Sterbehilfe

Sterbehilfe

erstmalig veröffentlicht: 11.03.2022, letzte Fassung: 19.10.2022
Zusammenfassung des Autors

Das Thema Sterbehilfe wird ähnlich kontrovers diskutiert wie die Thematik der Abtreibung oder der Todesstrafe. Es handelt sich um ein ethisch und juristisch umstrittenes Thema, das zum Nachdenken anregt und die Gesellschaft oft spaltet, also um ein sehr sensibles Thema. Junge, gesunde Menschen wollen sich oftmals keine Gedanken über den Tod machen. Sie sind mit ihrer Karriere, ihren Partner, ihren Freunden oder alltäglichen Dingen wie Sport beschäftigt. Daran ist im Grunde Nichts auszusetzen. Jeder Mensch - egal ob jung oder alt - sollte sein Leben in vollen Zügen genießen dürfen. Dazu gehört insbesondere auch eigenständig und selbstbestimmt  Entscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf das "heutige Dasein" beschränken, sondern vielmehr Auswirkungen auf die Zukunft haben. Das würde die breite Masse wohl jederzeit unterschreiben: Längst sind die Zeiten vorbei, in denen andere einem vorschreiben konnten, was man tun oder lassen sollte. Das gilt zumindest in Hinblick auf höchst persönliche Entscheidungen wie die Wahl des Berufes, des Lebenspartners oder der Hobbies. Entscheidungen, die insbesondere die Sphäre anderer Personen nicht unangemessen tangieren und die das Gesetz erlaubt.

Aber was ist mit Entscheidungen, die das eigene Leben und Dasein auf unseren Planeten betreffen? Die Rede ist vom Tod - vielmehr von einem selbstbestimmten Tod. Im Februar des Jahres 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht: Jeder Mensch hat ein Recht darauf, selbstbestimmt zu sterben. Aber was bedeutet das? Klar, der Suizid war und ist in Deutschland schon immer strafffrei gewesen.  Das ergibt auch Sinn. Wie soll man jemanden bestrafen, der schon Tod ist? Aber auch der Suizidversuch wird als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts nicht unter Strafe gestellt. Wenn das höchste Gericht nun entschieden hat, dass jeder selbstbestimmt sterben darf -  der Suizid jedoch ohnehin keinen Straftatbestand darstellt. Was hat das Gericht dann gemeint, als es von einem "selbstbestimmten Sterben" gesprochen hat?

Nun, auch wenn der Großteil der in Deutschand lebenden Menschen sich guter physicher und psychischer Gesundheit erfreuen darf, leben mehr als 7,9 Millionen Menschen mit sogenannten "Schwerbehinderungen", die sich größtenteils - aber nicht ausschließlich - körperlich auswirken. Hinzu kommen ältere Menschen und Menschen mit seelischen und körperlichen Erkrankungen. Während das Älterwerden von der Mehrheit  als natürlicher und hinzunehmender Zustand angesehen wird, trifft eine schwere körperliche oder seelische Erkrankungen jeden Menschen, egal welchen Alters, hart. Besonders tückisch sind Krebserkrankungen, Krankheiten des Atmungssystems und Herz-Kreislauferkrankungen, denen allein im Jahr 2020 mehr als 61.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und die zu den häufigsten Todesursachen der Krankheitsarten zählen.

Betroffene all dieser körperlichen und seelischen Krankheiten und Beeinträchtigungen, aber auch ältere schwache Personen und nicht zuletzt auch gesunde Menschen, könnten im Laufe ihres Lebens den Wunsch äußern, sterben zu wollen. Da es Menschen mit einem Handicap, aufgrund ihres körperlichen Zustandes - unabhängig davon ob die Beeintrchtigung seit der Geburt besteht oder erst aufgrund einer  später auftretenden Krankheit oder Ereignisses aufgetreten ist  - oftmals nicht möglich ist, die Selbsttötung selbst vorzunehmen - die aktive Sterbehilfe jedoch verboten ist, wird seit Jahren darüber diskutiert, diesen Menschen, mithife von Gesetzen ein selbstbestimmtes Sterben zu ermöglichen.

In Hinblick auf die "passive" und "indirekte" Sterbehilfe scheint das weitgehend gelungen zu sein. Während Passive Sterbehilfe den Verzicht auf lebensveerlängernde Maßnahmen und Behandlungen meint, spricht man von indirekter Sterbehilfe, wenn den Patienten Medikamente verabreicht werden, die zwar nicht direkt tödlich sind, jedoch als Nebenfolge einen frühzeitigen Tod herbeiführen können. Beide Formen der Sterbehilfe werden nicht strafrechtlich geahndet, sofern eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt.

In Hinblick auf den Assistierenden Suizid scheint weiterhin Handlungsbedarf zu bestehen. Wenn die Tötung auf Verlangen weiterhin unter Strafe steht, bleibt sterbewilligen Personen nur die Möglichkeit den Suizid selbst zu begehen. Hierzu benötigen sie aber ein Tötungsmittel, also ein entsprechendes Medikament, welches zum Tod führt und das die Betroffenen, oftmals nicht selbst besorgen können. In der Vergangenheit war das Bereitstellen eines solchen Medikametes nur für private Personen straffrei. In der Praxis scheiterte dieses Vorhaben jedoch unweigerlich, da private Personen sich oftmals, nur auf illegalem Wege Zugriff, zu solchen Medikamenten verschaffen konnten.

Die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe, war hingegen in § 217 StGB normiert und wurde mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Geschäftsmäßig meint dabei "auf Wiederholung angelegt". Die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen war also in Deutschland verboten. Das änderte sich erst mit der oben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020. Dieses erklärte den § 217 StGB für verfassungswidrig und deshalb für nichtig. Das Recht  auf selbstbestimmtes Sterben werde von den allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgeleitet und umfasse sowohl die  die Entscheidung über den Zeitpunkt als auch die Art des Todeseintritts. Suizidwillige Personen haben ein Recht darauf, Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, ohne, dass diese sich strafbar, so das Bundesverfassungsgericht. Dieses führt weiter aus - und sorgt für Diskussionsstoff -, dass insbesondere keine schwere Krankheit als Motiv vorliegen müsse. Das bedeutet: Alle Menschen - auch junge und körperlich vollkommen gesunde Menschen - haben ein Recht darauf, zu entscheiden, wie und vor allem auch wann sie diese Welt verlassen wollen.Für viele sterbewillige Personen war die Entscheidung des Gerichts eine Erleichterung, denn § 217 StGB machte es für Helfende, aufgrund der Strafandrohung fast unmöglich, Suizidhilfe zu leisten.

Dass trotz der Entscheidung des höchsten Gerichts weiterhin Handlungsbedarf besteht, erkannte man schnell. Anfang des Jahres 2021 legte eine Abgeordnetengruppe aus FDP, SPD und den Linken einen Entwurf vor, der die Zugänglichmachung von Medikamenten zum Zwecke des Suizids vorsah. Zeitgleich stellten auch die Grünen-Abgeordneten ihren Entwurf vor.

Dennoch hat sich in der Gesetzgebung bisher wenig getan. Weiterhin ist der Zugang zu tödlichen Medikamenten erschwert. Erst letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht erneut eine die Sterbehilfe betreffende Verfassungsbeschwerde eines Ehepaares nicht zur Entscheidung angenommen. Die Eheleute versuchten  auf diese Weise sich gegen die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wehren, das sich weigerte, ihnen ein tödliches Medikament "auf Vorrat" zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt besteht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 weiterhin dringender Handlungsbedarf, insbesondere hinsichtlich eines klaren Regelungsrahmens für Sterbehilfevereine. Nun hat eine funktionsübergreifende Abgeordnetengrupe des Bundestages, im Januar 2021 zum wiederholten Mal einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Regelungen für Sterbehilfe erneuern soll. Dieser sieht unter anderem vor, die geschäftmäßige Förderung der Sterbehilfe wieder unter Strafe zu stellen und nur unter strengen Voraussetzungen strafffrei zu belassen. Der Gesetztesentwurf sieht weiterhin vor, suizidwillige Menschen zu mindestens zwei psychiatrischen Untersuchungen im Abstand von mindestens drei Monaten sowie zu weiteren Untersuchungen und Wartezeiten zu verpflichten. Der Entwurf wird derzeit stark kritisiert. Neben diesen Abgeordnetenentwurf haben der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie Renate Künast und Katja Keul ebenfalls zwei Gesetzesvorschläge eingebracht. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass wohl noch einige Zeit vergehen bis ein Sterbehilfegesetz verabschiedet wird. Bis dahin ist es wichtig Aufklärung zu leisten und suizidwillige Menschen zu unterstützen. Das gilt nicht nur in Bezug auf eine ausführliche Beratung und diverse Hilfsangebote, sondern vor allem in Hinblick auf das Recht jedes Menschen auf ein selbstbestimmtes Sterben, das insbesondere von vielen unheilbar kranken Menschen als einzige Option angesehen wird. 

Lesen Sie die folgenden Artikel und erfahren Sie mehr über das Thema Sterbehilfe, insbesondere über die aktuelle Gesetzeslage und Urteile sowie die Bemühungen nach einem Sterbehilfegesetz und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.

 

 

 

 

 

Das Thema Sterbehilfe wird ähnlich kontrovers diskutiert wie die Thematik der Abtreibung oder der Todesstrafe. Es handelt sich um ein ethisch und juristisch umstrittenes Thema, das zum Nachdenken anregt und die Gesellschaft oft spaltet, also um ein sehr sensibles Thema. Junge, gesunde Menschen wollen sich oftmals keine Gedanken über den Tod machen. Sie sind mit ihrer Karriere, ihren Partner, ihren Freunden oder alltäglichen Dingen wie Sport beschäftigt. Daran ist im Grunde Nichts auszusetzen. Jeder Mensch - egal ob jung oder alt - sollte sein Leben in vollen Zügen genießen dürfen. Dazu gehört insbesondere auch eigenständig und selbstbestimmt  Entscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf das "heutige Dasein" beschränken, sondern vielmehr Auswirkungen auf die Zukunft haben. Das würde die breite Masse wohl jederzeit unterschreiben: Längst sind die Zeiten vorbei, in denen andere einem vorschreiben konnten, was man tun oder lassen sollte. Das gilt zumindest in Hinblick auf höchst persönliche Entscheidungen wie die Wahl des Berufes, des Lebenspartners oder der Hobbies. Entscheidungen, die insbesondere die Sphäre anderer Personen nicht unangemessen tangieren und die das Gesetz erlaubt.

Aber was ist mit Entscheidungen, die das eigene Leben und Dasein auf unseren Planeten betreffen? Die Rede ist vom Tod - vielmehr von einem selbstbestimmten Tod. Im Februar des Jahres 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht: Jeder Mensch hat ein Recht darauf, selbstbestimmt zu sterben. Aber was bedeutet das? Klar, der Suizid war und ist in Deutschland schon immer strafffrei gewesen.  Das ergibt auch Sinn. Wie soll man jemanden bestrafen, der schon Tod ist? Aber auch der Suizidversuch wird als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts nicht unter Strafe gestellt. Wenn das höchste Gericht nun entschieden hat, dass jeder selbstbestimmt sterben darf -  der Suizid jedoch ohnehin keinen Straftatbestand darstellt. Was hat das Gericht dann gemeint, als es von einem "selbstbestimmten Sterben" gesprochen hat?

Nun, auch wenn der Großteil der in Deutschand lebenden Menschen sich guter physicher und psychischer Gesundheit erfreuen darf, leben mehr als 7,9 Millionen Menschen mit sogenannten "Schwerbehinderungen", die sich größtenteils - aber nicht ausschließlich - körperlich auswirken. Hinzu kommen ältere Menschen und Menschen mit seelischen und körperlichen Erkrankungen. Während das Älterwerden von der Mehrheit  als natürlicher und hinzunehmender Zustand angesehen wird, trifft eine schwere körperliche oder seelische Erkrankungen jeden Menschen, egal welchen Alters, hart. Besonders tückisch sind Krebserkrankungen, Krankheiten des Atmungssystems und Herz-Kreislauferkrankungen, denen allein im Jahr 2020 mehr als 61.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und die zu den häufigsten Todesursachen der Krankheitsarten zählen.

Betroffene all dieser körperlichen und seelischen Krankheiten und Beeinträchtigungen, aber auch ältere schwache Personen und nicht zuletzt auch gesunde Menschen, könnten im Laufe ihres Lebens den Wunsch äußern, sterben zu wollen. Da es Menschen mit einem Handicap, aufgrund ihres körperlichen Zustandes - unabhängig davon ob die Beeintrchtigung seit der Geburt besteht oder erst aufgrund einer  später auftretenden Krankheit oder Ereignisses aufgetreten ist  - oftmals nicht möglich ist, die Selbsttötung selbst vorzunehmen - die aktive Sterbehilfe jedoch verboten ist, wird seit Jahren darüber diskutiert, diesen Menschen, mithife von Gesetzen ein selbstbestimmtes Sterben zu ermöglichen.

In Hinblick auf die "passive" und "indirekte" Sterbehilfe scheint das weitgehend gelungen zu sein. Während Passive Sterbehilfe den Verzicht auf lebensveerlängernde Maßnahmen und Behandlungen meint, spricht man von indirekter Sterbehilfe, wenn den Patienten Medikamente verabreicht werden, die zwar nicht direkt tödlich sind, jedoch als Nebenfolge einen frühzeitigen Tod herbeiführen können. Beide Formen der Sterbehilfe werden nicht strafrechtlich geahndet, sofern eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt.

In Hinblick auf den Assistierenden Suizid scheint weiterhin Handlungsbedarf zu bestehen. Wenn die Tötung auf Verlangen weiterhin unter Strafe steht, bleibt sterbewilligen Personen nur die Möglichkeit den Suizid selbst zu begehen. Hierzu benötigen sie aber ein Tötungsmittel, also ein entsprechendes Medikament, welches zum Tod führt und das die Betroffenen, oftmals nicht selbst besorgen können. In der Vergangenheit war das Bereitstellen eines solchen Medikametes nur für private Personen straffrei. In der Praxis scheiterte dieses Vorhaben jedoch unweigerlich, da private Personen sich oftmals, nur auf illegalem Wege Zugriff, zu solchen Medikamenten verschaffen konnten.

Die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe, war hingegen in § 217 StGB normiert und wurde mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Geschäftsmäßig meint dabei "auf Wiederholung angelegt". Die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen war also in Deutschland verboten. Das änderte sich erst mit der oben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020. Dieses erklärte den § 217 StGB für verfassungswidrig und deshalb für nichtig. Das Recht  auf selbstbestimmtes Sterben werde von den allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgeleitet und umfasse sowohl die  die Entscheidung über den Zeitpunkt als auch die Art des Todeseintritts. Suizidwillige Personen haben ein Recht darauf, Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, ohne, dass diese sich strafbar, so das Bundesverfassungsgericht. Dieses führt weiter aus - und sorgt für Diskussionsstoff -, dass insbesondere keine schwere Krankheit als Motiv vorliegen müsse. Das bedeutet: Alle Menschen - auch junge und körperlich vollkommen gesunde Menschen - haben ein Recht darauf, zu entscheiden, wie und vor allem auch wann sie diese Welt verlassen wollen.Für viele sterbewillige Personen war die Entscheidung des Gerichts eine Erleichterung, denn § 217 StGB machte es für Helfende, aufgrund der Strafandrohung fast unmöglich, Suizidhilfe zu leisten.

Dass trotz der Entscheidung des höchsten Gerichts weiterhin Handlungsbedarf besteht, erkannte man schnell. Anfang des Jahres 2021 legte eine Abgeordnetengruppe aus FDP, SPD und den Linken einen Entwurf vor, der die Zugänglichmachung von Medikamenten zum Zwecke des Suizids vorsah. Zeitgleich stellten auch die Grünen-Abgeordneten ihren Entwurf vor.

Dennoch hat sich in der Gesetzgebung bisher wenig getan. Weiterhin ist der Zugang zu tödlichen Medikamenten erschwert. Erst letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht erneut eine die Sterbehilfe betreffende Verfassungsbeschwerde eines Ehepaares nicht zur Entscheidung angenommen. Die Eheleute versuchten  auf diese Weise sich gegen die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wehren, das sich weigerte, ihnen ein tödliches Medikament "auf Vorrat" zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt besteht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 weiterhin dringender Handlungsbedarf, insbesondere hinsichtlich eines klaren Regelungsrahmens für Sterbehilfevereine. Nun hat eine funktionsübergreifende Abgeordnetengrupe des Bundestages, im Januar 2021 zum wiederholten Mal einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Regelungen für Sterbehilfe erneuern soll. Dieser sieht unter anderem vor, die geschäftmäßige Förderung der Sterbehilfe wieder unter Strafe zu stellen und nur unter strengen Voraussetzungen strafffrei zu belassen. Der Gesetztesentwurf sieht weiterhin vor, suizidwillige Menschen zu mindestens zwei psychiatrischen Untersuchungen im Abstand von mindestens drei Monaten sowie zu weiteren Untersuchungen und Wartezeiten zu verpflichten. Der Entwurf wird derzeit stark kritisiert. Neben diesen Abgeordnetenentwurf haben der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie Renate Künast und Katja Keul ebenfalls zwei Gesetzesvorschläge eingebracht. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass wohl noch einige Zeit vergehen bis ein Sterbehilfegesetz verabschiedet wird. Bis dahin ist es wichtig Aufklärung zu leisten und suizidwillige Menschen zu unterstützen. Das gilt nicht nur in Bezug auf eine ausführliche Beratung und diverse Hilfsangebote, sondern vor allem in Hinblick auf das Recht jedes Menschen auf ein selbstbestimmtes Sterben, das insbesondere von vielen unheilbar kranken Menschen als einzige Option angesehen wird. 

Lesen Sie die folgenden Artikel und erfahren Sie mehr über das Thema Sterbehilfe, insbesondere über die aktuelle Gesetzeslage und Urteile sowie die Bemühungen nach einem Sterbehilfegesetz und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung.

 

 

 

 

 

Sterbehilfe

erstmalig veröffentlicht: 13.03.2022, letzte Fassung: 19.10.2022

Das Thema Sterbehilfe wird ähnlich kontrovers diskutiert wie die Thematik der Abtreibung oder der Todesstrafe. Es handelt sich um ein ethisch und juristisch umstrittenes Thema, das zum Nachdenken anregt und die Gesellschaft oft spaltet, also um ein sehr sensibles Thema. Junge, gesunde Menschen wollen sich oftmals keine Gedanken über den Tod machen. Sie sind mit ihrer Karriere, ihren Partner, ihren Freunden oder alltäglichen Dingen wie Sport beschäftigt. Daran ist im Grunde Nichts auszusetzen. Jeder Mensch - egal ob jung oder alt - sollte sein Leben in vollen Zügen genießen dürfen. Dazu gehört insbesondere auch eigenständig und selbstbestimmt  Entscheidungen zu treffen, die sich nicht nur auf das "heutige Dasein" beschränken, sondern vielmehr Auswirkungen auf die Zukunft haben. Das würde die breite Masse wohl jederzeit unterschreiben: Längst sind die Zeiten vorbei, in denen andere einem vorschreiben konnten, was man tun oder lassen sollte. Das gilt zumindest in Hinblick auf höchst persönliche Entscheidungen wie die Wahl des Berufes, des Lebenspartners oder der Hobbies. Entscheidungen, die insbesondere die Sphäre anderer Personen nicht unangemessen tangieren und die das Gesetz erlaubt.

Aber was ist mit Entscheidungen, die das eigene Leben und Dasein auf unseren Planeten betreffen? Die Rede ist vom Tod - vielmehr von einem selbstbestimmten Tod. Im Februar des Jahres 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht: Jeder Mensch hat ein Recht darauf, selbstbestimmt zu sterben. Aber was bedeutet das? Klar, der Suizid war und ist in Deutschland schon immer strafffrei gewesen.  Das ergibt auch Sinn. Wie soll man jemanden bestrafen, der schon Tod ist? Aber auch der Suizidversuch wird als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts nicht unter Strafe gestellt. Wenn das höchste Gericht nun entschieden hat, dass jeder selbstbestimmt sterben darf -  der Suizid jedoch ohnehin keinen Straftatbestand darstellt. Was hat das Gericht dann gemeint, als es von einem "selbstbestimmten Sterben" gesprochen hat?

Nun, auch wenn der Großteil der in Deutschand lebenden Menschen sich guter physicher und psychischer Gesundheit erfreuen darf, leben mehr als 7,9 Millionen Menschen mit sogenannten "Schwerbehinderungen", die sich größtenteils - aber nicht ausschließlich - körperlich auswirken. Hinzu kommen ältere Menschen und Menschen mit seelischen und körperlichen Erkrankungen. Während das Älterwerden von der Mehrheit  als natürlicher und hinzunehmender Zustand angesehen wird, trifft eine schwere körperliche oder seelische Erkrankungen jeden Menschen, egal welchen Alters, hart. Besonders tückisch sind Krebserkrankungen, Krankheiten des Atmungssystems und Herz-Kreislauferkrankungen, denen allein im Jahr 2020 mehr als 61.000 Menschen zum Opfer gefallen sind und die zu den häufigsten Todesursachen der Krankheitsarten zählen.

Betroffene all dieser körperlichen und seelischen Krankheiten und Beeinträchtigungen, aber auch ältere schwache Personen und nicht zuletzt auch gesunde Menschen, könnten im Laufe ihres Lebens den Wunsch äußern, sterben zu wollen. Da es Menschen mit einem Handicap, aufgrund ihres körperlichen Zustandes - unabhängig davon ob die Beeintrchtigung seit der Geburt besteht oder erst aufgrund einer  später auftretenden Krankheit oder Ereignisses aufgetreten ist  - oftmals nicht möglich ist, die Selbsttötung selbst vorzunehmen - die aktive Sterbehilfe jedoch verboten ist, wird seit Jahren darüber diskutiert, diesen Menschen, mithife von Gesetzen ein selbstbestimmtes Sterben zu ermöglichen.

In Hinblick auf die "passive" und "indirekte" Sterbehilfe scheint das weitgehend gelungen zu sein. Während Passive Sterbehilfe den Verzicht auf lebensveerlängernde Maßnahmen und Behandlungen meint, spricht man von indirekter Sterbehilfe, wenn den Patienten Medikamente verabreicht werden, die zwar nicht direkt tödlich sind, jedoch als Nebenfolge einen frühzeitigen Tod herbeiführen können. Beide Formen der Sterbehilfe werden nicht strafrechtlich geahndet, sofern eine ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen vorliegt.

In Hinblick auf den Assistierenden Suizid scheint weiterhin Handlungsbedarf zu bestehen. Wenn die Tötung auf Verlangen weiterhin unter Strafe steht, bleibt sterbewilligen Personen nur die Möglichkeit den Suizid selbst zu begehen. Hierzu benötigen sie aber ein Tötungsmittel, also ein entsprechendes Medikament, welches zum Tod führt und das die Betroffenen, oftmals nicht selbst besorgen können. In der Vergangenheit war das Bereitstellen eines solchen Medikametes nur für private Personen straffrei. In der Praxis scheiterte dieses Vorhaben jedoch unweigerlich, da private Personen sich oftmals, nur auf illegalem Wege Zugriff, zu solchen Medikamenten verschaffen konnten.

Die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe, war hingegen in § 217 StGB normiert und wurde mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Geschäftsmäßig meint dabei "auf Wiederholung angelegt". Die Arbeit von Sterbehilfeorganisationen war also in Deutschland verboten. Das änderte sich erst mit der oben erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26.02.2020. Dieses erklärte den § 217 StGB für verfassungswidrig und deshalb für nichtig. Das Recht  auf selbstbestimmtes Sterben werde von den allgemeinen Persönlichkeitsrechts abgeleitet und umfasse sowohl die  die Entscheidung über den Zeitpunkt als auch die Art des Todeseintritts. Suizidwillige Personen haben ein Recht darauf, Hilfe von Dritten in Anspruch zu nehmen, ohne, dass diese sich strafbar, so das Bundesverfassungsgericht. Dieses führt weiter aus - und sorgt für Diskussionsstoff -, dass insbesondere keine schwere Krankheit als Motiv vorliegen müsse. Das bedeutet: Alle Menschen - auch junge und körperlich vollkommen gesunde Menschen - haben ein Recht darauf, zu entscheiden, wie und vor allem auch wann sie diese Welt verlassen wollen.Für viele sterbewillige Personen war die Entscheidung des Gerichts eine Erleichterung, denn § 217 StGB machte es für Helfende, aufgrund der Strafandrohung fast unmöglich, Suizidhilfe zu leisten.

Dass trotz der Entscheidung des höchsten Gerichts weiterhin Handlungsbedarf besteht, erkannte man schnell. Anfang des Jahres 2021 legte eine Abgeordnetengruppe aus FDP, SPD und den Linken einen Entwurf vor, der die Zugänglichmachung von Medikamenten zum Zwecke des Suizids vorsah. Zeitgleich stellten auch die Grünen-Abgeordneten ihren Entwurf vor.

Dennoch hat sich in der Gesetzgebung bisher wenig getan. Weiterhin ist der Zugang zu tödlichen Medikamenten erschwert. Erst letztes Jahr hat das Bundesverfassungsgericht erneut eine die Sterbehilfe betreffende Verfassungsbeschwerde eines Ehepaares nicht zur Entscheidung angenommen. Die Eheleute versuchten  auf diese Weise sich gegen die Entscheidung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wehren, das sich weigerte, ihnen ein tödliches Medikament "auf Vorrat" zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt besteht seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2020 weiterhin dringender Handlungsbedarf, insbesondere hinsichtlich eines klaren Regelungsrahmens für Sterbehilfevereine. Nun hat eine funktionsübergreifende Abgeordnetengrupe des Bundestages, im Januar 2021 zum wiederholten Mal einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der die Regelungen für Sterbehilfe erneuern soll. Dieser sieht unter anderem vor, die geschäftmäßige Förderung der Sterbehilfe wieder unter Strafe zu stellen und nur unter strengen Voraussetzungen strafffrei zu belassen. Der Gesetztesentwurf sieht weiterhin vor, suizidwillige Menschen zu mindestens zwei psychiatrischen Untersuchungen im Abstand von mindestens drei Monaten sowie zu weiteren Untersuchungen und Wartezeiten zu verpflichten. Der Entwurf wird derzeit stark kritisiert. Neben diesen Abgeordnetenentwurf haben der Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sowie Renate Künast und Katja Keul ebenfalls zwei Gesetzesvorschläge eingebracht. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass wohl noch einige Zeit vergehen bis ein Sterbehilfegesetz verabschiedet wird. Bis dahin ist es wichtig Aufklärung zu leisten und suizidwillige Menschen zu unterstützen. Das gilt nicht nur in Bezug auf eine ausführliche Beratung und diverse Hilfsangebote, sondern vor allem in Hinblick auf das Recht jedes Menschen auf ein selbstbestimmtes Sterben, das insbesondere von vielen unheilbar kranken Menschen als einzige Option angesehen wird. 

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