Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2024 - 2 StR 382/23

published on 30/06/2024 11:44
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Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2024 - 2 StR 382/23

Zusammenfassung des BGH-Urteils vom 27. März 2024 – 2 StR 382/23

Im Urteil vom 27. März 2024 (2 StR 382/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass es keinen Verfahrensfehler zugunsten des Angeklagten darstellt, wenn die Nebenklage und ihr Anwalt nicht am Selbstleseverfahren beteiligt werden. Das Landgericht hatte den Angeklagten unter anderem wegen Vergewaltigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Angeklagte legte Revision ein, unter anderem mit der Begründung, die Nebenklägerin beziehungsweise ihre Anwältin seien verfahrensfehlerhaft nicht am Selbstleseverfahren beteiligt worden.

Der 2. Strafsenat des BGH wies die Revision zurück und stellte klar, dass die Nebenklage zwar einen Anspruch darauf habe, am Selbstleseverfahren beteiligt zu werden, jedoch keine Pflicht zur Teilnahme bestehe. Das Selbstleseverfahren kann daher auch ohne Beteiligung der Nebenklage durchgeführt werden, ohne dass dies die Rechtsposition des Angeklagten beeinträchtigt.

Erklärung des Selbstleseverfahrens

Das Selbstleseverfahren ist ein Prozessverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO, bei dem bestimmte Urkunden und Dokumente nicht im Gerichtssaal vorgelesen, sondern den Verfahrensbeteiligten zum Selbstlesen zur Verfügung gestellt werden. Ziel ist es, die Verhandlung zu straffen und zu beschleunigen. Der Vorsitzende Richter muss festhalten, dass alle Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit hatten, die betreffenden Dokumente zur Kenntnis zu nehmen. Die Kenntnisnahme muss jedoch nicht dokumentiert werden, wenn die Nebenkläger und ihre Vertreter nicht am Selbstleseverfahren teilgenommen haben.

Entscheidungsgründe

Der BGH betonte, dass das Landgericht nicht verpflichtet war, die Beteiligung der Nebenklägerin oder ihrer Anwältin im Protokoll festzuhalten, um den ordnungsgemäßen Abschluss des Selbstleseverfahrens sicherzustellen. Auch ohne diese Feststellung war das Verfahren korrekt abgeschlossen, da das Recht des Angeklagten nicht beeinträchtigt wurde. Zudem hatte die Nebenklage ihre Nichtbeteiligung nicht beanstandet, wodurch keine Zweifel am Abschluss des Selbstleseverfahrens bestehen konnten.

Fazit

Diese Entscheidung verdeutlicht, dass das Selbstleseverfahren flexibel gehandhabt werden kann und die Verfahrensrechte der Hauptbeteiligten gewahrt bleiben, selbst wenn Nebenkläger und deren Anwälte nicht aktiv daran teilnehmen.

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Bundesgerichtshof

Urteil vom 27. März 2024 

Az.: 2 StR 382/23

 

 

Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 28. April 2023 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

 

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung und wegen Bedrohung zu vier Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A)

Nach den Feststellungen des Landgerichts forderte der Angeklagte am 13. Januar 2022 (Fall B.I. Urteilsgründe) in seiner Wohnung die Geschädigte W.        auf, an ihm Oralverkehr zu vollziehen. Als sie seiner Aufforderung nicht nachkam, verwies er sie der Wohnung und sandte ihr Textnachrichten, in denen er ihr und ihr nahestehenden Personen körperliche Gewalt androhte.

Am 27. April 2022 (Fall B.III. der Urteilsgründe) traf sich der Angeklagte mit der Nebenklägerin, der Geschädigten S.    , in deren Wohnung. Nachdem beide bis etwa 2:00 Uhr des Folgetages einen Film angesehen hatten, gingen sie zu Bett. Den Wunsch des Angeklagten nach Geschlechtsverkehr lehnte die Nebenklägerin ab und erklärte, auch keinen Oralverkehr ausüben zu wollen. Der Angeklagte entschloss sich nunmehr, den Oralverkehr auch gegen den Willen der Nebenklägerin zu vollziehen. Er kniete sich auf Brusthöhe über die Nebenklägerin, wobei er seine Knie links und rechts neben ihren Schultern positionierte und die Nebenklägerin dadurch einklemmte. Obwohl die Nebenklägerin mehrfach wiederholte, dies nicht zu wollen, drückte der Angeklagte seinen erigierten Penis in ihren Mund und vollzog den Oralverkehr. Auf die Aufforderung aufzuhören reagierte der Angeklagte nicht. Aus Furcht vor dem ihr physisch überlegenen Angeklagten setzte sich die Nebenklägerin nicht körperlich zur Wehr. Nach etwa fünf Minuten ließ der Angeklagte plötzlich von der Nebenklägerin ab und erklärte, dass er so „nicht kommen" könne.

B)

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.

I.

Die Rüge der Verletzung des § 261 StPO dringt nicht durch.

1. Die Revision beanstandet, in das Selbstleseverfahren gegebene Urkunden und Schriftstücke seien nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Das Selbstleseverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, es fehle an einer den Anforderungen des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO genügenden Feststellung. Hierzu trägt die Revision folgendes Verfahrensgeschehen vor:

Die Geschädigte S.   wurde als Nebenklägerin zugelassen und ihr antragsgemäß Rechtsanwältin K.    beigeordnet. Diese erhielt nach Vernehmung der Nebenklägerin am ersten Hauptverhandlungstag die Verfahrensakten zur Einsicht. Die Nebenklägerin war nur während ihrer Zeugeneinvernahme, ihre anwaltliche Vertreterin mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung am zweiten Hauptverhandlungstag durchgehend anwesend.

Am dritten Verhandlungstag ordnete der Vorsitzende an, dass in einer Tabelle aufgelistete, näher bezeichnete Unterlagen im Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt werden sollen. Widerspruch gegen die Anordnung wurde nicht erhoben. Sodann erhielten die Schöffen, der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, der Angeklagte und sein Verteidiger Kopien der in der Anordnung des Vorsitzenden genannten Urkunden ausgehändigt. Auch hiergegen wurde Widerspruch nicht erhoben.

Am fünften Hauptverhandlungstag traf der Vorsitzende – neben Feststellungen betreffend die Richter und Schöffen über deren Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden – folgende Feststellung: „Der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatten Gelegenheit, vom Wortlaut der vorgenannten Urkunden und Schriftstücke Kenntnis zu nehmen.“

Die Revision ist der Auffassung, diese Feststellung sei nicht geeignet, den formal ordnungsgemäßen Abschluss des Selbstleseverfahrens zu bewirken. Sie genüge nicht § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO, da zu den „übrigen Beteiligten", denen Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden zu geben sei, auch die Nebenklägerin und deren in der Hauptverhandlung überdies anwesende anwaltliche Vertreterin rechne.

2. Die Rüge hat keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sie in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt ist. Sie ist jedenfalls unbegründet. Zwar rechnet die Nebenklage zu den „übrigen Beteiligten“ im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO (nachfolgend a). Die Revision kann aber weder deren unterbliebene Beteiligung rügen (nachfolgend b) noch kann sie hier mit dem Vortrag durchdringen, die Feststellung des Vorsitzenden bleibe formal hinter dem zurück, was nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO festzustellen erforderlich gewesen wäre (nachfolgend c).

a) Die Nebenklage rechnet zu den übrigen Beteiligten im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO. Sie hat das Recht, dass ihr wie allen anderen Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gewährt wird, vom Wortlaut der von der Selbstleseanordnung erfassten Urkunden Kenntnis zu nehmen.

aa) Beteiligt im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO sind nicht nur die Personen, die ein Widerspruchsrecht nach § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO haben, sondern alle, die sich mit Anträgen und Erklärungen am Verfahren beteiligen können (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 249 Rn. 37). Dazu rechnet auch die Nebenklage. Ihr kommen in der Hauptverhandlung grundsätzlich die gleichen Rechte zu wie der Staatsanwaltschaft, auch wenn sie in den einzelnen Verfahrensvorschriften nicht besonders erwähnt wird (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 – 5 StR 748/78, BGHSt 28, 272, 273). Sie hat das Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, gehört zu werden und sich mit Anträgen oder Erklärungen an der Verhandlung zu beteiligen (§ 397 StPO). Diese Informations- und Partizipationsrechte ziehen eine Leseberechtigung der Nebenklage gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO nach sich, da die Verfahrensrechte der Nebenklage andernfalls nicht sinnvoll ausgeübt werden könnten (vgl. Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 73, 79; MüKo-StPO/Kreicker, 2. Aufl., § 249 Rn. 56; SK-StPO/Frister, 5. Aufl., § 249 Rn. 75).

bb) Die Nebenklage kann folglich beanspruchen, dass ihr Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut der ins Selbstleseverfahren gegebenen Urkunden gewährt wird, und zwar auch dann, wenn sie vor Anordnung der Selbstlesung bereits Einsicht in die Akten genommen oder Gelegenheit dazu hatte (vgl. MüKo-StPO/Kreicker, 2. Aufl., § 249 Rn. 56). Zwar regelt das Gesetz nicht die Art und Weise der Durchführung des Selbstleseverfahrens, sondern überlässt es der Verhandlungsleitung des Vorsitzenden, eine den jeweiligen Verfahrenserfordernissen und dem Umfang sowie dem Schwierigkeitsgrad der Lektüre angemessene Lösung zu finden (vgl. Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 81). § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO fordert aber, dass der Nebenklage, so sie dies will und nicht hierauf verzichtet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 422/10, NStZ 2011, 300; vom 10. Januar 2012 – 1 StR 587/11, NStZ 2012, 346, 347; Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 82; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 249 Rn. 37; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 249 Rn. 23; Schneider, NStZ 2022, 338, 340), in gleicher Weise und in gleichem Umfang wie den weiteren Verfahrensbeteiligten – namentlich Angeklagtem, Verteidiger und Staatsanwaltschaft – die im Wege des Selbstleseverfahrens einzuführenden Urkunden zur Kenntnis gebracht werden. Ebenso wie dem verteidigten Angeklagten müssen einem Nebenkläger mit anwaltlichem Beistand gegebenenfalls die vom Selbstleseverfahren umfassten Urkunden bzw. deren Wortlaut vom Gericht zugänglich gemacht werden; er kann nicht darauf verwiesen werden, sein Rechtsbeistand verfüge über eine (elektronische) Kopie des betreffenden Dokuments (vgl. MüKo-StPO/Kreicker, 2. Aufl., § 249 Rn. 56).

b) Die Revision des Angeklagten kann die Rüge der Verletzung des § 261 StPO aber – wie sie in der Hauptverhandlung vor dem Senat zutreffend vorgetragen hat – nicht darauf stützen, die Nebenklägerin sei entgegen § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht am Selbstleseverfahren beteiligt oder ihr keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme der ins Selbstleseverfahren gegebenen Unterlagen gegeben worden.

Wie ausgeführt ist die Nebenklage deswegen am Selbstleseverfahren „Beteiligte“ im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO, damit sie ihre Rechte wahrnehmen kann. Bleibt dies der Nebenklage verwehrt, ist der Rechtskreis des Angeklagten und seiner Verteidigung insoweit in keiner Weise berührt (zur „Rechtskreistheorie“ schon BGH, Beschluss vom 21. Januar 1958 – GSSt 4/57, BGHSt 11, 213, 214 ff.; Urteil vom 20. Januar 2004 – 1 StR 319/03, juris Rn. 28 mwN). Es obliegt vielmehr allein der Nebenklage, eine Verletzung ihrer Rechte bei der Durchführung des Selbstleseverfahrens geltend zu machen. Ihre Stellung als Verfahrensbeteiligte im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO gestattet es ihr nicht nur, selbst formlos darauf hinzuweisen, wenn der Durchführung des Selbstleseverfahrens Schwierigkeiten entgegenstehen (vgl. Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 73), sie kann – und muss, will sie sich die Geltendmachung in einem unter den Voraussetzungen des § 400 Abs. 1 StPO zulässigen Revisionsverfahren erhalten – bei Beeinträchtigung ihres Beteiligungs- und Informationsrechts das Gericht nach § 238 Abs. 2 StPO anrufen (vgl. Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 73).

Damit ist der Revision des Angeklagten auch der Einwand verwehrt, die hier getroffene Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO sei deswegen defizitär, weil durch sie belegt sei (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 2009 – 2 StR 280/09, juris Rn. 6 mwN), dass der Nebenklage keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO gegeben worden war.

c) Soweit die Rüge der Verletzung des § 261 StPO darauf gestützt wird, die Feststellung des Vorsitzenden nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO genüge in formeller Hinsicht nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie die Nebenklage nicht umfasse, dringt sie in der Sache nicht durch.

Die Nebenklage war nach dem Revisionsvorbringen an dem hier in Rede stehenden Selbstleseverfahren nicht beteiligt (nachfolgend aa). Ein Selbstleseverfahren kann aber unbeschadet der Rechte der Nebenklage aus § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO auch ohne deren Beteiligung durchgeführt werden (nachfolgend bb). Folglich fordert § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO in einem solchen Fall nicht, Feststellungen zu deren Gelegenheit zur Kenntnisnahme zu treffen, um das Selbstleseverfahren ordnungsgemäß abzuschließen und die davon umfassten Urkunden und Schriftstücke zum Gegenstand der Hauptverhandlung zu machen (nachfolgend cc).

aa) Nach dem von der Revision vorgetragenen Verfahrensgang war offenkundig, dass die Nebenklage am Selbstleseverfahren nicht beteiligt war. Dass sie sich dem Verfahren gemäß § 396 Abs. 1 StPO angeschlossen und aufgrund dessen oder aufgrund der ihr gewährten Akteneinsicht die (abstrakte) Möglichkeit hatte, sich Kenntnis vom Wortlaut der von der Selbstleseanordnung umfassten Urkunden zu verschaffen, stellt – wie oben bereits ausgeführt – schon keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO dar. Eine Beteiligung der Nebenklage am Selbstleseverfahren war dadurch nicht bewirkt und ist auch im Weiteren nicht erfolgt.

Die Nebenklägerin selbst war in der Hauptverhandlung – abgesehen von ihrer Zeugeneinvernahme – nicht anwesend und somit an einer Teilnahme am Selbstleseverfahren ersichtlich nicht interessiert. Ihre anwaltliche Vertreterin war zwar anwesend, nach dem durch das Hauptverhandlungsprotokoll bestätigten Revisionsvortrag gab der Vorsitzende indes zur Durchführung des zuvor angeordneten Selbstleseverfahrens Kopien der betroffenen Urkunden und Schriftstücke – aus welchen Gründen auch immer – lediglich an die Schöffen, den Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, den Angeklagten und seinen Verteidiger, also gerade nicht an die zu diesem Zeitpunkt anwesende Vertreterin der Nebenklägerin. Damit ist, wie die Revision selbst vorgetragen hat, offengelegt, dass der Vorsitzende die Nebenklage nicht als „übrige Verfahrensbeteiligte“ am Selbstleseverfahren beteiligt hat. Widerspruch hat die Vertreterin der Nebenklägerin nicht erhoben.

bb) Es steht der Einführung einer Urkunde im Wege des Selbstleseverfahrens nicht grundsätzlich entgegen, dass die Nebenklage am Selbstleseverfahren nicht beteiligt wird. Dass sie „übrige Beteiligte“ im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO ist und in der Hauptverhandlung ganz oder teilweise anwesend war, bedeutet nicht, dass ein Selbstleseverfahren ohne ihre Beteiligung nicht durchgeführt werden könnte.

(1) Die Nebenklage rechnet schon nicht zu den Verfahrensbeteiligten, denen ein Widerspruchsrecht gegen die Selbstleseanordnung nach § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO zuerkannt ist. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 2 StPO wie auch aus § 397 Abs. 1 StPO (vgl. MüKo-StPO/Kreicker, 2. Aufl., § 249 Rn. 55; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 249 Rn. 35; HK-StPO/Julius/Engelstätter, 7. Aufl., § 249 Rn. 31; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 66. Aufl., § 249 Rn. 21). Hieraus folgt bereits, dass ihr fehlendes Einverständnis der Durchführung eines Selbstleseverfahrens nicht entgegenstehen kann, damit – erst recht – nicht ihre Abwesenheit oder ihr fehlendes Interesse an der Beweiserhebung im Wege des Selbstleseverfahrens. Selbst wenn die Nebenklage in der Hauptverhandlung anwesend ist, sich gegen das Selbstleseverfahren ausspricht oder sich hieran nicht beteiligen will, steht dies der Beweiserhebung in dieser Form grundsätzlich nicht entgegen.

(2) Dem entspricht auch die Gesetzeshistorie. In seiner ersten Fassung nach Einführung durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1979 vom 5. Oktober 1978 (BGBl. I, S. 1645 ff.) sah § 249 Abs. 2 StPO als notwendige Voraussetzung für ein Absehen von der Verlesung von Urkunden oder anderen als Beweismittel dienenden Schriftstücken an, dass „die Staatsanwaltschaft, der Verteidiger und der Angeklagte hierauf verzichten“. Unabhängig von der Frage, ob – diesem Wortlaut widersprechend – gegebenenfalls auch ein Verzicht der Nebenklage erforderlich sein könnte (verneinend KK-StPO/Mayr, 1. Aufl. (1982), § 249 Rn. 37 mwN; bejahend Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, StPO, 24. Aufl. (1986), § 249 Rn. 55), bestand Einigkeit, dass § 249 Abs. 2 StPO jedenfalls keine Verzichtserklärung von solchen Verfahrensbeteiligten forderte, die – befugt oder unbefugt – der Hauptverhandlung fernblieben (vgl. Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, StPO, 24. Aufl. (1986), § 249 Rn. 56 mwN). Ziel der Einführung des Selbstleseverfahrens war es, umfangreiche Verfahren zu straffen, zu vereinfachen und zu beschleunigen (BT-Drucks. 8/976, S. 1; vgl. auch BT-Drucks. 12/6853, S. 1). Dementsprechend sollten Verfahrensbeteiligte, die unbefugt oder – wie insbesondere die Nebenklage – befugt einer Hauptverhandlung fernblieben, nicht die Macht haben, darüber zu bestimmen, in welcher Art und Weise ein Beweis in der Hauptverhandlung erhoben wird, zumal Umfang und Qualität der Beweiserhebung unverändert blieben (vgl. Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, StPO, 24. Aufl. (1986), § 249 Rn. 56). Durch die Änderung des § 249 Abs. 2 StPO durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 vom 21. Januar 1987 (BGBl. I, S. 475) – nunmehr Widerspruchsmöglichkeit statt notwendige Verzichtserklärung – sollte die Durchführung des Selbstleseverfahrens nicht erschwert oder eingeschränkt, sondern die Akzeptanz des Selbstleseverfahrens in der Praxis gefördert und das Absehen vom Verlesen weiter erleichtert werden (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 249 Rn. 31 mwN).

(3) Vor allem aber ist für die Nebenklage die Teilnahme am Selbstleseverfahren disponibel. Sie ist zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt, trotz Zulassung (§ 396 Abs. 2 StPO) hierzu aber nicht verpflichtet. Es steht ihr grundsätzlich frei zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie sich an einzelnen Verfahrensschritten in einer Hauptverhandlung beteiligt, ohne dass dadurch die Beweisgewinnung beeinflusst wird.

(a) Die Nebenklage kann nicht nur darauf verzichten, dass ihr Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden gegeben wird (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 – 1 StR 422/10, NStZ 2011, 300; vom 10. Januar 2012 – 1 StR 587/11, NStZ 2012, 346, 347; Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 82; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 249 Rn. 37; Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 249 Rn. 23; Schneider, NStZ 2022, 338, 340). Sie kann auch insgesamt und ohne ausdrückliche Erklärung von einer Teilnahme am Selbstleseverfahren absehen. So wie sie der Hauptverhandlung insgesamt fernbleiben kann oder an einer (angekündigten) Verlesung einer Urkunde in der Hauptverhandlung nicht teilnehmen muss, kann sie sich auch dafür entscheiden, dass das Selbstleseverfahren ohne ihre Beteiligung durchgeführt wird, ohne dass dadurch die Beweisgewinnung in der Hauptverhandlung in Frage stünde. In gleicher Weise steht es ihr frei, eine erkennbar unterlassene oder unterbliebene Beteiligung zu beanstanden oder auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO zu verzichten. Gesonderter Protokollierung bedarf dies nicht (vgl. auch zum Verzicht auf die Kenntnisnahmegelegenheit BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012 – 1 StR 587/11, NStZ 2012, 346, 347; Löwe/Rosenberg/Mosbacher, StPO, 27. Aufl., § 249 Rn. 82; aA MüKoStPO/Kreicker, 2. Aufl., § 249 Rn. 60).

(b) Auch die Regelung des § 398 StPO bestätigt die Rolle der Nebenklage als einer wegen ihrer Schutzbedürftigkeit zwar möglichen, für das Verfahren aber nicht notwendigen Verfahrensbeteiligten (MüKo-StPO/Valerius, § 398 Rn. 1). Die Nebenklage nimmt – wie der Privatkläger, vgl. § 397 StPO – nur ihr persönliches Interesse wahr; soweit sie es unterlässt, ihre Rechte auf Teilnahme am Verfahren auszuüben, nimmt dieses ohne Rücksicht auf sie seinen Fortgang, § 398 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1979 – 5 StR 748/78, BGHSt 28, 272, 273). Vorbehaltlich der Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln muss die Nebenklage bei Unterlassen der ihr zustehenden Beteiligung am Hauptverfahren dessen Ergebnisse so hinnehmen, wie sie sich ohne ihre Beteiligung gestaltet haben (vgl. RGSt 61, 385, 386). Nach § 398 Abs. 2 StPO kann die Hauptverhandlung auch dann durchgeführt werden, wenn die Nebenklage nicht mehr (rechtzeitig) geladen werden konnte. Sie kann ebenso durchgeführt werden, wenn die Nebenklage zwar noch geladen werden konnte, der Nebenkläger oder sein Verfahrensbevollmächtigter aber an der Teilnahme verhindert ist, gleich ob aus triftigem oder anderem Grund (vgl. Löwe/Rosenberg/Wenske, StPO, 27. Aufl., § 398 Rn. 3; MüKo-StPO/Valerius, § 398 Rn. 5 f.; KK-StPO/Allgayer, 9. Aufl., § 398 Rn. 3 je mwN). Diese Regelungen gelten für die gesamte Hauptverhandlung und belegen also auch für die Durchführung eines Selbstleseverfahrens, dass dieses grundsätzlich auch ohne Beteiligung des Nebenklägers durchgeführt werden kann.

(c) Wollte man die Durchführung des Selbstleseverfahrens von der Beteiligung der Nebenklage abhängig machen, setzte man sich überdies in Widerspruch dazu, dass die Abwesenheit der Nebenklage – auch die ungewollte Abwesenheit wegen Verhinderung (s.o.) – bei Verlesung der Urkunden und Schriftstücke (§ 249 Abs. 1 StPO) in der Hauptverhandlung unschädlich wäre. Der Gesetzgeber hat das Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO aber nicht als Ausnahme vom Grundsatz des Verlesens nach § 249 Abs. 1 StPO konzipiert, sondern als sachlich gleichwertige Alternative (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2020 – 5 StR 197/20, BGHSt 65, 155 gegen frühere anderslautende Rspr.; Mosbacher, NStZ 2013, 199, 202; Feldmann, wistra 2020, 1, 2 f.; zur Gesetzgebungsgeschichte auch Schlund, Das Selbstleseverfahren – Grund und Grenzen, 2018, S. 22 ff.). Die Einführung einer Urkunde in die Hauptverhandlung nach § 249 Abs. 2 StPO bedeutet gegenüber der Verlesung nach § 249 Abs. 1 StPO keinen Verzicht auf ein Beweismittel oder auf eine nach der Vorstellung des Gesetzes höherwertige Art der Beweisaufnahme, sondern lediglich die Wahl zwischen zwei für die Prozessbeteiligten gleichwertigen Arten der Einführung eines Beweismittels in die Hauptverhandlung; ebenso wenig kann § 249 Abs. 2 StPO sachlich als eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz des § 249 Abs. 1 StPO verstanden werden (BT-Drucks. 10/1313, S. 28). Auch das Mündlichkeits- oder das Öffentlichkeitsprinzip, dessen Einschränkung der Gesetzgeber mit der Einführung des § 249 Abs. 2 StPO überdies bewusst in Kauf genommen hat (BT-Drucks. 10/1313, S. 28), gebietet nicht, die Durchführung eines Selbstleseverfahrens von der Beteiligung der Nebenklage abhängig zu machen.

cc) Kann das Selbstleseverfahren auch ohne Beteiligung der Nebenklage durchgeführt werden, kann folglich in einem solchen Fall auch § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO für den ordnungsgemäßen Abschluss des Selbstleseverfahrens nicht gebieten, Feststellungen zu deren Gelegenheit zur Kenntnisnahme zu treffen. Denn andernfalls könnte eine dem Verfahrensgang entsprechende Feststellung den Abschluss des Selbstleseverfahrens niemals bewirken. Zwar muss die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO grundsätzlich auch die Nebenklage bzw. deren Gelegenheit zur Kenntnisnahme umfassen, wenn sie – anders als hier – am Selbstleseverfahren beteiligt war. Dass der Vorsitzende indes dem tatsächlichen Verfahrensgeschehen zuwider ausnahmslos feststellen müsste, dass alle „übrigen“ am Hauptverfahren Beteiligten Gelegenheit gehabt hatten, vom Wortlaut der ins Selbstleseverfahren gegebenen Urkunden Kenntnis zu nehmen, lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO noch dessen Sinn und Zweck ableiten.

(1) Nach dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO ist „die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu“ festzustellen.

(a) Gefordert ist demnach, die tatsächlich gewährte – entgegen dem Revisionsvorbringen nicht eine lediglich abstrakt mögliche – „Gelegenheit“ im vorbeschriebenen Sinn des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO festzustellen. Zwar wäre durch die Feststellung nach § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht bewiesen, dass die davon umfassten Beteiligten tatsächlich Gelegenheit zur Kenntnisnahme im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO hatten (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 – 3 StR 76/10, NJW 2010, 3382, 3383; zur negativen Beweiskraft auch BGH, Beschluss vom 30. September 2009 – 2 StR 280/09, juris Rn. 6 mwN). Auch könnte der Angeklagte eine die Nebenklage umfassende Feststellung nicht mit dem Einwand beanstanden, der Nebenklage sei in Wahrheit (wenngleich entgegen § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO) keine Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährt worden (s.o.). Der Wortlaut des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO („die Gelegenheit“) fordert aber vom Vorsitzenden nicht, Feststellungen zu treffen, die dem tatsächlichen Verfahrensgang widersprechen. Anderes wäre unvereinbar damit, dass das Protokoll eine zuverlässige Grundlage für die Feststellung schaffen soll, ob der Ablauf der Hauptverhandlung den gesetzlichen Vorschriften entsprochen hat und die wesentlichen Förmlichkeiten beachtet wurden (§ 273 Abs. 1 StPO; KK-StPO/Greger, 9. Aufl., § 271 Rn. 1).

(b) Ebenso wenig ist nach dem Wortlaut des § 249 Abs. 2 StPO gefordert, dass die zu treffende Feststellung ausnahmslos die Formulierung „übrige Beteiligte“ enthält. Die zu treffende Feststellung entspricht auch dann den gesetzlichen Erfordernissen, wenn sie die Verfahrensbeteiligten, die nach § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden hatten, enumerativ benennt.

(aa) Dies erhellt sich schon daraus, dass selbst die in § 249 Abs. 2 StPO explizit genannten Verfahrensbeteiligten nicht stets am Hauptverfahren beteiligt sind, ohne dass hierdurch die Möglichkeit zur Durchführung eines Selbstleseverfahrens in Frage stünde. Sind an einer Hauptverhandlung – etwa in einem erstinstanzlichen Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder vor dem Strafrichter – keine Schöffen beteiligt, kann vom Vorsitzenden nicht verlangt werden, entsprechend der Formulierung des § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO zu protokollieren, dass (auch) die Schöffen vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen haben. Ebenso sinnwidrig wäre es zu fordern, in einem Verfahren, in dem eine Verteidigung nicht notwendig und ein Verteidiger auch nicht erschienen ist, festzustellen, dass die Verteidigung Gelegenheit zur Kenntnisnahme vom Wortlaut der Urkunden hatte. Nicht anders verhält es sich aber, wenn potentiell nach § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO zu Beteiligende wie die Nebenklage – etwa, weil sie nicht erschienen ist oder weil sie hierauf verzichtet hat – am Selbstleseverfahren tatsächlich nicht beteiligt waren.

(bb) Eine enumerative Aufzählung der Verfahrensbeteiligten erscheint in Abhängigkeit vom jeweiligen Verfahrensgang mitunter auch sinnvoll. Zwar wäre eine – insoweit nicht eindeutige – Feststellung betreffend die Gelegenheit zur Kenntnisnahme hinsichtlich der „übrigen Beteiligten“ einer Auslegung dahingehend zugänglich, dass sie sich (nur) auf die am Selbstleseverfahren Beteiligten bezieht, insbesondere dann, wenn einzelne Verfahrensbeteiligte bei der Durchführung des Selbstleseverfahrens – wie hier die Nebenklägerin – nicht anwesend oder – wie die Nebenklagevertreterin – offenkundig nicht beteiligt waren. Der Klarheit und Nachvollziehbarkeit des protokollierten Geschehens in der Hauptverhandlung förderlich ist es aber, wenn der Vorsitzende Entsprechendes bereits durch seine Feststellung zum Ausdruck bringt, indem er die am Selbstleseverfahren Beteiligten, denen gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 StPO Gelegenheit zur Kenntnisnahme gewährt worden war, konkret bezeichnet.

(2) Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO.

(a) Der Protokollvermerk dient der Kenntlichmachung und dem Hinweis an die Verfahrensbeteiligten, dass der in der Selbstleseanordnung aufgeführte Beweisstoff Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO geworden ist und der Überzeugungsbildung des Gerichts zu Grunde gelegt werden kann. Dieser Kenntlichmachung und des Hinweises an die Verfahrensbeteiligten bedarf es, weil der Urkundsbeweis beim Selbstleseverfahren außerhalb der Hauptverhandlung erhoben wird und bei Anordnung des Selbstleseverfahrens der Zeitpunkt regelhaft noch ungewiss ist, zu welchem die Berufsrichter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunden Kenntnis genommen haben und für die übrigen Beteiligten Gelegenheit hierzu bestand (zum Ganzen vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2017 – 3 StR 424/16, NStZ 2017, 722, 723; Beschlüsse vom 20. Juli 2010 – 3 StR 76/10, NJW 2010, 3382, 3383; vom 10. Mai 2022 – 2 StR 501/21, NStZ 2023, 118, 119). Die von § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO geforderte „Signalwirkung“ wird auch dann erreicht, wenn hinsichtlich derjenigen Verfahrensbeteiligten, ohne deren Beteiligung ein Selbstleseverfahren durchgeführt werden kann und die tatsächlich nicht beteiligt waren, eine Gelegenheit zur Kenntnisnahme nicht festgestellt ist. War die Nebenklage am Selbstleseverfahren nicht beteiligt, weil sie hierauf verzichtet oder – wie hier – ihre offenkundig unterbliebene Beteiligung nicht beanstandet hat, können Zweifel darüber, dass das Selbstleseverfahren abgeschlossen ist, jedenfalls dann nicht aufkommen, wenn hinsichtlich aller am Selbstleseverfahren Beteiligten eine Gelegenheit zur Kenntnisnahme festgestellt ist.

(b) Ausgehend hiervon war die von der Revision beanstandete Feststellung des Vorsitzenden, wonach der Angeklagte, sein Verteidiger sowie der Vertreter der Staatsanwaltschaft Gelegenheit hatten, vom Wortlaut der in der Selbstleseanordnung vom 21. April 2023 aufgeführten Urkunden und Schriftstücke Kenntnis zu nehmen, geeignet, den Abschluss des Selbstleseverfahrens zu bewirken. Durch den dem zulässigen Verfahrensgang entsprechenden Protokollvermerk wird klargestellt, dass der in der Selbstleseanordnung aufgeführte Beweisstoff nunmehr Inbegriff der Hauptverhandlung im Sinne des § 261 StPO geworden ist. Berechtigte Zweifel hierüber konnten bei dem – überdies in der Hauptverhandlung stets anwesenden – Angeklagten und seinem Verteidiger nicht aufkommen.

II.

Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens im Schriftsatz vom 1. Dezember 2023 keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.

(1) Urkunden sind zum Zweck der Beweiserhebung über ihren Inhalt in der Hauptverhandlung zu verlesen. Elektronische Dokumente sind Urkunden, soweit sie verlesbar sind.

(2) Von der Verlesung kann, außer in den Fällen der §§ 253 und 254, abgesehen werden, wenn die Richter und Schöffen vom Wortlaut der Urkunde Kenntnis genommen haben und die übrigen Beteiligten hierzu Gelegenheit hatten. Widerspricht der Staatsanwalt, der Angeklagte oder der Verteidiger unverzüglich der Anordnung des Vorsitzenden, nach Satz 1 zu verfahren, so entscheidet das Gericht. Die Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme und die Gelegenheit hierzu und der Widerspruch sind in das Protokoll aufzunehmen.