag, dessen Begründung und der Stellungnahme des Klägers vom 13.1.2003 zunächst während zweieinhalb Jahren das Verwaltungsverfahren nicht erkennbar weiter betrieben wurde (der Prüfungsausschuss trat erst am 30.11.2005 zu seiner Sitzung zusammen). Ein Erfordernis derart, dass die hemmende Wirkung entfällt, wenn das Verfahren mehr als sechs Monate lang nicht weiterbetrieben wird, besteht in Angelegenheiten des Vertragsarztrechts nicht, wie der Senat ausgeführt hat (BSG aaO RdNr 49 ff). Im Übrigen hatte der Prüfungsausschuss den Kläger bei der Zuleitung sowohl des Prüfantrags der KK als auch der Antragsbegründung jeweils darauf hingewiesen, dass die Durchführung des Prüfverfahrens zurückgestellt werde bis zur Klärung, ob nicht eine Richtgrößenprüfung, die vorrangig wäre, durchgeführt werde. Das hierdurch eingetretene faktische Ruhen des Verfahrens war auch nicht unangemessen lang.

41

ee) Nach alledem wurde zum einen durch den Prüfantrag der KK vom 24.9.2002 der Lauf der Vier-Jahres-Frist gehemmt, und zum anderen erließ der Prüfungsausschuss seinen Bescheid vom 22.12.2005 innerhalb der ursprünglichen Vier-Jahres-Frist: Aus beiden Gründen durfte das Verfahren auf Festsetzung eines Regresses gegen den Kläger wegen nicht sachgerechter bzw unwirtschaftlicher SSB-Verordnungen weiterhin durchgeführt werden. Dies galt einheitlich für alle vier Quartale I bis IV/2001; für eine getrennte Beurteilung einerseits der Quartale I und II/2001 und andererseits der Quartale III und IV/2001, wie das SG sie vorgenommen hat, ist - da es sich um eine einheitliche SSB-Gesamtüberprüfung handelte - kein Raum.

42

Der rechtlichen Wertung, dass der Bescheid des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 die Vier-Jahres-Frist wahrte, steht nicht entgegen, dass seine Entscheidung "negativ" dahin lautete, gegen den Kläger seien keine Maßnahmen veranlasst. Für die Fristwahrung kommt es allein darauf an, dass die erste behördliche Entscheidung - mithin diejenige des Prüfungsausschusses - fristgerecht erging. Unerheblich ist, ob sie einen den Arzt belastenden oder ihn "freisprechenden" Inhalt hatte. Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, dass eine einmal eingetretene Fristenhemmung in dem Sinne fortwirkt, dass damit zugleich die Kompetenz zu weiteren Entscheidungen nachfolgender Instanzen gewahrt bleibt, die - sofern der Gegner einen Rechtsbehelf einlegt - auch "verbösernde" Entscheidungen treffen dürfen (vgl BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62 mwN; vgl auch zB BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 am Ende; BSG vom 5.5.2010 - B 6 KA 21/09 R - RdNr 44 mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung konnte der weitere Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 noch Wirksamkeit entfalten. Er durfte auch die Entscheidung des Prüfungsausschusses vom 22.12.2005 "verbösern"; das Verbot der reformatio in peius stand dem nicht entgegen, weil der Beschwerdeausschuss im selben Verwaltungsverfahren als weitere Instanz entschied, nachdem die KK den ihr als Antragstellerin zustehenden Rechtsbehelf des Widerspruchs eingelegt hatte.

43

5. Waren mithin die Vier-Jahres-Frist gewahrt und der Bescheid des Beklagten vom 27.11.2006 zulässigerweise ergangen, so ist zu überprüfen, ob der Bescheid auch in sonstiger - formeller und materieller - Hinsicht rechtmäßig ist. Diese Beurteilung kann revisionsgerichtlich allerdings nur teilweise erfolgen (unten a und b). Für die abschließende Entscheidung, ob der Bescheid in materieller Hinsicht rechtmäßig oder rechtswidrig ist, bedarf es noch weiterer Klärungen durch das SG, an das der Rechtsstreit deshalb zurückzuverweisen ist (unten b).

44

a) Der Regressbescheid vom 27.11.2006 ist formell rechtmäßig. Die vom Kläger erhobene Beanstandung, gegen den Grundsatz "Beratung vor Regress" sei verstoßen worden, greift nicht durch. Die Ansicht des Klägers, es hätte kein Regress, sondern - jedenfalls zunächst - nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft nicht zu.

45

Wie der Senat bereits wiederholt ausgeführt hat, ist für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sog offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 23 mwN). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Rede stehen, wenn zB dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird. Zu solchen Fällen, die durch einen sogenannten Basismangel gekennzeichnet sind (vgl BSG aaO RdNr 23), gehört auch die Konstellation, dass ein Regress festgesetzt wird, weil ein verordnetes Arzneimittel nicht in der SSB-Vereinbarung zur Verordnung als SSB vorgesehen ist. Deshalb war im vorliegenden Fall - unabhängig davon, ob es sich um einen Regress aufgrund einer Vergleichsprüfung wegen gravierender Überschreitung des durchschnittlichen Aufwandes der Fachgruppe, und/oder, ob es sich um einen Regress wegen Verstoßes gegen die SSB-Vereinbarung handelte - keine vorgängige Beratung erforderlich.

46

Daran ändert der Hinweis auf § 22 Abs 2 bis 4 PrüfV nichts. Gemäß Abs 2 aaO "soll" zwar vorbehaltlich der Absätze 3 und 4 "in der Regel" eine Beratung vorausgehen. Aber zum einen handelt es sich nur um eine "Soll"-Vorschrift, und zum anderen enthält Abs 4 ausdrücklich eine Ausnahme dahingehend, dass bei "Unwirtschaftlichkeit in besonders gravierendem Ausmaß" von einer vorrangigen Beratung abgesehen werden kann. Entweder war ein solcher Fall gegeben oder - was dem wertungsmäßig gleich steht (vgl RdNr 45) - ein Verstoß gegen die SSB-Vereinbarung.

47

b) Ob der Regressbescheid auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtmäßig ist, vermag der Senat indessen nicht abschließend zu beurteilen.

48

Die vom Beklagten getroffene Wahl der sog statistischen Vergleichsprüfung anhand der Durchschnittswerte der Fachgruppe ist nicht zu beanstanden. Die Wahl dieser Prüfmethode (zur insoweit bestehenden Auswahlfreiheit vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13 mwN) hat der Beklagte in seinem Bescheid mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht (siehe die Formulierung "Grundlage der statistischen Vergleichsprüfung …" und die am Schluss des Bescheids befindliche "Vergleichsberechnung"). Nur der ergänzenden Erläuterung - um die Berechtigung der Regresshöhe von 7432 DM = 3800 Euro zu verdeutlichen - dienen seine Ausführungen zu SSB-Verordnungen außerhalb von Akutbehandlungen und deren Summierung auf 7931 DM.

49

Eine abschließende revisionsgerichtliche Würdigung ist allerdings nicht möglich. Dem Regress liegt die Annahme zugrunde, Anlässe, HAES-Infusionslösungen im Wege von SSB-Verordnungen zur Akut- und Notfallbehandlung zu beziehen (vgl Abschnitt I Nr 1 iVm Anlage 1 Nr 6 der SSB-Vereinbarung), hätten beim Kläger in keinem weitergehenden Umfang bestanden als beim Durchschnitt der Fachgruppe bzw als im Umfang von ca 14 % der HAES-Verordnungen (so sinngemäß der Bescheid S 4 f). Der Kläger hat hierzu allerdings in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geltend gemacht, die Quote der ihm zugebilligten HAES-Akutbehandlungen sei zu gering; bei seiner Patientenschaft habe es Indikationen für HAES-Akutbehandlungen über die Fälle von Hörsturz und Tinnitus hinaus noch in weiteren Krankheitsfällen gegeben (vgl auch seine Klagebegründung vom 27.10.2008 S 7). Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat insbesondere hervorgehoben, dass die Anerkennung einer Praxisbesonderheit nicht in Betracht komme, weil keine greifbaren Anhaltspunkte für einen speziellen Zuschnitt der Patientenschaft des Klägers erkennbar seien. Das SG hat - von seinem Rechtsstandpunkt her folgerichtig - zu diesem Fragenkreis keine näheren Feststellungen getroffen, sodass der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen ist.

50

Für die weitere Würdigung durch das SG weist der Senat auf Folgendes hin:

51
o
Erfolglos ist der Einwand des Klägers, bei einem Regress wegen unzulässiger SSB-Verordnungen von HAES-Infusionslösungen müsse im Wege der Gegenrechnung berücksichtigt werden, in welcher Höhe im Falle des Verzichts auf SSB-Verordnungen stattdessen Kosten bei Einzelverordnungen für bestimmte Patienten angefallen wären. Diese Argumentation greift nicht durch. Die Zuerkennung der Kosten, die bei rechtmäßigem Verhalten angefallen wären, hätte zur Folge, dass es auf die Beachtung der für die vertragsärztliche Versorgung geltenden Bestimmungen nicht ankäme (vgl dazu zuletzt BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 7/09 R - RdNr 67 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine Gegenrechnung der Kosten, die im Falle rechtmäßiger Einzelverordnungen angefallen wären, ist zudem deshalb ausgeschlossen, weil SSB-Verordnungen und Einzelverordnungen wegen der zwischen ihnen bestehenden Unterschiede nicht austauschbar sind: SSB-Verordnungen erfolgen zu Lasten aller KKn, während Einzelverordnungen allein die KK belasten, bei der der Patient versichert ist. Bei SSB-Verordnungen entstehen Kosten in voller Höhe des Arzneimittels, während bei Einzelverordnungen die Patientenzuzahlungen kostenmindernd wirken (zur Nicht-Austauschbarkeit vgl zB BSG vom 8.5.1985, SozR 2200 § 368n Nr 36 S 117; BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 10/06 B - Juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2010 - B 6 KA 6/10 B - RdNr 7 aE). Dementsprechend können insoweit auch keine sog kompensierenden Einsparungen anerkannt werden (zu dieser Rechtsfigur vgl Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 71 bis 73, 100).
52
o
Zurückzuweisen ist der von Seiten der KKn erhobene Einwand, die Kosten für die Verordnung von HAES-Infusionslösungen bei akutem Hörsturz und Tinnitus seien deshalb nicht akzeptabel, weil ein Nutzen solcher Behandlungsmaßnahmen nicht durch Studien wissenschaftlich belegt sei; solchen Behandlungen liege nur die vermeintliche Erfahrung zugrunde, sie trügen zur Linderung bzw Heilung bei (vgl Widerspruchsbegründung der AOK vom 12.6.2006). Dieser Argumentation steht das Wesen der Prüfmethodik des Vergleichs mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe entgegen: Eine Behandlungs- bzw Verordnungsweise, die - wie die Durchführung von Infusionen zB bei Hörsturz - in der Fachgruppe grundsätzlich akzeptiert und tatsächlich Verbreitung gefunden hatte, darf bei dem Vergleich mit dem Aufwand der Fachgruppe nicht bei dem geprüften Arzt - also nur auf einer Seite - als unzulässig beanstandet werden. Dies kann auch nicht unter Rückgriff auf die sog Randzuständigkeit der Prüfgremien (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 10 RdNr 13; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15 RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 3 RdNr 12) gerechtfertigt werden. Denn nach der Rechtsprechung des Senats dürfen sachlich-rechnerische Richtigstellungen bei medizinisch umstrittenen Behandlungen nur erfolgen, wenn deren Erbringung durch normative Vorschriften ausdrücklich ausgeschlossen ist - zB Fehlen einer gemäß § 135 SGB V erforderlichen Methodenanerkennung oder einer gemäß dem Arzneimittelgesetz erforderlichen Arzneimittelzulassung -, und sonst nur dann, wenn die Leistungserbringung in offenkundigem Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat(BSG SozR 3-5533 Nr 3512 Nr 1 S 3 ff; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 1 RdNr 11, 13-15; BSG SozR 4-5533 Nr 653 Nr 1 RdNr 7 aE). Die hier in Rede stehende Behandlungsweise, die Durchführung von Infusionen bei Hörsturz uÄ, hat indessen Verbreitung gefunden und kann nicht als offenkundig im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft angesehen werden.
53

6. Das SG wird bei seiner erneuten Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Fertigarzneimittel, die sich am 1. Januar 1978 im Verkehr befinden, gelten als zugelassen, wenn sie sich am 1. September 1976 im Verkehr befinden oder auf Grund eines Antrags, der bis zu diesem Zeitpunkt gestellt ist, in das Spezialitätenregister nach dem Arzneimittelgesetz 1961 eingetragen werden.

(2) Fertigarzneimittel nach Absatz 1 müssen innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit dem 1. Januar 1978 der zuständigen Bundesoberbehörde unter Mitteilung der Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und Menge und der Anwendungsgebiete angezeigt werden. Bei der Anzeige homöopathischer Arzneimittel kann die Mitteilung der Anwendungsgebiete entfallen. Eine Ausfertigung der Anzeige ist der zuständigen Behörde unter Mitteilung der vorgeschriebenen Angaben zu übersenden. Die Fertigarzneimittel dürfen nur weiter in den Verkehr gebracht werden, wenn die Anzeige fristgerecht eingeht.

(3) Die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels erlischt abweichend von § 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 am 30. April 1990, es sei denn, dass ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder auf Registrierung vor dem Zeitpunkt des Erlöschens gestellt wird, oder das Arzneimittel durch Rechtsverordnung von der Zulassung oder von der Registrierung freigestellt ist. § 31 Abs. 4 Satz 1 findet auf die Zulassung nach Satz 1 Anwendung, sofern die Erklärung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis zum 31. Januar 2001 abgegeben wird.

(3a) Bei Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 ist bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, und Nr. 3 nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist; im Übrigen findet auf Fertigarzneimitteln nach Absatz 1 bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 keine Anwendung. Ein Fertigarzneimittel nach Absatz 1, das nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt ist, darf bis zur erstmaligen Verlängerung der Zulassung abweichend von § 29 Abs. 3

1.
in geänderter Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge, wenn die Änderung sich darauf beschränkt, dass ein oder mehrere bislang enthaltene arzneilich wirksame Bestandteile nach der Änderung nicht mehr oder in geringerer Menge enthalten sind,
2.
mit geänderter Menge des arzneilich wirksamen Bestandteils und innerhalb des bisherigen Anwendungsbereiches mit geänderter Indikation, wenn das Arzneimittel insgesamt dem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis angepasst wird,
3.
(weggefallen)
4.
mit geänderter Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile, soweit es sich um ein Arzneimittel mit mehreren wirksamen Bestandteilen handelt, deren Anzahl verringert worden ist, oder
5.
mit geänderter Art oder Menge der arzneilich wirksamen Bestandteile ohne Erhöhung ihrer Anzahl innerhalb des gleichen Anwendungsbereichs und der gleichen Therapierichtung, wenn das Arzneimittel insgesamt einem nach § 25 Abs. 7 Satz 1 in der vor dem 17. August 1994 geltenden Fassung bekannt gemachten Ergebnis oder einem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgelegten Muster für ein Arzneimittel angepasst und das Arzneimittel durch die Anpassung nicht verschreibungspflichtig wird,
in den Verkehr gebracht werden; eine Änderung ist nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängel bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich ist. Der pharmazeutische Unternehmer hat die Änderung anzuzeigen und im Falle einer Änderung der Zusammensetzung die bisherige Bezeichnung des Arzneimittels mindestens für die Dauer von fünf Jahren mit einem deutlich unterscheidenden Zusatz, der Verwechslungen mit der bisherigen Bezeichnung ausschließt, zu versehen. Nach einer Frist von sechs Monaten nach der Anzeige darf der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel nur noch in der geänderten Form in den Verkehr bringen. Hat die zuständige Bundesoberbehörde für bestimmte Arzneimittel durch Auflage nach § 28 Abs. 2 Nr. 3 die Verwendung einer Packungsbeilage mit einheitlichem Wortlaut vorgeschrieben, darf das Arzneimittel bei Änderungen nach Satz 2 Nr. 2 abweichend von § 109 Abs. 2 nur mit einer Packungsbeilage nach § 11 in den Verkehr gebracht werden.

(4) Dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung sind abweichend von § 31 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 beizufügen. Den Zeitpunkt der Einreichung der Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3a sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 bestimmt die zuständige Bundesoberbehörde im Einzelnen. Auf Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde sind ferner Unterlagen einzureichen, die die ausreichende biologische Verfügbarkeit der arzneilich wirksamen Bestandteile des Arzneimittels belegen, sofern das nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Ein bewertendes Sachverständigengutachten ist beizufügen. § 22 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 bis 7 und § 23 Abs. 3 finden entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 bis 5 sind innerhalb von vier Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.

(4a) Zu dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 sind die Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie die Gutachten nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 bis zum 1. Februar 2001 nachzureichen, soweit diese Unterlagen nicht bereits vom Antragsteller vorgelegt worden sind; § 22 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung. Satz 1 findet keine Anwendung auf Arzneimittel, die nach einer im Homöopathischen Teil des Arzneibuches beschriebenen Verfahrenstechnik hergestellt sind. Für Vollblut, Plasma und Blutzellen menschlichen Ursprungs bedarf es abweichend von Satz 1 nicht der Unterlagen nach § 22 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 sowie des Gutachtens nach § 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, es sei denn, dass darin Stoffe enthalten sind, die nicht im menschlichen Körper vorkommen. Ausgenommen in den Fällen des § 109a erlischt die Zulassung, wenn die in den Sätzen 1 bis 3 genannten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden sind.

(4b) (weggefallen)

(4c) Ist das Arzneimittel nach Absatz 3 bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum entsprechend der Richtlinie 2001/83/EG zugelassen, ist die Verlängerung der Zulassung zu erteilen, wenn

1.
sich das Arzneimittel in dem anderen Mitgliedstaat im Verkehr befindet und
2.
der Antragsteller
a)
alle in § 22 Abs. 6 vorgesehenen Angaben macht und die danach erforderlichen Kopien beifügt und
b)
schriftlich erklärt, dass die eingereichten Unterlagen nach den Absätzen 4 und 4a mit den Zulassungsunterlagen übereinstimmen, auf denen die Zulassung in dem anderen Mitgliedstaat beruht,
es sei denn, dass die Verlängerung der Zulassung des Arzneimittels eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellen kann.

(4d) Dem Antrag auf Registrierung sind abweichend von § 38 Abs. 2 die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 beizufügen. Die Unterlagen nach § 22 Abs. 1 Nr. 7 bis 15 und Abs. 2 Nr. 1 sowie das analytische Gutachten nach § 24 Abs. 1 sind der zuständigen Bundesoberbehörde auf Anforderung einzureichen. § 22 Abs. 4 bis 7 mit Ausnahme des Entwurfs einer Fachinformation findet entsprechende Anwendung. Die Unterlagen nach den Sätzen 2 und 3 sind innerhalb von zwei Monaten nach Anforderung der zuständigen Bundesoberbehörde einzureichen.

(4e) Für die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung oder Registrierung nach Absatz 3 Satz 1 finden § 25 Abs. 5 Satz 5 und § 39 Abs. 1 Satz 2 entsprechende Anwendung.

(4f) Die Zulassung nach Absatz 1 ist auf Antrag nach Absatz 3 Satz 1 um fünf Jahre zu verlängern, wenn kein Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 vorliegt; für weitere Verlängerungen findet § 31 Anwendung. Die Besonderheiten einer bestimmten Therapierichtung (Phytotherapie, Homöopathie, Anthroposophie) sind zu berücksichtigen.

(4g) Bei Arzneimitteln, die Blutzubereitungen sind, findet § 25 Abs. 8 entsprechende Anwendung.

(5) Bei Beanstandungen hat der Antragsteller innerhalb einer angemessenen Frist, jedoch höchstens innerhalb von zwölf Monaten nach Mitteilung der Beanstandungen, den Mängeln abzuhelfen; die Mängelbeseitigung ist in einem Schriftsatz darzulegen. Wird den Mängeln nicht innerhalb dieser Frist abgeholfen, so ist die Zulassung zu versagen. Nach einer Entscheidung über die Versagung der Zulassung ist das Einreichen von Unterlagen zur Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Die zuständige Bundesbehörde hat in allen geeigneten Fällen keine Beanstandung nach Satz 1 erster Halbsatz auszusprechen, sondern die Verlängerung der Zulassung auf der Grundlage des Absatzes 5a Satz 1 und 2 mit einer Auflage zu verbinden, mit der dem Antragsteller aufgegeben wird, die Mängel innerhalb einer von ihr nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmenden Frist zu beheben.

(5a) Die zuständige Bundesoberbehörde kann die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 mit Auflagen verbinden. Auflagen können neben der Sicherstellung der in § 28 Abs. 2 genannten Anforderungen auch die Gewährleistung von Anforderungen an die Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit zum Inhalt haben, es sei denn, dass wegen gravierender Mängel der pharmazeutischen Qualität, der Wirksamkeit oder der Unbedenklichkeit Beanstandungen nach Absatz 5 mitgeteilt oder die Verlängerung der Zulassung versagt werden muss. Im Bescheid über die Verlängerung ist anzugeben, ob der Auflage unverzüglich oder bis zu einem von der zuständigen Bundesoberbehörde festgelegten Zeitpunkt entsprochen werden muss. Die Erfüllung der Auflagen ist der zuständigen Bundesoberbehörde unter Beifügung einer eidesstattlichen Erklärung eines unabhängigen Gegensachverständigen mitzuteilen, in der bestätigt wird, dass die Qualität des Arzneimittels dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. § 25 Abs. 5 Satz 5, 6 und 8 sowie § 30 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zweite Alternative gelten entsprechend. Die Sätze 1 bis 5 gelten entsprechend für die Registrierung nach Absatz 3 Satz 1.

(5b) Ein Vorverfahren nach § 68 der Verwaltungsgerichtsordnung findet bei Rechtsmitteln gegen die Entscheidung über die Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 nicht statt. Die sofortige Vollziehung soll nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet werden, es sei denn, dass die Vollziehung für den pharmazeutischen Unternehmer eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5c) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 erlischt die Zulassung eines nach Absatz 2 fristgerecht angezeigten Arzneimittels, für das der pharmazeutische Unternehmer bis zum 31. Dezember 1999 erklärt hat, dass er den Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach Absatz 3 Satz 1 zurücknimmt am 1. Februar 2001, es sei denn, das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung ist nach Satz 2 wieder aufzugreifen. Hatte der pharmazeutische Unternehmer nach einer vor dem 17. August 1994 ausgesprochenen Anforderung nach Absatz 4 Satz 2 die nach Absatz 4 erforderlichen Unterlagen fristgerecht eingereicht oder lag der Einreichungszeitpunkt für das betreffende Arzneimittel nach diesem Datum oder ist die Anforderung für das betreffende Arzneimittel erst nach diesem Datum ausgesprochen worden, so ist das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung von der zuständigen Bundesoberbehörde auf seinen Antrag wieder aufzugreifen; der Antrag ist bis zum 31. Januar 2001 unter Vorlage der Unterlagen nach Absatz 4a Satz 1 zu stellen.

(5d) Die Absatz 3 Satz 2 und Absätze 3a bis 5c gelten entsprechend für Arzneimittel, für die gemäß § 4 Abs. 2 der EG-Rechts-Überleitungsverordnung vom 18. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2915) Anlage 3 zu § 2 Nr. 2 Kapitel II Nr. 1 und 2 bis zum 30. Juni 1991 ein Verlängerungsantrag gestellt wurde.

(6) (weggefallen)

(7) (weggefallen)

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

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Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

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cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

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Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. März 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens für beide Rechtszüge.

Tatbestand

1

Streitig ist eine Regelung in der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) des beklagten Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über nicht-verschreibungspflichtige homöopathische Hustenmittel mit fixen Wirkstoffkombinationen.

2

In der AM-RL (hier: Fassung vom 18.12.2008/22.1.2009, in Kraft seit dem 1.4.2009, BAnz Nr 49a vom 31.3.2009 = DÄ 2009, A 675 mit Verweisung auf Internet-Quellen) ist in Abschnitt H. § 16 Abs 1 und 2 geregelt, dass Arzneimittel nicht von Versicherten beansprucht, von Ärzten nicht verordnet und von Krankenkassen nicht bewilligt werden dürfen, wenn es an der Wirtschaftlichkeit und/oder Zweckmäßigkeit mangelt(so auch § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V). Dies ist nach der AM-RL dann der Fall, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist (§ 16 Abs 1 Nr 3 AM-RL), insbesondere wenn anstelle von fixen Wirkstoffkombinationen das angestrebte Behandlungsziel mit therapeutisch gleichwertigen Monopräparaten medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger zu erreichen ist (§ 16 Abs 2 Nr 5 AM-RL). Dies konkretisierend hat der GBA in der Anlage III zu der AM-RL geregelt, dass bei Hustenmitteln "fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien … untereinander" nicht verordnungsfähig seien; dabei ist auch bestimmt - durch einen Zusatz im Sinne eines Hinweises -, dass solche Verordnungen auch bei Kindern bis zum vollendeten 12. Lebensjahr und bei Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr unwirtschaftlich sind (Nr 31 Anlage III, rechte Spalte, vierter Passus). Solche Arzneimittel dürfen nur in medizinisch begründeten Einzelfällen ausnahmsweise - mit Begründung - verordnet werden (§ 31 Abs 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs 3 der Anlage III AM-RL).

3

Nach der Neufassung der AM-RL zum 1.4.2009 erstellte die Kassenärztliche Bundesvereinigung einen Katalog für die Verordnungspraxis der Ärzte. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe informierte ihre Mitglieder in entsprechender Weise. Aus den Regelungen über diejenigen Arzneimittel, die ganz oder teilweise von der Verordnung in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen seien, ergebe sich, dass Hustenmittel, die als Monopräparate vertrieben würden, und auch solche, die mehrere Wirkstoffe aus nur einer Wirkstoffgruppe enthielten, weiterhin verordnungsfähig seien, hingegen solche, die eine Kombination von Substanzen mit antitussiver (= hustenhemmender) und gleichzeitig expektorierender (= auswurffördernder und schleimlösender) Wirkung enthielten, nicht verordnungsfähig seien, ohne Ausnahmeregelung für homöopathische und/oder anthroposophische Arzneimittel; die Verordnungen solcher Hustenmittel mit antagonistischen Wirkungsweisen sei auch bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr und bei Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen als unwirtschaftlich anzusehen.

4

Daraufhin bat die klagende Arzneimittelherstellerin mit Schreiben vom 4.5.2009 den beklagten GBA um Klarstellung, dass das von ihr vertriebene Hustenmittel Monapax® nicht von diesem Verordnungsausschluss erfasst werde. Dem gab der Beklagte nicht statt; er stellte vielmehr mit Schreiben vom 7.7.2009 fest, dass Monapax® der Regelung in Nr 31 Anlage III AM-RL unterfalle: Für die Frage, ob das Arzneimittel unzulässige Wirkstoffkombinationen enthalte, sei bei homöopathischen Komplexarzneimitteln auf die Arzneimittelbilder der enthaltenen Einzelmittel abzustellen. Eine von dem Verordnungsausschluss erfasste fixe Kombination gegenläufiger Einzelmittel bzw Wirkstoffe liege hier vor.

5

Die Klägerin hat das LSG Berlin-Brandenburg mit dem Begehren angerufen, festzustellen, dass Nr 31 Anlage III AM-RL die Arzneimittel Monapax®-Saft und -Tropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen ausschließe, hilfsweise, dass Nr 31 Anlage III AM-RL rechtswidrig sei, und weiter hilfsweise, dass der Vorschrift der Zusatz "Homöopathische Arzneimittel sind ausgenommen" beizufügen sei. Das LSG hat festgestellt, dass die Bestimmung in Nr 31 Anlage III AM-RL rechtswidrig sei und die Klage im Übrigen abgewiesen (Urteil vom 17.3.2010 - in Juris dokumentiert). Im Urteil ist ausgeführt, Normenkontrollanträge gemäß § 29 Abs 4 Nr 3 SGG könnten sich nur auf die Rechtswidrigkeit einer Rechtsnorm richten, nicht aber auf eine bestimmte Normenauslegung. Deshalb sei der Hauptantrag der Klägerin unzulässig, mit dem diese die Feststellung begehre, dass Nr 31 Anlage III AM-RL die Arzneimittel Monapax®-Saft und -Tropfen nicht von der Verordnungsfähigkeit für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen ausschließe. Zulässig sei hingegen der hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass Nr 31 Anlage III AM-RL rechtswidrig sei; ebenfalls zulässig sei der weitere - hilfshilfsweise gestellte - Antrag auf Normgebung im Sinne der Hinzufügung einer Ausnahmeklausel für homöopathische Arzneimittel. Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Nr 31 Anlage III AM-RL sei auch begründet. Der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit bei Monapax®-Saft und -Tropfen verstoße, jedenfalls bezogen auf Monapax®-Tropfen und bezogen auf Kinder bis zum 12. Lebensjahr und auf Jugendliche mit Entwicklungsstörungen, gegen höherrangiges Recht, weil dem Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, nicht genügt sei. Zwar sei es nicht ausgeschlossen, den Arzneimitteln Monapax®-Saft und -Tropfen eine antitussive oder expektorantielle Wirkungsweise zuzuordnen oder diese Wirkungsweisen jedenfalls aus der Fachinformation abzuleiten. Indessen verletze ein Verordnungsausschluss von Monapax® den Grundsatz, dass bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen, wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln, der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen, dh das umfassende therapeutische Konzept der betroffenen besonderen Therapierichtung zu beachten sei. Das Anknüpfen an fixe Kombinationen von Wirkstoffen und die Subsumtion der Elemente, die in homöopathischen Arzneimitteln enthalten seien, unter den Begriff der Wirkstoffe im Sinne dieser Bestimmung widerspreche dem Therapiekonzept der Homöopathie. Der Verordnungsausschluss widerspreche weiterhin der Zulassungsentscheidung, die für das Hustenmittel Monapax®-Tropfen erfolgt sei und der homöopathischen Wirkungsweise Rechnung trage. Der beklagte GBA müsse bei seiner Neuregelung beachten, dass er nicht an allopathische Grundsätze der Pharmadynamik anknüpfen dürfe, ohne die Besonderheiten der homöopathischen Arzneimittellehre zu berücksichtigen.

6

Mit seiner Revision macht der beklagte GBA geltend, das LSG verkenne die Vorgaben des SGB V. Es gebe kein generelles Verbot der Anwendung schulmedizinischer Bewertungsgrundsätze auf Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen. Die Grundsätze der sog Binnenanerkennung seien nicht allein maßgeblich. Vielmehr dürfe die wirkstoffbezogene Betrachtungsweise, die der Nr 31 Anlage III AM-RL zugrunde liege, auch bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit homöopathischer Komplexarzneimittel angewendet werden, zu denen das Arzneimittel Monapax® gehöre. Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits schleimlösenden Expektorantien seien unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit fragwürdig, weil diese Wirkstoffe sich uU gegenseitig behindern könnten mit der Folge keines vollen Nutzeffekts. Selbst in Fällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen einen gewissen Sinn mache, könne deren Zusammenspiel angesichts der "fixen" Kombination nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit flexibel gehandhabt werden. Medizinisch sei es zweckmäßiger, evtl auch kostengünstiger, Monopräparate zu verordnen. Diese Bewertung sei im Bereich der besonderen Therapierichtungen nicht prinzipiell unanwendbar. Diesen eine bevorzugende Sonderstellung einzuräumen, sei nicht geboten. Weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung lasse sich ein Gebot ausschließlicher Bewertung nach den Grundsätzen der sog reinen Binnenanerkennung entnehmen. Bei jedem Verordnungsausschluss sei zwar die spezifische Betrachtungsweise der Homöopathie zu beachten, die aber schon bei Komplexarzneimitteln weniger eng sei als bei Monopräparaten. Hier werde die sog Ähnlichkeitsregel modifiziert, die Arzneiverordnungen würden an klinischen Krankheitsdiagnosen ausgerichtet, sodass sich insoweit Übereinstimmungen mit der schulmedizinischen Betrachtungsweise ergäben. Nach alledem müssten Monapax®-Saft und -Tropfen als Hustenmittel mit fixen Kombinationen von entgegengesetzten Wirkstoffen im Sinne der Nr 31 Anlage III AM-RL angesehen werden. Schließlich sei eine Beanstandung vom GBA gesetzter Rechtsnormen wegen der ihm zustehenden Gestaltungsfreiheit ohnehin erst bei klarer Grenzüberschreitung zulässig. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der Kinder bis zum 12. Lebensjahr und der Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen kein Verordnungsausschluss vorliege, sondern nur ein Hinweis auf die mögliche Unwirtschaftlichkeit solcher Verordnungen. Statt des zunächst normierten Verordnungsausschlusses habe er - der GBA - auf eine ministerielle Beanstandung vom 22.3.2007 hin im Dezember 2008 nur einen Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit aufgenommen. Ein solcher Hinweis sei ohne Weiteres rechtmäßig, wie sich aus dem Senatsurteil vom 31.5.2006 (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5) ergebe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17.3.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Der Beklagte beanstande das Berufungsurteil zu Unrecht. Zum Teil wende er sich gegen Ausführungen, die im Urteil des LSG so nicht enthalten seien. Dieses habe nicht auf ein generelles Anwendungsverbot schulmedizinischer Bewertungsgrundsätze und auf eine Maßgeblichkeit der sog reinen Binnenanerkennung abgestellt. Es habe vielmehr - zu Recht - beanstandet, dass die angegriffene Regelung von ihrem Gesamtzuschnitt her den besonderen Therapierichtungen nicht Rechnung trage. Die wirkstoffbezogene Betrachtungsweise der Nr 31 Anlage III AM-RL widerspreche der Lehre der Homöopathie. In dieser Feststellung liege eine Tatfrage und keine revisible Rechtsfrage; schon deshalb könne die Revision keinen Erfolg haben. Aber auch bei Annahme voller Überprüfbarkeit im Revisionsverfahren sei Nr 31 Anlage III AM-RL wegen Nichtberücksichtigung der spezifischen Wirkungsweise der besonderen Therapierichtungen rechtswidrig. Dies zeige sich zB in der vom GBA vorgenommenen Übertragung der wirkstoffbezogenen Funktionsmechanismen allopathischer Kombinationsarzneimittel auf homöopathische Komplexmittel. Bei den homöopathischen Arzneimitteln könne nicht zwischen Monopräparaten und Komplexmitteln unterschieden werden. Ein Ansatz hierfür ergebe sich weder aus den Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) über die Registrierung bzw Zulassung von Arzneimitteln noch aus dem von der sog Kommission D verabschiedeten Papier zur Bewertung fixer Kombinationen. Die Unzulässigkeit wirkstoffbezogener Zuordnung homöopathischer Arzneimittel gelte auch für solche Homöopathika, für die nicht nur eine Registrierung, sondern eine förmliche Zulassung nach dem AMG erlangt werden könne bzw erlangt worden sei. Es sei nicht sachgerecht, darauf abzustellen, dass die Fachinformation für Monapax®-Tropfen die Rubrik "Wirkstoffe" enthalte; denn dies sei nur der gesetzlichen Vorgabe des § 11a AMG für die formale Einteilung der Fachinformation geschuldet. Eine Dosis-Wirkungs-Beziehung wie in der Regelung der Nr 31 Anlage III AM-RL werde den Besonderheiten der homöopathischen Therapierichtung nicht gerecht. Aus den gleichen Gründen sei auch der Therapiehinweis zu beanstanden, den die Anlage III für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen enthalte.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Beklagten (GBA) hat Erfolg. Die Zuständigkeit des erkennenden Senats ist gegeben (unten A.), auch das LSG Berlin-Brandenburg ist zu Recht von seiner Zuständigkeit ausgegangen (unten B.). Die von der Klägerin beim LSG gestellten Feststellungsanträge einschließlich der Hilfsanträge sind - teilweise entgegen der Auffassung des LSG - zulässig (unten C.); sie sind aber alle unbegründet, weil die angegriffenen RL-Bestimmungen rechtmäßig sind, sodass die Revision des Beklagten Erfolg hat (unten D.).

11

A. Das LSG hat für diesen Rechtsstreit zu Recht die Spruchkörper als zuständig angesehen, die gemäß § 31 Abs 2, § 40 Satz 2 iVm § 10 Abs 2 SGG für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts gebildet worden sind. Eine Zuständigkeit der Spruchkörper für Rechtsstreitigkeiten des allgemeinen Krankenversicherungsrechts (Angelegenheit der Sozialversicherung gemäß § 10 Abs 1 SGG) besteht nicht, und es besteht auch kein Anlass für eine Vorlage an den Großen Senat. Dies ergibt sich aus den Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 11.5.2011 zu einer vergleichbar gelagerten Konstellation (BSG vom 11.5.2011 - B 6 KA 25/10 R - BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12, RdNr 18-22 und - zur Nicht-Anrufung des Großen Senats - RdNr 23-26):

12

Maßgeblich ist hier noch die bis zum 31.12.2011 geltende Fassung des § 10 Abs 2 SGG. Danach waren die Kammern und Senate für das Vertragsarztrecht für Klagen gegen Richtlinien des GBA sowie für Aufsichtsklagen in diesem Zusammenhang insgesamt zuständig. Dies galt zB auch für Klagen von Arzneimittelherstellern. Das hat der Senat mehrfach entschieden und sich dabei auch eingehend mit den abweichenden - jeweils nicht tragenden - Auffassungen des 1. und des 3. Senats des BSG auseinandergesetzt (zuletzt Urteil BSG aaO). Das in diesem Zusammenhang seit dem 30.4.2010 beim Großen Senat anhängige Verfahren GS 1/10 ist noch nicht terminiert.

13

Für den hier zu beurteilenden Rechtsstreit eines Arzneimittelherstellers gegen eine Regelung in der AM-RL würde sich zur Zuständigkeit nach § 10 Abs 2 SGG bei Anwendung der ab dem 1.1.2012 geltenden Fassung des Art 8 Nr 1 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (vom 22.12.2011, BGBl I 3057, 3063) nichts anderes ergeben. Nach dieser Neuregelung, die der Deutsche Bundestag am 1.12.2011 beschlossen hat, gehören zu den Streitigkeiten des Vertragsarztrechts auch "Klagen gegen … Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, soweit … die streitgegenständlichen Regelungen der Richtlinien die vertragsärztliche Versorgung betreffen" (so schon BR-Drucks 782/11 vom 2.12.2011, S 1 iVm S 7; in Kraft seit dem 1.1.2012 als § 10 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGG). Die hier umstrittene Bestimmung in der AM-RL betrifft im Sinne dieser Neuregelung die vertragsärztliche Versorgung. Das ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Präzisierung des § 10 Abs 2 SGG sowie aus der Systematik des Vertragsarztrechts.

14

In der Begründung der Bundesregierung zur Neufassung des § 10 Abs 2 SGG ist die AM-RL als zugehörig zu den Richtlinien des GBA bezeichnet worden, die - im Sinne der ursprünglich vorgeschlagenen Gesetzesfassung - "allein" die vertragsärztliche Versorgung betreffen. Damit sollte die bisherige Zuordnung, wie sie sich aus der Rechtsprechung des Senats ergab, fortgeführt werden ( "weiterhin dem Vertragsarztrecht zuzuordnen") und die Rechtslage "ausdrücklich klargestellt" werden (BR-Drucks 315/11 S 38 = BT-Drucks 17/6764 S 26). Die Kritik an dieser Absicht der Bundesregierung insbesondere im Beschluss des 3. Senats des BSG vom 21.7.2011 (B 3 KR 36/09 B - RdNr 61 f) hat den Deutschen Bundestag nicht zu einer entsprechenden Änderung des Gesetzentwurfs veranlasst. Im Gegenteil ist die Voraussetzung, dass "allein" die vertragsärztliche Versorgung betroffen sein muss, damit die Spruchkörper für das Vertragsarztrecht zuständig sind, entfallen. Zudem ist künftig nicht auf die gesamte Richtlinie, sondern auf die vom Rechtsstreit betroffene Regelung in einer Richtlinie abzustellen (BT-Drucks 17/7991 S 17). Aus diesen Klarstellungen im Gesetzgebungsverfahren ergibt sich für den vorliegenden Fall, in dem die Vorgabe der Nr 31 Abschnitt III AM-RL für das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte Streitgegenstand ist, die Folgerung, dass hier im Sinne des § 10 Abs 2 SGG die streitgegenständliche Regelung die vertragsärztliche Versorgung betrifft.

15

Diese aus § 10 Abs 2 SGG abgeleitete Zuordnung der Streitigkeiten über vertragsärztliche Verordnungsbefugnisse zum Vertragsarztrecht entspricht auch der Systematik des Vertragsarztrechts. Die vertragsärztliche Versorgung gemäß § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm Nr 7 SGB V umfasst insbesondere die umfassende ärztliche Betreuung in Diagnostik und Therapie einschließlich der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln. Die näheren Einzelheiten zur vertragsärztlichen Versorgung werden gemäß § 92 Abs 1 SGB V durch Richtlinien des GBA konkretisiert, wozu nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V insbesondere auch Richtlinien über die Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln gehören. Die Ausstellung von Verordnungen hat der Gesetzgeber in die Hand der Vertragsärzte gelegt; davon gehen sowohl die Bestimmungen des SGB V als auch die konkretisierenden Richtlinien wie die AM-RL aus. Daraus ergibt sich, dass die AM-RL - nach ihrer normativen Ausrichtung primär - Rechte und Pflichten der Vertragsärzte regeln. Dies ist jedenfalls bei der hier zu beurteilenden Regelung in Nr 31 Abschnitt III AM-RL zur Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel der Fall.

16

Diese Regelungswirkung der AM-RL und die sich daraus ergebende Zuordnung zum Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Bestimmungen der AM-RL - in ihren weiteren Wirkungen - auch den Leistungsanspruch der Versicherten ausgestalten und für diese verbindlich sind(vgl § 91 Abs 6 SGB V und dazu BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12, RdNr 21).

17

Diese Zuordnung zum Vertragsarztrecht ergibt sich gleichermaßen auch dann, wenn entsprechend den Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales (BT-Drucks 17/7991 S 17) auf die einzelnen streitgegenständlichen Regelungen der Richtlinie abgestellt wird (vgl dazu auch die Einzelanalyse im Senatsurteil vom 11.5.2011, BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12, RdNr 18): Sowohl die AM-RL insgesamt als auch die hier streitige Vorschrift der Nr 31 Anlage III AM-RL regeln unmittelbar Rechte und Pflichten der Vertragsärzte. Die AM-RL regelt gemäß ihrem § 1 "die Verordnung von Arzneimitteln durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte …". Darin ist als Rechtsgrundlage § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V benannt, wonach der GBA "Richtlinien beschließ(t) … über die (6.) Verordnung von Arznei … mitteln". Dazu ist im vorangestellten § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V bestimmt, dass er "die Erbringung und Verordnung von Leistungen … einschränken oder ausschließen (kann), wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist." Alle genannten Bestimmungen wenden sich direkt an den Vertragsarzt; sie sind unmittelbar auf ihn und sein Verordnungsverhalten ausgerichtet. Dies spricht dafür, dass die auf sie gegründeten Rechtsstreitigkeiten dem Vertragsarztrecht im Sinne des § 10 Abs 2 SGG zuzuordnen sind. Dem entspricht auch, dass die Grundlagenvorschrift des § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 und Satz 2 Nr 6 SGB V ihren Standort im Vertragsarztrecht(§§ 72 ff SGB V) hat.

18

B. Das LSG hat auch zu Recht seine instanzielle Zuständigkeit für die vorliegende Klage bejaht. Seit den Neuregelungen in § 29 Abs 2 ff SGG - mit der Schaffung auch von Regelungen über Normenkontrollverfahren - entscheidet gemäß dessen Abs 4 Nr 3 das LSG Berlin-Brandenburg im ersten Rechtszug über Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des GBA(§ 29 Abs 4 Nr 3 SGG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008, BGBl I 444).

19

C. Die von der Klägerin im LSG-Verfahren gestellten - und im Revisionsverfahren aufrechterhaltenen - Feststellungsanträge sind zulässig. Dies gilt nicht nur für den Feststellungsantrag, dass Nr 31 Anlage III AM-RL rechtswidrig sei, sondern - entgegen der Auffassung des LSG - auch für das Begehren auf Feststellung, dass Nr 31 Anlage III AM-RL die Verordnungsfähigkeit der Arzneimittel Monapax®-Saft und -Tropfen nicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen ausschließe. Der Auffassung des LSG, mit einer Feststellungsklage gemäß § 29 Abs 4 Nr 3 SGG könne nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, nicht aber deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung geltend gemacht werden, ist nicht zu folgen. Diese Ansicht findet weder in der Rechtsprechung des BVerfG oder BSG noch in den daran anknüpfenden Vorstellungen des Gesetzgebers eine Stütze.

20

1. Im Senatsurteil vom 31.5.2006 (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5) ist ausgeführt, ein Kläger könne mit einer Feststellungsklage die "Anwendung und Wirksamkeit gesetzesnachrangiger Rechtsvorschriften überprüfen … lassen" (aaO RdNr 27). Der Senat hat dabei auf die Rechtsprechung des BVerfG hingewiesen, das vor der Einlegung einer Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde gegen eine Rechtsverordnung die Erhebung einer Feststellungsklage gegen den Normgeber fordert (siehe BVerfGE 115, 81, 91 ff = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 36 ff). Das BVerfG leitet aus Art 19 Abs 4 GG ab, dass die Fachgerichte Feststellungsklagen als Rechtsschutzmittel gegen untergesetzliche Rechtsnormen anerkennen müssen (BVerfGE aaO S 92 unter I. 2.a iVm S 95 f unter bb = SozR aaO RdNr 41 iVm 49 ff). Wie vom BVerfG hervorgehoben, fordert Art 19 Abs 4 GG, dass der Kläger unmittelbar gegen den Normgeber vorgehen kann mit dem Ziel der Feststellung, dass die Rechtsnorm ihn in seinen subjektiven Rechten verletze (so BVerfGE aaO S 95 unter bb = SozR aaO RdNr 50).

21

Weder das BSG noch das BVerfG unterscheiden bei gegen Rechtsnormen gerichteten Feststellungsklagen danach, ob sich das Begehren des Klägers auf die Ungültigkeit der Rechtsnorm oder (nur) auf ihre Auslegung bzw Anwendung richtet. Dies ergibt sich ausdrücklich aus dem genannten BSG-Urteil (vgl BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 27: "Feststellungsklage … Anwendung und Wirksamkeit gesetzesnachrangiger Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen"; RdNr 28: "Anwendung und Wirksamkeit hier umstritten"), aber auch aus der Entscheidung des BVerfG vom 17.1.2006 (BVerfGE 115, 81 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3): In diesem Verfahren wurde nicht über die Wirksamkeit der betroffenen Subventionsverordnung gestritten, sondern nur um die Frage ihrer Fehlausrichtung bezogen auf bestimmte Subventionsantragsteller (Problematik des Art 3 Abs 1 GG). Das BVerfG zielt nach dem Kontext seiner Entscheidung darauf, dass vor Erhebung einer Rechtssatz-Verfassungsbeschwerde eine fachgerichtliche Vorprüfung auch unter verfassungsrechtlichem Aspekt erfolgt (BVerfGE aaO S 91 ff = SozR aaO RdNr 36 ff). Es zieht hierfür den "Grundsatz der Subsidiarität" (der Inanspruchnahme des BVerfG) heran und die diesem "zugrunde liegende Erwägung, zunächst dem sachnäheren Fachgericht die Kontrolle auch der Einhaltung der Verfassung zu überlassen" (BVerfGE aaO S 91 f = SozR aaO RdNr 37, 39). Dementsprechend muss die Prüfung der Rechtsnorm durch die Fachgerichte im Wege der Feststellungsklage auch dann offenstehen, wenn nicht die Unwirksamkeit einer Rechtsnorm, sondern nur deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung geltend gemacht wird. Würde in diesen Fällen - wie das LSG es tut - eine Feststellungsklage für unzulässig erachtet und damit der Kläger veranlasst, ohne Anrufung der zuständigen Fachgerichte direkt Rechtssatzverfassungsbeschwerde beim BVerfG einzulegen, so wäre damit zu rechnen, dass das BVerfG diese als unzulässig ansieht und vom Fachgericht die Vorprüfung im Rahmen einer Feststellungsklage fordert, so wie dies im Fall des BVerfG-Verfahrens (BVerfGE 115, 81, 82 iVm 91 ff = SozR 4-1500 § 55 Nr 3 RdNr 35 iVm 36 ff) geschehen ist (zur Fortführung dieser Rspr siehe - allerdings jeweils ohne Eingehen auf Details - BVerfGE 118, 79, 96 ; BVerfG BVerfGK 11, 337, 345 f = NVwZ 2007, 1172, 1174 und auch BVerfG BVerfGK 16, 396, 402 ).

22

2. Die dargestellte umfassende Zulassung von Feststellungsklagen gegen Rechtsnormen entspricht auch der Vorstellung des Gesetzgebers, die er - anknüpfend an die vorgenannte Rechtsprechung - bei Schaffung der Regelungen des § 29 Abs 2 ff SGG zum Ausdruck gebracht hat(BR-Drucks 820/07 vom 15.11.2007). Dort ist ausgeführt, dass die BVerfG-Entscheidung (BVerfGE 115, 81 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3) die Notwendigkeit einer fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen untergesetzliche Rechtssätze verdeutlicht und dass das BSG dies im Urteil BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5 umgesetzt hat; da dies den Anforderungen des Art 19 Abs 4 GG "sachgerecht Rechnung trägt, bedarf es der Schaffung einer § 47 VwGO entsprechenden Norm nicht"(BR-Drucks aaO S 19).

23

3. Die Zulässigkeit der Feststellungsklage gilt im Übrigen nicht nur für den Hauptantrag der Klägerin und ihren ersten, sondern auch für ihren weiteren Hilfsantrag; mit diesem begehrt sie die Feststellung, dass der Vorschrift der Nr 31 Anlage III AM-RL der Zusatz "Homöopathische Arzneimittel sind ausgenommen" beizufügen sei. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung (BVerfGE 115, 81 = SozR 4-1500 § 55 Nr 3) ausgeführt, dass "im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gegenüber dem Normgeber auch die Feststellung begehrt werden (kann), dass das Recht der Kläger auf Gleichbehandlung den Erlass oder die Änderung einer Rechtsverordnung gebiete" (BVerfGE aaO S 96 = SozR aaO RdNr 51, mit Bezugnahme auf BVerwG NVwZ 2002, 1505, 1506; zur Feststellungsklage s auch BVerfGE aaO S 96 unten = SozR aaO RdNr 53).

24

Zusammengefasst ergibt sich, dass mit einer fachgerichtlichen Feststellungsklage nicht nur die Unwirksamkeit einer untergesetzlichen Rechtsnorm, sondern auch deren fehlerhafte Auslegung oder Anwendung sowie ein Anspruch auf deren Änderung geltend gemacht werden kann.

25

4. Auch die weiteren Voraussetzungen der Zulässigkeit der Feststellungsklage sind erfüllt. Die Beteiligten streiten um das "Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses" (vgl § 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Das Feststellungsinteresse der Klägerin (vgl § 55 Abs 1 letzter Halbsatz SGG) ist gegeben, und dem Feststellungsbegehren steht - vor dem Hintergrund der BVerfG-Forderungen gemäß oben 1. - die Subsidiarität der Feststellungsklage nicht entgegen (vgl zu diesem Erfordernis § 43 Abs 2 VwGO iVm mit dessen Anwendung im Sozialgerichtsverfahren: BSGE 58, 150, 152 f = SozR 1500 § 55 Nr 27 S 23; BSGE 90, 215, 220 = SozR 3-5868 § 98 Nr 1 S 6 f; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 37; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3 RdNr 19).

26

D. Die Klägerin ist für die von ihr gestellten Feststellungsanträge aktivlegitimiert. Dies ist in der Rechtsprechung des BSG für solche Fälle wie hier anerkannt, in denen sich ein Hersteller von Medizinprodukten oÄ gegen Beschränkungen der vertragsarztrechtlichen Abrechenbarkeit bzw Verordnungsfähigkeit in einem Bereich grundsätzlich erbringbarer Leistungen wendet (BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5, RdNr 29 ff, 33 ff; vgl auch BSGE 94, 1 = SozR 4-2500 § 35 Nr 3, RdNr 15-18; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 25 mwN; BSGE 107, 261 = SozR 4-2500 § 35 Nr 5, RdNr 15 letzter Satz iVm RdNr 17). Die Feststellungsanträge sind indessen deshalb allesamt unbegründet, weil die von der Klägerin angegriffene Regelung der Nr 31 Anlage III AM-RL nicht zu beanstanden ist. Diese Regelung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Sie hält sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben unter Berücksichtigung der dem GBA zustehenden normativen Gestaltungsfreiheit (vgl hierzu BSGE 103, 106 = SozR 4-2500 § 94 Nr 2, RdNr 51; BSGE 105, 243 = SozR 4-2500 § 116b Nr 2, RdNr 43 ff; BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12, RdNr 35).

27

1. Rechtsgrundlagen für Nr 31 Anlage III AM-RL sind § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 iVm Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V iVm § 34 Abs 1 Satz 1 und 5 SGB V. Nach diesen Bestimmungen sind nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich von der Versorgung in der GKV ausgeschlossen (§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V). Allerdings gilt dies grundsätzlich nicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs 1 Satz 5 Nr 1 und 2 SGB V). Andererseits kann der GBA gemäß § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V generell die vertragsärztliche "Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind; er kann die Verordnung von Arzneimitteln einschränken oder ausschließen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist."

28

Diese Grundsätze über unwirtschaftliche und/oder unzweckmäßige Verordnungen gelten, wie sich schon aus ihrem systematischen Standort einleitend in § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V ergibt, für alle in § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1-15 SGB V genannten Richtlinien. Sie gelten auch im Rahmen näherer Bestimmungen zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln gemäß § 34 Abs 1 SGB V(vgl dort Satz 2 und 3 sowie Satz 6). Dies folgt schon aus dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots (§§ 2 Abs 1 Satz 1, § 12 Abs 1, § 72 Abs 2 SGB V; - vgl dazu zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - RdNr 20 f mwN, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen), aber auch daraus, dass für die näheren Bestimmungen im Rahmen des § 34 Abs 1(Satz 2 und 9) SGB V jeweils auf § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V verwiesen wird, der seinerseits durch die Einleitungsvorschriften in § 92 Abs 1 Satz 1 (mit auch Teilsatz 3 und 4) SGB V vorgeprägt ist.

29

Daraus ergibt sich, dass die in § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V dem GBA eingeräumte Ermächtigung, die Verordnung von Arzneimitteln einzuschränken oder auszuschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen Erkenntnisse die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen ist bzw wenn eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist, auch für die Behandlung von Kindern bis zum 12. Lebensjahr und von Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen gilt. Auch für diesen Personenkreis kann der GBA aus den in § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V angeführten Gründen - Unwirtschaftlichkeit bzw Unzweckmäßigkeit - die Verordnungsfähigkeit beschränken oder ausschließen. Der GBA kann also von der Regelung des § 34 Abs 1 Satz 5 SGB V, wonach der Ausschluss der Verordnungsfähigkeit nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel(§ 34 Abs 1 Satz 1 SGB V) grundsätzlich für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen nicht gilt (§ 34 Abs 1 Satz 5 Nr 1 und 2 SGB V), wiederum aus Gründen der Unwirtschaftlichkeit bzw Unzweckmäßigkeit im Sinne des § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V mit der Folge abweichen, dass derartige Verordnungen für solche Kinder und Jugendlichen doch ausgeschlossen sind.

30

2. Den dargestellten gesetzlichen Vorgaben entspricht die angegriffene Regelung in der AM-RL. Der Beklagte hat sich im Rahmen der ihn bindenden gesetzlichen Bestimmungen gehalten.

31

a) Der GBA hat der therapeutischen Vielfalt - insbesondere der spezifischen Wirkungsweise der homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimittel - Rechnung zu tragen. In § 2 Abs 1 Satz 2 und § 73 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB V ist jeweils bestimmt, dass "Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen … nicht ausgeschlossen" sind - im Sinne von: nicht ausgeschlossen werden dürfen -. Weiterhin schreibt § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V vor - für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die einen Therapiestandard für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen darstellen und die der GBA deshalb für doch verordnungsfähig erklärt -, dass "der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen" ist. Ferner regelt § 34 Abs 2 Satz 3( seit 1.1.2011: Abs 3 Satz 2) SGB V - für den Fall, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Behandlung geringfügiger Gesundheitsstörungen für nicht-verordnungsfähig erklärt werden -, dass "bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln …der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen" ist. Schließlich bestimmen § 35 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 und § 92 Abs 2 Satz 5 Halbsatz 2( bis 31.12.2010; ähnlich seit 1.7.1997 auch Abs 3a Satz 1) SGB V, dass "bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen …auch Stellungnahmen von Sachverständigen dieser Therapierichtungen einzuholen" sind.

32

b) Zu § 34 Abs 1 Satz 2 iVm Satz 3 SGB V hat der Senat bereits im Urteil vom 11.5.2011 (BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12) Stellung genommen. Dieses Urteil betraf unmittelbar nur Regelungen für schwerwiegende Erkrankungen und dafür bestehende Therapiestandards, es lassen sich aber allgemeingültige Folgerungen aus seinen Ausführungen ziehen (BSG aaO RdNr 37, 39-41).

33

Wie der Senat in diesem Urteil dargelegt hat, ist im Verhältnis zwischen Satz 2 und Satz 3 des § 34 Abs 1 SGB V maßgeblich, dass der Gesetzgeber die Vorgaben des Satz 2 vorangestellt hat und ihnen die Regelung des Satz 3 in der Weise angeschlossen hat, dass "dabei … der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen" ist. Daraus ergibt sich ein gewisser Vorrang der Vorgaben des Satz 2: In deren Rahmen ist die therapeutische Vielfalt zu berücksichtigen (BSG aaO RdNr 37). Das Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, bedeutet insbesondere, dass die Eigenheiten besonderer Therapierichtungen - soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich ist - zu berücksichtigen sind. Bei der Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden und Medikationen ist deshalb der Erkenntnisstand der jeweiligen Therapierichtung, also die aus Sicht der Therapierichtung gegebene besondere Wirksamkeit, zugrunde zu legen (Maßstab der sog Binnenanerkennung, vgl BSG aaO RdNr 39 mit Bezugnahme auf weitere Rspr, insbesondere BSGE 81, 54, 68 ff, 71 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 24 ff, 27 f; BVerwG vom 16.10.2008 - 3 C 23.07 - Buchholz 418.32 AMG Nr 53 RdNr 13 ff, 15; ferner allgemein zu besonderen Therapierichtungen: BSGE 85, 56, 63 ff = SozR 3-2500 § 28 Nr 4 S 21 ff; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 72 ff; BSGE 94, 221 RdNr 26 ff, 29-31 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 27 ff, 30-32; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 18; s auch BVerwG aaO RdNr 13 ff). Die hierauf gegründete Forderung, der GBA dürfe eine Einschränkung, wie sie für Mistel-Präparate bestehe, indem diese "nur in der palliativen Therapie … zur Verbesserung der Lebensqualität" verordnungsfähig seien (Nr 16.4.27 AM-RL bzw heute: Nr 32 der Anlage I zum Abschnitt F AM-RL), nicht auch für anthroposophische und homöopathische Arzneimittel gelten lassen, hat der Senat indessen mit Urteil vom 11.5.2011 (BSGE 108, 183 = SozR 4-2500 § 92 Nr 12) zurückgewiesen: Aus § 34 Abs 1 Satz 3 SGB V kann nicht abgeleitet werden, der GBA müsse im Rahmen der anthroposophischen und homöopathischen Therapierichtungen Arzneimittel wie zB Mistel-Präparate sowohl für die kurativ-adjuvante als auch für die palliative Therapie für verordnungsfähig erklären, während entsprechende allopathische Präparate nur für die palliative Therapie verordnungsfähig sind. Dies ergäbe eine im Gesetz so nicht angelegte Begünstigung der anthroposophischen und homöopathischen Arzneimittel gegenüber den allopathischen. Kommt der GBA in diesem Rahmen zum Ergebnis, einen Behandlungsstandard gebe es nur in der palliativen Therapie, und beschränkt er dementsprechend die Verordnungsfähigkeit, so ist dies der Rahmen, dessen Grenzen der GBA dann auch für die besonderen Therapierichtungen gelten lassen kann. Würde der GBA diesen Rahmen allein für die Arzneimittel besonderer Therapierichtungen lockern, so hätte das insoweit eine - jedenfalls nicht gebotene - Begünstigung für diese Arzneimittel zur Folge. Das ginge über das dargestellte Verhältnis des Satz 3 zu Satz 2 hinaus, wonach der therapeutischen Vielfalt nur im Rahmen der Vorgaben des Satz 2 Rechnung zu tragen ist (BSG aaO RdNr 41).

34

c) Dasselbe gilt auch sonst - außerhalb des Verhältnisses von § 34 Abs 1 Satz 2 zu Satz 3 SGB V - für die Berücksichtigung der spezifischen Wirkungsweise der homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimittel: Begünstigungen der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen im Vergleich zu den allopathischen Arzneimitteln im Sinne einer weitgehenden Freistellung von Wirtschaftlichkeitserwägungen sind jedenfalls nicht gesetzlich geboten.

35

Dieselbe Wertung lässt sich im Ansatz auch dem Urteil des 1. Senats des BSG vom 22.3.2005 entnehmen (BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3). Dort hat der 1. Senat im Ergebnis eine Aufsichtsmaßnahme beanstandet, weil in einer durch Gesetz und Rechtsprechung nicht geklärten Rechtslage aufsichtsrechtliche Zurückhaltung geboten sei (BSG aaO Leitsatz 2 und RdNr 32 bzw 33). Aus dem Kontext ist erkennbar, dass der 1. Senat der von der dortigen Klägerin geltend gemachten Sonderstellung für besondere Therapiemethoden - mit Beanspruchung der Freistellung von gesetzlichen Vorgaben, die sonst allgemein für besondere Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gelten (vgl zB aaO RdNr 31 bzw 32) - eher ablehnend gegenübersteht ("Trotz der zweifellos auch vorhandenen, die Richtigkeit der Rechtsauffassung der Beklagten stützenden Argumente …", so BSG aaO RdNr 32 bzw 33).

36

Hiermit übereinstimmend wird auch im Schrifttum zu dem Gebot, der therapeutischen Vielfalt und damit der spezifischen Wirkungsweise der homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimittel Rechnung zu tragen, betont, dass auch bei den besonderen Therapierichtungen "Wirtschaftlichkeitsgebot sowie Qualitätssicherung zu beachten" sind und ihnen "keine Sonderstellung eingeräumt" ist (R. Schmidt in Peters, Handbuch der Krankenversicherung - SGB V, § 27 RdNr 307). "Weder eine Begünstigung noch eine Benachteiligung der Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen ist gewollt. … Eine Begünstigung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen mit der Folge, dass Qualität und Wirksamkeit der Leistungen nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse … entsprechen, widerspricht ... den gesetzlichen Vorgaben" (E. Hauck in Peters, aaO, § 34 RdNr 33). Den Grundsatz, dass sich aus der Zugehörigkeit eines Arzneimittels zu einer besonderen Therapierichtung kein Anspruch auf Freistellung von allgemeingültigen gesetzlichen Anforderungen ergibt, legt auch das BVerwG in seiner Rechtsprechung zu Arzneimittelzulassungen nach dem AMG zugrunde (siehe BVerwG vom 16.10.2008 - 3 C 23/07 - Buchholz 418.32 AMG Nr 53 RdNr 13, 15, 24, 27, ebenso in Juris dokumentiert). Dem entspricht auch die Formulierung des BSG von der "Neutralität des Staates gegenüber unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen, die in der Bevölkerung … breite Resonanz gefunden haben" (BSGE 81, 54, 69 = SozR 3-2500 § 135 Nr 4 S 25; vgl ebenso BT-Drucks 7/5091 S 7: "Zurückhaltung gegenüber einer Entscheidung über eine Lehrmeinung").

37

3. Aus dem Grundsatz, dass weder die Versicherten noch die Leistungserbringer - und auch nicht die Arzneimittelhersteller - beanspruchen können, dass homöopathische Arzneimittel von den Verordnungseinschränkungen und -ausschlüssen, die für alle (sonstigen) Arzneimittel gelten, freigestellt werden, ergibt sich für das vorliegende Verfahren: Der GBA ist nicht verpflichtet, die homöopathischen Arzneimittel von den Verordnungsbeschränkungen der Nr 31 Anlage III AM-RL auszunehmen - ungeachtet dessen, dass diese Bestimmungen wirkstoffbezogen sind und die Klägerin die Unvereinbarkeit wirkstoffbezogener Betrachtung mit der Lehre der Homöopathie geltend macht. Diese Bestimmungen halten sich vielmehr (a) im Rahmen der gesetzlichen Regelungen (hier speziell § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsätze 3 und 4 SGB V) unter Berücksichtigung der dem GBA zustehenden normativen Gestaltungsfreiheit und sind (b) auch mit Blick auf die besonderen Therapierichtungen nicht zu beanstanden.

38

a) Der Verordnungsausschluss, der in Nr 31 Anlage III AM-RL für Hustenmittel normiert ist, erfasst "fixe Kombinationen von Antitussiva oder Expektorantien oder Mukolytika untereinander oder mit anderen Wirkstoffen". Antitussiva sind hustenhemmend, Mukolytika bzw Expektorantien hingegen sind schleimlösend und damit auswurffördernd (vgl Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 263. Aufl 2011/2012, bei den jeweiligen Stichworten).

39

Der medizinische Grund, Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien für nicht verordnungsfähig zu erklären, liegt darin, dass entgegengesetzte Wirkstoffe sich uU gegenseitig behindern bzw in ihrer Wirkung neutralisieren können, sodass kein voller Nutzeffekt aller Wirkstoffe zu verzeichnen ist. Die "fixe" Kombination kann auch in den Ausnahmefällen, in denen die Gleichzeitigkeit der verschiedenen Wirkungen doch einen gewissen Sinn macht, problematisch sein; denn deren Zusammenspiel kann dann nicht je nach dem konkreten Krankheitsstadium und der individuellen Befindlichkeit variiert werden, weil die Mengen der verschiedenen Wirkstoffe im Verhältnis zueinander in unveränderlicher Weise feststehen.

40

Auf dieser Basis hat der GBA zur Schlussfolgerung kommen dürfen, dass statt fixer Wirkstoffkombinationen im Regelfall das Behandlungsziel medizinisch zweckmäßiger und/oder kostengünstiger durch die Verordnung von Monopräparaten erreicht werden kann (vgl - inhaltsgleich - die allgemeinen Vorgaben des § 16 Abs 1 Nr 3, Abs 2 Nr 5 AM-RL, die gemäß § 16 Abs 3 AM-RL durch die Anlage III AM-RL konkretisiert wird). Zwar ist nicht auszuschließen, dass in Einzelfällen die Verabreichung einander entgegengesetzter Wirkstoffe medizinisch indiziert sein kann; solchen Fällen ist dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass generell bestimmt ist, dass der Vertragsarzt in medizinisch begründeten Einzelfällen derartige Arzneimittel ausnahmsweise mit Begründung verordnen darf (§ 31 Abs 1 Satz 4 SGB V, § 16 Abs 5 AM-RL, ebenso Präambel Abs 3 der Anlage III AM-RL). Für den Regelfall aber durfte der GBA davon ausgehen, dass Verordnungen fixer Kombinationen medizinisch problematisch sind, und dies deshalb als unwirtschaftlich bzw unzweckmäßig bewerten und ihre Verordnungsfähigkeit beschränken. Die Bestimmungen in Nr 31 Anlage III AM-RL entsprechen mithin den Vorgaben des § 16 Abs 1 Nr 3, Abs 2 Nr 5 iVm Abs 3 AM-RL. Sie entsprechen zugleich den gesetzlichen Tatbeständen der Teilsätze 3 und 4 des § 92 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach Verordnungseinschränkungen und -ausschlüsse zulässig sind, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen(aaO Teilsatz 3) und/oder eine andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen verfügbar ist (aaO Teilsatz 4). Diese Voraussetzungen sind bei dem grundsätzlichen Verordnungsausschluss für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und andererseits auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien erfüllt (vgl hierzu RdNr 39).

41

Der GBA hat den Verordnungsausschluss der fixen Kombinationen auch auf Kinder bis zum 12. Lebensjahr und auf Jugendliche mit Entwicklungsstörungen erstrecken dürfen. Zwar gelten die Ausschlüsse für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel an sich nicht für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen (§ 34 Abs 1 Satz 5 Nr 1 und 2 SGB V). Hiervon darf der GBA aber aus dem in § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V normierten Tatbestandsmerkmal nicht nachgewiesener Wirtschaftlichkeit bzw nicht gegebener Zweckmäßigkeit abweichen, wie oben ausgeführt worden ist(RdNr 29). Daher ist es nicht notwendig, bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr und bei Jugendlichen mit Entwicklungsstörungen auf einen Verordnungsausschluss zu verzichten und sich auf Hinweise zur Unwirtschaftlichkeit zu beschränken. Wenn der GBA sich in Nr 31 Anlage III AM-RL dennoch auf einen bloßen Hinweis beschränkt hat (worauf die Überschrift zur Anlage III AM-RL, die Präambel in Abs 2 Satz 2, die weitere Erläuterung in Abs 2 Nr 6 und die Formulierung in Nr 31 rechte Spalte, vierter Passus, hindeuten), so hat dafür jedenfalls von Gesetzes wegen keine rechtliche Notwendigkeit bestanden.

42

b) Der in Nr 31 Anlage III AM-RL normierte Verordnungsausschluss für Arzneimittel mit fixen Kombinationen von hustenhemmenden Antitussiva einerseits und auswurffördernden und schleimlösenden Expektorantien andererseits erfasst auch das homöopathische Arzneimittel Monapax®-Tropfen. Im Urteil des LSG ist ausgeführt, dass dieses Arzneimittel aufgrund der in ihm enthaltenen Wirkstoffe ein Hustenmittel nach Nr 31 Anlage III AM-RL darstellt (LSG-Urteil im Tatbestand und in den Entscheidungsgründen unter B. 2.a = Juris RdNr 8 iVm 44 - mit weiteren Ausführungen unter B. 2.b = RdNr 45, dass das - nach der Auffassung des LSG - aber nicht dem Gebot gerecht werde, der spezifischen Wirkungsweise homöopathischer Arzneimittel Rechnung zu tragen).

43

Diese Zuordnung von Monapax®-Tropfen zu den Hustenmitteln mit fixen Kombinationen von entgegengesetzten Wirkstoffen im Sinne der Nr 31 Anlage III AM-RL findet ihre Bestätigung in den Angaben der Klägerin in der diesem Arzneimittel beigefügten sog Fachinformation, so wie dies im Urteil des LSG ausgeführt ist (s den Urteilstatbestand iVm den Entscheidungsgründen unter B. 2.c = Juris RdNr 8 iVm 46). Vor diesem Hintergrund und angesichts der vorgenannten Feststellungen im Urteil des LSG ist es rechtlich unerheblich, dass die Klägerin - wie sie geltend macht - mit der Aufführung von diversen Stoffen in der Rubrik "Wirkstoffe" nur der Vorgabe des § 11a AMG für die formale Einteilung der Fachinformationen habe Genüge tun wollen.

44

Unzutreffend ist auch die Ansicht der Klägerin, eine - das Revisionsgericht bindende - Tatsachenfeststellung ergebe sich aus den Ausführungen des LSG, dass die wirkstoffbezogene Betrachtungsweise der Nr 31 Anlage III AM-RL dem Gebot widerspreche, der spezifischen Wirkungsweise der besonderen Therapiemethoden Rechnung zu tragen.

45

Nichts grundsätzlich anderes gilt für Monapax®-Saft. Auch insoweit geht das LSG davon aus, das dieses Arzneimittel Wirkstoffe enthält, die der Gruppe der homöopathischen und anthroposophischen Antitussiva und Expektorantien zugeordnet werden (LSG aaO im Urteilstatbestand = Juris RdNr 3), die also antagonistische Wirkungsweisen aufweisen. Abgesehen von der Frage, ob die Verordnungsfähigkeit solcher Säfte ohnehin durch andere Bestimmungen ausgeschlossen ist (vgl Nr 43 Anlage III AM-RL: Saftzubereitungen für Erwachsene), weist Monapax®-Saft nach den Ausführungen des LSG keine grundsätzlich andere Zusammensetzung auf (Urteilstatbestand aaO iVm den Entscheidungsgründen unter B. 2.a = Juris RdNr 3 iVm 44).

46

4. Die Regelung der Nr 31 Anlage III AM-RL verstößt ferner nicht gegen sonstige, außerhalb des SGB V normierte, höherrangige Rechtsnormen oder Rechtsgrundsätze.

47

Anhaltspunkte für zB eine Unvereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsgebot bestehen nicht. Auch eine Verletzung der Klägerin etwa in ihrem Grundrecht aus Art 12 Abs 1 GG ist nicht ersichtlich. Dieses Grundrecht steht gemäß Satz 2 unter dem Vorbehalt, dass einschränkende Regelungen durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes zulässig sind. Dem entsprechen die Bestimmungen des § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V iVm den dargestellten Vorschriften der AM-RL.

48

Schließlich kann auch nicht der Argumentation des LSG gefolgt werden, die Subsumtion der in den Hustenmitteln Monapax®-Saft und -Tropfen enthaltenen Elemente unter den Begriff der Wirkstoffe im Sinne der Nr 31 Anlage III AM-RL "widerspräche … der Zulassungsentscheidung für Monapax®-Tropfen, die der homöopathischen Wirkungsweise Rechnung trägt" (vgl das vorinstanzliche Urteil des LSG, insoweit unter Berufung auf BSGE 95, 132 RdNr 14 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 21). Dies trifft so nicht zu. Die Zulassung nach dem AMG und die Prüfung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln folgen unterschiedlichen Vorgaben. Ein zugelassenes Arzneimittel kann nicht-verordnungsfähig sein bzw für nicht-verordnungsfähig erklärt werden (vgl hierzu die zahlreichen Einzelregelungen in § 34 SGB V; zur Wirksamkeit vgl zB BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 19 ff und im Gesamtkontext ebenso BSGE 95, 132 RdNr 13 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 20 ff und BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 19 iVm 22 ff). Die AMG-Zulassung eines Arzneimittels ist zwar eine notwendige Voraussetzung für dessen Verordnungsfähigkeit, bedeutet aber nicht schon, dass es auch verordnungsfähig sein müsste. Die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hängt vielmehr noch von weiteren Voraussetzungen ab, wie eben zB davon, dass das Arzneimittel den Anforderungen des § 92 Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 und 4 SGB V entspricht.

49

5. Nach alledem ist die von der Klägerin angegriffene Regelung in Nr 31 Anlage III AM-RL, jedenfalls soweit die Klägerin diese aufgrund ihrer subjektiv-rechtlichen Betroffenheit zur Überprüfung stellt, dh bezogen auf Monapax®-Saft und -Tropfen, rechtlich unbedenklich. Ihre Klage ist deshalb abzuweisen.

50

E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs 1 VwGO.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Regressbescheiden wegen der Verordnung autologer Tumorvakzine (Quartale II und III/1998, I, II und IV/1999).

2

Der Kläger zu 1. betrieb bis zum Quartal III/1999 zusammen mit dem Kläger zu 2. eine Gemeinschaftspraxis, die danach in eine Praxisgemeinschaft umgewandelt wurde. Beide waren bzw sind als Fachärzte für Innere Medizin im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen sie bzw gegen die von ihnen geführte Gemeinschaftspraxis ergingen Regressbescheide, weil sie in den Quartalen II und III/1998, I, II und IV/1999 autologe Tumorvakzine verordnet hatten, ohne dass sie dazu berechtigt gewesen seien. Die jeweiligen Patienten waren bzw sind bei den zu 2., 9. bis 11. beigeladenen Krankenkassen (KKn) - bzw bei deren Rechtsvorgängern - versichert.

3

Die Verordnungen betrafen das Therapieverfahren der sogenannten aktiv-spezifischen Immunisierung (ASI) mit autologen Tumorvakzinen (Impfungen mit eigenem Körperzellmaterial) bei Patienten, die an Darmkrebs, Nierenkrebs oder Osteosarkom litten. Die Gewinnung autologer Tumorvakzine wird als sogenanntes Rezepturarzneimittel auf Rezeptblättern verordnet und erfolgt für jeden Patienten individuell aus seinen körpereigenen Tumorzellen. Die Bearbeitung und die Injektion der Zellen führte für die Kläger der damalige Pharmahersteller macropharm GmbH bzw für diese Firma der Arzt Dr. N. durch. Dabei fielen je Verordnung bzw Verordnungsserie ca 15.000 DM an. Das vorliegende Revisionsverfahren betrifft insgesamt zehn solcher Verordnung(sseri)en.

4

Die wegen dieser Verordnungen ergangenen Regressbescheide bestätigte - unter Zurückweisung der Widersprüche der Kläger - der beklagte Beschwerdeausschuss. Im Verlauf des sozialgerichtlichen Klageverfahrens ersetzte der Beklagte seine Bescheide durch neue Bescheide vom 9.11.2002. Hierin führte er unter Bezugnahme auf § 106 SGB V aus, dass er von einer vorgängigen Beratung habe absehen können, weil die Kläger - bereits seit 1992 bzw 1997 vertragsärztlich tätig - über das Wirtschaftlichkeitsgebot ausreichend informiert gewesen seien. Zur ASI mit autologen Tumorvakzinen habe es keine Anwendungsempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und KKn (BA - heute Gemeinsamer Bundesausschuss ) gegeben.

5

Der BA beschloss am 10.4.2000 die Zuordnung der ASI zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden (s Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs 1 SGB V mit der Anfügung der Nr 29 in die Anlage B "nicht anerkannte Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden", BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828).

6

Das von den Klägern angerufene SG hat ihre Klagen abgewiesen (Gerichtsbescheide vom 18.8.2003, vom 26.8.2003, vom 27.8.2003, vom 8.10.2003, vom 29.10.2003, vom 20.11.2003, vom 19.11.2003 und vom 2.12.2003). Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen sind die Kläger nur zu einem geringen Teil erfolgreich gewesen. Das LSG, das die Berufungsverfahren zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat mit Urteil vom 27.8.2008 auf die Berufung des Klägers zu 2. den Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 insoweit aufgehoben, als dieser einen Regress wegen der Verordnung im Quartal IV/1999 auch gegen den Kläger zu 2. ausgesprochen hatte (L 3 KA 484/03 - in Juris dokumentiert): Hierzu hat das LSG ausgeführt, die Gemeinschaftspraxis habe nur bis zum Quartal III/1999 bestanden und daher habe der Kläger zu 2. diese Verordnung nicht mehr mitzuverantworten, vielmehr habe der Kläger zu 1. sie allein vorgenommen.

7

Im Übrigen hat das LSG in seinem Urteil vom 27.8.2008 die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Der Bescheid vom 9.11.2002, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens sei (§ 96 SGG), sei hinsichtlich des Klägers zu 2. im Übrigen rechtmäßig und hinsichtlich des Klägers zu 1. insgesamt rechtmäßig. Der auf eine Einzelfallprüfung nach § 106 SGB V gestützte Regress sei sowohl in formeller als auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder hätte zunächst eine Beratung durchgeführt werden müssen, noch stehe dem Regress eine Überschreitung der Prüfantragsfrist entgegen. Die inhaltliche Rechtmäßigkeit der Bescheide ergebe sich daraus, dass eine Leistungspflicht der KKn für die ASI nicht bestanden habe. Für diese habe es keine Empfehlung des BA oder des G-BA gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V gegeben. Es habe sich auch nicht um Fälle seltener Krankheiten im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu ausnahmsweise zulässigen sogenannten Einzelimporten gehandelt. Zwar seien die betroffenen Patienten im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG lebensbedrohlich erkrankt; sie hätten an metastasierenden bzw rezidivierenden Karzinomerkrankungen mit infauster Prognose gelitten. Die ASI sei allerdings nur adjuvant zur Lebensverlängerung eingesetzt worden. Es fehle sowohl an Darlegungen zur Nichteignung der allgemein anerkannten medizinischen Standardmaßnahmen als auch an ernsthaften Hinweisen dafür, dass die umstrittene Therapie Aussicht auf positive Einwirkung geboten habe, was erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen Wirkungszusammenhang erfordere. Wirksamkeitsbelege mit Aussagekraft für die hier zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm ergäben sich indessen aus den von den Klägern angeführten Phase-III-Studien nicht. Die von der Firma macropharm selbst veröffentlichte Studie von R. reiche nicht aus, denn sie weise methodische Unzulänglichkeiten auf, wie bereits ein LSG und das BSG ausgeführt hätten. Ferner fehle es an der erforderlichen Dokumentation durch die Kläger. Diese hätten lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen angefertigt, zudem habe die verantwortliche Behandlung jedenfalls in einigen Fällen nach ihren eigenen Berichten nicht bei ihnen gelegen, sondern bei Dr. N. Im Übrigen gebe es Zweifel, ob es sich nicht um ein Massenexperiment gehandelt habe, das als Heilversuch den Anforderungen der Deklaration von Helsinki mit vorheriger Anhörung der Ethik-Kommission und ausdrücklicher Einwilligung der Patienten hätte Rechnung tragen müssen. Schließlich könne zur Rechtfertigung der ASI nicht auf ein sogenanntes Systemversagen wegen verspäteter Entscheidung des BA zurückgegriffen werden. Dies komme allenfalls in Betracht, wenn die Wirksamkeit der Therapie durch wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken aufgrund einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt gewesen sei. Solche Belege hätten bis 1998/1999 nicht vorgelegen, wie sich daraus ableiten lasse, dass der BA kurze Zeit später (10.4.2000) festgestellt habe, dass es an ausreichenden Wirksamkeitsnachweisen fehle; dies habe auch das BSG in seiner ASI-Entscheidung vom 28.3.2000 so bestätigt. Auch dafür, dass sich die ASI 1998/1999 wenigstens in der medizinischen Praxis durchgesetzt habe, lägen keine ausreichenden Belege vor. Aufgrund der nach alledem zu verneinenden Leistungspflicht der KKn für die ASI könne der bei den KKn entstandene Schaden regressiert werden. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei weder Raum für den Gesichtspunkt, dass ohne den Einsatz der Tumorvakzine - durch andere Behandlungsmaßnahmen - ebenfalls Kosten entstanden wären (sogenannte Vorteilsausgleichung), noch sei bei Verordnungsregressen, die auf § 106 SGB V gestützt seien, ein etwaiges Fehlen von Verschulden bedeutsam.

8

Der Kläger zu 1. hat allein Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine falsche Anwendung des § 106 SGB V in formeller und materieller Hinsicht. Entgegen der Auffassung des LSG sei der Prüfantrag nicht fristgerecht mit hinreichender Begründung gestellt worden. Auch in materieller Hinsicht sei der Regress nicht rechtmäßig. Die Auffassung, er und sein Partner, der Kläger zu 2., hätten die ASI nicht verordnen dürfen, treffe nicht zu. Als zulassungsfreie Rezepturarzneimittel hätten die Tumorvakzine keiner Zulassung nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) bedurft. Das LSG habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass der BA durch sein Schreiben vom 7.6.1999 die Tumorvakzine vorläufig als verordnungsfähig anerkannt habe. Auch wenn dieses Schreiben nicht die rechtliche Form einer Richtlinie habe, sei es zumindest im Rahmen des Vertrauensschutzes bzw Ermessens bei der Regressentscheidung bis zu der ablehnenden Entscheidung des BA vom 10.4.2000 maßgebend gewesen. Das LSG habe auch die Vorgaben des BVerfG vom 6.12.2005 und des sogenannten Systemversagens fehlerhaft verneint. Die Annahme, die vorliegenden statistischen Wirksamkeitsnachweise seien auf die Vakzine der Firma macropharm nicht übertragbar, leide an Defiziten der Sachverhaltsaufklärung. Soweit das LSG der Auffassung sei, die Vakzine der Firma macropharm unterschieden sich wesentlich von denen, zu denen die Wirksamkeitsnachweise vorgelegen hätten, hätte dem zumindest ein Hinweis an die Kläger vorausgehen müssen, damit klägerseits hätte weiter vorgetragen werden können. Die Ansicht des LSG stehe im Gegensatz zu den Feststellungen des Gerichtsgutachters in dem früheren Verfahren des LSG Niedersachsen und der Studie von Vermorken von 1999. Auch gehe es nicht an, die bei unerklärten Krankheiten geminderten Anforderungen an ein Systemversagen bei Krebserkrankungen mit hohen Erkrankungszahlen außer Anwendung zu lassen. Jedenfalls bei Nieren- und Darmkrebs könne nicht einfach von der Zahl der Erkrankungen auf eine Klärung von Entstehung und Verlauf geschlossen werden. Zu beanstanden sei ferner das Erfordernis, die ASI könne nur dann als verordnungsfähig anerkannt werden, wenn auch eine substantiierte Dokumentation erfolgt sei. Derartige Dokumentationen seien vor 10 Jahren noch nicht üblich gewesen und könnten nicht jetzt nachträglich gefordert werden. In Fällen der vorliegenden Art dürfe nur eine Schlüssigkeit gefordert werden. Dem genügten seine - des Klägers zu 1. - Darlegungen, dass es sich bei den Krebserkrankungen in jedem Einzelfall um unheilbare Erkrankungen gehandelt habe, bei denen die ASI eine nicht fern liegende Aussicht auf Heilung bzw jedenfalls Linderung versprochen habe. Die Anforderung einer Dokumentation passe auch nicht zur Durchführung einer Einzelfallprüfung. Diese gebiete nötigenfalls die Heranziehung der Patienten. Insofern liege ein Mangel der Sachaufklärung vor. Schließlich sei zu beanstanden, dass das LSG das Erfordernis eines Verschuldens und einen Ermessensspielraum der Prüfgremien verneint habe. Dies sei weder mit § 106 Abs 5 SGB V noch mit dem verfassungsrechtlichen Willkür- und Übermaßverbot vereinbar. Die Prüfgremien müssten im Rahmen der von ihnen geforderten wertenden Entscheidung eine Verschuldensprüfung vornehmen oder jedenfalls eine Ermessensentscheidung mit einer Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen und den Auswirkungen auf den betroffenen Arzt treffen. Eine Haftung könne im Falle bösgläubiger Ärzte berechtigt sein, aber nicht bei schuldlos handelnden wie den Klägern, die in nachvollziehbarem Vertrauen subjektiv rechtstreu gehandelt hätten. Ein Regress stelle sich als "maßlose" Haftung des Vertragsarztes dar, die einer Garantiehaftung für ein Verhalten von vor 10 Jahren gleichkomme und zur Wahrung der Wirtschaftlichkeit weder erforderlich noch verhältnismäßig sei.

9

Der Kläger zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 und die Gerichtsbescheide des Sozialgerichts Hannover vom 18.8.2003, 26.8.2003, 27.8.2003, 8.10.2003, 29.10.2003 und 19.11.2003 sowie die Bescheide des Beklagten vom 9.11.2002 aufzuheben,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

10

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Die Beigeladene zu 2. beantragt ebenfalls, wie sie schriftsätzlich ausgeführt hat,

die Revision zurückzuweisen.

12

Der Beklagte und die Beigeladenen zu 1., 2., 6., 9. und 10. verteidigen das Urteil des LSG.

13

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers zu 1. ist sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des LSG lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

15

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die neuen Widerspruchsbescheide des Beklagten vom 9.11.2002, mit denen dieser - seine früheren Bescheide gemäß § 96 SGG ersetzend - die Widersprüche gegen die Regressbescheide des Prüfungsausschusses wegen Verordnung autologer Tumorvakzine im Rahmen von ASI-Behandlungen zurückgewiesen, dh die Regressforderungen des Prüfungsausschusses bestätigt hat(zur Anfechtung nur des Widerspruchsbescheids vgl stRspr des BSG, zB BSGE 72, 214, 219 f = SozR 3-1300 § 35 Nr 5 S 10 f; BSGE 74, 59, 60 = SozR 3-2500 § 106 Nr 22 S 118 f). Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide allerdings nur insoweit, als sie sich gegen den Kläger zu 1. gerichtet haben. Der Kläger zu 2. hat das Urteil des LSG nicht angefochten; deshalb sind die Bescheide, soweit sie gegen ihn gerichtet worden sind, bestandskräftig.

16

Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; - zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie - sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden - allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnung(sserie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.

17

2. Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992, BGBl I 2266, die in den Jahren 1998 und 1999 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und MedR 2010, 276, jeweils RdNr 14 mwN). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von Richtgrößenvolumina (aaO Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Nr 2), geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der KKn mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Diese Prüfvereinbarungen (PrüfVen) ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen. Diese waren auch in § 9 Abs 3, § 12 Abs 6 ff der hier einschlägigen PrüfV vorgesehen(vgl zur Nicht-Revisibilität der Feststellung und Auslegung von Landesrecht § 162 SGG, dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode daher rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14).

18

3. Die durchgeführten Einzelfallprüfungen lassen Rechtsfehler nicht erkennen. Weder die vom Kläger erhobenen formellen Rügen (nachfolgend a) noch seine materiellen Beanstandungen (unten b) greifen durch.

19

a) Der Senat folgt nicht der Ansicht des Klägers zu 1., das Prüf- und Regressverfahren hätte hinsichtlich derjenigen Quartale, für welche die Prüfanträge erst nach Ablauf der in der PrüfV normierten Frist gestellt worden seien, nicht durchgeführt werden dürfen. Zwar galt nach § 12 Abs 6 PrüfV(hier zugrunde zu legen in der Fassung vom 24.6.1996) eine Frist von zwölf Monaten nach Quartalsende; innerhalb dieser Frist konnten die KKn die Prüfung der Verordnungsweise nach Einzelfällen beantragen. Aus einer Versäumung dieser Frist kann aber nicht abgeleitet werden, das Prüf- und Regressverfahren dürfe nicht durchgeführt werden.

20

Der Senat hat bereits früher dargelegt, dass solche Fristen nicht zum Schutz des Arztes im Sinne eines Ausschlusses der Verfahrensdurchführung normiert sind, sondern dass sie - auch im Interesse des Arztes - der Verfahrensbeschleunigung dienen, also dem Interesse an effektiver Verfahrensdurchführung (s insbesondere BSG USK 9596 S 526; vgl auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 28 S 159 f zur Zulässigkeit späterer Antragsnachholung). Wird der Antrag zu spät gestellt, so ist damit dem Interesse an einer Verfahrensbeschleunigung nicht Rechnung getragen. Daraus aber ein Hindernis für die Verfahrensdurchführung überhaupt abzuleiten, liefe der Zielrichtung der Regelungen und im Übrigen auch dem hohen Rang des Wirtschaftlichkeitsgebots mit dem daraus folgenden Ziel möglichst effektiver Verhinderung unwirtschaftlicher Behandlungs- oder Verordnungsweise zuwider.

21

Dem Interesse des Vertragsarztes, nicht damit rechnen zu müssen, dass noch nach Jahr und Tag ein Prüf- und Regressverfahren gegen ihn eingeleitet wird, dient eine andere Frist, nämlich die generell für vertragsärztliche Prüf- und Regressverfahren bestehende Vier-Jahres-Frist (zu dieser Frist allgemein zB BSGE 96, 1 = SozR 4-2500 § 85 Nr 22, RdNr 14; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12 ff; BSG MedR 2008, 100, 101 f RdNr 16 ff; vgl jetzt § 106 Abs 2 Satz 7 Halbs 2 SGB V zur Frist von zwei Jahren für Verordnungsregresse wegen Überschreitung von Richtgrößenvolumina). Von dieser Ausschlussfrist und ihrer Funktion unterscheidet sich die Zwölf-Monate-Frist für die Stellung des Prüfantrags mit ihrer Ausrichtung auf Beschleunigung. Würde aus deren Versäumung ein Verfahrenshindernis abgeleitet werden, so würde ihr die Funktion beigemessen, die allein der Vier-Jahres-Frist zukommt.

22

Hat mithin die Nichteinhaltung der Zwölf-Monats-Frist nicht die Wirkung eines Verfahrenshindernisses, so kommt es vorliegend nicht darauf an, ob diese Frist in einem der Regressfälle überschritten wurde. Im Übrigen beginnt sie gemäß § 12 Abs 6 PrüfV jeweils erst ab Quartalsende. Daher wurde sie vorliegend auch ohnehin nur in wenigen Fällen - und jeweils auch nur um wenige Tage - überschritten (Eingang der KK-Anträge für das Quartal II/1998 erst am 12.7.1999 - Fall 2 - und am 20.7.1999 - Fall 1 - und für das Quartal II/1999 erst am 3.7.2000 - Fall 6 -; zu diesen Feststellungen s LSG Niedersachsen-Bremen vom 27.8.2008 - L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 4 bis 9 iVm 37).

23

Soweit der Kläger zu 1. der Ansicht ist, entsprechend dem Grundsatz "Beratung vor Regress" hätte kein Regress, sondern nur eine Beratung erfolgen dürfen, trifft das nicht zu. Für Prüfungen der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise ist eine vorgängige Beratung gemäß § 106 Abs 5 Satz 2 SGB V dann nicht erforderlich, wenn dem Arzt ein Mehraufwand im Ausmaß eines sogenannten offensichtlichen Missverhältnisses anzulasten ist(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 mit Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 296; SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 19; BSG MedR 2004, 577, 578 f). Noch weniger ist eine vorgängige Beratung dann geboten, wenn nicht Unwirtschaftlichkeiten durch einen zu hohen Aufwand, sondern einzelne Fälle gänzlich unzulässiger Verordnungen in Frage stehen, wenn also dem Arzt das Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, ein unzulässiger Off-Label-Use, eine Verordnung entgegen einem Verordnungsausschluss durch die Arzneimittel-Richtlinie (AMRL) oder die Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V angelastet wird, also in Fällen, in denen ein sogenannter Basismangel vorliegt(vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 27 am Ende; - zu solchen Verordnungsregressfällen vgl Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, , jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 53 ff, 56 ff, 71 ff). Dementsprechend ist in der hier einschlägigen PrüfV ausdrücklich geregelt, dass im Falle von Verordnungen unter Verstoß gegen die Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Richtlinien Regressfestsetzungen keine vorherige Beratung voraussetzen (§ 12 Abs 10 iVm Abs 12 PrüfV). Die dem gleichwertige Konstellation des Vorwurfs der Unvereinbarkeit von Verordnungen mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V ist hier gegeben.

24

b) Die vom Kläger zu 1. angefochtenen Verordnungsregresse sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Hinsichtlich der ASI bestand weder eine Leistungspflicht der KKn noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten.

25

Der Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln besteht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 iVm § 31 Abs 1 SGB V. Aus den dabei mit heranzuziehenden § 2 Abs 1 Satz 3 und § 12 Abs 1 SGB V folgt, dass im Rahmen der GKV nur solche Verordnungen zulässig sind, die die Gewähr für Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, jeweils nach Maßgabe des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse, bieten(vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 17 mwN).

26

aa) Für die Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hält die Rechtsordnung zwei Verfahren bereit, zum einen für Arzneimittel die Überprüfung im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung - durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nach §§ 21 ff AMG oder durch die Europäische Arzneimittel-Agentur nach Europäischem Verordnungs- und Richtlinienrecht -, und zum anderen für Behandlungs- und Untersuchungsmethoden die Überprüfung durch den BA - bzw heute G-BA - gemäß § 135 Abs 1 SGB V. Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen grundsätzlich anhand zuverlässiger wissenschaftlich nachprüfbarer Aussagen aufgrund der Beurteilung einer ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen belegt sein; dafür ist in beiden vorgenannten Verfahren die Überprüfung durch Auswertung sogenannter randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien vorgesehen.

27

Soweit diese Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, wie es bei Arzneimitteln die Regel ist, bereits im Rahmen der arzneimittelrechtlichen Zulassung erfolgt, wird eine etwaige zusätzliche Prüfung nach § 135 Abs 1 SGB V als entbehrlich angesehen(vgl zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 19 mwN zur Rspr und zum Streitstand). Bei Arzneimitteln folgt somit im Regelfall aus der Verkehrsfähigkeit zugleich die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV (vgl zu diesem Zusammenhang BSG SozR aaO und MedR aaO, jeweils RdNr 19)

28

bb) Von diesen Grundsätzen sind bei Arzneimitteltherapien allerdings Ausnahmen anerkannt. In den Fällen, in denen die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit nach dem AMG ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erlangt werden kann, fehlt die Grundlage dafür, um von der Verkehrsfähigkeit gemäß dem AMG auf die Verordnungsfähigkeit im Rahmen der GKV schließen zu können.

29

In diesem Sinne hat das BSG zu Fällen aus der ersten Zeit nach der Neuordnung des deutschen Arzneimittelrechts Ende der 70er Jahre ausgesprochen, dass die damalige sogenannte fiktive Zulassung, die übergangsrechtlich bis zur fundierten Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gewährt wurde, nicht für die Annahme der Verordnungsfähigkeit ausreicht (BSG - 1. Senat - BSGE 95, 132 RdNr 18 ff = SozR 4-2500 § 31 Nr 3 RdNr 25 ff; BSG - 1. Senat - BSGE 82, 233, 235 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr 5 S 17 ff; BSG - 6. Senat - SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 21 ff).

30

Dem ist vergleichbar, wenn - wie vorliegend - ein Arzneimittel ohne fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit deshalb nach dem AMG verkehrsfähig ist, weil es sich um ein sogenanntes Rezepturarzneimittel handelt. Bei Rezepturarzneimitteln, dh solchen, die nicht wie Fertigarzneimittel im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden (§ 4 Abs 1 AMG), reicht für die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit eine Herstellungserlaubnis aus (vgl §§ 13 bis 15 iVm § 43 Abs 2 Halbs 2 iVm § 47 AMG); ein Zulassungsverfahren mit Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien ist arzneimittelrechtlich nicht vorgesehen (vgl dazu BSGE 86, 54, 60 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 65 f). Bei solchen Arzneimitteln fehlt es mithin an der fundierten Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit, sodass sie zwar verkehrsfähig gemäß dem AMG sind, aber ohne dass daraus abgeleitet werden könnte, dass sie auch verordnungsfähig sind.

31

cc) Anders wiederum liegt der Fall, wenn das Arzneimittel, das arzneimittelrechtlich keiner Zulassung bedarf, so eingesetzt wird, dass darin zugleich eine auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußende Vorgehensweise der Krankenbehandlung liegt (sogenannte Pharmakotherapie - zur Definition s zB BSGE 86, 54, 58 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63 f; zum Methodenbegriff vgl ferner zB BSG - 6. Senat - zB BSGE 84, 247, 249 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 11 S 50 f; BSG SozR 3-5533 Nr 2449 Nr 2 S 9 f; ebenso BSG - 1. Senat - zB BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 16; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 19 RdNr 14 mwN). Dann liegt eine Behandlungsmethode vor, deren Einsatz im Rahmen der GKV gemäß § 135 Abs 1 SGB V eine positive Empfehlung durch den BA bzw G-BA erfordert. In solchen Fällen ist zwar arzneimittelrechtlich keine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit vorgesehen; da aber eine Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V vorliegt, ist das Arzneimittel bzw die dieses einschließende Behandlungsmethode im Verfahren gemäß § 135 Abs 1 SGB V zu überprüfen(BSGE 86, 54, 58, 59 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 63, 65; vgl auch zB BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 12 S 55 f). Falls die in diesem Verfahren stattfindende Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand randomisierter, doppelblind durchgeführter und placebokontrollierter Studien zu einer positiven Empfehlung des BA bzw G-BA führt, ist das Arzneimittel dann auch verordnungsfähig. Kommt es demgegenüber zur Zuordnung zu den nicht anerkannten Behandlungsmethoden, so darf eine Therapie mit diesem Arzneimittel nicht erfolgen; dieses ist nicht verordnungsfähig.

32

Differenziert sind die Fälle zu beurteilen, in denen das Arzneimittel im Rahmen einer Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs 1 SGB V eingesetzt werden soll, aber - wie im vorliegenden Fall - im Behandlungszeitpunkt die nach dieser Bestimmung notwendige Überprüfung durch den BA bzw G-BA noch nicht zu einem Ergebnis geführt hat(zur Maßgeblichkeit des Behandlungszeitpunkts s zB BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 69 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 12 ff; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 15 f). Dann ist zu prüfen, ob die Vorenthaltung des Einsatzes in der GKV noch gerechtfertigt ist, ob nämlich die Dauer des Verfahrens noch rechtens ist oder ob die Durchführung des Verfahrens aus sachfremden Gründen verzögert wurde; in letzterem Fall ist weiter zu prüfen, ob die Behandlungsmethode als dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechend bewertet werden kann und deshalb ungeachtet des Noch-Nicht-Vorliegens einer positiven Empfehlung für die GKV freigegeben werden kann (BSGE 86, 54, 60 ff, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66 ff, 69 ff; BSGE 94, 221 RdNr 23 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 24). Bei der ersatzweise gerichtlicherseits vorzunehmenden Bewertung sind die Belege zu würdigen, die im Behandlungszeitpunkt für eine Wirksamkeit sprechen konnten. Dabei sind für eine Wirksamkeitsanerkennung grundsätzlich wissenschaftlich einwandfrei geführte Statistiken zu fordern. Im Falle von Krankheiten allerdings, bei denen Entstehung und Verlauf ungeklärt sind, sodass Therapien nur bei Symptomen ansetzen können, und daher die Forderung von Wirksamkeitsbelegen den Anspruch auf umfassende Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs 1 SGB V und die damit korrespondierende Behandlungspflicht des Vertragsarztes unmöglich machen würde(vgl zu diesem Ansatz BSGE 86, 54, 60 f = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 66), reicht es ersatzweise aus, wenn sich die in Anspruch genommene Therapie in der medizinischen Praxis und/oder in der medizinischen Fachdiskussion durchgesetzt hat (BSG aaO S 62 bzw S 67 f; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8 RdNr 37; vgl auch BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 5 RdNr 25 ff, 29) bzw - in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen - eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung bzw auf eine positive Einwirkung auf den weiteren Krankheitsverlauf gegeben ist (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33).

33

Auch in Fällen lebensbedrohlicher oder im Regelfall tödlich verlaufender Erkrankungen sind aber weitere einschränkende Voraussetzungen zu beachten. Zwar ergeben sich aus der Entscheidung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 49 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 33 f) und dem von diesem herangezogenen Sozialstaatsprinzip sowie aus der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht des Staates einerseits Abschwächungen zugunsten der Versicherten (vgl hierzu BVerfGE aaO S 41 ff, 44 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 17 ff, 24 ff; BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 24 ff). Andererseits besteht aber auch eine Schutzpflicht in der Weise, dass der Staat den Versicherten davor zu bewahren hat, mit zweifelhaften Therapien behandelt zu werden. Dem dient das Erfordernis fundierter Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit. Dies darf nicht durch eine vermeintlich großzügige Gestattung der Versorgung mit Arzneimitteln unterlaufen und umgangen werden (vgl BSG aaO RdNr 25 iVm 35). Dementsprechend darf eine Pharmakotherapie, bei der eine fundierte Überprüfung von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nicht stattgefunden hat, im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur eingesetzt werden, wenn der Wirksamkeitszusammenhang, der dieser Arzneimitteltherapie zugeschrieben wird, wenigstens in gewissem Umfang belegt werden kann. Fehlen höherwertige Studien, so können als Beleg auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Berichte von Expertenkomitees, Konsensuskonferenzen und Einzelfallberichte in Betracht kommen (vgl Nr 8.2 unter III der NUB-RL; vgl ebenso BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 40 am Ende). Insgesamt müssen - auch bei lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen - erhebliche ernsthafte Hinweise auf einen jedenfalls individuellen Wirkungszusammenhang vorliegen (BSG aaO RdNr 47). Dabei kommt auch der fachlichen Einschätzung durch den behandelnden Arzt Bedeutung zu (vgl BVerfGE aaO S 50 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5, RdNr 35 am Ende und BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende).

34

dd) Bei Anwendung dieser Maßstäbe auf die vorliegend zu beurteilenden Verordnungen ergibt sich, dass die vom Kläger zu 1. durchgeführten ASI-Verfahren in der GKV nicht zulässig waren. Die autologen Tumorvakzine wurden im Rahmen einer gemäß § 135 Abs 1 SGB V anerkennungsbedürftigen Behandlungsmethode verordnet, wie das BSG bereits in seiner früheren Entscheidung vom 28.3.2000 ausgeführt hat (BSGE 86, 54, 57 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 62). In dem Zeitpunkt, als der Kläger zu 1. bzw die Gemeinschaftspraxis die Verordnungen vornahm (1998/1999), war das Verfahren der ASI gemäß § 135 Abs 1 SGB V noch beim BA anhängig (dieser gab erst am 10.4.2000 eine - negative - Empfehlung ab, s BAnz Nr 137 vom 25.7.2000 S 14470 = DÄ 2000, C 1828), sodass also der Fall fehlender Entscheidung des BA bzw G-BA gemäß § 135 Abs 1 SGB V vorlag.

35

Zu der Frage, ob das Verfahren beim BA im Sinne der in RdNr 32 angesprochenen ersten Voraussetzung zu lange dauerte, braucht vorliegend nicht Stellung genommen zu werden. Denn es fehlen jedenfalls die weiteren Voraussetzungen für eine Akzeptanz der Anwendung dieser Therapiemethode: Ausgehend davon, dass die betroffenen Patienten hier an lebensbedrohlichen oder im Regelfall tödlich verlaufenden Erkrankungen litten (vgl BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 17 betreffend Darmkrebs), bedürfte es wenigstens ausreichender Belege im Sinne erheblicher ernsthafter Hinweise auf einen individuellen Wirkungszusammenhang (s oben RdNr 33 am Ende). Daran fehlt es.

36

Nach den Feststellungen im Berufungsurteil (L 3 KA 484/03 - Juris RdNr 45) gab es zwar Phase-III-Studien, diesen konnte aber keine Aussagekraft für die vom Kläger zu 1. verordneten Tumorvakzine der Firma macropharm entnommen werden. Denn die Tumorvakzine unterschieden sich nach den vorinstanzlichen Feststellungen schon in der Herstellungsweise der verschiedenen Herstellerfirmen. Diese hatten unterschiedliche Anwendungs- und Verarbeitungsmethoden. Zudem erfolgte die Herstellung jeweils speziell für den jeweiligen Versicherten, sodass sie auch untereinander verschieden waren und individueller Beurteilung bedurften (vgl LSG aaO RdNr 44). Tauglich könnte insoweit lediglich die von der Firma macropharm veröffentlichte Studie von R. sein; diese wies aber nach den Feststellungen im Berufungsurteil (aaO RdNr 45) und auch nach der Wertung des BSG in seinem früheren Urteil (BSGE 86, 54, 64 = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70) methodische Unzulänglichkeiten auf.

37

Auch hatte sich die ASI mit autologen Tumorvakzinen nicht etwa schon in der medizinischen Praxis durchgesetzt. Diese Behauptung hat das Berufungsgericht als nicht ausreichend belegt bezeichnet (LSG aaO RdNr 48 bis 51). Die dazu vom Kläger zu 1. erhobene Verfahrensrüge, das LSG habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt, greift nicht durch. Die Rüge unzureichender Aufklärung des LSG erfordert im Falle eines Klägers, der bereits dort anwaltlich vertreten gewesen ist, die Darlegung, dass sich dem LSG auf der Grundlage des Vorbringens des Klägers weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen (vgl zB BVerwGE 131, 186, 189 RdNr 13; s auch zB BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr 15, RdNr 24 bis 26). In der Revisionsbegründung wird indessen nicht aufgezeigt, aufgrund welcher konkreten Darlegungen des Klägers zu 1. im LSG-Verfahren sich dem LSG weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Mit seinen Ausführungen, entgegen der Auffassung des LSG hätten die vorliegenden Phase-III-Studien durchaus Aussagekraft für die von ihm zum Einsatz gebrachten Tumorvakzine der Firma macropharm, setzt der Kläger zu 1. dem LSG lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegen. Er müsste aber konkrete Ansatzpunkte für Möglichkeiten des LSG zu weitergehender Aufklärung benennen und darlegen, dass er auf diese schon im LSG-Verfahren hingewiesen habe. Dies ist der Revisionsbegründung so nicht zu entnehmen.

38

Zu diesem Fragenkomplex hat es keines Hinweises des LSG bedurft - wie der Kläger zu 1. geltend macht -. Denn dieser Streitpunkt lag schon während des gesamten Verfahrens zu Tage (s dazu auch schon BSGE 86, 54, 64 ff = SozR 3-2500 § 135 Nr 14 S 70 ff). Zudem hat bei ihm, da er bereits im Berufungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen ist, vorausgesetzt werden können, dass er die Anforderungen kennt, die erfüllt sein müssen, damit das Gericht Anlass zu weiterer Aufklärung hat.

39

Bei den hier betroffenen Behandlungsfällen fehlt zudem eine weitere Voraussetzung, die für die Anerkennung ärztlich sachgerechten Vorgehens erforderlich wäre: Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Verordnungen zweifelhafter Art muss eine ausreichend substantiierte fachliche Einschätzung durch den verordnenden Arzt selbst erkennbar sein (vgl hierzu BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 47 am Ende und 50); dafür ist auch eine entsprechende therapiebegleitende Kontrolle und Dokumentation durch den behandelnden Arzt erforderlich (vgl dazu BSG aaO RdNr 50 f; s auch BSG SozR 3-5550 § 17 Nr 2 S 8). Indessen lag nach den Feststellungen im Urteil des LSG die Behandlung vor allem in den Händen des Dr. N., der im Auftrag der Firma macropharm die autologen Tumorvakzine herstellte und bearbeitete sowie die ASI bei den Patienten im Wesentlichen durchführte (LSG aaO RdNr 46). Wie im Urteil des LSG festgestellt ist, fertigten der Kläger zu 1. bzw der Partner der damaligen Gemeinschaftspraxis lediglich nachträglich kurze Zusammenfassungen an (LSG aaO RdNr 46).

40

Diese Feststellungen des LSG sind nach alledem tragfähig. Dem LSG fallen keine Verfahrensmängel zur Last. Abgesehen davon, dass die erhobenen Aufklärungsrügen nicht durchgreifen, sind auch keine Verstöße gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich. Insbesondere liegen keine ausreichenden Umstände für die Annahme einer unzulässigen Überraschungsentscheidung vor. Dass das LSG, ohne dass dies voraussehbar gewesen wäre, strengere Anforderungen gestellt hätte als die bisherige BSG-Rechtsprechung, kann bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nicht anerkannt werden (vgl zB zu vorgenannten Dokumentationsanforderungen: BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 50 f). Der Kläger zu 1. hat das auch nicht in ausreichend substantiierter Weise geltend gemacht.

41

ee) Waren mithin die autologen Tumorvakzine nicht verordnungsfähig, so war Unwirtschaftlichkeit gegeben (zu dieser Gleichsetzung s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 25 mwN). Bei unwirtschaftlicher Verordnungsweise ist die Festsetzung eines Regresses grundsätzlich berechtigt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt vorliegend nicht in Betracht.

42

(1) Ohne Erfolg ist der Einwand des Klägers, ihm könne kein Verschulden oder höchstens vermindertes Verschulden angelastet werden und deshalb sei entweder ein Regress ganz ausgeschlossen oder dieser müsse jedenfalls erheblich herabgesetzt werden. Nach der Rechtsprechung des BSG setzen Honorarkürzungen oder Verordnungsregresse gemäß § 106 SGB V kein Verschulden des Vertragsarztes voraus(zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 28 mwN, im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 18; BSG MedR 2004, 577, 578) .

43

Bei Verordnungsregressen der hier vorliegenden Art ist auch kein Raum für eine Ermessensausübung. Bei Regressen, denen unzulässige Verordnungen zugrunde liegen, wie dies beim Fehlen der Arzneimittelzulassung des verordneten Medikaments, bei einem unzulässigen Off-Label-Use, bei Verordnung entgegen einem AMRL-Verordnungsausschluss oder bei Unvereinbarkeit einer Verordnung mit den Vorgaben des § 135 Abs 1 SGB V der Fall ist, kann eine Unwirtschaftlichkeit nur bejaht oder verneint werden(sogenannter Basismangel, vgl oben RdNr 23, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29). Mit dem Regress lediglich einen Teil der Unwirtschaftlichkeit abzuschöpfen, kann nur in anders gelagerten Fällen in Betracht kommen, zB im Rahmen eines Regresses aufgrund einer sogenannten Durchschnittsprüfung bei insgesamt deutlich höherem Verordnungsvolumen als im Durchschnitt der Arztgruppe und/oder bei einer Anfängerpraxis, evtl auch bei der Belassung von Restüberschreitungen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30 am Ende; vgl weiterhin BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 29 mit Hinweis auf die Fallgruppe "Anfängerpraxis", hierzu s zB Clemens in Schlegel/Voelzke/Engelmann, jurisPraxisKommentar SGB V, 2008, § 106 RdNr 145-147 mwN). Bei Rezepturarzneimitteln, die nicht von Apotheken bezogen werden, ist im Übrigen nicht einmal Raum für einen Abzug von Apothekenrabatt und/oder Patienteneigenanteilen (vgl hierzu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 269 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 32; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 33). Dementsprechend ist in solchen Fällen die Höhe des Regresses dahingehend vorgezeichnet, dass vom Arzt Ersatz der vollen Kosten zu fordern ist. Raum für eine Regressermäßigung aufgrund einer Ermessensentscheidung besteht nicht.

44

(2) Zu Unrecht beruft sich der Kläger weiterhin darauf, dass er jedenfalls vor dem Hintergrund des Schreibens des BA vom 7.6.1999 auf die Zulässigkeit der ASI habe vertrauen dürfen. Ein Vertrauen könnte insoweit ohnehin allenfalls für diejenigen Verordnungen in Betracht gezogen werden, die der Kläger zu 1. nach Bekanntwerden des BA-Schreibens tätigte (also für seine Verordnungen im Quartal IV/1999). Indessen begründet das Schreiben bereits von seinem Inhalt her keinen Vertrauensschutz. Denn der BA hat ausdrücklich mitgeteilt, dass der Behandlungsansatz (die Verordnung autologer Tumorvakzine) "bisher ohne abschließendes Ergebnis" von dem dem BA zuarbeitenden Arbeitsausschuss bearbeitet worden sei und dass daher "eine verbindliche Auskunft … zum jetzigen Zeitpunkt nicht gemacht" werden könne. Da das Schreiben somit schon aufgrund seines "offenen Inhalts" für eine Vertrauensbegründung nicht ausreichen kann, bedarf es keiner Erörterung, ob der vom Kläger zu 1. geltend gemachten rechtlichen Bedeutung auch entgegensteht, dass das Schreiben des BA nicht an ihn selbst gerichtet war und dass es nicht die dem BA durch § 135 Abs 1 SGB V vorgegebene Handlungsform "Richtlinie" aufwies. Ist das Schreiben des BA vom 7.6.1999 mithin für den vorliegenden Fall rechtlich irrelevant, so fehlt der vom Kläger zu 1. erhobenen Verfahrensrüge, das LSG hätte es nicht ausreichend berücksichtigt, die Grundlage.

45

Ein Vertrauenstatbestand kann auch nicht darauf gestützt werden, dass in der Regel aus der arzneirechtlichen Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels dessen Verordnungsfähigkeit folgt. Denn dies betrifft nur den Regelfall von Fertigarzneimitteln, für deren Verkehrsfähigkeit das Zulassungsverfahren mit fundierter Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchlaufen werden muss, während hier der besondere Fall eines Rezepturarzneimittels zu beurteilen ist. Dass insoweit keine Überprüfung nach dem AMG und typischerweise auch keine dem nahekommende Überprüfung stattgefunden hat, kann bei Ärzten als bekannt vorausgesetzt werden (zur ärztlichen Sachkunde vgl BSGE 103, 1 = SozR 4-2500 § 106a Nr 7, RdNr 24 mit Hinweis auf zB BSGE 96, 1= SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 34). Von daher bedürfte es besonderer Umstände, um annehmen zu können, der Arzt habe auf die Verordnungsfähigkeit vertrauen dürfen. Hierfür fehlt es an den ausreichenden Anhaltspunkten. Den vom Kläger zu 1. angeführten Gerichtsentscheidungen stehen gegenläufige Entscheidungen gegenüber, in denen die Verordnungsfähigkeit autologer Tumorvakzine verneint wurde (s die Angaben im Bescheid des Beklagten vom 9.11.2002 S 4; vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und BSG MedR 2010, 276, jeweils RdNr 30).

46

(3) Ohne Erfolg wendet der Kläger zu 1. ferner ein, er habe sich in schwierigen Konfliktsituationen bei lebensbedrohlichen Erkrankungen dafür entschieden, eine Behandlung durchzuführen, die immerhin von manchen Medizinern und Gerichten gebilligt worden sei, und deshalb sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) ein Regress ausgeschlossen. Dabei ist schon zweifelhaft, inwieweit nach der vom Beklagten und von den Vorinstanzen vorgenommenen umfänglichen Prüfung überhaupt noch Raum für eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sein kann. Selbst wenn hierfür Raum wäre, könnte dies nicht zu einem Erfolg für den Kläger zu 1. führen. Denn mit den autologen Tumorvakzinen sind Arzneimittel betroffen, bei denen sich Zweifel an der Verordnungsfähigkeit aufdrängen mussten: Eine fundierte Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit in einem Zulassungsverfahren hatte - da Rezepturarzneimittel - erkennbar nicht stattgefunden, eine Empfehlung des BA gab es nicht, und die Studienlage konnte nicht ohne Weiteres als tragfähig angesehen werden (vgl oben RdNr 34 ff). Nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits - und daher offenzulassen - ist die Frage, ob bzw unter welchen Voraussetzungen ein Arzt, der von einem pharmazeutischen Hersteller zur Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel veranlasst bzw verleitet wird und Regress an die vertragsärztlichen Institutionen leisten muss, Rückgriff gegen den Hersteller nehmen kann.

47

Im Rahmen von Regressen in der GKV ist auch kein Raum für die Berücksichtigung des Gesichtspunktes, dass bei Nicht-Durchführung dieser Arzneimitteltherapie Kosten für andere Behandlungsarten angefallen wären - sogenannte Vorteilsausgleichung - (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14 mwN; BSGE 96, 99 = SozR 4-5520 § 33 Nr 6, RdNr 11 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115b Nr 2 RdNr 21).

48

c) Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des Klägers zu 1. entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen der §§ 106, 135 Abs 1 SGB V geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger zu 1. nicht unverhältnismäßig (vgl oben RdNr 46).

49

4. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des Klägers zu 1. auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das LSG ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger zu 1. ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

50

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1.1.2002 geltenden - im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Stichtag hier noch anwendbaren - Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.