Urteils-Kommentar zu Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Dez. 2021 - 12 KLs 504 Js 196/15 von Dirk Streifler
Landgericht Nürnberg-Fürth Urteil, 23. Dez. 2021 - 12 KLs 504 Js 196/15
Tenor
1. Der Angeklagte X ist schuldig des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 97 tatmehrheitlichen Fällen und der Steuerhinterziehung in 46 tatmehrheitlichen Fällen und der Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der Begünstigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt.
2. Der Angeklagte T ist schuldig der Begünstigung in drei tatmehrheitlichen Fällen und der Begünstigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
3. Die Angeklagten haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Soweit das Verfahren gegen die Angeklagten eingestellt wurde, fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Gründe
Der Angeklagte X war Inhaber eines Einzelunternehmens im Baugewerbe, Gewerk Trockenbau (im Folgenden: H oder Firma H). Für den Zeitraum Januar 2012 bis Juli 2015 stellte das Unternehmen zahlreiche Rechnungen an eine Vielzahl von Kunden. Der Angeklagte T unterstütze X ab Juni 2012, indem er Eingangs- und Ausgangsrechnungen auf seinem Laptop für die Firma H tippte.
Nur zum Teil wurden die in Rechnung gestellten Arbeiten aber tatsächlich auch ausgeführt. In den weit überwiegenden Fällen erwarben die Auftraggeber die Rechnungen gegen Zahlung einer Provision als sogenannte "Abdeckrechnungen" ohne tatsächlich zugrundeliegende Leistungserbringung. Damit wollten diese Aufkäufer in ihren eigenen Unternehmen Schwarzlohnzahlungen oder Gewinnentnahmen verschleiern bzw. buchhalterisch "abdecken". Die Abwicklung des Verkaufs von Abdeckrechnungen wurde von beiden Angeklagten zunächst, bis ins Jahr 2014 hinein gemeinsam betrieben. Später handelte X auch teilweise allein.
Um den Betriebsgewinn in seinem eigenen Bauunternehmen buchhalterisch zu senken und die von ihm dort betriebene Schwarzarbeit zu verschleiern, verbuchte X seinerseits ebenfalls selbsterstellte Scheinrechnungen angeblicher Subunternehmer.
1. Beschäftigung von Schwarzarbeitern durch den Angeklagten X
Indem er seine eigenen Arbeitnehmer ganz oder zum Teil schwarz beschäftigte und diese wissentlich und willentlich nicht oder nur zum Teil zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer anmeldete, verkürzte X im Zeitraum Juli 2012 bis Juni 2015 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von mindestens 269.582,10 € sowie Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von mindestens 70.296,15 €. Zudem verkürzte X Umsatzsteuer in Höhe von mindestens 303.162,40 Euro.
Insgesamt verkürzte X auf diese Weise Abgaben in Höhe von mindestens 643.040,65 €.
Der Angeklagte T unterstützte wissentlich und willentlich den Angeklagten X, indem er im April und August 2013 an seinem Laptop erstellte Eingangsrechnungen der Firma H für das Jahr 2012, die vorgeblich von V stammen sollten, an X weitergab, um diesem die Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2012 zu ermöglichen.
Außerdem unterstütze der T den Angeklagten X, indem er im Februar 2014 an seinem Laptop erstellte Eingangsrechnungen der Firma H für das Jahr 2013, die vorgeblich von den Firmen V und TA stammen sollten, an X weitergab, um diesem die Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2013 zu ermöglichen.
Insgesamt kam es T bei seinen Unterstützungsleistungen auch darauf an, dem Angeklagten X die aus der Begehung seiner Straftaten erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile zu sichern.
2. Verkauf von Abdeckrechnungen
Durch den Verkauf von gemeinsam erstellten Abdeckrechnungen ohne tatsächlich zugrundeliegende Leistungserbringung an RP, ZM, ZJ und JI unterstützten die Angeklagten X und T diese bei der Verkürzung von Gesamtsozialversicherungsabgaben und Steuern in Höhe von 251.533,45 €.
Durch den Verkauf von gemeinsam erstellten weiteren Abdeckrechnungen ohne tatsächliche Leistungserbringung an ZJ und ZI unterstützte X ohne Mithilfe des Angeklagten T diese bei der Verkürzung von weiteren Gesamtsozialversicherungsabgaben und Steuern in Höhe von 67.465,36 €.
Insgesamt kam es beiden Angeklagten bei den Verkäufen der Abdeckrechnungen auch darauf an, den Abnehmern die aus der Begehung ihrer je eigenen Straftaten erwachsenden wirtschaftlichen Vorteile zu sichern.
3. Urkundenfälschung
Zur Abdeckung der an eigene Arbeitnehmer gezahlten Schwarzlöhne einerseits und zur Abdeckung der Gewinne aus den Verkäufen der Abdeckrechnungen andererseits erstellten die Angeklagten X und T - wie sie wussten unbefugt - Rechnungen der Firma V, denen keine Leistungserbringung zugrunde lag, an die Firma H. X legte sodann - mit Wissen und Wollen des T, wobei dieser damit auch dem Mitangeklagten die wirtschaftlichen Früchte seiner Straftaten sichern wollte - 205 dieser gefälschten Rechnungen während einer Geschäftsunterlagenprüfung durch das Hauptzollamt N am 15.08.2013 vor.
Beiden Angeklagten kam es bei der Begehung aller hier abgeurteilter Straftaten darauf an, sich durch die wiederholte Begehung gleichartiger Delikte Einnahmequellen von gewisser Dauer und einigem Gewicht zu verschaffen und zu sichern.
A. Persönliche Verhältnisse der Angeklagten
...
B. Die Taten der Angeklagten
I. Betriebliche Verhältnisse
Mit Gewerbeanmeldung vom 27.07.2011 und Datum des Beginns der angezeigten Tätigkeit am 20.07.2011 meldete X bei der Stadt N ein einzelunternehmerisch unter der Anschrift ... betriebenes Gewerbe für den Bereich Trockenbau an. Dessen Sitz meldete er zum 20.01.2014 in die ... um. Seit Februar 2015 hatte das Unternehmen seinen Sitz in ... Der Angeklagte X trat mit seinem Einzelunternehmen unter "...", "...", "..." und "..." (im Folgenden: H oder Firma H) auf. Er war mit seinem Unternehmen steuerlich erfasst. Aufgrund des Sitzes des Unternehmens war zunächst das Finanzamt N (Steuernummer ...) und ab 25.02.2015, mit dem Umzug in die ..., das Finanzamt S (Steuernummer: ...) für die Besteuerung zuständig.
II. Straftaten
1. Beschäftigung von Schwarzarbeitern im Rahmen des Geschäftsbetriebs der Fa. H
Im Rahmen seines Unternehmens führte der Angeklagte X in den Jahren 2012 bis 2015 für eine Vielzahl von Auftraggebern Bauarbeiten auf Baustellen aus. Hierzu beschäftigte er mehrere Personen gegen Entgelt, die ihm gegenüber zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet waren und die zu ihm in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis standen, welches durch die Eingliederung in seine betrieblichen Abläufe Ausdruck fand. Dies wusste X.
Hauptauftraggeber des Unternehmens war die F GmbH, an die X bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer verlieh, ohne im Besitz der hierzu erforderlichen Erlaubnis zu sein.
a) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Als Arbeitgeber war der Angeklagte X - wie er wusste - verpflichtet, für alle Beschäftigten seines Unternehmens monatlich Beiträge zur Sozialversicherung zu melden und in der richtig berechneten Höhe zu zahlen. Diese Beiträge waren in voraussichtlicher Höhe der Beitragsschuld spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Beschäftigungsmonats fällig. Ein verbleibender Restbeitrag war zum drittletzten Bankarbeitstag des Folgemonats fällig. Zwei Arbeitstage vor Fälligkeit der Beiträge hatte er der jeweiligen Einzugsstelle einen monatlichen Beitragsnachweis zu übermitteln, in welchem er die Beiträge, aufgegliedert nach Beitragsgruppen und jeweils angegeben in einer Summe, in zutreffender Höhe selbst zu berechnen hatten.
Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem Juli 2012 entschloss sich der Angeklagte X, diesen ihm bekannten sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen zum Zwecke der Ersparnis von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern zuwiderzuhandeln und Arbeitnehmer ganz oder zum Teil "schwarz" zu beschäftigen, d.h. deren Löhne ganz oder zum Teil bar auszuzahlen und diese nicht oder nicht in zutreffender Weise zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer anzumelden.
Zur Verschleierung der für die Schwarzlohnzahlungen aufgewendeten Barmittel beschloss X, vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmern in seine Buchhaltung einzubuchen. Diesen Rechnungen sollten keine tatsächlich erbrachten Leistungen der jeweiligen Rechnungssteller zu Grunde liegen. Sie sollten lediglich dem Zweck dienen, die Ausgaben des Unternehmens für Schwarzlohnzahlungen "abzudecken". Die hierzu erforderlichen Eingangsrechnungen, die angeblich von den Subunternehmern V, TA und ZR stammten, erstellte X in der Folgezeit nach Bedarf selbst, wobei ihm der Angeklagte T bei der Erstellung der Rechnungen der Firmen V und TA half, indem er diese an seinem Rechner tippte.
T unterstützte X, indem er im August 2013 an seinem Laptop erstelle, vorgebliche Eingangsrechnungen der Firma H von V für das Jahr 2012 an den Angeklagten X weitergab, um diesem die nachträgliche Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2012 zu ermöglichen. Außerdem unterstütze T den Angeklagten X, indem er im Februar 2014 an seinem Laptop erstellte Eingangsrechnungen der Firma H von den Firmen V und TA für das Jahr 2013 an den Angeklagten X weitergab, um diesem nachträglich die Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2013 zu ermöglichen.
Seinem Tatplan entsprechend gab der Angeklagte X in den für die Abrechnungszeiträume November 2012 bis Dezember 2012, April 2013 bis November 2013, April 2014 bis November 2014 sowie April 2015 bis Juni 2015 an die AOK Bayern übermittelten 21 Beitragsnachweisen und in den für die Abrechnungszeiträume September 2012 bis Dezember 2012 und April 2013 bis November 2013 sowie April 2014 bis November 2014 und April 2015 bis Juni 2015 an die Audi BKK übermittelten 23 Beitragsnachweisen bewusst jeweils eine geringere als die tatsächlich geschuldete Beitragssumme an, indem er bei der Berechnung nicht die gesamte Lohnsumme der bei dieser Krankenkasse versicherten Beschäftigten zugrunde legte.
Für die Abrechnungszeiträume Januar 2013 bis März 2013, Dezember 2013 bis März 2014 und Dezember 2014 bis März 2015 unterließ der Angeklagte X in 11 Fällen bewusst pflichtwidrig die Übermittlung eines Beitragsnachweises an die zuständige Krankenkasse AOK Bayern. Für die Abrechnungszeiträume Januar 2013 bis März 2013, Dezember 2013 bis März 2014 und Dezember 2014 bis März 2015 unterließ er in weiteren 11 Fällen bewusst pflichtwidrig die Übermittlung eines Beitragsnachweises an die zuständige Krankenkasse Audi BKK. Zudem unterließ er auch für die Zeiträume Juli 2012, September 2012 bis Januar 2013, März 2013 bis Januar 2014, März 2014 bis Dezember 2014 und März 2015 bis Juni 2015 in 31 weiteren Fällen bewusst pflichtwidrig die Übermittlung eines Beitragsnachweises an die zuständige Krankenkasse Barmer GEK.
Der Angeklagte X enthielt auf die geschilderte Weise im Zeitraum von Juli 2012 bis Juni 2015 in 97 Fällen den zuständigen Stellen fällige Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung in Höhe von 130.963,80 € und vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 138.618,30 € vor. Im Einzelnen:
...es folgen - hier weggelassen - Tabellen, die nach Krankenkasse und Monat die vorenthaltenen Beiträge aufführen Insgesamt verkürzte der Angeklagte X Beiträge zur Gesamtsozialversicherung in Höhe von 269.582,10 € (ohne Umlagen).
b) Hinterziehung von Lohnsteuer
Wie X wusste, war er als Arbeitgeber zudem verpflichtet, spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums dem Finanzamt, in dessen Bezirk sich seine Betriebsstätte befindet (Betriebsstättenfinanzamt, s.o.), eine Steuererklärung einzureichen, in der er die Summen der im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum einzubehaltenden und zu übernehmenden Lohnsteuer angibt (Lohnsteuer-Anmeldung), und die im Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum insgesamt einbehaltene und übernommene Lohnsteuer an das Betriebsstättenfinanzamt abzuführen.
X wusste, dass er in den Lohnsteueranmeldungen vollständige und richtige Angaben hinsichtlich der jeweiligen Lohnsumme zu machen und diese zum Fälligkeitszeitpunkt einzureichen hatte.
Aufgrund der Höhe der abzuführenden Lohnsteuer bestand - wie X wusste - eine monatliche Abgabepflicht der Lohnsteueranmeldungen. Gleichwohl unterließ der Angeklagte X in Kenntnis dieser Verpflichtung die Abgabe derartiger Lohnsteueranmeldungen für die Zeiträume Juli 2012 bis Juni 2015 beim zuständigen Finanzamt.
Durch das Unterlassen der Lohnsteueranmeldungen für die Zeiträume Juli 2012 bis Juni 2015 verkürzte der Angeklagte X in 36 Fällen wissentlich und willentlich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer im Umfang von insgesamt 70.296,15 €. Im Einzelnen:
...es folgen - hier weggelassen - Tabellen, die die hinterzogene Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag monatsweise aufführen
c) Unterstützung durch den Angeklagten T
Der Angeklagte T unterstützte X auch dabei, indem er im August 2013 an seinem Laptop erstellte Eingangsrechnungen der Firma H von der Firma V für das Jahr 2012 an X weitergab, um diesem die Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2012 zu ermöglichen.
Außerdem unterstütze T den Angeklagten X, indem er im Februar 2014 an seinem Laptop erstellte Eingangsrechnungen der Firma H von den Firmen V und TA für das Jahr 2013 an den Angeklagten X weitergab, um diesem die Verschleierung der Schwarzarbeit im Jahr 2013 zu ermöglichen.
Dabei kam es dem Angeklagten T auch darauf an, dem Angeklagten X die durch die Abdeckrechnungen verschleierten Gewinne zu sichern und zu erhalten.
2. Hinterziehung von Umsatzsteuer
Im Rahmen ihrer Tätigkeit erbrachte die durch X betriebene Firma H umsatzsteuerpflichtige Lieferungen und Leistungen. Darüber hinaus stellte X unter der Firma H Rechnungen über tatsächlich nicht erbrachte Leistungen, in denen er Umsatzsteuer offen auswies.
Wie der Angeklagte X wusste, war er verpflichtet, in den jeweils bis zum 10. Tag des Folgemonats monatlich einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen und in der jeweils bis zum 31.05. des Folgejahres abzugebenden Umsatzsteuerjahreserklärung vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen und die zu entrichtende Steuer in der richtigen Höhe selbst zu berechnen. Zudem war er - wie er ebenfalls wusste - auch verpflichtet, die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer im Rahmen von fristgerecht einzureichenden (Vor-) Anmeldungen zu erklären und abzuführen. Gleichwohl entschloss sich der Angeklagte X zum Zwecke der Einsparung von Umsatzsteuer, keine Umsatzsteuervoranmeldungen und keine Umsatzsteuerjahreserklärungen beim zuständigen Finanzamt einzureichen und die anfallende Umsatzsteuer nicht zu bezahlen.
Im Einzelnen verkürzte der Angeklagte X auf diese Weise für die Anmeldungszeiträume 2012, 2013 und 2014 sowie für Januar 2015 bis Juni 2015 in 10 Fällen Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 303.162,40 €. Im Einzelnen:
...es folgt - hier weggelassen - eine Tabelle, die die hinterzogene Umsatzsteuer jahres- bzw. monatsweise aufführt
3. Verkauf von Abdeckrechnungen
Darüber hinaus beschloss X zur dauerhaften Steigerung seiner Einnahmen, für tatsächlich nicht ausgeführte Leistungen zusammen mit T Rechnungen zu erstellen und diese gegen Zahlung einer "Provision" von 6 bis 7% der Rechnungssumme an Auftraggeber zu verkaufen. Wie die Angeklagten wussten, jedenfalls aber billigend in Kauf nahmen, nutzten die Rechnungskäufer die so erworbenen Scheinrechnungen, um ihrerseits an ihre Arbeitnehmer gezahlte Schwarzlöhne und/oder Gewinnentnahmen in ihrer Buchhaltung zu verschleiern. Hierdurch verkürzten die Rechnungskäufer mit Unterstützung der Angeklagten X und T Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mindestens 61.291,17 € (JI 2013, 2015; ZJ 2013, 2014) und Lohnsteuer (incl. Solidaritätszuschlag) in Höhe von mindestens 9.365,18 € (JI 2013, 2015) sowie Einkommensteuer, Umsatzsteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer in Höhe von mindestens 180.877,10 € (RP, ZM).
Insgesamt unterstützten die Angeklagten X und T wissentlich und willentlich Dritte bei der Verkürzung von Steuern und Abgaben in Höhe von mindestens 251.533,45 €.
Ihrer vorgefassten Absicht entsprechend verkauften die Angeklagten X und T in der vorbeschriebenen Weise in Kenntnis aller Umstände Abdeckrechnungen für die Jahre 2012 bis 2015 an RP, JI, ZJ und ZM, obwohl die dort ausgewiesenen und in Rechnung gestellten Leistungen tatsächlich nicht erbracht worden waren.
Zudem verkaufte X entsprechend dem oben geschilderten Tatplan weitere, nicht von T getippte Scheinrechnungen an ZJ und JI und unterstütze somit willentlich - insoweit ohne Beteiligung des Angeklagten T - die beiden Rechnungskäufer bei der Verkürzung von weiteren Sozialversicherungsbeiträgen von 55.928,88 € (ZJ 2015; JI 2014) und weiterer Lohnsteuer (inkl. Solidaritätszuschlag) in Höhe von 11.536,48 € (ZJ 2014) und somit bei der Verkürzung von weiteren Abgaben von insgesamt 67.465,36 €.
a) Verkauf von Abdeckrechnungen an RP
RP war alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der P GmbH mit Sitz zunächst in ... und seit 17.09.2014 in ... Gegenstand des Unternehmens war die Durchführung des Lkw Nah- und Fernverkehrs (Güterkraftverkehr), insbesondere die Durchführung von Kühltransporten und aller damit zusammenhängenden Nebenleistungen mit Fahrzeugen aller Art, sowie die Vermietung von Nutzfahrzeugen. Die P GmbH wird bei dem Finanzamt Z unter der Steuernummer ... veranlagt.
RP erwarb in den Jahren 2012 bis 2014 und im Voranmeldungszeitraum 01/2015 von den Angeklagten X und T gegen Zahlung einer Provision von 6% bis 8% fingierte Rechnungen der Firma H im Umfang von insgesamt 284.173,26 Euro (brutto), denen - wie alle Beteiligten wussten - keine tatsächliche Leistungserbringungen zugrunde lagen, um diese als vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmern in der Buchhaltung der von ihm geführten Gesellschaft einzubuchen. Diese Rechnungen dienten vielmehr einzig dem Zweck, heimlich Gelder der Gesellschaft für private Zwecke zu entnehmen und die Entnahmen als Betriebsausgaben "abzudecken", ohne hierauf Steuern entrichten zu müssen.
RP wusste, dass in den jeweils bis zum 10. Tag des Folgemonats monatlich einzureichenden Umsatzsteuervoranmeldungen und in den jeweils bis zum 31.05. des Folgejahres abzugebenden Körperschaftssteuer-, GewerbesteuerEinkommensteuer- und Umsatzsteuerjahreserklärungen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen und diese zum Fälligkeitszeitpunkt einzureichen waren.
Seiner Absicht der Verkürzung von Steuern folgend, machte RP gleichwohl in den bei dem Finanzamt Z eingereichten Steuererklärungen der P GmbH für die Zeiträume 2012 bis 2014 sowie in der Umsatzsteuervoranmeldung 01/2015 unrichtige Angaben, indem er die vollständig verbuchten Scheinrechnungen der Firma H als Betriebsausgaben erklärte und die darin zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machte. Sofern die Anklage hinsichtlich der Steuerhinterziehungen der GmbH eine Täterschaft von RP und MP angenommen hat, konnte sich die Kammer bezüglich MP - trotz des gegen ihn in der Sache ergangenen Strafbefehls - keine entsprechende Überzeugung bilden. Nach übereinstimmender und für die Kammer glaubhafter Aussage beider Brüder P war MP kein faktischer Mitgeschäftsführer, sondern einfacher Angestellter. Das hat die Kammer zugrunde gelegt.
Im Einzelnen verkürzte RP auf diese Weise in 10 Fällen für die Jahre 2012 bis 2014 sowie für den Voranmeldungszeitraum Januar 2015 Steuern bezüglich der P GmbH in Höhe von insgesamt 114.342,65 €.
Darüber hinaus gab RP der Absicht der Verschleierung folgend die auf diese Weise seiner Gesellschaft entnommenen Gelder nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen (verdeckte Gewinnausschüttungen) im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen an. Hierdurch verkürzte er in 2 Fällen für die Jahre 2012 und 2013 Einkommensteuer sowie Solidaritätszuschlag hierzu in Höhe von insgesamt 46.409,45 €. Im Einzelnen:
...es folgen - hier weggelassen - Tabellen, die die hinterzogene Umsatzsteuer, Gewerbesteuer und Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag jahres- bzw. monatsweise aufführen
Die Angeklagten X und T unterstützen diese Taten in Kenntnis der Umstände durch den Verkauf von Abdeckrechnungen im ausgewiesenen Rechnungsumfang von insgesamt 284.173,26 €.
b) Verkauf von Abdeckrechnungen an JI
JI war alleiniger Inhaber des Einzelunternehmens "Abbruchunternehmen JI", das er zum 04.07.2007 mit den Tätigkeitsbereichen Demontage von Innenausbauten (ohne Statik), Raumausstatter, Bodenleger, Gebäudereinigung, Baustellenreinigung bei der Stadt N angemeldet hatte und das er unter seiner Wohnanschrift im Anwesen ... betrieb.
Im Rahmen seines Einzelunternehmens führte JI hauptsächlich Abbrucharbeiten auf Baustellen aus. Hierzu beschäftigte er zahlreiche Personen gegen Entgelt, die ihm gegenüber zur Erbringung von Arbeitsleistungen verpflichtet waren und die zu ihm in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis standen, welches durch die Eingliederung in seine betrieblichen Abläufe Ausdruck fand. Dies wusste JI.
aa) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt durch JI
Dementsprechend war JI - wie er wusste - als Arbeitgeber verpflichtet, für alle Beschäftigten seines Unternehmens monatlich Beiträge zur Sozialversicherung zu melden und in der richtig berechneten Höhe zu zahlen.
Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem April 2013 entschloss sich JI jedoch, diesen ihm bekannten sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen zum Zwecke der Ersparnis von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern zuwiderzuhandeln und Arbeitnehmer ganz oder zum Teil schwarz zu beschäftigen, deren Löhne ganz oder zum Teil bar auszuzahlen und diese nicht oder nicht in zutreffender Weise zur Sozialversicherung und zur Lohnsteuer anzumelden.
Zur Verschleierung der für die Lohnzahlung aufgewendeten Barmittel beschloss JI, vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmern in der Buchhaltung seines Einzelunternehmens einzubuchen. Diesen Rechnungen sollten keine tatsächlich erbrachten Leistungen der jeweiligen Rechnungssteller zu Grunde liegen. Sie sollten lediglich dem Zweck dienen, die Ausgaben des Unternehmens für Schwarzlohnzahlungen "abzudecken". JI erwarb zu diesem Zweck gegen Zahlung einer Provision von 6% der Rechnungssumme Abdeckrechnungen der Firma H im Umfang von insgesamt 192.527,61 €.
Seinem Tatplan entsprechend gab JI in den für die Abrechnungszeiträume April 2013 bis November 2013 und Februar 2014 bis März 2015 übermittelten 22 Beitragsnachweisen an die AOK Bayern bewusst jeweils eine geringere als die tatsächlich geschuldete Beitragssumme an, indem er bei der Berechnung nicht die gesamte Lohnsumme der bei dieser Krankenkasse versicherten Beschäftigten zugrunde legte. An die zur Sozialversicherung angemeldeten Arbeitnehmer zahlte er teilweise Schwarzlohn aus, ohne diesen zur Berechnung des geschuldeten Beitrags heranzuziehen. Andere Mitarbeiter beschäftigte er schwarz und zahlte diesen ein Nettoentgelt, das keinen Eingang in die Lohnbuchhaltung fand und bei der Meldung der nachzuweisenden Beiträge gänzlich unberücksichtigt blieb.
JI enthielt auf die geschilderte Weise im Zeitraum von April 2013 bis März 2015 in 22 Fällen den zuständigen Stellen fällige Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung in Höhe von 45.610,64 Euro und vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 43.008,89 € vor. Insgesamt verkürzte JI Beiträge zur Gesamtsozialversicherung in Höhe von 88.619,53 € (ohne Umlagen). Im Einzelnen:
...es folgt - hier weggelassen - eine Tabelle, die die vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge monatsweise aufführt
bb) Lohnsteuerhinterziehung durch JI
Die Besteuerung des JI erfolgt beim Finanzamt S unter der Steuernummer ... JI wusste, dass er als Arbeitgeber spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums beim Betriebsstättenfinanzamt Lohnsteueranmeldungen einzureichen und darin vollständige und richtige Angaben hinsichtlich der jeweiligen Lohnsumme zu machen hatte. Seiner Absicht der Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern durch Auszahlung von Schwarzlöhnen und anschließender Verschleierung dieser Vorgehensweise durch Abdeckrechnungen folgend machte er in den monatlich eingereichten Lohnsteueranmeldungen für die Zeiträume April 2013 bis November 2013 und Februar 2014 bis März 2015 unrichtige Angaben, indem er niedrigere als die tatsächlichen Lohnsummen meldete.
Durch die unrichtigen Lohnsteueranmeldungen für die genannten Zeiträume verkürzte der Angeschuldigte in 22 Fällen wissentlich und willentlich Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer im Umfang von insgesamt 20.901,66 €. Im Einzelnen:
...es folgt - hier weggelassen - eine Tabelle, die die hinterzogene Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag monatsweise aufführt
cc) Unterstützung durch die Angeklagten
X und T unterstützen diese Taten betreffend die Jahre 2013 und 2015 in Kenntnis der Umstände durch den Verkauf von Abdeckrechnungen im Umfang von insgesamt 57.898,14 €. Außerdem verkaufte der Angeklagte X in Kenntnis der Umstände - insoweit ohne Mithilfe des Angeklagten T - weitere Abdeckrechnungen für das Jahr 2014 im Umfang von 76.449,47 € und zusätzliche Abdeckrechnungen für das Jahr 2015 im Umfang von 33.930 €. Insgesamt kam es den beiden Angeklagten auch darauf an, JI die durch die verkauften Abdeckrechnungen verschleierten und gesicherten Gewinne zu erhalten.
c) Verkauf von Abdeckrechnungen an ZM
ZM war alleiniger Inhaber des Einzelunternehmens "Trockenbau & Fliesenleger ZM", das er zum 30.06.2006 mit den Tätigkeitsbereichen Trockenbau, Fliesenleger bei der Stadt N anmeldete und unter seiner Wohnanschrift im Anwesen ... betrieb. Im Rahmen seines Einzelunternehmens führte ZM hauptsächlich Trockenbauarbeiten auf Baustellen aus.
ZM war steuerlich bei dem Finanzamt S erfasst (Steuernummer ...).
Er erwarb in den Jahren 2013 bis 2015 gegen Zahlung einer Provision von 6% der Rechnungssumme fingierte Rechnungen der Firma H im Umfang von insgesamt 105.793,56 €, denen - wie alle Beteiligten wussten - keine tatsächliche Leistungserbringungen zugrunde lagen, um diese als vorgebliche Eingangsrechnungen von Subunternehmern in der Buchhaltung der von ihm geführten Gesellschaft einzubuchen. Diese Rechnungen dienten vielmehr überwiegend dem Zweck, heimlich Gelder für private Zwecke zu entnehmen, die Entnahmen als Betriebsausgaben abzudecken und hierdurch den Gewinn zu reduzieren, um hierauf keine Steuern entrichten zu müssen.
Wie ZM wusste, hatte er in den jeweils zum 31.05. des Folgejahres abzugebenden Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen und diese zum Fälligkeitszeitpunkt einzureichen.
Seiner Absicht der Verkürzung von Steuern folgend machte ZM in den Einkommensteuererklärungen und in den Gewerbesteuererklärungen der Jahre 2013 bis 2015, die er beim Finanzamt einreichte, unrichtige Angaben, indem er die verbuchten Scheinrechnungen als Betriebsausgaben erklärte.
Seiner Absicht entsprechend verkürzte ZM so in drei Fällen Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer in Höhe von insgesamt 11.489 € und in drei Fällen Gewerbesteuer in Höhe von insgesamt 8.636 €. Im Einzelnen:
...es folgt - hier weggelassen - eine Tabelle, die die hinterzogene Gewerbesteuer und die Einkommensteuer mit Solidaritätszuschlag jahresweise aufführt
Den geschilderten Steuerverkürzungen lagen folgende Steuererklärungen und -bescheide des ZM zugrunde:
Die Angeklagten X und T unterstützten ZM bei seinen Taten, indem sie diesem in Kenntnis aller Umstände für die Jahre 2013 bis 2015 Abdeckrechnungen der Firma H mit einem Gesamtvolumen von 91.387,92 € verkauften, denen keine tatsächliche Leistungserbringung zugrunde lag, und ZM damit deren pflichtwidrige Erfassung in seiner Buchhaltung ermöglichten, um hierdurch die getätigten Gewinnentnahmen vollständig abzudecken. Darüber hinaus unterstütze der Angeklagte X ZM durch den Verkauf von weiteren entsprechenden Abdeckrechnungen für das Jahr 2015 mit einem Gesamtvolumen von weiteren 14.405,64 € ohne Beteiligung des Angeklagten T.
d) Verkauf von Abdeckrechnungen an ZJ
ZJ war alleiniger Inhaber des Einzelunternehmens Trockenbau ZJ. Dieses meldete er am 30.05.2001 bei der Stadt N mit Betriebsstätte in ... an. Seit 01.09.2004 befindet sich der Betriebssitz in ... ZJ beschäftigte im Rahmen seines Einzelunternehmens Arbeitnehmer zur Durchführung der Trockenbauarbeiten.
aa) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt durch ZJ
Dementsprechend war ZJ - wie er wusste - als Arbeitgeber verpflichtet, für alle Beschäftigten seines Unternehmens monatlich Beiträge zur Sozialversicherung zu melden und in der richtig berechneten Höhe zu zahlen.
Zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt vor dem April 2013 entschloss sich ZJ jedoch, diesen ihm bekannten sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen zum Zwecke der Ersparnis von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern zuwiderzuhandeln und Arbeitnehmer zum Teil schwarz zu bezahlen. Demgemäß meldete er die Arbeitnehmer I, B und M zwar zur Sozialversicherung an.
Seinem Tatplan entsprechend gab ZJ aber in den für die Abrechnungszeiträume April 2013 bis Mai 2015 an die AOK Bayern übermittelten 26 Beitragsnachweisen und in den für die Zeiträume April 2013 bis September 2013 und Januar 2014 bis Mai 2015 an die HEK übermittelten 23 Beitragsnachweisen bewusst jeweils eine geringere als die tatsächlich geschuldete Beitragssumme an, indem er bei der Berechnung nicht die gesamte Lohnsumme der bei dieser Krankenkasse versicherten Beschäftigten zugrunde legte. An die zur Sozialversicherung angemeldeten Arbeitnehmer zahlte er teilweise Schwarzlohn aus, ohne diesen zur Berechnung des geschuldeten Beitrags heranzuziehen.
ZJ enthielt auf die geschilderte Weise im Zeitraum von April 2013 bis Mai 2015 in 49 Fällen den zuständigen Stellen fällige Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung in Höhe von 14.711,39 € und vom Arbeitgeber zu tragende Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 13.889,13 € vor.
Insgesamt verkürzte der ZJ Beiträge zur Gesamtsozialversicherung in Höhe von 28.600,52 € (ohne Umlagen). Im Einzelnen:
...es folgen - hier weggelassen - Tabellen, die die vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge monatsweise aufführen
bb) Unterstützung durch die Angeklagten
X und T unterstützten ZJ bei seinen Taten, indem sie diesem in Kenntnis aller Umstände Abdeckrechnungen der Firma H für das Jahr 2013 und 2014 mit einem Gesamtvolumen von 98.625,24 € verkauften, denen keine tatsächliche Leistungserbringung zugrunde lag, und ZJ damit deren pflichtwidrige Erfassung in seiner Buchhaltung ermöglichten, um hierdurch die getätigten Schwarzlohnzahlungen vollständig abzudecken. Darüber hinaus unterstütze der Angeklagte X ZJ durch den Verkauf von weiteren Abdeckrechnungen für das Jahr 2014 und Abdeckrechnungen für das Jahr 2015 mit einem Gesamtvolumen von weiteren 144.025,80 € ohne Beteiligung des Angeklagten T. Insgesamt kam es den beiden Angeklagten auch darauf an, ZJ die durch die verkauften Abdeckrechnungen verschleierten und gesicherten Gewinne zu erhalten.
4. Urkundenfälschung
Zur Abdeckung der an eigene Arbeitnehmer gezahlten Schwarzlöhne einerseits und zur Abdeckung der verkauften Ausgangsrechnungen andererseits stellte X unter anderem Rechnungen in die Buchhaltung seines Unternehmens ein, die angeblich von dem Subunternehmer V stammten, der tatsächlich jedoch keine Leistungen an den Angeklagten X erbracht hatte. Tatsächlich hatten die Angeklagten X und T diese Subunternehmerrechnungen zu diesem Zwecke in arbeitsteiliger Weise selbst angefertigt, indem der Angeklagte T die Rechnungen auf seinem Laptop erstellte und der Angeklagte X die Ausdrucke sodann abstempelte. T erstellte 13 Rechnungen am 06.04.2013 und die restlichen Rechnungen im Zeitraum 10. bis 14.08.2013 und übergab die Rechnungen im Anschluss an X.
Insgesamt 205 dieser selbst gefertigten Rechnungen des angeblichen Subunternehmers V über einen Gesamtnettorechnungsbetrag von 812.976,31 Euro, jeweils adressiert an H legte X mit Wissen und Wollen des Angeklagten T während einer Geschäftsunterlagenprüfung durch das Hauptzollamt Nürnberg am 15.08.2013 den prüfenden Beamten vor, um ihnen gegenüber die Beauftragung des Subunternehmers V vorzutäuschen. Diese Rechnungen wiesen durchgehende Rechnungsnummern zwischen 1/2012 und 205/2012 und Erstellungsdaten aus dem Zeitraum zwischen dem 02.01.2012 und dem 31.12.2012 auf.
Dem Angeklagten X ging es bei der Vorlage der 205 Rechnungen darum, den Prüfern eine ordnungsgemäße Geschäftsführung vorzuspiegeln und sich so weiter "im Geschäft zu halten" und daraus - d.h. aus der Schwarzarbeit im eigenen Unternehmen und aus dem Verkauf der Abdeckrechnungen - weiterhin Gewinne zu erzielen. Ihn wollte der Angeklagte T dabei unterstützen, indem er im Wissen um deren beabsichtigte Verwendung die Rechnungen erstellte. Es ging ihm auch darum, dass die Straftaten des Angeklagten X bei der Betriebsprüfung unentdeckt blieben. Weiter kam es ihm dabei auch darauf an, dass dem Angeklagten X die Gewinne aus seinen Straftaten gesichert werden. Das war aus Sicht des Angeklagten T notwendig, weil er selbst weiterhin von der Zusammenarbeit mit dem Angeklagten X finanziell profitieren wollte.
Im Einzelnen handelt es sich um nachfolgend aufgeführte Urkunden:
...es folgt - hier weggelassen - eine Tabelle, die die Rechnungen nach Datum, Betrag und Rechnungsnummer geordnet aufführt
C. Beweiswürdigung
...
D. Rechtliche Beurteilung
I. Der Angeklagte X
Der Angeklagte hat sich deshalb des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 97 tatmehrheitlichen Fällen und der Steuerhinterziehung in 46 tatmehrheitlichen Fällen und der Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen und der Begünstigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen schuldig gemacht.
1. Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 97 tatmehrheitlichen Fällen
Der Angeklagte X hat sich durch unter B.II.1.a festgestellten Sachverhalt des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 97 tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, § 53 StGB schuldig gemacht.
2. Lohnsteuerhinterziehung in 36 Fällen
Der Angeklagte X hat sich durch unter B.II.1.b festgestellten Sachverhalt der Steuerhinterziehung in 36 tatmehrheitlichen Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 53 StGB schuldig gemacht. Die Nichtabgabe jeder einzelnen, monatlich abzugebenden (§ 41a Abs. 2 Satz 1 EStG) Lohnsteueranmeldung stellt eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen dar (BGH, Beschluss vom 24.01.2016 - 1 StR 122/16).
3. Umsatzsteuerhinterziehung in zehn Fällen
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.2 festgestellten Sachverhalt der Steuerhinterziehung in zehn tatmehrheitlichen Fällen § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 53 StGB schuldig gemacht. Mit jeweiligem Ablauf der Abgabefrist war die entsprechende Umsatzsteuer jeweils verkürzt und der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen vollendet und beendet (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2008 - 1 StR 344/08).
4. Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.4 festgestellten Sachverhalt der Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen gemäß §§ 267 Abs. 1 Alt. 3, § 52 StGB schuldig gemacht. Die Urkundenfälschung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Angeklagte vom untergetauchten V, wie er aussagte "sein [d.h. Vs] Gewerbe gekauft hat". Die Kammer konnte dem schon nicht sicher entnehmen, dass V dem Angeklagten damit auch die Erlaubnis gegeben hätte, als V aufzutreten. Im Übrigen kann die Unterzeichnung mit einem fremden Namen zu einer echten Urkunde nur dann führen, wenn die Unterschrift aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vertretungsmacht nach § 164 Abs. 1 BGB ebenso wirkt, wie wenn sie der Namensträger selbst vollzogen hätte. Das erfordert aber, dass sich der Namensträger in der Unterzeichnung vertreten lassen will, der unterzeichnete Namensträger vertreten will und er befugt ist, ihn zu vertreten (BayObLG, Beschluss vom 30.09.1987 - RReg 2 St 110/87 m.w.N.). Daran aber fehlte es hier. Denn es ging dem Angeklagten nicht darum, V im Rechtsverkehr wirksam zu binden; ein rechtsgeschäftliches Vertretungsverhältnis unter den beiden Beteiligten bestand nicht und war auch nicht gewollt. Weder wollte der Angeklagte V vertreten, noch umgekehrt, V sich vertreten lassen. Letzterer wollte, so sagte der Angeklagte aus, das Geld für sein Gewerbe einstreichen und verschwinden. Es sollte durch dieses Geschäft dem Angeklagten danach nur die Möglichkeit gegeben werden, den Anschein zu erwecken, V habe eigene Rechnungen geschrieben und selbst unterschrieben, um damit tatsächlich nur Abdeckrechnungen fabrizieren zu können. In einem solchen Fall liegt Urkundenfälschung vor (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.02.1989 - RReg 5 St 165/88).
5. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen (RP)
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.3.a festgestellten Sachverhalt einer (einer, wie auch in den anderen Beihilfefällen: vgl. BGH, Beschluss vom 25.07.2019 - 1 StR 230/19) Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Die Kammer ist dabei zugunsten des Angeklagten von lediglich einer Beihilfehandlung ausgegangen, da sich nicht sicher feststellen ließ, bei wie vielen Gelegenheiten X zusammen mit T Abdeckrechnungen an RP verkauft hat. Die Kammer konnte jedoch ausschließen, dass die Haupttaten bereits beendet waren, als die Abdeckrechnungen verkauft und übergeben worden sind. Aus den Angaben der Zeugen RP und MP ergab sich nämlich, dass die Abdeckrechnungen bereits verbucht waren, als die unrichtigen Steuererklärungen abgegeben worden sind.
6. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen (ZM)
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.3.c festgestellten Sachverhalt der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Die Kammer ist dabei zugunsten des Angeklagten von lediglich einer Beihilfehandlung ausgegangen, da sich nicht sicher feststellen ließ, bei wie vielen Gelegenheiten der Angeklagte X Abdeckrechnungen an ZM verkauft hat. Die Kammer ist zudem zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass sämtliche Rechnungen - auch die nicht vom Angeklagten T geschriebenen - bei einer Gelegenheit an ZM übergeben wurden. Die Kammer konnte jedoch ausschließen, dass die Haupttaten bereits beendet waren, als die Abdeckrechnungen verkauft und übergeben worden sind. Aus den Angaben des Zeugen ZM ergab sich nämlich, dass die Abdeckrechnungen bereits verbucht waren, als die unrichtigen Steuererklärungen abgegeben worden sind.
7. Begünstigung in zwei tatmehrheitlichen Fällen
a) Begünstigung hinsichtlich der Taten des JI
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.3.b festgestellten Sachverhalt der Begünstigung schuldig gemacht. Die Kammer konnte nicht feststellen, bei wie vielen Gelegenheiten und zu welchen genauen Zeitpunkten die Abdeckrechnungen an JI übergeben worden sind. Die Kammer ist daher zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass sämtliche Rechnungen - auch die nicht vom Angeklagten T geschriebenen - bei einer Gelegenheit an JI übergeben wurden. Die Kammer ist somit von lediglich einer Tathandlung ausgegangen. Da die Kammer den Übergabezeitpunkt der Abdeckrechnungen nicht feststellen konnte, kann sie auch nicht beurteilen, ob die unter B.II.3.b geschilderten Taten des JI im Zeitpunkt der Übergabezeit bereits beendet waren (eine Feststellung, die für die Annahme einer Beihilfe an sich nötig wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.2019 - 1 StR 450/18; vom 07.06.2021 - 1 StR 314/20). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Beschluss vom 01.09.2020 - 1 StR 58/19) sind Taten gemäß § 266a Abs. 1 und 2 StGB beendet mit dem fruchtlosen Verstreichenlassen des Fälligkeitszeitpunktes für das Entrichten der Sozialversicherungsbeiträge. Ebenso waren die Lohnsteuerhinterziehungen mit dem Verstreichenlassen der monatlichen Fälligkeitstermine beendet (Gehm, NZWiSt 2021, 20, 21). Es kommt daher sowohl eine Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 22 Fällen und zur Lohnsteuerhinterziehung in 22 Fällen (wenn die Übergabe vor Beendigung der Taten erfolgt ist) als auch eine Begünstigung (wenn die Übergabe nach Beendigung der Taten erfolgt ist) in Betracht.
Tatbestandlich - in objektiver und subjektiver Hinsicht - waren mit Ausnahme der zeitlichen Fixierungen von Haupt- und Unterstützungstat die Voraussetzungen sowohl der Beihilfe als auch der Begünstigung gegeben. Der Angeklagte unterstützte JI wissentlich und willentlich bei dessen Abgabenhinterziehung. Dabei war auch die für § 257 Abs. 1 StGB notwendige Absicht beim Angeklagten gegeben. Denn es kam dem Angeklagten nach sicherer Überzeugung der Kammer auch - im Sinne eines Zwischenziels (was ausreicht, vgl. BGH, Beschluss vom 31.07.1992 - 2 StR 259/92) - darauf an, dass JI durch die Einbuchung der Abdeckrechnungen Abgaben hinterziehen kann, weil er, X, nur auf diese Weise seine eigenen mit dem Herstellen und Vertreiben von Abdeckrechnungen verbundenen wirtschaftlichen Interessen erreichen konnten. Nur wenn seine Kunden durch die Verwendung der Abdeckrechnungen ihren Gewinn machten, war auch sein eigener Gewinn in seinem auf Dauer angelegten "Rechnungsschreiberbetrieb" gesichert.
Die in einer solchen Konstellation (verschiedene, nicht weiter aufklärbare Sachverhaltsalternativen) gebotene, einer wahldeutigen Verurteilung wegen "Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 22 Fällen und zur Lohnsteuerhinterziehung in 22 Fällen oder Begünstigung" vorzuziehende Anwendung des Zweifelssatzes ergibt, dass von der für den Angeklagtem mit Blick auf die Obergrenze der jeweiligen Strafrahmen "günstigeren" Sachverhaltsalternative ausgegangen werden muss (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 1 Rn. 35 m.w.N.). Aus der in § 257 Abs. 3 Satz 1 StGB enthaltenen Subsidiaritätsklausel ergibt sich nichts Abweichendes (vgl. Cramer in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 257 Rn. 31 Fn. 155 m.w.N.; vgl. dazu auch LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 05.02.2020 - 18 KLs 503 Js 135/16 (2), juris Rn. 138 ff., gebilligt von BGH, Beschluss vom 29.10.2020 - 1 StR 264/20).
Vorliegend ist der Strafrahmen des § 257 StGB (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) der für den Angeklagten günstigere Strafrahmen. Bei einer Verurteilung wegen Beihilfe muss zunächst der Strafrahmen für die Haupttaten ermittelt werden. Die Kammer ist insoweit der Auffassung, dass die Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt des JI unter Abwägung aller Umstände als unbenannter besonders schwerer Fall gemäß § 266a Abs. 4 Satz 1 StGB (in der hier maßgeblichen Fassung vom 23.07.2004) einzustufen sind. JI hat über einen längeren Zeitraum Beiträge vorenthalten, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle von nicht unerheblicher Dauer und einigem Umfang zu verschaffen und somit gewerbsmäßig gehandelt. Zudem hat er sich zur Verschleierung seiner Taten eine Vielzahl von Abdeckrechnungen für mehrere Jahre besorgt. Dazu hat er sich an die Angeklagten gewandt, hat also den Kreis der in die Taten verwickelter Personen erweitert, die den Verkauf von Abdeckrechnungen ebenfalls gewerbsmäßig betrieben haben. JI hat zudem mit direktem Vorsatz und zur persönlichen Bereicherung gehandelt. Der Strafrahmen des § 266a Abs. 4 Satz 1 StGB wäre insoweit auch der maßgebliche Bezugspunkt, weil der Strafrahmen der anderen Haupttaten (Steuerhinterziehungen bezüglich der Lohnsteuer, § 370 Abs. 1 AO; einen besonders schweren Fall gem. § 370 Abs. 3 Satz 1 AO sieht die Kammer nach Abwägung aller Umstände nicht) milder ist.
Der somit gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 StGB gegebene Ausgangsstrafrahmen des § 266a Abs. 4 Satz 1 StGB (Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren) wäre nach Maßgabe von § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB gemäß § 49 Abs. 1 StGB auf einen Strafrahmen mit einer Obergrenze von 7 Jahren 6 Monaten zu mildern. Dieser gemilderte Strafrahmen wäre dann gemäß § 28 Abs. 1 StGB erneut zu mildern, da dem Angeklagten die Arbeitgebereigenschaft des JI als besonderes persönliches Merkmal fehlt, die Voraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 266a StGB ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.06.2011 - 1 StR 90/11). Daher verbleibt nach erneuter Anwendung des § 49 Abs. 1 StGB ein Strafrahmen mit einer Obergrenze von 5 Jahren und 7 Monaten. Der Strafrahmen des § 257 StGB mit einer Obergrenze von 5 Jahren ist somit der mildere Strafrahmen.
b) Begünstigung hinsichtlich der Taten des ZJ
Der Angeklagte X hat sich durch den unter B.II.3.d festgestellten Sachverhalt der Begünstigung schuldig gemacht. Die Kammer konnte auch hier nicht feststellen, bei wie vielen Gelegenheiten und zu welchen genauen Zeitpunkten die Abdeckrechnungen übergeben worden sind. Sie ist daher zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass sämtliche Rechnungen - auch die nicht vom Angeklagten T geschriebenen - bei einer Gelegenheit an ZJ übergeben wurden. Die Kammer ist somit von lediglich einer Tathandlung ausgegangen. Da die Kammer den Übergabezeitpunkt nicht feststellen konnte, kann sie auch nicht beurteilen, ob die Taten des ZJ zum Übergabezeitpunkt bereits beendet waren. Es kommt daher sowohl eine Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 49 Fällen (wenn die Übergabe vor Beendigung der Taten erfolgt ist) als auch eine Begünstigung (wenn die Übergabe nach Beendigung der Taten erfolgt ist) in Betracht.
Tatbestandlich - in objektiver und subjektiver Hinsicht - waren die Voraussetzungen sowohl der Beihilfe als auch der Begünstigung gegeben. Der Angeklagte unterstützte ZJ wissentlich und willentlich bei dessen Abgabehinterziehung. Dabei kam dem Angeklagten nach sicherer Überzeugung der Kammer auch darauf an, dass ZJ durch die Einbuchung der Abdeckrechnungen Abgaben hinterziehen kann, weil er, X, nur auf diese Weise seine eigenen mit dem Herstellen und Vertreiben von Abdeckrechnungen verbundenen wirtschaftlichen Interessen erreichen konnten.
Es gelten insoweit weiter die soeben bei a) dargelegten rechtlichen Grundsätze zur Heranziehung des günstigeren Strafrahmens der Haupttat. Vorliegend ist der Strafrahmen des § 257 StGB (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren) der für den Angeklagten günstigere Strafrahmen. Denn die Kammer ist insoweit auch hier der Auffassung, dass die Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt unter Abwägung aller Umstände als unbenannter besonders schwerer Fall gemäß § 266a Abs. 4 Satz 1 StGB einzustufen sind. ZJ hat über einen längeren Zeitraum Beiträge vorenthalten, um sich eine fortlaufende Einnahmequelle von nicht unerheblicher Dauer und einigem Umfang zu verschaffen und somit gewerbsmäßig gehandelt. Zudem hat er sich zur Verschleierung seiner Taten eine Vielzahl von Abdeckrechnungen für mehrere Jahre besorgt. Dazu hat er sich an die Angeklagten gewandt, die den Verkauf von Abdeckrechnungen ebenfalls gewerbsmäßig betrieben haben. ZJ hat zudem mit direktem Vorsatz und zur persönlichen Bereicherung gehandelt. Die sich aus der Heranziehung des erhöhten Regelstrafrahmens ergebenden Konsequenzen sind die gleichen wie die soeben unter a) dargelegten; hierauf wird verwiesen.
II. Der Angeklagte T
Der Angeklagte T hat sich der Begünstigung in drei tatmehrheitlichen Fällen und der Begünstigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen schuldig gemacht.
1. Begünstigung mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.4 festgestellten Sachverhalt der Begünstigung in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung in 205 tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht. Außerdem kam es T beim Tippen der Rechnungen für das Jahr 2012 darauf an, dass die Straftaten des Angeklagten X (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im Jahr 2012, Lohnsteuerhinterziehung im Jahr 2012) bei der Betriebsprüfung unentdeckt blieben; weiter sollten dem Angeklagten X die Gewinne aus diesen Straftaten erhalten bleiben. Da T zu einem Zeitpunkt handelte, in dem die Straftaten aus dem Jahr 2012 bereits beendet waren, liegt insoweit keine Beihilfe, sondern Begünstigung vor. Die Kammer ist dabei zugunsten des Angeklagten von lediglich einer tateinheitlich begangenen Tat ausgegangen, da sie mangels anderer sicherer Erkenntnisse diesbezüglich davon ausgegangen ist, dass sämtliche Urkunden durch den Angeklagten T bei einer Gelegenheit an den Angeklagten X übergeben worden sind.
2. Begünstigung in drei tatmehrheitlichen Fällen
a) Begünstigung hinsichtlich der Taten (Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt im Jahr 2013, Lohnsteuerhinterziehung im Jahr 2013) des Angeklagten X 2013
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.1.a-c festgestellten Sachverhalt der Begünstigung schuldig gemacht. Indem er im Februar 2014 Rechnungen für das Jahr 2013 der Firmen V und TA an die Firma H tippte und an X weitergab, die tatsächlich nicht von V und TA ausgestellt waren und denen auch keine erbrachten Leistungen zugrunde lagen, hat sich der Angeklagte T der Begünstigung hinsichtlich des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und der Lohnsteuerhinterziehung des Angeklagten X im Jahr 2013 schuldig gemacht. T kam es beim Tippen der Rechnungen auch darauf an, dass die genannten Straftaten des Angeklagten X unentdeckt und ihm die Gewinne aus diesen Straftaten erhalten bleiben. Dies deshalb, weil er, T, weiter von der Zusammenarbeit mit X finanziell profitieren wollte. Voraussetzung dafür war, dass dem Angeklagten X seinerseits die Vorteile seiner Taten erhalten blieben. Da T zu einem Zeitpunkt handelte, in dem die Haupttaten aus dem Jahr 2013 bereits beendet waren, liegt insoweit keine Beihilfe, sondern Begünstigung vor. Die Kammer ist dabei zugunsten des Angeklagten von lediglich einer Tat ausgegangen, da sie mangels anderer sicherer Erkenntnisse angenommen hat, dass sämtliche Rechnungen für das Jahr 2013 bei einer Gelegenheit von T an X übergeben worden sind.
b) Begünstigung hinsichtlich der Taten des JI
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.3.b festgestellten Sachverhalt der Begünstigung schuldig gemacht. Die Kammer konnte nicht feststellen, bei wie vielen Gelegenheiten und zu welchen Zeitpunkten genau die vom Angeklagten T erstellten Abdeckrechnungen an JI übergeben worden sind. Sie ist daher zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen, dass sämtliche Rechnungen bei einer Gelegenheit an JI übergeben wurden. Da der Übergabezeitpunkt nicht festzustellen war, kann die Kammer auch nicht beurteilen, ob die Taten des JI zum Übergabezeitpunkt bereits beendet waren. Es kommt daher sowohl eine Beihilfe zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in 11 Fällen und zur Lohnsteuerhinterziehung in 11 Fällen in Betracht als auch eine Begünstigung. Die an diesen Befund anknüpfenden rechtlichen Folgerungen sind die gleichen wie die zum Angeklagten X ausgeführten. Darauf wird verwiesen (oben D.I.7.a).
c) Begünstigung hinsichtlich der Taten des ZJ
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.3.d festgestellten Sachverhalt der Begünstigung schuldig gemacht. Die Kammer konnte hier ebenso wenig feststellen, bei wie vielen Gelegenheiten und zu welchen genauen Zeitpunkten die vom Angeklagten T erstellten Abdeckrechnungen an ZJ übergeben worden sind. Die an diesen Befund anknüpfenden rechtlichen Folgerungen sind die gleichen wie die zum Angeklagten X ausgeführten. Darauf wird verwiesen (oben D.I.7.a). Im Ergebnis ist damit auch hier der Strafrahmen des § 257 StGB heranzuziehen, weil er mit einer Obergrenze von 5 Jahren der mildere ist.
3. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen (RP)
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.3.a festgestellten Sachverhalt einer Beihilfe zur Steuerhinterziehung in zwölf Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Auf oben D.I.5 wird ergänzend verwiesen.
4. Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen (ZM)
Der Angeklagte T hat sich durch den unter B.II.3.c festgestellten Sachverhalt der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in sechs Fällen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO, §§ 27, 52 StGB schuldig gemacht. Auf oben D.I.6 wird ergänzend verwiesen.
E. Strafzumessung
1. Richtigkeit der Entscheidung
Das Urteil ist in rechtlicher Hinsicht überwiegend überzeugend, insbesondere hinsichtlich der systematischen Aufarbeitung der Straftaten. Die Kammer orientierte sich an gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, etwa zur Tatvollendung und -beendigung bei Steuerhinterziehung durch Unterlassen. Allerdings wirft die Anwendung des Zweifelssatzes bei der Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung Fragen auf, die insbesondere die Praxis der wahldeutigen Verurteilung betreffen.
2. Behandlung der zentralen Themen
a) Steuerhinterziehung
Die Entscheidung bestätigt, dass jede unterlassene Lohnsteueranmeldung eine eigenständige Steuerhinterziehung durch Unterlassen darstellt (vgl. BGH, Beschl. v. 21.04.2016 – 1 StR 122/16). Der Ansatz, Netto- zu Bruttolöhnen hochzurechnen, ist rechtlich zulässig, sofern keine präzisen Nachweise vorliegen. Dennoch bleiben Herausforderungen bei der Beweisführung, insbesondere bei der Bestimmung des Mindestschuldumfangs. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach die Steuerhinterziehung durch Unterlassen mit Ablauf der Abgabefrist vollendet und beendet ist (BGH, 1 StR 344/08).
b) Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Die Kammer wendet § 266a StGB konsequent an und berücksichtigt die Strafschärfung durch gewerbsmäßiges Handeln. Die wiederholte und systematische Verletzung der Beitragspflichten durch Schwarzarbeit sowie die Verschleierung durch Abdeckrechnungen stellen unbenannte besonders schwere Fälle dar.
c) Begünstigung und Beihilfe
Das Urteil hebt hervor, dass unklar blieb, ob die Haupttaten der Käufer von Abdeckrechnungen im Zeitpunkt des Erwerbs bereits beendet waren. Hier zeigt sich die Bedeutung des Zweifelssatzes, der zur Anwendung der milderen Vorschriften (§ 257 StGB für Begünstigung) führte. Diese differenzierte Betrachtung zeigt die Herausforderung, Täterhandlungen im Kontext kollusiver Zusammenarbeit abzugrenzen.
d) Urkundenfälschung und Abdeckrechnungen
Die als "Abdeckrechnungen" bezeichneten fingierten Rechnungen dienten sowohl der Verschleierung der Schwarzarbeit als auch der Steuerhinterziehung. Die Erstellung solcher Scheinrechnungen erfüllt den Tatbestand der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), wenn sie in Täuschungsabsicht verwendet werden. Der arbeitsteilige Einsatz dieser Rechnungen verdeutlicht die organisatorische Komplexität solcher Delikte.
e) Wahldeutige Verurteilung und Zweifelssatz
Die Kammer legt richtigerweise den Zweifelssatz zugrunde, wenn unklar bleibt, ob eine Unterstützungshandlung vor oder nach Beendigung der Haupttat stattfand. Die Differenzierung zwischen Beihilfe (§ 27 StGB) und Begünstigung (§ 257 StGB) ist praxisrelevant, da sie sich auf Strafrahmen und Strafzumessung auswirkt.
f) Unterlassen
Die Unterlassungsdelikte, insbesondere bei der Lohnsteueranmeldung und Sozialversicherungsmeldung, wurden konsequent als eigenständige Straftaten gewertet. Die Kammer unterstreicht die Pflichten der Arbeitgeber zur ordnungsgemäßen Meldung und Abführung von Abgaben, auch bei unklaren Beschäftigungsverhältnissen.
3. Lernziele und Auswirkungen
Das Urteil verdeutlicht mehrere Schlüsselaspekte:
- Klarheit der Beweismittel: Präzise und nachvollziehbare Feststellungen sind entscheidend für die rechtliche Einordnung der Taten, insbesondere bei der Berechnung des Schuldumfangs.
- Bedeutung des Zweifelssatzes: Dieser ist ein zentraler Garant für die Wahrung von Verfahrensrechten in Fällen, in denen Sachverhaltsunklarheiten bestehen.
- Strafschärfung durch Gewerbsmäßigkeit: Wiederholte Verstöße gegen steuer- und sozialversicherungsrechtliche Pflichten in organisierter Form ziehen deutlich verschärfte Strafen nach sich.
- Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung: Die zeitliche Komponente bei der Tatbeendigung spielt eine maßgebliche Rolle bei der rechtlichen Qualifikation der Unterstützungshandlung.
4. Abweichende Meinungen und Urteile
Das Urteil stützt sich weitgehend auf gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa zur Steuerhinterziehung durch Unterlassen und zur Tatbeendigung. Abweichende Meinungen betreffen insbesondere:
- Die Höhe des zu schätzenden Schadens, wobei die Heranziehung des Eingangssteuersatzes der Lohnsteuerklasse VI als methodisch nicht unumstritten gilt.
- Die Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung, bei der sich andere Gerichte für eine restriktivere Anwendung des Zweifelssatzes ausgesprochen haben.
5. Fazit
Das Urteil ist ein praxisnahes Beispiel für die strafrechtliche Behandlung von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. Es zeigt auf, wie wichtig eine sorgfältige Tatbestandsprüfung ist, insbesondere bei der Abgrenzung von Beihilfe und Begünstigung sowie bei der Bewertung von Unterlassungsdelikten. Die Anwendung des Zweifelssatzes ist in Fällen unklarer Tatbeendigung unerlässlich, auch wenn dies zu milden Urteilen führen kann. Das Urteil bietet wertvolle Orientierung für die Praxis und zeigt zugleich, dass die Beweisführung in solchen Verfahren oft komplex und lückenhaft bleibt.
Annotations
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 21. April 2016 beschlossen :
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 27. Oktober 2015 wird als unbegründet verworfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Soweit das Landgericht „zu Gunsten des Angeklagten“ (UA S. 6) hinsichtlich der durch Nichtabgabe von Lohnsteueranmeldungen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begangenen Steuerhinterziehungen von lediglich einer Unterlassungstat jährlich ausgegangen ist, hält dies rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Gemäß § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der Lohnsteuer-Anmeldezeitraum grundsätzlich der Kalendermonat. Wenn die Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 1.080 Euro (im Tatzeitraum 2009 – 2013: 1.000 Euro), aber nicht mehr als 4.000 Euro betragen hat, ist das Kalendervierteljahr der Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum (§ 41a Abs. 2 Satz 2 1. HS EStG). Lediglich dann, wenn die Lohnsteuer für das vergangene Kalenderjahr nicht mehr als 1.080 Euro (im Tatzeitraum: 1.000 Euro) betragen hat, ist der Lohnsteueranmeldungszeitraum das Kalenderjahr (§ 41a Abs. 2 Satz 2 2. HS EStG). Da diese Grenzen im Tatzeitraum jeweils überschritten wurden , hätte der Angeklagte jeweils monatliche Lohnsteueranmeldungen abgeben müssen. Die Nichtabgabe jeder einzelnen dieser Lohnsteueranmel-
dungen stellt eine eigenständige Steuerhinterziehung des Angeklagten durch Unterlassen dar (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Das Landgericht hätte deshalb die Besteuerungsgrundlagen für die jeweiligen monatlichen Anmeldezeiträume – soweit erforderlich durch Schätzung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 10. November 2009 – 1 StR 283/09, NStZ 2010, 635 sowie Jäger in Klein, AO, 12. Aufl., § 370 Rn. 98 mwN) – ermitteln und die verkürzte Lohnsteuer errechnen müssen.
Der Senat schließt jedoch aus, dass sich die rechtsfehlerhafte Zusammenfassung mehrerer Unterlassungstaten zu jährlich einer Tat zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Denn die unzutreffende Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses beeinflusst den materiellen Unrechts- und Schuldgehalt der Taten insgesamt nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 – 2BvR 2251/03, BVerfGK 3, 20; BGH, Beschlüsse vom 14. Januar2015 – 4 StR 440/14, Rn. 5, NStZ-RR 2015, 113 und vom 21. Januar 2014 – 2 StR 507/13; jeweils mwN). Das Landgericht hat auch für keine der Steu- erhinterziehungen wegen Verkürzung von Steuern in großem Ausmaß gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO die Strafe dem Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO für besonders schwere Fälle entnommen.
2. Der Umstand, dass das Landgericht bei gleichzeitigem Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen nach § 266a Abs. 1 StGB und Arbeitnehmerbeiträgen nach § 266a Abs. 2 Nr. 2 StGB entgegen der Rechtsprechung desSenats (vgl. BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2015 – 1 StR 76/15 Rn. 15, wistra 2015, 393 und vom 18. Mai 2010 – 1 StR 111/10, wistra 2010, 408) nicht von einer einheitlichen Tat, sondern von Tateinheit ausgegangen ist, beschwert den Angeklagten ebenfalls nicht. Denn die zusätzliche Verwirklichung von § 266a
Abs. 2 Nr. 2 StGB durfte im Rahmen des Schuldumfangs Berücksichtigung finden (vgl. BGH aaO). RiBGH Prof. Dr. Graf befindet sich im Urlaub und ist deshalb an der Unterschriftsleistung gehindert. Raum Raum Jäger Radtke Fischer
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
a) soweit die Angeklagte im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe verurteilt worden ist und
b) im gesamten Strafausspruch. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 14 Fällen und zur versuchten Steuerhinterziehung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft hat zur Verurteilung im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe und zum gesamten Strafausspruch Erfolg.
I.
- 2
- Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
- 3
- 1. Die Angeklagte wurde ab dem Jahr 1994 von ihrem damaligen Lebensgefährten B. S. , der in V. das Bordell „Club C. “ betrieb, als Scheinbetriebsinhaberin vorgeschoben. Tatsächlich arbeitete die Angeklagte lediglich an der Theke mit und übernahm für B. S. , dem die Gaststättenkonzession entzogen worden war, die erforderlichen Abrechnungen und andere organisatorische Tätigkeiten. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit wurde die Angeklagte mit Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 20. September 2002 rechtskräftig für Taten, die vor dem Jahr 2000 beendet waren, wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung in 16 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen betreffend ein von ihr selbst betriebenes Bordell zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt.
- 4
- 2. In den Jahren 2000 bis 2003 unterstützte die Angeklagte ihren Lebensgefährten B. S. weiterhin beim Betrieb des Bordells und bei der Verschleierung der damit erzielten Einkünfte. Sie befolgte dessen auf Steuerverkürzung gerichtete Anweisungen, indem sie auf sein Geheiß Rechnungsbelege von Lieferanten in bar beglich und B. S. die Tageseinnahmen des Bordells überbrachte. Zudem hielt sie Kontakt zu den angestellten Thekenkräften, die sie anwies, die Einnahmen aus der Prostitution und dem Verkauf von Getränken nur für die Abrechnung mit den Prostituierten aufzuzeichnen und danach zu vernichten. Dabei war ihr bekannt, dass die von B. S. jeweils eingesetzten Scheinbetriebsinhaber nicht die tatsächlich erzielten Einnahmen aus dem Bordell, sondern nur fingierte Umsätze und Ge- winne von nicht existierenden Gewerben der Zimmervermietung bzw. des Betriebs einer „Bar mit Animierbetrieb“ gegenüber den Steuerbehörden erklärten.
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- 3. B. S. gab bei den Finanzbehörden hinsichtlich des von ihm geführten Bordells und der hierbei erzielten Umsätze und Gewinne für die Jahre 2000 bis 2003 keine Steuererklärungen ab. Zur Verschleierung des wahren Sachverhalts veranlasste er - was die Angeklagte wusste - jeweils Strohleute , darunter seinen Sohn, den Mitangeklagten M. S. , für fingierte Einzelunternehmen der gewerblichen Zimmervermietung und einer Schankwirtschaft Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Einkommensteuererklärungen abzugeben. Diese Steuererklärungen enthielten erfundene Angaben zu Umsätzen und Gewinnen, die plangemäß jeweils erheblich unter den tatsächlichen Umsätzen und Gewinnen des von B. S. betriebenen Bordells lagen.
- 6
- a) Für die Jahre 2000 und 2001 gab M. S. am 4. Juni 2002 in Absprache mit B. S. im eigenen Namen jeweils Einkommen-steuer-, Gewerbesteuer- und Umsatzsteuererklärungen mit fingierten Angaben ab (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe). Hierdurch wurden zugunsten von B. S. Umsatz-, Gewerbe- und Einkommensteuer in einer Gesamthöhe von 328.600 Euro hinterzogen.
- 7
- b) Im Jahr 2002 meldeten die Eheleute G. zur Verschleierung des Bordellbetriebes B. S. s Scheingewerbe für Zimmervermietung und Schankwirtschaft an. Auf Veranlassung B. S. s gaben sie für die Monate März bis Dezember 2002 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Da B. S. auch weiterhin keine Steuererklärungen einreichte, verkürzte er für das Jahr 2002 durch Unterlassen Umsatzsteuer in Höhe von 85.600 Euro und unternahm den Versuch der Verkürzung von Gewerbesteuer im Umfang von 23.400 Euro sowie von Einkommensteuer von 81.400 Euro (Fälle II. B. 2. bis 4. der Urteilsgründe).
- 8
- c) In den Monaten Februar bis Juni und August 2003 unterstützte M. K. , der zum Schein eine Schankwirtschaft und einen Animierbetrieb angemeldet hatte, B. S. durch die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen , die jeweils fiktive Umsätze enthielten. B. S. selbst gab auch für das Jahr 2003 keine Umsatzsteuervoranmeldungen ab und verkürzte hierdurch monatlich Umsatzsteuer in Höhe von jeweils annähernd 6.000 Euro (Fälle II. B. 5. bis 16. der Urteilsgründe).
- 9
- d) Im Januar bzw. Februar 2004 wurden gegen B. S. und die Angeklagte steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet.
- 10
- 4. Im Fall der am 4. Juni 2002 von M. S. eingereichten Steuererklärungen (Fall II. B. 1. der Urteilsgründe) hat das Landgericht B. S. als (Mit-)Täter einer Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) und die Angeklagte als seine Gehilfin (§ 27 StGB) angesehen. In den übrigen Fällen hat die Strafkammer das Verhalten der Angeklagten jeweils tatmehrheitlich als Beihilfe zu von B. S. begangenen Steuerhinterziehungen gewertet.
II.
- 11
- Die Revision der Staatsanwaltschaft erfasst nur im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe auch den Schuldspruch; im Übrigen ist sie wirksam auf den Strafausspruch beschränkt.
- 12
- Die Staatsanwaltschaft beanstandet zwar allgemein die Verletzung materiellen Rechts. Aus der lediglich zum Strafausspruch ausgeführten Sachrüge ergibt sich jedoch, dass der Schuldspruch grundsätzlich nicht angegriffen wird (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 1 Antrag 3 und 5; BGH wistra 2007, 112, 113; BGH, Urt. vom 16. Juni 2005 - 5 StR 140/05; vgl. auch Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dies gilt indes nicht für den Fall II. B. 1. der Urteilsgründe. Zwar wendet sich die Staatsanwaltschaft insoweit vordergründig nur gegen die Gesamtstrafenbildung ; denn sie macht geltend, die Strafkammer hätte statt einer zwei Gesamtstrafen bilden müssen, weil die Umsatzsteuerhinterziehung B. S. s für die Jahre 2000 und 2001, zu der die Angeklagte Beihilfe geleistet habe, bereits vor der Vorverurteilung der Angeklagten durch das Landgericht Bielefeld vom 20. September 2002 beendet gewesen sei. Deshalb sei die hierfür zu verhängende Einzelstrafe mit den Strafen aus der Vorverurteilung gesamtstrafenfähig gewesen. Zu diesem Ergebnis gelangt die Staatsanwaltschaft aber nur deshalb, weil sie sich zugleich gegen den Schuldspruch wendet, indem sie geltend macht, die Umsatzsteuerhinterziehungen B. S. s bezüglich der Jahre 2000 und 2001 seien bereits beendet gewesen, als M. S. am 4. Juni 2002 mit weiteren Steuererklärungen auch unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Jahre 2000 und 2001 beim Finanzamt eingereicht hat. Sie rügt damit, dass die Angeklagte nicht (bereits) wegen Beihilfe zu bereits im Mai 2001 bzw. Mai 2002 beendeten Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) B. S. s, sondern (erst) zu einer von B. S. am 4. Juni 2002 gemeinschaftlich mit M. S. begangenen Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) in sechs tateinheitlichen Fällen verurteilt worden ist. Damit beanstandet die Staatsanwaltschaft auch das vom Landgericht angenommene konkurrenzrechtliche Verhältnis der im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe abgeurteilten Taten.
III.
- 13
- Der Schuldspruch im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 14
- Entgegen der Auffassung der Strafkammer waren die von B. S. begangenen Steuerhinterziehungen durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) für die Jahre 2000 und 2001 jeweils bereits mit Ablauf des Monats Mai des Folgejahres vollendet und beendet. Damit war zu diesen Zeitpunkten jeweils auch die Beihilfe der Angeklagten zu diesen Taten beendet (vgl. BGHSt 20, 227, 228; Fischer, StGB 55. Aufl. § 78a Rdn. 4).
- 15
- 1. B. S. war als Betreiber des Bordells verpflichtet, für die in den Jahren 2000 und 2001 getätigten Umsätze jeweils bis zum 31. Mai des Folgejahres (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO) eine Umsatzsteuerjahreserklärung abzugeben (§ 18 Abs. 3 UStG). Indem er dies unterließ, ließ er die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis. Mit Ablauf der Abgabefrist war die entsprechende Umsatzsteuer jeweils verkürzt (§ 370 Abs. 4 Satz 1 AO) und der Tatbestand der Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) vollendet, da die Umsatzsteuererklärung als Steueranmeldung (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 Satz 1 AO). Zugleich war die Tat jeweils beendet (st. Rspr.; vgl. BGHSt 38, 165, 170; BGH wistra 1991, 215, 216). Diese Taten stehen damit nicht in Tateinheit mit den gemeinschaftlich von B. und M. S. am 4. Juni 2002 durch Einreichung unrichtiger Steuererklärungen begangenen Steuerhinterziehungen in der Form aktiven Tuns (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).
- 16
- 2. In der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung durch M. S. auf Veranlassung B. S. s am 4. Juni 2002 lag entgegen der Auffassung des Landgerichts auch keine strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) mit Wirkung für die Angeklagte. Zwar ist für die Selbstanzeige eine bestimmte Form nicht vorgeschrieben (vgl. Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht 6. Aufl. § 371 AO Rdn. 65); daher kann auch in der Abgabe einer Steuererklärung eine Selbstanzeige liegen. Bei der strafbefreienden Selbstanzeige handelt es sich aber um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund (vgl. Joecks aaO Rdn. 32 m.w.N.), der grundsätzlich nur dem Täter oder Teilnehmer zugute kommt, der die Selbstanzeige abgibt (vgl. Joecks aaO Rdn. 33). Die Angeklagte hat weder eine Selbstanzeige noch eine Steuererklärung abgegeben. Zudem setzt eine wirksame Selbstanzeige die Nachholung unterlassener oder die Berichtigung unrichtiger Angaben voraus. Jede Berichtigungserklärung erfordert aber wahrheitsgemäße Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen (BGHSt 3, 373, 375 f.). Daran fehlt es hier. Die von dem Mitangeklagten M. S. eingereichten Steuererklärungen enthielten ausschließlich fiktive und damit unrichtige Angaben zu einem erfundenen Sachverhalt, mit dem die Tätigkeit B. S. s als Bordellbetreiber verdeckt werden sollte. Damit liegt auch keine wirksame Teilselbstanzeige vor (vgl. dazu BGH wistra 1999, 27, 28; Joecks aaO Rdn. 75).
IV.
- 17
- Auch der Strafausspruch hat keinen Bestand.
- 18
- Aufgrund der Aufhebung des Schuldspruchs im Fall II. B. 1. der Urteilsgründe kann auch die für diesen Tatkomplex verhängte Einsatzstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe nicht bestehen bleiben. Dies zieht die Aufhebung des Gesamtstrafausspruchs nach sich. Der Senat hebt auch die übrigen - an sich fehlerfrei festgesetzten - Einzelstrafen zwischen vier Monaten Freiheitsstrafe und 20 Tagessätzen auf, um dem neuen Tatgericht eine stimmige Abstufung der Strafen zu ermöglichen. Damit kommt es auf die vom Generalbundesanwalt beanstandete, nicht der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GS NJW 2008, 860) entsprechende Form der Kompensation einer festgestellten rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung nicht mehr an.
(1) Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer als Arbeitgeber
- 1.
der für den Einzug der Beiträge zuständigen Stelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder - 2.
die für den Einzug der Beiträge zuständige Stelle pflichtwidrig über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt
(3) Wer als Arbeitgeber sonst Teile des Arbeitsentgelts, die er für den Arbeitnehmer an einen anderen zu zahlen hat, dem Arbeitnehmer einbehält, sie jedoch an den anderen nicht zahlt und es unterlässt, den Arbeitnehmer spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach über das Unterlassen der Zahlung an den anderen zu unterrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Satz 1 gilt nicht für Teile des Arbeitsentgelts, die als Lohnsteuer einbehalten werden.
(4) In besonders schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Beiträge vorenthält, - 2.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Beiträge vorenthält, - 3.
fortgesetzt Beiträge vorenthält und sich zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege von einem Dritten verschafft, der diese gewerbsmäßig anbietet, - 4.
als Mitglied einer Bande handelt, die sich zum fortgesetzten Vorenthalten von Beiträgen zusammengeschlossen hat und die zur Verschleierung der tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisse unrichtige, nachgemachte oder verfälschte Belege vorhält, oder - 5.
die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht.
(5) Dem Arbeitgeber stehen der Auftraggeber eines Heimarbeiters, Hausgewerbetreibenden oder einer Person, die im Sinne des Heimarbeitsgesetzes diesen gleichgestellt ist, sowie der Zwischenmeister gleich.
(6) In den Fällen der Absätze 1 und 2 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn der Arbeitgeber spätestens im Zeitpunkt der Fälligkeit oder unverzüglich danach der Einzugsstelle schriftlich
Liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 vor und werden die Beiträge dann nachträglich innerhalb der von der Einzugsstelle bestimmten angemessenen Frist entrichtet, wird der Täter insoweit nicht bestraft. In den Fällen des Absatzes 3 gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.