Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 04. Sept. 2018 - L 11 AS 788/18 B PKH

bei uns veröffentlicht am04.09.2018
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 15 AS 592/17 PKH, 27.06.2018

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 27.06.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 11.004,91 €.

Die Klägerin bezog Alg II ohne Angabe einer bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Partner (zuletzt Bescheid vom 07.04.2016: Vorläufige Leistungsbewilligung vom 01.05.2016 bis 31.10.2016).

Nach Hinweisen auf einen Leistungsmissbrauch wegen Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft hob der Beklagte die Bewilligung für die Zukunft ab 01.05.2016 mit Bescheid vom 13.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 auf. Wegen des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft stehe ihr nur 50% der Unterkunfts- und Heizungskosten zu und beide Personen der Bedarfsgemeinschaft müssten einen Antrag stellen. Klage hiergegen hat die Klägerin nicht erhoben.

Auf Nachfrage beim Vermieter insbesondere zum Originalmietvertrag legte dieser am 16.06.2016 einen bisher dem Beklagten nicht bekannten, von der Klägerin und ihrem Partner unterschriebenen Mietvertrag vor, der dem von der Klägerin vorgelegten nicht entsprach. Nach Anhörung vom 22.05.2017 hob der Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2017 die Leistungsbewilligung für die Vergangenheit teilweise auf und forderte die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 11.004,91 € von der Klägerin. Die Jahresfrist für die Aufhebung habe frühestens mit Vorlage des Originalmietvertrages am 16.06.2016 zu laufen begonnen.

Die Klägerin hat beim Sozialgericht Nürnberg (SG) die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für eine dagegen zu erhebende Klage begehrt. Die Jahresfrist zur Aufhebung der Bewilligung sei nicht eingehalten worden.

Bereits mit Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02.06.2016 habe sichere Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rücknahme der bewilligten Leistungen beim Beklagten bestanden, so dass die Aufhebung spätestens am 02.06.2017 hätte erfolgen müssen. Mit Beschluss vom 27.06.2018 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH abgelehnt. Zwar sei für den Beginn der Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) regelmäßig auf die Anhörung abzustellen, die erforderlich sei, um das Vorliegen der Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes aufzuklären, wobei vorliegend zwischen der Aufhebung für die Zukunft und der Aufhebung für die Vergangenheit zu unterscheiden sei. Als frühestmöglicher Zeitpunkt einer sicheren Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Aufhebung käme allenfalls der Zeitpunkt der Vorlage des Originalmietvertrages am 16.06.2016 in Betracht. Aber selbst dann wäre die Jahresfrist vom Beklagten eingehalten worden.

Dagegen hat die Klägerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Sichere Kenntnis habe vor dem 16.06.2016 bestanden, denn der Beklagte habe die Bewilligung für die Zukunft bereits mit Bescheid vom 13.04.2016 aufgehoben, sei also schon am 12.04.2016 vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rücknahme ausgegangen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist nicht begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKHBeantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 73a Rn.7ff.).

Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH-Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens PKH vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Vorliegend besteht keine solche hinreichende Erfolgsaussicht. Selbst wenn nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufes der Anhörungsfrist abzustellen sein sollte, wobei regelmäßig erst hierdurch die inneren Tatbestandsmerkmale (Bösgläubigkeit) abschließend ermittelt werden können (vgl. Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, Stand April 2018, § 45 Rn. 147 und 152 ff; BSG, Urteil vom 27.07.2000 - B 7 AL 88/99 R - veröffentlicht in Juris) - der Beklagte hat im streitgegenständlichen Verfahren die Bösgläubigkeit der Klägerin bereits bei der Aufhebung für die Zukunft mit Bescheid vom 13.04.2016 angenommen und weitere Ermittlungen nicht für erforderlich gehalten; er ist also bereits zu diesem Zeitpunkt vom Vorliegen der Bösgläubigkeit ausgegangen (dazu vergleichbar: BSG, Urteil vom 06.04.2006 - B 7a AL 64/05 R - veröffentlicht in Juris) - ist die Jahresfrist vom Beklagten eingehalten worden. Es ist dann nämlich der Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Originalmietvertrages am 16.06.2016 entscheidend, denn erst hierdurch war für den Beklagten mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bezüglich sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen gegeben (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 27.07.2000 aaO, Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 45 Rn. 83). Erst zu diesem Zeitpunkt stand klar und eindeutig fest, dass die Wohnung von Anfang an von der Klägerin und ihrem Partner angemietet worden war und nur eine Neben- und Betriebskostenabrechnung anfiel, obwohl der Beklagte nach den vorgelegten Unterlagen von unterschiedlichen Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen ausgegangen war. Diese Erkenntnisse waren für die Aufhebung für die Zukunft mit Bescheid vom 13.04.2016 nicht erforderlich gewesen, denn für die Zukunft stand nach den aktuellen Kenntnissen klar und eindeutig fest, dass die Klägerin und ihr Partner in dieser Wohnung zusammenwohnten und sich die vorgelegten Mietvertrage auf diese Wohnung bezogen. Somit kann hinsichtlich der Aufhebung für die Vergangenheit mit Bescheid vom 07.06.2017 nicht davon ausgegangen werden, dass bei Erlass des Bescheides vom 13.04.2016 bereits alle Erkenntnisse für eine Aufhebung für die Vergangenheit vorgelegen haben. Damit aber erlangt die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des SG Heilbronn (Urteil vom 24.11.2010 - S 7 AL 2628/07 - veröffentlicht in Juris) keine Bedeutung, denn zwischen der Erkenntnis hinsichtlich der Rücknahmemöglichkeit am 16.06.2016 und der Anhörung mit Schreiben vom 22.05.2016 lag kein ganzes Jahr.

Im Ergebnis hat der Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 07.06.2017 noch innerhalb der Jahresfrist erlassen, auch wenn er nicht beachtet hat, dass für die (kurzfristig) erforderliche Einstellung der Leistung für die Zukunft nach Erkenntnissen von einer Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung § 40 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 331 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) die erforderliche Rechtsgrundlage bietet, eine (vorschnelle) Aufhebung somit nicht erforderlich ist. Auf die Frage, ob die Aufhebung für die Zukunft rechtmäßig gewesen ist, war allerdings vorliegend nicht weiter einzugehen.

Nachdem die Klägerin lediglich die Einhaltung der Jahresfrist moniert, bestehen am Vorliegen der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen wie auch der inneren Tatsachen für eine Rücknahme derzeit keine Zweifel, so dass eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht erkennbar ist.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 45 Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen de

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 73a


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 40 Anwendung von Verfahrensvorschriften


(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass1.rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 331 Vorläufige Zahlungseinstellung


(1) Die Agentur für Arbeit kann die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Beschei

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Sozialgericht Heilbronn Urteil, 24. Nov. 2010 - S 7 AL 2628/07

bei uns veröffentlicht am 24.11.2010

Tenor Der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2007 wird aufgehoben.Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten. Tatbestand  1 Die Beteiligten streiten über die Rücknahme

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(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2007 wird aufgehoben.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und über die Erstattung entsprechender Leistungen für mehrere zwischen dem 01.04.1992 und dem 31.12.2002 liegende Zeiträume.
Der am ...1944 geborene Kläger beantragte ab März 1992 im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) die Zahlung von Alhi bei der Beklagten. In seinem Antrag vom 12.03.1992 (Bl. 367/368 der Verwaltungsakte [VA]) und in allen Folgeanträgen verneinte er alle Fragen nach vorhandenem Vermögen und versicherte unterschriftlich, dass seine Angaben zutreffen.
Auf diese Anträge hin bewilligte und zahlte die Beklagte dem Kläger jeweils Alhi vom 01.04.1992 bis zum 31.12.2002 mit Unterbrechungen (Zahlungsnachweise in Bd. III VA, nicht mit Seitenzahlen versehen).
Am 08.11.2004 erhielt sie vom Hauptzollamt S. - Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) die Mitteilung, dass der Kläger leistungsrechtlich relevante Fragen zu Kapitalanlagen und Zinseinkünften zumindest bezüglich Anlagen bei der Türkischen Nationalbank (TCMB) wahrheitswidrig verneint habe. Der Mitteilung lag eine Notiz über Zinserträge im Jahr 1995 i.H.v. 6750,- DM sowie in Kopie eine von S. C. (Ehefrau des Klägers) ausgestellte Überweisung vom Januar 1994 bei. Aus dieser geht hervor, dass sie von der D. Bank 90.000,- DM an die TCMB überwiesen hatte (Bl. 509 - 512 VA).
Nachdem mangels Datumsangabe zeitlich nicht mehr zuzuordnende Berechnungen hinsichtlich überzahlter Alhi erfolgten, hörte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 12.12.2005 an (Bl. 518 VA). Der Kläger habe vom 01.04.1992 bis zum 31.12.2004 mit Unterbrechungen zu Unrecht Alhi bezogen. Die sei Bewilligung trotz zu berücksichtigenden Vermögens erfolgt, da der Kläger dieses bei Antragsstellung nicht angezeigt habe. Über seine Pflichten als Leistungsempfänger sei er sich im Klaren gewesen, da er das Merkblatt 1/1b für Arbeitslose zur Kenntnis genommen habe.
Auf die Anhörung teilte der Kläger mit, es habe sich nicht um sein Geld, sondern das seiner Frau gehandelt (Bl. 524 VA).
Daraufhin nahm die Beklagte mit auf den 20.06.2006 datierendem Bescheid die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 01.04.1992 ganz zurück (Bl. 533 VA). Der Kläger habe ein Vermögen i.H.v. 90.000,- DM sowie Zinserträge i.H.v. 6.750,- DM gehabt; damit sei er nicht zum Bezug von Alhi berechtigt gewesen. Dieses Vermögen habe er schuldhaft nicht angegeben, da er von seinen Pflichten zur Angabe Kenntnis gehabt habe. Ihm sei Alhi insgesamt i.H.v. 78.412,94 EUR, Krankenversicherungsbeiträge i.H.v. 15.402,99 EUR sowie Pflegeversicherungsbeiträge i.H.v. 1.377,20 EUR gezahlt worden. Diese Beträge seien von ihm zu erstatten. Der Bescheid wurde an eine veraltete Adresse des Klägers gesandt und erreichte diesen nicht. Nach dem Postrücklauf datierte die Beklagte den Bescheid neu auf den 30.06.2010 und versandte ihn an die aktuelle Adresse des Klägers.
Dagegen legte der Kläger unter dem 28.07.2006 Widerspruch ein. Der Scheck habe von der Ehefrau des Klägers gestammt. Diese habe das Geld auch verbraucht, worauf der Kläger keinen Einfluss gehabt habe; gleiches gelte für die Zinserträge (Bl. 558/559 VA). Er habe über das Geld nie verfügen können. Unterlagen über den weiteren Verbleib des Geldes seien von der TCMB nicht mehr zu beschaffen Bl. 562 VA). Die Ehefrau habe das Geld aus einem verkauften Anteil aus einer Erbschaft; sie habe vorgehabt eine kleine Eigentumswohnung zu kaufen. Vorsorglich werde „Verjährung“ eingewandt (Bl. 566/567 VA).
Er legte ein Schreiben der TCMB vom 26.06.2006 vor, worin diese bestätigte, dass am 26.06.2006 kein Bankkonto der S. C. bestanden habe (Bl. 570/571 VA).
10 
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Umstand, dass das Vermögen aus einem Erbe stamme, führe zu keiner anderen Bewertung. Weiter sei die Verwertung des Vermögens zumutbar gewesen (Bl. 579/580 VA).
11 
Dagegen richtet sich die am 16.07.2007 erhobene Klage. Zur Begründung bezieht sich der Kläger auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren. Darüber hinaus habe er gewusst, dass seine Frau im Januar 1994 Geld in die Türkei überwiesen hat. Er legt eine Bestätigung der TCMB vor, nach der das Konto bei der TCMB am 23.08.2000 aufgelöst wurde.
12 
Er beantragt,
13 
den Bescheid der Beklagten vom 30.06.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2007 aufzuheben.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
die Klage abzuweisen.
16 
Sie bezieht sich auf die Begründung der angegriffenen Verwaltungsentscheidung. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Kläger keine detaillierten Nachweise über den Verbleib des Geldes erbringen könne. In der mündlichen Verhandlung äußerte die Beklagte, sie habe nach der Mitteilung des Hauptzollamtes S. zunächst den Sachverhalt ermitteln müssen, bevor sie die Aufhebungsentscheidung treffen konnte. Wegen personeller Unterbesetzung und der Vielzahl der zu bearbeitenden TCMB-Fälle sei der Kläger erst mehr als ein Jahr nach der Mitteilung des Hauptzollamtes angehört worden. Die Frist zur Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes beginne grundsätzlich erst mit der Anhörung des Adressaten durch die Behörde.
17 
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Vermögensverhältnisse des Klägers durch Vernehmung der Zeugin S. C. im Beweisaufnahmetermin vom 19.02.2008 (Bl. 26 - 30 d. A.).
18 
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakten der Beklagten und den Inhalt der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet.
20 
Der Bescheid vom 30.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben.
21 
Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 45 Abs. 1 u. 2 S.1 i.V.m. S. 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn und soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Aufhebung für die Vergangenheit kann nach § 45 Abs. 4 SGB X nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
22 
Hier kann es dahin stehen, ob die Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 u. 2 S. 1 i.V.m. S. 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Beklagte hat jedenfalls die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht eingehalten.
23 
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X beginnt mit der Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Damit sind zunächst alle tatsächlichen Umstände gemeint, die nach Maßgabe von § 45 SGB X zur tatbestandlichen Prüfung der Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Hierzu gehören alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der begünstigende Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden, also rechtswidrig ist. Der Begriff Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X enthält zudem aber auch subjektive Elemente. So muss die Behörde im Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X regelmäßig ermitteln, ob der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
24 
Durch die Mitteilung des Hauptzollamtes S. erhielt die Beklagte am 08.11.2004 Kenntnis von den objektiven Umständen und konkreten Beträgen, die für die Berechnung der Hilfebedürftigkeit zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges bedeutsam waren. Sie konnte die Überzahlung von Alhi schon zu diesem Zeitpunkt errechnen. Ob die Berechnung schon direkt nach Kenntniserlangung erfolgte oder erst kurz vor der Anhörung lässt sich mangels Datumsangabe auf den Berechnungen in der Verwaltungsakte nicht mehr feststellen. Jedenfalls hat die Beklagte später ohne neuere Erkenntnisse die Alhi-Bewilligung allein aufgrund der schon seit dem 08.11.2004 vorliegenden Zahlen und Daten zurückgenommen. Die Rücknahme erfolgte jedoch erst mit Bescheid vom 30.06.2006, mithin mehr als ein Jahr und sieben Monate nach Kenntnis der Umstände, auf die die Beklagte die Rücknahmeentscheidung letztlich stützte.
25 
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für den Beginn der Frist aus § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X hier auf den Eingang der Mitteilung des Hauptzollamtes und nicht auf das Datum der Anhörung abzustellen. Zwar hatte die Beklagte neben diesen von ihr angenommenen objektiven Voraussetzungen für die Rücknahme (auch noch) die subjektiven Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X zu ermitteln und den Kläger nach § 24 Abs. 1 SGB X zur beabsichtigten Entscheidung anzuhören. Andererseits dürfte die Beklagte schon vor der Anhörung und bis zuletzt davon ausgegangen sein, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig falsche Angaben bezüglich seines Vermögens gemacht hatte, da ihm die entsprechenden Aufklärungsunterlagen (Merkblätter für Arbeitslose) ausgehändigt wurden und er deren Kenntnisnahme bestätigte. Diese Annahme legte sie jedenfalls - ohne dass ein brauchbares Ermittlungsergebnis im Verwaltungsverfahren erzielt wurde - auch der angefochtenen Entscheidung zu Grunde. In Anbetracht dessen ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte nicht schon ab dem 08.04.2004 eine zumindest aus ihrer Sicht ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung hatte (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 28.05.2008, Az. L 9 AL 21/03, Rn. 40).
26 
Die Beklagte kann sich hier jedenfalls nicht darauf berufen, dass die Frist nach § 45 Abs. 4 SGB Xregelmäßig erst mit der Anhörung beginnt. Diese vom BSG aufgestellte Grundregel (BSG, Urt. v. 06.03.1997, Az. 7 RAr 40/96, Urt. v. 08.02.1996, Az. 13 RJ 35/94) gilt nicht ausnahmslos; vielmehr sind davon durchaus Ausnahmen zu machen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 11.06.1998, Az. L 5 Kn 2/97, Rn 30, LSG Bayern, a.a.O.).
27 
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer lässt sich zunächst keine generelle Regel aufstellen, wie lang sich die Behörde zwischen Kenntniserlangung und Anhörung Zeit lassen darf, ohne dass eine Abweichung von dem oben genannten Grundsatz angezeigt ist. Eine Ausnahme ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn - wie hier - allein schon der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung bezüglich der objektiven Umstände und Tätigwerden der Behörde nach außen hin (Anhörung) mehr als ein Jahr beträgt und damit bereits länger ist als die Frist aus § 45 Abs. 4 SGB X selbst (vgl. LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 29 f.). Insoweit ist also im Interesse der Rechtssicherheit eine Grenzziehung geboten.
28 
Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass der Betroffene grundsätzlich von einer verwaltungsinternen Kenntnisnahme in aller Regel nichts erfährt. Er ist sich bis zur Anhörung zwar gar nicht bewusst, dass ein ihn begünstigender Bescheid gegebenenfalls aufgehoben wird; es entsteht also keine Art „Vertrauenstatbestand“ zu seinen Gunsten. Dies ist aber auch unerheblich, da § 45 Abs. 4 SGB X eben keine Kenntnis des Betroffenen von den verwaltungsinternen Vorgängen erfordert, sondern allein auf die Kenntnis der aufhebungsrelevanten Tatsachen innerhalb der Behörde abstellt. Zudem sind auch Fälle denkbar, in denen der Sachverhalt mit erster Kenntnisnahme durch die Behörde (objektiv wie subjektiv) vollständig aufgeklärt ist, sie keine Anhörung vornimmt (nach § 24 Abs. 2 SGB X, oder ohne gesetzlichen Grund - sie ist schließlich nachholbar, vgl. nur v. Wulffen in v. Wulffen, SGB X, 7. A. § 24 Rn. 11) und sogleich den Aufhebungsbescheid erlässt. Würde man in diesen Fällen etwa auf eine Kenntnisnahme des Betroffenen (durch Anhörung oder ein anderes Ereignis) als fristauslösendes Ereignis abstellen, liefe die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X stets leer.
29 
Stellte man ausnahmslos und ohne Grenzziehung auf die Anhörung ab, so würde es der Behörde nämlich ermöglicht, den Fristbeginn des § 45 Abs. 4 SGB X beliebig hinauszuzögern und damit die Jahresfrist faktisch erheblich auszuweiten und letztlich auszuhebeln, indem sie die Anhörung zu einem beliebigen Zeitpunkt (oder gar nicht) vornimmt. Dem steht jedoch der Schutzzweck des § 45 Abs. 4 SGB X entgegen, der dem Bestreben nach zügiger Rechtssicherheit und dem Verwirkungsgedanken Rechnung tragen soll (Schütze in v. Wulffen, SGB X, 7. A. Rn. 80, LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Soweit sich die Beklagte auf organisatorische Probleme bei der damaligen Bearbeitung der TCMB-Fälle beruft, ist dies zwar nachvollziehbar, kann aber vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung keine andere Bewertung rechtfertigen.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe

 
19 
Die Klage ist zulässig und begründet.
20 
Der Bescheid vom 30.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er war daher aufzuheben.
21 
Ermächtigungsgrundlage für den angegriffenen Bescheid ist § 45 Abs. 1 u. 2 S.1 i.V.m. S. 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach kann ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn und soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Aufhebung für die Vergangenheit kann nach § 45 Abs. 4 SGB X nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen erfolgen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
22 
Hier kann es dahin stehen, ob die Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 u. 2 S. 1 i.V.m. S. 3 Nr. 2 SGB X vorliegen. Die Beklagte hat jedenfalls die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht eingehalten.
23 
Die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 SGB X beginnt mit der Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Damit sind zunächst alle tatsächlichen Umstände gemeint, die nach Maßgabe von § 45 SGB X zur tatbestandlichen Prüfung der Aufhebbarkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes erforderlich sind. Hierzu gehören alle Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass der begünstigende Verwaltungsakt ohne Rechtsgrund erlassen worden, also rechtswidrig ist. Der Begriff Kenntnis im Sinne des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X enthält zudem aber auch subjektive Elemente. So muss die Behörde im Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X regelmäßig ermitteln, ob der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hat.
24 
Durch die Mitteilung des Hauptzollamtes S. erhielt die Beklagte am 08.11.2004 Kenntnis von den objektiven Umständen und konkreten Beträgen, die für die Berechnung der Hilfebedürftigkeit zum Zeitpunkt des Leistungsbezuges bedeutsam waren. Sie konnte die Überzahlung von Alhi schon zu diesem Zeitpunkt errechnen. Ob die Berechnung schon direkt nach Kenntniserlangung erfolgte oder erst kurz vor der Anhörung lässt sich mangels Datumsangabe auf den Berechnungen in der Verwaltungsakte nicht mehr feststellen. Jedenfalls hat die Beklagte später ohne neuere Erkenntnisse die Alhi-Bewilligung allein aufgrund der schon seit dem 08.11.2004 vorliegenden Zahlen und Daten zurückgenommen. Die Rücknahme erfolgte jedoch erst mit Bescheid vom 30.06.2006, mithin mehr als ein Jahr und sieben Monate nach Kenntnis der Umstände, auf die die Beklagte die Rücknahmeentscheidung letztlich stützte.
25 
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für den Beginn der Frist aus § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X hier auf den Eingang der Mitteilung des Hauptzollamtes und nicht auf das Datum der Anhörung abzustellen. Zwar hatte die Beklagte neben diesen von ihr angenommenen objektiven Voraussetzungen für die Rücknahme (auch noch) die subjektiven Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X zu ermitteln und den Kläger nach § 24 Abs. 1 SGB X zur beabsichtigten Entscheidung anzuhören. Andererseits dürfte die Beklagte schon vor der Anhörung und bis zuletzt davon ausgegangen sein, dass der Kläger zumindest grob fahrlässig falsche Angaben bezüglich seines Vermögens gemacht hatte, da ihm die entsprechenden Aufklärungsunterlagen (Merkblätter für Arbeitslose) ausgehändigt wurden und er deren Kenntnisnahme bestätigte. Diese Annahme legte sie jedenfalls - ohne dass ein brauchbares Ermittlungsergebnis im Verwaltungsverfahren erzielt wurde - auch der angefochtenen Entscheidung zu Grunde. In Anbetracht dessen ist bereits zweifelhaft, ob die Beklagte nicht schon ab dem 08.04.2004 eine zumindest aus ihrer Sicht ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Aufhebung der Alhi-Bewilligung hatte (vgl. LSG Bayern, Urt. v. 28.05.2008, Az. L 9 AL 21/03, Rn. 40).
26 
Die Beklagte kann sich hier jedenfalls nicht darauf berufen, dass die Frist nach § 45 Abs. 4 SGB Xregelmäßig erst mit der Anhörung beginnt. Diese vom BSG aufgestellte Grundregel (BSG, Urt. v. 06.03.1997, Az. 7 RAr 40/96, Urt. v. 08.02.1996, Az. 13 RJ 35/94) gilt nicht ausnahmslos; vielmehr sind davon durchaus Ausnahmen zu machen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urt. v. 11.06.1998, Az. L 5 Kn 2/97, Rn 30, LSG Bayern, a.a.O.).
27 
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer lässt sich zunächst keine generelle Regel aufstellen, wie lang sich die Behörde zwischen Kenntniserlangung und Anhörung Zeit lassen darf, ohne dass eine Abweichung von dem oben genannten Grundsatz angezeigt ist. Eine Ausnahme ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn - wie hier - allein schon der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung bezüglich der objektiven Umstände und Tätigwerden der Behörde nach außen hin (Anhörung) mehr als ein Jahr beträgt und damit bereits länger ist als die Frist aus § 45 Abs. 4 SGB X selbst (vgl. LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 29 f.). Insoweit ist also im Interesse der Rechtssicherheit eine Grenzziehung geboten.
28 
Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass der Betroffene grundsätzlich von einer verwaltungsinternen Kenntnisnahme in aller Regel nichts erfährt. Er ist sich bis zur Anhörung zwar gar nicht bewusst, dass ein ihn begünstigender Bescheid gegebenenfalls aufgehoben wird; es entsteht also keine Art „Vertrauenstatbestand“ zu seinen Gunsten. Dies ist aber auch unerheblich, da § 45 Abs. 4 SGB X eben keine Kenntnis des Betroffenen von den verwaltungsinternen Vorgängen erfordert, sondern allein auf die Kenntnis der aufhebungsrelevanten Tatsachen innerhalb der Behörde abstellt. Zudem sind auch Fälle denkbar, in denen der Sachverhalt mit erster Kenntnisnahme durch die Behörde (objektiv wie subjektiv) vollständig aufgeklärt ist, sie keine Anhörung vornimmt (nach § 24 Abs. 2 SGB X, oder ohne gesetzlichen Grund - sie ist schließlich nachholbar, vgl. nur v. Wulffen in v. Wulffen, SGB X, 7. A. § 24 Rn. 11) und sogleich den Aufhebungsbescheid erlässt. Würde man in diesen Fällen etwa auf eine Kenntnisnahme des Betroffenen (durch Anhörung oder ein anderes Ereignis) als fristauslösendes Ereignis abstellen, liefe die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X stets leer.
29 
Stellte man ausnahmslos und ohne Grenzziehung auf die Anhörung ab, so würde es der Behörde nämlich ermöglicht, den Fristbeginn des § 45 Abs. 4 SGB X beliebig hinauszuzögern und damit die Jahresfrist faktisch erheblich auszuweiten und letztlich auszuhebeln, indem sie die Anhörung zu einem beliebigen Zeitpunkt (oder gar nicht) vornimmt. Dem steht jedoch der Schutzzweck des § 45 Abs. 4 SGB X entgegen, der dem Bestreben nach zügiger Rechtssicherheit und dem Verwirkungsgedanken Rechnung tragen soll (Schütze in v. Wulffen, SGB X, 7. A. Rn. 80, LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Soweit sich die Beklagte auf organisatorische Probleme bei der damaligen Bearbeitung der TCMB-Fälle beruft, ist dies zwar nachvollziehbar, kann aber vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung keine andere Bewertung rechtfertigen.
30 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass

1.
rechtswidrige nicht begünstigende Verwaltungsakte nach den Absätzen 1 und 2 nicht später als vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Verwaltungsakt bekanntgegeben wurde, zurückzunehmen sind; ausreichend ist, wenn die Rücknahme innerhalb dieses Zeitraums beantragt wird,
2.
anstelle des Zeitraums von vier Jahren nach Absatz 4 Satz 1 ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Abweichend von Satz 1 gelten die §§ 45, 47 und 48 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit nicht aufzuheben ist, wenn sich ausschließlich Erstattungsforderungen nach § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches von insgesamt weniger als 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ergäben. Bei der Prüfung der Aufhebung nach Satz 3 sind Umstände, die bereits Gegenstand einer vorherigen Prüfung nach Satz 3 waren, nicht zu berücksichtigen. Die Sätze 3 und 4 gelten in den Fällen des § 50 Absatz 2 des Zehnten Buches entsprechend.

(2) Entsprechend anwendbar sind die Vorschriften des Dritten Buches über

1.
(weggefallen)
2.
(weggefallen)
3.
die Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 330 Absatz 2, 3 Satz 1 und 4);
4.
die vorläufige Zahlungseinstellung nach § 331 mit der Maßgabe, dass die Träger auch zur teilweisen Zahlungseinstellung berechtigt sind, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erhalten, die zu einem geringeren Leistungsanspruch führen;
5.
die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Absatz 1, 2 und 5); § 335 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 ist nicht anwendbar, wenn in einem Kalendermonat für mindestens einen Tag rechtmäßig Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 1 gewährt wurde; in den Fällen des § 335 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 5 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 2 besteht kein Beitragserstattungsanspruch.

(3) Liegen die in § 44 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil dieser auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes

1.
durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist oder
2.
in ständiger Rechtsprechung anders als durch den für die jeweilige Leistungsart zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgelegt worden ist,
so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Bei der Unwirksamkeit einer Satzung oder einer anderen im Rang unter einem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift, die nach § 22a Absatz 1 und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden ist, ist abweichend von Satz 1 auf die Zeit nach der Entscheidung durch das Landessozialgericht abzustellen.

(4) Der Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach diesem Buch abschließend entschieden wurde, ist mit Wirkung für die Zukunft ganz aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41a vorläufig zu entscheiden wäre.

(5) Verstirbt eine leistungsberechtigte Person oder eine Person, die mit der leistungsberechtigten Person in häuslicher Gemeinschaft lebt, bleiben im Sterbemonat allein die dadurch eintretenden Änderungen in den bereits bewilligten Leistungsansprüchen der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen unberücksichtigt; die §§ 48 und 50 Absatz 2 des Zehnten Buches sind insoweit nicht anzuwenden. § 118 Absatz 3 bis 4a des Sechsten Buches findet mit der Maßgabe entsprechend Anwendung, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Monat des Todes der leistungsberechtigten Person überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht gelten.

(6) § 50 Absatz 1 des Zehnten Buches ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Gutscheine in Geld zu erstatten sind. Die leistungsberechtigte Person kann die Erstattungsforderung auch durch Rückgabe des Gutscheins erfüllen, soweit dieser nicht in Anspruch genommen wurde. Eine Erstattung der Leistungen nach § 28 erfolgt nicht, soweit eine Aufhebungsentscheidung allein wegen dieser Leistungen zu treffen wäre. Satz 3 gilt nicht im Fall des Widerrufs einer Bewilligungsentscheidung nach § 29 Absatz 5 Satz 2.

(7) § 28 des Zehnten Buches gilt mit der Maßgabe, dass der Antrag unverzüglich nach Ablauf des Monats, in dem die Ablehnung oder Erstattung der anderen Leistung bindend geworden ist, nachzuholen ist.

(8) Für die Vollstreckung von Ansprüchen der in gemeinsamen Einrichtungen zusammenwirkenden Träger nach diesem Buch gilt das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz des Bundes; im Übrigen gilt § 66 des Zehnten Buches.

(9) § 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.

(10) Erstattungsansprüche nach § 50 des Zehnten Buches, die auf die Aufnahme einer bedarfsdeckenden sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zurückzuführen sind, sind in monatlichen Raten in Höhe von 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs zu tilgen. Dies gilt nicht, wenn vor Tilgung der gesamten Summe erneute Hilfebedürftigkeit eintritt.

(1) Die Agentur für Arbeit kann die Zahlung einer laufenden Leistung ohne Erteilung eines Bescheides vorläufig einstellen, wenn sie Kenntnis von Tatsachen erhält, die kraft Gesetzes zum Ruhen oder zum Wegfall des Anspruchs führen und wenn der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, deshalb mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben ist. Soweit die Kenntnis nicht auf Angaben der Person beruht, die die laufende Leistung erhält, sind ihr unverzüglich die vorläufige Einstellung der Leistung sowie die dafür maßgeblichen Gründe mitzuteilen, und es ist ihr Gelegenheit zu geben, sich zu äußern.

(2) Die Agentur für Arbeit hat eine vorläufig eingestellte laufende Leistung unverzüglich nachzuzahlen, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, zwei Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben ist.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.