Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Nov. 2016 - L 7 AS 704/16 B ER

published on 11/11/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Nov. 2016 - L 7 AS 704/16 B ER
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Gericht

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Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. September 2016, S 54 AS 1799/16 ER wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Bf) wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Hausbesuche durch den Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bg) im Rahmen des Vollzugs des SGB II.

Die Bf steht im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II beim Bg, zuletzt als Auszubildende nur noch wegen eines Zuschusses zu den Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) nach § 27 SGB II. Die Bf führte und führt während des Bezugs von SGB II-Leistungen zahlreiche Verfahren gegen den Bg.

Aus dem Jahr 2014 ist beim Sozialgericht München noch ein Verfahren anhängig, bei dem es u.a. um die Übernahme von Wasserschäden in der Küche der Bf geht. Nachdem der Bg zur Klärung der Küchenschäden am 18.04.2016 erfolglos einen unangemeldeten Hausbesuch bei der Bf durchführen wollte, kündigte der Bg mit Schreiben vom 18.04.2016 einen Hausbesuch bei der Bf für den 20.04.2016 an.

Hiergegen erhob die Bf am 20.04.2016 Widerspruch, den der Bg mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2016 als unzulässig verwarf; die Ankündigung eines Hausbesuchs sei kein anfechtbarer Verwaltungsakt.

Mit ihrer am 22.07.2016 zum Sozialgericht erhobenen Klage begehrt die Bf die Verpflichtung der Bg, künftig unangekündigte bzw. angekündigte Hausbesuche zu unterlassen. Hilfsweise begehrt die Bf die Aufhebung des Widerspruchsbescheides sowie Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2016 bzw. die Feststellung, dass die Durchführung von Außenermittlungen, insbesondere der unangekündigte Hausbesuch am 18.04.2016 und der für den 20.04.2016 angekündigte Hausbesuch, rechtswidrig gewesen seien.

Gleichzeitig mit Klageerhebung beantragte die Bf. einstweiligen Rechtsschutz zu diesem Hauptverfahren.

Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz lehnte das Sozialgericht München mit Beschluss vom 02.09.2016 ab.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig. In der Hauptsache sei statthaft eine vorbeugende Unterlassungsklage, die als Prozessvoraussetzung ein besonderes Rechtsschutzinteresse einschließlich einer Wiederholungsgefahr bedürfe. Eine Wiederholungsgefahr sei hier nicht ersichtlich. Der Bg halte einen weiteren Hausbesuch bei der Bf für nicht erforderlich, wie dieser auch im Eilverfahren bestätigt habe. Auch aus dem Versuch der Bg vom 18.04.2016, einen Hausbesuch durchzuführen, ergebe sich keine Wiederholungsgefahr, da der Bg keinen weiteren Ermittlungsbedarf sehe; der Hausbesuch sei lediglich zur Klärung der Küchenschäden versucht worden. Da die Klage in der Hauptsache unzulässig sei, sei auch der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz unzulässig.

Hiergegen hat die Bf Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt, ohne diese zu begründen.

II.Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

In der Sache sind zwei Begehren der Bf ersichtlich, nämlich erstens vorbeugender Rechtsschutz gegen Hausbesuche im allgemeinen, entweder über eine vorbeugende Unterlassungsklage oder eine Feststellungsklage (vgl. etwa BSG, Urteil vom 24.04.2015, B 4 AS 39/14 R, zur Unterlassungsklage und BSG, Urteil vom 15.06.2015, B 4 AS 36/15 R, zur Feststellungsklage sowie Urteile des BSG vom 28.03.2013, B 4 AS 42/12 R, und vom 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R), und zweitens die Feststellung, dass der am 18.04.2016 (gescheiterte) Hausbesuch bzw. der für den 20.04.2016 angekündigte und dann nicht durchgeführte Hausbesuch rechtswidrig waren (als Feststellungsklagen bzw. als Fortsetzungsfeststellungsklagen, soweit es sich um Verwaltungsakte gehandelt haben sollte, vgl. BSG, Beschluss vom 19.12.2011, B 14 AS 146/ 11 B Rz 6 zur Verwaltungsaktqualität der Aufforderung zur Mitwirkung durch Meldung).

1. Ein Anordnungsgrund ist für beide Begehren nicht ersichtlich.

a) Eilbedürftigkeit ist im Hinblick auf mögliche künftige Hausbesuche bzw Ankündigungen von Hausbesuchen nicht ersichtlich.

Denn der Bg hat im Rahmen des Verfahrens vor dem Sozialgericht versichert, dass der Hausbesuch lediglich zur Klärung des Küchenschadens dienen sollte und weitere Hausbesuche nicht geplant sind. Die Bf. hat nicht dargelegt, dass entgegen dieser Einlassung des Bg die Gefahr eines Hausbesuches bestünde, nachdem auch nicht ersichtlich ist, weshalb für einen Zuschuss nach § 27 SGB II - anders als zur Feststellung eines Küchenschadens - ein Hausbesuch notwendig sein sollte.

b) Eilbedürftigkeit ist auch für die inzwischen erledigten Hausbesuchsversuche vom 18.04.2016 und vom 20.04.2016 weder glaubhaft vorgetragen noch ersichtlich.

Zur Klärung der Rechtmäßigkeit des unangekündigten Hausbesuchs bzw der Ankündigung des dann nicht erfolgten Hausbesuchs kann die Bf insoweit ohne Weiteres auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden, nachdem sich die Hausbesuche zwischenzeitlich durch Zeitablauf erledigt haben.

2. Im Übrigen ist auch kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

a) Es besteht kein Anspruch der Bf gegen den Bg, Hausbesuche im allgemeinen im Rahmen des Vollzuges des SGB II künftig zu unterlassen.

Der Hausbesuch ist als Erscheinungsform der Augenscheinseinnahme (BVerwG, Beschluss vom 30.07.1991, 5 ER 657/91 Rz 8) Teil des Verwaltungsverfahrens zur Beweiserhebung.

Anders als bei der Zeugenvernehmung hat ein Träger der Grundsicherung zwar keine Möglichkeit, die Augenscheinseinnahme mit gerichtlicher Hilfe zu erzwingen (HessLSG, Beschluss vom 30.01.2006, L 7 AS 1/06 ER). Denn ein Betroffener hat aufgrund des in Art. 13 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich normierten Rechts auf Unversehrtheit der Wohnung die Entscheidungsfreiheit, ob er den Hausbesuch durch einen SGB II-Träger zulässt oder nicht (LSG RP, Beschluss vom 02.07.2014, L 3 AS 315/14 B ER Rz 24).

Jedoch besteht im Rahmen der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren zunächst eine grundsätzliche Verpflichtung eines Leistungsberechtigten, einen Hausbesuch zuzulassen. Diese Verpflichtung findet ihre Grundlage in der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Verfahrensbeteiligten gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X (LSG RP, Beschluss vom 02.07.2014, L 3 AS 315/14 B ER Rz 22).

Aufgrund dieser Mitwirkungspflicht ist die Ankündigung von Hausbesuchen durch einen Leistungsträger jederzeit möglich und vorbeugender Rechtsschutz in der von der Bf. beantragten allgemeinen Art nicht möglich.

Hinzuweisen ist noch auf Folgendes: Trotz der zumutbaren Mitwirkungspflicht besteht keine Pflicht, einen Hausbesuch im Rahmen der Feststellung des Vorliegens der Leistungsvoraussetzungen zu dulden (LSG NRW Beschluss vom 09.07.2014 L 7 AS 476/16 B ER). Insbesondere gehört die Zustimmung zum Hausbesuch nicht zu den in den §§ 60 bis 65a SGB I aufgezählten Mitwirkungspflichten. Zutritt zur Wohnung der Bf. kann sich die Bg. - anders als dies im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen beispielsweise durch die Polizei möglich ist (vgl. BayLSG, Beschluss vom 16.10.2016, L 7 AS 659/16 B ER) - nicht verschaffen. Letztlich muss ein Leistungsträger die Verweigerung eines Hausbesuches durch einen Leistungsberechtigten bei seiner abschließenden Entscheidung über die Leistungsbewilligung im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigen. Wenn infolge der Ablehnung eines Hausbesuches ein Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann, hat ggf. der Leistungsberechtigte die objektive Beweislast zu tragen hat (BayLSG Beschluss vom 11.11.2011 L 7 AS 83/11 B ER Rz. 27 ff.).

b) Weder bezüglich des unangekündigten Hausbesuchs noch des angekündigten Hausbesuchs ist ein Anordnungsanspruch gegeben.

Rechtsschutz gegen einen konkreten, bevorstehenden Hausbesuch ist zwar möglich, wenn es um das Vorliegen der Voraussetzungen für den Hausbesuch im Einzelfall geht. Auch nachträglicher Rechtsschutz mit dem Ziele der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zwischenzeitlich erledigten Hausbesuches ist daher grundsätzlich möglich.

Hier ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der unangekündigte bzw. der angekündigte Hausbesuch zum Zwecke der Feststellung der Schäden in der Küche rechtswidrig gewesen sein sollte. Die Bf hat insoweit auch nichts Näheres vorgetragen. Ein Hausbesuch wäre hier zur Aufklärung des Sachverhalts dienlich gewesen.

Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass die Bf mit ihrem Begehren erfolglos blieb.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar § 177 SGG.

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(1) Auszubildende im Sinne des § 7 Absatz 5 erhalten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der folgenden Absätze. Die Leistungen für Auszubildende im Sinne des § 7 Absatz 5 gelten nicht als Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1.

(2) Leistungen werden in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Absatz 2, 3, 5 und 6 und in Höhe der Leistungen nach § 24 Absatz 3 Nummer 2 erbracht, soweit die Mehrbedarfe nicht durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt sind.

(3) Leistungen können für Regelbedarfe, den Mehrbedarf nach § 21 Absatz 7, Bedarfe für Unterkunft und Heizung, Bedarfe für Bildung und Teilhabe und notwendige Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung als Darlehen erbracht werden, sofern der Leistungsausschluss nach § 7 Absatz 5 eine besondere Härte bedeutet. Eine besondere Härte ist auch anzunehmen, wenn Auszubildenden, deren Bedarf sich nach §§ 12 oder 13 Absatz 1 Nummer 1 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst, aufgrund von § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keine Leistungen zustehen, diese Ausbildung im Einzelfall für die Eingliederung der oder des Auszubildenden in das Erwerbsleben zwingend erforderlich ist und ohne die Erbringung von Leistungen zum Lebensunterhalt der Abbruch der Ausbildung droht; in diesem Fall sind Leistungen als Zuschuss zu erbringen. Für den Monat der Aufnahme einer Ausbildung können Leistungen entsprechend § 24 Absatz 4 Satz 1 erbracht werden. Leistungen nach Satz 1 sind gegenüber den Leistungen nach Absatz 2 nachrangig.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.