Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 06. Mai 2019 - L 7 R 5178/17

bei uns veröffentlicht am06.05.2019
vorgehend
Sozialgericht München, S 47 R 3385/16, 17.10.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Der Antrag des Klägers zu 1), "den Gegenstandswert festzusetzen", wird abgelehnt.

Gründe

I.

Im Ausgangsverfahren beantragten die Kläger die Aufhebung der im Wesentlichen gleichlautenden Bescheide der Beklagten vom 07.07.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.11.2016, mit denen die Beklagte im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens festgestellt hat, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit im Bereich Schulungen für ein Softwareprodukt für die Klägerin zu 2) vom 01.01.2016 bis 31.12.2016 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand und demgemäß der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 17.10.2017 die Anfechtungsklagen hiergegen sowie die Feststellungsklagen, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe, ab, und stützte dabei seine Kostenentscheidung auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gegen das Urteil legten sowohl der Kläger zu 1) als auch die Klägerin zu 2) Berufung beim Bayer. Landessozialgericht ein.

Mit Schreiben vom 20.11.2018 gab die Beklagte ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass der Kläger zu 1) bei seiner Tätigkeit für die Klägerin zu 2) nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand. Versicherungsfreiheit werde dementsprechend noch durch Bescheid festgestellt. Die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten würden auf Antrag in voller Höhe übernommen. Sowohl der Klägerin zu 1) als auch die Klägerin zu 2) nahmen das Anerkenntnis der Beklagten an.

In der Folge stellte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) auf den Standpunkt, dass es sich in beiden Instanzen um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG gehandelt habe und deshalb ein Streitwert bzw. Gegenstandswert festgesetzt werden müsse.

Auf richterlichen Hinweis, dass es sich um ein Verfahren nach § 193 SGG ebenso wie in den ersten Instanzen auch in der Berufungsinstanz handele, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers zu 1) mit Schreiben vom 17.04.2019 „nochmals“, „den Gegenstandswert festzusetzen“. Weder der Kläger zu 1) noch die Klägerin zu 2) seien privilegiert im Sinne des § 183 SGG gewesen. Der Kläger zu 1) sei selbständiger Unternehmer und damit weder Versicherter noch Leistungsempfänger. Da auch die Klägerin zu 2) als Unternehmerin nicht privilegiert sei, käme § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG zur Anwendung und der Grundsatz der Kosteneinheitlichkeit sei schon aus diesem Grund hier nicht entscheidungsrelevant.

II.

Der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1), „den Gegenstandswert festzusetzen“ bleibt ohne Erfolg, da für das Klagesowie das Berufungsverfahren weder ein Streit- noch ein Gegenstandswert festzusetzen ist.

1. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen.

Soweit der Kläger zu 1) geltend macht, es handele sich um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a SGG, ist der Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) dahingehend auszulegen, dass dieser eine Festsetzung des Streitwertes durch Beschluss für die erste und zweite Instanz begehrt.

Dieser Antrag auf Streitwertfestsetzung ist abzulehnen, weil weder das erstinstanzliche Klageverfahren noch das Berufungsverfahren gerichtskostenpflichtig waren und demgemäß kein Streitwert festzusetzen ist. Die Festsetzung eines Streitwerts erfolgt nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) nur dann, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.

Im vorliegenden Fall ist der Kläger zu 1) „Versicherter“ im Sinne von § 183 Satz 1 SGG und damit kostenprivilegiert. Denn es ist über seinen Status als Versicherter gestritten worden (BSG Urteil vom 05.10.2006, B 10 LW 5/05 R; vgl. auch LSG NRW Beschluss vom 24.03.2011, L 8 R 1107/10 B ausdrücklich für das Statusfeststellungsverfahren). Unabhängig vom Ausgang eines Verfahrens um die Frage einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit ist ein Betroffener, über dessen Status die Rentenversicherung entschieden hat, im gerichtlichen Verfahren als Versicherter anzusehen und damit kostenprivilegiert nach § 183 SGG (LSG NRW aaO Rz 6, vgl. insoweit auch die Kostenentscheidung des BSG im Urteil vom 30.10.2013, B 12 KR 15/11 R Rz 43 hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 193 SGG in einem Verfahren betreffend die Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit).

Die für den Kläger zu 1) demnach bestehende Gerichtskostenfreiheit erstreckt sich wegen der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch auf die an und für sich kostenpflichtige Klägerin zu 2) (vgl LSG NRW aaO Rz. 7, BSG Urteil vom 26.09.2006, B 1 KR 1/06 R). Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn eine objektive Klagehäufung verschiedener, voneinander zu trennender Streitgegenstände vorliegt (LSG NRW aaO Rz 7). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Auch wenn die Anfechtungsklagen sich gegen formal selbständige Bescheide richten, konnte hierüber wegen der Identität der Verfügungssätze dieser Bescheide nur einheitlich entschieden werden; erst recht hatten die Feststellungsanträge der Kläger denselben Streitgegenstand (vgl. LSG NRW aaO Rz 7).

Sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren waren der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) aktive Partei (vgl. insoweit auch BSG Beschluss vom 28.05.2015 B 11 AL 5/15 B) mit der Folge, dass die Kostenentscheidung auch nicht nach Instanzen getrennt (vgl. BSG Beschluss vom 29.05.2006, B 2 U 391/05 R) zu ergehen hatte, sondern in beiden Instanzen einheitlich § 193 SGG zur Anwendung kommt.

2. Ein Gegenstandswert ist nicht festzusetzen.

Da das Verfahren insgesamt gerichtskostenfrei ist, kommt auch eine Festsetzung des Gegenstandswerts für die anwaltliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu 1) gemäß § 33 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht in Betracht.

Denn in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das GKG nicht anzuwenden ist, entstehen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Beitragsrahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten (vgl. § 14 RVG). Gesichtspunkte, die in Abweichung von diesem Grundsatz die Festsetzung eines Gegenstandswerts erlauben würden (vgl. etwa BSG Urteil vom 19.10.2016, B 14 AS 50/15 R, LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 26.04.2018, L 5 KA 17/18 B) sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 197a


(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


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(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermöge

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Tenor Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Tenor

Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen.

Der Beigeladene hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Die Klägerin wird von der Beklagten zu Auskünften über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse herangezogen, weil der Beigeladene noch Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 2.12.2002 bis 31.12.2004 erhebt und er mit der Klägerin während dieser Zeit in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt haben soll. Die Klägerin und der Beigeladene sind inzwischen verheiratet. In einem früheren Rechtsstreit war die Ablehnung der Bewilligung von Alhi durch die Beklagte aufgehoben worden, weil der Beigeladene keine Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin habe erteilen können.

2

Daraufhin zog die Beklagte die Klägerin nach Maßgabe des § 315 Abs 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) zu Auskünften heran. Die hiergegen erhobene Klage, zu der der Beschwerdeführer als möglicher Partner der eheähnlichen Gemeinschaft beigeladen worden war, wurde abgewiesen. Die Berufungen der Klägerin und des Beigeladenen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 16.12.2014). Das LSG hat eine Auskunftspflicht der Klägerin bejaht, weil aufgrund von Indizien feststehe, dass zwischen Ihr und dem Beigeladenen im fraglichen Zeitraum eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe.

3

Hiergegen wendet sich der Beigeladene mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er rügt, das LSG hätte aufgrund der von ihm herangezogenen Indizien nicht zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass zwischen ihm und der Klägerin eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden habe. Es stellten sich folgende Fragen grundsätzlicher Bedeutung:

        

"...ob die vom LSG herangezogenen Indizien überhaupt geeignet sind, das Vorliegen einer 'eheähnlichen Gemeinschaft' zu belegen…,

        
        

…wann davon ausgegangen werden kann, dass von den Beteiligten erwartet werden kann, dass sie gegenseitig füreinander einstehen,

        
        

…ob ein gegenseitiges Einstehen bei der Hoffnung eines Beteiligten auf Herstellung einer eheähnlichen Gemeinschaft anzunehmen ist, ´der darüber hinausgehend Darlehen ausreicht´…"

        
4

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz) ist nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen.

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Frage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher "anhand des anwendbaren Rechts" sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (Bundessozialgericht , Beschluss vom 3.3.2014 - B 10 LW 16/13 B - RdNr 8 mwN).

6

Der Beigeladene rügt allerdings - abgesehen von der Unverständlichkeit der dritten Frage - letztlich nur die Art und Weise, wie das LSG Indizien verwertet hat. Damit wendet er sich in der Sache gegen die Beweiswürdigung des LSG, die gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nicht Gegenstand des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde sein kann. Die Richtigkeit der Entscheidung selbst kann ebenfalls kein Gegenstand der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision sein. Außerdem fehlt die Darlegung der Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit); denn der Streitgegenstand ist nicht geschildert.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Zwar könnte der Beschluss des BSG (vom 29.5.2006 - B 2 U 391/05 B - SozR 4-1500 § 193 Nr 3)darauf hindeuten, dass für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG zu treffen ist, weil der Beigeladene Beschwerdeführer ist und die (eigentliche) Klägerin keine Anträge gestellt hat. Anders als in dem dortigen Verfahren, in dem ein Haftpflichtversicherer die Beschwerde geführt hatte, ist der Beschwerdeführer zu diesem Rechtsstreit beigeladen worden, weil er noch Anspruch auf Alhi für zurückliegende Zeiträume erhebt und zu klären ist, ob die Klägerin als damalige mögliche Partnerin einer eheähnlichen Gemeinschaft zur Klärung der Bedürftigkeit des Beschwerdeführers auskunftspflichtig ist. Die Beiladung steht deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit dem vom Beschwerdeführer verfolgten Leistungsanspruch, sodass er zu dem nach § 183 Satz 1 SGG privilegierten Personenkreis gehört.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Betragsrahmengebühren. In sonstigen Verfahren werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet, wenn der Auftraggeber nicht zu den in § 183 des Sozialgerichtsgesetzes genannten Personen gehört; im Verfahren nach § 201 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes werden die Gebühren immer nach dem Gegenstandswert berechnet. In Verfahren wegen überlanger Gerichtsverfahren (§ 202 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes) werden die Gebühren nach dem Gegenstandswert berechnet.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für eine Tätigkeit außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens.

(1) Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

(3) Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. September 2015 und des Sozialgerichts Cottbus vom 24. September 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Verpflichtung des beklagten Jobcenters zur Festsetzung der Kosten eines zum Teil erfolgreichen Widerspruchsverfahrens vor Abschluss des in der Hauptsache wegen des anderen Teils anhängigen Klageverfahrens.

2

In einem von dem anwaltlich vertretenen Kläger geführten Widerspruchsverfahren gegen einen Bescheid nach dem SGB II, der eine Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 12,21 Euro forderte, gab der Beklagte dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4.7.2012 - W 1826/12 - überwiegend statt und reduzierte den Erstattungsbetrag auf 2,21 Euro. Zugleich verfügte er, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen in Höhe von 82 von Hundert (vH) auf Antrag erstattet würden und die Zuziehung des Bevollmächtigten notwendig gewesen sei.

3

Gegen die Verpflichtung zur Erstattung der 2,21 Euro erhob der Kläger Klage beim SG Cottbus (Az: S 40 AS 4191/12). Das Verfahren wurde vom SG zum Ruhen gebracht.

4

Parallel zu diesem Klageverfahren wandte sich der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 14.7.2012 an den Beklagten und beantragte die Festsetzung und Auszahlung der Kosten des Widerspruchsverfahrens - W 1826/12 - in Höhe von 309,40 Euro. Diesen Antrag lehnte der Beklagte als unzulässig ab (Bescheid vom 1.11.2012, Widerspruchsbescheid vom 12.2.2013).

5

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide verurteilt, an den Kläger Kosten des Vorverfahrens in Höhe der zuletzt nur noch beantragten 253,70 Euro zu zahlen (Urteil vom 24.9.2013). Die vom SG zugelassene und vom Beklagten eingelegte Berufung hat das LSG Berlin-Brandenburg zurückgewiesen (Urteil vom 9.9.2015). Die Kostenentscheidung des Beklagten in dessen Widerspruchsbescheid vom 4.7.2012 - W 1862/12 - stelle einen den Kläger teilweise begünstigenden Verwaltungsakt dar, der hinsichtlich des zusprechenden Teils bestandskräftig und damit gemäß § 77 SGG bindend geworden sei. Die begünstigende Kostengrundentscheidung des Beklagten sei ebenso wenig Gegenstand des Klageverfahrens vor dem SG - S 40 AS 4191/12 - geworden wie die begünstigende Sachentscheidung. § 63 SGB X bleibe daher in vollem Umfang anwendbar. Dem stehe auch nicht die bisherige Rechtsprechung des BSG entgegen, wonach § 63 SGB X nicht mehr zur Anwendung komme, wenn sich an ein Vorverfahren ein Klageverfahren anschließe. Die Entscheidungen des BSG hätten nicht den Fall betroffen, in dem eine (teilweise) begünstigende Entscheidung der Behörde über die Kosten des Verfahrens bereits vorliege.

6

In seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 193 SGG. In Fällen, in denen sich an ein Widerspruchsverfahren ein Klageverfahren anschließe, werde § 63 SGB X durch § 193 SGG verdrängt und die Behörde sei für die Kostenfestsetzung nicht mehr zuständig. Vielmehr würden die Kosten - einschließlich der des Vorverfahrens - im Rahmen des § 193 SGG durch das Gericht festgesetzt.

7

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. September 2015 und des Sozialgerichts Cottbus vom 24. September 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 9.9.2015 und des SG Cottbus vom 24.9.2013 sind aufzuheben, und die Klage ist abzuweisen. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten des Widerspruchsverfahrens - W 1826/12 - festzusetzen.

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid des Beklagten vom 1.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.2.2013 sowie der darin als unzulässig verworfene Kostenfestsetzungsantrag des Klägers hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens - W 1826/12 -.

11

2. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Der Kläger verfolgt den von ihm geltend gemachten und von dem Beklagten abgelehnten Anspruch auf Festsetzung der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG).

12

3. Als Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Kostenfestsetzung durch den Beklagten kommt allein § 63 Abs 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB X in Betracht. Nach dieser Vorschrift setzt die Behörde, die die Kosten(grund)entscheidung getroffen hat, auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest.

13

Die Klage ist abzuweisen, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht mehr vorliegen, weil eine Kostengrundentscheidung des Beklagten nicht mehr existiert. Die im Widerspruchsbescheid vom 4.7.2012 enthaltene Kostengrundentscheidung, wonach der Beklagte dem Kläger 82 vH der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen auf Antrag erstatten werde, hat sich aufgrund der Klageerhebung gegen den Widerspruchsbescheid auf sonstige Weise gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt.

14

Denn Rechtsgrundlage für die Kostengrundentscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 4.7.2012 war § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist.

15

§ 63 Abs 1 Satz 1 SGB X gilt jedoch nur für isolierte Vorverfahren, also für solche, an die sich in der Hauptsache kein gerichtliches Verfahren anschließt und die daher von Vorverfahren, an die sich ein gerichtliches Verfahren in der Hauptsache anschließt, zu unterscheiden sind(stRspr vgl BSG Urteil vom 20.4.1983 - 5a RKn 1/82 - BSGE 55, 92 = SozR 1300 § 63 Nr 1; BSG Urteil vom 30.6.2004 - B 6 KA 34/03 R - BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11, RdNr 27; BSG Urteil vom 25.2.2010 - B 11 AL 24/08 R - BSGE 106, 21 = SozR 4-1300 § 63 Nr 12, RdNr 15). Für Kostengrundentscheidungen in Widerspruchsbescheiden gegen die - sei es auch nur wegen eines Teils ihres Verfahrensgegenstandes - Klage erhoben wird, gilt § 63 SGB X nicht. Demgemäß steht eine solche Kostengrundentscheidung in einem Widerspruchsbescheid wie bei einer Bedingung (vgl § 32 Abs 2 Nr 2 SGB X) unter dem Vorbehalt, dass gegen den Widerspruchsbescheid keine Klage in der Hauptsache erhoben wird. Wird eine solche Klage erhoben, tritt die Bedingung ein und die Kostengrundentscheidung erledigt sich auf sonstige Weise nach § 39 Abs 2 SGB X.

16

Diese Beschränkung des § 63 SGB X auf isolierte Vorverfahren ergibt sich aus dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des § 63 SGB X(dazu 4.), außerdem aus systematischen Zusammenhängen mit § 193 SGG(dazu 5.), dem RVG sowie dem ua ihm zugrundeliegenden Grundsatz der Kosteneinheit (dazu 6.) und schließlich dem einheitlichen Kostenfestsetzungsverfahren durch den Urkundsbeamten des SG (dazu 7.); etwaige Mängel der Praxis stehen dem nicht entgegen (dazu 8.).

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4. Der Sinn und Zweck des § 63 SGB X - nur die Kostenerstattung für isolierte Vorverfahren zu regeln - wird deutlich an der Rechtslage vor Einführung des § 63 SGB X durch das neu geschaffene SGB X mit Gesetz vom 18.8.1980 (BGBl I 1469). Zuvor hatte das BSG entschieden, dass die Kosten eines isoliert gebliebenen Vorverfahrens nicht erstattungsfähig seien, weil eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden sei (BSG Urteil vom 21.1.1966 - 6 RKa 13/65 - BSGE 24, 207, 208 f). Die Kosten eines Vorverfahrens, an das sich ein gerichtliches Verfahren anschloss, waren dagegen nach der Rechtsprechung des BSG im Rahmen des § 193 SGG erstattungsfähig(BSG Beschluss vom 24.8.1976 - 12/1 RA 105/75 - SozR 1500 § 193 Nr 3 S 2). Die Aufnahme des § 63 SGB X in das SGB X - Verwaltungsverfahren - diente demnach nur dazu, die bislang fehlende Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten eines isolierten Vorverfahrens zu schaffen.

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Dieses Verständnis wird durch die Begründung des Gesetzentwurfs bestärkt. Nach dieser entspricht § 63 SGB X im Wesentlichen § 80 VwVfG(BT-Drucks 8/2034 S 36 zu § 61 des Entwurfs). § 80 VwVfG wiederum stellte eine Reaktion auf verschiedene Entscheidungen des BVerwG dar, das ebenso wie das BSG zu § 193 SGG die Anwendung der Regelung des § 162 VwGO zur Erstattungsfähigkeit der Kosten des Vorverfahrens nur in den Fällen bejaht hatte, in denen im Anschluss an das Vorverfahren Klage erhoben worden war; für isolierte Vorverfahren enthielt das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht dagegen bis zur Einführung des § 80 VwVfG ebenfalls keine Kostenregelung und § 80 VwVfG sollte daher dazu dienen, für isolierte Vorverfahren eine Kostenerstattung in den entsprechenden Fällen anzuordnen(BT-Drucks 7/910 S 91 zu § 76 des Entwurfs des VwVfG; vgl dies bestätigend BVerwG Urteil vom 29.6.2006 - 7 C 14.05 - DVBl 2006, 1243 f).

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5. Der sich schon aus der Entstehungsgeschichte ergebende systematische Zusammenhang von § 63 SGB X und § 193 SGG spricht des Weiteren für diese Auslegung, weil die letztere Norm eine Einbeziehung der Kosten eines Vorverfahrens, an das sich ein Gerichtsverfahren anschließt, in die Kostenentscheidung des Gerichts über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens anordnet.

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Nach § 193 Abs 1 Satz 1 SGG hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Wird das Verfahren anders beendet, entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss (§ 193 Abs 1 Satz 3 SGG). Nach § 193 Abs 2 SGG sind Kosten die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Zu diesen Kosten gehören nach gefestigter Rechtsprechung des BSG nicht nur die im Gerichtsverfahren angefallenen Kosten, sondern zudem die Kosten eines etwaigen Vorverfahrens, soweit dieses eine zwingende Klagevoraussetzung ist (§ 78 SGG; vgl BSG Beschluss vom 24.8.1976 - 12/1 RA 105/75 - SozR 1500 § 193 Nr 3; BSG Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 20 ff). Da die Kosten des Vorverfahrens mit Klageerhebung als notwendige Vorbereitungskosten Teil der im gerichtlichen Verfahren angefallenen Kosten wurden, ist das Gericht verpflichtet, auch über diese Kosten als untrennbarer Teil der Kosten des Verfahrens nach § 193 SGG eine Kostenentscheidung zu treffen.

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In die gleiche Richtung weist der Vergleich mit § 162 VwGO, der die erstattungsfähigen Kosten im allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren regelt, dessen Absätze 1 und 2 den Absätzen 2 und 3 des § 193 SGG entsprechen und ausdrücklich die Kosten des Vorverfahrens miteinbeziehen.

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6. Die systematischen Verbindungen mit dem allgemeinen Kostenrecht insbesondere dem RVG (vgl zu dessen Anwendung im Rahmen des § 63 SGB X nur Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand der Einzelkommentierung 8/2016, § 63 RdNr 73 ff; Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, Anh zu § 63) und dem es prägenden Grundsatz der Kosteneinheit bestätigen die aufgezeigte Auslegung des § 63 SGB X.

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Der Grundsatz der Kosteneinheit folgt aus dem System des einmaligen Gebührenanfalls nach den maßgeblichen Kostengesetzen (RVG sowie GKG) und der Degression der dort festgelegten Gebühren (Gierl in Saenger, ZPO, 6. Aufl 2015, Vor §§ 91-107 RdNr 23; Lappe, Justizkostenrecht, 1982, S 204 f). Das Gebührenrecht von RVG und GKG ist auf den Grundsatz der Kosteneinheit und nicht auf eine Kostentrennung angelegt. Ungeachtet wechselnder Verfahrensabschnitte werden in diesen Kostengesetzen für das gesamte Verfahren einheitliche Gebührentatbestände festgelegt. Wird ein Gebührentatbestand wiederholt verwirklicht, fällt die Gebühr dennoch nur einmal für das gesamte Verfahren an (vgl § 15 Abs 2 RVG und das Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu § 3 Abs 2 GKG; Neumann in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl 2014, § 155 RdNr 7). Bei einer Verdoppelung des Streitwertes verdoppeln sich die Gebühren nicht, sondern steigen erheblich moderater an (Degression). Zudem wird die Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren auf die Verfahrensgebühr für ein später nachfolgendes Klageverfahren teilweise angerechnet (vgl Vorbemerkung 3 Abs 4 der Anlage 1 zum RVG).

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Der Grundsatz der Kosteneinheit ergibt sich auch aus den Formulierungen in den einschlägigen Vorschriften zur Kostenentscheidung in den verschiedenen Verfahrensordnungen, in denen die Kosten stets als sprachliche Einheit behandelt werden (vgl § 193 Abs 2 SGG: "Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten"; § 194 Satz 2 SGG: "Die Kosten"; § 154 Abs 1 VwGO: "die Kosten des Verfahrens"; § 91 ZPO: "die Kosten des Rechtsstreits"; §§ 91a, 92 ZPO: "die Kosten"; § 93 ZPO: "die Prozesskosten"; § 12a Abs 2 Satz 1 ArbGG: "die Kosten"; § 135 Abs 1 FGO: "die Kosten des Verfahrens"; vgl BSG Urteil vom 20.10.2010 - B 13 R 15/10 R - SozR 4-1500 § 193 Nr 6 RdNr 24). Er wird außerdem deutlich in § 17b Abs 2 Satz 1 GVG, wonach bei der Verweisung eines Rechtsstreits an ein anderes Gericht die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde. Eine Kostentrennung wird hingegen nur unter bestimmten Umständen als Ausnahme angeordnet (zB §§ 96, 344 ZPO; § 17b Abs 2 Satz 2 GVG).

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Der Grundsatz der Kosteneinheit besagt, dass die gesamten in einer Instanz angefallenen Kosten als eine einheitliche Kostenmasse zu behandeln sind (Neumann in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl 2014, § 155 RdNr 6; Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl 2016, RdNr 779; Bork in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2013, § 91 RdNr 15). Sie bilden grundsätzlich eine Einheit, unabhängig davon, ob der Kläger einen oder mehrere Anträge stellt, die Klage ermäßigt, erweitert oder ändert, ob der Beklagte nur Klageabweisung beantragt oder Widerklage erhebt, ob mehrere Personen klagen oder verklagt werden (Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl 2015, Vor § 91 RdNr 2; Schellhammer, Zivilprozess, 12. Aufl 2007, RdNr 779).

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7. Das einheitliche Kostenfestsetzungsverfahren durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG nach § 197 Abs 1 SGG streitet ebenso für eine Beschränkung des § 63 SGB X auf das isolierte Vorverfahren.

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Im RVG wird die gesamte Tätigkeit in einem Vor- oder Widerspruchsverfahren als eine Angelegenheit behandelt, die lediglich von dem davor liegenden Verwaltungsverfahren abgegrenzt wird (vgl § 17 Nr 1a RVG). Für diese Tätigkeit fällt nach der Vorbemerkung 2.3 Abs 4 der Anlage 1 zum RVG eine Geschäftsgebühr an. In derselben Angelegenheit kann der Rechtsanwalt die Gebühren nach § 15 Abs 2 RVG nur einmal fordern. Es ist unerheblich, ob es sich um ein Widerspruchsverfahren handelt, in dem vom Rechtsanwalt streitwertabhängige Gebühren oder Rahmengebühren abgerechnet werden dürfen; die Vorschrift gilt im RVG generell. Gleichgültig ist, wie umfangreich und schwierig die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Widerspruchsverfahren war und ob dem Widerspruchsverfahren mehrere Streitgegenstände zugrunde lagen. Dies kann bei Rahmengebühren nach § 14 RVG - wie sie im vorliegenden Verfahren anfallen - lediglich bei der Festsetzung der Gebührenhöhe im späteren Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden.

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Würde hinsichtlich des erfolgreichen Teils des Widerspruchsverfahrens ausgehend von der insofern positiven Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid ein eigenständiges Kostenfestsetzungsverfahren nach § 63 Abs 3 SGB X durchgeführt, könnte dies zu abweichenden Entscheidungen zweier Kostenfestsetzungsstellen - der Behörde nach § 63 Abs 3 Satz 1 SGB X und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG nach § 197 SGG - führen und weitere Verfahren (Klagen gegen die behördliche Kostenfestsetzung, Erinnerungen gegen die Kostenfestsetzung des Urkundsbeamten) nach sich ziehen(vgl auch BVerwG Urteil vom 29.6.2006 - 7 C 14.05 - DVBl 2006, 1243 f). Außerdem würden sich weitere Fragen hinsichtlich der Anrechnung der Gebühren des Vorverfahrens auf die des Gerichtsverfahrens stellen.

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8. Die aufgezeigte Auslegung des § 63 SGB X wird nicht durch das Vorbringen der Revisionserwiderung in Frage gestellt, in Fallgestaltungen der vorliegenden Art, wenn dem Widerspruch weit überwiegend stattgegeben worden sei und nur gegen einen kleinen, streitig gebliebenen Teil geklagt und diese Klage abgewiesen werde, würde der weit überwiegende Erfolg des Widerspruchs in der gerichtlichen Kostenentscheidung nach § 193 SGG oftmals nicht berücksichtigt werden. Denn dem Erfolg des Widerspruchs kann durch eine ihn berücksichtigende Kostenentscheidung des Gerichts, auf die der Betroffene durch eine entsprechende Antragstellung hinwirken kann, Rechnung getragen werden.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.