Urteils-Kommentar zu Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Dez. 2021 - 12 KLs 504 Js 196/15 von Dirk Streifler

published on 29/12/2024 16:17
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Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Dez. 2021 - 12 KLs 504 Js 196/15

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Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth behandelt komplexe strafrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung, dem Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Urkundenfälschung. Die entscheidungstragenden Punkte und die rechtliche Beurteilung bieten eine umfassende Grundlage für die Analyse häufiger Problemstellungen im Wirtschaftsstrafrecht.

1. Richtigkeit der Entscheidung

Das Urteil ist in rechtlicher Hinsicht überwiegend überzeugend, insbesondere hinsichtlich der systematischen Aufarbeitung der Straftaten. Die Kammer orientierte sich an gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, etwa zur Tatvollendung und -beendigung bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen. Allerdings wirft die Anwendung des Zweifelssatzes bei der Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung Fragen auf, die insbesondere die Praxis der wahldeutigen Verurteilung betreffen.

2. Behandlung der zentralen Themen

a) Steuerhinterziehung

Die Entscheidung bestätigt, dass jede unterlassene Lohnsteueranmeldung eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 1 StR 122/16). Der Ansatz, Netto- zu Bruttolöhnen hochzurechnen, ist rechtlich zulässig, sofern keine präzisen Nachweise vorliegen. Dennoch bleiben Herausforderungen bei der Beweisführung, insbesondere bei der Bestimmung des Mindestschuldumfangs. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach die Steuerhinterziehung durch Unterlassen mit Ablauf der Abgabefrist vollendet und beendet ist (BGH, 1 StR 344/08).

b) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt

Die Kammer wendet § 266a StGB konsequent an und berücksichtigt die Strafschärfung durch gewerbsmäßiges Handeln. Die wiederholte und systematische Verletzung der Beitragspflichten durch Schwarzarbeit sowie die Verschleierung durch Abdeckrechnungen stellen unbenannte besonders schwere Fälle dar.

c) Begünstigung und Beihilfe

Das Urteil hebt hervor, dass unklar blieb, ob die Haupttaten der Käufer von Abdeckrechnungen im Zeitpunkt des Erwerbs bereits beendet waren. Hier zeigt sich die Bedeutung des Zweifelssatzes, der zur Anwendung der milderen Vorschriften (§ 257 StGB für Begünstigung) führte. Diese differenzierte Betrachtung zeigt die Herausforderung, Täterhandlungen im Kontext kollusiver Zusammenarbeit abzugrenzen.

d) Urkundenfälschung und Abdeckrechnungen

Die als "Abdeckrechnungen" bezeichneten fingierten Rechnungen dienten sowohl der Verschleierung der Schwarzarbeit als auch der Steuerhinterziehung. Die Erstellung solcher Scheinrechnungen erfüllt den Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn sie in Täuschungsabsicht verwendet werden. Der arbeitsteilige Einsatz dieser Rechnungen verdeutlicht die organisatorische Komplexität solcher Delikte.

e) Wahldeutige Verurteilung und Zweifelssatz

Die Kammer legt richtigerweise den Zweifelssatz zugrunde, wenn unklar bleibt, ob eine Unterstützungshandlung vor oder nach Beendigung der Haupttat stattfand. Die Differenzierung zwischen Beihilfe (§ 27 StGB) und Begünstigung (§ 257 StGB) ist praxisrelevant, da sie sich auf Strafrahmen und Strafzumessung auswirkt.

f) Unterlassen

Die Unterlassungsdelikte, insbesondere bei der Lohnsteueranmeldung und Sozialversicherungsmeldung, wurden konsequent als eigenständige Straftaten gewertet. Die Kammer unterstreicht die Pflichten der Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Meldung und Abführung von Abgaben, auch bei unklaren Beschäftigungsverhältnissen.

3. Lernziele und Auswirkungen

Das Urteil verdeutlicht mehrere Schlüsselaspekte:

  • Klarheit der Beweismittel: Präzise und nachvollziehbare Feststellungen sind entscheidend für die rechtliche Einordnung der Taten, insbesondere bei der Berechnung des Schuldumfangs.
  • Bedeutung des Zweifelssatzes: Dieser ist ein zentraler Garant für die Wahrung von Verfahrensrechten in Fällen, in denen Sachverhaltsunklarheiten bestehen.
  • Strafschärfung durch Gewerbsmäßigkeit: Wiederholte Verstöße gegen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Pflichten in organisierter Form ziehen deutlich verschärfte Strafen nach sich.
  • Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung: Die zeitliche Komponente bei der Tatbeendigung spielt eine maßgebliche Rolle bei der rechtlichen Qualifikation der Unterstützungshandlung.

4. Abweichende Meinungen und Urteile

Das Urteil stützt sich weitgehend auf gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen und zur Tatbeendigung. Abweichende Meinungen betreffen insbesondere:

  • Die Höhe des zu schätzenden Schadens, wobei die Heranziehung des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI als methodisch nicht unumstritten gilt.
  • Die Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung, bei der sich andere Gerichte für eine restriktivere Anwendung des Zweifelssatzes ausgesprochen haben.

5. Fazit

Das Urteil ist ein praxisnahes Beispiel für die strafrechtliche Behandlung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. Es zeigt auf, wie wichtig eine sorgfältige Tatbestandsprüfung ist, insbesondere bei der Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung sowie bei der Bewertung von Unterlassungsdelikten. Die Anwendung des Zweifelssatzes ist in Fällen unklarer Tatbeendigung unerlässlich, auch wenn dies zu milden Urteilen führen kann. Das Urteil bietet wertvolle Orientierung für die Praxis und zeigt zugleich, dass die Beweisführung in solchen Verfahren oft komplex und lückenhaft bleibt.

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(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldst
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published on 02/12/2008 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 344/08 vom 2. Dezember 2008 in der Strafsache gegen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember 2008, an der teilgenomm
published on 21/04/2016 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 122/16 vom 21. April 2016 in der Strafsache gegen wegen Steuerhinterziehung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:210416B1STR122.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach An
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29/12/2024 17:22

Das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB fordert Gerichte und Staatsanwaltschaften gleichermaßen heraus. Besonders Konstellationen wie Scheinselbständigkeit oder Schwarzarbeit, bei denen die zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisse oft schwer zu rekonstruieren sind, führen regelmäßig zu Unsicherheiten bei der Ermittlung und Bewertung der Tat. Die Anforderungen an die gerichtlichen Feststellungen und die Konkretisierung des Tatvorwurfs in der Anklageschrift wurden in der Rechtsprechung zunehmend flexibilisiert, um diesen Schwierigkeiten zu begegnen. Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Maßstäbe, die an die Feststellungen der Gerichte und die Anklageschrift gestellt werden, untersucht die Rechtsprechung und beleuchtet, wie die Balance zwischen Verfahrensökonomie und rechtsstaatlichen Anforderungen gewahrt werden kann.
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Annotations

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 122/16
vom
21. April 2016
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:210416B1STR122.16.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. April 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Oktober 2015 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Soweit das Landgericht „zu Gunsten des Angeklagten“ (UA S. 6) hinsichtlich der durch Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangenen Steuerhinterziehungen von lediglich einer Unterlassungstat jährlich ausgegangen ist, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Lohnsteuer-Anmeldezeitraum grundsätzlich der Kalendermonat. Wenn die Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 1.080 Euro (im Tatzeitraum 2009 – 2013: 1.000 Euro), aber nicht mehr als 4.000 Euro betragen hat, ist das Kalendervierteljahr der Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum (§ 41a Abs. 2 Satz 2 1. HS EStG). Lediglich dann, wenn die Lohnsteuer für das vergangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.080 Euro (im Tatzeitraum: 1.000 Euro) betragen hat, ist der Lohnsteueranmeldungszeitraum das Kalenderjahr (§ 41a Abs. 2 Satz 2 2. HS EStG). Da diese Grenzen im Tatzeitraum jeweils überschritten wurden , hätte der Angeklagte jeweils monatliche Lohnsteueranmeldungen abgeben müssen. Die Nichtabgabe jeder einzelnen dieser Lohnsteueranmel-
dungen stellt eine eigenständige Steuerhinterziehung des Angeklagten durch Unterlassen dar (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Das Landgericht hätte deshalb die Besteuerungsgrundlagen für die jeweiligen monatlichen Anmeldezeiträume – soweit erforderlich durch Schätzung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, NStZ 2010, 635 sowie Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 98 mwN) – ermitteln und die verkürzte Lohnsteuer errechnen müssen.
Der Senat schließt jedoch aus, dass sich die rechtsfehlerhafte Zusammenfassung mehrerer Unterlassungstaten zu jährlich einer Tat zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Denn die unzutreffende Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses beeinflusst den materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insgesamt nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 – 2BvR 2251/03, BVerfGK 3, 20; BGH, Beschlüsse vom 14. Januar2015 – 4 StR 440/14, Rn. 5, NStZ-RR 2015, 113 und vom 21. Januar 2014 – 2 StR 507/13; jeweils mwN). Das Landgericht hat auch für keine der Steu- erhinterziehungen wegen Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO die Strafe dem Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO für besonders schwere Fälle entnommen.
2. Der Umstand, dass das Landgericht bei gleichzeitigem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB und Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB entgegen der Rechtsprechung desSenats (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2015 – 1 StR 76/15 Rn. 15, wistra 2015, 393 und vom 18. Mai 2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408) nicht von einer einheitlichen Tat, sondern von Tateinheit ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten ebenfalls nicht. Denn die zusätzliche Verwirklichung von § 266a
Abs. 2 Nr. 2 StGB durfte im Rahmen des Schuldumfangs Berücksichtigung finden (vgl. BGH aaO). RiBGH Prof. Dr. Graf befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Jäger Radtke Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 344/08
vom
2. Dezember 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 2. Dezember
2008, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Hebenstreit,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 19. Dezember 2007 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit die Angeklagte im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 14 Fällen und zur versuchten Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft hat zur Verurteilung im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe und zum gesamten Strafausspruch Erfolg.

I.

2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Die Angeklagte wurde ab dem Jahr 1994 von ihrem damaligen Lebensgefährten B. S. , der in V. das Bordell „Club C. “ betrieb, als Scheinbetriebsinhaberin vorgeschoben. Tatsächlich arbeitete die Angeklagte lediglich an der Theke mit und übernahm für B. S. , dem die Gaststättenkonzession entzogen worden war, die erforderlichen Abrechnungen und andere organisatorische Tätigkeiten. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit wurde die Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 20. September 2002 rechtskräftig für Taten, die vor dem Jahr 2000 beendet waren, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 16 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen betreffend ein von ihr selbst betriebenes Bordell zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
4
2. In den Jahren 2000 bis 2003 unterstützte die Angeklagte ihren Lebensgefährten B. S. weiterhin beim Betrieb des Bordells und bei der Verschleierung der damit erzielten Einkünfte. Sie befolgte dessen auf Steuerverkürzung gerichtete Anweisungen, indem sie auf sein Geheiß Rechnungsbelege von Lieferanten in bar beglich und B. S. die Tageseinnahmen des Bordells überbrachte. Zudem hielt sie Kontakt zu den angestellten Thekenkräften, die sie anwies, die Einnahmen aus der Prostitution und dem Verkauf von Getränken nur für die Abrechnung mit den Prostituierten aufzuzeichnen und danach zu vernichten. Dabei war ihr bekannt, dass die von B. S. jeweils eingesetzten Scheinbetriebsinhaber nicht die tatsächlich erzielten Einnahmen aus dem Bordell, sondern nur fingierte Umsätze und Ge- winne von nicht existierenden Gewerben der Zimmervermietung bzw. des Betriebs einer „Bar mit Animierbetrieb“ gegenüber den Steuerbehörden erklärten.
5
3. B. S. gab bei den Finanzbehörden hinsichtlich des von ihm geführten Bordells und der hierbei erzielten Umsätze und Gewinne für die Jahre 2000 bis 2003 keine Steuererklärungen ab. Zur Verschleierung des wahren Sachverhalts veranlasste er - was die Angeklagte wusste - jeweils Strohleute , darunter seinen Sohn, den Mitangeklagten M. S. , für fingierte Einzelunternehmen der gewerblichen Zimmervermietung und einer Schankwirtschaft Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen abzugeben. Diese Steuererklärungen enthielten erfundene Angaben zu Umsätzen und Gewinnen, die plangemäß jeweils erheblich unter den tatsächlichen Umsätzen und Gewinnen des von B. S. betriebenen Bordells lagen.
6
a) Für die Jahre 2000 und 2001 gab M. S. am 4. Juni 2002 in Absprache mit B. S. im eigenen Namen jeweils Einkommen-steuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen mit fingierten Angaben ab (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe). Hierdurch wurden zugunsten von B. S. Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 328.600 Euro hinterzogen.
7
b) Im Jahr 2002 meldeten die Eheleute G. zur Verschleierung des Bordellbetriebes B. S. s Scheingewerbe für Zimmervermietung und Schankwirtschaft an. Auf Veranlassung B. S. s gaben sie für die Monate März bis Dezember 2002 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Da B. S. auch weiterhin keine Steuererklärungen einreichte, verkürzte er für das Jahr 2002 durch Unterlassen Umsatzsteuer in Höhe von 85.600 Euro und unternahm den Versuch der Verkürzung von Gewerbesteuer im Umfang von 23.400 Euro sowie von Einkommensteuer von 81.400 Euro (Fälle II. B. 2. bis 4. der Urteilsgründe).
8
c) In den Monaten Februar bis Juni und August 2003 unterstützte M. K. , der zum Schein eine Schankwirtschaft und einen Animierbetrieb angemeldet hatte, B. S. durch die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen , die jeweils fiktive Umsätze enthielten. B. S. selbst gab auch für das Jahr 2003 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab und verkürzte hierdurch monatlich Umsatzsteuer in Höhe von jeweils annähernd 6.000 Euro (Fälle II. B. 5. bis 16. der Urteilsgründe).
9
d) Im Januar bzw. Februar 2004 wurden gegen B. S. und die Angeklagte steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet.
10
4. Im Fall der am 4. Juni 2002 von M. S. eingereichten Steuererklärungen (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe) hat das Landgericht B. S. als (Mit-)Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) und die Angeklagte als seine Gehilfin (§ 27 StGB) angesehen. In den übrigen Fällen hat die Strafkammer das Verhalten der Angeklagten jeweils tatmehrheitlich als Beihilfe zu von B. S. begangenen Steuerhinterziehungen gewertet.

II.

11
Die Revision der Staatsanwaltschaft erfasst nur im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe auch den Schuldspruch; im Übrigen ist sie wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
12
Die Staatsanwaltschaft beanstandet zwar allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Aus der lediglich zum Strafausspruch ausgeführten Sachrüge ergibt sich jedoch, dass der Schuldspruch grundsätzlich nicht angegriffen wird (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3 und 5; BGH wistra 2007, 112, 113; BGH, Urt. vom 16. Juni 2005 - 5 StR 140/05; vgl. auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dies gilt indes nicht für den Fall II. B. 1. der Urteilsgründe. Zwar wendet sich die Staatsanwaltschaft insoweit vordergründig nur gegen die Gesamtstrafenbildung ; denn sie macht geltend, die Strafkammer hätte statt einer zwei Gesamtstrafen bilden müssen, weil die Umsatzsteuerhinterziehung B. S. s für die Jahre 2000 und 2001, zu der die Angeklagte Beihilfe geleistet habe, bereits vor der Vorverurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Bielefeld vom 20. September 2002 beendet gewesen sei. Deshalb sei die hierfür zu verhängende Einzelstrafe mit den Strafen aus der Vorverurteilung gesamtstrafenfähig gewesen. Zu diesem Ergebnis gelangt die Staatsanwaltschaft aber nur deshalb, weil sie sich zugleich gegen den Schuldspruch wendet, indem sie geltend macht, die Umsatzsteuerhinterziehungen B. S. s bezüglich der Jahre 2000 und 2001 seien bereits beendet gewesen, als M. S. am 4. Juni 2002 mit weiteren Steuererklärungen auch unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 beim Finanzamt eingereicht hat. Sie rügt damit, dass die Angeklagte nicht (bereits) wegen Beihilfe zu bereits im Mai 2001 bzw. Mai 2002 beendeten Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) B. S. s, sondern (erst) zu einer von B. S. am 4. Juni 2002 gemeinschaftlich mit M. S. begangenen Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in sechs tateinheitlichen Fällen verurteilt worden ist. Damit beanstandet die Staatsanwaltschaft auch das vom Landgericht angenommene konkurrenzrechtliche Verhältnis der im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten.

III.

13
Der Schuldspruch im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
14
Entgegen der Auffassung der Strafkammer waren die von B. S. begangenen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) für die Jahre 2000 und 2001 jeweils bereits mit Ablauf des Monats Mai des Folgejahres vollendet und beendet. Damit war zu diesen Zeitpunkten jeweils auch die Beihilfe der Angeklagten zu diesen Taten beendet (vgl. BGHSt 20, 227, 228; Fischer, StGB 55. Aufl. § 78a Rdn. 4).
15
1. B. S. war als Betreiber des Bordells verpflichtet, für die in den Jahren 2000 und 2001 getätigten Umsätze jeweils bis zum 31. Mai des Folgejahres (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO) eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben (§ 18 Abs. 3 UStG). Indem er dies unterließ, ließ er die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf der Abgabefrist war die entsprechende Umsatzsteuer jeweils verkürzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO) und der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vollendet, da die Umsatzsteuererklärung als Steueranmeldung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO). Zugleich war die Tat jeweils beendet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 38, 165, 170; BGH wistra 1991, 215, 216). Diese Taten stehen damit nicht in Tateinheit mit den gemeinschaftlich von B. und M. S. am 4. Juni 2002 durch Einreichung unrichtiger Steuererklärungen begangenen Steuerhinterziehungen in der Form aktiven Tuns (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
16
2. In der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung durch M. S. auf Veranlassung B. S. s am 4. Juni 2002 lag entgegen der Auffassung des Landgerichts auch keine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) mit Wirkung für die Angeklagte. Zwar ist für die Selbstanzeige eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 371 AO Rdn. 65); daher kann auch in der Abgabe einer Steuererklärung eine Selbstanzeige liegen. Bei der strafbefreienden Selbstanzeige handelt es sich aber um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund (vgl. Joecks aaO Rdn. 32 m.w.N.), der grundsätzlich nur dem Täter oder Teilnehmer zugute kommt, der die Selbstanzeige abgibt (vgl. Joecks aaO Rdn. 33). Die Angeklagte hat weder eine Selbstanzeige noch eine Steuererklärung abgegeben. Zudem setzt eine wirksame Selbstanzeige die Nachholung unterlassener oder die Berichtigung unrichtiger Angaben voraus. Jede Berichtigungserklärung erfordert aber wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (BGHSt 3, 373, 375 f.). Daran fehlt es hier. Die von dem Mitangeklagten M. S. eingereichten Steuererklärungen enthielten ausschließlich fiktive und damit unrichtige Angaben zu einem erfundenen Sachverhalt, mit dem die Tätigkeit B. S. s als Bordellbetreiber verdeckt werden sollte. Damit liegt auch keine wirksame Teilselbstanzeige vor (vgl. dazu BGH wistra 1999, 27, 28; Joecks aaO Rdn. 75).

IV.

17
Auch der Strafausspruch hat keinen Bestand.
18
Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe kann auch die für diesen Tatkomplex verhängte Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht bestehen bleiben. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Der Senat hebt auch die übrigen - an sich fehlerfrei festgesetzten - Einzelstrafen zwischen vier Monaten Freiheitsstrafe und 20 Tagessätzen auf, um dem neuen Tatgericht eine stimmige Abstufung der Strafen zu ermöglichen. Damit kommt es auf die vom Generalbundesanwalt beanstandete, nicht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GS NJW 2008, 860) entsprechende Form der Kompensation einer festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr an.
Nack Wahl Hebenstreit Jäger Sander

(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber

1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder
2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
und dadurch dieser Stelle vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält.

(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.

(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält,
2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält,
3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet,
4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder
5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.

(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.

(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich

1.
die Höhe der vorenthaltenen Beiträge mitteilt und
2.
darlegt, warum die fristgemäße Zahlung nicht möglich ist, obwohl er sich darum ernsthaft bemüht hat.
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.