Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren 8 Ca 161/16 durch den Vergleich vom 06.10.2016 wirksam beendet worden ist.

2. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 5.100,00.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.
Der Kläger war seit 26.11.2015 als Verkaufsberater Mobilfunk am Standort der Beklagten in Heilbronn mit einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt von EUR 1.700,00 beschäftigt. Bei der Beklagten sind mehr als 10 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beschäftigt; ein Betriebsrat ist eingerichtet.
Mit Schreiben vom 18.07.2016 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Mit Schreiben vom 04.08.2016 sprach die Beklagte eine weitere ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Der Kläger hat sich gegen die Kündigungen mit seiner Kündigungsschutzklage vom 01.08.2016 sowie der Klageerweiterung vom 05.08.2016 gewandt.
Im Vorfeld des Gütetermins fanden zwischen den Parteien Vergleichsverhandlungen statt; hierbei kursierten verschiedene Vergleichsfassungen.
Während beklagtenseits mit Fax vom 14.09.2016 (Abl. 24) ein Vorschlag nach § 278 Abs. 6 ZPO zur Beendigung des Rechtsstreits gemacht wurde, im Rahmen dessen sich die Beklagte verpflichten sollte, an den Kläger die vertragsgemäße Vergütung für die Monate Juli 2016, August 2016 und September 2016 abzurechnen und auszubezahlen bei gleichzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.09.2016, wandte sich der Klägervertreter seinerseits mit Mail vom 15.09.2016 (Anlage K 4, Abl. 39) an die Beklagte. Hierin wird folgendes ausgeführt:
"Sehr geehrter Herr W,
in dieser Sache wurde uns gestern noch die Juli-Abrechnung 2016 vorgelegt. Es wurde bereits ein Betrag von EUR 929,03 brutto abgerechnet. Allerdings unter Berücksichtigung eines Schadensersatzanspruchs von 550,00 EUR netto nur ein Betrag von 128,12 EUR netto ausbezahlt. Diese Zahlung ist bei der bisherigen Regelung noch nicht berücksichtigt. Zur Klarstellung würden wir daher wie folgt formulieren:
2. Die Beklagte verpflichtet sich an den Kläger das Grundgehalt für den Monat Juli 2016 in Höhe von EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits gezahlter 128,12 EUR netto, das Grundgehalt für den Monat August 2016 in Höhe von EUR 1.600,00 brutto und das anteilige Grundgehalt für den Monat September 2016 in Höhe von EUR 800,00 brutto bis spätestens 15.10.2016 zu bezahlen. …
Ansonsten verbleibt es bei den bisherigen Regelungen. …"
10 
Im Gütetermin vom 06.10.2016, den auf Seiten der Beklagten deren Abteilungsleiter Vertriebssteuerung, Herr W, wahrgenommen hat, schlossen die Parteien einen Vergleich. Protokolliert wurde insoweit der folgende Wortlaut:
11 
V e r g l e i c h:
12 
1. Die Parteien sind sich einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, fristgerechter und betriebsbedingter Kündigung vom 04.08.2016 ohne Verschulden einer Partei zum 15.09.2016 geendet hat.
13 
2. Die Beklagte verpflichtet sich, an den Kläger das Grundgehalt für den Monat Juli 2016 in Höhe von EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits bezahlter 1.228,12 EUR netto, sofern noch nicht geschehen, das Grundgehalt für den Monat August 2016 in Höhe von EUR 1.600,00 brutto und das anteilige Grundgehalt für den Monat September 2016 in Höhe von EUR 800,00 brutto bis spätestens 31.10.2016 zu bezahlen.
14 
Der Urlaubsanspruch des Klägers sowie ein eventuell bestehendes Freizeitguthaben und eventuelle Umsatzprovisionen für die Monate Juli, August und September 2016 sind ebenfalls bei der letzten Lohnabrechnung zu berücksichtigen und auszubezahlen.
15 
3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Beendigungszeugnis mit guter Leistungs- und Führungsbeurteilung sowie einer entsprechenden Bedauerns-, Dankes- und Wunschesformel zu erteilen.
16 
Bei Änderungswünschen darf die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen. Die Beklagte wird zukünftig auch nur Auskünfte im Sinne des Zeugnisses erteilen.
17 
4. Die Parteien sichern zu, Stillschweigen hinsichtlich des Hergangs, des Inhalts und des Ergebnisses dieses Vergleichs sowie des gesamten Arbeitsverhältnisses gegenüber jedermann zu wahren, es sei denn, sie sind gesetzlich zur Auskunft verpflichtet oder die Auskunft ist aus steuerlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Gründen gegenüber Behörden unbedingt erforderlich.
18 
5. Mit der Erfüllung dieses Vergleiches sind sämtliche wechselseitigen finanziellen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlass seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund sie bestehen und gleich ob bekannt oder unbekannt, insbesondere Schadensersatzansprüche, erledigt.
19 
6. Damit ist der Rechtsstreit bei Kostenaufhebung erledigt.
20 
7. Die Beklagte kann diesen Vergleich bis zum 13.10.2016 schriftlich widerrufen. Das den Widerruf enthaltende Schreiben muss bis zu diesem Zeitpunkt bei Gericht vorliegen.
21 
Im Protokoll befindet sich ferner der Vermerk, dass der Vergleich "laut diktiert, nochmals vorgespielt und genehmigt" wurde. Die vorläufige Aufzeichnung des Protokolls ist mit dem angeführten Wortlaut identisch.
22 
Der Vergleich wurde in der Folgezeit nicht seitens der Beklagten widerrufen.
23 
Nachdem die Beklagte in der Folgezeit korrigierte Lohnabrechnungen erstellte, jedoch nicht den ausgewiesenen Gesamtnettobetrag überwies unter Verweis auf das Protokoll, welches für den Monat Juli 2016 einen bereits bezahlten Betrag in Höhe von EUR 1.228,12 netto ausweist, stellte die Klägerseite mit Schriftsatz vom 06.12.2016 einen Antrag auf Protokollberichtigung dahin, dass es in Ziff. 2 des Vergleiches "128,12 EUR netto" und nicht "1228,12 EUR netto" heißen müsste .
24 
Die Beklagtenseite wandte sich gegen die Berichtigung des Protokolls.
25 
Mit Verfügung vom 04.01.2017 (Abl. 79) wurden die Parteien darauf hingewiesen, dass eine Protokollberichtigung nach § 164 Abs. 1 ZPO nicht erfolgen könne, da die vorläufige Aufzeichnung des Protokolls tatsächlich den Passus "abzüglich bereits bezahlter 1.228,12 EUR netto" enthalte. Zugleich erging an die Parteien der Hinweis, dass nach Erinnerung der Vorsitzenden eine Einigung der Parteien dahingehend stattgefunden habe, dass lediglich der in der (zu diesem Zeitpunkt vorliegenden) Abrechnung für den Monat Juli 2016 ausgewiesene Betrag in Höhe von EUR 128,12 netto unstreitig bereits bezahlt worden sei und daher das Protokoll aufgrund eines Protokollierungsfehlers die von den Parteien getroffene Einigung nicht zutreffend wiedergeben würde.
26 
Daraufhin hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 19.01.2017 den Vergleich gegenüber der Beklagten angefochten wegen Erklärungs-, Inhalts- bzw. Übermittlungsirrtums.
27 
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Vergleich wirksam angefochten worden sei. Die Parteien hätten sich tatsächlich lediglich auf eine bereits erfolgte Zahlung in Höhe von 128,12 EUR netto geeinigt. Sodann sei die Protokollierung durch das Gericht in falscher Weise erfolgt. Der Kläger habe sich dann über den Inhalt seiner Genehmigungserklärung geirrt, denn er habe eine Erklärung des Inhalts, dass bereits EUR 1.228,12 netto für Juli bezahlt worden seien, nicht abgeben wollen.
28 
Der Kläger stellt zum Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in der Sache folgende Anträge:
29 
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.07.2016 noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.07.2016 beendet wurde bzw. wird.
30 
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 04.08.2016 beendet wird.
31 
Die Beklagtenseite stellt folgende Anträge:
32 
1. Es wird festgestellt, dass der Prozess - geführt vor dem Arbeitsgericht Heilbronn - 8 Ca 161/16 durch Vergleichsschluss vom 06.10.2016 rechtskräftig beendet wurde.
33 
2. Hilfsweise für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens wird beantragt die Klage abzuweisen.
34 
3. Weiterhin hilfsweise für den Fall der Fortsetzung des Verfahrens wird beantragt, dass der Kläger verurteilt wird, an die Beklagte 20,00 EUR nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
35 
Der Kläger beantragt Abweisung der Widerklage.
36 
Die Beklagte bestreitet das Vorliegen eines Irrtums, der zur Anfechtung des Vergleichs berechtigen würde. Sie rügt ferner die Unverzüglichkeit der Anfechtung.
37 
Die Beklagte behauptet, dass der Vergleichstext in der protokollierten Form von den Parteien vorgegeben worden sei. Das Protokoll gebe die getroffene Einigung richtig wieder. Der mit der Widerklage geltend gemachte Zahlungsanspruch resultiere daraus, dass der Kläger den Kaufpreis einer Prepaid-Karte in Höhe von EUR 20,00 unterschlagen habe.
38 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
39 
Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Prozessvergleich vom 06.10.2016 hat den Rechtsstreit wirksam beendet.
I.
40 
Die Anträge des Klägers sind zulässig.
41 
Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08; BAG 11.07.2012 - 2 AZR 42/11).
42 
Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Streit auf das wirksame Zustandekommen des Vergleichs, wie dies im Fall der Anfechtung der Fall ist, bezieht. Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiter verfolgt werden soll, stünde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hätte (BAG 24.09.2015 - 2 AZR 716/14).
II.
43 
Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Prozessvergleich vom 06.10.2016 hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Über die Sachanträge einschließlich des Widerklag-Hilfsantrages ist nicht mehr zu entscheiden.
44 
1. Ein Prozessvergleich hat neben seinen materiell-rechtlichen Folgen unmittelbar prozessbeendende Wirkung (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z. B. BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08 -). Die Erledigung tritt grundsätzlich mit dem Abschluss des Vergleiches ein. Dies entspricht der Vereinbarung der Erledigung des Verfahrens, wie sie vorliegend in Ziffer 6 des Vergleiches vereinbart wurde.
45 
Allerdings tritt die prozessrechtliche Wirkung des Prozessvergleiches nur dann ein, wenn dieser materiell-rechtlich wirksam und als Prozesshandlung ordnungsgemäß ist (Zöller/Stöber, 31. Aufl., § 794 Rn. 15). Der Prozessvergleich weist insoweit eine Doppelnatur auf. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt, andererseits beruht er auch auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und alle übrigen Vorschriften des BGB gelten. Diese Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft ist maßgebend für die prozessrechtlichen Folgen materiell-rechtlicher Mängel des Prozessvergleichs, soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben (BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06). Die Unwirksamkeit des materiellen Vergleichs bewirkt daher nicht nur, dass er keine privatrechtlichen Wirkungen entfaltet, sondern auch, dass die Prozesshandlung als Begleitform des materiell-rechtlichen Vergleichs ihre Wirksamkeit verliert (Zöller a.a.O.).
46 
2. Der von den Parteien am 06.10.2016 abgeschlossene Prozessvergleich ist wirksam.
47 
Der Kläger hat diesen nicht erfolgreich angefochten, da ein Anfechtungsgrund nicht besteht.
48 
a) Gemäß § 119 Abs. 1 BGB kann derjenige, der bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgeben haben würde. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Erklärende eine Erklärung grundsätzlich so gegen sich gelten lassen muss, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, §§ 133, 157 BGB (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 9) . Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Erklärung nicht dem wahren Willen des Erklärenden entspricht. Nur in Ausnahmefällen kann das Auseinanderfallen von Willen und Erklärung Berücksichtigung finden (Palandt/Ellenberger, 76 Aufl. § 119 Rn. 1).
49 
b) Vorrangig vor einer möglichen Anfechtung einer Willenserklärung ist die Auslegung der Willenserklärung. Die Feststellung, dass Wille und Erklärung nicht übereinstimmen, setzt voraus, dass zunächst der Inhalt der Erklärung durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ermittelt wird. Eine Anfechtung entfällt, wenn die Auslegung ergibt, dass das Gewollte und nicht das Erklärte als Inhalt der Erklärung gilt. Hat der Erklärungsgegner den wirklichen Willen erkannt, so ist dieser maßgeblich, auch wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 119 Rn. 7).
50 
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Auf seinen Horizont und seine Verständnismöglichkeit ist bei der Auslegung abzustellen (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 9). Ein Sonderfall ist dann gegeben, wenn ein übereinstimmender Wille beider Parteien festgestellt werden kann, ohne dass dieser in der Erklärung nach objektiven Gesichtspunkten einen Ausdruck gefunden hat, sogenannte falsa demonstratio non nocet. Der übereinstimmende Wille ist rechtlich allein maßgeblich; das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung. Ein Fall der falsa demonstratio liegt aber nicht nur dann vor, wenn beide Parteien übereinstimmend eine falsche Ausdrucksweise benutzen. Vielmehr ist es ausreichend, dass der eine Teil sich eines objektiv falschen Ausdrucks bedient und der andere Teil dies erkennt. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu eigen gemacht hat; es genügt, dass er ihn erkannt hat (Palandt/ Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 8).
51 
Nach diesen Grundsätzen scheidet die Anfechtung einer irrig formulierten Erklärung also auch dann aus, wenn nur einer der Partner des Vertrages sich eines objektiv falschen Ausdrucks bedient. Der Erklärende ist nämlich nach den Regeln über die normative Vertragsauslegung an seine irrige Ausdrucksweise dann nicht gebunden, wenn dem anderen Teil dieser Irrtum offenbar auffallen und er gleichzeitig auch aus den Umständen unmissverständlich hatte erkennen müssen, was der Irrende wirklich erklären wollte (MüKo/BGB/ Armbrüster, 7. Aufl. § 119 Rn. 60).
52 
c) Eine Anfechtung ist vorliegend ausgeschlossen, da der Vergleich als materiell-rechtlicher Vertrag mit dem von der Klägerseite gewünschten und von der Beklagtenseite zutreffend erkannten Inhalt zustande gekommen ist. Der Kläger hat die Möglichkeit, den Inhalt der von den Parteien getroffenen Abrede im Wege eines Folgeprozesses durchzusetzen.
53 
aa) Die Parteien sind durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden, soweit es ihrem übereinstimmenden Willen entspricht (BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12).
54 
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel anderen Regeln folgt als seine Auslegung als materiell-rechtliche Vereinbarung. Während bei der Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel auf das Verständnis des Vollstreckungsorgans abzustellen ist (BAG a.a.O.), gilt für die Auslegung des Vergleichs hinsichtlich seines materiell-rechtlichen Vertragsinhalts, dass die Auslegung insoweit nach den Grundsätzen der Auslegung von Verträgen gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmen ist (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14).
55 
Damit können Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits auseinanderfallen (BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12). Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden und unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervortretenden Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat. Für diese Auslegung allein maßgeblich ist der protokollierte Inhalt des Vergleichs und nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien. Aus diesem Grunde können zur Auslegung eines Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel auch keine weiteren, außerhalb des Titels liegenden Umstände berücksichtigt werden. Das Vollstreckungsorgan muss sich aus Gründen der Rechtssicherheit auf den Titel als solchen verlassen können.
56 
Da der Vergleich jedoch auch ein Vertrag zwischen den Parteien ist (§ 779 BGB), finden bei seiner materiell-rechtlichen Auslegung die Grundsätze der Auslegung von Verträgen gemäß §§ 133, 157 BGB Anwendung (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14). Daher ist beispielsweise bei einem tatsächlich übereinstimmenden Willen das wirklich Gewollte, nicht das im Vergleich äußerlich Niedergelegte rechtlich verbindlich. Welchen Inhalt der Vergleich hat, kann in einem gerichtlichen (Folge-)Verfahren geltend gemacht werden (BAG 25.11.2008 - 3 AZB 64/08; OLG Frankfurt/ Main 13.05.1985 - 3 W 12/85). Die Auslegung hat vom Wortlaut auszugehen; zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. So sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck ebenso wie die Entstehungsgeschichte des Prozessvergleiches und die Äußerungen der Parteien hierzu zu berücksichtigen (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14).
57 
bb) Ziffer 2 des Vergleichs vom 06.10.2016 ist hinsichtlich der Vereinbarung des noch zu zahlenden Differenzgehaltes für den Monat Juli 2016 nach seinem materiell-rechtlichen Gehalt dahin auszulegen, dass sich die Parteien darauf geeinigt haben, dass für diesen Monat EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits bezahlter EUR 128,12 netto zu bezahlen sind, sofern zwischenzeitlich nicht bereits mehr als der genannte Betrag seitens der Beklagten für diesen Monat bezahlt worden ist.
58 
Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, der einen unstreitigen Abzugsbetrag in Höhe von EUR 1.228,12 netto ausweist. Während dieser Wortlaut für die Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel maßgeblich ist und der Kläger daher nur in diesem Umfang aus dem Vergleich vollstrecken kann, ist der materiell-rechtliche Gehalt des Vergleichs nach seiner Entstehungsgeschichte sowie den Rahmenumständen dennoch ein anderer. Die Erklärung, mit der der Kläger den Vergleich genehmigt hat, konnte seitens des Beklagtenvertreters nur dahin verstanden werden, dass man sich auf den zuvor mündlich besprochenen Differenzlohn in Höhe von EUR 1.600,00 brutto abzüglich geleisteter EUR 128,12 netto geeinigt hat. Die Tatsache, dass durch die Vorsitzende irrtümlich ein um EUR 1.100,00 höherer Abzugsbetrag diktiert wurde, ändert hieran nichts, denn über diesen Betrag ist zu keinem Zeitpunkt vorher gesprochen worden.
59 
Vielmehr wollten sich die Parteien im Gütetermin auf die bereits vorher besprochenen Eckpunkte einigen, nämlich, dass das Arbeitsverhältnis zum 15.09.2016 enden sollte und bis zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen wäre. Dies entspricht dem Entwurf, den die Beklagte mit Fax vom 14.09.2016 (Abl. 24) eingereicht hat und der den vorherigen Verhandlungen weitestgehend entsprach. Nach Unterbreitung eines entsprechenden gerichtlichen Vergleichsvorschlages meldete sich jedoch die Klägerseite mit dem Bemerken, man habe sich zuvor noch nicht abschließend geeinigt, da die Klägerseite Ziffer 2 des Vergleichs vollstreckbar formuliert haben wollte, was von Beklagtenseite zunächst abgelehnt wurde. Die Ziffer 2 des Vergleiches sollte nach dem Vorschlag der Klägerseite u. a. dahingehend lauten, dass für den Monat Juli 2016 noch EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits bezahlter EUR 128,12 netto bezahlt werden sollten. Der Betrag von EUR 128,12 netto entsprach dabei dem von der Beklagtenseite laut Abrechnung für den Monat Juli 2016, die der Klägerseite zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag, ausbezahlten Nettobetrag. Ausweislich dieser Abrechnung (Abl. 58) hatte die Beklagtenseite jedoch nur EUR 929,03 brutto abgerechnet und zudem eine Position "Schadensersatz" in Höhe von EUR 550,00 netto abgezogen.
60 
Im Termin vom 06.10.2016 erklärten die Parteien übereinstimmend, dass man sich nun auf die von Klägerseite vorgeschlagene Version des Vergleichs, also mit der veränderten Vergleichsklausel Ziffer 2 geeinigt habe. Der Vergleich wurde sodann von der Vorsitzenden in der Weise protokolliert, dass die Ziffern 1 bis 6 aus dem von der Beklagtenseite hereingereichten Vorschlag vom 14.09.2016 mit Ausnahme der Ziffer 2 abdiktiert wurden. Der Wortlaut von Ziffer 2 wurde sodann aus der Anlage K 4 (Abl. 39) übernommen, wobei zusätzlich der Ausdruck "sofern noch nicht geschehen" hinzugefügt wurde, weil zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Beklagte mehr als den abgerechneten Betrag in Höhe von EUR 128,12 netto bezahlt haben könnte.
61 
Von EUR 1.228,12 war hingegen zu keiner Zeit die Rede. Insoweit stellt es möglicherweise einen versuchten Prozessbetrug dar, wenn der nunmehrige Beklagtenvertreter in seinen Schriftsätzen behauptet, dass der protokollierte Vergleichstext den Wortlaut der Einigung der Parteien wiedergeben würde (so im Schriftsatz vom 20.12.2016 auf Seite 2) bzw. dass die Erklärungen wie protokolliert von den anwesenden Parteivertretern abgegeben, die Einigung auf Basis der abgegebenen Erklärungen festgestellt und zu Protokoll genommen worden sei (so im Schriftsatz vom 18.01.2017 auf Seite 1). Sämtliche Behauptungen dieser Art hat der Beklagtenvertreter im Termin vom 16.03.2017 zwar dahingehend versucht zu relativieren, dass diese ohne jegliche Erkundigung bei seiner Mandantschaft erfolgt seien, mithin reine Behauptungen ins Blaue hinein darstellen. Damit stellt der Beklagtenvortrag jedoch bereits kein erhebliches Bestreiten im Sinne von § 138 Abs. 2 ZPO dar mit der Folge, dass der Klägervortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.
62 
Die Entstehungsgeschichte des Vergleichs ist damit insoweit eindeutig und zwingt zu einer Auslegung des Vergleichs dahin, dass für den Monat Juli 2016 ein Vergütungsdifferenzbetrag von EUR 1.600,00 brutto abzüglich bezahlter EUR 128,12 netto vereinbart worden ist.
63 
Unerheblich ist, ob der Beklagtenvertreter im Gütetermin das irrtümlich fehlerhafte Diktat durch die Vorsitzende wahrgenommen hat oder nicht. Für den Fall, dass der Beklagtenvertreter dies ebenso wenig bemerkt hat wie der Klägervertreter und der persönlich anwesende Kläger, wäre eine falsa demonstratio non nocet ebenso gegeben, wie in dem Fall, dass der Beklagte erkannt hätte, dass ein falsches Diktat gegeben ist. Dem Beklagtenvertreter konnte insoweit nicht verschlossen bleiben, dass der Kläger zu einer Einigung nur dann bereit war, wenn für Juli lediglich ein Abzugsbetrag in Höhe von EUR 128,12 netto vereinbart werden würde. Der Beklagtenvertreter musste aus den Umständen des Vergleichsschlusses unmissverständlich erkennen, was der Kläger genehmigen wollte.
64 
3. Da andere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind, hat der Prozessvergleich vom 06.10.2016 das Verfahren beendet. Dies war auf Antrag der Beklagtenseite auch im Tenor auszusprechen.
65 
Die ausdrücklich nur für den Fall der Fortführung des Prozesses erhobene Widerklage stand daher ebenso wenig zur Entscheidung an wie die ursprünglich gestellten Sachanträge.
III.
66 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO. Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
67 
Für die Bemessung des Streitwertes nach § 61 Abs. 1 ArbGG hat sich die Kammer am Vierteljahresentgelt orientiert, §§ 3 ff. ZPO.

Gründe

 
39 
Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Prozessvergleich vom 06.10.2016 hat den Rechtsstreit wirksam beendet.
I.
40 
Die Anträge des Klägers sind zulässig.
41 
Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08; BAG 11.07.2012 - 2 AZR 42/11).
42 
Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der Streit auf das wirksame Zustandekommen des Vergleichs, wie dies im Fall der Anfechtung der Fall ist, bezieht. Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiter verfolgt werden soll, stünde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hätte (BAG 24.09.2015 - 2 AZR 716/14).
II.
43 
Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Prozessvergleich vom 06.10.2016 hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Über die Sachanträge einschließlich des Widerklag-Hilfsantrages ist nicht mehr zu entscheiden.
44 
1. Ein Prozessvergleich hat neben seinen materiell-rechtlichen Folgen unmittelbar prozessbeendende Wirkung (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. z. B. BAG 12.05.2010 - 2 AZR 544/08 -). Die Erledigung tritt grundsätzlich mit dem Abschluss des Vergleiches ein. Dies entspricht der Vereinbarung der Erledigung des Verfahrens, wie sie vorliegend in Ziffer 6 des Vergleiches vereinbart wurde.
45 
Allerdings tritt die prozessrechtliche Wirkung des Prozessvergleiches nur dann ein, wenn dieser materiell-rechtlich wirksam und als Prozesshandlung ordnungsgemäß ist (Zöller/Stöber, 31. Aufl., § 794 Rn. 15). Der Prozessvergleich weist insoweit eine Doppelnatur auf. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt, andererseits beruht er auch auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und alle übrigen Vorschriften des BGB gelten. Diese Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft ist maßgebend für die prozessrechtlichen Folgen materiell-rechtlicher Mängel des Prozessvergleichs, soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben (BAG 23.11.2006 - 6 AZR 394/06). Die Unwirksamkeit des materiellen Vergleichs bewirkt daher nicht nur, dass er keine privatrechtlichen Wirkungen entfaltet, sondern auch, dass die Prozesshandlung als Begleitform des materiell-rechtlichen Vergleichs ihre Wirksamkeit verliert (Zöller a.a.O.).
46 
2. Der von den Parteien am 06.10.2016 abgeschlossene Prozessvergleich ist wirksam.
47 
Der Kläger hat diesen nicht erfolgreich angefochten, da ein Anfechtungsgrund nicht besteht.
48 
a) Gemäß § 119 Abs. 1 BGB kann derjenige, der bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgeben haben würde. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Erklärende eine Erklärung grundsätzlich so gegen sich gelten lassen muss, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste, §§ 133, 157 BGB (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 9) . Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Erklärung nicht dem wahren Willen des Erklärenden entspricht. Nur in Ausnahmefällen kann das Auseinanderfallen von Willen und Erklärung Berücksichtigung finden (Palandt/Ellenberger, 76 Aufl. § 119 Rn. 1).
49 
b) Vorrangig vor einer möglichen Anfechtung einer Willenserklärung ist die Auslegung der Willenserklärung. Die Feststellung, dass Wille und Erklärung nicht übereinstimmen, setzt voraus, dass zunächst der Inhalt der Erklärung durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ermittelt wird. Eine Anfechtung entfällt, wenn die Auslegung ergibt, dass das Gewollte und nicht das Erklärte als Inhalt der Erklärung gilt. Hat der Erklärungsgegner den wirklichen Willen erkannt, so ist dieser maßgeblich, auch wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 119 Rn. 7).
50 
Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Bei der Auslegung dürfen nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung dem Empfänger bekannt oder für ihn erkennbar waren. Auf seinen Horizont und seine Verständnismöglichkeit ist bei der Auslegung abzustellen (Palandt/Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 9). Ein Sonderfall ist dann gegeben, wenn ein übereinstimmender Wille beider Parteien festgestellt werden kann, ohne dass dieser in der Erklärung nach objektiven Gesichtspunkten einen Ausdruck gefunden hat, sogenannte falsa demonstratio non nocet. Der übereinstimmende Wille ist rechtlich allein maßgeblich; das übereinstimmend Gewollte hat den Vorrang vor einer irrtümlichen oder absichtlichen Falschbezeichnung. Ein Fall der falsa demonstratio liegt aber nicht nur dann vor, wenn beide Parteien übereinstimmend eine falsche Ausdrucksweise benutzen. Vielmehr ist es ausreichend, dass der eine Teil sich eines objektiv falschen Ausdrucks bedient und der andere Teil dies erkennt. Hierbei ist es nicht erforderlich, dass sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zu eigen gemacht hat; es genügt, dass er ihn erkannt hat (Palandt/ Ellenberger, 76. Aufl. § 133 Rn. 8).
51 
Nach diesen Grundsätzen scheidet die Anfechtung einer irrig formulierten Erklärung also auch dann aus, wenn nur einer der Partner des Vertrages sich eines objektiv falschen Ausdrucks bedient. Der Erklärende ist nämlich nach den Regeln über die normative Vertragsauslegung an seine irrige Ausdrucksweise dann nicht gebunden, wenn dem anderen Teil dieser Irrtum offenbar auffallen und er gleichzeitig auch aus den Umständen unmissverständlich hatte erkennen müssen, was der Irrende wirklich erklären wollte (MüKo/BGB/ Armbrüster, 7. Aufl. § 119 Rn. 60).
52 
c) Eine Anfechtung ist vorliegend ausgeschlossen, da der Vergleich als materiell-rechtlicher Vertrag mit dem von der Klägerseite gewünschten und von der Beklagtenseite zutreffend erkannten Inhalt zustande gekommen ist. Der Kläger hat die Möglichkeit, den Inhalt der von den Parteien getroffenen Abrede im Wege eines Folgeprozesses durchzusetzen.
53 
aa) Die Parteien sind durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden, soweit es ihrem übereinstimmenden Willen entspricht (BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12).
54 
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel anderen Regeln folgt als seine Auslegung als materiell-rechtliche Vereinbarung. Während bei der Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel auf das Verständnis des Vollstreckungsorgans abzustellen ist (BAG a.a.O.), gilt für die Auslegung des Vergleichs hinsichtlich seines materiell-rechtlichen Vertragsinhalts, dass die Auslegung insoweit nach den Grundsätzen der Auslegung von Verträgen gemäß §§ 133, 157 BGB vorzunehmen ist (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14).
55 
Damit können Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits auseinanderfallen (BAG 31.05.2012 - 3 AZB 29/12). Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden und unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervortretenden Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat. Für diese Auslegung allein maßgeblich ist der protokollierte Inhalt des Vergleichs und nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien. Aus diesem Grunde können zur Auslegung eines Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel auch keine weiteren, außerhalb des Titels liegenden Umstände berücksichtigt werden. Das Vollstreckungsorgan muss sich aus Gründen der Rechtssicherheit auf den Titel als solchen verlassen können.
56 
Da der Vergleich jedoch auch ein Vertrag zwischen den Parteien ist (§ 779 BGB), finden bei seiner materiell-rechtlichen Auslegung die Grundsätze der Auslegung von Verträgen gemäß §§ 133, 157 BGB Anwendung (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14). Daher ist beispielsweise bei einem tatsächlich übereinstimmenden Willen das wirklich Gewollte, nicht das im Vergleich äußerlich Niedergelegte rechtlich verbindlich. Welchen Inhalt der Vergleich hat, kann in einem gerichtlichen (Folge-)Verfahren geltend gemacht werden (BAG 25.11.2008 - 3 AZB 64/08; OLG Frankfurt/ Main 13.05.1985 - 3 W 12/85). Die Auslegung hat vom Wortlaut auszugehen; zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. So sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck ebenso wie die Entstehungsgeschichte des Prozessvergleiches und die Äußerungen der Parteien hierzu zu berücksichtigen (BAG 23.06.2016 - 8 AZR 757/14).
57 
bb) Ziffer 2 des Vergleichs vom 06.10.2016 ist hinsichtlich der Vereinbarung des noch zu zahlenden Differenzgehaltes für den Monat Juli 2016 nach seinem materiell-rechtlichen Gehalt dahin auszulegen, dass sich die Parteien darauf geeinigt haben, dass für diesen Monat EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits bezahlter EUR 128,12 netto zu bezahlen sind, sofern zwischenzeitlich nicht bereits mehr als der genannte Betrag seitens der Beklagten für diesen Monat bezahlt worden ist.
58 
Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut, der einen unstreitigen Abzugsbetrag in Höhe von EUR 1.228,12 netto ausweist. Während dieser Wortlaut für die Auslegung des Prozessvergleichs als Vollstreckungstitel maßgeblich ist und der Kläger daher nur in diesem Umfang aus dem Vergleich vollstrecken kann, ist der materiell-rechtliche Gehalt des Vergleichs nach seiner Entstehungsgeschichte sowie den Rahmenumständen dennoch ein anderer. Die Erklärung, mit der der Kläger den Vergleich genehmigt hat, konnte seitens des Beklagtenvertreters nur dahin verstanden werden, dass man sich auf den zuvor mündlich besprochenen Differenzlohn in Höhe von EUR 1.600,00 brutto abzüglich geleisteter EUR 128,12 netto geeinigt hat. Die Tatsache, dass durch die Vorsitzende irrtümlich ein um EUR 1.100,00 höherer Abzugsbetrag diktiert wurde, ändert hieran nichts, denn über diesen Betrag ist zu keinem Zeitpunkt vorher gesprochen worden.
59 
Vielmehr wollten sich die Parteien im Gütetermin auf die bereits vorher besprochenen Eckpunkte einigen, nämlich, dass das Arbeitsverhältnis zum 15.09.2016 enden sollte und bis zu diesem Zeitpunkt ordnungsgemäß abzurechnen wäre. Dies entspricht dem Entwurf, den die Beklagte mit Fax vom 14.09.2016 (Abl. 24) eingereicht hat und der den vorherigen Verhandlungen weitestgehend entsprach. Nach Unterbreitung eines entsprechenden gerichtlichen Vergleichsvorschlages meldete sich jedoch die Klägerseite mit dem Bemerken, man habe sich zuvor noch nicht abschließend geeinigt, da die Klägerseite Ziffer 2 des Vergleichs vollstreckbar formuliert haben wollte, was von Beklagtenseite zunächst abgelehnt wurde. Die Ziffer 2 des Vergleiches sollte nach dem Vorschlag der Klägerseite u. a. dahingehend lauten, dass für den Monat Juli 2016 noch EUR 1.600,00 brutto abzüglich bereits bezahlter EUR 128,12 netto bezahlt werden sollten. Der Betrag von EUR 128,12 netto entsprach dabei dem von der Beklagtenseite laut Abrechnung für den Monat Juli 2016, die der Klägerseite zu diesem Zeitpunkt bereits vorlag, ausbezahlten Nettobetrag. Ausweislich dieser Abrechnung (Abl. 58) hatte die Beklagtenseite jedoch nur EUR 929,03 brutto abgerechnet und zudem eine Position "Schadensersatz" in Höhe von EUR 550,00 netto abgezogen.
60 
Im Termin vom 06.10.2016 erklärten die Parteien übereinstimmend, dass man sich nun auf die von Klägerseite vorgeschlagene Version des Vergleichs, also mit der veränderten Vergleichsklausel Ziffer 2 geeinigt habe. Der Vergleich wurde sodann von der Vorsitzenden in der Weise protokolliert, dass die Ziffern 1 bis 6 aus dem von der Beklagtenseite hereingereichten Vorschlag vom 14.09.2016 mit Ausnahme der Ziffer 2 abdiktiert wurden. Der Wortlaut von Ziffer 2 wurde sodann aus der Anlage K 4 (Abl. 39) übernommen, wobei zusätzlich der Ausdruck "sofern noch nicht geschehen" hinzugefügt wurde, weil zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Beklagte mehr als den abgerechneten Betrag in Höhe von EUR 128,12 netto bezahlt haben könnte.
61 
Von EUR 1.228,12 war hingegen zu keiner Zeit die Rede. Insoweit stellt es möglicherweise einen versuchten Prozessbetrug dar, wenn der nunmehrige Beklagtenvertreter in seinen Schriftsätzen behauptet, dass der protokollierte Vergleichstext den Wortlaut der Einigung der Parteien wiedergeben würde (so im Schriftsatz vom 20.12.2016 auf Seite 2) bzw. dass die Erklärungen wie protokolliert von den anwesenden Parteivertretern abgegeben, die Einigung auf Basis der abgegebenen Erklärungen festgestellt und zu Protokoll genommen worden sei (so im Schriftsatz vom 18.01.2017 auf Seite 1). Sämtliche Behauptungen dieser Art hat der Beklagtenvertreter im Termin vom 16.03.2017 zwar dahingehend versucht zu relativieren, dass diese ohne jegliche Erkundigung bei seiner Mandantschaft erfolgt seien, mithin reine Behauptungen ins Blaue hinein darstellen. Damit stellt der Beklagtenvortrag jedoch bereits kein erhebliches Bestreiten im Sinne von § 138 Abs. 2 ZPO dar mit der Folge, dass der Klägervortrag als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.
62 
Die Entstehungsgeschichte des Vergleichs ist damit insoweit eindeutig und zwingt zu einer Auslegung des Vergleichs dahin, dass für den Monat Juli 2016 ein Vergütungsdifferenzbetrag von EUR 1.600,00 brutto abzüglich bezahlter EUR 128,12 netto vereinbart worden ist.
63 
Unerheblich ist, ob der Beklagtenvertreter im Gütetermin das irrtümlich fehlerhafte Diktat durch die Vorsitzende wahrgenommen hat oder nicht. Für den Fall, dass der Beklagtenvertreter dies ebenso wenig bemerkt hat wie der Klägervertreter und der persönlich anwesende Kläger, wäre eine falsa demonstratio non nocet ebenso gegeben, wie in dem Fall, dass der Beklagte erkannt hätte, dass ein falsches Diktat gegeben ist. Dem Beklagtenvertreter konnte insoweit nicht verschlossen bleiben, dass der Kläger zu einer Einigung nur dann bereit war, wenn für Juli lediglich ein Abzugsbetrag in Höhe von EUR 128,12 netto vereinbart werden würde. Der Beklagtenvertreter musste aus den Umständen des Vergleichsschlusses unmissverständlich erkennen, was der Kläger genehmigen wollte.
64 
3. Da andere Unwirksamkeitsgründe nicht ersichtlich sind, hat der Prozessvergleich vom 06.10.2016 das Verfahren beendet. Dies war auf Antrag der Beklagtenseite auch im Tenor auszusprechen.
65 
Die ausdrücklich nur für den Fall der Fortführung des Prozesses erhobene Widerklage stand daher ebenso wenig zur Entscheidung an wie die ursprünglich gestellten Sachanträge.
III.
66 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG i. V. m. § 91 ZPO. Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
67 
Für die Bemessung des Streitwertes nach § 61 Abs. 1 ArbGG hat sich die Kammer am Vierteljahresentgelt orientiert, §§ 3 ff. ZPO.

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Arbeitsgericht Heilbronn Urteil, 16. März 2017 - 8 Ca 161/16 zitiert 13 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 119 Anfechtbarkeit wegen Irrtums


(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständ

Zivilprozessordnung - ZPO | § 794 Weitere Vollstreckungstitel


(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:1.aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 278 Gütliche Streitbeilegung, Güteverhandlung, Vergleich


(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. (2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlun

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 779 Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage


(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sach

Zivilprozessordnung - ZPO | § 164 Protokollberichtigung


(1) Unrichtigkeiten des Protokolls können jederzeit berichtigt werden. (2) Vor der Berichtigung sind die Parteien und, soweit es die in § 160 Abs. 3 Nr. 4 genannten Feststellungen betrifft, auch die anderen Beteiligten zu hören. (3) Die Beric

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Arbeitsgericht Heilbronn Urteil, 16. März 2017 - 8 Ca 161/16 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

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Arbeitsgericht Heilbronn Urteil, 16. März 2017 - 8 Ca 161/16

bei uns veröffentlicht am 16.03.2017

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren 8 Ca 161/16 durch den Vergleich vom 06.10.2016 wirksam beendet worden ist.2. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 5.100,00.4. Die Berufung wi

Bundesarbeitsgericht Urteil, 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14

bei uns veröffentlicht am 23.06.2016

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. September 2014 - 6 Sa 230/14 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 24. Sept. 2015 - 2 AZR 716/14

bei uns veröffentlicht am 24.09.2015

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Mai 2014 - 3 Sa 675/13 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11

bei uns veröffentlicht am 11.07.2012

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Beschluss, 31. Mai 2012 - 3 AZB 29/12

bei uns veröffentlicht am 31.05.2012

Tenor Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers

Bundesarbeitsgericht Urteil, 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08

bei uns veröffentlicht am 12.05.2010

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.
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Arbeitsgericht Heilbronn Urteil, 16. März 2017 - 8 Ca 161/16

bei uns veröffentlicht am 16.03.2017

Tenor 1. Es wird festgestellt, dass das Verfahren 8 Ca 161/16 durch den Vergleich vom 06.10.2016 wirksam beendet worden ist.2. Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.3. Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 5.100,00.4. Die Berufung wi

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(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Unrichtigkeiten des Protokolls können jederzeit berichtigt werden.

(2) Vor der Berichtigung sind die Parteien und, soweit es die in § 160 Abs. 3 Nr. 4 genannten Feststellungen betrifft, auch die anderen Beteiligten zu hören.

(3) Die Berichtigung wird auf dem Protokoll vermerkt; dabei kann auf eine mit dem Protokoll zu verbindende Anlage verwiesen werden. Der Vermerk ist von dem Richter, der das Protokoll unterschrieben hat, oder von dem allein tätig gewesenen Richter, selbst wenn dieser an der Unterschrift verhindert war, und von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, soweit er zur Protokollführung zugezogen war, zu unterschreiben.

(4) Erfolgt der Berichtigungsvermerk in der Form des § 130b, ist er in einem gesonderten elektronischen Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Protokoll untrennbar zu verbinden.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

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I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

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1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

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2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

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4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

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II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

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b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

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aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

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(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Die Klägerin war seit dem 1. September 1981 in einem Warenhaus der Beklagten beschäftigt. Zuletzt hatte sie die Stellung einer Abteilungsleiterin inne.

3

Im Herbst des Jahres 2008 deutete die Klägerin dem Geschäftsführer ihrer Filiale an, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu wollen, um ihren Mann bei dessen beabsichtigter Selbständigkeit zu unterstützen. Im Januar 2009 erkrankte die Klägerin. Ab Februar 2009 führte sie mit dem Personalleiter der Beklagten Gespräche über ihr Ausscheiden. Sie signalisierte bereit zu sein, ihr Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 55.000,00 Euro zu beenden. Man kam überein, dass die Beklagte kündigen und man sodann einen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen würde.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 20. Mai 2009 zum 31. Dezember 2009. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien am 8. Juni 2009 folgenden Vergleich:

        

„1.     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 20. Mai 2009 fristgerecht mit dem 31. Dezember 2009 endet.

        

2.    

Als Abfindung nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin entsprechend den §§ 9, 10 KSchG einen Betrag iHv. 55.000,00 Euro brutto.

        

3.    

Damit ist der Rechtsstreit beendet.“

5

Am 9. Juni 2009 stellte die Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde am 1. September 2009 eröffnet. Nachdem ein Insolvenzplan erstellt worden war, wurde es zum 30. September 2010 aufgehoben.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 23. Oktober 2009 focht die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 wegen arglistiger Täuschung an. Auf der Grundlage des Insolvenzplans hätte sie mit einer Quote von 3 vH der Vergleichsforderung zu rechnen.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit des Vergleichs und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe den Vergleich im Vertrauen darauf geschlossen, der vorgesehene Abfindungsbetrag werde tatsächlich gezahlt. Die rechtlichen Folgen einer Insolvenz seien ihr nicht geläufig gewesen. Es sei offensichtlich, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs gewusst habe, dass sie entgegen ihrer Zusicherung die Abfindungssumme nicht würde zahlen können. Die Beklagte habe den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet. Ihr selbst seien nur die allgemeinen finanziellen Schwierigkeiten der Beklagten bekannt gewesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Schreiben vom 23. Oktober 2009 sei zugleich als Rücktritt vom Vergleich zu verstehen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der gerichtliche Vergleich vom 8. Juni 2009 den Rechtsstreit nicht beendet hat;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des gerichtlichen Vergleichs mit Ablauf des 31. Dezember 2009 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen als Abteilungsleiterin weiterzubeschäftigen;

        

hilfsweise zu 2. und 3.,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot, sie mit Wirkung vom 1. Januar 2010 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.

9

Die Beklagte hat beantragt festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Sie hat vorgetragen, sie habe am 8. Juni 2009 keine Kenntnis davon gehabt, dass sie am Folgetag Insolvenzantrag würde stellen müssen. Noch am 8. und sogar am 9. Juni 2009 selbst sei über die Gewährung von Staatshilfen verhandelt worden. Erst nachdem die Gespräche negativ verlaufen seien, sei der Antrag gestellt worden. Ein Rücktrittsrecht stehe der Klägerin nicht zu, es habe sich lediglich das Insolvenzrisiko realisiert.

10

Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag der Beklagten erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Der Rechtsstreit ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet.

12

I. Die Anträge der Klägerin sind zulässig.

13

1. Zwar bestünden daran mit Blick auf den Antrag zu 1), wäre dieser als echter Sachantrag zu verstehen, Bedenken. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung gem. § 256 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt. Die Auslegung ergibt jedoch, dass die Klägerin mit dem Antrag zu 1) keine eigenständige Feststellung begehrt. Ihr Ziel ist die sachliche Bescheidung ihrer Anträge zu 2) bis 4). Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung bedarf es nicht.

14

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251). Ob der alte Prozess auch dann fortzusetzen ist, wenn der Prozessvergleich materiellrechtlich aus Gründen unwirksam wird, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind - wenn etwa ausschließlich ein gesetzliches Rücktrittsrecht geltend gemacht wird -, kann dahinstehen (str.; vgl. bejahend BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; verneinend BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Jedenfalls dann, wenn neben einem Rücktritt auch die Anfechtung erklärt wurde, ist der bisherige Prozess fortzusetzen (Hanseatisches OLG Hamburg 30. November 1994 - 4 U 167/94 - ZMR 1996, 266; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 36). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - aaO; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1995 - II ZR 201/53 - aaO).

15

II. Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Über die Sachanträge, einschließlich des Hilfsantrags, ist nicht mehr zu entscheiden.

16

1. Ein Prozessvergleich hat neben seinen materiellrechtlichen Folgen iSv. § 779 BGB unmittelbar prozessbeendende Wirkung(vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 15, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 3, 26). Er wird zur Beilegung und damit Erledigung des Rechtsstreits geschlossen (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Erledigung tritt grundsätzlich mit dem Abschluss des Vergleichs ein. Auch im Streitfall haben die Parteien in Ziff. 3) des Vergleichs vereinbart, dass der Rechtsstreit damit beendet sei.

17

Auch soweit die Klägerin geltend macht, der Vergleich vom 8. Juni 2009 sei dahin auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne die Abfindungszahlung habe eintreten sollen, ändert dies nichts an seiner unmittelbar prozessbeendenden Wirkung. Die von ihr begehrte Fortsetzung des Rechtsstreits ist deshalb nur bei Unwirksamkeit des Vergleichs möglich.

18

2. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 ist wirksam.

19

a) Er ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die Klägerin macht solche Mängel weder geltend, noch sind sie sonst ersichtlich. Der Vergleich ist ausweislich der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 8. Juni 2009 ordnungsgemäß protokolliert worden.

20

b) Der Prozessvergleich ist nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB oder § 134 BGB von Anfang an nichtig. Versteht man seinen Inhalt mit dem Landesarbeitsgericht dahin, die Klägerin habe bereits mit seinem Abschluss der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt, die Abfindung habe jedoch erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2009 fällig werden sollen, hätte die Klägerin ihre Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar als Vorleistung erbracht. Das verstieße aber weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten iSv. § 138 Abs. 1 BGB(vgl. für einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 21). Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor. Die Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers entspricht bei der Vereinbarung eines Beendigungsvergleichs regelmäßig den zugrunde liegenden Interessen. Einerseits wird der Arbeitnehmer dadurch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich so gestellt, wie er ohne die Aufhebungsvereinbarung gestanden hätte. Andererseits kann, da ein Aufhebungsvertrag in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), die vereinbarte Abfindungszahlung dann gegenstandslos werden, wenn später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis noch vor dem im Vertrag vorgesehenen Zeitpunkt auflöst (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).

21

c) Der Vergleich ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Die Klägerin hat ihn zwar frist- und formgerecht gem. § 124 Abs. 1 und Abs. 2, § 143 Abs. 1 und Abs. 2 BGB angefochten. Ein Anfechtungsgrund liegt aber nicht vor. Die Klägerin ist nicht durch arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden.

22

aa) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 41, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5). Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 43; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 91, 349).

23

bb) Danach war die Anfechtung im Streitfall nicht berechtigt.

24

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe von der finanziell bedrängten Lage der Beklagten bei Abschluss des Vergleichs gewusst. Aus den Medien sei bekannt gewesen, eine Insolvenz der Beklagten sei möglich und würde nur durch staatliche Finanzhilfen abgewendet werden können. In dieser Lage habe die Klägerin nicht davon ausgehen können, die Zahlungsfähigkeit der Beklagten werde in der Folgezeit, jedenfalls für den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Abfindung, gesichert sein.

25

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs arglistig falsche Tatsachen behauptet oder die Offenbarung bestimmter Tatsachen pflichtwidrig und arglistig unterlassen hätte, so dass bei ihr - der Klägerin - für den Abschluss des Vergleichs ursächliche Fehlvorstellungen hervorgerufen worden wären.

26

(a) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, ihr sei unbekannt gewesen, dass die Beklagte den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet habe. Das Landesarbeitsgericht hat eine arglistige Täuschung auch angesichts dieses Vorbringens ohne Rechtsfehler verneint.

27

(aa) Die Klägerin hat nicht behauptet, der Personalleiter der Beklagten, welcher für diese den Vergleich schloss, habe bereits am 8. Juni 2009 Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt. Gem. § 166 Abs. 1 BGB ist im Falle der Vertretung jedoch auf die Kenntnis des Vertreters abzustellen. Ebenso wenig hat die Klägerin mit Blick auf § 166 Abs. 2 BGB behauptet, der Personalleiter habe den Vergleich auf Weisung anderer Vertreter der Beklagten geschlossen, welche ihrerseits Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt hätten.

28

(bb) Selbst bei entsprechender Kenntnis auf Seiten des Personalleiters läge kein arglistiges Verschweigen iSv. § 123 Abs. 1 BGB vor. Der Klägerin war bekannt, dass der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit drohte. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht annehmen, es sei für die Entscheidung der Klägerin, den Prozessvergleich abzuschließen, von Bedeutung, ob für den Fall des tatsächlichen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag bereits vorbereitet wäre.

29

(b) Die Klägerin hat - anders als ihr Vorbringen in der Revision nahelegt - in den Vorinstanzen nicht behauptet, der Beklagten oder dem Personalleiter sei bei Abschluss des Vergleichs bekannt gewesen, dass der Insolvenzantrag in jedem Fall schon am nächsten Tag eingereicht würde. Ebenso wenig hat sie behauptet, sie würde den Vergleich jedenfalls nicht am 8. Juni 2009 geschlossen haben, hätte sie gewusst, dass am Folgetag möglicherweise die für eine Insolvenz entscheidenden Verhandlungen über mögliche Staatshilfen für die Beklagte geführt würden.

30

d) Die Klägerin ist nicht wirksam von dem Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 zurückgetreten. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Schreiben vom 23. Oktober 2009, mit welchem sie den Vergleich anfocht, zugleich eine Rücktrittserklärung entnommen werden kann oder ob zumindest eine entsprechende Umdeutung der Anfechtungserklärung möglich ist. Ein Rücktrittsrecht folgt, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, weder aus § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB noch aus § 323 Abs. 1 BGB. Es ergibt sich auch nicht aus § 326 Abs. 5 BGB.

31

aa) Die Klägerin konnte nicht wirksam wegen einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB von dem Prozessvergleich zurücktreten.

32

(1) Gem. § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB kann die benachteiligte Partei von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann und eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder ihrerseits einem Teil nicht zumutbar ist. Geschäftsgrundlage in diesem Sinne sind zum einen die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt geworden, beim Abschluss aber zutage getreten sind, zum anderen die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (st. Rspr., etwa BGH 28. April 2005 - III ZR 351/04 - zu II 1 c der Gründe, BGHZ 163, 42).

33

(2) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein solches Rücktrittsrecht habe nicht bestanden. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten - und damit die Möglichkeit, den Vergleich vollständig zu erfüllen - sei objektiv bereits bei Abschluss des Vergleichs gefährdet gewesen. Den Parteien sei durch die umfangreiche Berichterstattung in den Medien bekannt gewesen, dass der A, zu der die Beklagte gehört habe, die Insolvenz gedroht habe. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung am 31. Dezember 2009 sei damit von Beginn an nicht gesichert gewesen. Nach dem Scheitern der Sanierungsbemühungen habe sich dieses Insolvenzrisiko realisiert. Das berechtige die Klägerin nicht zum Rücktritt.

34

(3) Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten haben sich die Umstände, unter denen der Vergleich von beiden Parteien geschlossen worden war, nicht unvorhergesehen verändert. Soweit die Klägerin behauptet hat, beide Parteien seien vor und bei Abschluss des Vergleichs von der Erfüllbarkeit der Abfindungszahlung ausgegangen, hat sich, eine solche gemeinsame Erwartung unterstellt, durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten gleichwohl nur ein beiden Parteien bereits bei Vergleichsabschluss bekanntes Risiko verwirklicht. Es fehlt damit an einer schwerwiegenden nachträglichen Veränderung der Umstände iSv. § 313 Abs. 1 BGB.

35

bb) Die Klägerin konnte von dem Vergleich nicht gem. § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichterbringung der Leistung zurücktreten. Der Umstand, dass ihr Abfindungsanspruch durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, begründete kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Nach Eröffnung der Insolvenz ist die Abfindungsforderung nicht mehr durchsetzbar. Damit ist für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB kein Raum.

36

(1) Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB die Durchsetzbarkeit der ursprünglichen Forderung(BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 31; Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 Abs. 1 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Eine das Rücktrittsrecht begründende Verletzung der Leistungspflicht iSv. § 323 Abs. 1 BGB ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Schuldner gar nicht leisten muss oder gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist(BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO).

37

(2) Ein Abfindungsanspruch aus einem mit dem Schuldner geschlossenen Vergleich, der bei Ausübung des Rücktrittsrechts wegen zwischenzeitlich erfolgter Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung darstellt, ist nicht durchsetzbar (vgl. für den Abfindungsanspruch aus einem außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32). Der Arbeitnehmer kann in einem solchen Fall nicht mehr auf Leistung der Abfindung klagen, sondern nur noch gem. §§ 174 ff. InsO die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die ursprüngliche Abfindungsforderung ist - auch nach Eintritt ihrer Fälligkeit - nicht mehr durchsetzbar (vgl. im Einzelnen BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32 ff.). Dabei bleibt es auch dann, wenn das Insolvenzverfahren nach Aufstellung eines Insolvenzplans gem. § 258 InsO aufgehoben wird. Nach § 254 Abs. 1 InsO gilt in diesem Fall der gestaltende Teil des bestätigten Insolvenzplans. Der Schuldner wird mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gem. § 227 Abs. 1 InsO befreit, soweit im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist.

38

(3) Ein Rücktrittsrecht der Klägerin gem. § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist danach nicht gegeben. Die Abfindungsforderung war nach der Insolvenzeröffnung am 1. September 2009 nicht mehr durchsetzbar. Die Klägerin hat den Rücktritt vom Vergleich frühestens mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 erklärt.

39

cc) Ein Rücktritt vom Vergleich war auch nicht gem. § 326 Abs. 5 BGB möglich. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu leisten braucht. Ein Fall des Ausschlusses der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit lag hier nicht vor. Der Abfindungsanspruch der Klägerin war wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zwar nicht durchsetzbar. Die Leistung wurde der Beklagten dadurch aber nicht im Sinne von § 275 BGB unmöglich(vgl. MünchKommBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 13; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 275 Rn. 3, § 276 Rn. 28).

40

III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Mai 2014 - 3 Sa 675/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich beendet ist.

2

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH. Der Kläger war seit Juli 2004 bei dieser beschäftigt. Er war seit Juli 2005 als EDV-Fachkraft tätig. Im Jahre 2005 übertrug er seiner Arbeitgeberin eine sog. „ERP-Entwicklerlizenz“. Diese ermöglichte das Erstellen von Softwarelösungen auf Basis der Grundsoftware des Lizenzgebers.

3

Im Jahr 2011 beschloss die Arbeitgeberin, ihre EDV-Anlagen künftig von einem externen Dienstleister betreuen zu lassen. Mit Schreiben vom 20. September 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 30. November 2011.

4

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat außerdem gem. § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 15. Februar 2012 haben die Prozessparteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich geschlossen. Danach bestand zwischen ihnen Einigkeit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 30. November 2011 sein Ende gefunden habe. Die spätere Insolvenzschuldnerin verpflichtete sich in Nr. 2 des Vergleichs zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.120,00 Euro brutto, in Nr. 3 zur „Rückübertragung“ der ihr im Jahre 2005 übertragenen Entwicklerlizenz auf den Kläger und in Nr. 4 zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer „guten“ Bewertung von dessen Führung und Leistung.

5

Die Arbeitgeberin zahlte die vereinbarte Abfindung und erteilte ein Arbeitszeugnis. Der Kläger forderte sie vergeblich auf, ihm auch die Entwicklerlizenz zurück zu übertragen. Die Arbeitgeberin berief sich darauf, sie könne die Forderung nicht erfüllen. Ihre ehemalige Prokuristin habe den Vertrag mit dem Lizenzgeber bereits im Spätsommer 2011 gekündigt. Dies habe ihr am Vergleichsschluss beteiligter Geschäftsführer nicht gewusst. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich hat der Kläger den Antrag angekündigt, die Arbeitgeberin zu verurteilen, an ihn 5.165,10 Euro zum erneuten Erwerb der Lizenz zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat Zweifel daran geäußert, dass Nr. 3 des Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt habe.

6

Mit Schreiben vom 11. März 2013 hat der Kläger den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er die Feststellung begehrt, dass das gerichtliche Verfahren nicht beendet sei. Seinen Auflösungsantrag hat er zurückgenommen.

7

Am 30. August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat das Verfahren gegen ihn aufgenommen.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Recht zum Rücktritt von dem Prozessvergleich zu. Die Insolvenzschuldnerin habe ihre darin begründete Verpflichtung zur Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht erfüllt. Er habe mit der Lizenz wieder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollen. Diese sei schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin Grundlage seines Lebensunterhalts gewesen. Ohne die Rückübertragung ergebe die einvernehmliche Aufgabe des Arbeitsverhältnisses für ihn keinen Sinn. Da die von ihm erbrachte Gegenleistung nicht teilbar sei, könne er von dem Vergleich insgesamt zurücktreten. Das Kündigungsschutzverfahren sei demnach fortzusetzen. Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil er bei der Insolvenzschuldnerin zum Datenschutzbeauftragten bestellt gewesen sei.

9

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet ist;

        

2.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung vom 20. September 2011 nicht beendet wurde und über den 30. November 2011 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

        

3.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat den Vergleich für wirksam gehalten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Vergleich vom 15. Februar 2012 habe den Rechtsstreit beendet. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Ob das Kündigungsschutzverfahren durch den Vergleich erledigt ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Anträge des Klägers sind zulässig.

14

1. Den Antrag auf Feststellung, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet sei, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend nicht als eigenständigen Sachantrag verstanden. Ziel des Klägers ist die sachliche Bescheidung der Anträge zu 2. und 3. Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung dazu bedarf es nicht (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 13). Ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung (§ 256 Abs. 2 ZPO) hat der Kläger nicht dargelegt.

15

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Streit über die Beendigungswirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei in dem ursprünglichen Kündigungsrechtsstreit auszutragen.

16

a) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit jedenfalls dann im Ausgangsverfahren auszutragen, wenn der Vergleich nicht allein aus Gründen unwirksam ist, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 16; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14; BGH 11. August 2010 - XII ZB 60/08 - Rn. 15; BSG 24. Januar 1991 - 2 RU 51/90 -; Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. ZPO § 794 Rn. 71; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 130 Rn. 48 ff.; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15a; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 24; vgl. auch BGH 21. November 2013 - VII ZR 48/12 - Rn. 14). Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, stünde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hätte (BGH 29. Juli 1999 - III ZR 272/98 - zu 2 der Gründe, BGHZ 142, 253). Ist der Vergleich wirksam, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch ihn erledigt ist (BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Prozessvergleichs nur aus Gründen in Rede steht, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (vgl. dazu einerseits BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; andererseits BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Nach dem Vorbringen des Klägers kommt auch eine - anfängliche - Unwirksamkeit des Vergleichs gem. § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB in Betracht. Der Kläger hat zwar ausdrücklich nur geltend gemacht, wirksam von dem Vergleich zurückgetreten zu sein. Er hat sich dafür aber ua. darauf berufen, dass er den Vergleich ohne die Aussicht auf eine erfolgreiche Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht abgeschlossen hätte. Werden hinsichtlich eines Prozessvergleichs sowohl anfängliche als auch nachträgliche Mängel geltend gemacht, ist die Klärung seiner Wirksamkeit im Ausgangsverfahren herbeizuführen (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 29; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14).

18

aa) Einem Prozessvergleich fehlt die verfahrensbeendende Wirkung auch dann, wenn er als materiell-rechtlicher Vertrag wegen Mängeln in der Regelung sonstiger, nicht rechtshängiger Fragen nach § 139 BGB insgesamt nichtig ist(vgl. BGH 6. März 1991 - XII ZB 88/90 - zu II 1 b und c der Gründe; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 90).

19

bb) Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Vereinbarung über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger in Nr. 3 des Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

20

(1) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Ausreichend ist, dass in Elementen eines Rechtskonflikts Streit oder Ungewissheit bestanden hat und ausgeräumt worden ist; dabei kommt es auf die subjektive Beurteilung durch die Beteiligten im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 24). Gegenseitiges Nachgeben im fraglichen Sinne ist weit zu verstehen und kann auch dann gegeben sein, wenn eine Seite in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis ihre Position zwar ohne Einschränkung durchsetzt, dafür aber eine Gegenleistung verspricht (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26).

21

(2) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob die Regelung über die „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger einen Vergleich iSd. § 779 BGB darstellt. Es ist unklar, ob zwischen den Parteien des Vergleichs Streit über eine solche Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin bestand. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich angenommen, die Lizenz sei „bis zum Abschluss des Vergleichs“ nicht Gegenstand der Auseinandersetzungen der damaligen Parteien gewesen. Soweit es ausgeführt hat, der Vergleich regle in Nr. 3 nur das, was „möglicherweise“ auch ohne ihn gegolten hätte, bewegt sich dies im Bereich der Spekulation. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien einen möglichen Streit über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Soweit der Kläger seinen vermeintlichen Anspruch ohne Einschränkung durchgesetzt haben sollte, ist nicht auszuschließen, dass er dafür an anderer Stelle - etwa mit Blick auf die Höhe der Abfindung für seine Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nachgegeben hat.

22

(3) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Der Irrtum der Parteien muss sich auf einen streitausschließenden Umstand beziehen (Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 73 aE). Demzufolge kommt eine Unwirksamkeit der Vereinbarung in Nr. 3 des Vergleichs in Betracht, falls der mögliche Streit über eine Rückübertragung der Lizenz nicht entstanden wäre, sofern die damaligen Parteien die wahre Situation betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ der Lizenz gekannt hätten.

23

cc) Danach ist nicht ausgeschlossen, dass der Vergleich vom 15. Februar 2012 insgesamt unwirksam ist. Dies wäre gem. § 139 BGB der Fall, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien ihn auch ohne die Abrede über die Rückübertragung der Lizenz vereinbart hätten. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger an einer Teilleistung der Insolvenzschuldnerin kein Interesse habe, steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB. Für diese gelten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast andere Regeln (vgl. Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 148) als für die gesetzliche Vermutung des § 139 BGB(vgl. hierzu MüKoBGB/Busche 7. Aufl. § 139 Rn. 35).

24

3. Selbst wenn es ausschließlich auf den vom Kläger erklärten Rücktritt vom Vergleich ankäme, läge kein Fall vor, in welchem der Rücktritt die Vereinbarung über die Erledigung des Rechtsstreits als Prozesshandlung unberührt ließe, der Rechtsstreit also selbst dann beendet wäre und nicht mehr weitergeführt werden könnte, wenn sich der Rücktritt als gerechtfertigt erwiese (zu einer solchen Konstellation vgl. BGH 5. Februar 1986 - VIII ZR 72/85 - zu II 3 der Gründe; 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 91; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 28; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15c; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 12. Aufl. § 794 Rn. 24).

25

a) Es kann dahinstehen, ob nicht wegen des besonderen Beschleunigungsgrundsatzes (§§ 9, 61a ArbGG) im arbeitsgerichtlichen Verfahren generell, dh. auch bei einem ausschließlich auf ein gesetzliches Recht gestützten Rücktritt der ursprüngliche Prozess fortzusetzen ist (vgl. dazu BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 c der Gründe, BAGE 40, 17).

26

b) Zumindest der wirksame Rücktritt von einem zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits geschlossenen Vergleich führt dazu, dass auch dessen prozessbeendende Wirkung entfällt (vgl. Bauer NZA 2002, 169, 171; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 67; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 106). Die Aufhebung des durch die einvernehmliche Prozessbeendigung bewirkten Eintritts der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG wäre anderenfalls nicht möglich.

27

II. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, der Kündigungsschutzrechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Es hat nicht geprüft, ob dem Vergleich deshalb keine prozessbeendende Wirkung zukommt, weil er nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB unwirksam ist. Dies ist, wie ausgeführt, nicht auszuschließen. Schon aus diesem Grund war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Den Parteien wird Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben sein (§ 139 Abs. 2 ZPO). Ob bei Vergleichsschluss Streit über eine Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger bestand, ob dieser für diese Abrede an anderer Stelle nachgegeben hat, ob ggf. der Streit über eine solche Verpflichtung nicht entstanden wäre, wenn die Beteiligten die wahre Sachlage betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ gekannt hätten, und ob diese dann den Vergleich auch ohne die betreffende Abrede geschlossen hätten, ist bislang nicht festgestellt.

28

III. Sollte das Landesarbeitsgericht nach neuer Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, der Vergleich vom 15. Februar 2012 sei nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB wirksam, wird es zu beachten haben, dass seine Würdigung, ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB oder § 323 Abs. 1 BGB sei gem. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ausgeschlossen, nicht ohne Rechtsfehler ist.

29

1. Unklar ist, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es habe sich bei dem Vergleich um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB gehandelt. Dafür spricht die Prüfung des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach § 326 Abs. 5, § 323 BGB, dagegen spricht, dass es gemeint hat, in der Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Kläger liege keine Leistung iSd. § 241 Abs. 1 BGB. Träfe dies zu, wäre offen, weshalb ein gegenseitiger Vertrag vorgelegen haben sollte.

30

2. Bei richtiger Würdigung stellt der streitgegenständliche Prozessvergleich einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB dar (so auch Bauer NZA 2002, 169, 171; Bauer/Haußmann BB 1996, 901; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; aA v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.).

31

a) Ein Prozessvergleich ist nicht schon deshalb ein gegenseitiger Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB, weil er auf gegenseitigem Nachgeben beruht (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 23, BAGE 149, 60; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 49; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 2; Molitor Schuldrecht II 7. Aufl. S. 147; Kortstock in Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht 26. Aufl. Rücktritt; v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.; vgl. die Nachweise zur Gegenmeinung bei Schallow Der mangelhafte Prozeßvergleich S. 160). Die Aufgabe wechselseitiger „Prätentionen“ und Rechtsstandpunkte erzeugt noch keine Leistungspflichten und stellt selbst keine „Leistung“ im schuldrechtlichen Sinne dar. Sie beschreibt nur das Zustandekommen des Vergleichs (Bork Der Vergleich S. 151, 176). Entscheidend ist statt dessen der jeweilige Vergleichsinhalt. Zum gegenseitigen Vertrag wird ein Vergleich dann, wenn in ihm ein synallagmatischer Leistungsaustausch geregelt ist. Es müssen also entweder beiderseitige Leistungspflichten neu begründet werden (so Hofstetter BB 1963, 1459, 1460) oder es muss zumindest eine Partei durch den Vergleich eine Leistung unmittelbar erbringen, wofür sich die andere Partei zu einer Gegenleistung verpflichtet (vgl. Bork Der Vergleich S. 175).

32

b) Im Streitfall wurde durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 jedenfalls die (Gegen-)Leistungspflicht der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung neu begründet.

33

c) Der Kläger hat seine (Gegen-)Leistung unmittelbar mit dem Abschluss des Vergleichs als solchem erbracht. Auch ein solches Zusammenfallen von Leistungsversprechen und Erfüllung genügt für die Annahme eines gegenseitigen Vertrags (BGH 12. Dezember 1991 - IX ZR 178/91 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 116, 319; LAG Baden-Württemberg 17. Juni 2011 - 12 Sa 1/10 - zu I 3 b der Gründe; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 51; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 36; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 11; Bork Der Vergleich S. 175; für eine analoge Anwendung der §§ 320 ff. BGB Medicus/Petersen Bürgerliches Recht 24. Aufl. Rn. 216 ff.). Leistung ist die Zuwendung eines wirklichen oder vermeintlichen Vorteils, der typischer-, wenn auch nicht notwendigerweise einen Vermögenswert hat (Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 241 BGB Rn. 4). Die geschuldete Leistung kann in einem Verhalten oder in der Herbeiführung eines Erfolgs liegen (MüKoBGB/Bachmann 6. Aufl. § 241 Rn. 18). Hier hat der Kläger der späteren Insolvenzschuldnerin dadurch einen Vorteil zugewendet, dass er sich mit ihr auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und auf eine Beendigung des Rechtsstreits geeinigt hat. Darin liegt nicht nur die Aufgabe einer Rechtsposition - der reklamierten Unwirksamkeit der Kündigung -, sondern mit der Einwilligung in die Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits zugleich eine weiterreichende materiell-rechtliche „Zuwendung“. Die Abrede führt - sofern nicht die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ausnahmsweise noch nicht abgelaufen ist - zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Dies wiederum ist für den Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Verzicht auf weitere Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren könnten. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt das Einverständnis mit der Prozesserledigung, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund - der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG - Platz greift.

34

d) Die Einwilligung des Klägers in die Beendigung des Prozesses stand im Gegenseitigkeitsverhältnis jedenfalls mit der Verpflichtung der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung. Der Arbeitgeber erklärt sich in Fällen wie diesen zur Zahlung einer gesetzlich nicht geschuldeten Abfindung typischerweise gerade und nur wegen der Beendigung des Rechtsstreits und der damit einhergehenden eigenständig begründeten Wirksamkeit der Kündigung bereit. Trotz ihrer Funktion als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. §§ 9, 10 KSchG) stellt die Abfindung deshalb (auch) eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar (BAG 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - zu II 4 c der Gründe). Diese Vorstellung liegt im Übrigen auch § 1a KSchG zugrunde, dem zufolge der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für den Fall hat, dass er die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG verstreichen lässt, nachdem ihm der Arbeitgeber eben dafür die Abfindung in Aussicht gestellt hatte.

35

3. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB setzt ferner voraus, dass auch die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis stand(vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 326 Rn. 7; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 326 BGB Rn. 2; Staudinger/Otto 2009 § 326 BGB Rn. C 4) und es der Arbeitgeberin iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich war, ihre Leistungspflicht zu erfüllen. Um beurteilen zu können, ob die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, bedarf es einer Auslegung des Vergleichs gem. §§ 133, 157 BGB(vgl. Staudinger/Schwarze 2015 Vorbem. zu §§ 320 - 326 BGB Rn. 31). An ihr fehlt es bislang. Der Senat kann sie nicht selbst vornehmen. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge - auch Prozessvergleiche - so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN). Die für die Auslegung des Prozessvergleichs maßgeblichen Umstände des Vergleichsschlusses sind bislang nicht festgestellt. Dies gilt ebenso für die Tatsachen, aufgrund derer der Arbeitgeberin die Erfüllung ihrer Leistungspflicht ggf. unmöglich war. Insofern bedarf überdies der Klärung, welchen Inhalt genau die Pflicht zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger nach dem Vergleich haben sollte.

36

4. Sollte die Verpflichtung der Arbeitgeberin nach Nr. 3 des Vergleichs nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis gestanden haben oder sollte ihr die Erfüllung nicht iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich gewesen sein, kommt ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 323 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Arbeitgeberin hätte dann iSv. § 323 Abs. 1 BGB nicht geleistet. Für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist es nicht erforderlich, dass eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht nicht erfüllt wurde(Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 1, 10; Bamberger/Roth/Grothe BGB 3. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 4; NK-BGB Dauner-Lieb/Dubovitskaya BGB 2. Aufl. Bd. 2/1 § 323 Rn. 6; Jauernig/Stadler BGB 15. Aufl. § 323 Rn. 5a; Emmerich Das Recht der Leistungsstörungen § 19 II 8; vgl. auch BT-Drs. 14/6040 S. 183; aA MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 323 Rn. 13; Canaris FS Kropholler S. 3, 5). Sofern nicht eine Fristsetzung durch den Kläger entbehrlich gewesen sein sollte, weil die Verweigerung der Leistung iSv. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits ernsthaft und endgültig war, wären Feststellungen dazu zu treffen, ob der Kläger der Arbeitgeberin iSv. § 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.

37

5. Für einen vertraglichen Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittsrechts gibt es keine Anhaltspunkte. Diese müssten sich unmittelbar aus den Vereinbarungen im Vergleich selbst ergeben (vgl. Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 37; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; Sperber BB 2012, 1034, 1036; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Bauer/Haußmann BB 1996, 901 f.; aA LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - zu 3 b der Gründe; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; ders. in Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34, 71; offengelassen in BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 19, BAGE 139, 376). Daran fehlt es. Die Interessenlage in einem Kündigungsschutzprozess und die Möglichkeit, sich den Widerruf des Vergleichs vorzubehalten, rechtfertigen für sich genommen nicht die Annahme, die Parteien wollten auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausschließen. Ein Interesse daran hätte typischerweise ausschließlich der Arbeitgeber, weil in der Regel nur er seine Gegenleistung noch nicht mit dem Vergleichsschluss erbracht hat. Kommt er - und sei es unverschuldet - den eingegangenen Verpflichtungen nicht nach, hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein Interesse am Fortbestand des Vergleichs. Etwas anderes folgt nicht schon daraus, dass der Arbeitnehmer - wie hier - einen Auflösungsantrag gestellt hat. Selbst wenn er damit zu erkennen gegeben hat, dass er an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung interessiert ist, hat er in den betreffenden Vergleich allein zu den darin vereinbarten Konditionen eingewilligt. Dafür, dass die Beteiligten im Streitfall zumindest dann ein etwaiges gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers vertraglich hätten ausschließen wollen, wenn nur die Verpflichtung der Arbeitgeberin aus Nr. 3 des Vergleichs nicht erfüllt würde, gibt es keine Anhaltspunkte.

38

6. Ein - mögliches - Recht des Klägers zum Rücktritt vom gesamten Vergleich wäre weder nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB noch nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

39

a) § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB findet keine Anwendung. Zwar hatte die Arbeitgeberin nur eine Teilleistung bewirkt. Es käme für die Zulässigkeit eines Rücktritts vom gesamten Vergleich aber nicht darauf an, ob der Kläger iSd. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ein Interesse an dieser Teilleistung hatte: Ist die Gegenleistung nicht ihrerseits teilbar, ist § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht anwendbar, erstreckt sich das Rücktrittsrecht vielmehr ohne Weiteres auf den gesamten Vertrag(BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - Rn. 17; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 25). Das mit dem Teilrücktritt angestrebte Ergebnis einer Beschränkung „des Vertrags“ auf den durchgeführten Teil lässt sich nicht erreichen, wenn nicht auch die Gegenleistung teilbar ist. Der Gläubiger kann seine - unteilbare - Leistung nicht auf einen Teil beschränken, der der Teilleistung des Schuldners entspricht (BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - aaO). So liegt der Fall hier. Die (Gegen-)Leistung des Klägers - die Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - ist unteilbar. Der Vergleich lässt sich daher nicht nur teilweise rückabwickeln.

40

b) Auch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB stünde einem Rücktritt des Klägers vom gesamten Vergleich nicht entgegen.

41

aa) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung „unerheblich“ ist. Die Vorschrift bezieht sich auf den in § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geregelten Fall der Schlechtleistung (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. A 22). Die Nichterfüllung einer einzelnen von mehreren Leistungsverpflichtungen ist dagegen eine Teilleistung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB und nicht eine Schlechtleistung im Sinne von § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (zur Abgrenzung von Teil- und Schlechtleistung: Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 138, Rn. C 6 f.). Im Streitfall ginge es demnach um eine Teil-, nicht um eine Schlechtleistung.

42

bb) Auch eine entsprechende Anwendung von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB schiede aus.

43

(1) Eine analoge Anwendung der Bestimmung wird für möglich gehalten, wenn eine nur unwesentliche Teilleistung unterblieben ist, die eine Rückabwicklung des Vertrags nicht „gebietet“ (Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 BGB Rn. 192; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 32; beschränkt auf die Nichterfüllung einer von mehreren Nebenleistungspflichten: Dauner-Lieb/Dubovitskaya 2. Aufl. Band 2/1 § 323 BGB Rn. 8; Bamberger/Roth/Grothe 2. Aufl. Band 1 § 323 BGB Rn. 4, 40; Jauernig/Stadler 15. Aufl. § 323 BGB Rn. 5a; aA MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 323 Rn. 226, 240). Die gesetzlichen Gründe für einen Ausschluss des Rücktritts wegen einer nur unerheblichen Schlechtleistung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gälten auch für diesen Fall. Maßgeblich sei, ob das bei Schlecht- und Teilleistungen anzunehmende Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers als so gering zu bewerten sei, dass dem Interesse am Bestand des Vertrags der Vorrang eingeräumt werden müsse. Letztlich sei § 323 Abs. 5 BGB eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben(§ 242 BGB). Die Bestimmung solle eine unverhältnismäßige Reaktion - den Rücktritt von dem gesamten Vertrag - bei einer nur unerheblichen Pflichtverletzung verhindern.

44

(2) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem zu folgen ist. Im Streitfall fehlen Umstände, aufgrund derer die unterbliebene Teilleistung als so gering anzusehen wäre, dass das wegen der Unteilbarkeit der Gegenleistung grundsätzlich gegebene Interesse des Klägers am Rücktritt vom gesamten Vertrag hintanzutreten hätte. Im Gegenteil hat der Kläger geltend gemacht, der Wert, den die Lizenz für ihn bedeute, liege jedenfalls nicht unter dem der vereinbarten Abfindung.

45

7. Ein mögliches Rücktrittsrecht des Klägers wäre nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er seinen Anspruch zunächst im Wege der Zwangsvollstreckung oder gar durch eine entsprechende Leistungsklage zu realisieren versucht hat. Ein auf Vertrag gestütztes Leistungsverlangen des Gläubigers ist regelmäßig nicht zugleich als einseitiger Verzicht auf das gesetzliche Rücktrittsrecht zu verstehen und lässt dieses unberührt (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. D 7, F 9; vgl. auch Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 33).

46

IV. Sollte das Landesarbeitsgerichts zu dem Ergebnis kommen, die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei entfallen, wird es die Zulässigkeit und Begründetheit der Sachanträge zu 2. und 3. zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock     

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

14

I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

15

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

16

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

18

4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

20

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

23

b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

30

aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

31

(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 - 28 Ca 314/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer in einem gerichtlich festgestellten Vergleich vereinbarten Handlung.

2

Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger/Gläubiger (im Folgenden: Kläger) gegen die Beklagte/Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ua. die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 5. Oktober 2010 geltend gemacht. Zur Erledigung des Rechtsstreits schlossen die Parteien einen am 23. November 2010 gerichtlich festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 beendet wurde. Neben weiteren Regelungen enthält der Vergleich folgende Bestimmung:

        

„IX. Direktversicherung

        

Der Kläger ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung A abgeschlossene Direktversicherung mit der Versicherungsnummer mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Die Beklagte wird auf erstes Anfordern alle hierfür erforderlichen Erklärungen abgeben.“

3

Am 17. Dezember 2010 erteilte das Arbeitsgericht dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des von Amts wegen zugestellten Beschlusses vom 23. November 2010. Mit Schreiben vom 22. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine von der Versicherungsgesellschaft A vorformulierte Erklärung abzugeben, die eine Auszahlung der Rückvergütung der Versicherung zum 1. Dezember 2011 vorsah. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

4

Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 hat der Kläger beim Arbeitsgericht sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld von 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte soll verpflichtet werden, das Formular Anlage AG 1 unter Korrektur des Datums auf den 31. Dezember 2011 ausgefüllt und unterschrieben zurückzureichen.

5

Die Beklagte hat beantragt, den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zwangsvollstreckungsantrag sei nicht bestimmt genug und auch der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Vergleich sei nicht hinreichend bestimmt.

6

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsgeldantrag des Klägers durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zurückgewiesen. Mit am 10. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld iHv. 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, diese Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise

        

die Vollstreckung durch Abgabe folgender Erklärung abzuwenden:

        

„Herr E ist aus unserem Unternehmen mit dem 31.12.2011 ausgeschieden. Er ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung ‚A’ abgeschlossene Direktversicherung mit der VS-Nr. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die zum 31.12.2011 erfolgt ist, zu übernehmen. Wir geben hiermit alle dafür ggf. notwendigen Erklärungen ab und stimmen der Übernahme der Direktversicherung durch Herrn E zu.“

7

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde stattgegeben, gegen die Beklagte einen Zwangsgeldbeschluss „zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlich mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellten Vergleich, nämlich auf erstes Anfordern alle für die Übernahme der Direktversicherung bei der A mit der Versicherungsnummer durch den Kläger erforderlichen Erklärungen abzugeben“, erlassen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 7. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 28. Februar 2012 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt und sowohl den Ausgangsbeschluss als auch den Ergänzungsbeschluss den Parteien zugestellt.

9

Mit der am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses.

10

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zwangsgeldbeschluss zu Unrecht erlassen. Dies führt zur Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

11

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2012 ist mit am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten und zugleich - und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - begründet worden.

12

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Zwangsgeldbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der Vollstreckungstitel ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend bestimmt. Für eine hinreichende Bestimmtheit des Vergleichs ist es zwar ausreichend, dass der geschuldete Erfolg im Vollstreckungstitel festgeschrieben ist ohne die zur Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen oder Erklärungen im Einzelnen zu bezeichnen. Der Vergleich vom 23. November 2010 legt den geschuldeten Erfolg jedoch nicht ausreichend bestimmt fest und weist deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Ob der Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist und ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Beschlussfassung gegen § 308 ZPO verstoßen hat, kann deshalb dahinstehen. Ebenso unerheblich ist, ob die von der Rechtsbeschwerde gerügte entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend dargelegt ist und die Rechtsbeschwerdebegründung insoweit überhaupt den gesetzlichen Anforderungen nach § 575 Abs. 3 ZPO genügt.

13

a) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellte Vergleich enthält einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Gläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

14

b) Der Prozessvergleich vom 23. November 2010 ist für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die fehlende Bestimmtheit allerdings nicht daraus, dass die von der Beklagten abzugebenden Erklärungen im Vergleich nicht festgelegt sind. Insoweit ist es ausreichend, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es vorliegend. Dies ergibt eine Auslegung des durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleichs.

15

aa) Der Vergleich vom 23. November 2010 ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).

16

Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7; 9. September 2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14, EzA GewO § 109 Nr. 8).

17

bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 23. November 2010 keinen hinreichend bestimmten vollstreckbaren Inhalt. Zwar genügt es für die ausreichende Bestimmtheit, wenn nur der zu bewirkende Erfolg im Vergleich festgelegt ist und nicht die zu dessen Herbeiführung zu ergreifenden Mittel oder Erklärungen. Erforderlich ist jedoch, dass der geschuldete Erfolg im Vergleich bestimmt ist. Hieran fehlt es.

18

(1) Für die Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs ist es ausreichend, wenn nicht die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen vereinbart sind, sondern der durch die Erklärungen oder Handlungen zu bewirkende Erfolg (vgl. OLG München 2. Juli 1987 - 28 W 1163/87 - zu II 1 der Gründe, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 22; BGH 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75 - zu III der Gründe, BGHZ 67, 252; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 2, § 887 Rn. 5). Es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.

19

(2) Der von der Beklagten zu bewirkende Erfolg ist von den Parteien im Vergleich vom 23. November 2010 nicht hinreichend bestimmt vereinbart worden. Die Parteien sind in Nr. IX des Vergleichs übereingekommen, dass der Kläger berechtigt ist, die Direktversicherung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Damit haben die Parteien nicht festgelegt, welcher konkrete Erfolg geschuldet ist. Nach Nr. IX des Vergleichs sind zwei Möglichkeiten denkbar.

20

Zum einen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien sich mit dem Recht zur Übernahme der Direktversicherung auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG vorgesehene sog. versicherungsförmige Lösung verständigt haben. Dafür könnte die in Nr. IX Satz 2 des Vergleichs vereinbarte Wendung „auf erstes Anfordern“ sprechen. Der Kläger hätte bei diesem Verständnis des Vergleichs das Recht erlangt, von der Beklagten die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zu verlangen; die Beklagte hätte dann auf die entsprechende Aufforderung des Klägers die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG erforderlichen Erklärungen abzugeben.

21

Zum anderen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien die vollständige Übertragung der Versicherung auf den Kläger vereinbart haben und damit den Kläger umfassend in die Position des Versicherungsnehmers einrücken lassen wollten. Damit würde der Kläger Inhaber sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich des Rechts, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch zu nehmen. Für diese Auslegung könnte die vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgelegte Formularerklärung des Versicherungsunternehmens sprechen, die eine Beendigung der Versicherung unter Auszahlung der Rückvergütung an den Kläger zum Gegenstand hat. Ob dies rechtlich zulässig wäre oder ein solches Vorgehen möglicherweise gegen das Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstößt, ist für die Frage, ob der Vergleich dem Bestimmtheitserfordernis genügt, unerheblich.

22

Da der Vergleich beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt und für jede der beiden Auslegungen Argumente angezogen werden können, ohne zu einer eindeutig vorzugswürdigen Auslegung zu kommen, fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Erfolges im Vergleich und diesem damit die Vollstreckungsfähigkeit.

23

III. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. September 2014 - 6 Sa 230/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

2

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 15. Februar 2001 bei der Beklagten, einem milchverarbeitenden Unternehmen, bzw. bei deren Rechtsvorgängerin seit dem 12. März 2001 als Sachbearbeiter Marketing beschäftigt. Unter Ziff. 11 des Arbeitsvertrages heißt es:

        

„Alle weiteren hier nicht geregelten Fragen richten sich nach dem Tarifvertrag für das Molkerei- und Käsereigewerbe in Bayern und den gesetzlichen Bestimmungen.“

3

Der „M a n t e l t a r i f v e r t r a g vom 15. 11. 1999 für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Milchindustrie, für das Molkerei- und Käsereigewerbe sowie für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Schmelzkäseindustrie in Bayern - gültig ab 1. 1. 2000 -“ (im Folgenden MTV) sieht in § 22 Nr. 2 für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher wegen unrichtiger Eingruppierung - eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vor.

4

Mit Schreiben vom 10. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. Juni 2011 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens seine Weiterbeschäftigung verlangt. Am 19. April 2011 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Beendigung dieses Verfahrens sowie des Kündigungsschutzverfahrens einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

        

„1.     

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 10.03.2011 mit Ablauf des 31.12.2011 sein Ende finden.

        

…       

        
        

3.    

Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung in Höhe von 3.608,50 € von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Rahmen der Freistellung werden Zeitguthaben des Klägers angerechnet. Der Urlaub wurde dem Kläger in natura gewährt.

        

4.    

Während der Freistellung wird das Arbeitsverhältnis des Klägers ordnungsgemäß unter Zugrundelegung einer monatlichen Vergütung von 3.608,50 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger monatlich ausbezahlt.

        

5.    

Der Kläger ist berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung entspricht ausdrücklich dem Interesse und dem Wunsch des Arbeitgebers.

        

6.    

Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 47.500,-- € (i.W.: siebenundvierzigtausendfünfhundert EURO) brutto.

                 

Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens gemäß voranstehender Ziffer um 3.608,50 € brutto. Anteilige Monate werden anteilig berechnet.

        

7.    

Die Abfindung in Höhe von 47.500,-- € brutto ist sofort entstanden und vererblich. Die gesamte Abfindung wird mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt.

        

…       

        
        

9.    

Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle zwischen den Parteien bestehenden finanziellen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob gegenwärtig oder zukünftig, gleich aus welchem Rechtsgrund, endgültig abgegolten und erledigt.

        

…       

        
        

12.     

Der Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 21.04.2011 beim Arbeitsgericht Rosenheim in Rosenheim eingegangen sein muss.“

5

Der Vergleich wurde in der Folgezeit nicht widerrufen. Der Kläger machte von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung nach Ziff. 5 des Vergleichs keinen Gebrauch und schied zum 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Die Beklagte rechnete die vereinbarte Abfindung iHv. 47.500,00 Euro brutto zusammen mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2011 ab und überwies den sich ergebenden Nettobetrag auf das Konto des Klägers, dem es am 30. Dezember 2011 gutgeschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 27. März 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens iHv. insgesamt 4.655,72 Euro geltend. Mit seiner Klage verfolgt er dieses Begehren weiter. Zudem verlangt er von der Beklagten die Erstattung von Steuerberaterkosten iHv. 571,20 Euro.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verletzt habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Abfindung bereits im Dezember 2011 auszuzahlen. Nach Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs habe die Zahlung vielmehr erst mit dem Gehaltslauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats, dh. erst im Januar 2012 erfolgen dürfen. Die Parteien hätten in dem Vergleich einen festen Auszahlungstermin vereinbart und keine Fälligkeitsabrede getroffen. Insoweit sei bereits der Wortlaut des Vergleichs eindeutig. Im Übrigen sei es ihm mit der Verschiebung der Zahlung auf den Folgemonat seines Ausscheidens darum gegangen, die Abfindung bei einem Ausscheiden mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Jahr 2012 versteuern zu müssen. Aber selbst wenn von einer Fälligkeitsabrede auszugehen sein sollte, habe die Beklagte gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verstoßen. Sie habe die Zahlung nicht vorfällig vornehmen dürfen, da dadurch seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt worden seien. Ihm bzw. seiner Ehefrau sei durch die Auszahlung der Abfindung noch im Kalenderjahr 2011 der von ihm geltend gemachte Steuerschaden entstanden. Zur Ermittlung des Schadens habe er einen Steuerberater einschalten müssen. Dessen Kosten habe die Beklagte ggf. auch zu ersetzen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,72 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 571,20 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Vereinbarung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs handele es sich um eine Fälligkeitsabrede, nicht aber um die Abrede eines fixen Zahlungszeitpunkts. Sie hat behauptet, Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs sei auf ihren Wunsch hin aufgenommen worden, um der Gefahr des Verzugs entgegenzuwirken. Nach Ziff. 5 des Vergleichs sei der Kläger berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Hätte der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hätte sie die Abfindung aufgrund des Abrechnungsschlusses für diesen Monat nicht mehr berücksichtigen und demgemäß nicht fristgemäß auszahlen können. Soweit der vom Kläger geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau beruhe, fehle es schon an der Aktivlegitimation des Klägers.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen.

12

I. Es kann dahinstehen, ob der Kläger berechtigt war, von der Beklagten Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als der geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau - sei es im Rahmen einer gemeinsamen oder einer getrennten Veranlagung - beruht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz nach dem hier als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 280 Abs. 1 BGB hat, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Prozessvergleich vom 19. April 2011 nicht verletzt hatte, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte war berechtigt, die in Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarte Abfindung bereits im Dezember 2011 an den Kläger auszuzahlen.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Prozessvergleich vom 19. April 2011 bedürfe der Auslegung. Diese ergebe, dass die Parteien in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen und keinen fixen Auszahlungszeitpunkt vereinbart hätten. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lasse sich dem Wortlaut von Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs kein eindeutiges Ergebnis entnehmen. Die Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, der Äußerungen der Parteien hierzu sowie deren Interessenlage sprächen für eine bloße Fälligkeitsabrede und damit gegen die Vereinbarung eines festen Auszahlungstermins. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte nach § 271 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen, vor Fälligkeit zu leisten. § 271 Abs. 2 BGB sei anwendbar. Eine vorfällige Abfindungszahlung sei nicht gesetzlich ausgeschlossen. Ebenso liege keine dahingehende Parteibestimmung vor. Auch ein besonderes Interesse des Klägers an einer Leistung erst in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat sei nicht erkennbar.

14

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei diese Überprüfung, soweit das Landesarbeitsgericht den Prozessvergleich vom 19. April 2011 ausgelegt hat, ohnehin eingeschränkt ist. Der Prozessvergleich vom 19. April 2011 enthält atypische und damit individuelle Erklärungen der Parteien. Die Auslegung solcher Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 19. November 2015 - 6 AZR 844/14 - Rn. 32).

15

a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Prozessvergleich vom 19. April 2011 eine Leistungszeit bestimmt haben. Sie haben unter Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs vereinbart, dass die gesamte Abfindung mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausgezahlt wird.

16

b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass diese Vereinbarung nach der in § 271 Abs. 2 BGB getroffenen Auslegungsregel(vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10, BGHZ 170, 1) dahin auszulegen ist, dass zwar der Kläger die Abfindung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2011 verlangen, die Beklagte sie aber vorher bewirken konnte.

17

aa) Nach § 271 Abs. 2 BGB ist, sofern eine Leistungszeit bestimmt ist, im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. Diese Bestimmung ist vorliegend anwendbar, weil sich - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat - weder aus dem Gesetz noch aus einer Vereinbarung der Parteien noch aus den Umständen (vgl. BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10 mwN, BGHZ 170, 1) ergibt, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen.

18

bb) Da eine gesetzliche Bestimmung, die die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber vor deren Fälligkeit ausschließt, nicht existiert, hat das Landesarbeitsgericht zunächst zu Recht geprüft, ob die Parteien mit der in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs bestimmten Leistungszeit zugleich einen festen Zahlungstermin, mithin nicht nur die Fälligkeit, also den Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Abfindung verlangen konnte (zum Begriff der Fälligkeit vgl. etwa BAG 19. Februar 2014 - 5 AZR 700/12 - Rn. 22), sondern auch die Erfüllbarkeit der Forderung, mithin den Zeitpunkt, von dem ab die Beklagte leisten durfte (zum Begriff der Erfüllbarkeit vgl. etwa BGH 24. Juni 2002 - II ZR 256/01 - zu I 1 b der Gründe), vereinbart haben. Es ist nach Auslegung des Prozessvergleichs zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien keine Vereinbarung des Inhalts geschlossen haben, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor deren Fälligkeit zu zahlen. Diese Auslegung hält einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder Auslegungsregeln verletzt, noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen.

19

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegung des Prozessvergleichs zutreffend anhand der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vorgenommen, wonach Verträge - und damit auch Prozessvergleiche - so auszulegen sind, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21 mwN).

20

(2) In Anwendung dieser Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht zunächst vom Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs ausgegangen und hat angenommen, dass sich hieraus nicht eindeutig ergebe, ob die Zahlung der Abfindung „erst“ bzw. „frühestens“ oder „spätestens“ mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats erfolgen durfte. Diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs getroffene Vereinbarung schon deshalb nicht mit einer Abrede vergleichbar, nach der die Auszahlung eines Betrages zu einem bestimmten Termin zu erfolgen hat, weil sie sich nicht auf die Bestimmung eines Auszahlungstermins beschränkt, sondern an den regulären Gehaltslauf und damit an die monatliche Abrechnung anknüpft.

21

(3) Das Landesarbeitsgericht hat sodann geprüft, ob sich aus der Entstehungsgeschichte des Prozessvergleichs, den Äußerungen der Parteien hierzu sowie aus deren Interessenlage ergab, dass die Parteien - wie der Kläger meint - einen festen Auszahlungstermin, mithin auch die Erfüllbarkeit der Leistung durch die Beklagte vereinbart hatten und hat dies verneint.

22

Auch diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessenlage bzw. die (einseitigen) Vorstellungen einer Partei im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB überhaupt nur dann maßgeblich sein können, wenn sie für die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar waren(vgl. BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 27, 41 ff.; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 23; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 21; 24. September 2003 - 10 AZR 34/03 - zu II 1 b der Gründe) und dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, die Beklagte bei Vergleichsschluss auf sein Interesse hingewiesen zu haben, die Abfindung jedenfalls bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Steuerjahr 2012 zu erhalten. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer dieses Interesse des Klägers für die Beklagte sonst wie erkennbar gewesen wäre. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger nach Ziff. 5 des Vergleichs berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden, weshalb sich die in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs getroffene Vereinbarung auf das Jahr, in dem die Abfindung zu versteuern war, nur dann auswirken konnte, wenn der Kläger von der ihm nach Ziff. 5 des Prozessvergleichs eingeräumten Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses keinen Gebrauch machte. Dass er zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits entschlossen war, erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und dass die Beklagte von diesem Entschluss wusste, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

23

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers begegnet die Auslegung des Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht auch nicht deshalb revisionsrechtlichen Bedenken, weil das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es spreche alles für eine bloße Fälligkeitsvereinbarung und dies ua. damit begründet hat, es sei davon auszugehen, dass die Beklagte auf der Formulierung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs bestanden habe, um ein eigenes Verzugsrisiko auszuschließen. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang ein Bestreiten des Klägers übergangen haben sollte, kann der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Für die Anwendbarkeit der in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Auslegungsregel ist es nämlich nicht entscheidend, ob mehr oder weniger für die Annahme einer reinen Fälligkeitsabrede spricht. Vielmehr würde eine Anwendung von § 271 Abs. 2 BGB nur dann ausscheiden, wenn die Parteien im Prozessvergleich vereinbart hätten, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen. Eine solche Vereinbarung hat das Landesarbeitsgericht aber in zutreffender Anwendung der in §§ 133, 157 BGB bestimmten Auslegungsgrundsätze gerade nicht angenommen.

24

cc) Das Landesarbeitsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass sich auch aus den Umständen nicht ergab, dass § 271 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sein sollte.

25

(1) Ein Ausschluss von vorfälligen Leistungen ergibt sich aus den Umständen, wenn die Leistungszeit nicht nur im Interesse des Schuldners hinausgeschoben ist, sondern wenn auch der Gläubiger ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, die Leistung nicht vor Fälligkeit entgegennehmen zu müssen (vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 11, BGHZ 170, 1; 16. Juni 1993 - XII ZR 6/92 - zu 2 d der Gründe, BGHZ 123, 49). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, bestimmt sich insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses und der Verkehrssitte.

26

(2) Aus der Natur des Prozessvergleichs, mit dem die Parteien sich ua. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigt haben, ergibt sich kein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers, die Abfindung nicht bereits im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst im Folgemonat entgegennehmen zu müssen. Zwar hat die Abfindung nach Ziff. 6 Satz 1 des Prozessvergleichs die Funktion, einen gewissen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu schaffen. Hieraus folgt allerdings nur, dass zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zusammenhang bestand und die Abfindung deshalb mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig sein sollte (vgl. BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 240; 29. November 1983 - 1 AZR 523/82 - zu 2 der Gründe, BAGE 44, 260). Dass sie auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllbar war, ergibt sich hieraus aber nicht.

27

Es besteht auch keine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt wird. Welcher Zuflusszeitpunkt sich für den Arbeitnehmer aus steuerlichen Gründen als günstiger erweist, lässt sich nicht im Voraus für alle Fälle gleich beantworten, sondern hängt von individuellen Faktoren ab, ua. von dem (zu erwartenden) Einkommen des Arbeitnehmers in den jeweiligen Steuerjahren und kann deshalb erst im Nachhinein beurteilt werden.

28

(3) Damit verbleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer, der aus steuerlichen Gründen eine Abfindung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegennehmen möchte, dies mit dem Arbeitgeber verbindlich vereinbaren muss, was vorliegend nicht geschehen ist.

29

3. Auf die Frage, ob etwaigen Ansprüchen des Klägers die in Ziff. 9 des Prozessvergleichs vereinbarte Abgeltungs- bzw. Verfallklausel entgegensteht, und ob der Kläger die Ausschlussfrist in § 22 Nr. 2 MTV gewahrt hat, kommt es nach alledem nicht an.

30

4. Über den mit dem Antrag zu 2. vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Steuerberaterkosten war nicht zu befinden, weil der Antrag zu 2. nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt ist.

31

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Wankel    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 - 28 Ca 314/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer in einem gerichtlich festgestellten Vergleich vereinbarten Handlung.

2

Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger/Gläubiger (im Folgenden: Kläger) gegen die Beklagte/Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ua. die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 5. Oktober 2010 geltend gemacht. Zur Erledigung des Rechtsstreits schlossen die Parteien einen am 23. November 2010 gerichtlich festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 beendet wurde. Neben weiteren Regelungen enthält der Vergleich folgende Bestimmung:

        

„IX. Direktversicherung

        

Der Kläger ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung A abgeschlossene Direktversicherung mit der Versicherungsnummer mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Die Beklagte wird auf erstes Anfordern alle hierfür erforderlichen Erklärungen abgeben.“

3

Am 17. Dezember 2010 erteilte das Arbeitsgericht dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des von Amts wegen zugestellten Beschlusses vom 23. November 2010. Mit Schreiben vom 22. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine von der Versicherungsgesellschaft A vorformulierte Erklärung abzugeben, die eine Auszahlung der Rückvergütung der Versicherung zum 1. Dezember 2011 vorsah. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

4

Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 hat der Kläger beim Arbeitsgericht sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld von 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte soll verpflichtet werden, das Formular Anlage AG 1 unter Korrektur des Datums auf den 31. Dezember 2011 ausgefüllt und unterschrieben zurückzureichen.

5

Die Beklagte hat beantragt, den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zwangsvollstreckungsantrag sei nicht bestimmt genug und auch der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Vergleich sei nicht hinreichend bestimmt.

6

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsgeldantrag des Klägers durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zurückgewiesen. Mit am 10. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld iHv. 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, diese Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise

        

die Vollstreckung durch Abgabe folgender Erklärung abzuwenden:

        

„Herr E ist aus unserem Unternehmen mit dem 31.12.2011 ausgeschieden. Er ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung ‚A’ abgeschlossene Direktversicherung mit der VS-Nr. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die zum 31.12.2011 erfolgt ist, zu übernehmen. Wir geben hiermit alle dafür ggf. notwendigen Erklärungen ab und stimmen der Übernahme der Direktversicherung durch Herrn E zu.“

7

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde stattgegeben, gegen die Beklagte einen Zwangsgeldbeschluss „zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlich mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellten Vergleich, nämlich auf erstes Anfordern alle für die Übernahme der Direktversicherung bei der A mit der Versicherungsnummer durch den Kläger erforderlichen Erklärungen abzugeben“, erlassen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 7. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 28. Februar 2012 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt und sowohl den Ausgangsbeschluss als auch den Ergänzungsbeschluss den Parteien zugestellt.

9

Mit der am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses.

10

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zwangsgeldbeschluss zu Unrecht erlassen. Dies führt zur Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

11

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2012 ist mit am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten und zugleich - und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - begründet worden.

12

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Zwangsgeldbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der Vollstreckungstitel ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend bestimmt. Für eine hinreichende Bestimmtheit des Vergleichs ist es zwar ausreichend, dass der geschuldete Erfolg im Vollstreckungstitel festgeschrieben ist ohne die zur Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen oder Erklärungen im Einzelnen zu bezeichnen. Der Vergleich vom 23. November 2010 legt den geschuldeten Erfolg jedoch nicht ausreichend bestimmt fest und weist deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Ob der Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist und ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Beschlussfassung gegen § 308 ZPO verstoßen hat, kann deshalb dahinstehen. Ebenso unerheblich ist, ob die von der Rechtsbeschwerde gerügte entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend dargelegt ist und die Rechtsbeschwerdebegründung insoweit überhaupt den gesetzlichen Anforderungen nach § 575 Abs. 3 ZPO genügt.

13

a) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellte Vergleich enthält einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Gläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

14

b) Der Prozessvergleich vom 23. November 2010 ist für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die fehlende Bestimmtheit allerdings nicht daraus, dass die von der Beklagten abzugebenden Erklärungen im Vergleich nicht festgelegt sind. Insoweit ist es ausreichend, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es vorliegend. Dies ergibt eine Auslegung des durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleichs.

15

aa) Der Vergleich vom 23. November 2010 ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).

16

Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7; 9. September 2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14, EzA GewO § 109 Nr. 8).

17

bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 23. November 2010 keinen hinreichend bestimmten vollstreckbaren Inhalt. Zwar genügt es für die ausreichende Bestimmtheit, wenn nur der zu bewirkende Erfolg im Vergleich festgelegt ist und nicht die zu dessen Herbeiführung zu ergreifenden Mittel oder Erklärungen. Erforderlich ist jedoch, dass der geschuldete Erfolg im Vergleich bestimmt ist. Hieran fehlt es.

18

(1) Für die Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs ist es ausreichend, wenn nicht die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen vereinbart sind, sondern der durch die Erklärungen oder Handlungen zu bewirkende Erfolg (vgl. OLG München 2. Juli 1987 - 28 W 1163/87 - zu II 1 der Gründe, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 22; BGH 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75 - zu III der Gründe, BGHZ 67, 252; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 2, § 887 Rn. 5). Es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.

19

(2) Der von der Beklagten zu bewirkende Erfolg ist von den Parteien im Vergleich vom 23. November 2010 nicht hinreichend bestimmt vereinbart worden. Die Parteien sind in Nr. IX des Vergleichs übereingekommen, dass der Kläger berechtigt ist, die Direktversicherung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Damit haben die Parteien nicht festgelegt, welcher konkrete Erfolg geschuldet ist. Nach Nr. IX des Vergleichs sind zwei Möglichkeiten denkbar.

20

Zum einen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien sich mit dem Recht zur Übernahme der Direktversicherung auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG vorgesehene sog. versicherungsförmige Lösung verständigt haben. Dafür könnte die in Nr. IX Satz 2 des Vergleichs vereinbarte Wendung „auf erstes Anfordern“ sprechen. Der Kläger hätte bei diesem Verständnis des Vergleichs das Recht erlangt, von der Beklagten die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zu verlangen; die Beklagte hätte dann auf die entsprechende Aufforderung des Klägers die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG erforderlichen Erklärungen abzugeben.

21

Zum anderen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien die vollständige Übertragung der Versicherung auf den Kläger vereinbart haben und damit den Kläger umfassend in die Position des Versicherungsnehmers einrücken lassen wollten. Damit würde der Kläger Inhaber sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich des Rechts, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch zu nehmen. Für diese Auslegung könnte die vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgelegte Formularerklärung des Versicherungsunternehmens sprechen, die eine Beendigung der Versicherung unter Auszahlung der Rückvergütung an den Kläger zum Gegenstand hat. Ob dies rechtlich zulässig wäre oder ein solches Vorgehen möglicherweise gegen das Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstößt, ist für die Frage, ob der Vergleich dem Bestimmtheitserfordernis genügt, unerheblich.

22

Da der Vergleich beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt und für jede der beiden Auslegungen Argumente angezogen werden können, ohne zu einer eindeutig vorzugswürdigen Auslegung zu kommen, fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Erfolges im Vergleich und diesem damit die Vollstreckungsfähigkeit.

23

III. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. September 2014 - 6 Sa 230/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

2

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 15. Februar 2001 bei der Beklagten, einem milchverarbeitenden Unternehmen, bzw. bei deren Rechtsvorgängerin seit dem 12. März 2001 als Sachbearbeiter Marketing beschäftigt. Unter Ziff. 11 des Arbeitsvertrages heißt es:

        

„Alle weiteren hier nicht geregelten Fragen richten sich nach dem Tarifvertrag für das Molkerei- und Käsereigewerbe in Bayern und den gesetzlichen Bestimmungen.“

3

Der „M a n t e l t a r i f v e r t r a g vom 15. 11. 1999 für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Milchindustrie, für das Molkerei- und Käsereigewerbe sowie für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Schmelzkäseindustrie in Bayern - gültig ab 1. 1. 2000 -“ (im Folgenden MTV) sieht in § 22 Nr. 2 für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher wegen unrichtiger Eingruppierung - eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vor.

4

Mit Schreiben vom 10. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. Juni 2011 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens seine Weiterbeschäftigung verlangt. Am 19. April 2011 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Beendigung dieses Verfahrens sowie des Kündigungsschutzverfahrens einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

        

„1.     

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 10.03.2011 mit Ablauf des 31.12.2011 sein Ende finden.

        

…       

        
        

3.    

Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung in Höhe von 3.608,50 € von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Rahmen der Freistellung werden Zeitguthaben des Klägers angerechnet. Der Urlaub wurde dem Kläger in natura gewährt.

        

4.    

Während der Freistellung wird das Arbeitsverhältnis des Klägers ordnungsgemäß unter Zugrundelegung einer monatlichen Vergütung von 3.608,50 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger monatlich ausbezahlt.

        

5.    

Der Kläger ist berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung entspricht ausdrücklich dem Interesse und dem Wunsch des Arbeitgebers.

        

6.    

Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 47.500,-- € (i.W.: siebenundvierzigtausendfünfhundert EURO) brutto.

                 

Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens gemäß voranstehender Ziffer um 3.608,50 € brutto. Anteilige Monate werden anteilig berechnet.

        

7.    

Die Abfindung in Höhe von 47.500,-- € brutto ist sofort entstanden und vererblich. Die gesamte Abfindung wird mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt.

        

…       

        
        

9.    

Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle zwischen den Parteien bestehenden finanziellen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob gegenwärtig oder zukünftig, gleich aus welchem Rechtsgrund, endgültig abgegolten und erledigt.

        

…       

        
        

12.     

Der Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 21.04.2011 beim Arbeitsgericht Rosenheim in Rosenheim eingegangen sein muss.“

5

Der Vergleich wurde in der Folgezeit nicht widerrufen. Der Kläger machte von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung nach Ziff. 5 des Vergleichs keinen Gebrauch und schied zum 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Die Beklagte rechnete die vereinbarte Abfindung iHv. 47.500,00 Euro brutto zusammen mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2011 ab und überwies den sich ergebenden Nettobetrag auf das Konto des Klägers, dem es am 30. Dezember 2011 gutgeschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 27. März 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens iHv. insgesamt 4.655,72 Euro geltend. Mit seiner Klage verfolgt er dieses Begehren weiter. Zudem verlangt er von der Beklagten die Erstattung von Steuerberaterkosten iHv. 571,20 Euro.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verletzt habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Abfindung bereits im Dezember 2011 auszuzahlen. Nach Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs habe die Zahlung vielmehr erst mit dem Gehaltslauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats, dh. erst im Januar 2012 erfolgen dürfen. Die Parteien hätten in dem Vergleich einen festen Auszahlungstermin vereinbart und keine Fälligkeitsabrede getroffen. Insoweit sei bereits der Wortlaut des Vergleichs eindeutig. Im Übrigen sei es ihm mit der Verschiebung der Zahlung auf den Folgemonat seines Ausscheidens darum gegangen, die Abfindung bei einem Ausscheiden mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Jahr 2012 versteuern zu müssen. Aber selbst wenn von einer Fälligkeitsabrede auszugehen sein sollte, habe die Beklagte gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verstoßen. Sie habe die Zahlung nicht vorfällig vornehmen dürfen, da dadurch seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt worden seien. Ihm bzw. seiner Ehefrau sei durch die Auszahlung der Abfindung noch im Kalenderjahr 2011 der von ihm geltend gemachte Steuerschaden entstanden. Zur Ermittlung des Schadens habe er einen Steuerberater einschalten müssen. Dessen Kosten habe die Beklagte ggf. auch zu ersetzen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,72 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 571,20 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Vereinbarung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs handele es sich um eine Fälligkeitsabrede, nicht aber um die Abrede eines fixen Zahlungszeitpunkts. Sie hat behauptet, Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs sei auf ihren Wunsch hin aufgenommen worden, um der Gefahr des Verzugs entgegenzuwirken. Nach Ziff. 5 des Vergleichs sei der Kläger berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Hätte der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hätte sie die Abfindung aufgrund des Abrechnungsschlusses für diesen Monat nicht mehr berücksichtigen und demgemäß nicht fristgemäß auszahlen können. Soweit der vom Kläger geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau beruhe, fehle es schon an der Aktivlegitimation des Klägers.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen.

12

I. Es kann dahinstehen, ob der Kläger berechtigt war, von der Beklagten Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als der geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau - sei es im Rahmen einer gemeinsamen oder einer getrennten Veranlagung - beruht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz nach dem hier als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 280 Abs. 1 BGB hat, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Prozessvergleich vom 19. April 2011 nicht verletzt hatte, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte war berechtigt, die in Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarte Abfindung bereits im Dezember 2011 an den Kläger auszuzahlen.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Prozessvergleich vom 19. April 2011 bedürfe der Auslegung. Diese ergebe, dass die Parteien in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen und keinen fixen Auszahlungszeitpunkt vereinbart hätten. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lasse sich dem Wortlaut von Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs kein eindeutiges Ergebnis entnehmen. Die Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, der Äußerungen der Parteien hierzu sowie deren Interessenlage sprächen für eine bloße Fälligkeitsabrede und damit gegen die Vereinbarung eines festen Auszahlungstermins. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte nach § 271 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen, vor Fälligkeit zu leisten. § 271 Abs. 2 BGB sei anwendbar. Eine vorfällige Abfindungszahlung sei nicht gesetzlich ausgeschlossen. Ebenso liege keine dahingehende Parteibestimmung vor. Auch ein besonderes Interesse des Klägers an einer Leistung erst in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat sei nicht erkennbar.

14

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei diese Überprüfung, soweit das Landesarbeitsgericht den Prozessvergleich vom 19. April 2011 ausgelegt hat, ohnehin eingeschränkt ist. Der Prozessvergleich vom 19. April 2011 enthält atypische und damit individuelle Erklärungen der Parteien. Die Auslegung solcher Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 19. November 2015 - 6 AZR 844/14 - Rn. 32).

15

a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Prozessvergleich vom 19. April 2011 eine Leistungszeit bestimmt haben. Sie haben unter Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs vereinbart, dass die gesamte Abfindung mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausgezahlt wird.

16

b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass diese Vereinbarung nach der in § 271 Abs. 2 BGB getroffenen Auslegungsregel(vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10, BGHZ 170, 1) dahin auszulegen ist, dass zwar der Kläger die Abfindung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2011 verlangen, die Beklagte sie aber vorher bewirken konnte.

17

aa) Nach § 271 Abs. 2 BGB ist, sofern eine Leistungszeit bestimmt ist, im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. Diese Bestimmung ist vorliegend anwendbar, weil sich - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat - weder aus dem Gesetz noch aus einer Vereinbarung der Parteien noch aus den Umständen (vgl. BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10 mwN, BGHZ 170, 1) ergibt, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen.

18

bb) Da eine gesetzliche Bestimmung, die die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber vor deren Fälligkeit ausschließt, nicht existiert, hat das Landesarbeitsgericht zunächst zu Recht geprüft, ob die Parteien mit der in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs bestimmten Leistungszeit zugleich einen festen Zahlungstermin, mithin nicht nur die Fälligkeit, also den Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Abfindung verlangen konnte (zum Begriff der Fälligkeit vgl. etwa BAG 19. Februar 2014 - 5 AZR 700/12 - Rn. 22), sondern auch die Erfüllbarkeit der Forderung, mithin den Zeitpunkt, von dem ab die Beklagte leisten durfte (zum Begriff der Erfüllbarkeit vgl. etwa BGH 24. Juni 2002 - II ZR 256/01 - zu I 1 b der Gründe), vereinbart haben. Es ist nach Auslegung des Prozessvergleichs zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien keine Vereinbarung des Inhalts geschlossen haben, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor deren Fälligkeit zu zahlen. Diese Auslegung hält einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder Auslegungsregeln verletzt, noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen.

19

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegung des Prozessvergleichs zutreffend anhand der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vorgenommen, wonach Verträge - und damit auch Prozessvergleiche - so auszulegen sind, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21 mwN).

20

(2) In Anwendung dieser Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht zunächst vom Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs ausgegangen und hat angenommen, dass sich hieraus nicht eindeutig ergebe, ob die Zahlung der Abfindung „erst“ bzw. „frühestens“ oder „spätestens“ mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats erfolgen durfte. Diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs getroffene Vereinbarung schon deshalb nicht mit einer Abrede vergleichbar, nach der die Auszahlung eines Betrages zu einem bestimmten Termin zu erfolgen hat, weil sie sich nicht auf die Bestimmung eines Auszahlungstermins beschränkt, sondern an den regulären Gehaltslauf und damit an die monatliche Abrechnung anknüpft.

21

(3) Das Landesarbeitsgericht hat sodann geprüft, ob sich aus der Entstehungsgeschichte des Prozessvergleichs, den Äußerungen der Parteien hierzu sowie aus deren Interessenlage ergab, dass die Parteien - wie der Kläger meint - einen festen Auszahlungstermin, mithin auch die Erfüllbarkeit der Leistung durch die Beklagte vereinbart hatten und hat dies verneint.

22

Auch diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessenlage bzw. die (einseitigen) Vorstellungen einer Partei im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB überhaupt nur dann maßgeblich sein können, wenn sie für die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar waren(vgl. BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 27, 41 ff.; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 23; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 21; 24. September 2003 - 10 AZR 34/03 - zu II 1 b der Gründe) und dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, die Beklagte bei Vergleichsschluss auf sein Interesse hingewiesen zu haben, die Abfindung jedenfalls bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Steuerjahr 2012 zu erhalten. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer dieses Interesse des Klägers für die Beklagte sonst wie erkennbar gewesen wäre. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger nach Ziff. 5 des Vergleichs berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden, weshalb sich die in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs getroffene Vereinbarung auf das Jahr, in dem die Abfindung zu versteuern war, nur dann auswirken konnte, wenn der Kläger von der ihm nach Ziff. 5 des Prozessvergleichs eingeräumten Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses keinen Gebrauch machte. Dass er zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits entschlossen war, erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und dass die Beklagte von diesem Entschluss wusste, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

23

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers begegnet die Auslegung des Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht auch nicht deshalb revisionsrechtlichen Bedenken, weil das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es spreche alles für eine bloße Fälligkeitsvereinbarung und dies ua. damit begründet hat, es sei davon auszugehen, dass die Beklagte auf der Formulierung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs bestanden habe, um ein eigenes Verzugsrisiko auszuschließen. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang ein Bestreiten des Klägers übergangen haben sollte, kann der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Für die Anwendbarkeit der in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Auslegungsregel ist es nämlich nicht entscheidend, ob mehr oder weniger für die Annahme einer reinen Fälligkeitsabrede spricht. Vielmehr würde eine Anwendung von § 271 Abs. 2 BGB nur dann ausscheiden, wenn die Parteien im Prozessvergleich vereinbart hätten, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen. Eine solche Vereinbarung hat das Landesarbeitsgericht aber in zutreffender Anwendung der in §§ 133, 157 BGB bestimmten Auslegungsgrundsätze gerade nicht angenommen.

24

cc) Das Landesarbeitsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass sich auch aus den Umständen nicht ergab, dass § 271 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sein sollte.

25

(1) Ein Ausschluss von vorfälligen Leistungen ergibt sich aus den Umständen, wenn die Leistungszeit nicht nur im Interesse des Schuldners hinausgeschoben ist, sondern wenn auch der Gläubiger ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, die Leistung nicht vor Fälligkeit entgegennehmen zu müssen (vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 11, BGHZ 170, 1; 16. Juni 1993 - XII ZR 6/92 - zu 2 d der Gründe, BGHZ 123, 49). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, bestimmt sich insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses und der Verkehrssitte.

26

(2) Aus der Natur des Prozessvergleichs, mit dem die Parteien sich ua. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigt haben, ergibt sich kein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers, die Abfindung nicht bereits im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst im Folgemonat entgegennehmen zu müssen. Zwar hat die Abfindung nach Ziff. 6 Satz 1 des Prozessvergleichs die Funktion, einen gewissen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu schaffen. Hieraus folgt allerdings nur, dass zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zusammenhang bestand und die Abfindung deshalb mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig sein sollte (vgl. BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 240; 29. November 1983 - 1 AZR 523/82 - zu 2 der Gründe, BAGE 44, 260). Dass sie auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllbar war, ergibt sich hieraus aber nicht.

27

Es besteht auch keine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt wird. Welcher Zuflusszeitpunkt sich für den Arbeitnehmer aus steuerlichen Gründen als günstiger erweist, lässt sich nicht im Voraus für alle Fälle gleich beantworten, sondern hängt von individuellen Faktoren ab, ua. von dem (zu erwartenden) Einkommen des Arbeitnehmers in den jeweiligen Steuerjahren und kann deshalb erst im Nachhinein beurteilt werden.

28

(3) Damit verbleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer, der aus steuerlichen Gründen eine Abfindung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegennehmen möchte, dies mit dem Arbeitgeber verbindlich vereinbaren muss, was vorliegend nicht geschehen ist.

29

3. Auf die Frage, ob etwaigen Ansprüchen des Klägers die in Ziff. 9 des Prozessvergleichs vereinbarte Abgeltungs- bzw. Verfallklausel entgegensteht, und ob der Kläger die Ausschlussfrist in § 22 Nr. 2 MTV gewahrt hat, kommt es nach alledem nicht an.

30

4. Über den mit dem Antrag zu 2. vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Steuerberaterkosten war nicht zu befinden, weil der Antrag zu 2. nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt ist.

31

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Wankel    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

14

I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

15

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

16

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

18

4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

20

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

23

b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

30

aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

31

(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 15. Dezember 2010 - 2 Sa 742/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs.

2

Die Klägerin war seit dem 1. September 1981 in einem Warenhaus der Beklagten beschäftigt. Zuletzt hatte sie die Stellung einer Abteilungsleiterin inne.

3

Im Herbst des Jahres 2008 deutete die Klägerin dem Geschäftsführer ihrer Filiale an, aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden zu wollen, um ihren Mann bei dessen beabsichtigter Selbständigkeit zu unterstützen. Im Januar 2009 erkrankte die Klägerin. Ab Februar 2009 führte sie mit dem Personalleiter der Beklagten Gespräche über ihr Ausscheiden. Sie signalisierte bereit zu sein, ihr Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 55.000,00 Euro zu beenden. Man kam überein, dass die Beklagte kündigen und man sodann einen gerichtlichen Vergleich protokollieren lassen würde.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 20. Mai 2009 zum 31. Dezember 2009. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage. In der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht schlossen die Parteien am 8. Juni 2009 folgenden Vergleich:

        

„1.     

Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige betriebsbedingte Kündigung vom 20. Mai 2009 fristgerecht mit dem 31. Dezember 2009 endet.

        

2.    

Als Abfindung nur für den Verlust des Arbeitsplatzes zahlt die Beklagte an die Klägerin entsprechend den §§ 9, 10 KSchG einen Betrag iHv. 55.000,00 Euro brutto.

        

3.    

Damit ist der Rechtsstreit beendet.“

5

Am 9. Juni 2009 stellte die Beklagte einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde am 1. September 2009 eröffnet. Nachdem ein Insolvenzplan erstellt worden war, wurde es zum 30. September 2010 aufgehoben.

6

Mit Anwaltsschreiben vom 23. Oktober 2009 focht die Klägerin gegenüber dem Insolvenzverwalter den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 wegen arglistiger Täuschung an. Auf der Grundlage des Insolvenzplans hätte sie mit einer Quote von 3 vH der Vergleichsforderung zu rechnen.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit des Vergleichs und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht. Sie hat behauptet, sie habe den Vergleich im Vertrauen darauf geschlossen, der vorgesehene Abfindungsbetrag werde tatsächlich gezahlt. Die rechtlichen Folgen einer Insolvenz seien ihr nicht geläufig gewesen. Es sei offensichtlich, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs gewusst habe, dass sie entgegen ihrer Zusicherung die Abfindungssumme nicht würde zahlen können. Die Beklagte habe den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet. Ihr selbst seien nur die allgemeinen finanziellen Schwierigkeiten der Beklagten bekannt gewesen. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr Schreiben vom 23. Oktober 2009 sei zugleich als Rücktritt vom Vergleich zu verstehen.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der gerichtliche Vergleich vom 8. Juni 2009 den Rechtsstreit nicht beendet hat;

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Mai 2009 nicht aufgelöst worden ist;

        

3.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund des gerichtlichen Vergleichs mit Ablauf des 31. Dezember 2009 beendet worden ist, sondern darüber hinaus fortbesteht;

        

4.    

die Beklagte zu verurteilen, sie zu den bisherigen Bedingungen als Abteilungsleiterin weiterzubeschäftigen;

        

hilfsweise zu 2. und 3.,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot, sie mit Wirkung vom 1. Januar 2010 unter Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit wieder einzustellen, anzunehmen.

9

Die Beklagte hat beantragt festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Sie hat vorgetragen, sie habe am 8. Juni 2009 keine Kenntnis davon gehabt, dass sie am Folgetag Insolvenzantrag würde stellen müssen. Noch am 8. und sogar am 9. Juni 2009 selbst sei über die Gewährung von Staatshilfen verhandelt worden. Erst nachdem die Gespräche negativ verlaufen seien, sei der Antrag gestellt worden. Ein Rücktrittsrecht stehe der Klägerin nicht zu, es habe sich lediglich das Insolvenzrisiko realisiert.

10

Das Arbeitsgericht hat nach dem Antrag der Beklagten erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist unbegründet. Der Rechtsstreit ist durch den gerichtlichen Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet.

12

I. Die Anträge der Klägerin sind zulässig.

13

1. Zwar bestünden daran mit Blick auf den Antrag zu 1), wäre dieser als echter Sachantrag zu verstehen, Bedenken. Die Klägerin hat ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung gem. § 256 Abs. 2 ZPO nicht dargelegt. Die Auslegung ergibt jedoch, dass die Klägerin mit dem Antrag zu 1) keine eigenständige Feststellung begehrt. Ihr Ziel ist die sachliche Bescheidung ihrer Anträge zu 2) bis 4). Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 8. Juni 2009 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung bedarf es nicht.

14

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251). Ob der alte Prozess auch dann fortzusetzen ist, wenn der Prozessvergleich materiellrechtlich aus Gründen unwirksam wird, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind - wenn etwa ausschließlich ein gesetzliches Rücktrittsrecht geltend gemacht wird -, kann dahinstehen (str.; vgl. bejahend BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; verneinend BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Jedenfalls dann, wenn neben einem Rücktritt auch die Anfechtung erklärt wurde, ist der bisherige Prozess fortzusetzen (Hanseatisches OLG Hamburg 30. November 1994 - 4 U 167/94 - ZMR 1996, 266; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 36). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - aaO; 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1995 - II ZR 201/53 - aaO).

15

II. Die auf die Fortsetzung des bisherigen Rechtsstreits und eine Sachentscheidung gerichtete Klage ist unbegründet. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 hat den Rechtsstreit wirksam beendet. Über die Sachanträge, einschließlich des Hilfsantrags, ist nicht mehr zu entscheiden.

16

1. Ein Prozessvergleich hat neben seinen materiellrechtlichen Folgen iSv. § 779 BGB unmittelbar prozessbeendende Wirkung(vgl. BAG 12. Mai 2010 - 2 AZR 544/08 - Rn. 15, AP BGB § 123 Nr. 68 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 9; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 3, 26). Er wird zur Beilegung und damit Erledigung des Rechtsstreits geschlossen (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die Erledigung tritt grundsätzlich mit dem Abschluss des Vergleichs ein. Auch im Streitfall haben die Parteien in Ziff. 3) des Vergleichs vereinbart, dass der Rechtsstreit damit beendet sei.

17

Auch soweit die Klägerin geltend macht, der Vergleich vom 8. Juni 2009 sei dahin auszulegen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht ohne die Abfindungszahlung habe eintreten sollen, ändert dies nichts an seiner unmittelbar prozessbeendenden Wirkung. Die von ihr begehrte Fortsetzung des Rechtsstreits ist deshalb nur bei Unwirksamkeit des Vergleichs möglich.

18

2. Der Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 ist wirksam.

19

a) Er ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die Klägerin macht solche Mängel weder geltend, noch sind sie sonst ersichtlich. Der Vergleich ist ausweislich der Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 8. Juni 2009 ordnungsgemäß protokolliert worden.

20

b) Der Prozessvergleich ist nicht gem. § 138 Abs. 1 BGB oder § 134 BGB von Anfang an nichtig. Versteht man seinen Inhalt mit dem Landesarbeitsgericht dahin, die Klägerin habe bereits mit seinem Abschluss der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt, die Abfindung habe jedoch erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2009 fällig werden sollen, hätte die Klägerin ihre Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwar als Vorleistung erbracht. Das verstieße aber weder gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB noch gegen die guten Sitten iSv. § 138 Abs. 1 BGB(vgl. für einen außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 21). Auch eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt nicht vor. Die Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers entspricht bei der Vereinbarung eines Beendigungsvergleichs regelmäßig den zugrunde liegenden Interessen. Einerseits wird der Arbeitnehmer dadurch bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirtschaftlich so gestellt, wie er ohne die Aufhebungsvereinbarung gestanden hätte. Andererseits kann, da ein Aufhebungsvertrag in der Regel unter der aufschiebenden Bedingung steht, dass das Arbeitsverhältnis bis zu dem vereinbarten Auflösungszeitpunkt fortgesetzt wird (BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; 5. April 2001 - 2 AZR 217/00 - zu II 3 b der Gründe, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 34 = EzA BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10), die vereinbarte Abfindungszahlung dann gegenstandslos werden, wenn später zB eine außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis noch vor dem im Vertrag vorgesehenen Zeitpunkt auflöst (vgl. BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO; DFL/Fischermeier 4. Aufl. § 626 BGB Rn. 32).

21

c) Der Vergleich ist nicht gem. § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Die Klägerin hat ihn zwar frist- und formgerecht gem. § 124 Abs. 1 und Abs. 2, § 143 Abs. 1 und Abs. 2 BGB angefochten. Ein Anfechtungsgrund liegt aber nicht vor. Die Klägerin ist nicht durch arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden.

22

aa) Eine arglistige Täuschung iSv. § 123 Abs. 1 BGB setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat. Dabei muss sich die Täuschung auf objektiv nachprüfbare Tatsachen beziehen. Die Äußerung subjektiver Werturteile genügt nicht (BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 41, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5). Eine Täuschung kann auch in dem Verschweigen von Tatsachen bestehen, sofern der Erklärende zu deren Offenbarung verpflichtet war. Das subjektive Merkmal „Arglist“ iSv. § 123 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn der Täuschende weiß oder billigend in Kauf nimmt, dass seine Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen oder mangels Offenbarung bestimmter Tatsachen irrige Vorstellungen beim Erklärungsgegner entstehen oder aufrechterhalten werden; Fahrlässigkeit - auch grobe Fahrlässigkeit - genügt insoweit nicht. Die Beweislast für das Vorliegen von Arglist trägt der Anfechtende; dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, steht dem nicht entgegen (vgl. BAG 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - Rn. 43; 20. Mai 1999 - 2 AZR 320/98 - zu B I 4 der Gründe, BAGE 91, 349).

23

bb) Danach war die Anfechtung im Streitfall nicht berechtigt.

24

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe von der finanziell bedrängten Lage der Beklagten bei Abschluss des Vergleichs gewusst. Aus den Medien sei bekannt gewesen, eine Insolvenz der Beklagten sei möglich und würde nur durch staatliche Finanzhilfen abgewendet werden können. In dieser Lage habe die Klägerin nicht davon ausgehen können, die Zahlungsfähigkeit der Beklagten werde in der Folgezeit, jedenfalls für den Zeitraum bis zur Fälligkeit der Abfindung, gesichert sein.

25

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Beklagte bei Abschluss des Vergleichs arglistig falsche Tatsachen behauptet oder die Offenbarung bestimmter Tatsachen pflichtwidrig und arglistig unterlassen hätte, so dass bei ihr - der Klägerin - für den Abschluss des Vergleichs ursächliche Fehlvorstellungen hervorgerufen worden wären.

26

(a) Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, ihr sei unbekannt gewesen, dass die Beklagte den Insolvenzantrag am 8. Juni 2009 bereits konkret vorbereitet habe. Das Landesarbeitsgericht hat eine arglistige Täuschung auch angesichts dieses Vorbringens ohne Rechtsfehler verneint.

27

(aa) Die Klägerin hat nicht behauptet, der Personalleiter der Beklagten, welcher für diese den Vergleich schloss, habe bereits am 8. Juni 2009 Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt. Gem. § 166 Abs. 1 BGB ist im Falle der Vertretung jedoch auf die Kenntnis des Vertreters abzustellen. Ebenso wenig hat die Klägerin mit Blick auf § 166 Abs. 2 BGB behauptet, der Personalleiter habe den Vergleich auf Weisung anderer Vertreter der Beklagten geschlossen, welche ihrerseits Kenntnis von der Vorbereitung des Insolvenzantrags gehabt hätten.

28

(bb) Selbst bei entsprechender Kenntnis auf Seiten des Personalleiters läge kein arglistiges Verschweigen iSv. § 123 Abs. 1 BGB vor. Der Klägerin war bekannt, dass der Beklagten die Zahlungsunfähigkeit drohte. Unter diesen Umständen musste die Beklagte nicht annehmen, es sei für die Entscheidung der Klägerin, den Prozessvergleich abzuschließen, von Bedeutung, ob für den Fall des tatsächlichen Eintritts der Zahlungsunfähigkeit ein Insolvenzantrag bereits vorbereitet wäre.

29

(b) Die Klägerin hat - anders als ihr Vorbringen in der Revision nahelegt - in den Vorinstanzen nicht behauptet, der Beklagten oder dem Personalleiter sei bei Abschluss des Vergleichs bekannt gewesen, dass der Insolvenzantrag in jedem Fall schon am nächsten Tag eingereicht würde. Ebenso wenig hat sie behauptet, sie würde den Vergleich jedenfalls nicht am 8. Juni 2009 geschlossen haben, hätte sie gewusst, dass am Folgetag möglicherweise die für eine Insolvenz entscheidenden Verhandlungen über mögliche Staatshilfen für die Beklagte geführt würden.

30

d) Die Klägerin ist nicht wirksam von dem Prozessvergleich vom 8. Juni 2009 zurückgetreten. Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem Schreiben vom 23. Oktober 2009, mit welchem sie den Vergleich anfocht, zugleich eine Rücktrittserklärung entnommen werden kann oder ob zumindest eine entsprechende Umdeutung der Anfechtungserklärung möglich ist. Ein Rücktrittsrecht folgt, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, weder aus § 313 Abs. 1, Abs. 3 BGB noch aus § 323 Abs. 1 BGB. Es ergibt sich auch nicht aus § 326 Abs. 5 BGB.

31

aa) Die Klägerin konnte nicht wirksam wegen einer wesentlichen Änderung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB von dem Prozessvergleich zurücktreten.

32

(1) Gem. § 313 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BGB kann die benachteiligte Partei von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann und eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder ihrerseits einem Teil nicht zumutbar ist. Geschäftsgrundlage in diesem Sinne sind zum einen die gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragspartner, die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt geworden, beim Abschluss aber zutage getreten sind, zum anderen die dem Geschäftspartner erkennbaren oder von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen Partei vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt oder Nichteintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien aufbaut (st. Rspr., etwa BGH 28. April 2005 - III ZR 351/04 - zu II 1 c der Gründe, BGHZ 163, 42).

33

(2) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein solches Rücktrittsrecht habe nicht bestanden. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten - und damit die Möglichkeit, den Vergleich vollständig zu erfüllen - sei objektiv bereits bei Abschluss des Vergleichs gefährdet gewesen. Den Parteien sei durch die umfangreiche Berichterstattung in den Medien bekannt gewesen, dass der A, zu der die Beklagte gehört habe, die Insolvenz gedroht habe. Die Zahlungsfähigkeit der Beklagten zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung am 31. Dezember 2009 sei damit von Beginn an nicht gesichert gewesen. Nach dem Scheitern der Sanierungsbemühungen habe sich dieses Insolvenzrisiko realisiert. Das berechtige die Klägerin nicht zum Rücktritt.

34

(3) Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Mit dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten haben sich die Umstände, unter denen der Vergleich von beiden Parteien geschlossen worden war, nicht unvorhergesehen verändert. Soweit die Klägerin behauptet hat, beide Parteien seien vor und bei Abschluss des Vergleichs von der Erfüllbarkeit der Abfindungszahlung ausgegangen, hat sich, eine solche gemeinsame Erwartung unterstellt, durch den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Beklagten gleichwohl nur ein beiden Parteien bereits bei Vergleichsabschluss bekanntes Risiko verwirklicht. Es fehlt damit an einer schwerwiegenden nachträglichen Veränderung der Umstände iSv. § 313 Abs. 1 BGB.

35

bb) Die Klägerin konnte von dem Vergleich nicht gem. § 323 Abs. 1 BGB wegen Nichterbringung der Leistung zurücktreten. Der Umstand, dass ihr Abfindungsanspruch durch die Insolvenzeröffnung zu einer Insolvenzforderung geworden ist, begründete kein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Nach Eröffnung der Insolvenz ist die Abfindungsforderung nicht mehr durchsetzbar. Damit ist für die Anwendung des § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB kein Raum.

36

(1) Als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist Voraussetzung für das gesetzliche Rücktrittsrecht nach § 323 BGB die Durchsetzbarkeit der ursprünglichen Forderung(BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 31; Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. B 28; Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 Rn. 50; Bamberger/Roth/Grothe BGB 2. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 5; MünchKommBGB/Ernst 5. Aufl. § 323 Rn. 47). § 323 Abs. 1 BGB ermöglicht dem Gläubiger die Wahl, von der Durchsetzung der Forderung durch Leistungsklage abzusehen und sich stattdessen für eine Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses zu entscheiden. Das gesetzliche Rücktrittsrecht setzt damit voraus, dass der Schuldner die geschuldete Leistung ordnungsgemäß erbringen kann und muss, dies aber - warum auch immer - nicht tut (vgl. Staudinger/Otto/Schwarze [2009] § 323 Rn. A 8). Eine das Rücktrittsrecht begründende Verletzung der Leistungspflicht iSv. § 323 Abs. 1 BGB ist dagegen ausgeschlossen, wenn der Schuldner gar nicht leisten muss oder gar nicht leisten darf, die Forderung also nicht durchsetzbar ist(BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - aaO).

37

(2) Ein Abfindungsanspruch aus einem mit dem Schuldner geschlossenen Vergleich, der bei Ausübung des Rücktrittsrechts wegen zwischenzeitlich erfolgter Insolvenzeröffnung nur noch eine Insolvenzforderung darstellt, ist nicht durchsetzbar (vgl. für den Abfindungsanspruch aus einem außergerichtlichen Aufhebungsvertrag BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32). Der Arbeitnehmer kann in einem solchen Fall nicht mehr auf Leistung der Abfindung klagen, sondern nur noch gem. §§ 174 ff. InsO die Feststellung seiner Forderung zur Insolvenztabelle verlangen. Die ursprüngliche Abfindungsforderung ist - auch nach Eintritt ihrer Fälligkeit - nicht mehr durchsetzbar (vgl. im Einzelnen BAG 10. November 2011 - 6 AZR 342/10 - Rn. 32 ff.). Dabei bleibt es auch dann, wenn das Insolvenzverfahren nach Aufstellung eines Insolvenzplans gem. § 258 InsO aufgehoben wird. Nach § 254 Abs. 1 InsO gilt in diesem Fall der gestaltende Teil des bestätigten Insolvenzplans. Der Schuldner wird mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von seinen restlichen Verbindlichkeiten gem. § 227 Abs. 1 InsO befreit, soweit im Insolvenzplan nichts anderes bestimmt ist.

38

(3) Ein Rücktrittsrecht der Klägerin gem. § 323 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist danach nicht gegeben. Die Abfindungsforderung war nach der Insolvenzeröffnung am 1. September 2009 nicht mehr durchsetzbar. Die Klägerin hat den Rücktritt vom Vergleich frühestens mit Schreiben vom 23. Oktober 2009 erklärt.

39

cc) Ein Rücktritt vom Vergleich war auch nicht gem. § 326 Abs. 5 BGB möglich. Nach dieser Bestimmung kann der Gläubiger von einem gegenseitigen Vertrag zurücktreten, wenn der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis Abs. 3 BGB nicht zu leisten braucht. Ein Fall des Ausschlusses der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit lag hier nicht vor. Der Abfindungsanspruch der Klägerin war wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zwar nicht durchsetzbar. Die Leistung wurde der Beklagten dadurch aber nicht im Sinne von § 275 BGB unmöglich(vgl. MünchKommBGB/Ernst 6. Aufl. § 275 Rn. 13; Palandt/Grüneberg 71. Aufl. § 275 Rn. 3, § 276 Rn. 28).

40

III. Als unterlegene Partei hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Eylert    

        

    Rachor    

        

        

        

    Söller    

        

    Jan Eulen    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Mai 2014 - 3 Sa 675/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung und darüber, ob der Rechtsstreit durch einen Prozessvergleich beendet ist.

2

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH. Der Kläger war seit Juli 2004 bei dieser beschäftigt. Er war seit Juli 2005 als EDV-Fachkraft tätig. Im Jahre 2005 übertrug er seiner Arbeitgeberin eine sog. „ERP-Entwicklerlizenz“. Diese ermöglichte das Erstellen von Softwarelösungen auf Basis der Grundsoftware des Lizenzgebers.

3

Im Jahr 2011 beschloss die Arbeitgeberin, ihre EDV-Anlagen künftig von einem externen Dienstleister betreuen zu lassen. Mit Schreiben vom 20. September 2011 kündigte sie das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Wirkung zum 30. November 2011.

4

Der Kläger hat gegen die Kündigung rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat außerdem gem. § 9 KSchG die Auflösung des Arbeitsverhältnisses begehrt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 15. Februar 2012 haben die Prozessparteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich geschlossen. Danach bestand zwischen ihnen Einigkeit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung zum Ablauf des 30. November 2011 sein Ende gefunden habe. Die spätere Insolvenzschuldnerin verpflichtete sich in Nr. 2 des Vergleichs zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 3.120,00 Euro brutto, in Nr. 3 zur „Rückübertragung“ der ihr im Jahre 2005 übertragenen Entwicklerlizenz auf den Kläger und in Nr. 4 zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer „guten“ Bewertung von dessen Führung und Leistung.

5

Die Arbeitgeberin zahlte die vereinbarte Abfindung und erteilte ein Arbeitszeugnis. Der Kläger forderte sie vergeblich auf, ihm auch die Entwicklerlizenz zurück zu übertragen. Die Arbeitgeberin berief sich darauf, sie könne die Forderung nicht erfüllen. Ihre ehemalige Prokuristin habe den Vertrag mit dem Lizenzgeber bereits im Spätsommer 2011 gekündigt. Dies habe ihr am Vergleichsschluss beteiligter Geschäftsführer nicht gewusst. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich hat der Kläger den Antrag angekündigt, die Arbeitgeberin zu verurteilen, an ihn 5.165,10 Euro zum erneuten Erwerb der Lizenz zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat Zweifel daran geäußert, dass Nr. 3 des Vergleichs einen vollstreckbaren Inhalt habe.

6

Mit Schreiben vom 11. März 2013 hat der Kläger den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er die Feststellung begehrt, dass das gerichtliche Verfahren nicht beendet sei. Seinen Auflösungsantrag hat er zurückgenommen.

7

Am 30. August 2013 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Kläger hat das Verfahren gegen ihn aufgenommen.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein Recht zum Rücktritt von dem Prozessvergleich zu. Die Insolvenzschuldnerin habe ihre darin begründete Verpflichtung zur Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht erfüllt. Er habe mit der Lizenz wieder eine selbständige Tätigkeit aufnehmen wollen. Diese sei schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin Grundlage seines Lebensunterhalts gewesen. Ohne die Rückübertragung ergebe die einvernehmliche Aufgabe des Arbeitsverhältnisses für ihn keinen Sinn. Da die von ihm erbrachte Gegenleistung nicht teilbar sei, könne er von dem Vergleich insgesamt zurücktreten. Das Kündigungsschutzverfahren sei demnach fortzusetzen. Die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil er bei der Insolvenzschuldnerin zum Datenschutzbeauftragten bestellt gewesen sei.

9

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet ist;

        

2.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis durch die schriftliche Kündigung vom 20. September 2011 nicht beendet wurde und über den 30. November 2011 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

        

3.    

den Beklagten zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

10

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat den Vergleich für wirksam gehalten.

11

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, der Vergleich vom 15. Februar 2012 habe den Rechtsstreit beendet. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, der Rechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Ob das Kündigungsschutzverfahren durch den Vergleich erledigt ist, steht noch nicht fest.

13

I. Die Anträge des Klägers sind zulässig.

14

1. Den Antrag auf Feststellung, dass das Verfahren durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 nicht beendet sei, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend nicht als eigenständigen Sachantrag verstanden. Ziel des Klägers ist die sachliche Bescheidung der Anträge zu 2. und 3. Dafür ist als Vorfrage zu klären, ob der Rechtsstreit durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet ist. Einer gesonderten Feststellung dazu bedarf es nicht (vgl. BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 13). Ein rechtliches Interesse an einer entsprechenden Zwischenfeststellung (§ 256 Abs. 2 ZPO) hat der Kläger nicht dargelegt.

15

2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Streit über die Beendigungswirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei in dem ursprünglichen Kündigungsrechtsstreit auszutragen.

16

a) Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit jedenfalls dann im Ausgangsverfahren auszutragen, wenn der Vergleich nicht allein aus Gründen unwirksam ist, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 16; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14; BGH 11. August 2010 - XII ZB 60/08 - Rn. 15; BSG 24. Januar 1991 - 2 RU 51/90 -; Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. ZPO § 794 Rn. 71; Rosenberg/Schwab/Gottwald Zivilprozessrecht 17. Aufl. § 130 Rn. 48 ff.; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15a; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 24; vgl. auch BGH 21. November 2013 - VII ZR 48/12 - Rn. 14). Einer neuen Klage, mit der das ursprüngliche Prozessziel bei unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, stünde der Einwand anderweitiger Rechtshängigkeit entgegen, weil der unwirksame Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hätte (BGH 29. Juli 1999 - III ZR 272/98 - zu 2 der Gründe, BGHZ 142, 253). Ist der Vergleich wirksam, so ist auszusprechen, dass der Rechtsstreit durch ihn erledigt ist (BAG 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn eine materiell-rechtliche Unwirksamkeit des Prozessvergleichs nur aus Gründen in Rede steht, die erst nach seinem Abschluss entstanden sind (vgl. dazu einerseits BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 der Gründe, BAGE 40, 17; andererseits BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388). Nach dem Vorbringen des Klägers kommt auch eine - anfängliche - Unwirksamkeit des Vergleichs gem. § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB in Betracht. Der Kläger hat zwar ausdrücklich nur geltend gemacht, wirksam von dem Vergleich zurückgetreten zu sein. Er hat sich dafür aber ua. darauf berufen, dass er den Vergleich ohne die Aussicht auf eine erfolgreiche Rückübertragung der Entwicklerlizenz nicht abgeschlossen hätte. Werden hinsichtlich eines Prozessvergleichs sowohl anfängliche als auch nachträgliche Mängel geltend gemacht, ist die Klärung seiner Wirksamkeit im Ausgangsverfahren herbeizuführen (BAG 24. April 2014 - 8 AZR 429/12 - Rn. 29; 11. Juli 2012 - 2 AZR 42/11 - Rn. 14).

18

aa) Einem Prozessvergleich fehlt die verfahrensbeendende Wirkung auch dann, wenn er als materiell-rechtlicher Vertrag wegen Mängeln in der Regelung sonstiger, nicht rechtshängiger Fragen nach § 139 BGB insgesamt nichtig ist(vgl. BGH 6. März 1991 - XII ZB 88/90 - zu II 1 b und c der Gründe; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 90).

19

bb) Nach den bisherigen Feststellungen ist nicht ausgeschlossen, dass die Vereinbarung über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger in Nr. 3 des Vergleichs nach § 779 Abs. 1 BGB unwirksam ist.

20

(1) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist der Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Ausreichend ist, dass in Elementen eines Rechtskonflikts Streit oder Ungewissheit bestanden hat und ausgeräumt worden ist; dabei kommt es auf die subjektive Beurteilung durch die Beteiligten im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses an (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 24). Gegenseitiges Nachgeben im fraglichen Sinne ist weit zu verstehen und kann auch dann gegeben sein, wenn eine Seite in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis ihre Position zwar ohne Einschränkung durchsetzt, dafür aber eine Gegenleistung verspricht (MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26).

21

(2) Nach den bisherigen Feststellungen ist offen, ob die Regelung über die „Rückübertragung“ der Entwicklerlizenz auf den Kläger einen Vergleich iSd. § 779 BGB darstellt. Es ist unklar, ob zwischen den Parteien des Vergleichs Streit über eine solche Verpflichtung der Insolvenzschuldnerin bestand. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich angenommen, die Lizenz sei „bis zum Abschluss des Vergleichs“ nicht Gegenstand der Auseinandersetzungen der damaligen Parteien gewesen. Soweit es ausgeführt hat, der Vergleich regle in Nr. 3 nur das, was „möglicherweise“ auch ohne ihn gegolten hätte, bewegt sich dies im Bereich der Spekulation. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteien einen möglichen Streit über die Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt haben. Soweit der Kläger seinen vermeintlichen Anspruch ohne Einschränkung durchgesetzt haben sollte, ist nicht auszuschließen, dass er dafür an anderer Stelle - etwa mit Blick auf die Höhe der Abfindung für seine Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - nachgegeben hat.

22

(3) Gemäß § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich unwirksam, wenn der nach seinem Inhalt als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre. Der Irrtum der Parteien muss sich auf einen streitausschließenden Umstand beziehen (Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 73 aE). Demzufolge kommt eine Unwirksamkeit der Vereinbarung in Nr. 3 des Vergleichs in Betracht, falls der mögliche Streit über eine Rückübertragung der Lizenz nicht entstanden wäre, sofern die damaligen Parteien die wahre Situation betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ der Lizenz gekannt hätten.

23

cc) Danach ist nicht ausgeschlossen, dass der Vergleich vom 15. Februar 2012 insgesamt unwirksam ist. Dies wäre gem. § 139 BGB der Fall, wenn nicht anzunehmen ist, dass die Parteien ihn auch ohne die Abrede über die Rückübertragung der Lizenz vereinbart hätten. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger an einer Teilleistung der Insolvenzschuldnerin kein Interesse habe, steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich auf die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB. Für diese gelten hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast andere Regeln (vgl. Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 148) als für die gesetzliche Vermutung des § 139 BGB(vgl. hierzu MüKoBGB/Busche 7. Aufl. § 139 Rn. 35).

24

3. Selbst wenn es ausschließlich auf den vom Kläger erklärten Rücktritt vom Vergleich ankäme, läge kein Fall vor, in welchem der Rücktritt die Vereinbarung über die Erledigung des Rechtsstreits als Prozesshandlung unberührt ließe, der Rechtsstreit also selbst dann beendet wäre und nicht mehr weitergeführt werden könnte, wenn sich der Rücktritt als gerechtfertigt erwiese (zu einer solchen Konstellation vgl. BGH 5. Februar 1986 - VIII ZR 72/85 - zu II 3 der Gründe; 10. März 1955 - II ZR 201/53 - zu II 3 der Gründe, BGHZ 16, 388; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 91; PG/Scheuch ZPO 5. Aufl. § 794 Rn. 28; Zöller/Stöber ZPO 30. Aufl. § 794 Rn. 15c; Musielak/Voit/Lackmann ZPO 12. Aufl. § 794 Rn. 24).

25

a) Es kann dahinstehen, ob nicht wegen des besonderen Beschleunigungsgrundsatzes (§§ 9, 61a ArbGG) im arbeitsgerichtlichen Verfahren generell, dh. auch bei einem ausschließlich auf ein gesetzliches Recht gestützten Rücktritt der ursprüngliche Prozess fortzusetzen ist (vgl. dazu BAG 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 4 c der Gründe, BAGE 40, 17).

26

b) Zumindest der wirksame Rücktritt von einem zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits geschlossenen Vergleich führt dazu, dass auch dessen prozessbeendende Wirkung entfällt (vgl. Bauer NZA 2002, 169, 171; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 67; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 106). Die Aufhebung des durch die einvernehmliche Prozessbeendigung bewirkten Eintritts der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG wäre anderenfalls nicht möglich.

27

II. Auf der Basis der bisherigen Feststellungen durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, der Kündigungsschutzrechtsstreit sei durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 beendet. Es hat nicht geprüft, ob dem Vergleich deshalb keine prozessbeendende Wirkung zukommt, weil er nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB unwirksam ist. Dies ist, wie ausgeführt, nicht auszuschließen. Schon aus diesem Grund war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Den Parteien wird Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag zu geben sein (§ 139 Abs. 2 ZPO). Ob bei Vergleichsschluss Streit über eine Verpflichtung zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger bestand, ob dieser für diese Abrede an anderer Stelle nachgegeben hat, ob ggf. der Streit über eine solche Verpflichtung nicht entstanden wäre, wenn die Beteiligten die wahre Sachlage betreffend die Möglichkeit einer „Rückübertragung“ gekannt hätten, und ob diese dann den Vergleich auch ohne die betreffende Abrede geschlossen hätten, ist bislang nicht festgestellt.

28

III. Sollte das Landesarbeitsgericht nach neuer Verhandlung zu dem Ergebnis kommen, der Vergleich vom 15. Februar 2012 sei nach § 779 Abs. 1 iVm. § 139 BGB wirksam, wird es zu beachten haben, dass seine Würdigung, ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB oder § 323 Abs. 1 BGB sei gem. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ausgeschlossen, nicht ohne Rechtsfehler ist.

29

1. Unklar ist, ob das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es habe sich bei dem Vergleich um einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB gehandelt. Dafür spricht die Prüfung des gesetzlichen Rücktrittsrechts nach § 326 Abs. 5, § 323 BGB, dagegen spricht, dass es gemeint hat, in der Aufgabe des Arbeitsplatzes durch den Kläger liege keine Leistung iSd. § 241 Abs. 1 BGB. Träfe dies zu, wäre offen, weshalb ein gegenseitiger Vertrag vorgelegen haben sollte.

30

2. Bei richtiger Würdigung stellt der streitgegenständliche Prozessvergleich einen gegenseitigen Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB dar (so auch Bauer NZA 2002, 169, 171; Bauer/Haußmann BB 1996, 901; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 39; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; aA v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.).

31

a) Ein Prozessvergleich ist nicht schon deshalb ein gegenseitiger Vertrag iSd. §§ 320 ff. BGB, weil er auf gegenseitigem Nachgeben beruht (BAG 27. August 2014 - 4 AZR 999/12 - Rn. 23, BAGE 149, 60; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 26; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 49; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 2; Molitor Schuldrecht II 7. Aufl. S. 147; Kortstock in Nipperdey Lexikon Arbeitsrecht 26. Aufl. Rücktritt; v. Puttkamer BB 1996, 1440 f.; vgl. die Nachweise zur Gegenmeinung bei Schallow Der mangelhafte Prozeßvergleich S. 160). Die Aufgabe wechselseitiger „Prätentionen“ und Rechtsstandpunkte erzeugt noch keine Leistungspflichten und stellt selbst keine „Leistung“ im schuldrechtlichen Sinne dar. Sie beschreibt nur das Zustandekommen des Vergleichs (Bork Der Vergleich S. 151, 176). Entscheidend ist statt dessen der jeweilige Vergleichsinhalt. Zum gegenseitigen Vertrag wird ein Vergleich dann, wenn in ihm ein synallagmatischer Leistungsaustausch geregelt ist. Es müssen also entweder beiderseitige Leistungspflichten neu begründet werden (so Hofstetter BB 1963, 1459, 1460) oder es muss zumindest eine Partei durch den Vergleich eine Leistung unmittelbar erbringen, wofür sich die andere Partei zu einer Gegenleistung verpflichtet (vgl. Bork Der Vergleich S. 175).

32

b) Im Streitfall wurde durch den Vergleich vom 15. Februar 2012 jedenfalls die (Gegen-)Leistungspflicht der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung neu begründet.

33

c) Der Kläger hat seine (Gegen-)Leistung unmittelbar mit dem Abschluss des Vergleichs als solchem erbracht. Auch ein solches Zusammenfallen von Leistungsversprechen und Erfüllung genügt für die Annahme eines gegenseitigen Vertrags (BGH 12. Dezember 1991 - IX ZR 178/91 - zu II 2 b der Gründe, BGHZ 116, 319; LAG Baden-Württemberg 17. Juni 2011 - 12 Sa 1/10 - zu I 3 b der Gründe; Staudinger/Marburger 2015 § 779 BGB Rn. 51; MüKoBGB/Habersack 6. Aufl. § 779 Rn. 36; Palandt/Sprau 74. Aufl. § 779 BGB Rn. 11; Bork Der Vergleich S. 175; für eine analoge Anwendung der §§ 320 ff. BGB Medicus/Petersen Bürgerliches Recht 24. Aufl. Rn. 216 ff.). Leistung ist die Zuwendung eines wirklichen oder vermeintlichen Vorteils, der typischer-, wenn auch nicht notwendigerweise einen Vermögenswert hat (Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 241 BGB Rn. 4). Die geschuldete Leistung kann in einem Verhalten oder in der Herbeiführung eines Erfolgs liegen (MüKoBGB/Bachmann 6. Aufl. § 241 Rn. 18). Hier hat der Kläger der späteren Insolvenzschuldnerin dadurch einen Vorteil zugewendet, dass er sich mit ihr auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung und auf eine Beendigung des Rechtsstreits geeinigt hat. Darin liegt nicht nur die Aufgabe einer Rechtsposition - der reklamierten Unwirksamkeit der Kündigung -, sondern mit der Einwilligung in die Beendigung eines Kündigungsrechtsstreits zugleich eine weiterreichende materiell-rechtliche „Zuwendung“. Die Abrede führt - sofern nicht die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG ausnahmsweise noch nicht abgelaufen ist - zum Eintritt der Wirksamkeitsfiktion des § 7 KSchG. Dies wiederum ist für den Arbeitnehmer gleichbedeutend mit einem Verzicht auf weitere Ansprüche, die aus dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses resultieren könnten. Unabhängig von der Frage, ob die Kündigung des Arbeitgebers objektiv rechtswirksam ist oder nicht, bewirkt das Einverständnis mit der Prozesserledigung, dass die Beendigungswirkung der Kündigung aus einem eigenständigen Grund - der gesetzlichen Fiktion des § 7 KSchG - Platz greift.

34

d) Die Einwilligung des Klägers in die Beendigung des Prozesses stand im Gegenseitigkeitsverhältnis jedenfalls mit der Verpflichtung der späteren Insolvenzschuldnerin zur Zahlung einer Abfindung. Der Arbeitgeber erklärt sich in Fällen wie diesen zur Zahlung einer gesetzlich nicht geschuldeten Abfindung typischerweise gerade und nur wegen der Beendigung des Rechtsstreits und der damit einhergehenden eigenständig begründeten Wirksamkeit der Kündigung bereit. Trotz ihrer Funktion als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes (vgl. §§ 9, 10 KSchG) stellt die Abfindung deshalb (auch) eine Gegenleistung des Arbeitgebers für die Einwilligung des Arbeitnehmers in die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dar (BAG 25. Juni 1987 - 2 AZR 504/86 - zu II 4 c der Gründe). Diese Vorstellung liegt im Übrigen auch § 1a KSchG zugrunde, dem zufolge der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer auf dringende betriebliche Erfordernisse gestützten Kündigung Anspruch auf Zahlung einer Abfindung für den Fall hat, dass er die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG verstreichen lässt, nachdem ihm der Arbeitgeber eben dafür die Abfindung in Aussicht gestellt hatte.

35

3. Ein gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers nach § 326 Abs. 5 BGB setzt ferner voraus, dass auch die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis stand(vgl. MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 326 Rn. 7; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 326 BGB Rn. 2; Staudinger/Otto 2009 § 326 BGB Rn. C 4) und es der Arbeitgeberin iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich war, ihre Leistungspflicht zu erfüllen. Um beurteilen zu können, ob die Verpflichtung zur Rückübertragung der Lizenz im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, bedarf es einer Auslegung des Vergleichs gem. §§ 133, 157 BGB(vgl. Staudinger/Schwarze 2015 Vorbem. zu §§ 320 - 326 BGB Rn. 31). An ihr fehlt es bislang. Der Senat kann sie nicht selbst vornehmen. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge - auch Prozessvergleiche - so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN). Die für die Auslegung des Prozessvergleichs maßgeblichen Umstände des Vergleichsschlusses sind bislang nicht festgestellt. Dies gilt ebenso für die Tatsachen, aufgrund derer der Arbeitgeberin die Erfüllung ihrer Leistungspflicht ggf. unmöglich war. Insofern bedarf überdies der Klärung, welchen Inhalt genau die Pflicht zur „Rückübertragung“ der Lizenz auf den Kläger nach dem Vergleich haben sollte.

36

4. Sollte die Verpflichtung der Arbeitgeberin nach Nr. 3 des Vergleichs nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis gestanden haben oder sollte ihr die Erfüllung nicht iSv. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich gewesen sein, kommt ein Rücktrittsrecht des Klägers nach § 323 Abs. 1 BGB in Betracht. Die Arbeitgeberin hätte dann iSv. § 323 Abs. 1 BGB nicht geleistet. Für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist es nicht erforderlich, dass eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Pflicht nicht erfüllt wurde(Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 1, 10; Bamberger/Roth/Grothe BGB 3. Aufl. Bd. 1 § 323 Rn. 4; NK-BGB Dauner-Lieb/Dubovitskaya BGB 2. Aufl. Bd. 2/1 § 323 Rn. 6; Jauernig/Stadler BGB 15. Aufl. § 323 Rn. 5a; Emmerich Das Recht der Leistungsstörungen § 19 II 8; vgl. auch BT-Drs. 14/6040 S. 183; aA MüKoBGB/Ernst 7. Aufl. § 323 Rn. 13; Canaris FS Kropholler S. 3, 5). Sofern nicht eine Fristsetzung durch den Kläger entbehrlich gewesen sein sollte, weil die Verweigerung der Leistung iSv. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB bereits ernsthaft und endgültig war, wären Feststellungen dazu zu treffen, ob der Kläger der Arbeitgeberin iSv. § 323 Abs. 1 BGB eine angemessene Frist zur Leistung bestimmt hat.

37

5. Für einen vertraglichen Ausschluss des gesetzlichen Rücktrittsrechts gibt es keine Anhaltspunkte. Diese müssten sich unmittelbar aus den Vereinbarungen im Vergleich selbst ergeben (vgl. Schaub/Linck 16. Aufl. § 122 Rn. 37; Kittner/Zwanziger/Deinert-Zwanziger 8. Aufl. § 149 Rn. 34; Reinfelder NZA 2013, 62, 63; Sperber BB 2012, 1034, 1036; Besgen/Velten NZA-RR 2010, 561, 562; Bauer/Haußmann BB 1996, 901 f.; aA LAG Köln 5. Januar 1996 - 4 Sa 909/94 - zu 3 b der Gründe; APS/Rolfs 4. Aufl. AufhebVtr Rn. 105; ders. in Preis Der Arbeitsvertrag 4. Aufl. II A 100 Rn. 34, 71; offengelassen in BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 - Rn. 19, BAGE 139, 376). Daran fehlt es. Die Interessenlage in einem Kündigungsschutzprozess und die Möglichkeit, sich den Widerruf des Vergleichs vorzubehalten, rechtfertigen für sich genommen nicht die Annahme, die Parteien wollten auch ein gesetzliches Rücktrittsrecht ausschließen. Ein Interesse daran hätte typischerweise ausschließlich der Arbeitgeber, weil in der Regel nur er seine Gegenleistung noch nicht mit dem Vergleichsschluss erbracht hat. Kommt er - und sei es unverschuldet - den eingegangenen Verpflichtungen nicht nach, hat der Arbeitnehmer regelmäßig kein Interesse am Fortbestand des Vergleichs. Etwas anderes folgt nicht schon daraus, dass der Arbeitnehmer - wie hier - einen Auflösungsantrag gestellt hat. Selbst wenn er damit zu erkennen gegeben hat, dass er an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung interessiert ist, hat er in den betreffenden Vergleich allein zu den darin vereinbarten Konditionen eingewilligt. Dafür, dass die Beteiligten im Streitfall zumindest dann ein etwaiges gesetzliches Rücktrittsrecht des Klägers vertraglich hätten ausschließen wollen, wenn nur die Verpflichtung der Arbeitgeberin aus Nr. 3 des Vergleichs nicht erfüllt würde, gibt es keine Anhaltspunkte.

38

6. Ein - mögliches - Recht des Klägers zum Rücktritt vom gesamten Vergleich wäre weder nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB noch nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

39

a) § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB findet keine Anwendung. Zwar hatte die Arbeitgeberin nur eine Teilleistung bewirkt. Es käme für die Zulässigkeit eines Rücktritts vom gesamten Vergleich aber nicht darauf an, ob der Kläger iSd. § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB ein Interesse an dieser Teilleistung hatte: Ist die Gegenleistung nicht ihrerseits teilbar, ist § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB nicht anwendbar, erstreckt sich das Rücktrittsrecht vielmehr ohne Weiteres auf den gesamten Vertrag(BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - Rn. 17; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 25). Das mit dem Teilrücktritt angestrebte Ergebnis einer Beschränkung „des Vertrags“ auf den durchgeführten Teil lässt sich nicht erreichen, wenn nicht auch die Gegenleistung teilbar ist. Der Gläubiger kann seine - unteilbare - Leistung nicht auf einen Teil beschränken, der der Teilleistung des Schuldners entspricht (BGH 16. Oktober 2009 - V ZR 203/08 - aaO). So liegt der Fall hier. Die (Gegen-)Leistung des Klägers - die Einwilligung in die Beendigung des Arbeitsverhältnisses - ist unteilbar. Der Vergleich lässt sich daher nicht nur teilweise rückabwickeln.

40

b) Auch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB stünde einem Rücktritt des Klägers vom gesamten Vergleich nicht entgegen.

41

aa) Nach dieser Vorschrift kann der Gläubiger bei einer nicht vertragsgemäßen Leistung dann nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung „unerheblich“ ist. Die Vorschrift bezieht sich auf den in § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geregelten Fall der Schlechtleistung (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. A 22). Die Nichterfüllung einer einzelnen von mehreren Leistungsverpflichtungen ist dagegen eine Teilleistung im Sinne von § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB und nicht eine Schlechtleistung im Sinne von § 323 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (zur Abgrenzung von Teil- und Schlechtleistung: Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. B 138, Rn. C 6 f.). Im Streitfall ginge es demnach um eine Teil-, nicht um eine Schlechtleistung.

42

bb) Auch eine entsprechende Anwendung von § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB schiede aus.

43

(1) Eine analoge Anwendung der Bestimmung wird für möglich gehalten, wenn eine nur unwesentliche Teilleistung unterblieben ist, die eine Rückabwicklung des Vertrags nicht „gebietet“ (Soergel/Gsell 13. Aufl. § 323 BGB Rn. 192; Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 32; beschränkt auf die Nichterfüllung einer von mehreren Nebenleistungspflichten: Dauner-Lieb/Dubovitskaya 2. Aufl. Band 2/1 § 323 BGB Rn. 8; Bamberger/Roth/Grothe 2. Aufl. Band 1 § 323 BGB Rn. 4, 40; Jauernig/Stadler 15. Aufl. § 323 BGB Rn. 5a; aA MüKoBGB/Ernst 6. Aufl. § 323 Rn. 226, 240). Die gesetzlichen Gründe für einen Ausschluss des Rücktritts wegen einer nur unerheblichen Schlechtleistung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB gälten auch für diesen Fall. Maßgeblich sei, ob das bei Schlecht- und Teilleistungen anzunehmende Rückabwicklungsinteresse des Gläubigers als so gering zu bewerten sei, dass dem Interesse am Bestand des Vertrags der Vorrang eingeräumt werden müsse. Letztlich sei § 323 Abs. 5 BGB eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben(§ 242 BGB). Die Bestimmung solle eine unverhältnismäßige Reaktion - den Rücktritt von dem gesamten Vertrag - bei einer nur unerheblichen Pflichtverletzung verhindern.

44

(2) Es bedarf keiner Entscheidung, ob dem zu folgen ist. Im Streitfall fehlen Umstände, aufgrund derer die unterbliebene Teilleistung als so gering anzusehen wäre, dass das wegen der Unteilbarkeit der Gegenleistung grundsätzlich gegebene Interesse des Klägers am Rücktritt vom gesamten Vertrag hintanzutreten hätte. Im Gegenteil hat der Kläger geltend gemacht, der Wert, den die Lizenz für ihn bedeute, liege jedenfalls nicht unter dem der vereinbarten Abfindung.

45

7. Ein mögliches Rücktrittsrecht des Klägers wäre nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass er seinen Anspruch zunächst im Wege der Zwangsvollstreckung oder gar durch eine entsprechende Leistungsklage zu realisieren versucht hat. Ein auf Vertrag gestütztes Leistungsverlangen des Gläubigers ist regelmäßig nicht zugleich als einseitiger Verzicht auf das gesetzliche Rücktrittsrecht zu verstehen und lässt dieses unberührt (Staudinger/Schwarze 2015 § 323 BGB Rn. D 7, F 9; vgl. auch Palandt/Grüneberg 74. Aufl. § 323 BGB Rn. 33).

46

IV. Sollte das Landesarbeitsgerichts zu dem Ergebnis kommen, die prozessbeendende Wirkung des Vergleichs vom 15. Februar 2012 sei entfallen, wird es die Zulässigkeit und Begründetheit der Sachanträge zu 2. und 3. zu prüfen haben.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    Gans    

        

    Nielebock     

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 19. Mai 2008 - 15 Sa 1265/07 - aufgehoben.

2. Es wird festgestellt, dass der Prozessvergleich vom 16. August 2006 zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 unwirksam ist.

3. Die Sache wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten - und über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs.

2

Der 1962 geborene, ledige und für ein Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit November 2000 bei der Beklagten als „Personalreferent/Leiter der Personalabteilung Angestellte“ tätig. Sein Bruttogehalt betrug zuletzt 5.190,00 Euro zzgl. leistungsabhängiger Vergütung (Bonus).

3

Im September 2004 entzog die Beklagte dem Kläger wesentliche Teile seiner bisherigen Arbeitsaufgaben. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2004 kündigte sie das Arbeitsverhältnis unter Berufung auf Gründe in seinem Verhalten ordentlich zum 30. April 2005 und mit Schreiben vom 21. Februar 2005 - vorsorglich - ordentlich zum 31. August 2005.

4

Der Kläger erhob gegen beide Kündigungen Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsgericht stellte durch Urteil vom 30. März 2005 die Unwirksamkeit der Kündigung vom 29. Oktober 2004 fest. Die Beklagte legte Berufung ein und beantragte hilfsweise, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung zum 30. April 2005 aufzulösen. Den die Kündigung vom 21. Februar 2005 betreffenden Kündigungsrechtsstreit setzte das Arbeitsgericht aus. Daneben führten die Parteien zwei Rechtsstreite über die Weiterbeschäftigung des Klägers zu seinen ursprünglichen Arbeitsbedingungen und Zahlungsansprüche (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06).

5

Am 16. August 2006 schlossen die Parteien in mündlicher Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht zum Aktenzeichen 15 Sa 1322/05 einen Vergleich folgenden Inhalts:

        

„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 29.10.2004 mit sozialer Auslauffrist mit dem 31.12.2006 seine Beendigung finden wird.

        

2. Der Kläger wird bis zum Ablauf der Frist unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt unter Anrechnung auf seine Urlaubsansprüche und unter Verzicht auf Verrechnung mit eventuellen Zwischenverdiensten des Klägers.

        

3. Die Zeit vom 01.05.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird bei einem monatlichen Gehaltsanspruch von 4.000,00 € brutto abgerechnet und unter Berücksichtigung von Gehaltsanteilen, die auf Träger von Sozialleistungen und Sozialversicherungsleistungen übergegangen sind, ausgezahlt.

        

4. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen unter dem Datum des 31.12.2006, das wohlwollend abgefasst ist und seinem beruflichen Fortkommen dient.

        

Der Kläger wird der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorlegen, den diese nur ablehnen kann, wenn die Angaben und die Bewertung offensichtlich unzutreffend sind.

        

Das gleiche gilt für ein vom Kläger vorzulegendes Zwischenzeugnis.

        

5. Mit Erfüllung des Vergleichs sind alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung erledigt einschließlich der Ansprüche auf Bonuszahlungen.

        

Gleichfalls sind erledigt die Rechtsstreite der Parteien 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und der noch in erster Instanz ausgesetzte Kündigungsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Braunschweig zum Aktenzeichen 2 Ca 57/05.

        

6. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben; hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

In der Berufungssache 15 Sa 1202/05 werden die Kosten des Berufungsverfahrens gleichfalls gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der dortigen erstinstanzlichen Kosten bleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils.

        

Die Kosten des Rechtsstreits 15 Sa 125/06 werden gegeneinander aufgehoben.

        

Ebenso werden gegeneinander aufgehoben die Kosten des Rechtsstreits 2 Ca 57/05.“

6

In der Folgezeit stritten die Parteien zunächst über die Regelung zu Nr. 3 des Vergleichs und dabei über die Frage, ob zwischen ihnen tatsächlich - wie protokolliert - die Abrechnung des Arbeitsverhältnisses auf der Basis von 4.000,00 Euro für die Zeit ab 1. Mai 2004 oder - wie vom Kläger im Hinblick auf die am 30. April 2005 auslaufende Kündigungsfrist geltend gemacht - erst ab 1. Mai 2005 vereinbart worden war. Anlass war eine von der Beklagten geltend gemachte Gehaltsüberzahlung betreffend die Zeit ab 1. Mai 2004.

7

Mit Schriftsatz vom 13. August 2007, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am 16. August 2007, hat der Kläger den Vergleich „unter allen erdenklichen Gesichtspunkten, insbesondere wegen Täuschung und Drohung im Sinne von § 123 BGB“ angefochten. „Vorsorglich“ hat er den Widerruf des Vergleichs und „höchstvorsorglich“ den Rücktritt vom Vergleich erklärt. Auf entsprechende Erklärungen gegenüber der Beklagten hat er Bezug genommen.

8

Mit Beschluss vom 12. September 2007 hat das Landesarbeitsgericht eine Selbstablehnung des Vorsitzenden für begründet erklärt.

9

Der Kläger hat in dem unter dem Aktenzeichen 15 Sa 1265/07 fortgesetzten Berufungsverfahren (ursprünglich: 15 Sa 1322/05) geltend gemacht, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht erledigt. Die Anfechtung sei wegen widerrechtlicher Drohung begründet. Unmittelbar zu Beginn der Verhandlung vom 16. August 2006 habe der Vorsitzende - offenbar bereits über das Scheitern außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen unterrichtet - seine Unzufriedenheit über den Verfahrensstand zum Ausdruck gebracht und auf seinen - des Klägers - Vortrag zum Grund des Konflikts mit den Worten reagiert: „Passen Sie auf, was Sie sagen; es wird sonst alles gegen Sie verwendet“. Dadurch sei bei ihm der Eindruck entstanden, der Vorsitzende wolle jegliche Erörterung des Streitstoffs gleich zu Beginn unterbinden. Trotz seiner Erklärung, den Arbeitsplatz wiedererlangen zu wollen, habe dieser das Gespräch sogleich auf die Erörterung der Modalitäten eines Vergleichs gelenkt. Da er sich dem nicht offen habe widersetzen wollen, habe er einen seiner Vorstellung entsprechenden Abfindungsbetrag von 150 TEuro genannt. Der Vorsitzende habe daraufhin erklärt: „Wer bis zuletzt hofft, stirbt mit einem Lächeln“ und sei dazu übergegangen, ihm geringe Erfolgsaussichten seiner Klage wie folgt vor Augen zu führen: „Wenn Sie dem nicht zustimmen, dann kriegen Sie sonst nur 10 oder 20 TEuro“, „Sie haben keine Chance, höchstens 20 %, Sie müssen das machen!“. Seine weiterhin ablehnende Haltung gegenüber einem Vergleich habe der Vorsitzende mit den Worten kommentiert: „Sie spielen hier Vabanque“; „Was Sie machen, ist unverantwortlich im Hinblick auf Ihre familiäre Situation“ und: „Hören Sie mir auf mit Mobbing, davon will ich nichts hören, da kommt nichts bei raus!“ Zusammen mit weiteren unsachlichen Bemerkungen habe dies in ihm den Eindruck hervorgerufen, sein Fall werde nicht mehr objektiv und unparteiisch beurteilt. In unverhohlen aggressiver Art habe der Vorsitzende dann geäußert: „Seien sie vernünftig. Sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“, auf seine weitere Verweigerung eines Vergleichsschlusses ohne Widerrufsmöglichkeit erklärt: „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und schließlich: „Sie werden sonst an die Wand gestellt und erschossen“ sowie - nach einem „Blick in die Runde“ -: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“. Danach habe er - der Kläger - endgültig den Eindruck gewonnen, der Vorsitzende sei bereit, sich über jedes Recht hinwegzusetzen. Durch dessen weitere Reaktionen wie „Dann wechseln Sie eben die Stadt.“; „Dann müssen Sie eben wieder unten anfangen und sich hocharbeiten“ sei ihm klar geworden, dass gleichgültig sei, was er noch vortrage. So sei nach der Erklärung des Vorsitzenden: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“ der Vergleich geschlossen worden. Erst später sei ihm bewusst geworden, dass diese massiven, einer fairen Verhandlungsführung widersprechenden Drohungen zu seiner Verhandlungsunfähigkeit geführt hätten. Ohne sie hätte er den Vergleich nicht geschlossen, zumindest nicht mit dem protokollierten Inhalt.

10

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das Verfahren - 15 Sa 1322/05 - fortzusetzen,

        

2.    

die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 30. März 2005 - 2 Ca 992/04 - zurückzuweisen sowie

        

3.    

den Auflösungsantrag der Beklagten abzuweisen.

11

Die Beklagte hat beantragt, „die Anträge zurückzuweisen“. Sie hat die Auffassung vertreten, der Vergleich sei wirksam. Das Landesarbeitsgericht sei nach Erstberatung der Auffassung gewesen, die Kündigung sei wohl nicht gerechtfertigt, ihr sei jedoch die Fortsetzung des zerrütteten Arbeitsverhältnisses nicht mehr zuzumuten. Der Vorsitzende habe dem Kläger in ruhigem und vernünftigem Ton erläutert, dass er sich bei gerichtlicher Auflösung des Arbeitsverhältnisses und Festsetzung einer Abfindung schlechter stehe als bei Abschluss des angetragenen Prozessvergleichs. Auch wenn sich der Vorsitzende dabei - Einzelheiten seien ihrem Prozessbevollmächtigten nicht mehr „erinnerlich“ - zu Äußerungen habe hinreißen lassen, die nicht in einen Gerichtssaal gehörten, seien diese für den Vergleichsschluss nicht kausal geworden. Entscheidend seien vielmehr die Verhandlungen der Parteien während der Sitzungsunterbrechungen gewesen. Einzelne, herausgegriffene Äußerungen des Vorsitzenden, etwa der Art, der Kläger habe „keine Chance“ und solle dem Vergleich „endlich zustimmen“, seien vor dem Hintergrund der rund dreistündigen Verhandlung verständlich. Zudem habe der Kläger den Vergleich erst angefochten, als - unstreitig - ein zwischenzeitlich von ihm neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber wieder beendet gewesen sei. „Vergleichsreue“ sei kein Anfechtungsgrund. Im Übrigen sei von einer Bestätigung des Vergleichs auszugehen.

12

Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist. Es hat die Revision zugelassen. Mit ihr begehrt der Kläger die Feststellung, dass das vorliegende Verfahren (Berufungsaktenzeichen: 15 Sa 1322/05; nunmehr: 15 Sa 1265/07) sowie die Verfahren 15 Sa 1202/05, 15 Sa 125/06 und 2 Ca 57/05 (Arbeitsgericht Braunschweig) durch den Prozessvergleich vom 16. August 2006 nicht erledigt sind. Weiter beantragt er, nach den im vorliegenden Verfahren gestellten Berufungsanträgen zu erkennen. Soweit sein Begehren zunächst auch auf eine Sachentscheidung in den Verfahren 15 Sa 1202/05 und 15 Sa 125/06 gerichtet war, hat er hieran zuletzt nicht mehr festgehalten.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, zur Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht zur (weiteren) Verhandlung und Entscheidung über die Berufung der Beklagten.

14

I. Die mit der Revision zuletzt verfolgten Anträge sind zulässig. Das gilt insbesondere für den Feststellungsantrag. Er genügt den Voraussetzungen des § 256 Abs. 2 ZPO.

15

1. Der Prozessvergleich hat eine Doppelnatur. Er enthält einerseits eine Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts bestimmt. Zugleich beruht er auf einem privatrechtlichen Vertrag, für den § 779 BGB und die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Willenserklärung gelten. Die Einheit von Prozesshandlung und materiellem Rechtsgeschäft sowie prozesswirtschaftliche Gründe sind maßgebend für die prozessualen Folgen materiellrechtlicher Mängel des Prozessvergleichs. Soweit diese auf Umständen beruhen, die bereits im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses bestanden haben - sei es, dass sie zur Nichtigkeit des Vergleichs von Anfang an führen (zB gemäß §§ 134, 138, 306, 779 BGB), sei es, dass sie ein Anfechtungsrecht gemäß §§ 119, 123 BGB begründen, nach dessen Ausübung der Vergleich rückwirkend nichtig wird(§ 142 BGB) - ist der Prozessvergleich auch als Prozesshandlung unwirksam. Seine prozessbeendende Wirkung ist dann nicht eingetreten, die Rechtshängigkeit des Prozesses hat fortbestanden (st. Rspr., BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251).

16

2. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs, ist dieser Streit in demselben Verfahren auszutragen, in dem der Vergleich geschlossen wurde (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 15, BAGE 120, 251; 5. August 1982 - 2 AZR 199/80 - zu B II 2 der Gründe mwN, BAGE 40, 17). Wird die Wirksamkeit verneint, kann hierüber ein Zwischenurteil ergehen, das die Unwirksamkeit feststellt (Senat 14. Juli 1960 - 2 AZR 152/60 - zu III der Gründe, BAGE 9, 319; BGH 26. Januar 1967 - Ia ZB 19/65 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 47, 132). Wird der Vergleich als wirksam angesehen, so ergeht ein Endurteil dahin, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich erledigt ist (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - aaO; BGH 10. März 1955 - II ZR 201/53 - BGHZ 16, 388).

17

3. Werden in einem Prozessvergleich andere Verfahren mit erledigt (Gesamtvergleich), so kann der Streit über dessen Wirksamkeit in jedem dieser Verfahren geklärt werden. Dabei steht es der Partei frei, die Unwirksamkeit des Vergleichs als Vorfrage klären zu lassen, sie demnach in dem von ihr gewählten Verfahren zum Streitgegenstand einer Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zu machen. Damit wird die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs einer rechtskraftfähigen Entscheidung zugeführt, die für die Parteien in den übrigen Verfahren bindend ist. Diese sind ggf. bis zur Entscheidung des angegangenen Gerichts auszusetzen (Senat 25. Juni 1981 - 2 AZR 219/79 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 36, 105; BGH 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82 - zu I der Gründe, BGHZ 87, 215).

18

4. Der in der Revision erhobene Feststellungsantrag des Klägers ist als ein solcher Zwischenfeststellungsantrag auszulegen und mit diesem Inhalt zulässig. Er zielt darauf, die Wirkungen einer erfolgreich geltend gemachten Unwirksamkeit des Vergleichs nicht nur für den vorliegenden Rechtsstreit, sondern auch für die miterledigten Rechtsstreite verbindlich klären zu lassen. Dabei kann offenbleiben, ob schon der im Berufungsverfahren zuletzt gestellte Antrag zu 1 - wovon offenbar das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist - als ein solcher Antrag auszulegen war. Das Begehren ist auch zulässig, wenn von einer erstmaligen Anbringung des Antrags in der Revision auszugehen wäre. Zwar ist eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig (st. Rspr., BAG 5. Juni 2003 - 6 AZR 277/02 - zu II 1 der Gründe mwN, AP ZPO 1977 § 256 Nr. 81 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 2). Sie ist aber aus prozessökonomischen Gründen zuzulassen, wenn der neue Sachantrag sich auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt und berechtigte Interessen des Gegners nicht beeinträchtigt werden (BAG 18. September 2007 - 3 AZR 560/05 - Rn. 14, NZA-RR 2008, 320; 10. Februar 2004 - 9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Das ist hier der Fall. Die Beklagte sieht dies ersichtlich nicht anders.

19

5. Dem Umstand, dass das Landesarbeitsgericht durch Endurteil entschieden hat, entspricht es, dass der Kläger seinen Antrag auf (Sach-)Entscheidung über die Berufungsanträge auch in der Revision weiter verfolgt. Diese sind nicht in der Berufungsinstanz „hängen geblieben“ (vgl. Senat 4. März 2004 - 2 AZR 305/03 - zu B II der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 40 = EzA ZPO 2002 § 794 Nr. 1; OLG Karlsruhe 21. Juli 2005 - 19 U 46/05 - MDR 2005, 1368). Das Vorbringen der Parteien lässt nicht erkennen, dass sie den Streit zunächst auf die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs beschränkt hätten (zu einer solchen Konstellation, in der die Berufungsanträge vorerst nicht gestellt waren: BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu I 1 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Mit der vor dem Senat erfolgten Klarstellung, dass sich die begehrte Sachentscheidung auf die im vorliegenden Rechtsstreit erhobenen Berufungsanträge beschränkt, hat der Kläger der prozessualen Selbstständigkeit der mitverglichenen Rechtsstreite Rechnung getragen. Eine Sachentscheidung in den weiteren Verfahren kann der Kläger nur dadurch herbeiführen, dass er sich jeweils auf die Unwirksamkeit des Vergleichs vom 16. August 2006 beruft und sodann die entsprechenden Sachanträge stellt.

20

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist unwirksam.

21

1. Der Tatbestand des angefochtenen Urteils bietet dem Senat eine ausreichende Entscheidungsgrundlage. Er ist nicht mangelhaft iSv. § 69 Abs. 3 ArbGG.

22

a) § 69 Abs. 3 ArbGG verlangt für Urteile, gegen die die Revision statthaft ist, eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstands auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien. Dabei ist eine Bezugnahme auf Schriftsätze möglich, soweit dadurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird. Diesen Anforderungen (zu den Einzelheiten vgl. Senat 20. August 2009 - 2 AZR 165/08 - Rn. 16, AP BGB § 626 Nr. 223 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 27) wird die angefochtene Entscheidung gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat im Tatbestand den Streitgegenstand bezeichnet, die Anträge hervorgehoben und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen. Eine vorbehaltlose Antragstellung - wie im Termin der letzten mündlichen Verhandlung vor der Berufungskammer erfolgt - stellt grundsätzlich die Bezugnahme auf den gesamten bis dahin vorliegenden Inhalt der Verfahrensakten dar, der damit insgesamt iSv. § 559 Abs. 1 ZPO der revisionsrechtlichen Beurteilung unterliegt(vgl. BAG 5. Februar 2009 - 6 AZR 151/08 - Rn. 24, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 69 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 87; BGH 16. Juni 1992 - XI ZR 166/91 - NJW 1992, 2148).

23

b) Danach kann offenbleiben, ob die Rügen des Klägers, soweit sie sich auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts bei der Behandlung seines in der Vorinstanz angebrachten und negativ beschiedenen Tatbestandsberichtigungsantrags beziehen, wegen der Unanfechtbarkeit dieser Entscheidung (§ 320 Abs. 4 Satz 4 ZPO) und der Möglichkeit der Anhörungsrüge (§ 78a ArbGG) zulässig sind. Es ist jedenfalls mit Blick auf die Inbezugnahme des Parteivorbringens nicht ersichtlich, dass die gerügte Auslassung wesentlichen Vorbringens zu einer Unrichtigkeit des Tatbestands hätte führen können.

24

2. Der Prozessvergleich vom 16. August 2006 ist nicht aus formellen Gründen unwirksam. Die gesetzlichen Anforderungen an die Protokollierung (§ 162 Abs. 1, § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) sind erfüllt. Der Kläger hat seinen in der Vorinstanz erhobenen Einwand, es fehle an einer Genehmigung des Vergleichs, in der Revision nicht mehr aufgegriffen. Seine Behauptung ist zudem durch das vom Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnete Sitzungsprotokoll widerlegt. Weist das Protokoll - wie hier - die Beachtung der für die Verhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten aus, ist dagegen nur der Nachweis der Fälschung möglich (§ 165 ZPO).

25

3. Der Vergleich ist unwirksam, weil die Anfechtung berechtigt ist. Der Kläger ist im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. August 2006 widerrechtlich durch Drohung seitens des Kammervorsitzenden zum Abschluss des Vergleichs bestimmt worden (§ 123 Abs. 1 BGB). Dies hat er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts frist- und formgerecht durch Anfechtung geltend gemacht (§ 124 Abs. 1 und 2, § 143 Abs. 1 und 2 BGB).

26

a) Eine Drohung iSd. § 123 Abs. 1 BGB setzt die Ankündigung eines zukünftigen Übels voraus, dessen Zufügung als in irgendeiner Weise von der Macht des Ankündigenden abhängig hingestellt wird. Der Bedrohte muss einer Zwangslage ausgesetzt sein, die ihm subjektiv das Gefühl gibt, sich nur noch zwischen zwei Übeln entscheiden zu können. Die Widerrechtlichkeit der Drohung kann sich aus der Widerrechtlichkeit des eingesetzten Mittels oder der des verfolgten Zwecks ergeben. Bedient sich der Drohende an sich erlaubter Mittel zur Verfolgung eines an sich nicht verbotenen Zwecks, kann sich die Widerrechtlichkeit gleichwohl aus der Inadäquanz, dh. der Unangemessenheit des gewählten Mittels im Verhältnis zum verfolgten Zweck ergeben. Hat der Drohende an der Erreichung des verfolgten Zwecks kein berechtigtes Interesse oder ist das Mittel nach Treu und Glauben nicht als angemessen zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen, ist die Drohung rechtswidrig (BAG 13. Dezember 2007 - 6 AZR 200/07 - Rn. 18, EzA BGB 2002 § 123 Nr. 8; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 14, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6 mwN).

27

b) § 123 Abs. 1 BGB verlangt, dass der Drohende das Übel irgendwie in Aussicht stellt. Eine Willenserklärung, die lediglich unter Ausnutzung einer bestehenden Zwangslage veranlasst worden ist, kann nicht wegen widerrechtlicher Drohung angefochten werden (BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). § 123 Abs. 1 BGB schützt die freie Willensentscheidung nur vor rechtswidrigen Beeinflussungen durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung. Die rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit des Einzelnen wird dagegen nicht allgemein gegen jede Art von Beeinträchtigung durch eine Zwangslage geschützt (BAG 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - zu I 5 der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 22 = EzA BGB § 123 Nr. 21; BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - aaO).

28

c) Für die Anfechtung wegen Drohung ist es unerheblich, von welcher Person die Drohung stammt. Diese kann auch von einer Hilfsperson des Geschäftspartners oder einem Dritten ausgehen (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 16, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; Senat 26. November 1981 - 2 AZR 664/79 -). Dritter in diesem Sinne kann auch das Gericht oder ein Mitglied des Gerichts sein (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 3 der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12).

29

d) Danach ist die Anfechtung berechtigt.

30

aa) Der wirksamen Anfechtung des Prozessvergleichs steht nicht entgegen, dass der Kläger lediglich eine unzulässige Einflussnahme auf seine Willensbildung und nicht auch eine vergleichbare Einwirkung auf seinen Prozessbevollmächtigten geltend gemacht hat. Der bei den Landesarbeitsgerichten nach § 11 Abs. 4 ArbGG bestehende Vertretungszwang, der den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs mit umfasst(vgl. GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 11 Rn. 119; für den Anwaltszwang: BGH 20. Februar 1991 - XII ZB 125/88 - zu II 2 der Gründe, NJW 1991, 1743 mwN), hindert nach den Umständen des vorliegenden Falls die Vergleichsanfechtung wegen eines Willensmangels in der Person des Klägers nicht.

31

(1) Zwar ist ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter abgeschlossen hat, nach § 166 Abs. 1 BGB wegen Täuschung oder Drohung nur anfechtbar, wenn sich der Vertreter hat täuschen lassen oder sich die Drohung gegen ihn richtete(Palandt/Heinrichs BGB 68. Aufl. § 166 Rn. 3). Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn es um die Anfechtung eines Prozessvergleichs geht und der geltend gemachte Willensmangel in der Person einer Partei besteht, die in einem Vergleichstermin selbst zugegen war. Beteiligt sich die Prozesspartei an den gerichtlichen Vergleichsverhandlungen, so ist es je nach den Umständen möglich, dass nicht ihr Bevollmächtigter, sondern sie selbst die eigentliche Entscheidung trifft, ob der Vergleich mit dem ausgehandelten Inhalt angenommen werden soll. Schließt der Prozessbevollmächtigte unter derartigen Voraussetzungen den Vergleich ab, setzt er regelmäßig nur den Geschäftswillen seines Mandanten in die Tat um; er handelt nach dessen Weisungen. Dann aber kommt es für Willensmängel im Rahmen der Anfechtung analog § 166 Abs. 2 BGB auf die Prozesspartei selbst und nicht ihren Vertreter an(zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung BGH 24. Oktober 1968 - II ZR 214/66 - zu II 2 b der Gründe, WM 1969, 471; für den Fall der Drohungsanfechtung unausgesprochen BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - NJW 1966, 2399).

32

(2) Im Streitfall gehen die Parteien übereinstimmend von einem weisungsgebundenen Handeln des damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers aus. So hat die Beklagte selbst ausgeführt, die Verhandlungen hätten sich deshalb so langwierig gestaltet, weil der Kläger mehrfach erklärt habe, den Vergleich schließen zu wollen, einige Sekunden später aber hiervon wieder Abstand genommen habe. Angesichts dieses „Szenario“ sei es nachvollziehbar, dass der Vorsitzende nach Stunden erklärt habe, der Kläger habe „sonst keine Chance“ und ihn mit den Worten angesprochen habe: „Stimmen Sie dem jetzt endlich zu, ich will Mittag essen gehen“. Das wiederum lässt den Schluss zu, dass der Prozessbevollmächtigte den Vergleich ohne das Einverständnis des Klägers nicht genehmigt hätte.

33

bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist von einer Willensbeeinflussung des Klägers durch widerrechtliche Drohung seitens des Vorsitzenden auszugehen.

34

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Erklärungen des Vorsitzenden „Gleich werden Sie an die Wand gestellt und erschossen“, „Ich reiße Ihnen sonst den Kopf ab“ und: „Seien Sie vernünftig, sonst müssen wir Sie zum Vergleich prügeln“ seien ersichtlich nicht wörtlich zu verstehen, sondern „als schlechter Scherz“ zu erkennen gewesen. Der Vorsitzende habe dem Kläger - wenn auch in unsachlicher Art und Weise - anhand der Prozesslage die voraussichtlichen Folgen eines möglichen Scheiterns der Vergleichsverhandlungen aufzeigen wollen.

35

(2) Damit hat sich das Landesarbeitsgericht zu Unrecht allein am Wortlaut der in Rede stehenden Äußerungen orientiert. Es hat nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Drohung iSv. § 123 BGB nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden braucht, sondern versteckt oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen kann(BGH 7. Juni 1988 - IX ZR 245/86 - zu I 1 a der Gründe, AP BGB § 123 Nr. 33). Den Erklärungen des Vorsitzenden kann ein drohendes Element nicht abgesprochen werden. Aus dem Vorbringen der Parteien geht nicht hervor, dass dem Kläger die - offenbar häufiger an den Tag gelegte - ungewöhnliche Art des Vorsitzenden bekannt gewesen wäre oder die Vergleichsverhandlungen in einer aufgelockerten Gesprächsatmosphäre geführt worden wären. Dies ist auch objektiv nicht ersichtlich. Vielmehr beschreibt das Vorbringen beider Parteien eine durchgehende Anspannung des Klägers. Unter diesen Umständen ist es nachvollziehbar, dass beim Kläger aufgrund der in Rede stehenden Äußerungen der Eindruck entstanden ist, dem Vorsitzenden sei jedes, ggf. auch ein anrüchiges Mittel recht, um den Prozess zu dem gewünschten Abschluss bringen, und er - der Kläger - diesem Druck nur dadurch ausweichen könne, dass er den angetragenen Vergleich (endlich) schließe. Bereits dies erfüllt die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 BGB.

36

(a) Zwar soll das Gericht nach § 64 Abs. 7, § 57 Abs. 2 ArbGG in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein. Damit weist ihm das Gesetz im Hinblick auf Vergleichsbemühungen eine aktive Rolle zu, die sich auch in Vergleichsvorschlägen äußern kann (Dietrich ZZP 120, 443, 446). Wenn das Gericht in diesem Zusammenhang - was von vielen Parteien als hilfreich empfunden wird - seine vorläufigen rechtlichen Überlegungen und etwaige Beweisrisiken offenlegt, ist darin in der Regel ein sachlicher Hinweis auf die rechtlichen Folgen eines Scheiterns der Vergleichsverhandlungen zu sehen; die bloße Verdeutlichung von Prozessrisiken kann regelmäßig nicht als Drohung gewertet werden (BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12; BGB-RGRK/Steffen 12. Aufl. § 779 Rn. 52; Staudinger/Singer/ v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Arndt NJW 1967, 1585; Schneider NJW 1966, 2399).

37

(b) Anders liegt der Fall aber, wenn die Verhandlungsführung den Eindruck erweckt, die Partei müsse sich zwingend der Autorität des Gerichts beugen (vgl. Staudinger/Singer/v. Finckenstein (2004) § 123 Rn. 63; Dietrich ZZP 120, 443, 451; Schallow Der mangelhafte Prozessvergleich S. 222 f.). Die Einbettung des Prozessvergleichs in das gerichtliche Urteilsverfahren setzt die Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften voraus, insbesondere des Gebots, einer Partei auch im Rahmen von Vergleichsverhandlungen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zu vertreten, und ihr rechtliches Gehör zu gewähren (Schallow S. 222; Wolf in Gottwald/Hutmacher/Röhl/Strempel Der Prozessvergleich S. 153, 156). Außerdem verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) iVm. Art. 2 GG abzuleitende Justizgewährleistungsanspruch danach, einer Partei den Zugang zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren(BVerfG 30. April 2003 - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Bei der Beurteilung, ob das Drängen des Gerichts auf einen Vergleichsabschluss nach den Umständen des Einzelfalls eine widerrechtliche Drohung darstellt, sind diese grundrechtlichen Anforderungen mit zu berücksichtigen.

38

(c) Im Streitfall hat der Vorsitzende in seiner dienstlichen Äußerung, die sich der Kläger ausdrücklich zu eigen gemacht hat, eingeräumt, es sei ihm darum gegangen, dem Kläger das „tödliche“ Risiko einer Ablehnung des Vergleichs vor Augen zu führen. Die drastische Wortwahl, mit der er dies in der Verhandlung zum Ausdruck gebracht hat, war geeignet, beim Kläger die Furcht vor einer von ihm nicht mehr zu beeinflussenden, nachteiligen Entscheidung zu wecken und die freie Abwägung des Für und Wider auszuschließen (vgl. hierzu einen ähnlichen Fall BGH 6. Juli 1966 - Ib ZR 83/64 - zu II 2 c der Gründe, AP ZPO § 794 Nr. 12). Hinzu kommt, dass der Kläger die Äußerungen des Vorsitzenden dahin verstehen musste, bei weiteren Bedenken gegen den Vergleich oder dessen Inhalt als „Störenfried“ zu gelten und nicht erwarten zu können, mit seinem Anliegen noch Gehör zu finden und mit Sachargumenten durchzudringen. Das in Aussicht gestellte Übel war damit zum einen die Verlängerung der für den Kläger unerträglich gewordenen Situation im Gerichtssaal selber. Zum anderen musste der Kläger befürchten, bei endgültiger Verweigerung eines Vergleichsabschlusses kein unbefangenes, abgewogenes Urteil mehr erlangen zu können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Vergleich aus Sicht des Vorsitzenden für den Kläger vorteilhaft war. Die durch § 123 Abs. 1 BGB geschützte freie Willensbestimmung schließt die Verweigerung eines angetragenen Vergleichs ein, mag dies auch aus Sicht des Gerichts oder objektiv unvernünftig erscheinen.

39

cc) Das Vorgehen des Vorsitzenden war offensichtlich dazu bestimmt, den Kläger zu veranlassen, seinen Widerstand gegen den angetragenen Vergleich aufzugeben. Das ergibt sich sowohl aus den Worten: „Manche muss man eben zu ihrem Glück zwingen“ als auch aus dem Hinweis, der Kläger habe sonst „keine Chance“. Der Einwand der Beklagten, derartige Erklärungen seien lediglich Ausdruck einer durch die langwierigen Vergleichsverhandlungen eingetretenen Erschöpfung des Kammervorsitzenden, liegt fern. Wäre dem so gewesen, hätte es angesichts der offen zutage getretenen Unsicherheit des Klägers nahe gelegen, die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts in den Vergleich anzuregen.

40

dd) Zu Unrecht meint die Beklagte, schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers fehle es jedenfalls an der Kausalität der aufgezeigten Drohung für den Vergleichsschluss.

41

(1) Gemäß § 123 Abs. 1 BGB muss die Drohung für die angefochtene Willenserklärung des Bedrohten ursächlich gewesen sein. Dabei genügt es, dass sie nach der Vorstellung des Drohenden mitursächlich gewesen ist (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 58, BAGE 125, 70; 15. Dezember 2005 - 6 AZR 197/05 - Rn. 19, AP BGB § 123 Nr. 66 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 6; MünchKommBGB/Kramer 5. Aufl. § 123 Rn. 47). Eine Willenserklärung kann nur dann erfolgreich wegen Drohung angefochten werden, wenn der Anfechtende einem auf die Bestimmung des Willens gerichteten Verlangen nachgegeben und die Willenserklärung nicht aus eigener, selbstständiger Überlegung abgegeben hat (BAG 23. November 2006 - 6 AZR 394/06 - Rn. 45, BAGE 120, 251).

42

(2) Danach ist die Kausalität der widerrechtlichen Einflussnahme auf den Willensbildungsprozess des Klägers zu bejahen. Ist die Androhung eines Übels geeignet, den Bedrohten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bestimmen, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass sie eine solche Wirkung auch gehabt hat (vgl. BGH 30. Januar 1963 - VIII ZR 256/61 - BB 1963, 452).

43

(a) Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger gegen den Vorsitzenden - möglicherweise trotz ausdrücklichen Hinweises - kein Ablehnungsgesuch (§ 42, § 44 ZPO)angebracht, sondern die Vergleichsverhandlungen fortgesetzt hat. Zwar mag das Führen von Vergleichsverhandlungen in Kenntnis eines Ablehnungsgrunds als „Einlassen“ im Sinne von § 43 ZPO zu verstehen sein und ggf. den Verlust eines Ablehnungsrechts aus § 42 ZPO bewirken(bspw. OLG Frankfurt 19. Februar 1991 - 3 WF 185/90 - FamRZ 1991, 839; MünchKommZPO/Gehrlein 3. Aufl. § 43 Rn. 5). Es ist aber fraglich, ob § 43 ZPO auch im Rahmen von § 123 BGB zum Tragen kommen kann. Letztlich kann dies dahinstehen. § 43 ZPO dient der Prozesswirtschaftlichkeit und soll verhindern, dass das Ablehnungsrecht zu Zwecken der Prozesstaktik eingesetzt wird(MünchKommZPO/Gehrlein aaO Rn. 1). Zwingende materiell-rechtliche Wirkungen ergeben sich daraus nicht. Im Übrigen wird allein durch die Nichtausübung eines Ablehnungsrechts noch nicht der Kausalzusammenhang zwischen Drohung und späterem Vergleichsschluss durchbrochen.

44

(b) Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Kausalität der Drohung durch Zwischenberatungen der Parteien untereinander beseitigt worden wäre. Abgesehen davon, dass die Beklagte nicht darstellt, was Gegenstand dieser Beratungen war, spricht der weitere Verlauf der mündlichen Verhandlung gegen einen von den vorangegangenen Äußerungen des Vorsitzenden unbeeinflussten, freien Entschluss des Klägers, dem Vergleich zuzustimmen. Sonst hätte es einer weiteren Einwirkung auf den Kläger nicht bedurft.

45

e) Der Rechtsstreit war nicht zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Es bedarf keiner weiteren Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht das Vorbringen des Klägers zum Vorliegen einer widerrechtlichen Drohung als streitig angesehen und für seine Entscheidung lediglich als wahr unterstellt. Dabei hat es aber übersehen, dass die Behauptungen des Klägers, soweit sie sich auf den Gang der Verhandlung und für die Beklagte wahrnehmbare Äußerungen des Vorsitzenden bezogen haben, entweder in weiten Teilen - was etwa die von diesem selbst in einer dienstlichen Stellungnahme eingeräumten Äußerungen anbelangt - durch bejahende Einlassung zugestanden worden sind oder zumindest wegen der Unzulässigkeit eines Bestreitens nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu gelten hatten.

46

aa) Soweit die Beklagte dem Vorbringen des Klägers überhaupt - im Wesentlichen pauschal - entgegen getreten ist, hat sie sich auf Erinnerungslücken ihres Prozessbevollmächtigten berufen. Insoweit liegt ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) vor.

47

bb) Dies ist hier unzulässig. Dem Vortrag der Beklagten ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen ihr Prozessbevollmächtigter unter Hinzuziehung ggf. vorhandener Sitzungsunterlagen unternommen hat, mögliche Erinnerungslücken zu schließen. Im Übrigen war die Beklagte im Termin vom 16. August 2006 auch durch ihren Personalleiter vertreten. Ob und mit welchem Ergebnis sie versucht hat, sich über diesen die erforderlichen Kenntnisse zu verschaffen, geht aus ihrem Vorbringen nicht hervor.

48

4. Die Anfechtung des Prozessvergleichs ist nicht gemäß § 144 BGB ausgeschlossen. Die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten sind unschlüssig.

49

a) Nach § 144 Abs. 1 BGB ist die Anfechtung ausgeschlossen, wenn das anfechtbare Rechtsgeschäft von dem Anfechtungsberechtigten bestätigt wird. Bestätigung ist jede Erklärung des Anfechtungsberechtigten, in der sein Wille zum Ausdruck kommt, ein ihm bekanntes Anfechtungsrecht nicht auszuüben (BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 36, BAGE 125, 70; BGH 28. April 1971 - VIII ZR 258/69 - zu II 3 e cc der Gründe, NJW 1971, 1795). An die Annahme einer Bestätigung durch schlüssiges Verhalten sind strenge Anforderungen zu stellen. Teilnehmer am Rechtsverkehr pflegen erfahrungsgemäß nicht ohne Weiteres auf bestehende Befugnisse oder Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten (BGH 2. Februar 1990 - V ZR 266/88 - zu II 1 der Gründe, BGHZ 110, 220). Für die Fälle des § 123 BGB gilt dies in besonderem Maße, weil dem Anfechtungsberechtigten eine Anfechtungsfrist von einem Jahr zur Verfügung steht(§ 124 BGB). Diese gesetzliche Überlegungsfrist darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass jedes Verhalten des Anfechtungsberechtigten, das sich als Wahrnehmung von Rechten und Pflichten aus dem anfechtbaren Rechtsgeschäft verstehen lässt, als dessen Bestätigung gewertet wird. Eine stillschweigende Bestätigung iSv. § 144 BGB kann erst angenommen werden, wenn das fragliche Verhalten eindeutig Ausdruck eines entsprechenden Willens und jede andere Deutung den Umständen nach ausgeschlossen ist(BAG 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - aaO; 16. Dezember 2004 - 2 AZR 148/04 - zu B I 1 der Gründe mwN, AP BGB § 123 Nr. 64 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 5).

50

b) Danach kann eine Bestätigung des anfechtbaren Vergleichs nicht darin gesehen werden, dass der Kläger für die Zeit bis zum 31. Dezember 2006 Leistungen auf der Grundlage des Vergleichs entgegen genommen und sich mit der Beklagten um die Auslegung von dessen Nr. 3 gestritten hat. Das Verhalten des Klägers war ersichtlich einer wirtschaftlichen Notwendigkeit geschuldet. Es steht auch nicht im Widerspruch zu seiner Überzeugung, der Prozessvergleich habe den Rechtsstreit nicht beendet und das Arbeitsverhältnis bestehe mangels rechtswirksamer Kündigung fort. Selbst wenn der Kläger, wie von der Beklagten behauptet, im Hinblick auf die Zeugniserteilung eine Vollstreckung aus dem Vergleich angekündigt hätte, müsste dies nicht als dessen Bestätigung verstanden werden. Der Kläger konnte angesichts des Ablaufs der Kündigungsfrist ohnehin ein Zeugnis beanspruchen. Ebenso wenig lässt sich ein eindeutiger Bestätigungswille daraus ableiten, dass er die Konsequenzen aus dem Verhalten des Vorsitzenden erst zu einem Zeitpunkt gezogen hat, zu welchem sein neu begründetes Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber bereits beendet war. Sein Verhalten lässt durchaus andere Deutungen zu. So ist es möglich, dass der Kläger seinen neuen Arbeitgeber nicht dadurch verunsichern wollte, dass er einen Kündigungsrechtsstreit mit seinem früheren Arbeitgeber wieder aufnähme, oder er die Hoffnung hegte, er könne sich durch einen beruflichen Neuanfang die Belastungen, die mit einer Fortsetzung des vorliegenden Rechtsstreits verbunden sind, ersparen.

51

5. Ist der Vergleich damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB unwirksam, kann dahinstehen, ob - wie vom Kläger geltend gemacht - sonstige Unwirksamkeitsgründe vorliegen. Grundsätzlich können auch möglicherweise nichtige Rechtsgeschäfte angefochten werden (sog. Doppelwirkungen im Recht, vgl. BGH 25. November 2009 - VIII ZR 318/08 - Rn. 18, BB 2010, 271).

52

III. Der durch den Prozessvergleich nicht erledigte Rechtsstreit ist in der Lage fortzusetzen, in der er sich vor Vergleichsabschluss befand. Da das Berufungsgericht noch keine Sachentscheidung getroffen hat, ist der Rechtsstreit an dieses zurückzuverweisen (entsprechend § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.

        

    Kreft
zugleich für ehrenamtlichen
Richter Dr. Bartel, der wegen
des Endes seiner Amtszeit an
einer Unterzeichnung
verhindert ist    

        

    Eylert    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

    Jan Eulen    

                 

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

(1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

(2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 - 28 Ca 314/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer in einem gerichtlich festgestellten Vergleich vereinbarten Handlung.

2

Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger/Gläubiger (im Folgenden: Kläger) gegen die Beklagte/Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ua. die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 5. Oktober 2010 geltend gemacht. Zur Erledigung des Rechtsstreits schlossen die Parteien einen am 23. November 2010 gerichtlich festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 beendet wurde. Neben weiteren Regelungen enthält der Vergleich folgende Bestimmung:

        

„IX. Direktversicherung

        

Der Kläger ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung A abgeschlossene Direktversicherung mit der Versicherungsnummer mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Die Beklagte wird auf erstes Anfordern alle hierfür erforderlichen Erklärungen abgeben.“

3

Am 17. Dezember 2010 erteilte das Arbeitsgericht dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des von Amts wegen zugestellten Beschlusses vom 23. November 2010. Mit Schreiben vom 22. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine von der Versicherungsgesellschaft A vorformulierte Erklärung abzugeben, die eine Auszahlung der Rückvergütung der Versicherung zum 1. Dezember 2011 vorsah. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

4

Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 hat der Kläger beim Arbeitsgericht sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld von 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte soll verpflichtet werden, das Formular Anlage AG 1 unter Korrektur des Datums auf den 31. Dezember 2011 ausgefüllt und unterschrieben zurückzureichen.

5

Die Beklagte hat beantragt, den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zwangsvollstreckungsantrag sei nicht bestimmt genug und auch der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Vergleich sei nicht hinreichend bestimmt.

6

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsgeldantrag des Klägers durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zurückgewiesen. Mit am 10. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld iHv. 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, diese Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise

        

die Vollstreckung durch Abgabe folgender Erklärung abzuwenden:

        

„Herr E ist aus unserem Unternehmen mit dem 31.12.2011 ausgeschieden. Er ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung ‚A’ abgeschlossene Direktversicherung mit der VS-Nr. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die zum 31.12.2011 erfolgt ist, zu übernehmen. Wir geben hiermit alle dafür ggf. notwendigen Erklärungen ab und stimmen der Übernahme der Direktversicherung durch Herrn E zu.“

7

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde stattgegeben, gegen die Beklagte einen Zwangsgeldbeschluss „zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlich mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellten Vergleich, nämlich auf erstes Anfordern alle für die Übernahme der Direktversicherung bei der A mit der Versicherungsnummer durch den Kläger erforderlichen Erklärungen abzugeben“, erlassen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 7. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 28. Februar 2012 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt und sowohl den Ausgangsbeschluss als auch den Ergänzungsbeschluss den Parteien zugestellt.

9

Mit der am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses.

10

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zwangsgeldbeschluss zu Unrecht erlassen. Dies führt zur Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

11

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2012 ist mit am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten und zugleich - und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - begründet worden.

12

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Zwangsgeldbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der Vollstreckungstitel ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend bestimmt. Für eine hinreichende Bestimmtheit des Vergleichs ist es zwar ausreichend, dass der geschuldete Erfolg im Vollstreckungstitel festgeschrieben ist ohne die zur Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen oder Erklärungen im Einzelnen zu bezeichnen. Der Vergleich vom 23. November 2010 legt den geschuldeten Erfolg jedoch nicht ausreichend bestimmt fest und weist deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Ob der Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist und ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Beschlussfassung gegen § 308 ZPO verstoßen hat, kann deshalb dahinstehen. Ebenso unerheblich ist, ob die von der Rechtsbeschwerde gerügte entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend dargelegt ist und die Rechtsbeschwerdebegründung insoweit überhaupt den gesetzlichen Anforderungen nach § 575 Abs. 3 ZPO genügt.

13

a) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellte Vergleich enthält einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Gläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

14

b) Der Prozessvergleich vom 23. November 2010 ist für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die fehlende Bestimmtheit allerdings nicht daraus, dass die von der Beklagten abzugebenden Erklärungen im Vergleich nicht festgelegt sind. Insoweit ist es ausreichend, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es vorliegend. Dies ergibt eine Auslegung des durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleichs.

15

aa) Der Vergleich vom 23. November 2010 ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).

16

Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7; 9. September 2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14, EzA GewO § 109 Nr. 8).

17

bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 23. November 2010 keinen hinreichend bestimmten vollstreckbaren Inhalt. Zwar genügt es für die ausreichende Bestimmtheit, wenn nur der zu bewirkende Erfolg im Vergleich festgelegt ist und nicht die zu dessen Herbeiführung zu ergreifenden Mittel oder Erklärungen. Erforderlich ist jedoch, dass der geschuldete Erfolg im Vergleich bestimmt ist. Hieran fehlt es.

18

(1) Für die Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs ist es ausreichend, wenn nicht die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen vereinbart sind, sondern der durch die Erklärungen oder Handlungen zu bewirkende Erfolg (vgl. OLG München 2. Juli 1987 - 28 W 1163/87 - zu II 1 der Gründe, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 22; BGH 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75 - zu III der Gründe, BGHZ 67, 252; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 2, § 887 Rn. 5). Es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.

19

(2) Der von der Beklagten zu bewirkende Erfolg ist von den Parteien im Vergleich vom 23. November 2010 nicht hinreichend bestimmt vereinbart worden. Die Parteien sind in Nr. IX des Vergleichs übereingekommen, dass der Kläger berechtigt ist, die Direktversicherung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Damit haben die Parteien nicht festgelegt, welcher konkrete Erfolg geschuldet ist. Nach Nr. IX des Vergleichs sind zwei Möglichkeiten denkbar.

20

Zum einen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien sich mit dem Recht zur Übernahme der Direktversicherung auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG vorgesehene sog. versicherungsförmige Lösung verständigt haben. Dafür könnte die in Nr. IX Satz 2 des Vergleichs vereinbarte Wendung „auf erstes Anfordern“ sprechen. Der Kläger hätte bei diesem Verständnis des Vergleichs das Recht erlangt, von der Beklagten die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zu verlangen; die Beklagte hätte dann auf die entsprechende Aufforderung des Klägers die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG erforderlichen Erklärungen abzugeben.

21

Zum anderen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien die vollständige Übertragung der Versicherung auf den Kläger vereinbart haben und damit den Kläger umfassend in die Position des Versicherungsnehmers einrücken lassen wollten. Damit würde der Kläger Inhaber sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich des Rechts, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch zu nehmen. Für diese Auslegung könnte die vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgelegte Formularerklärung des Versicherungsunternehmens sprechen, die eine Beendigung der Versicherung unter Auszahlung der Rückvergütung an den Kläger zum Gegenstand hat. Ob dies rechtlich zulässig wäre oder ein solches Vorgehen möglicherweise gegen das Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstößt, ist für die Frage, ob der Vergleich dem Bestimmtheitserfordernis genügt, unerheblich.

22

Da der Vergleich beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt und für jede der beiden Auslegungen Argumente angezogen werden können, ohne zu einer eindeutig vorzugswürdigen Auslegung zu kommen, fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Erfolges im Vergleich und diesem damit die Vollstreckungsfähigkeit.

23

III. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. September 2014 - 6 Sa 230/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

2

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 15. Februar 2001 bei der Beklagten, einem milchverarbeitenden Unternehmen, bzw. bei deren Rechtsvorgängerin seit dem 12. März 2001 als Sachbearbeiter Marketing beschäftigt. Unter Ziff. 11 des Arbeitsvertrages heißt es:

        

„Alle weiteren hier nicht geregelten Fragen richten sich nach dem Tarifvertrag für das Molkerei- und Käsereigewerbe in Bayern und den gesetzlichen Bestimmungen.“

3

Der „M a n t e l t a r i f v e r t r a g vom 15. 11. 1999 für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Milchindustrie, für das Molkerei- und Käsereigewerbe sowie für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Schmelzkäseindustrie in Bayern - gültig ab 1. 1. 2000 -“ (im Folgenden MTV) sieht in § 22 Nr. 2 für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher wegen unrichtiger Eingruppierung - eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vor.

4

Mit Schreiben vom 10. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. Juni 2011 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens seine Weiterbeschäftigung verlangt. Am 19. April 2011 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Beendigung dieses Verfahrens sowie des Kündigungsschutzverfahrens einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

        

„1.     

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 10.03.2011 mit Ablauf des 31.12.2011 sein Ende finden.

        

…       

        
        

3.    

Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung in Höhe von 3.608,50 € von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Rahmen der Freistellung werden Zeitguthaben des Klägers angerechnet. Der Urlaub wurde dem Kläger in natura gewährt.

        

4.    

Während der Freistellung wird das Arbeitsverhältnis des Klägers ordnungsgemäß unter Zugrundelegung einer monatlichen Vergütung von 3.608,50 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger monatlich ausbezahlt.

        

5.    

Der Kläger ist berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung entspricht ausdrücklich dem Interesse und dem Wunsch des Arbeitgebers.

        

6.    

Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 47.500,-- € (i.W.: siebenundvierzigtausendfünfhundert EURO) brutto.

                 

Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens gemäß voranstehender Ziffer um 3.608,50 € brutto. Anteilige Monate werden anteilig berechnet.

        

7.    

Die Abfindung in Höhe von 47.500,-- € brutto ist sofort entstanden und vererblich. Die gesamte Abfindung wird mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt.

        

…       

        
        

9.    

Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle zwischen den Parteien bestehenden finanziellen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob gegenwärtig oder zukünftig, gleich aus welchem Rechtsgrund, endgültig abgegolten und erledigt.

        

…       

        
        

12.     

Der Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 21.04.2011 beim Arbeitsgericht Rosenheim in Rosenheim eingegangen sein muss.“

5

Der Vergleich wurde in der Folgezeit nicht widerrufen. Der Kläger machte von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung nach Ziff. 5 des Vergleichs keinen Gebrauch und schied zum 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Die Beklagte rechnete die vereinbarte Abfindung iHv. 47.500,00 Euro brutto zusammen mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2011 ab und überwies den sich ergebenden Nettobetrag auf das Konto des Klägers, dem es am 30. Dezember 2011 gutgeschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 27. März 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens iHv. insgesamt 4.655,72 Euro geltend. Mit seiner Klage verfolgt er dieses Begehren weiter. Zudem verlangt er von der Beklagten die Erstattung von Steuerberaterkosten iHv. 571,20 Euro.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verletzt habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Abfindung bereits im Dezember 2011 auszuzahlen. Nach Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs habe die Zahlung vielmehr erst mit dem Gehaltslauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats, dh. erst im Januar 2012 erfolgen dürfen. Die Parteien hätten in dem Vergleich einen festen Auszahlungstermin vereinbart und keine Fälligkeitsabrede getroffen. Insoweit sei bereits der Wortlaut des Vergleichs eindeutig. Im Übrigen sei es ihm mit der Verschiebung der Zahlung auf den Folgemonat seines Ausscheidens darum gegangen, die Abfindung bei einem Ausscheiden mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Jahr 2012 versteuern zu müssen. Aber selbst wenn von einer Fälligkeitsabrede auszugehen sein sollte, habe die Beklagte gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verstoßen. Sie habe die Zahlung nicht vorfällig vornehmen dürfen, da dadurch seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt worden seien. Ihm bzw. seiner Ehefrau sei durch die Auszahlung der Abfindung noch im Kalenderjahr 2011 der von ihm geltend gemachte Steuerschaden entstanden. Zur Ermittlung des Schadens habe er einen Steuerberater einschalten müssen. Dessen Kosten habe die Beklagte ggf. auch zu ersetzen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,72 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 571,20 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Vereinbarung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs handele es sich um eine Fälligkeitsabrede, nicht aber um die Abrede eines fixen Zahlungszeitpunkts. Sie hat behauptet, Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs sei auf ihren Wunsch hin aufgenommen worden, um der Gefahr des Verzugs entgegenzuwirken. Nach Ziff. 5 des Vergleichs sei der Kläger berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Hätte der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hätte sie die Abfindung aufgrund des Abrechnungsschlusses für diesen Monat nicht mehr berücksichtigen und demgemäß nicht fristgemäß auszahlen können. Soweit der vom Kläger geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau beruhe, fehle es schon an der Aktivlegitimation des Klägers.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen.

12

I. Es kann dahinstehen, ob der Kläger berechtigt war, von der Beklagten Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als der geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau - sei es im Rahmen einer gemeinsamen oder einer getrennten Veranlagung - beruht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz nach dem hier als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 280 Abs. 1 BGB hat, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Prozessvergleich vom 19. April 2011 nicht verletzt hatte, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte war berechtigt, die in Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarte Abfindung bereits im Dezember 2011 an den Kläger auszuzahlen.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Prozessvergleich vom 19. April 2011 bedürfe der Auslegung. Diese ergebe, dass die Parteien in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen und keinen fixen Auszahlungszeitpunkt vereinbart hätten. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lasse sich dem Wortlaut von Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs kein eindeutiges Ergebnis entnehmen. Die Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, der Äußerungen der Parteien hierzu sowie deren Interessenlage sprächen für eine bloße Fälligkeitsabrede und damit gegen die Vereinbarung eines festen Auszahlungstermins. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte nach § 271 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen, vor Fälligkeit zu leisten. § 271 Abs. 2 BGB sei anwendbar. Eine vorfällige Abfindungszahlung sei nicht gesetzlich ausgeschlossen. Ebenso liege keine dahingehende Parteibestimmung vor. Auch ein besonderes Interesse des Klägers an einer Leistung erst in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat sei nicht erkennbar.

14

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei diese Überprüfung, soweit das Landesarbeitsgericht den Prozessvergleich vom 19. April 2011 ausgelegt hat, ohnehin eingeschränkt ist. Der Prozessvergleich vom 19. April 2011 enthält atypische und damit individuelle Erklärungen der Parteien. Die Auslegung solcher Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 19. November 2015 - 6 AZR 844/14 - Rn. 32).

15

a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Prozessvergleich vom 19. April 2011 eine Leistungszeit bestimmt haben. Sie haben unter Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs vereinbart, dass die gesamte Abfindung mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausgezahlt wird.

16

b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass diese Vereinbarung nach der in § 271 Abs. 2 BGB getroffenen Auslegungsregel(vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10, BGHZ 170, 1) dahin auszulegen ist, dass zwar der Kläger die Abfindung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2011 verlangen, die Beklagte sie aber vorher bewirken konnte.

17

aa) Nach § 271 Abs. 2 BGB ist, sofern eine Leistungszeit bestimmt ist, im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. Diese Bestimmung ist vorliegend anwendbar, weil sich - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat - weder aus dem Gesetz noch aus einer Vereinbarung der Parteien noch aus den Umständen (vgl. BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10 mwN, BGHZ 170, 1) ergibt, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen.

18

bb) Da eine gesetzliche Bestimmung, die die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber vor deren Fälligkeit ausschließt, nicht existiert, hat das Landesarbeitsgericht zunächst zu Recht geprüft, ob die Parteien mit der in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs bestimmten Leistungszeit zugleich einen festen Zahlungstermin, mithin nicht nur die Fälligkeit, also den Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Abfindung verlangen konnte (zum Begriff der Fälligkeit vgl. etwa BAG 19. Februar 2014 - 5 AZR 700/12 - Rn. 22), sondern auch die Erfüllbarkeit der Forderung, mithin den Zeitpunkt, von dem ab die Beklagte leisten durfte (zum Begriff der Erfüllbarkeit vgl. etwa BGH 24. Juni 2002 - II ZR 256/01 - zu I 1 b der Gründe), vereinbart haben. Es ist nach Auslegung des Prozessvergleichs zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien keine Vereinbarung des Inhalts geschlossen haben, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor deren Fälligkeit zu zahlen. Diese Auslegung hält einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder Auslegungsregeln verletzt, noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen.

19

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegung des Prozessvergleichs zutreffend anhand der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vorgenommen, wonach Verträge - und damit auch Prozessvergleiche - so auszulegen sind, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21 mwN).

20

(2) In Anwendung dieser Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht zunächst vom Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs ausgegangen und hat angenommen, dass sich hieraus nicht eindeutig ergebe, ob die Zahlung der Abfindung „erst“ bzw. „frühestens“ oder „spätestens“ mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats erfolgen durfte. Diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs getroffene Vereinbarung schon deshalb nicht mit einer Abrede vergleichbar, nach der die Auszahlung eines Betrages zu einem bestimmten Termin zu erfolgen hat, weil sie sich nicht auf die Bestimmung eines Auszahlungstermins beschränkt, sondern an den regulären Gehaltslauf und damit an die monatliche Abrechnung anknüpft.

21

(3) Das Landesarbeitsgericht hat sodann geprüft, ob sich aus der Entstehungsgeschichte des Prozessvergleichs, den Äußerungen der Parteien hierzu sowie aus deren Interessenlage ergab, dass die Parteien - wie der Kläger meint - einen festen Auszahlungstermin, mithin auch die Erfüllbarkeit der Leistung durch die Beklagte vereinbart hatten und hat dies verneint.

22

Auch diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessenlage bzw. die (einseitigen) Vorstellungen einer Partei im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB überhaupt nur dann maßgeblich sein können, wenn sie für die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar waren(vgl. BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 27, 41 ff.; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 23; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 21; 24. September 2003 - 10 AZR 34/03 - zu II 1 b der Gründe) und dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, die Beklagte bei Vergleichsschluss auf sein Interesse hingewiesen zu haben, die Abfindung jedenfalls bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Steuerjahr 2012 zu erhalten. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer dieses Interesse des Klägers für die Beklagte sonst wie erkennbar gewesen wäre. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger nach Ziff. 5 des Vergleichs berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden, weshalb sich die in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs getroffene Vereinbarung auf das Jahr, in dem die Abfindung zu versteuern war, nur dann auswirken konnte, wenn der Kläger von der ihm nach Ziff. 5 des Prozessvergleichs eingeräumten Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses keinen Gebrauch machte. Dass er zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits entschlossen war, erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und dass die Beklagte von diesem Entschluss wusste, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

23

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers begegnet die Auslegung des Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht auch nicht deshalb revisionsrechtlichen Bedenken, weil das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es spreche alles für eine bloße Fälligkeitsvereinbarung und dies ua. damit begründet hat, es sei davon auszugehen, dass die Beklagte auf der Formulierung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs bestanden habe, um ein eigenes Verzugsrisiko auszuschließen. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang ein Bestreiten des Klägers übergangen haben sollte, kann der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Für die Anwendbarkeit der in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Auslegungsregel ist es nämlich nicht entscheidend, ob mehr oder weniger für die Annahme einer reinen Fälligkeitsabrede spricht. Vielmehr würde eine Anwendung von § 271 Abs. 2 BGB nur dann ausscheiden, wenn die Parteien im Prozessvergleich vereinbart hätten, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen. Eine solche Vereinbarung hat das Landesarbeitsgericht aber in zutreffender Anwendung der in §§ 133, 157 BGB bestimmten Auslegungsgrundsätze gerade nicht angenommen.

24

cc) Das Landesarbeitsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass sich auch aus den Umständen nicht ergab, dass § 271 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sein sollte.

25

(1) Ein Ausschluss von vorfälligen Leistungen ergibt sich aus den Umständen, wenn die Leistungszeit nicht nur im Interesse des Schuldners hinausgeschoben ist, sondern wenn auch der Gläubiger ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, die Leistung nicht vor Fälligkeit entgegennehmen zu müssen (vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 11, BGHZ 170, 1; 16. Juni 1993 - XII ZR 6/92 - zu 2 d der Gründe, BGHZ 123, 49). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, bestimmt sich insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses und der Verkehrssitte.

26

(2) Aus der Natur des Prozessvergleichs, mit dem die Parteien sich ua. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigt haben, ergibt sich kein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers, die Abfindung nicht bereits im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst im Folgemonat entgegennehmen zu müssen. Zwar hat die Abfindung nach Ziff. 6 Satz 1 des Prozessvergleichs die Funktion, einen gewissen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu schaffen. Hieraus folgt allerdings nur, dass zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zusammenhang bestand und die Abfindung deshalb mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig sein sollte (vgl. BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 240; 29. November 1983 - 1 AZR 523/82 - zu 2 der Gründe, BAGE 44, 260). Dass sie auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllbar war, ergibt sich hieraus aber nicht.

27

Es besteht auch keine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt wird. Welcher Zuflusszeitpunkt sich für den Arbeitnehmer aus steuerlichen Gründen als günstiger erweist, lässt sich nicht im Voraus für alle Fälle gleich beantworten, sondern hängt von individuellen Faktoren ab, ua. von dem (zu erwartenden) Einkommen des Arbeitnehmers in den jeweiligen Steuerjahren und kann deshalb erst im Nachhinein beurteilt werden.

28

(3) Damit verbleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer, der aus steuerlichen Gründen eine Abfindung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegennehmen möchte, dies mit dem Arbeitgeber verbindlich vereinbaren muss, was vorliegend nicht geschehen ist.

29

3. Auf die Frage, ob etwaigen Ansprüchen des Klägers die in Ziff. 9 des Prozessvergleichs vereinbarte Abgeltungs- bzw. Verfallklausel entgegensteht, und ob der Kläger die Ausschlussfrist in § 22 Nr. 2 MTV gewahrt hat, kommt es nach alledem nicht an.

30

4. Über den mit dem Antrag zu 2. vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Steuerberaterkosten war nicht zu befinden, weil der Antrag zu 2. nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt ist.

31

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Wankel    

                 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 28. Februar 2012 - 1 Ta 2/12 - aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamburg vom 30. Januar 2012 - 28 Ca 314/10 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Erzwingung einer in einem gerichtlich festgestellten Vergleich vereinbarten Handlung.

2

Im Ausgangsverfahren hatte der Kläger/Gläubiger (im Folgenden: Kläger) gegen die Beklagte/Schuldnerin (im Folgenden: Beklagte) ua. die Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 5. Oktober 2010 geltend gemacht. Zur Erledigung des Rechtsstreits schlossen die Parteien einen am 23. November 2010 gerichtlich festgestellten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 beendet wurde. Neben weiteren Regelungen enthält der Vergleich folgende Bestimmung:

        

„IX. Direktversicherung

        

Der Kläger ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung A abgeschlossene Direktversicherung mit der Versicherungsnummer mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Die Beklagte wird auf erstes Anfordern alle hierfür erforderlichen Erklärungen abgeben.“

3

Am 17. Dezember 2010 erteilte das Arbeitsgericht dem Kläger eine vollstreckbare Ausfertigung des von Amts wegen zugestellten Beschlusses vom 23. November 2010. Mit Schreiben vom 22. November 2011 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine von der Versicherungsgesellschaft A vorformulierte Erklärung abzugeben, die eine Auszahlung der Rückvergütung der Versicherung zum 1. Dezember 2011 vorsah. Dieser Aufforderung kam die Beklagte nicht nach.

4

Mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 hat der Kläger beim Arbeitsgericht sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld von 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, die Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise,

        

die Beklagte soll verpflichtet werden, das Formular Anlage AG 1 unter Korrektur des Datums auf den 31. Dezember 2011 ausgefüllt und unterschrieben zurückzureichen.

5

Die Beklagte hat beantragt, den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Zwangsvollstreckungsantrag sei nicht bestimmt genug und auch der dem Vollstreckungsantrag zugrunde liegende Vergleich sei nicht hinreichend bestimmt.

6

Das Arbeitsgericht hat den Zwangsgeldantrag des Klägers durch Beschluss vom 30. Januar 2012 zurückgewiesen. Mit am 10. Februar 2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Kläger gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und sinngemäß beantragt,

        

gegen die Beklagte ein angemessenes Zwangsgeld iHv. 1.000,00 Euro festzusetzen und der Beklagten nachzulassen, diese Vollstreckung durch Erfüllung der Nr. IX des Vergleichs vom 23. November 2010 abzuwenden,

        

hilfsweise

        

die Vollstreckung durch Abgabe folgender Erklärung abzuwenden:

        

„Herr E ist aus unserem Unternehmen mit dem 31.12.2011 ausgeschieden. Er ist berechtigt, die für ihn bei der Versicherung ‚A’ abgeschlossene Direktversicherung mit der VS-Nr. mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, die zum 31.12.2011 erfolgt ist, zu übernehmen. Wir geben hiermit alle dafür ggf. notwendigen Erklärungen ab und stimmen der Übernahme der Direktversicherung durch Herrn E zu.“

7

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 23. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

8

Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 28. Februar 2012 der sofortigen Beschwerde stattgegeben, gegen die Beklagte einen Zwangsgeldbeschluss „zur Durchsetzung ihrer Verpflichtung aus dem gerichtlich mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellten Vergleich, nämlich auf erstes Anfordern alle für die Übernahme der Direktversicherung bei der A mit der Versicherungsnummer durch den Kläger erforderlichen Erklärungen abzugeben“, erlassen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit Beschluss vom 7. März 2012 hat das Landesarbeitsgericht seinen Beschluss vom 28. Februar 2012 um eine Rechtsmittelbelehrung ergänzt und sowohl den Ausgangsbeschluss als auch den Ergänzungsbeschluss den Parteien zugestellt.

9

Mit der am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen und zugleich begründeten Rechtsbeschwerde erstrebt die Beklagte die Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses.

10

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Zwangsgeldbeschluss zu Unrecht erlassen. Dies führt zur Aufhebung des Zwangsgeldbeschlusses und zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.

11

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 28. Februar 2012 ist mit am 23. März 2012 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz angefochten und zugleich - und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO - begründet worden.

12

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Zwangsgeldbeschluss ist zu Unrecht ergangen. Zwar liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor. Der Vollstreckungstitel ist jedoch entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend bestimmt. Für eine hinreichende Bestimmtheit des Vergleichs ist es zwar ausreichend, dass der geschuldete Erfolg im Vollstreckungstitel festgeschrieben ist ohne die zur Herbeiführung des Erfolges erforderlichen Handlungen oder Erklärungen im Einzelnen zu bezeichnen. Der Vergleich vom 23. November 2010 legt den geschuldeten Erfolg jedoch nicht ausreichend bestimmt fest und weist deshalb keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Ob der Zwangsvollstreckungsantrag des Klägers nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist und ob das Landesarbeitsgericht bei seiner Beschlussfassung gegen § 308 ZPO verstoßen hat, kann deshalb dahinstehen. Ebenso unerheblich ist, ob die von der Rechtsbeschwerde gerügte entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ausreichend dargelegt ist und die Rechtsbeschwerdebegründung insoweit überhaupt den gesetzlichen Anforderungen nach § 575 Abs. 3 ZPO genügt.

13

a) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der mit Beschluss vom 23. November 2010 festgestellte Vergleich enthält einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Gläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).

14

b) Der Prozessvergleich vom 23. November 2010 ist für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die fehlende Bestimmtheit allerdings nicht daraus, dass die von der Beklagten abzugebenden Erklärungen im Vergleich nicht festgelegt sind. Insoweit ist es ausreichend, wenn der zu bewirkende Erfolg hinreichend bestimmt ist. Hieran fehlt es vorliegend. Dies ergibt eine Auslegung des durch Beschluss nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellten Prozessvergleichs.

15

aa) Der Vergleich vom 23. November 2010 ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 29. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).

16

Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7; 9. September 2011 - 3 AZB 35/11 - Rn. 14, EzA GewO § 109 Nr. 8).

17

bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 23. November 2010 keinen hinreichend bestimmten vollstreckbaren Inhalt. Zwar genügt es für die ausreichende Bestimmtheit, wenn nur der zu bewirkende Erfolg im Vergleich festgelegt ist und nicht die zu dessen Herbeiführung zu ergreifenden Mittel oder Erklärungen. Erforderlich ist jedoch, dass der geschuldete Erfolg im Vergleich bestimmt ist. Hieran fehlt es.

18

(1) Für die Vollstreckungsfähigkeit eines Vergleichs ist es ausreichend, wenn nicht die konkret abzugebenden Erklärungen oder vorzunehmenden Handlungen vereinbart sind, sondern der durch die Erklärungen oder Handlungen zu bewirkende Erfolg (vgl. OLG München 2. Juli 1987 - 28 W 1163/87 - zu II 1 der Gründe, MDR 1987, 945 = NJW-RR 1988, 22; BGH 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75 - zu III der Gründe, BGHZ 67, 252; Stein/Jonas/Brehm § 888 Rn. 2, § 887 Rn. 5). Es ist dann Sache des Schuldners, auf welche Weise er den von ihm geschuldeten Erfolg herbeiführt.

19

(2) Der von der Beklagten zu bewirkende Erfolg ist von den Parteien im Vergleich vom 23. November 2010 nicht hinreichend bestimmt vereinbart worden. Die Parteien sind in Nr. IX des Vergleichs übereingekommen, dass der Kläger berechtigt ist, die Direktversicherung mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu übernehmen. Damit haben die Parteien nicht festgelegt, welcher konkrete Erfolg geschuldet ist. Nach Nr. IX des Vergleichs sind zwei Möglichkeiten denkbar.

20

Zum einen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien sich mit dem Recht zur Übernahme der Direktversicherung auf die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG vorgesehene sog. versicherungsförmige Lösung verständigt haben. Dafür könnte die in Nr. IX Satz 2 des Vergleichs vereinbarte Wendung „auf erstes Anfordern“ sprechen. Der Kläger hätte bei diesem Verständnis des Vergleichs das Recht erlangt, von der Beklagten die Wahl der versicherungsförmigen Lösung nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG zu verlangen; die Beklagte hätte dann auf die entsprechende Aufforderung des Klägers die nach § 2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 BetrAVG erforderlichen Erklärungen abzugeben.

21

Zum anderen kann der Vergleich dahingehend verstanden werden, dass die Parteien die vollständige Übertragung der Versicherung auf den Kläger vereinbart haben und damit den Kläger umfassend in die Position des Versicherungsnehmers einrücken lassen wollten. Damit würde der Kläger Inhaber sämtlicher Rechte aus dem Versicherungsvertrag einschließlich des Rechts, die Versicherung zu kündigen und den Rückkaufswert in Anspruch zu nehmen. Für diese Auslegung könnte die vom Kläger im Zwangsvollstreckungsverfahren vorgelegte Formularerklärung des Versicherungsunternehmens sprechen, die eine Beendigung der Versicherung unter Auszahlung der Rückvergütung an den Kläger zum Gegenstand hat. Ob dies rechtlich zulässig wäre oder ein solches Vorgehen möglicherweise gegen das Abfindungsverbot aus § 3 BetrAVG verstößt, ist für die Frage, ob der Vergleich dem Bestimmtheitserfordernis genügt, unerheblich.

22

Da der Vergleich beide Auslegungsmöglichkeiten zulässt und für jede der beiden Auslegungen Argumente angezogen werden können, ohne zu einer eindeutig vorzugswürdigen Auslegung zu kommen, fehlt es an der Festlegung eines bestimmten Erfolges im Vergleich und diesem damit die Vollstreckungsfähigkeit.

23

III. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der Rechtsbeschwerde gemäß § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Gräfl    

        

    Schlewing    

        

    Spinner    

        

        

        

        

        

        

        

        

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. September 2014 - 6 Sa 230/14 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist.

2

Der Kläger war aufgrund Arbeitsvertrages vom 15. Februar 2001 bei der Beklagten, einem milchverarbeitenden Unternehmen, bzw. bei deren Rechtsvorgängerin seit dem 12. März 2001 als Sachbearbeiter Marketing beschäftigt. Unter Ziff. 11 des Arbeitsvertrages heißt es:

        

„Alle weiteren hier nicht geregelten Fragen richten sich nach dem Tarifvertrag für das Molkerei- und Käsereigewerbe in Bayern und den gesetzlichen Bestimmungen.“

3

Der „M a n t e l t a r i f v e r t r a g vom 15. 11. 1999 für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Milchindustrie, für das Molkerei- und Käsereigewerbe sowie für die Arbeitnehmer in den Betrieben der Schmelzkäseindustrie in Bayern - gültig ab 1. 1. 2000 -“ (im Folgenden MTV) sieht in § 22 Nr. 2 für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis - mit Ausnahme solcher wegen unrichtiger Eingruppierung - eine Ausschlussfrist von drei Monaten nach Fälligkeit vor.

4

Mit Schreiben vom 10. März 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 30. Juni 2011 und stellte den Kläger mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung frei. Der Kläger hat gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage erhoben und im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens seine Weiterbeschäftigung verlangt. Am 19. April 2011 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zur Beendigung dieses Verfahrens sowie des Kündigungsschutzverfahrens einen Vergleich mit folgendem Inhalt:

        

„1.     

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung vom 10.03.2011 mit Ablauf des 31.12.2011 sein Ende finden.

        

…       

        
        

3.    

Der Kläger wird bis zum Beendigungstermin unter Fortzahlung der regelmäßigen Vergütung in Höhe von 3.608,50 € von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Im Rahmen der Freistellung werden Zeitguthaben des Klägers angerechnet. Der Urlaub wurde dem Kläger in natura gewährt.

        

4.    

Während der Freistellung wird das Arbeitsverhältnis des Klägers ordnungsgemäß unter Zugrundelegung einer monatlichen Vergütung von 3.608,50 € abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettobetrag an den Kläger monatlich ausbezahlt.

        

5.    

Der Kläger ist berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Eine vorzeitige Beendigung entspricht ausdrücklich dem Interesse und dem Wunsch des Arbeitgebers.

        

6.    

Die Beklagte zahlt an den Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von 47.500,-- € (i.W.: siebenundvierzigtausendfünfhundert EURO) brutto.

                 

Die Abfindung erhöht sich für jeden vollen Monat des vorzeitigen Ausscheidens gemäß voranstehender Ziffer um 3.608,50 € brutto. Anteilige Monate werden anteilig berechnet.

        

7.    

Die Abfindung in Höhe von 47.500,-- € brutto ist sofort entstanden und vererblich. Die gesamte Abfindung wird mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt.

        

…       

        
        

9.    

Mit Erfüllung dieses Vergleiches sind alle zwischen den Parteien bestehenden finanziellen Ansprüche, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich ob gegenwärtig oder zukünftig, gleich aus welchem Rechtsgrund, endgültig abgegolten und erledigt.

        

…       

        
        

12.     

Der Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Parteien durch schriftliche Erklärung widerrufen wird, die bis spätestens 21.04.2011 beim Arbeitsgericht Rosenheim in Rosenheim eingegangen sein muss.“

5

Der Vergleich wurde in der Folgezeit nicht widerrufen. Der Kläger machte von der Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung nach Ziff. 5 des Vergleichs keinen Gebrauch und schied zum 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten aus. Die Beklagte rechnete die vereinbarte Abfindung iHv. 47.500,00 Euro brutto zusammen mit dem Entgelt für den Monat Dezember 2011 ab und überwies den sich ergebenden Nettobetrag auf das Konto des Klägers, dem es am 30. Dezember 2011 gutgeschrieben wurde.

6

Mit Schreiben vom 27. März 2013 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ersatz eines Steuerschadens iHv. insgesamt 4.655,72 Euro geltend. Mit seiner Klage verfolgt er dieses Begehren weiter. Zudem verlangt er von der Beklagten die Erstattung von Steuerberaterkosten iHv. 571,20 Euro.

7

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, da sie ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verletzt habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Abfindung bereits im Dezember 2011 auszuzahlen. Nach Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs habe die Zahlung vielmehr erst mit dem Gehaltslauf des auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monats, dh. erst im Januar 2012 erfolgen dürfen. Die Parteien hätten in dem Vergleich einen festen Auszahlungstermin vereinbart und keine Fälligkeitsabrede getroffen. Insoweit sei bereits der Wortlaut des Vergleichs eindeutig. Im Übrigen sei es ihm mit der Verschiebung der Zahlung auf den Folgemonat seines Ausscheidens darum gegangen, die Abfindung bei einem Ausscheiden mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Jahr 2012 versteuern zu müssen. Aber selbst wenn von einer Fälligkeitsabrede auszugehen sein sollte, habe die Beklagte gegen ihre Verpflichtungen aus dem Vergleich verstoßen. Sie habe die Zahlung nicht vorfällig vornehmen dürfen, da dadurch seine rechtlich geschützten Interessen beeinträchtigt worden seien. Ihm bzw. seiner Ehefrau sei durch die Auszahlung der Abfindung noch im Kalenderjahr 2011 der von ihm geltend gemachte Steuerschaden entstanden. Zur Ermittlung des Schadens habe er einen Steuerberater einschalten müssen. Dessen Kosten habe die Beklagte ggf. auch zu ersetzen.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.655,72 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1.,

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 571,20 Euro nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

9

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Ansicht vertreten, bei der Vereinbarung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs handele es sich um eine Fälligkeitsabrede, nicht aber um die Abrede eines fixen Zahlungszeitpunkts. Sie hat behauptet, Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs sei auf ihren Wunsch hin aufgenommen worden, um der Gefahr des Verzugs entgegenzuwirken. Nach Ziff. 5 des Vergleichs sei der Kläger berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden. Hätte der Kläger von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, hätte sie die Abfindung aufgrund des Abrechnungsschlusses für diesen Monat nicht mehr berücksichtigen und demgemäß nicht fristgemäß auszahlen können. Soweit der vom Kläger geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau beruhe, fehle es schon an der Aktivlegitimation des Klägers.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht zurückgewiesen.

12

I. Es kann dahinstehen, ob der Kläger berechtigt war, von der Beklagten Schadensersatz auch insoweit zu fordern, als der geltend gemachte Schaden auf der steuerlichen Behandlung des Einkommens seiner Ehefrau - sei es im Rahmen einer gemeinsamen oder einer getrennten Veranlagung - beruht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass der Kläger schon deshalb keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz nach dem hier als Anspruchsgrundlage ausschließlich in Betracht kommenden § 280 Abs. 1 BGB hat, weil die Beklagte ihre Pflichten aus dem Prozessvergleich vom 19. April 2011 nicht verletzt hatte, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die Beklagte war berechtigt, die in Ziff. 6 des Vergleichs vereinbarte Abfindung bereits im Dezember 2011 an den Kläger auszuzahlen.

13

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Prozessvergleich vom 19. April 2011 bedürfe der Auslegung. Diese ergebe, dass die Parteien in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs lediglich eine Fälligkeitsabrede getroffen und keinen fixen Auszahlungszeitpunkt vereinbart hätten. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lasse sich dem Wortlaut von Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs kein eindeutiges Ergebnis entnehmen. Die Auslegung der Vereinbarung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte, der Äußerungen der Parteien hierzu sowie deren Interessenlage sprächen für eine bloße Fälligkeitsabrede und damit gegen die Vereinbarung eines festen Auszahlungstermins. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte nach § 271 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen, vor Fälligkeit zu leisten. § 271 Abs. 2 BGB sei anwendbar. Eine vorfällige Abfindungszahlung sei nicht gesetzlich ausgeschlossen. Ebenso liege keine dahingehende Parteibestimmung vor. Auch ein besonderes Interesse des Klägers an einer Leistung erst in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Monat sei nicht erkennbar.

14

2. Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei diese Überprüfung, soweit das Landesarbeitsgericht den Prozessvergleich vom 19. April 2011 ausgelegt hat, ohnehin eingeschränkt ist. Der Prozessvergleich vom 19. April 2011 enthält atypische und damit individuelle Erklärungen der Parteien. Die Auslegung solcher Willenserklärungen kann der Senat als Revisionsgericht nur daraufhin überprüfen, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl. etwa BAG 23. Februar 2016 - 3 AZR 44/14 - Rn. 29; 19. November 2015 - 6 AZR 844/14 - Rn. 32).

15

a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Parteien im Prozessvergleich vom 19. April 2011 eine Leistungszeit bestimmt haben. Sie haben unter Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs vereinbart, dass die gesamte Abfindung mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausgezahlt wird.

16

b) Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, dass diese Vereinbarung nach der in § 271 Abs. 2 BGB getroffenen Auslegungsregel(vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10, BGHZ 170, 1) dahin auszulegen ist, dass zwar der Kläger die Abfindung nicht vor Ablauf des 31. Dezember 2011 verlangen, die Beklagte sie aber vorher bewirken konnte.

17

aa) Nach § 271 Abs. 2 BGB ist, sofern eine Leistungszeit bestimmt ist, im Zweifel anzunehmen, dass der Gläubiger die Leistung nicht vor dieser Zeit verlangen, der Schuldner sie aber vorher bewirken kann. Diese Bestimmung ist vorliegend anwendbar, weil sich - wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat - weder aus dem Gesetz noch aus einer Vereinbarung der Parteien noch aus den Umständen (vgl. BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 10 mwN, BGHZ 170, 1) ergibt, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen.

18

bb) Da eine gesetzliche Bestimmung, die die Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber vor deren Fälligkeit ausschließt, nicht existiert, hat das Landesarbeitsgericht zunächst zu Recht geprüft, ob die Parteien mit der in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs bestimmten Leistungszeit zugleich einen festen Zahlungstermin, mithin nicht nur die Fälligkeit, also den Zeitpunkt, zu dem der Kläger die Abfindung verlangen konnte (zum Begriff der Fälligkeit vgl. etwa BAG 19. Februar 2014 - 5 AZR 700/12 - Rn. 22), sondern auch die Erfüllbarkeit der Forderung, mithin den Zeitpunkt, von dem ab die Beklagte leisten durfte (zum Begriff der Erfüllbarkeit vgl. etwa BGH 24. Juni 2002 - II ZR 256/01 - zu I 1 b der Gründe), vereinbart haben. Es ist nach Auslegung des Prozessvergleichs zu dem Ergebnis gelangt, dass die Parteien keine Vereinbarung des Inhalts geschlossen haben, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor deren Fälligkeit zu zahlen. Diese Auslegung hält einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Kontrolle stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder Auslegungsregeln verletzt, noch gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen.

19

(1) Das Landesarbeitsgericht hat die Auslegung des Prozessvergleichs zutreffend anhand der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB vorgenommen, wonach Verträge - und damit auch Prozessvergleiche - so auszulegen sind, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21 mwN).

20

(2) In Anwendung dieser Auslegungsregeln ist das Landesarbeitsgericht zunächst vom Wortlaut der Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs ausgegangen und hat angenommen, dass sich hieraus nicht eindeutig ergebe, ob die Zahlung der Abfindung „erst“ bzw. „frühestens“ oder „spätestens“ mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats erfolgen durfte. Diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist die in Ziff. 7 Satz 2 des Prozessvergleichs getroffene Vereinbarung schon deshalb nicht mit einer Abrede vergleichbar, nach der die Auszahlung eines Betrages zu einem bestimmten Termin zu erfolgen hat, weil sie sich nicht auf die Bestimmung eines Auszahlungstermins beschränkt, sondern an den regulären Gehaltslauf und damit an die monatliche Abrechnung anknüpft.

21

(3) Das Landesarbeitsgericht hat sodann geprüft, ob sich aus der Entstehungsgeschichte des Prozessvergleichs, den Äußerungen der Parteien hierzu sowie aus deren Interessenlage ergab, dass die Parteien - wie der Kläger meint - einen festen Auszahlungstermin, mithin auch die Erfüllbarkeit der Leistung durch die Beklagte vereinbart hatten und hat dies verneint.

22

Auch diese Annahme begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Interessenlage bzw. die (einseitigen) Vorstellungen einer Partei im Rahmen der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB überhaupt nur dann maßgeblich sein können, wenn sie für die andere Vertragspartei bei Vertragsschluss erkennbar waren(vgl. BAG 8. April 2014 - 9 AZR 856/11 - Rn. 27, 41 ff.; 21. September 2011 - 7 AZR 150/10 - Rn. 23; 17. Juli 2007 - 9 AZR 819/06 - Rn. 21; 24. September 2003 - 10 AZR 34/03 - zu II 1 b der Gründe) und dass diese Voraussetzungen nicht vorlagen. Der Kläger hatte nicht vorgetragen, die Beklagte bei Vergleichsschluss auf sein Interesse hingewiesen zu haben, die Abfindung jedenfalls bei einem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2011 erst im Steuerjahr 2012 zu erhalten. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, aufgrund derer dieses Interesse des Klägers für die Beklagte sonst wie erkennbar gewesen wäre. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, war der Kläger nach Ziff. 5 des Vergleichs berechtigt, das Anstellungsverhältnis vor Ablauf des in Ziff. 1 des Vergleichs auf den 31. Dezember 2011 bestimmten Beendigungstermins mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen vorzeitig zu beenden, weshalb sich die in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs getroffene Vereinbarung auf das Jahr, in dem die Abfindung zu versteuern war, nur dann auswirken konnte, wenn der Kläger von der ihm nach Ziff. 5 des Prozessvergleichs eingeräumten Möglichkeit der vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses keinen Gebrauch machte. Dass er zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bereits entschlossen war, erst mit Ablauf des 31. Dezember 2011 aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden und dass die Beklagte von diesem Entschluss wusste, hat der Kläger nicht geltend gemacht.

23

Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers begegnet die Auslegung des Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht auch nicht deshalb revisionsrechtlichen Bedenken, weil das Landesarbeitsgericht angenommen hat, es spreche alles für eine bloße Fälligkeitsvereinbarung und dies ua. damit begründet hat, es sei davon auszugehen, dass die Beklagte auf der Formulierung in Ziff. 7 Satz 2 des Vergleichs bestanden habe, um ein eigenes Verzugsrisiko auszuschließen. Selbst wenn das Landesarbeitsgericht in diesem Zusammenhang ein Bestreiten des Klägers übergangen haben sollte, kann der Kläger hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten. Für die Anwendbarkeit der in § 271 Abs. 2 BGB bestimmten Auslegungsregel ist es nämlich nicht entscheidend, ob mehr oder weniger für die Annahme einer reinen Fälligkeitsabrede spricht. Vielmehr würde eine Anwendung von § 271 Abs. 2 BGB nur dann ausscheiden, wenn die Parteien im Prozessvergleich vereinbart hätten, dass die Beklagte nicht berechtigt sein sollte, die Abfindung vor Fälligkeit zu zahlen. Eine solche Vereinbarung hat das Landesarbeitsgericht aber in zutreffender Anwendung der in §§ 133, 157 BGB bestimmten Auslegungsgrundsätze gerade nicht angenommen.

24

cc) Das Landesarbeitsgericht hat schließlich auch zu Recht angenommen, dass sich auch aus den Umständen nicht ergab, dass § 271 Abs. 2 BGB nicht anwendbar sein sollte.

25

(1) Ein Ausschluss von vorfälligen Leistungen ergibt sich aus den Umständen, wenn die Leistungszeit nicht nur im Interesse des Schuldners hinausgeschoben ist, sondern wenn auch der Gläubiger ein rechtlich geschütztes Interesse daran hat, die Leistung nicht vor Fälligkeit entgegennehmen zu müssen (vgl. etwa BGH 25. Oktober 2006 - VIII ZR 23/06 - Rn. 11, BGHZ 170, 1; 16. Juni 1993 - XII ZR 6/92 - zu 2 d der Gründe, BGHZ 123, 49). Ob diese Voraussetzung gegeben ist, bestimmt sich insbesondere nach der Natur des Schuldverhältnisses und der Verkehrssitte.

26

(2) Aus der Natur des Prozessvergleichs, mit dem die Parteien sich ua. auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung verständigt haben, ergibt sich kein rechtlich geschütztes Interesse des Klägers, die Abfindung nicht bereits im Monat der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern erst im Folgemonat entgegennehmen zu müssen. Zwar hat die Abfindung nach Ziff. 6 Satz 1 des Prozessvergleichs die Funktion, einen gewissen Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu schaffen. Hieraus folgt allerdings nur, dass zwischen der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Zusammenhang bestand und die Abfindung deshalb mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig sein sollte (vgl. BAG 15. Juli 2004 - 2 AZR 630/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 240; 29. November 1983 - 1 AZR 523/82 - zu 2 der Gründe, BAGE 44, 260). Dass sie auch erst zu diesem Zeitpunkt erfüllbar war, ergibt sich hieraus aber nicht.

27

Es besteht auch keine Verkehrssitte, wonach eine Abfindung im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ende eines Jahres aus steuerlichen Gründen stets erst im Folgejahr gezahlt wird. Welcher Zuflusszeitpunkt sich für den Arbeitnehmer aus steuerlichen Gründen als günstiger erweist, lässt sich nicht im Voraus für alle Fälle gleich beantworten, sondern hängt von individuellen Faktoren ab, ua. von dem (zu erwartenden) Einkommen des Arbeitnehmers in den jeweiligen Steuerjahren und kann deshalb erst im Nachhinein beurteilt werden.

28

(3) Damit verbleibt es dabei, dass ein Arbeitnehmer, der aus steuerlichen Gründen eine Abfindung erst zu einem bestimmten Zeitpunkt entgegennehmen möchte, dies mit dem Arbeitgeber verbindlich vereinbaren muss, was vorliegend nicht geschehen ist.

29

3. Auf die Frage, ob etwaigen Ansprüchen des Klägers die in Ziff. 9 des Prozessvergleichs vereinbarte Abgeltungs- bzw. Verfallklausel entgegensteht, und ob der Kläger die Ausschlussfrist in § 22 Nr. 2 MTV gewahrt hat, kommt es nach alledem nicht an.

30

4. Über den mit dem Antrag zu 2. vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der Steuerberaterkosten war nicht zu befinden, weil der Antrag zu 2. nur für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. gestellt ist.

31

II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Vogelsang    

        

        

        

    Bloesinger    

        

    Wankel    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.