Sozialgericht München Beschluss, 02. Sept. 2016 - S 54 AS 1799/16 ER

02.09.2016

Tenor

I. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes darüber, ob der Antragsgegner im Rahmen des Vollzugs des SGB II unangekündigte Hausbesuche bei der Antragstellerin machen darf.

Die Antragstellerin beantragt fortlaufend beim Antragsgegner Leistungen (zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II). Der Antragsgegner bewilligte solche Leistungen zeitweise. Im Übrigen sind verschiedene sozialgerichtliche Verfahren insbesondere zu laufenden Leistungen (zur Sicherung des Lebensunterhalts) seit Mitte 2014 rechtshängig.

In einem Verfahren streiten die Beteiligten darüber, ob die Antragstellerin gegen den Antragsgegner Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beseitigung von Schäden in ihrer Küche besitzt. Im Zuge dessen beauftragte der Antragsgegner seinen Hausbesuchsdienst, die Küche der Antragstellerin in Augenschein zu nehmen. Nachdem dieser die Antragstellerin am 18.4.2016 in ihrer Wohnung nicht antraf, informierte er sie mit Schreiben vom selben Tag und kündigte gleichzeitig an, am 20.4.2016 erneut kommen zu wollen. Auch hier verpassten sich die Beteiligten.

Den gegen diese Ankündigung eines weiteren Besuchs am 20.4.2016 erhobenen Widerspruch verwarf die Rechtsbehelfsstelle des Antragsgegners als unzulässig. Die Ankündigung eines Hausbesuchs sei kein mit Widerspruch anfechtbarer Verwaltungsakt (Widerspruchsbescheid vom 12.7.2016).

Mit ihrer am 22.7.2016 zum Sozialgericht erhobenen Klage begehrt die Antragstellerin die Verpflichtung des Antragsgegners zukünftige unangekündigte bzw angekündigte Hausbesuche ohne die Zustimmung der Antragstellerin zu unterlassen. Hilfsweise begehrt die Antragstellerin zunächst die Aufhebung des Widerspruchsbescheides, im Weiteren die Aufhebung des Bescheides vom 18.4.2016 idG des Widerspruchsbescheides vom 12.7.2016 bzw die Feststellung, dass die Durchführung von Außenermittlungen (unangekündigter Hausbesuch am 18.4.2016) und der angekündigte Hausbesuch am 20.4.2016 rechtswidrig gewesen seien. Die Ankündigung des Hausbesuchs sei ein Verwaltungsakt. Die Vorgehensweise des Antragsgegners sei rechtswidrig. Die mit dem Hauptantrag erhobene vorbeugende Unterlassungsklage werde für den Fall erhoben, dass es sich bei der Ankündigung des Hausbesuchs nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

Gleichzeitig beantragt die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des im Klageverfahren geltend gemachten Hauptantrags.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, unangekündigte bzw angekündigte Hausbesuche ohne die Zustimmung der Antragstellerin zu unterlassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ein weiterer Hausbesuch sei momentan nicht geplant. Der im April 2016 versuchte Hausbesuch sei im Interesse der Antragstellerin erfolgt. Es sei darum gegangen, den im Verfahren S 54 AS 3167/14 streitigen Anspruch auf Ersatz von Küchenmöbeln zu begründen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akte des Gerichts verwiesen.

II

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist unzulässig.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist statthaft als Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG, da es der Antragstellerin im die Sicherung des Zustands geht, keine Hausbesuche des Antragsgegners zu erhalten (zur Statthaftigkeit der Sicherungsanordnung bei Unterlassungsansprüche vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 86b RdNr. 25a mwN)..

2. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist unzulässig.

a) In der Hauptsache ist statthaft die vorbeugende Unterlassungsklage - eine besondere Form der Leistungsklage, deren Zulässigkeit über den Wortlaut des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG hinaus allgemein anerkannt ist (BSG, Urteil vom 5.2.1985 - 6 RKa 40/83 - RdNr. 10 zitiert nach juris). Diese erfordert als Prozessvoraussetzung ein besonderes Rechtsschutzinteresse einschließlich einer Wiederholungsgefahr (BSG, aaO). Erfordert die Unterlassungsklage ein derartiges Rechtsschutzinteresse einschließlich einer Wiederholungsgefahr als Prozessvoraussetzung, dann muss dieses auch dann vorliegen, wenn die Antragstellerin, wie hier, einen entsprechenden Anspruch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes geltend macht.

b) Wiederholungsgefahr ist vorliegend nicht ersichtlich. Es ist - zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (zu dessen Maßgeblichkeit vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, vor § 51 RdNr. 20) - weder im Rahmen der streitigen Ansprüche noch aus den vorliegenden Akten des Antragsgegners ersichtlich, dass der Antragsgegner - über den Versuch im April hinaus - einen Hausbesuch bei der Antragstellerin für erforderlich halten oder gar planen würde. Der Antragsgegner geht hinsichtlich der laufenden Leistungen vielmehr davon, dass ein Anspruch mangels Bedarfs der Antragstellerin nicht besteht. Auch aus dem Versuch des Antragsgegners im April 2016, einen Hausbesuch bei der Antragstellerin durchzuführen, ergibt sich keine Wiederholungsgefahr. Auch insoweit sieht der Antragsgegner derzeit weiteren Ermittlungsbedarf gerade nicht, nachdem er die Abweisung der Klage beantragte. Dem entsprechend gibt der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren an, derzeit weitere Hausbesuche nicht zu planen.

c) Ist aber die Wiederholung eines Hausbesuchs nicht glaubhaft, und wäre eine entsprechende Untätigkeitsklage in der Hauptsache unzulässig, muss dies auch für das vorliegende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gelten. Darauf, dass die Antragstellerin von einem evtl Hausbesuch des Antragsgegner widerrechtlich betroffen sein kann, dh in ihren Rechten nachteilig verletzt wird bzw eine solche Verletzung behaupten kann (vgl zur Zulässigkeit (unangemeldeter) Hausbesuche BayLSG, Beschluss vom 11.3.2011 - L 7 AS 83/11 B ER - RdNr. 27 ff zitiert nach juris), kommt es vorliegend nicht weiter an.

III

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86b


(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungskla

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Tenor I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 2. September 2016, S 54 AS 1799/16 ER wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe I. Die Ant

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(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.