Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Beschluss, 8. März 2022 - 3 StR 238/21 von Dirk Streifler

published on 11/09/2024 12:27
Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Beschluss, 8. März 2022 - 3 StR 238/21 von Dirk Streifler
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Bundesgerichtshof Beschluss, 8. März 2022 - 3 StR 238/21

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Die Urteilsbesprechung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. März 2022 (Az.: 3 StR 238/21) setzt sich intensiv mit der Einziehung von Taterträgen und der erweiterten Einziehung nach dem Strafgesetzbuch auseinander. In dem zugrunde liegenden Fall waren die Angeklagten wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln verurteilt worden, wobei zahlreiche Einziehungsentscheidungen getroffen wurden. Die Revisionen der Angeklagten richteten sich gegen diese Einziehungsentscheidungen, und der BGH nahm in einigen Punkten eine Korrektur vor.

Sachverhalt

Die Angeklagten waren in den organisierten Transport und Verkauf von Betäubungsmitteln, insbesondere Kokain und Amphetamin, involviert. Über einen längeren Zeitraum schmuggelten sie erhebliche Mengen an Drogen von den Niederlanden nach Skandinavien und Dänemark, wobei sie hohe Erlöse erzielten. Diese Gewinne wurden in bar transportiert und später von den Angeklagten genutzt oder weiterverteilt.

Im Zuge der Verurteilung ordnete das Landgericht Wuppertal nicht nur die Freiheitsstrafen an, sondern auch die Einziehung der durch die Taten erlangten Vermögenswerte gemäß § 73 StGB sowie die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB. Letztere diente dazu, auch Vermögenswerte zu erfassen, die aus weiteren nicht konkret angeklagten Straftaten stammten. Darüber hinaus wurden Gegenstände, insbesondere zwei Porsche-Fahrzeuge, im Rahmen der selbständigen Einziehung nach § 76a StGB sichergestellt.

 

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung des BGH fokussierte sich auf die rechtlichen Voraussetzungen der Vermögensabschöpfung, insbesondere die erweiterte Einziehung nach § 73a Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB sowie die selbständige Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB.

1. Erweiterte Einziehung von Wertersatz (§ 73a StGB):Der BGH hob hervor, dass die Anwendung des § 73a Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB voraussetzt, dass der Gegenstand oder dessen Surrogat zum Zeitpunkt der Begehung der Anknüpfungstat noch im Vermögen des Täters oder Teilnehmers vorhanden war. Das bedeutet, dass nur dasjenige Vermögen, welches der Täter zur Tatzeit in seiner Verfügungsgewalt hatte, abgeschöpft werden kann. Vermögenswerte, die bereits vor der Anknüpfungstat verbraucht wurden oder erst nachträglich erlangt wurden, unterfallen dieser Einziehungsvorschrift nicht.

Im konkreten Fall hatte das Landgericht Einziehungsentscheidungen getroffen, ohne ausreichend zu prüfen, ob die aus den früheren, nicht konkret angeklagten Straftaten erzielten Erlöse im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden waren. Der BGH hob diese Entscheidung teilweise auf und stellte klar, dass der Einziehungsumfang nur diejenigen Vermögenswerte umfassen kann, die nachweislich während der Tatzeit der abgeurteilten Delikte in der Verfügungsgewalt des Angeklagten standen. Die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe von 40.000 Euro wurde daher aufgehoben, da die Voraussetzungen für deren Abschöpfung nicht gegeben waren.

2. Selbständige Einziehung (§ 76a StGB):Der BGH befasste sich ebenfalls mit der Frage der selbständigen Einziehung von Vermögensgegenständen, die nach Ansicht des Landgerichts mit den Erlösen aus den Betäubungsmittelgeschäften finanziert wurden. Diese Einziehung hat eine Auffangfunktion und ist gegenüber der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB subsidiär, d.h., sie kommt nur dann zur Anwendung, wenn die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB nicht greift.

Im vorliegenden Fall hatte das Landgericht die Einziehung von zwei Porsche-Fahrzeugen angeordnet, die mit Erlösen aus nicht konkret angeklagten Betäubungsmittelgeschäften finanziert worden sein sollten. Der BGH bemängelte, dass das Landgericht die Finanzierung der Fahrzeuge nicht ausreichend begründet hatte. Es war unklar, ob die Fahrzeuge tatsächlich mit den aus den illegalen Geschäften stammenden Erlösen erworben worden waren oder ob sie möglicherweise auch mit legalen Mitteln oder Erlösen aus den konkret angeklagten Straftaten finanziert wurden. Aufgrund dieser unzureichenden Begründung hob der BGH die Einziehungsentscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an das Landgericht zurück.

 

Fazit

Der Beschluss des BGH stellt wichtige Leitlinien für die Anwendung der Vorschriften zur Vermögensabschöpfung dar, insbesondere in Bezug auf die erweiterte Einziehung und die selbständige Einziehung. Die Entscheidung verdeutlicht, dass bei der erweiterten Einziehung genau geprüft werden muss, ob das zu beschlagnahmende Vermögen oder dessen Surrogat tatsächlich zum Zeitpunkt der Tat noch im Besitz des Täters war. Nur in diesem Fall ist eine Einziehung möglich. Vermögenswerte, die bereits vor der Tatzeit verbraucht wurden oder erst danach erworben wurden, fallen nicht unter die Regelungen der §§ 73a, 73c StGB.

Zudem unterstreicht der BGH die Subsidiarität der selbständigen Einziehung nach § 76a StGB und weist darauf hin, dass auch bei dieser Einziehungsform die Begründung der Herkunft der Vermögenswerte klar und nachvollziehbar sein muss.

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(1) Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an.

(2) Hat der Täter oder Teilnehmer Nutzungen aus dem Erlangten gezogen, so ordnet das Gericht auch deren Einziehung an.

(3) Das Gericht kann auch die Einziehung der Gegenstände anordnen, die der Täter oder Teilnehmer erworben hat

1.
durch Veräußerung des Erlangten oder als Ersatz für dessen Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung oder
2.
auf Grund eines erlangten Rechts.

Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich oder wird von der Einziehung eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Absatz 3 oder nach § 73b Absatz 3 abgesehen, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht. Eine solche Anordnung trifft das Gericht auch neben der Einziehung eines Gegenstandes, soweit dessen Wert hinter dem Wert des zunächst Erlangten zurückbleibt.