Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Juli 2018 - L 11 AS 329/18 B ER

bei uns veröffentlicht am19.07.2018

Tenor

I. Der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.02.2018 wird aufgehoben, soweit der Antragsgegner zur vorläufigen Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts über Juni 2018 hinaus verpflichtet worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

III. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt B., A-Stadt, beigeordnet.

Gründe

I.

Streitig sind im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der Antragsteller (ASt) ist kroatischer Staatsangehöriger und nach eigenen Angaben im März 2014 zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Am 01.06.2015 beantragte er beim Antragsgegner (Ag) Alg II. Es sei ab 22.04.2014 als selbständiger Fliesenleger tätig gewesen, könne aber die Tätigkeit wegen einer unfallbedingten Knieverletzung aktuell nicht ausüben. Hierzu legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, wonach er seit 26.05.2015 arbeitsunfähig sei. Das Gewerbe wurde zum 30.06.2015 abgemeldet. Im Weiteren erlitt der ASt eine Schulterverletzung und einen Herzinfarkt, zudem leidet er unter einer seelischen Störung und Wirbelsäulenproblemen. Das Zentrum Bayern Familie und Soziales stellte unter dem 12.03.2018 einen GdB von 40 ab dem 09.10.2017 fest.

Der Ag bewilligte Alg II ab Juni 2015 bis zuletzt November 2017 (Bescheid vom 26.10.2016 idF des Änderungsbescheides vom 26.11.2016). Einen Weiterbewilligungsantrag vom 17.10.2017 lehnte der Ag mit Bescheid vom 15.11.2017 ab. Die Selbständigkeit sei zum 30.06.2015 aufgegeben worden und der für einen Leistungsanspruch notwendige Arbeitnehmerstatus wirke nur für zwei Jahre nach Beginn der unverschuldeten Arbeitslosigkeit nach. Dagegen legte der ASt Widerspruch ein. Nach einem Vermerk des Ag dazu vom 08.12.2017 habe der ASt die selbständige Tätigkeit nach mehr als einem Jahr unfreiwillig aufgegeben. Laut Arbeitsvermittlung liege Erwerbsfähigkeit vor. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 zurückgewiesen. Über die dagegen beim Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (S 13 AS 71/18) ist bislang nicht entschieden. Mit Bescheid vom 17.04.2018 bewilligte der Ag nach § 41a Abs. 1 SGB II vorläufig Alg II für die Zeit vom 12.01.2018 bis 30.06.2018. Unter Umsetzung des (streitgegenständlichen) Beschlusses des SG vom 28.02.2018 werde Alg II vorläufig, längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache gewährt. Auf einen vom ASt im Juni 2018 gestellten Weiterbewilligungsantrag bewilligte der Ag vorläufig Leistungen für die Monate Juli 2018 bis Dezember 2018 iHv 609 € monatlich. Gründe für den Vorläufigkeitsvorbehalt sind nicht angegeben.

Bereits am 12.01.2018 hat der ASt beim SG einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Nach Abmeldung seines Gewerbes sei er kontinuierlich arbeitsunfähig gewesen. Es bestehe keine zeitliche Einschränkung des privilegierten Freizügigkeitsrechts beim unfreiwilligen Verlust einer Beschäftigung oder Aufgabe einer selbständigen Tätigkeit. Dies sehe auch weder die Weisung der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II noch eine aktuelle Entscheidung des EuGH vom 20.12.2017 vor. Es liege eine nur vorübergehende Erwerbsminderung vor, da es keine negative Prognose gebe. Zumindest die Wiederherstellung einer eingeschränkten Arbeitsfähigkeit sei anzunehmen. Mit Beschluss vom 20.02.2018 hat das SG die Stadt A-Stadt beigeladen. In der mündlichen Verhandlung am 28.02.2018, an der auch zwei ehrenamtliche Richter teilgenommen haben, hat das SG - mangels entsprechendem Vermerk in der Niederschrift offenbar ohne Beratung und ausweislich der schriftlichen Fassung des Beschlusses ohne ehrenamtliche Richter - den Ag verpflichtet, vorläufig ab 12.01.2018 längstens bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache Alg II zu gewähren. Ein Leistungsausschluss liege beim ASt nicht vor. Mangels ausdrücklicher Regelung im Gesetz sei das Fortbestehen des Arbeitnehmerstatus bzw Selbständigenstatus nicht auf zwei Jahre begrenzt. Eine restriktive Auslegung unter Berücksichtigung veralteten EWG-Rechts scheide aus. Das BSG habe die Frage bislang offengelassen.

Dagegen hat der Ag am 12.04.2018 Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und unter dem 12.06.2018 zur Begründung ausgeführt, man schließe sich der Auffassung des 16. Senats des LSG (Beschluss vom 20.06.2016 - L 16 AS 284/16 B ER) an, wonach die Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft zeitlichen Grenzen unterliege. Andernfalls wäre der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts bereits nach einem Jahr beruflicher Tätigkeit möglich. Der ASt ist dem entgegengetreten und hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vom Ag vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz - auch die des Verfahrens S 13 AS 71/18 - Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Ag ist zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber lediglich teilweise begründet. Nur soweit das SG die vorläufige Zahlungsverpflichtung des Ag nicht auf die Zeit bis einschließlich Juni 2018 beschränkt hat, ist die Beschwerde erfolgreich.

Das SG hat in verfahrensfehlerhafter Besetzung entschieden. Ausweislich der Niederschrift und des ausgefertigten Beschlusses vom 28.02.2018 hat es alleine durch die Vorsitzende der 13. Kammer über den Antrag des ASt auf Erlass einer einstweiligen Anordnung entschieden. Der Beschluss erging jedoch nicht außerhalb, sondern gerade innerhalb der mündlichen Verhandlung, so dass nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG die ehrenamtlichen Richter hätten mitwirken müssen. Dies ist nicht erkennbar, da dem Protokoll nicht zu entnehmen ist, dass eine Beratung stattgefunden hat und zudem auch in der Ausfertigung des Beschlusses vom 28.02.2018 festgehalten ist, dass dieser durch die Vorsitzende alleine „mit mündlicher Verhandlung“ ergangen ist. Damit liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor (vgl auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 12b Rn 12). Da die Entscheidung in der Sache aber - mit Ausnahme der nachträglich vorzunehmenden zeitlichen Beschränkung - zutreffend ist, wirkt sich dieser Fehler im Beschwerdeverfahren nicht mehr aus.

Streitgegenstand sind im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorläufige Leistungen ab 12.01.2018. Der ASt begehrt die Weiterzahlung von Alg II. Allerdings ist der zeitliche Umfang des Streits auf die Zeit bis einschließlich Juni 2018 begrenzt. Maßgeblich für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist der Gegenstand eines entsprechenden Hauptsacheverfahrens, das dem Eilverfahren zugrunde liegen könnte (vgl Beschlüsse des Senats vom 18.06.2018 - L 11 AS 440/18 B ER -, vom 08.02.2013 - L 11 AS 21/13 B ER - juris - und vom 25.05.2011 - L 11 AS 328/11 B ER). Nachdem der Ag zwischenzeitlich mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2018 über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 15.11.2017 entschieden und der ASt dagegen eine Klage beim SG (S 13 AS 71/18) erhoben hat, stellt dieses Verfahren das maßgebliche Hauptsacheverfahren dar. Der dortige Streitgegenstand ist auf Leistungen für Dezember 2017 bis Juni 2018 beschränkt. Der ASt hat im Juni 2018 - im Hinblick auf ihm vorläufig bewilligte Leistungen bis lediglich einschließlich Juni 2018 im Bescheid vom 17.04.2018 - für die Zeit ab Juli 2018 einen Weiterbewilligungsantrag gestellt, über den der Ag mit Bescheid vom 05.06.2018 entschieden und vorläufiges Alg II für die Zeit von Juli bis Dezember 2018 bewilligt hat. Jedenfalls mit der Entscheidung über den Folgeantrag ab Juli 2018, in der der Ag auch über die Möglichkeit eines Widerspruchs gegen den Bescheid hingewiesen hat, ist der von dieser Entscheidung betroffene Zeitraum nicht mehr Gegenstand des Verfahrens gegen einen vorangegangenen Ablehnungsbescheid. Der neue Bescheid wird auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens (vgl dazu BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/06 R - und Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R - beide zitiert nach juris). Soweit im Tenor des Beschlusses des SG vom 28.02.2018 keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung für die vorläufige Verpflichtung des Ag zur Zahlung von Alg II festgehalten ist - dies war mangels seinerzeitiger Folgeantragstellung und Bescheiderlass auch noch nicht angezeigt -, war dieser abzuändern.

In der Hauptsache kann der ASt sein Begehren zulässigerweise mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) verfolgen, so dass § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 25.10.1998 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69 (74); Beschluss vom 19.10.1977 - 2 BvR 42/76 - BVerfGE 46, 166 (179); Beschluss vom 22.11.2002 - 2 BvR 745/88 - NJW 2003, 1236).

Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der ASt sein Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat der ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl, § 86b Rn 41).

Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem vom BVerfG vor-gegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.

Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 - juris); eine lediglich summarische Prüfung genügt nicht. Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine - nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende - Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13; Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Breith 2005, 803; weniger eindeutig: BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 - juris).

Ein Anordnungsanspruch kann vorliegend (derzeit) nicht mit Sicherheit verneint werden. Grundsätzlich erfüllt der ASt die Leistungsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Alg II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist erwerbsfähig - zumindest gibt es bislang keine hinreichenden Feststellungen des Ag, dass dies im Hinblick auf die beim ASt vorliegenden Erkrankungen nicht mehr der Fall ist - sowie hilfebedürftig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 19 Abs. 1 Satz 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Fraglich ist allein, ob der ASt nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Danach sind ausgeschlossen, Ausländerinnen und Ausländer, (a) die kein Aufenthaltsrecht haben, (b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder (c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl L 141 vom 27.05.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl L 107 vom 22.04.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten.

Dem ASt könnte jedoch ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bzw 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) zustehen. Danach bleibt das Recht nach Absatz 1 für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei (1.) vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall, oder (2.) unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit.

Aufgrund der unbestrittenen selbständigen Tätigkeit des ASt, der als kroatischer Staatsangehöriger Unionsbürger ist, in der Zeit zwischen April 2014 und Juni 2015 stand ihm während dieser Zeit ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zu (niedergelassener selbständiger Erwerbstätiger). Dieses Aufenthaltsrecht bestand - zunächst unstreitig - fort, da der ASt vorübergehend erwerbsgemindert infolge Krankheit oder Unfall ist (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU) bzw er die selbständige Tätigkeit nach mehr als einem Jahr infolge von Umständen einstellen musste, auf die er keinen Einfluss gehabt hatte (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU). Die Dauer der Tätigkeit betrug mehr als ein Jahr, so dass eine Befristung der Fortgeltung dieses Rechts auf sechs Monate nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU nicht in Betracht kommt. Umstritten ist lediglich, ob sich der ASt für den hier maßgeblichen Zeitraum ab 12.01.2018 (bzw für den Weiterbewilligungsabschnitt ab Dezember 2017) noch immer auf dieses Aufenthaltsrecht berufen kann. Das BSG hat hierzu im Urteil vom 13.07.2017 (B 4 AS 17/16 R - juris) unter Verweis auf den Beschluss des BayLSG vom 20.06.2016 (L 16 AS 284/16 B ER - juris) und Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU Rn 107 ff einerseits sowie Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU Rn 38 andererseits die Frage offen gelassen, ob die Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft einer festen zeitlichen Grenze unterliege und diese nach einem Zeitraum von zwei Jahren zu ziehen sei, wie dies teilweise unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38/EG vertreten werde. Der Senat sieht dies als schwierige und umstrittene Rechtsfrage der Hauptsache an, die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keiner grundsätzlichen Klärung zugeführt werden kann (vgl dazu auch BVerfG, Beschluss vom 14.02.2017 - 1 BvR 2507/16 - juris). Soweit der Ag argumentiert, dass bei einer fehlenden zeitlichen Einschränkung der Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts bereits nach einem Jahr beruflicher Tätigkeit möglich wäre, ist anzumerken, dass § 2 Abs. 3 FreizügG/EU nicht nur eine solche zeitliche Voraussetzung beinhaltet, sondern gerade zusätzlich bestimmte Gründe fordert, der der Fortsetzung der Tätigkeit entgegen stehen, auf die der Unionsbürger gerade keinen Einfluss hat.

Am Vorliegen eines Anordnungsgrundes bestehen keine Zweifel. Es geht um existenzsichernde Leistungen und es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass der ASt in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt anderweitig, insbesondere durch Einkommen oder Vermögen, zu decken.

Da die (existenzsichernden) Leistungen für den im Hauptsacheverfahren maßgeblichen Bewilligungsabschnitt (bis Juni 2018) bereits vom Ag ausgezahlt worden sind und die einstweilige Anordnung im vorliegenden Verfahren nicht über Juni 2018 hinausreichen kann, vermag der Senat auch keine überwiegenden Interessen des Ag zu erkennen, den Beschluss des SG für die Zeit vor Juli 2018 aufzuheben. Eine Entscheidung über die Beschwerde vor Auszahlung der Leistungen für Juni 2018 Ende Mai 2018 war dem Senat nicht möglich, da die Beschwerdebegründung des Ag - trotz mehrfachen Anforderns - erst am 12.06.2018 bei Gericht eingegangen ist. Eine im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens mögliche (vorläufige) Herabsetzung des Betrages der einstweilen zugesprochenen Leistungen um bis zu 30 vH (vgl dazu zuletzt Beschluss des Senates vom 19.07.2017 - L 11 AS 439/17 B ER - juris) ist im Hinblick auf die bereits erfolgte Auszahlung nicht (mehr) angezeigt. Ob der ASt die infolge des Beschlusses des SG bereits ausgezahlten Leistungen abschließend behalten darf, kann mit der Durchführung des Hauptsacheverfahrens geklärt werden.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Ag mit Bescheid vom 17.04.2018 vorläufig nach § 41a Abs. 1 SGB II Alg II für den hier streitigen Zeitraum vom 12.01.2018 bis 30.06.2018 bewilligt hat. Es kann aber im Hinblick auf obige Ausführungen offen bleiben, ob die Auslegung des Hinweises am Ende des Bescheides, die Gewährung der Leistungen erfolge unter Umsetzung des Beschlusses des SG, dazu führt, dass lediglich ein Ausführungsbescheid anzunehmen wäre, oder eine Rücknahme des Bescheides vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens gar nicht in Betracht kommen und dieser einen Rechtsgrund für das vorläufige Behaltendürfen der Leistungen darstellen könnte, so dass auch aus diesem Grund die Beschwerde ohne Erfolg wäre (vgl zu dieser Problematik: LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12.09.2013 - L 8 AS 378/12 B ER - juris).

Auf die Beschwerde des Ag war daher (lediglich) der Tenor des Beschlusses des SG in zeitlicher Hinsicht abzuändern, im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.

Wegen der sich aus obigen Ausführungen ergebenden Erfolgsaussichten und dem Vorliegen der notwendigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war dem ASt PKH für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen und ihm sein Bevollmächtigter beizordnen (§ 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO).

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

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(3) Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

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2.
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(6) Die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen sind auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten, sofern sie insgesamt mindestens 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betragen. Das gilt auch im Fall des Absatzes 3 Satz 3 und 4.

(7) Über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn

1.
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1.
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2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

I. Der Bescheid des Jobcenter A-Stadt Stadt vom 15.11.2017, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.2018 wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 01.12.2017 bis 30.06.2018 Alg II endgültig zu gewähren.

III. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kläger, ein kroatischer Staatsangehöriger reiste am 14.03.2014 in die BRD ein und führte hier die Tätigkeit eines selbstständiges Fliesenlegers aus. Die Gewerbeanmeldung datiert vom 22.04.2014. Ende Mai 2015 konnte der Kläger seine selbstständige Tätigkeit nicht mehr ausüben. Seit 26.05.2015 ist er arbeitsunfähig. Die Gewerbeabmeldung erfolgte zum 30.06.2015. Am 10.05.2016 erlitt er darüber hinaus einen Herzinfarkt. Zwischenzeitlich ist ein GdB von 40 ab 09.10.2017 festgestellt.

Am 01.06.2015 beantragte der Kläger die Gewährung von Alg II. Mit Bescheid vom 26.10.2016 und Änderungsbescheid vom 26.11.2016 wurde Alg II für Juni 2015 bis November 2017 gewährt.

Am 17.10.2017 stellte der Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen, worauf mit Bescheid vom 15.11.2017 die Gewährung von Alg II abgelehnt und zur Begründung ausgeführt wurde, dass der Kläger zwar nach mehr als einjähriger beruflicher Tätigkeit einen Selbstständigenstatus habe, dies jedoch nur für zwei Jahre.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 08.12.2014 Widerspruch ein, der durch Bescheid vom 17.01.2018 zurückgewiesen wurde.

Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid wandte sich der Kläger mit der am 24.01.2018 erhobenen Klage. Zuvor hatte er am 12.01.2016 bereits beantragt, das Jobcenter im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu verpflichten.

Mit Beschluss vom 28.02.2018 verpflichtete das Sozialgericht die Antragsgegnerin das Jobcenter A-Stadt zur Gewährung von Alg II vorläufig ab 12.01.2018. Mit dem Beschluss vom 19.07.2018 begrenzte das LSG die Gewährung von Alg II vorläufig bis Junli 2018. Nachdem die Beklagte mit Bescheid vom 17.04.2018 Alg II vorläufig für den Zeitraum vom 12.01.2018 bis 30.06.2018 bewilligt hatte.

Auf den Widerbewilligungsantrag des Klägers wurde schließlich Alg II für Juli 2018 bis Dezember 2018 vorläufig gewährt, wobei keine Gründe für die Vorläufigkeit angegeben wurden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 15.11.17 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.01.18 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum vom 01.12.17 bis 30.06.18 endgültig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene schließt sich dem Antrag der Beklagten an.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Zu Unrecht hat die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.01.2018 die Gewährung von Alg II für die Zeit ab 01.12.2017 bis 30.06.2018 abgelehnt.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zu. Er ist zwar arbeitsunfähig jedoch erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Er ist unstreitig auch hilfebedürftig. Darüber hinaus ist der Kläger wie zur Überzeugung des Gerichts feststeht, nicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift sind vom Leistungsbezug lediglich Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Das Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich jedoch auch nach § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz EU, falls ein selbstständigen Status vorbesteht.

Nach dieser Vorschrift bleibt das Recht auf Einreise und Aufenthalt des Arbeitnehmers und selbstständig Erwerbstätigen unberührt. Bei vorübergehender Erwerbsminderung in Folge von Krankheit oder in Folge bei unfreiwilliger durch die zuständige Bundesagentur für Arbeit bestätigte Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbstständigen Tätigkeit in Folge von Umständen auf die der Selbstständige keinen Einfluss hat, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit.

Unstreitig hat der Kläger mehr als ein Jahr gearbeitet, sodass sein Selbstständigenstatus fortbesteht. Zwar hat das LSG in seiner Entscheidung vom 20.06.2016 L 16 AS 284/16 BER ausgeführt, dass das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz EU nur solange fortbesteht, wie die Arbeitnehmereigenschaft fortbesteht. Dies gelte jedoch nur für zwei Jahre. Das LSG schließt dies aus der Entstehungsgesichte des Artikel 7 Abs. 3 Richtlinie 2004/28/EWG. Zur Begründung des Kommissionsentwurfs der Richtlinie war ausgeführt worden, das die wesentlichen Bestimmungen des L 68/360/EWG übernommen wurden. In Artikel 7 Abs. 2 Richtlinie 68/360/EWG konnte die Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis beschränkt werden, nachdem der Arbeitnehmer länger als 12 Monate unfreiwillig arbeitslos war. Die Beschränkung durfte jedoch 12 Monate nicht unterschreiten. Somit blieb bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach EWG Recht das Aufenthaltsrecht für zwei Jahre erhalten.

Das LSG übertragt diese alten Regelungen auf § 2 Abs. 3 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz EU und schließt daraus, dass die Arbeitnehmereigenschaft für längstens 2 Jahre erhalten bleibt.

Dem kann das erkennende Gericht nicht folgen, denn Artikel 2 Abs. 3, Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz EU enthält eben gerade keine Begrenzung des Arbeitnehmerstatus bzw. Selbstständigenstatus. Eine restriktive Auslegung dergestalt, wie sie vom LSG vorgenommen wird, hält das erkennende Gericht nicht für möglich. Hätte der Gesetzgeber den Arbeitnehmerstatus auf zwei Jahre begrenzen wollen, hätte er dies in § 2 Freizügigkeitsgesetz EU regeln müssen. Eine Anspruchsbegrenzung ohne gesetzliche Grundlage erscheint verfassungswidrig. Möglicherweise wäre es wünschenswert, eine Begrenzung des Arbeitnehmerstatus einzuführen, sie würde sich auch in das Freizügigkeitsgesetz im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 1 Freizügigkeitsgesetz (Daueraufenthaltsrecht) gut einordnen. Eine solche Begrenzung gibt es aber nicht. Das BSG (Urteil vom 13.07.2017 B 4 AS 17/16 R Juris) hat es bislang offengelassen, ob eine Begrenzung des Arbeitnehmerstatus möglich ist. Für Einschränkungen von grundsätzlich bestehenden Ansprüchen bedarf es jedoch einer gesetzlichen Grundlage. Die Begrenzung kann nicht durch Auslegung veralteten EWG-Rechts ermittelt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte können die angefochteten Bescheide keinen Bestand haben. Die Beklagte war daher zu verurteilen, ab 01.12.2017 bis 30.06.2018 Alg II endgültig zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Jede Kammer des Sozialgerichts wird in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig. Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit.

(2) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten auf Grund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung gehört je ein ehrenamtlicher Richter dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Sind für Angelegenheiten einzelner Zweige der Sozialversicherung eigene Kammern gebildet, so sollen die ehrenamtlichen Richter dieser Kammern an dem jeweiligen Versicherungszweig beteiligt sein.

(3) In den Kammern für Angelegenheiten des Vertragsarztrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus den Kreisen der Krankenkassen und der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. In Angelegenheiten der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten wirken als ehrenamtliche Richter nur Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten mit. Als Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Psychotherapeuten gelten auch bei diesen oder in medizinischen Versorgungszentren angestellte Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die Mitglied der Kassenärztlichen oder Kassenzahnärztlichen Vereinigung sind.

(4) In den Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts wirken je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen und dem Kreis der Versorgungsberechtigten, der behinderten Menschen im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und der Versicherten mit; dabei sollen Hinterbliebene von Versorgungsberechtigten in angemessener Zahl beteiligt werden.

(5) In den Kammern für Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes wirken ehrenamtliche Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte mit.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Ablauf des Monats, in dem sie das 65. Lebensjahr vollenden. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:

für den
Geburtsjahrgang
erfolgt eine
Anhebung
um Monate
auf den Ablauf des Monats,
in dem ein Lebensalter
vollendet wird von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2016 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab 5.9.2015.

2

Der während des Revisionsverfahrens verstorbene frühere Kläger G (G), griechischer Staatsangehöriger, reiste im Dezember 2013 nach Deutschland ein und war im Zeitraum vom 1.12.2013 bis 15.10.2014 und vom 1.11.2014 bis 28.2.2015 jeweils in G beschäftigt, bevor er nach D verzog.

3

Der Beklagte gewährte G für die Zeit vom 1.3. bis 31.8.2015 Leistungen nach dem SGB II. Seinen Weiterbewilligungsantrag lehnte er mit der Begründung ab, dass G ein alleiniges Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche habe und damit der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II eingreife(Bescheid vom 28.7.2015). Auf den Widerspruch des G bewilligte der Beklagte aufgrund einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung SGB II-Leistungen noch für die Zeit vom 1.9. bis 4.9.2015 (Bescheid vom 4.11.2015) und wies im Übrigen den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.10.2015).

4

Das SG hat den Beklagten verurteilt, "dem Kläger Leistungen nach dem SGB II ab Antragstellung zu gewähren", und den Bescheid vom 28.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.10.2015 "entsprechend geändert" (Urteil vom 31.3.2016). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, G sei nicht gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, sondern nach § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 1 iVm § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) weiterhin freizügigkeitsberechtigt, weil er in jüngerer Vergangenheit zwei Beschäftigungsverhältnisse innegehabt habe, die zusammen länger als ein Jahr angedauert hätten. Dem stehe nicht entgegen, dass G nicht ununterbrochen mehr als ein Jahr tätig gewesen sei. Er habe seine Arbeitsstelle auch unfreiwillig verloren, was zwischen den Beteiligten unstreitig sei.

5

Mit der vom SG zugelassenen und mit Zustimmung der Klägerseite eingelegten Sprungrevision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II iVm § 2 Abs 3 FreizügG/EU. G habe sich als Ausländer iS des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II für die Zeit ab dem 5.9.2015 nicht mehr auf das Vorliegen eines Arbeitnehmerstatus berufen können. Bei zutreffendem Verständnis des § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU erfordere eine Tätigkeit von "mehr als einem Jahr" eine ununterbrochene Beschäftigungsdauer, die hier nicht vorliege. Eine Kumulierung kurzfristiger Beschäftigungen werde der Zielsetzung des Gesetzes, nämlich einem hinreichend integrierten Arbeitnehmer die Freizügigkeit zu erhalten, nicht gerecht.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Prozessbevollmächtigte des früheren Klägers beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe

9

Die statthafte (§ 161 Abs 2 Satz 2 SGG)und zulässige Sprungrevision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das SG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

10

Mit dem Tod des G im Revisionsverfahren hat auf Klägerseite zwar ein Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes stattgefunden. Eine Unterbrechung des Verfahrens (vgl § 202 SGG iVm § 239 ZPO) ist jedoch nicht eingetreten, weil G durch seine Prozessbevollmächtigte vertreten war (§ 246 ZPO). Diese führt den Rechtsstreit für die noch unbekannten Rechtsnachfolger fort (vgl BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 14/13 R - BSGE 116, 210 = SozR 4-3500 § 28 Nr 9, RdNr 10 mwN).

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des SG vom 31.3.2016, mit dem dieses G unter Abänderung des angefochtenen Bescheides vom 28.7.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zugesprochen hat. Die missverständliche Formulierung "ab Antragstellung" im Tenor des SG ist dahingehend auszulegen, dass sich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von SGB II-Leistungen auf den Zeitraum ab 5.9.2015 bezieht. Was mit der Wendung "ab Antragstellung" zum Ausdruck kommen sollte, ergibt sich aus der Zusammenschau von Tenor, Tatbestand und Entscheidungsgründen (vgl BSG vom 8.2.2007 - B 9b SO 5/05 R - juris RdNr 14; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 136 RdNr 5c). Das SG wollte die Bewilligung von Leistungen erkennbar nicht "ab Antragstellung" - einem Zeitpunkt, der vom Vordergericht weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen näher bestimmt worden ist -, sondern ab 5.9.2015 zusprechen; denn wie das SG selbst ausführt, wurden G mit Bescheid vom 4.11.2015 SGB II-Leistungen bis einschließlich 4.9.2015 bewilligt.

12

Gegen die vorbezeichneten Bescheide wendet sich die Klägerseite zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG), gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG). Dem Leistungsantrag steht nicht entgegen, dass G für den streitigen Zeitraum bereits aufgrund stattgebender Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufige Leistungen erhalten hat (vgl BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 17).

13

Im Rahmen des § 161 Abs 2 Satz 1 iVm § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die unbeschränkte Sachprüfung durch das BSG innerhalb der Grenzen des durch den Antrag bestimmten Streitgegenstands eröffnet. Dieses hat deshalb auch jene rechtlichen Gesichtspunkte zu würdigen, die das SG hier - im Gegensatz zur umfangreicheren Prüfung der Sach- und Rechtslage im Beschluss der 19. Kammer des SG Düsseldorf über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 1.10.2015 - unerörtert gelassen hat (vgl BSG vom 28.03.2000 - B 8 KN 3/98 U R - BSGE 86, 78 = SozR 3-1300 § 111 Nr 8, RdNr 13; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 170 RdNr 14). Wegen des in zeitlicher Hinsicht unbegrenzt gestellten Antrags und der vollständigen Leistungsablehnung hatte das SG über den geltend gemachten Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden (stRspr, vgl BSG vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 17.10.2013 - B 14 AS 58/12 R - BSGE 114, 249-257 = SozR 4-4200 § 11 Nr 65, RdNr 11); allein der Weiterbewilligungsantrag vom 5.1.2016 begründet keine zusätzliche Zäsur in zeitlicher Hinsicht, da der Beklagte diesen nicht verbeschieden hat (vgl auch BSG vom 1.6.2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28 RdNr 13; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 9).

14

Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen vermag der Senat allerdings nicht zu entscheiden, ob den Rechtsnachfolgern des G unter Berücksichtig von § 58 SGB I ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe des § 7 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.7.2016 geltenden Neufassung vom 13.5.2011, BGBl I 850, im folgenden: aF) über den 4.9.2015 hinaus zusteht.

15

Zwar erfüllte G nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht, war hilfebedürftig und hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ist, soweit - wie hier - kein Feststellungsverfahren (vgl § 44a SGB II) eingeleitet worden ist, bereits aus rechtlichen Gründen anzunehmen (stRspr, vgl BSG vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 = SozR 4-4200 § 15 Nr 3, RdNr 49; BSG vom 5.8.2015 - B 4 AS 9/15 R - juris RdNr 14).

16

Noch nicht abschließend kann aber darüber befunden werden, ob G dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II aF unterlegen hat. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind danach ua Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts(Nr 1) und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (Nr 2). Das Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) steht dem Leistungsausschluss wegen des von der Bundesregierung im Dezember 2011 erklärten Vorbehalts nicht entgegen (stRspr seit BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 18 ff).

17

Die Anwendbarkeit der hier allein in Betracht kommenden Ausschlussregelung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF erfordert nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG stets eine Prüfung des Grundes bzw der Gründe für eine im streitigen Leistungszeitraum (weiterhin) bestehende materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht nach den - im Wege eines Günstigkeitsvergleichs - anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes(vgl § 11 Abs 1 Satz 11 FreizügG/EU; siehe hierzu BSG vom 30.1.2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 34, RdNr 31 ff). Bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für ein mögliches anderes bzw bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches aus dem Zweck der Arbeitsuche hindert sozialrechtlich die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" iS von § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF bzw lässt den Leistungsausschluss "von vornherein" entfallen(stRspr, vgl BSG vom 25.1.2012 - B 14 AS 138/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 28 RdNr 20 f; BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46, RdNr 27). Über den Wortlaut der genannten Regelung hinaus sind auch diejenigen Unionsbürger "erst-recht" von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgenommen, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift des § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II aF ist insoweit planwidrig lückenhaft(stRspr seit BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 19 ff; vgl BSG vom 20.1.2016 - B 14 AS 35/15 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 47 RdNr 24; BSG vom 17.2.2016 - B 4 AS 24/14 R - juris RdNr 14).

18

Ob sich G auf ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU berufen konnte, vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des SG nicht abschließend zu entscheiden.

19

Nach § 2 Abs 1 iVm Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU sind ua Unionsbürger freizügigkeitsberechtigt, die sich im Bundesgebiet als Arbeitnehmer iS von Art 45 AEUV aufhalten wollen(vgl Hailbronner, Asyl- und Ausländerrecht, 4. Aufl 2016, RdNr 1434 ff; Epe in GK zum Aufenthaltsgesetz, § 2 RdNr 23 ff, Stand Oktober 2010). Arbeitnehmer ist danach jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen (vgl EuGH vom 10.9.2014 - Rs C-270/13 - NVwZ 2014, 1508 ff, juris RdNr 28; EuGH vom 26.3.2015 - Rs C-316/13 - NZA 2015, 1444 ff, juris RdNr 27; BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 18; BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R - BSGE 120, 149 = SozR 4-4200 § 7 Nr 43, RdNr 26 mwN). Der Umstand, dass eine Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses nur sehr wenige Arbeitsstunden leistet, kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass die ausgeübten Tätigkeiten nur untergeordnet und unwesentlich sind; unabhängig von der begrenzten Höhe des aus einer Berufstätigkeit bezogenen Entgelts und des begrenzten Umfangs der insoweit aufgewendeten Arbeitszeit ist indes nicht auszuschließen, dass die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung des betreffenden Arbeitsverhältnisses als tatsächlich und echt angesehen werden kann (vgl EuGH vom 4.2.2010 - Rs C-14/09 - Slg 2010, I-931 ff, juris RdNr 26; EuGH vom 1.10.2015 - Rs C-432/14 - ZESAR 2016, 222 ff, juris RdNr 24).

20

Insoweit fehlen tatsächliche Feststellungen des SG zu den Tätigkeiten des G in Deutschland, die es erlauben würden zu beurteilen, ob diese Tätigkeiten eine Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts begründen konnten. Diese wird das SG im wiedereröffneten Ausgangsverfahren nachzuholen haben.

21

Sollte es zu dem Ergebnis gelangen, dass G als Arbeitnehmer anzusehen war, käme - entgegen der Auffassung der Beklagten - ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht in Betracht. Denn das Recht zum Aufenthalt - im Sinne einer nachwirkenden Freizügigkeitsberechtigung - bleibt unberührt bei unfreiwilliger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit (vgl § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU). In nationales Recht umgesetzt worden sind hiermit Vorgaben des Art 7 Abs 1 Buchst a) und Abs 3 Buchst b) der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog "Unionsbürgerrichtlinie", ABl EU Nr L 158, 77, berichtigt ABl EU Nr L 229, 35).

22

§ 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU setzt keine ununterbrochene Tätigkeit von mehr als einem Jahr voraus. Auch durch Arbeitslosigkeit unterbrochene Tätigkeiten können das gesetzliche Erfordernis erfüllen (vgl SG Chemnitz vom 14.3.2017 - S 26 AS 405/17 ER - juris RdNr 7 ff; Leopold in jurisPK-SGB II, § 7 RdNr 99.12, Stand 8.6.2017; Brinkmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 49; Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 38; Tewocht in Beck'scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 52, Stand 1.2.2017; aA OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.5.2015 - 12 B 312/15 - juris; Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 85, Stand April 2013; Epe in GK-Aufenthaltsgesetz, § 2 FreizügG/EU RdNr 122, Stand Oktober 2010). Dies folgt aus einer an Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des FreizügG/EU ausgerichteten Gesetzesauslegung.

23

Entgegen der von dem Beklagten vertretenen Meinung steht dieser Auslegung zunächst nicht entgegen, dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU (AVV FreizügG/EU) vom 3.2.2016 (GMBl 2016, 86) ebenso wie diejenige vom 26.10.2009 (GMBl 2009, 1270) unter Ziffer 2.3.1.2 davon ausgehen, nur nach einer durchgängigen Beschäftigung von einem Jahr oder länger bestehe das Freizügigkeitsrecht grundsätzlich fort und nur bei unmittelbar aneinander anschließenden Beschäftigungen für verschiedene Arbeitgeber seien die Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen. Denn auf der Grundlage von Art 84 Abs 2 GG ergangene Verwaltungsvorschriften bilden im Verhältnis von Hoheitsträger und Bürger keinen rechtlichen Maßstab der gerichtlichen Überprüfung (vgl Kirchof in Maunz-Dürig, GG, Art 84 RdNr 178, Stand Januar 2011). Die Gerichte haben ihren Entscheidungen nur materielles Recht, zu dem Verwaltungsvorschriften nicht gehören, zugrunde zu legen und sind lediglich befugt, sich einer Gesetzesauslegung, die in einer Verwaltungsvorschrift vertreten wird, aus eigener Überzeugung anzuschließen (vgl BSG vom 30.9.2009 - B 9 VS 3/09 R - SozR 4-3200 § 82 Nr 1 RdNr 34 ff; BVerwG vom 26.6.2002 - 8 C 30.01 - BVerwGE 116, 332, 333).

24

Die Annahme, dass ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU erst nach ununterbrochener Tätigkeit von mehr als einem Jahr vorliegt, lässt sich nicht auf den Wortlaut des Gesetzes stützen. Mit der Wendung "nach mehr als einem Jahr Tätigkeit" wird ein deutlich weiterer Sachverhalt erfasst, der nicht auf das Merkmal einer durchgängigen Tätigkeit eingeengt werden kann. Der Gesetzestext hebt in diesem weiteren Sinne auf einen Durchlauf von Beschäftigungsmonaten und nicht auf aneinandergereihte Kalendermonate ab (vgl Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 38). Auch der Wortlaut der entsprechenden Bestimmung in Art 7 Abs 3 Buchst b) der Richtlinie 2004/38/EG, deren Umsetzung § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU dient und in unionsrechtskonformer Übereinstimmung mit dieser nationales Recht auszulegen ist(vgl BSG vom 27.5.2014 - B 5 RE 8/14 R - juris RdNr 58 ff), spricht von lediglich "mehr als einjähriger Beschäftigung", nicht aber von der Dauer einer Beschäftigung von mehr als einem Jahr, die zudem nicht unterbrochen werden darf. Eine richtlinien- und damit unionrechtskonforme Auslegung des nationalen Rechts darf hinter diesem weiten Verständnis nicht zurückbleiben.

25

In dieselbe Richtung weisen systematische Erwägungen. Dass der europäische Gesetzgeber insbesondere auch das alternative Erfordernis ununterbrochener Beschäftigungszeiten im Blick gehabt hat, zeigt die Regelung des Art 17 Abs 1 lit c) der Richtlinie 2004/38/EG, die für den Fall einer dreijährigen "ununterbrochenen Erwerbstätigkeit" die Möglichkeit eines vorzeitigen Rechts auf Daueraufenthalt eröffnet. Zum Daueraufenthaltsrecht bestimmt Art 16 Abs 1 der Richtlinie 2004/38/EG, dass Unionsbürger, die sich rechtmäßig fünf Jahre lang "ununterbrochen" im Aufnahmemitgliedstaat/Bundesgebiet aufgehalten haben, ein Daueraufenthaltsrecht erwerben. Wenn der Gesetzgeber im Übrigen aber im Kontext von Regelungen über Tätigkeitszeiten von einem Erfordernis der "Ununterbrochenheit" absieht, ist davon auszugehen, dass diese (Nicht-)Regelung dem gesetzgeberischen Willen entspricht und es hierbei sein Bewenden hat.

26

Zudem stellt der nationale Gesetzgeber in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgabe zum Daueraufenthaltsrecht in § 4a Abs 1 FreizügG/EU auf einen ständigen Aufenthalt von fünf Jahren und auch in Ausnahmeregelungen der Abs 2 bis 5 auf einen ständigen Aufenthalt in verkürzten Zeiträumen sowie ständige Tätigkeitszeiten ab(vgl § 4a Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU "während der letzten zwölf Monate im Bundesgebiet eine Erwerbstätigkeit ausgeübt"; § 4a Abs 2Nr 3 FreizügG/EU "drei Jahre ständig im Bundesgebiet tätig"). Als im Rahmen des RL-Umsetzungsgesetzes vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) § 2 FreizügG/EU neu gefasst und § 4a FreizügG/EU in das Gesetz eingefügt worden ist, sah der Gesetzgeber keine Veranlassung das Kriterium einer ständigen oder (unionsrechtlich) ununterbrochenen Dauer einer Tätigkeit entsprechend der im Gesetz enthaltenen Begrifflichkeiten auch in § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU - dessen Wortlaut im Zuge dieser Novellierung gerade eine präzisierende Ausgestaltung erfahren sollte(so ausdrücklich BT-Drucks 16/5065, S 208) - zu übernehmen. Der nationale Gesetzgeber war sich dieses Unterschieds also ersichtlich bewusst. Dies steht einer Korrektur dieser normativen Festlegung im Wege gerichtlicher Auslegung entgegen. Hinzu kommt, dass nur ein solches Normverständnis in Übereinstimmung mit dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz steht, wonach Vorschriften über die zu den Grundlagen der Union gehörende Freizügigkeit der Unionsbürger - wozu auch die Richtlinie 2004/38/EG rechnet - weit und Ausnahmen hiervon eng auszulegen sind (vgl hierzu EuGH vom 29.4.2004 - Rs C-482/01 u C-493/01 < Orfanopoulos und Olivieri> - Slg 2004, I-5257 ff, juris RdNr 64; EuGH vom 16.1.2014 - Rs C-423/12 - InfAuslR 2014, 85 ff, juris RdNr 23).

27

Diese Auslegung des § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU steht auch in Einklang mit dessen Satz 2 und nimmt dieser Regelung nicht ihre Bedeutung(so aber Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 85, Stand April 2013). Denn allein die Sonderregelung des Satzes 2 erfasst Fälle einer unfreiwilligen, durch die Agentur für Arbeit bestätigten Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung und lässt das fortwirkende Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach Abs 1 während der kürzeren Dauer von sechs Monaten unberührt.

28

Teleologische Gesichtspunkte stützen eine solche Auslegung ebenfalls. In gleicher Weise wie die Richtlinie 2004/38/EG dienen auch die Regelungen des FreizügG/EU der Erleichterung der Ausübung der Freizügigkeit, wobei die Maßnahmen der Mitgliederstaaten je nach Grad der Integration in das betreffende Land von der Ausdehnung des Aufenthaltsrechts bis zur Zuerkennung eines Daueraufenthaltsrechts reichen können (vgl Entwurfsbegründung der Kommission zur Unionsbürgerrichtlinie vom 23.5.2001, KOM <2001>257 endg S 2 f; BT-Drucks 15/420, S 103). Hat ein Unionsbürger Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats gefunden, stellt dies neben zeitlichen und territorialen Faktoren ein zu berücksichtigendes qualitatives Element im Zusammenhang mit dem Grad der Integration im Aufnahmemitgliedstaat dar (vgl auch EuGH vom 16.1.2014 - Rs C-378/12 - InfAuslR 2014, 81 ff, juris RdNr 25).

29

Der hiernach mit § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU verfolgte Zweck, einem genügend in den Arbeitsmarkt integrierten Arbeitnehmer das Freizügigkeitsrecht bei Eintritt unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zu erhalten, erfordert keine ununterbrochene Beschäftigungsdauer von "mehr als einem Jahr", um in der gebotenen Weise sichergestellt zu sein(so aber OVG Nordrhein-Westfalen vom 22.5.2015 - 12 B 312/15 - juris RdNr 20; Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 85, Stand April 2013). Strebt etwa ein Freizügigkeitsberechtigter in einem Beschäftigungsverhältnis einen Wechsel des Arbeitgebers an, so kann das Integrationsbestreben des Betroffenen nicht allein wegen dieses Ansinnens in Frage gestellt werden. Im Gegenteil kann ein Wechsel des Arbeitsplatzes trotz einer dadurch ggf entstehenden kürzeren Unterbrechung der Tätigkeit auf ein Integrationsbestreben hindeuten. Der Zwang, für die Dauer eines Jahres durchgehend in einem Arbeitsverhältnis zu verbleiben, kann sich andererseits als kontraproduktiv für die Integration des Unionsbürgers erweisen.

30

Schließlich finden sich weder in der Entstehungsgeschichte der Richtlinie 2004/38/EG noch in der des FreizügG/EU Anhaltspunkte dafür, nur bei einer ununterbrochenen Tätigkeit von mehr als einem Jahr eine nachwirkende Freizügigkeitsberechtigung einzuräumen. Die Gesetzesmaterialien zum FreizügG/EU weisen lediglich darauf hin, dass "die Neufassung des Absatzes 3 den Art 7 Abs 3 der Freizügigkeitsrichtlinie umsetzt" (vgl BT-Drucks 16/5065, S 208). Wie aber bereits dargelegt, stellt Art 7 Abs 3 Buchst b) der Richtlinie 2004/38/EG auf den Erhalt der Erwerbstätigeneigenschaft des Unionsbürgers bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach "mehr als einjähriger Beschäftigung" ab, während sich das Unionsrecht allein in Art 17 Abs 1 lit c) der Richtlinie 2004/38/EG auf die Ununterbrochenheit einer Tätigkeit bezieht und letzteres Kriterium eben nicht Eingang in die Regelung eines fortwirkenden Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer gefunden hat. Setzt der nationale Gesetzgeber Art 7 Abs 3 Buchst b) der Richtlinie um, kann hinter dieser zurückbleibend nicht das Erfordernis einer ununterbrochen Tätigkeit von mehr als einem Jahr in die Bestimmung des § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU hineingelesen werden.

31

Der vorliegende Fall einer nur einmaligen, kurzfristigen Unterbrechung von 15 Tagen im Verlauf einer insgesamt 14,5 Monate andauernden evtl Beschäftigung in zwei Tätigkeiten gibt keinen Anlass der weiteren Frage nachzugehen, ob der am Integrationsgedanken orientierten Zielsetzung des Gesetzes in § 2 Abs 3 Satz 1 Nr 2 FreizügG/EU auch dann noch entsprochen wäre, wenn in Addition zahlreicher kurzfristiger oder durch längere Zeiten unterbrochener Beschäftigungsverhältnisse es nur auf längere Sicht und eher zufällig zu einer Tätigkeit von "mehr als einem Jahr" käme.

32

Im wiedereröffneten Ausgangsverfahren wird das SG noch weitere Umstände zu beachten haben, die für den geltend gemachten Anspruch von Bedeutung sind. Im Revisionsverfahren ist zuletzt eine Erwerbsunfähigkeit des G aufgrund seiner schweren Krebserkrankung, die möglicherweise sogar zu seinem Tod geführt hat, deutlich geworden. Das SG wird somit aufzuklären haben, ob und ggf ab wann G möglicherweise nicht nur vorübergehend erkrankt und ob er wegen dieser Krankheit bereits dauerhaft aus dem Arbeitsleben ausgeschieden war. In diesem Fall wäre auch das Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs 3 FreizügG/EU erloschen, eine rechtliche Folge, die auch schon vor Inkrafttreten des FreizügG/EU bestanden hatte (vgl EuGH vom 26.5.1993 - Rs C-171/91 < Tsiotras> - Slg 1993, I-2925 ff, juris RdNr 16 ff; Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 81, Stand April 2013; Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 35 und 38; Epe in GK zum Aufenthaltgesetz, § 2 FreizügG/EU RdNr 29 und 121, Stand Oktober 2010; Franzen in Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl 2012, Art 45 AEUV RdNr 32).

33

Ggf wird das SG auch darüber zu befinden haben, ob die Fortgeltung der Arbeitnehmereigenschaft einer festen zeitlichen Grenze unterliegt und diese nach einem Zeitraum von zwei Jahren zu ziehen ist, wie dies teilweise unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des Art 7 Abs 3 der Richtlinie 2004/38/EG vertreten wird (vgl BayLSG vom 20.6.2016 - L 16 AS 284/16 B ER - juris RdNr 27; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 107 ff; aA Oberhäuser in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 38).

34

Des Weiteren enthält das Urteil des SG keine Feststellungen zum Tatbestandsmerkmal der unfreiwilligen, durch die zuständige Bundesagentur für Arbeit bestätigten Arbeitslosigkeit. Deren Bestätigung über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit ist jedoch Voraussetzung für das Fortbestehen des Freizügigkeitsrechts im Sinne einer konstitutiven Bedingung (vgl Tewocht in Beck´scher Online-Kommentar Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU RdNr 51, Stand 1.2.2017; Brinkmann in Huber, Aufenthaltsgesetz, 2. Aufl 2016, § 2 FreizügG/EU RdNr 50). Soweit das SG in diesem Zusammenhang ausführt, die Unfreiwilligkeit des Arbeitsplatzverlustes sei zwischen den Beteiligten "nicht streitig", verbindet sich hiermit keine Tatsachenfeststellung iS von § 163 SGG, die dem Revisionsgericht eine Prüfung des vom Vordergericht gezogenen Subsumtionsschlusses erlauben könnte(vgl BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - juris RdNr 26; Berchtold in Berchtold/Richter, Prozesse in Sozialsachen, 2. Aufl 2016, § 6 RdNr 422).

35

Sollte das SG zu dem Ergebnis kommen, dass G ganz oder ggf ab einen bestimmten Zeitpunkt von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen war, wird es unter Berücksichtigung von § 59 SGB I(zur Vererblichkeit von Sozialhilfeansprüchen vgl BSG vom 23.7.2014 - B 8 SO 14/13 R - BSGE 116, 210-222 = SozR 4-3500 § 28 Nr 9, RdNr 12) über Ansprüche der Rechtsnachfolger auf existenzsichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII iVm dem EFA zu befinden haben (vgl BSG vom 17.3.2016 - B 4 AS 32/15 R - juris RdNr 20), was eine Beiladung des Sozialhilfeträgers (so genannte unechte Beiladung <§ 75 Abs 2 2. Alt SGG>; vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242, 244 f = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 11; BSG vom 25.4.2013 - B 8 SO 16/11 R - juris RdNr 10) erfordern würde.

36

Das SG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen ist vorläufig zu entscheiden, wenn

1.
zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder
2.
ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist.
Besteht eine Bedarfsgemeinschaft aus mehreren Personen, ist unter den Voraussetzungen des Satzes 1 über den Leistungsanspruch aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vorläufig zu entscheiden. Eine vorläufige Entscheidung ergeht nicht, wenn Leistungsberechtigte die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, zu vertreten haben.

(2) Der Grund der Vorläufigkeit ist anzugeben. Die vorläufige Leistung ist so zu bemessen, dass der monatliche Bedarf der Leistungsberechtigten zur Sicherung des Lebensunterhalts gedeckt ist; davon ist auszugehen, wenn das vorläufig berücksichtigte Einkommen voraussichtlich höchstens in Höhe des Absetzbetrages nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 6 von dem nach Satz 3 zugrunde zu legenden Einkommen abweicht. Hierbei sind die im Zeitpunkt der Entscheidung bekannten und prognostizierten Verhältnisse zugrunde zu legen. Soweit die vorläufige Entscheidung nach Absatz 1 rechtswidrig ist, ist sie für die Zukunft zurückzunehmen. § 45 Absatz 2 des Zehnten Buches findet keine Anwendung.

(3) Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

(4) Die abschließende Entscheidung nach Absatz 3 soll nach Ablauf des Bewilligungszeitraums erfolgen.

(5) Ergeht innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung nach Absatz 3, gelten die vorläufig bewilligten Leistungen als abschließend festgesetzt. Dies gilt nicht, wenn

1.
die leistungsberechtigte Person innerhalb der Frist nach Satz 1 eine abschließende Entscheidung beantragt oder
2.
der Leistungsanspruch aus einem anderen als dem nach Absatz 2 Satz 1 anzugebenden Grund nicht oder nur in geringerer Höhe als die vorläufigen Leistungen besteht und der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den Leistungsanspruch innerhalb eines Jahres seit Kenntnis von diesen Tatsachen, spätestens aber nach Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe der vorläufigen Entscheidung, abschließend entscheidet.

(6) Die aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachten Leistungen sind auf die abschließend festgestellten Leistungen anzurechnen. Soweit im Bewilligungszeitraum in einzelnen Kalendermonaten vorläufig zu hohe Leistungen erbracht wurden, sind die sich daraus ergebenden Überzahlungen auf die abschließend bewilligten Leistungen anzurechnen, die für andere Kalendermonate dieses Bewilligungszeitraums nachzuzahlen wären. Überzahlungen, die nach der Anrechnung fortbestehen, sind zu erstatten, sofern sie insgesamt mindestens 50 Euro für die Gesamtheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft betragen. Das gilt auch im Fall des Absatzes 3 Satz 3 und 4.

(7) Über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen kann vorläufig entschieden werden, wenn

1.
die Vereinbarkeit einer Vorschrift dieses Buches, von der die Entscheidung über den Antrag abhängt, mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesverfassungsgericht oder dem Gerichtshof der Europäischen Union ist oder
2.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung Gegenstand eines Verfahrens beim Bundessozialgericht ist.
Absatz 2 Satz 1, Absatz 3 Satz 2 bis 4 sowie Absatz 6 gelten entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.