Urteils-Kommentar zu Bayerisches Oberstes Landesgericht Urteil, 28. Sept. 2022 - 6 StRR 157/22 von Dirk Streifler

bei uns veröffentlicht am30.05.2024

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Die strafrechtlichen Folgen der Untreue im Amt: Ein Urteil des BayObLG

In einem bemerkenswerten Fall hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) am 28. September 2022 in seinem Urteil (Az. 206 StRR 157/22) die strafrechtlichen Konsequenzen für einen Polizeivollzugsbeamten festgelegt, der Verwarnungsgelder im Straßenverkehr eigenmächtig für persönliche Zwecke verwendete, statt sie ordnungsgemäß abzuliefern. Dieses Urteil beleuchtet die Anforderungen an die Treuepflicht von Beamten und die Grenzen des ihnen zugesprochenen Vertrauens.

 

Hintergrund des Falles

Ein Polizeibeamter, der im Rahmen seiner Tätigkeit für die Verkehrsüberwachung zuständig war, wurde beschuldigt, eingenommene Verwarnungsgelder nicht an die zuständige Behörde abgeführt zu haben. Stattdessen nutzte er diese Gelder für eigene Zwecke. Dieser Fall brachte die Frage auf, inwiefern das Verhalten des Beamten den Tatbestand der Untreue gemäß § 266 Abs. 1 StGB erfüllt.

 

Juristische Betrachtung der Untreue

Untreue ist ein Delikt, das den Missbrauch einer durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis zur Verwaltung fremden Vermögens und die daraus resultierende Schädigung des Vermögens desjenigen, dessen Vermögensinteressen zu betreuen sind, unter Strafe stellt. Im vorliegenden Fall war entscheidend, ob der Beamte durch die eigenmächtige Verwendung der Verwarnungsgelder seine Dienstpflichten verletzt und das ihm durch den Dienstherrn entgegengebrachte Vermögenstreueverhältnis missbraucht hat.

 

Entscheidung des BayObLG

Das Gericht stellte fest, dass der Beamte tatsächlich eine Vermögensbetreuungspflicht gegenüber dem Staat hatte. Die ihm übertragenen Verwarnungsgelder fielen in seinen Verantwortungsbereich, wobei er die Pflicht hatte, diese korrekt und vollständig abzuliefern. Das Gericht befand, dass die eigenmächtige Verwendung dieser Gelder eine klare Verletzung dieser Pflicht darstellte und somit den Tatbestand der Untreue erfüllte.

Das Gericht wies darauf hin, dass es für die Erfüllung des Untreuetatbestands ausreichend ist, wenn der Täter einen ihm eingeräumten Ermessensspielraum in einer Weise ausnutzt, die den Interessen des Treugebers zuwiderläuft. Im Falle des Polizeibeamten gab es keine regelmäßigen Kontrollen der Ablieferungen, was ihm einen gewissen Entscheidungsspielraum und somit die Möglichkeit gab, die Gelder zu veruntreuen.

 

Bedeutung des Urteils

Das Urteil unterstreicht die strikte Handhabung des Untreuetatbestands in Fällen, in denen öffentliche Beamte mit der Verwaltung von staatlichen Geldern betraut sind. Es macht deutlich, dass die Gerichte hohe Anforderungen an die Integrität und die Verantwortung von Beamten stellen und bereit sind, bei Verstößen entsprechend strenge Sanktionen zu verhängen.

Dieser Fall dient als wichtiger Präzedenzfall für die Auslegung der Untreue im öffentlichen Dienst und betont die Notwendigkeit einer akribischen Einhaltung der dienstlichen Pflichten und der gesetzlichen Vorschriften. Er zeigt, wie entscheidend die Transparenz und Rechenschaftspflicht in Positionen ist, die mit der Verwaltung öffentlicher Mittel betraut sind.

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Strafgesetzbuch - StGB | § 266 Untreue


(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder ein

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(1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 243 Abs. 2 und die §§ 247, 248a und 263 Abs. 3 gelten entsprechend.