Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Okt. 2016 - L 15 SF 281/16 AB

published on 25/10/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Okt. 2016 - L 15 SF 281/16 AB
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Gericht

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Tenor

Die vom Beschwerdeführer in dem am 12.09.2016 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangenen Schreiben ausgesprochene Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bayer. Landessozialgericht A. und der Richter am Bayer. Landessozialgericht B. und C. wegen Besorgnis der Befangenheit betreffend das Verfahren L 15 SB 142/16 RG wird als offensichtlich unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Es liegt ein schwerbehindertenrechtlicher Rechtsstreit im einstweiligen Rechtsschutz zugrunde.

Mit Beschluss vom 23.08.2016, Az.: L 15 SB 111/16 RG, dem Beschwerdeführer am 31.08.2016 zugestellt, verwarf der Senat die vom Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Senats vom 14.06.2016, Az.: L 15 SB 97/16 B ER, erhobene Anhörungsrüge als unzulässig.

Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit Eingang am 12.09.2016 beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) gewandt und Folgendes vorgetragen: „Ich habe ein Recht auf ein ordentliches Gericht, aber auf keins die Tatsachen verdreht Gesetze bricht um Straftäter zu decken! ... Ihr sollt in der Hölle schmoren! Ihr u. euere Kindes-Kinder! ... Dieser Beschluss vom 23.08.2016 wird angefochten und für nichtig erklärt!“ Weiter hat er dem Senat „Korruption, Bestechlichkeit, Selbstjustiz, ... eine krankhafte Verfolgungsmentalität im Amt“ und „Amtsmissbrauch“ vorgeworfen.

Zudem hat er erklärt: „Ich werde euch nie akzeptieren und von vornherein ablehnen!“

In einem Schreiben vom 14.10.2016 hat er nochmals seine Ansicht wiederholt, dass man den Senat „auch kein ordentliches Gericht nennen“ könne, und daher den an das Gericht adressierten Wunsch ausgesprochen: „Fährt allesamt zur Hölle!!!“

II.

Der in dem am 12.09.2016 beim LSG eingegangenen Schreiben enthaltene Befangenheitsantrag ist als offensichtlich unzulässig zu verwerfen.

Das LSG entscheidet über die Ablehnung durch Beschluss (§ 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - i. V. m. § 46 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -).

1. Auslegung des am 12.09.2016 beim Bayer. LSG eingegangenen Schreibens des Beschwerdeführers

Die in dem am 12.09.2016 beim LSG eingegangenen Schreiben vom Beschwerdeführer verwendete Formulierung „Ich werde euch nie akzeptieren und von vornherein ablehnen!“ kann nur dahingehend verstanden werden, dass der Beschwerdeführer alle ihm namentlich bekannten Richter des 15. Senats, wie sie in den zuvor durchgeführten Verfahren des Beschwerdeführers tätig geworden sind, auch für das Verfahren der jetzt erhobenen weiteren Anhörungsrüge, die unter dem Aktenzeichen L 15 SB 142/16 RG geführt wird, als befangen ablehnen möchte. Dies hat er im Schreiben vom 14.10.2016 bestätigt.

Als Grund gibt er sinngemäß die im Ergebnis nicht seinen Erwartungen entsprechenden Entscheidungen des Senats in den der aktuellen Anhörungsrüge vorhergehenden Verfahren an, wenn er dem Gericht vorwirft, dass es „Tatsachen verdreht Gesetze bricht um Straftäter zu decken!“ Denn im aktuellen Verfahren der weiteren Anhörungsrüge haben sich die Richter des 15. Senats noch überhaupt nicht geäußert.

2. Zuständigkeit für die Entscheidung über den Befangenheitsantrag

Zuständig für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch des Beschwerdeführers ist der 15. Senat in der Besetzung mit den vom Beschwerdeführer abgelehnten Richtern. Entgegen § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 45 Abs. 1 ZPO haben die abgelehnten Richter an der Entscheidung mitwirken können, da der Befangenheitsantrag offensichtlich unzulässig ist.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) lässt „in den klaren Fällen eines unzulässigen oder missbräuchlich angebrachten Ablehnungsgesuchs“ (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 20.07.2007, Az.: 1 BvR 3084/06) eine Selbstentscheidung der abgelehnten Richter über das Gesuch zu (ständige Rspr., vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, Az: 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG gerät bei strenger Beachtung der Voraussetzungen des Vorliegens eines klar unzulässigen, d. h. gänzlich untauglichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.07.2007, Az.: 1 BvR 3084/06), oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Selbstentscheidung mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine Entscheidung in eigener Sache ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, Az.: 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/01). Dabei ist aber eine enge Auslegung der Voraussetzungen geboten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.02.2006, Az.: 2 BvR 836/04). Ein vereinfachtes Ablehnungsverfahren soll nur echte Formalentscheidungen ermöglichen oder einen offensichtlichen Missbrauch des Ablehnungsrechts verhindern (ständige Rspr., vgl. z. B. BVerfG, Beschluss vom 15.06.2015, Az.: 1 BvR 1288/14). Eine völlige Ungeeignetheit eines Ablehnungsgesuchs in diesem Sinn ist dann anzunehmen, wenn für eine Verwerfung als unzulässig jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens entbehrlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013, Az.: 1 BvR 2853/11). Ist hingegen eine - wenn auch nur geringfügige - Befassung mit dem Verfahrensgegenstand erforderlich, scheidet eine Ablehnung des Befangenheitsgesuchs durch die abgelehnten Richter als unzulässig aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.07.2006, Az.: 2 BvR 513/06). Über eine bloß formale Prüfung hinaus darf sich der abgelehnte Richter nicht durch Mitwirkung an einer näheren inhaltlichen Prüfung der Ablehnungsgründe zum Richter in eigener Sache machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.06.2005, Az.: 2 BvR 625/01, 2 BvR 638/0). Diese Voraussetzungen für eine Selbstentscheidung des abgelehnten Richters über den ihn betreffenden Befangenheitsantrag sind verfassungsrechtlich so durch Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorgegeben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20.07.2007, Az.: 1 BvR 2228/06).

3. Offensichtliche Unzulässigkeit des Befangenheitsgesuchs

Der Befangenheitsantrag ist offensichtlich unzulässig, weil er nur auf die Mitwirkung der abgelehnten Richter bei den nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtigen Entscheidungen in den vorhergehenden Verfahren (Beschwerdeverfahren, Verfahren der Anhörungsrüge, Verfahren des Befangenheitsantrags) gestützt wird. Allein mit einer solchen Mitwirkung kann eine Befangenheit aber offenkundig nicht begründet werden (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 02.05.2006, Az.: 1 BvR 698/06, vom 12.07.2006, Az.: 2 BvR 513/06, vom 22.04.2009, Az.: 1 BvR 887/09, und vom 03.07.2013, Az.: 1 BvR 782/12; Beschluss des Senats vom 22.08.2016, Az.: L 15 SF 207/16 AB).

Das BSG hat dies in einem vergleichbaren Verfahren wie hier mit Beschluss vom 25.02.2010, Az.: B 11 AL 22/09 C, wie folgt begründet:

„Die vom Kläger geäußerte Auffassung, bei der Entscheidung über eine Anhörungsrüge sei der iudex a quo wegen Vorbefassung „stets als befangen“ anzusehen, ist unzutreffend; vielmehr ist es gerade der Sinn der Anhörungsrüge, dem iudex a quo die Möglichkeit der Selbstkorrektur einzuräumen (vgl. ua Beschluss des BSG vom 20. Oktober 2009, B 7 AL 10/09 C, mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 28. Mai 2009, 5 PKH 6/09, NVwZ-RR 2009, 662 f). Da der Kläger überdies keine konkreten Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit eines der abgelehnten Richter anführt (vgl. § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), sondern im Wesentlichen nur inhaltliche Einwendungen gegen den Ausgangsbeschluss unter teilweiser Wiederholung seines dem Senat bereits bekannten Vorbringens erhebt, sind seine Ablehnungsgesuche auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bereits deshalb rechtsmissbräuchlich (vgl. ua Beschluss des BVerfG vom 12. Juli 2006, 2 BvR 513/06, veröffentlicht in juris; Beschluss des Senats vom 19. Januar 2010, B 11 AL 13/09 C, m. w. N.).“

Irgendeinen Anlass für einen Befangenheitsantrag im vorliegenden Verfahren haben die abgelehnten Richter nicht geliefert, da sie sich im Verfahren, in dem der Befangenheitsantrag gestellt worden ist, noch zu keinem Zeitpunkt geäußert haben.

Da das Ablehnungsgesuch als offensichtlich unzulässig zu verwerfen ist und es daher bei der Entscheidung auf die dienstliche Äußerungen der abgelehnten Richter nicht ankommen kann, hat es einer dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richter nicht bedurft (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 60, Rdnr. 11c).

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei (§ 183 SGG) und ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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Annotations

(1) Die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ergeht durch Beschluss.

(2) Gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Beschwerde statt.

(1) Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 46 Absatz 1 und die §§ 47 bis 49 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(2) Von der Ausübung des Amtes als Richter ist auch ausgeschlossen, wer bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat.

(3) Die Besorgnis der Befangenheit nach § 42 der Zivilprozeßordnung gilt stets als begründet, wenn der Richter dem Vorstand einer Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts angehört, deren Interessen durch das Verfahren unmittelbar berührt werden.

(4) (weggefallen)

(1) Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht, dem der Abgelehnte angehört, ohne dessen Mitwirkung.

(2) Wird ein Richter beim Amtsgericht abgelehnt, so entscheidet ein anderer Richter des Amtsgerichts über das Gesuch. Einer Entscheidung bedarf es nicht, wenn der abgelehnte Richter das Ablehnungsgesuch für begründet hält.

(3) Wird das zur Entscheidung berufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig, so entscheidet das im Rechtszug zunächst höhere Gericht.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

(1) Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

(3) Das Ablehnungsrecht steht in jedem Fall beiden Parteien zu.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.