Steuerrecht: Keine spätere Berichtigung bei Ermittlungsfehler des Finanzamtes
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Nach Auffassung des BFH liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Die Klägerin ihren Arbeitslohn zutreffend erklärt. Hingegen habe das Finanzamt diese Angaben ignoriert, weil es auf die Richtigkeit der vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten vertraute. Komme es bei dieser Vorgehensweise zu einer fehlerhaften Erfassung des Arbeitslohns, liege kein mechanisches Versehen vor, sondern vielmehr ein Ermittlungsfehler des Finanzamtes. Eine spätere Berichtigung nach § 129 AO sei dann nicht möglich.
Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 16.1.2018 (VI R 41/16) folgendes entschieden:
Gleicht das FA bei einer Papiererklärung den elektronisch übermittelten und der Steuererklärung beigestellten Arbeitslohn generell nicht mit dem vom Steuerpflichtigen in der Einkommensteuererklärung erklärten Arbeitslohn ab und werden die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit im Einkommensteuerbescheid infolgedessen unzutreffend erfasst, liegt darin keine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO.
Stimmen der vom Steuerpflichtigen erklärte und der der Einkommensteuererklärung beigestellte Arbeitslohn nicht überein, hat der Sachbearbeiter regelmäßig --ggf. in weiteren Datenbanken-- zu ermitteln, welches der zutreffende Arbeitslohn ist.
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016 5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten sind Eheleute und wurden für das Streitjahr zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit... EUR.
Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit... EUR an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.
Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.
Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.
Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.
Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden.
Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden.
Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert. Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird.
Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.
Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt. Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.
Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
Tenor
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Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 14. März 2016 5 K 1920/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
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I.
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Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für das Streitjahr (2011) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr vom 1. Januar bis zum 31. August 2011 zunächst bei der Firma X GmbH und vom 1. September bis zum 31. Dezember 2011 bei der Firma Y GmbH beschäftigt. Ihre Einkommensteuererklärung für das Streitjahr reichten die Kläger am 14. Mai 2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. Für die Klägerin erklärten sie in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn zutreffend mit ... €.
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Im Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 2012 setzte das FA bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit den Bruttoarbeitslohn mit ... € an. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
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Im November 2013 stellte das FA fest, dass seit dem 22. August 2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma X GmbH vorlagen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Die Daten summierten sich mit den im Steuerbescheid --aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma Y GmbH-- berücksichtigten Daten auf den Betrag, den die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.
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Das FA erließ daraufhin am 9. Dezember 2013 einen --zunächst auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten-- Änderungsbescheid. Grundlage für die Änderung seien die von der X GmbH nach der Veranlagung übermittelten geänderten Lohndaten.
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Den Einspruch der Kläger wies das FA --nun unter Heranziehung von § 129 Satz 1 AO-- als unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der im Anschluss erhobenen Klage statt.
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Es war im Wesentlichen der Ansicht, das FA sei zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO nicht befugt gewesen. Denn bei der im Streitfall --ungeprüften-- Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handele es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit. Es liege vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen habe, dass ggf. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt werde.
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Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
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Es beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II.
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Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass das FA nicht befugt war, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid zu ändern.
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1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen.
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a) Solche offenbare Unrichtigkeiten sind insbesondere mechanische Versehen, beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen zählen zu solchen offenbaren Unrichtigkeiten nicht Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts. Dabei ist § 129 AO schon dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler gründet oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsbeschluss vom 28. Mai 2015 VI R 63/13, BFH/NV 2015, 1078, m.w.N.). Diese Möglichkeit darf allerdings nicht nur theoretischer Natur sein. Vielmehr muss sie sich durch vom Gericht festgestellte Tatsachen belegen lassen. Deuten die Gesamtumstände des Falles auf ein mechanisches Versehen hin und liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fehler auf rechtliche oder tatsächliche Erwägungen zurückzuführen ist, so kann berichtigt werden (Senatsurteil vom 13. Juni 2012 VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5).
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b) Entsprechend ist nicht jede versehentlich unberücksichtigte Tatsache mit einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung gleichzusetzen. Eine der Berichtigung entgegenstehende unvollständige Sachverhaltsermittlung ist erst anzunehmen, wenn für die Besteuerung wesentliche Tatsachen nicht durch ein mechanisches Versehen unberücksichtigt geblieben sind. Ermittlungsfehler gehen über mechanische Versehen bei der Heranziehung des Sachverhalts zur Steuerfestsetzung hinaus, weil ein Teil des rechtserheblichen Sachverhalts wegen fehlerhaft unterlassener oder unrichtiger Tatsachenaufklärung noch nicht bekannt ist. Ist dagegen ohne weitere Prüfung erkennbar, dass ein Teil des bekannten Sachverhalts aus Unachtsamkeit bei der Steuerfestsetzung nicht erfasst worden ist, darf diese offenbare Unrichtigkeit zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen durch Berichtigung der versehentlich fehlerhaften Steuerfestsetzung korrigiert werden (Senatsurteil vom 26. April 1989 VI R 39/85, BFH/NV 1989, 619; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. November 1997 V R 138/92, BFH/NV 1998, 419).
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c) Liegt eine offenbare Unrichtigkeit vor, ist die Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 Satz 1 AO nicht von Verschuldensfragen abhängig, weshalb die oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls grundsätzlich eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht hindert (BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509; vom 11. Juli 2007 XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; vom 21. Januar 2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 7. November 2013 IV R 13/11, BFH/NV 2014, 657, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2015, 1078). Anders ist dies erst, wenn sich die Unachtsamkeit bei der Bearbeitung des Falls häuft und Zweifeln, die sich aufdrängen, nicht nachgegangen wird (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 509).
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2. Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht eine Berichtigung des Einkommensteuerbescheids 2011 nach § 129 AO abgelehnt.
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Im Streitfall hat die Klägerin den von ihr im Streitjahr bezogenen Arbeitslohn zutreffend gegenüber dem FA erklärt. Das FA hat diese Angaben auf Seite 1 der Anlage N jedoch --aus verwaltungsökonomischen Gründen möglicherweise nachvollziehbar-- bewusst nicht in den Blick genommen, weil es allgemein darauf vertraute, dass die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Daten --wie üblich-- zutreffend sind und vor Beginn der Bearbeitung der Steuererklärung vollständig vom Computersystem der Finanzbehörden übernommen werden. Es hat deshalb insbesondere bewusst keinen Abgleich der der Einkommensteuererklärung der Kläger elektronisch "beigestellten" Daten mit den von diesen erklärten Daten vorgenommen. Führt diese vom FA gewählte Vorgehensweise bei der Bearbeitung einer Einkommensteuererklärung zu einer unzutreffenden Erfassung des Arbeitslohns, stellt dieser Fehler keine einem Schreib- oder Rechenfehler gleichgestellte ähnliche offenbare Unrichtigkeit und damit kein mechanisches Versehen dar. Durch den bewusst unterlassenen Abgleich der der Steuererklärung elektronisch beigestellten Daten mit den vom Steuerpflichtigen erklärten Daten liegt insbesondere kein bloßes Übersehen erklärter Daten vor, das regelmäßig zu einer Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO führt (z.B. Senatsurteile vom 29. März 1985 VI R 140/81, BFHE 144, 118, BStBl II 1985, 569, und in BFH/NV 1989, 619). Das FA hat vielmehr im Streitfall den zutreffenden Arbeitslohn nicht aufgeklärt, obwohl der von den Klägern erklärte Arbeitslohn nicht mit dem elektronisch beigestellten Arbeitslohn übereinstimmte. Insoweit liegt ein Ermittlungsfehler des FA vor, der eine spätere Berichtigung des infolgedessen aufgetretenen Fehlers ausschließt.
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3. Das FG hat zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht möglich ist, was das FA auch nicht in Frage stellt. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 09.12.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 05.03.2014 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 02.07.2014 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
1
Tatbestand
2Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 129 Abgabenordnung (AO) vorliegen.
3Die Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten.
4Die Klägerin war im Streitjahr vom 1.1.2011 bis 31.8.2011 bei der Firma A GmbH und vom 1.9.2011 bis 31.12.2011 bei der Firma B GmbH beschäftigt. Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 am 14.5.2012 in Maschinenschrift zusammen mit Belegen beim Beklagten ein. Die Klägerin erklärte in der Anlage N den Bruttoarbeitslohn mit 25.473 €, die Lohnsteuer mit 5.285,36 € und den Solidaritätszuschlag mit 280,29 €. Außerdem erklärte die Klägerin in der Anlage Vorsorgeaufwand „Arbeitnehmerbeiträge zu Krankenversicherungen lt. Nr. 25 der Lohnsteuerbescheinigung“ in Höhe von 2.089 € und „Arbeitnehmerbeiträge zu sozialen Pflegeversicherungen lt. Nr. 26 der Lohnsteuerbescheinigung“ in Höhe von 266 €.
5In dem Einkommensteuerbescheid vom 10.7.2012 wurde bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit ein Bruttoarbeitslohn von 13.333 €, ein Lohnsteuerabzug vom Lohn der Klägerin in Höhe von 2.935 €, ein Solidaritätszuschlagsabzug in Höhe von 151,06 €, Beiträge zur Krankenversicherung der Klägerin in Höhe von 1.094 € und Beiträge zur Pflegeversicherung der Klägerin in Höhe von 147 € berücksichtigt.
6Der Einkommensteuerbescheid wurde nicht angefochten und damit bestandskräftig.
7Im November 2013 stellte der Beklagte fest, dass seit dem 22.8.2012 Lohndaten aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin bei der Firma A GmbH beim Beklagten vorliegen, die in dem Bescheid nicht berücksichtigt worden waren. Diese Daten summieren sich mit den in dem Steuerbescheid berücksichtigten Daten - aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma B GmbH - auf die Beträge, die die Klägerin in der Steuererklärung angegeben hatte.
8Der Beklagte änderte daraufhin entsprechend die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 9.12.2013 nach § 173 S. 1 Nr. 1 AO. Grundlage für die Änderung seien die vom Arbeitgeber (A GmbH) dem Beklagten nach Veranlagung übermittelten geänderten Lohnsteuerbescheinigungsdaten.
9Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch führten die Kläger im Wesentlichen aus, dass weder die Voraussetzungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO noch die nach § 129 AO vorlägen. Es handele sich bei der fehlerhaften Lohndatenübertragung nicht um einen Übertragungs- bzw. Übermittlungsfehler, der die Änderung nach § 129 AO ermöglichen würde. Vielmehr handele es sich um einen Bearbeitungsfehler des Beklagten, der nicht auf ihre Kosten behoben werden dürfe. Der Beklagte könne sich auch nicht auf eine computergestützte Bearbeitung der Steuererklärung berufen, weil diese umfangreich geprüft und von den Angaben abgewichen worden sei. Schließlich sei die Berichtigung erst nach 16 Monaten erfolgt und zudem mit einer falschen Änderungsvorschrift versehen worden.
10Am 05.03.2014 erging ein Änderungsbescheid, mit dem der Beklagte nachträglich Kinderbetreuungskosten und zusätzliche Beiträge zur Krankenversicherung anerkannte.
11Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 2.7.2014 als unbegründet zurückgewiesen.
12Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, dass die Voraussetzungen des § 129 AO nicht gegeben seien. Ein Verstoß der Finanzbehörde gegen die Ermittlungspflicht schließe regelmäßig die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. Vorliegend sei der Sachverhalt mit der Steuererklärung unter Beifügung der richtigen Lohnsteuerbescheinigungen dargestellt worden. Im Rahmen des Veranlagungsverfahrens seien zahlreiche und nicht erläuterte Abweichungen von der Erklärung zu Ungunsten der Kläger erfolgt. Die Abweichungen hätten beispielsweise die Nichtanerkennung von ebenfalls elektronisch übermittelten Zusatzbeiträgen zur Krankenversicherung sowie die vollumfängliche Streichung der Werbungskosten zum Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A GmbH betroffen. Zudem seien alle Einträge zum Beschäftigungsverhältnis bei der Firma A GmbH von der Sachbearbeiterin nicht beachtet oder gelöscht worden bzw. unberücksichtigt geblieben. Es sei daher von einer intensiven Bearbeitung der Einkommensteuerklärung 2011 mit zahlreichen Abweichungen auszugehen. Zudem hätten sich aus den beigefügten Lohnsteuerbescheinigungen alle erklärten Werte ergeben und aus den Lohnsteuerbescheinigungen sei zudem ersichtlich gewesen, dass die Klägerin das ganze Streitjahr erwerbstätig gewesen sei. Im Ergebnis habe die Sachbearbeiterin ihre Ermittlungspflichten trotz einer Vielzahl von Hinweisen eindeutig verletzt. Deshalb sei eine Änderung nach § 129 AO nicht möglich. Das vom Beklagten genannte Urteil des Finanzgerichts - FG - Münster vom 14.02.2011 11 K 4239/07 E, EFG 2011, 1220 sei nicht anzuwenden. Vielmehr sei auf einen Beschluss des niedersächsischen FG vom 28.07.2014 3 V 226/14, EFG 2014, 1743, zu verweisen, welches die Rechtsansicht der Kläger stütze. Wegen der weiteren Begründung der Klage wird auf die Schriftsätze der Kläger vom 7.7.2014, 9.7.2014, 21.7.2014, 24.7.2014, 21.8.2014, 11.9.2014, 1.10.2014, 14.8.2015, 5.9.2015, 16.9.2015 und 8.12.2015 Bezug genommen.
13Die Kläger beantragen,
14den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 9.12.2013 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 5.3.2014 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 2.7.2014 aufzuheben.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Zur Begründung führt er aus, dass die Voraussetzungen des § 129 AO vorlägen. Nach § 129 AO könnten Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen seien, jederzeit berichtigt werden. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne seien rein mechanische Fehler, bei denen die Möglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen sei. Hierzu zählten z.B. Übertragungsfehler, Irrtümer über den automatisierten Verfahrensablauf und ähnliche mechanische Fehler. Nicht erfasst seien hingegen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm bzw. Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung oder Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhten. Der Fehler müsse außerdem offenbar sein, also durchschaubar, eindeutig und augenfällig und somit auf der Hand liegen. Maßgebend sei dafür, dass der Fehler bei Offenlegung des Sachverhaltes für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkannt werden könne. Im Streitfall hätten der Veranlagung die vom Arbeitgeber gemäß § 41 Buchst. b Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) elektronisch übermittelten Daten zu Grunde gelegen. Ausweislich der gespeicherten elektronischen Daten sei nachzuvollziehen, dass ihm, dem Beklagten - anders als den Klägern bei Erklärungserstellung - zunächst nur eine Nullmeldung für den Zeitraum 01.01.2011 bis 31.08.2011 der Firma A GmbH vorgelegen habe. Diese Daten seien ohne nähere rechtliche Prüfung übernommen worden, indem sie per Mausklick bei der Veranlagung berücksichtigt worden seien. Dabei sei auf die Richtigkeit der elektronisch übermittelten Daten vertraut worden. Dass diese fehlerhaft oder unvollständig gewesen seien, sei nicht bemerkt worden, zumal die Angaben durch die Nullmeldung auch für das EDV - Programm schlüssig gewesen und eine Fehlermeldung nicht erfolgt sei. Ein Rechtsirrtum sei insoweit ausgeschlossen. Wären die in der Steuererklärung gemachten Angaben überprüft worden, wäre die Unrichtigkeit aufgefallen. Dies sei jedoch gerade nicht der Fall gewesen. Dass der Sachverhalt nicht geprüft worden sei, lasse sich auch daraus erkennen, dass der auf der Anlage N angegebene Arbeitslohn nicht abgehakt worden sei und auch keine Rückfragen hinsichtlich der Zeiten der Nichtbeschäftigung erfolgt seien. Außerdem seien im Bescheid zu diesem Punkt keine Erläuterungen zu Abweichungen vorgenommen worden. Dieser Fehler stehe einem mechanischen Versehen gleich und ein Rechtsirrtum scheide aus. Diesbezüglich könne auf das Urteil des FG Münster vom 14.02.2011 11 K 4239/07 E, EFG 2011, 1220, verwiesen werden. Der Urteilsfall des FG Münster sei mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, da es nicht auf die Anzahl der vorliegenden bzw. nicht berücksichtigten Lohnbescheinigungen ankomme und auch fehlerhafte Daten des Arbeitgebers A GmbH vorgelegen hätten. Aus dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 24.3.2015 Az.: 13 K 553/14 E folge, dass die Übernahme des elektronisch übermittelten Arbeitslohns ein mechanisches Versehen im Sinne des § 129 AO sei, wenn ein Abgleich mit dem erklärten Arbeitslohn nicht vorgenommen worden sei in dem Glauben, die elektronische Übermittlung entspreche dem erklärten Wert. Nach Überzeugung des Finanzgerichts Düsseldorf stehe ein solcher Fehler einer falschen Eintragung in einem Eingabewertbogen gleich. Aus dem Beschluss des BFH vom 28.5.2015 Az.: VI R 63/13 folge zudem, dass selbst wenn das Risikomanagementprogramm nach Prüfberechnung des Falles einen ausdrücklichen Hinweis auf den Bearbeitungsfehler erzeuge, die fehlende Beachtung nicht auf eine rechtliche Billigung schließen lasse, sondern für eine besonders oberflächliche Bearbeitung spreche. Im vorliegenden Fall habe die Prüfberechnung keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Abweichung des erklärten Arbeitslohns von dem elektronisch übermittelten ergeben. Der Steuerfall sei jedoch zu einer so genannten „maschinellen Zufallsauswahl“ mit dem Hinweis geworden, es solle der gesamte Fall geprüft werden. Tatsächlich seien nur die übrigen Hinweise geprüft und „abgehakt“ worden, eine Sichtung der ersten Seite der Anlage sei jedoch vollständig unterblieben. Auch die anschließende Prüfung des Falles durch die amtsinterne Qualitätssicherung habe zu keiner Prüfung der ersten Seite der Anlage N geführt, sondern nur zu Beanstandungen im Übrigen. Die Freigabe des Falles sei durch die Sachgebietsleitung erfolgt, doch auch die habe keine Prüfung der ersten Seite der Anlage N vorgenommen. Diese mehrfache Überprüfung des Falles durch verschiedene Mitarbeiter des Beklagten zusammen mit der Tatsache, dass der Fehler aufgrund der klaren Angaben der Kläger auf der ersten Seite der Anlage N offenbar gewesen sei, also von jedem hätte erkannt werden können, deute darauf hin, dass nach Übernahme der elektronischen Lohnsteuerdaten durch einfachen Mausklick keinerlei rechtliche/tatsächliche Beschäftigung mehr mit den Lohnsteuerdaten vorgelegen habe. Die erste Seite der Anlage N sei von keiner der drei mit dem Fall betrauten Personen beachtet worden, sondern nur die Erklärung im Übrigen. Dies sei in der Annahme geschehen, dass der elektronisch übermittelte Lohn dem erklärten entsprochen habe. Zudem sei für einen verständigen Dritten allein bei Einsichtnahme in die vorliegende Steuererklärung ohne weiteres ersichtlich, dass die im Steuerbescheid vom 10.7.2012 übernommenen Daten über die Höhe des anzusetzenden Arbeitslohns ohne erkennbaren Grund von den erklärten Angaben abweichen. Insofern handele es sich um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO. Zwar seien in der Anlage N der Klägerin die Werte beider Beschäftigungsverhältnisse enthalten. Bei der Veranlagung seien jedoch nur die Werte berücksichtigt worden, die zu diesem Zeitpunkt elektronisch übermittelt worden waren. Zum ersten Beschäftigungsverhältnis hätten zu diesem Zeitpunkt aber weder zum Arbeitslohn und der Lohnsteuer noch zu den Vorsorgeaufwendungen Daten vorgelegen, so dass keine elektronischen Werte hätten berücksichtigt und auch nicht gelöscht werden können. Die Kürzung bei den Werbungskosten betreffe Aufwendungen für einen PKW - Stellplatz in Höhe von 160 € und habe keinen Bezug zum ersten Beschäftigungsverhältnis. Die übrigen Werbungskosten beträfen Fahrten im Rahmen des zweiten Beschäftigungsverhältnisses und ein Studium. Aus der Prüfung dieser Kosten könne ein Ermittlungsfehler nicht abgeleitet werden. Da der Bescheid vom 10.7.2012 nur Arbeitslohn in Höhe von 13.333 € enthalte, sei für jeden Dritten auch ohne Hinzuziehung eines steuerlichen Fachmannes ersichtlich gewesen, dass die Erfassung der Daten der Klägerin zur Beschäftigung offensichtlich unzutreffend sein mussten. Die gültigen Werte zum ersten Beschäftigungsverhältnis seien vom Arbeitgeber A GmbH zwar am 22.8.2012 übermittelt worden. Entgegen der Annahme der Kläger werde er, der Beklagte, jedoch nicht sofort darüber informiert, wenn nach bereits durchgeführter Veranlagung noch weitereoder erstmalige Daten elektronisch übermittelt würden. Im Streitfall sei daher erst im November 2013 über eine Liste ein Abgleich der veranlagten Daten und eine daran anschließende Übermittlung vorgenommen worden, wodurch die Nichterfassung der Einkünfte aus dem ersten Beschäftigungsverhältnis sichtbar geworden sei. Der Ablauf der Datenerfassung sei durch das sogenannte Trouble Ticket vom 15.4.2014 geklärt, auf welches verwiesen werde. Danach sei mit der Ticketnummer ...142... für die Klägerin am 25.8.2011 zunächst um 14:38 Uhr eine Lohnbescheinigung vom Arbeitgeber A GmbH übermittelt worden. Um 14:39 Uhr sei eine erneute und korrigierende Lohnbescheinigung unter der Ticketnummer ...172... für die Klägerin übermittelt worden. Diese habe eine so genannte Null Lieferung enthalten. Die Daten der Lohnbescheinigung seien auf Null gesetzt und die erste Lieferung sei auf Status 90/95 (= Dublette) gesetzt worden. Am 22.8.2012 sei dann eine erneute Datenlieferung durch den Arbeitgeber A GmbH unter der Ticketnummer ... erfolgt, die die Daten der ursprünglichen Datenlieferung aus der Ticketnummer ...142... enthalten habe. Daraufhin sei die zweite Lieferung manuell verworfen und diese dritte und letzte Lohnbescheinigung veranlagt worden. Zwar sei die Änderung zunächst fälschlich auf § 173 Abs. 1 AO gestützt worden. Dies sei jedoch bereits durch das Schreiben vom 9.1.2014, welches auf § 129 AO als Änderungsnorm verwiesen habe, geheilt worden.
18Das Gericht hat Beweis erhoben über den Ablauf der Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer 2011 durch Bescheid vom 10.7.2012 durch Vernehmung der Veranlagungsbeamtin R als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.3.2016 verwiesen.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist begründet.
21Die Änderungsbescheide vom 9.12.2013 und vom 5.3.2014 und die Einspruchsentscheidung vom 2.7.2014 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
22Der Beklagte war mangels Bekanntwerdens neuer Tatsachen nicht berechtigt, den Einkommensteuerbescheid 2011 gemäß § 173 Abs. 1 AO zu ändern, was inzwischen auch vom Beklagten nicht mehr behauptet wird, weshalb der erkennende Senat auf eine weitere Begründung insoweit verzichtet.
23Der Beklagte kann eine Änderung aber auch nicht auf § 129 Satz 1 AO stützen.
24Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit - innerhalb der Verjährungsfrist - berichtigen. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist.
25Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Das Tatbestandsmerkmal „ähnliche offenbare Unrichtigkeiten“ setzt voraus, dass die Unrichtigkeit einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich ist, d.h. dass es sich um einen „mechanischen“ Fehler handelt, der ebenso „mechanisch“, also ohne weitere Prüfung, erkannt und berichtigt werden kann (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12. April 1994 IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1, vom 29. März 1990 V R 27/85, BFH/NV 1992, 711, m.w.N. und vom 27. Mai 2009 X R 47/08, BFH/NV 2009, 2016).
26Ist die mehr als theoretische Möglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Auch eine aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen erforderliche, vom Sachbearbeiter - ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht - jedoch unterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (vgl. BFH-Urteile vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BFHE 162, 115, BStBl II 1991, 22, m.w.N.; vom 23. Januar 1991 I R 26/90, BFH/NV 1992, 359; BFH-Beschlüsse vom 27. Mai 1998 IV B 151/97, BFH/NV 1998, 1452; in BFH/NV 1995, 1, und vom 14. Februar 1995 IX R 101/93, BFH/NV 1995, 1033). Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhältnissen des Einzelfalls zu beurteilen (BFH-Entscheidungen vom 4. Juni 1986 IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3; vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277; in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535, und in BFH/NV 1998, 1452).
27Bei der im Streitfall - ungeprüften - Übernahme/Beistellung der nicht vollständig übermittelten Lohnsteuerdaten in das Veranlagungsprogramm handelt es sich weder um einen Schreibfehler oder Rechenfehler noch um einen ähnlich offenbaren Fehler.
28Die Kläger haben in ihrer Steuererklärung den Arbeitslohn, den Lohnsteuerabzug, den einbehaltenen Solidaritätszuschlag, die Beiträge zur Altersvorsorge und die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung der Klägerin vollständig und richtig angegeben. Die Zeugin R hat bei der Veranlagung diese Angaben aus der Erklärung jedoch nicht in das Veranlagungsprogramm übertragen, sondern die vom Arbeitgeber elektronisch übermittelten Werte „Arbeitslohn“, „Lohnsteuerabzug“, „Solidaritätszuschlag“, „Beiträge zur Altersvorsorge“ und „Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung“ beistellen lassen. Einen Abgleich zwischen den vom Arbeitgeber übermittelten und ins Veranlagungsprogramm übernommenen Werten und den erklärten Werten hat sie nur bei den Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gemacht, weil in diesem Bereich die tatsächlichen Aufwendungen von den übermittelten Beträgen aufgrund von privaten Kranken- bzw. Zusatzversicherungen, von denen der Arbeitgeber in der Regel keine Kenntnis hat, gelegentlich abweichen können. Bei den übrigen Werten „Arbeitslohn“, „Lohnsteuerabzug“, „Solidaritätszuschlag“, „Beiträge zur Altersvorsorge“ hat sie deshalb keinen Abgleich vorgenommen, weil sie darauf vertraut hat, dass diese - wie im Regelfall - zutreffend und vollständig übermittelt worden waren. Hätte sie die Werte aus der Erklärung in die entsprechenden Eingabefelder eingegeben, wären ihr die Abweichungen aufgefallen und es hätte sich für sie Aufklärungsbedarf ergeben. Selbst wenn ihr bei einer Eingabe die Abweichungen noch nicht aufgefallen wären, hätte zumindest das Veranlagungsprogramm die Abweichungen von den übermittelten Werten erkannt und einen entsprechenden Hinweis ausgegeben, was dann zu einer Überprüfung und weiteren Sachverhaltsaufklärung hätte führen müssen.
29Bei einer derartigen Veranlagung ohne Abgleich der übermittelten und der erklärten Angaben bzw. ohne Eingabe der Werte aus der Erklärung liegt kein Fehler vor, der lediglich auf einem mechanischen Versehen beruht. Es liegt vielmehr ein Fehler bei der Sachverhaltsermittlung vor, da die Veranlagungsbeamtin bei ihrer Vorgehensweise bewusst und gewollt in Kauf genommen hat, dass ggfls. ein unzutreffender Sachverhalt der Veranlagung zugrunde gelegt wird (im Ergebnis so auch Niedersächsisches Finanzgericht Beschluss vom 28.7.2014 3V 226/14, EFG 2014, 1743 und Meinert, Anmerkung zu Finanzgericht Düsseldorf Urteil vom 24.3.2015 13 K 553/14 E, EFG 2015, 1328). Im Streitfall kommt noch hinzu, dass die Veranlagungsbeamtin eine erhebliche Abweichung zwischen übermittelten und erklärten Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung festgestellt hat - ohne dass diese Differenz für sie erklärlich war - und sie dennoch keine Überprüfung der damit im Zusammenhang stehenden übrigen vom Arbeitgeber übermittelten Daten mit den erklärten Daten der Kläger vorgenommen hat.
30Eine Änderung der fehlerhaften Veranlagung nach § 129 Satz 1 AO kam daher nicht in Betracht.
31Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, - 2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.
(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.
(1) Steuerbescheide sind aufzuheben oder zu ändern,
- 1.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen, - 2.
soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln im Sinne der Nummer 1 stehen.
(2) Abweichend von Absatz 1 können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 ergangen ist.
(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.