Kapitalanleger: Der Abgeltungsteuersatz ist auch bei Darlehen zwischen Angehörigen möglich
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Darlehen zwischen Angehörigen
Die Abgeltungsteuer ist nicht anzuwenden, wenn es sich bei Gläubiger und Schuldner um nahestehende Personen handelt und der Schuldner die Zinszahlungen steuerlich als Werbungskosten oder Betriebsausgaben absetzen kann.
Was unter dem Begriff der „nahestehenden Person“ zu verstehen ist, wird im Gesetz selbst nicht geregelt. Nach Ansicht der Finanzverwaltung sind Angehörige im Sinne des § 15 der
Abgabenordnung (z.B. Verlobte, Ehegatten und Geschwister) stets nahestehend, sodass der
Abgeltungsteuersatz hier ausgeschlossen ist.
Dieser weiten Gesetzesauslegung hat der Bundesfinanzhof nun aber widersprochen. Danach liegt ein Näheverhältnis nur dann vor, wenn auf eine der Vertragsparteien ein beherrschender oder außerhalb der Geschäftsbeziehung liegender Einfluss ausgeübt werden kann oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen besteht. Ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse ist nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. der Vorschrift zu begründen.
Praxishinweis: Hält der Vertrag einem Fremdvergleich stand, kann nicht bereits wegen des
Fehlens einer Besicherung oder einer Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden.
Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss der Abgeltungsteuer ergibt sich auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil. Dieser kann entstehen, wenn die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. Ehe und Familie begründen bei der Einkünfteermittlung nämlich keine Vermögensgemeinschaft.
Darlehensgewährung an eine GmbH
Zahlt eine Kapitalgesellschaft an einen zu mindestens 10 Prozent beteiligten Gesellschafter Zinsen für ein Gesellschafterdarlehen, unterliegen die Darlehenszinsen der tariflichen Einkommensteuer. Diese gesetzliche Regelung verstößt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nicht gegen das Grundgesetz. Auch die vom Steuerpflichtigen erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Beteiligungsgrenze teilte der Bundesfinanzhof nicht.
Anders beurteilt der Bundesfinanzhof jedoch die Fälle, in denen einer GmbH ein Darlehen durch eine dem Anteilseigner nahestehende Person gewährt wird.
Sachverhalt
Eine Steuerpflichtige gewährte einer GmbH, an der ihre Tochter und ihre Enkel zu mehr als jeweils 10 Prozent beteiligt waren, ein Darlehen. Das Finanzamt besteuerte die Zinsen mit der tariflichen Einkommensteuer, weil die Gläubigerin der Kapitalerträge eine den Anteilseignern nahestehende Person sei – jedoch zu Unrecht, wie der Bundesfinanzhof entschied.
Hinweis: In diesen Fällen darf nicht auf das bloße Angehörigenverhältnis abgestellt werden. Insofern greift der Bundesfinanzhof auf die Grundsätze zurück, die er zu Darlehen zwischen nahen Angehörigen aufgestellt hat.
Quelle: BFH, Urteile vom 29.4.2014, VIII R 9/13; VIII R 44/13, Abruf-Nr. 142504; VIII R 35/13; VIII R 23/13; BFH, Urteil vom 14.5.2014, VIII R 31/11.
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Annotations
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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In den Jahren 2007 und 2008 schlossen sie mit ihrem Sohn (S) und ihren volljährigen Enkeln (E 1 und E 2) schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen in Höhe von 650.000 € (S), 110.000 € (E 1) und 100.000 € (E 2) ab. Die unbesicherten Darlehen dienten der Anschaffung fremdvermieteter Objekte durch die Darlehensnehmer. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung wurde nicht getroffen. Die Kläger erzielten im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 28.812 €.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen. Mit ihrem Einspruch machten die Kläger geltend, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25 % Anwendung finde (§ 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres --EStG--). Das FA wies den Einspruch zurück, da gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes ausgeschlossen sei, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen seien. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2009 veröffentlichten Urteil vom 18. Juni 2012 15 K 417/10 ab.
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Am 21. Oktober 2013 erging aufgrund der Mitteilung über Beteiligungseinkünfte ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, der die Streitfrage dieses Revisionsverfahrens nicht berührt.
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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor, dass allein aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht auf ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG geschlossen werden könne. Hielten die Darlehensverträge einem Fremdvergleich stand, dürfe die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht versagt werden.
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 18. Juni 2012 15 K 417/10 aufzuheben und unter Änderung des Einkommen-steuerbescheids für 2009 vom 21. Oktober 2013 die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 28.812 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen komme gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG vorliegend nicht zur Anwendung, da Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen seien. Hierdurch würden Familienangehörige nicht gleichheitswidrig benachteiligt, da sich der Ausnahmetatbestand nicht auf Angehörige beschränke, sondern für alle einander nahestehenden Personen gelte. Eine missbräuchliche Gestaltung sei nicht bereits deshalb auszuschließen, weil die Darlehensverträge steuerlich anzuerkennen seien. Die fehlende Besicherung lege als Motiv für die Vertragsgestaltung eine Vermögensverlagerung innerhalb der Familie nahe.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten und schließt sich der Argumentation des FA an. Das gesetzgeberische Grundanliegen, dem Abfluss von Kapital in das Ausland durch die Schaffung von Anonymität entgegenzuwirken, werde verfehlt, wenn die Erfassung der Erträge des Darlehensgebers aufgrund des Schuldzinsenabzugs des Darlehensnehmers gesichert sei. Der Unterschied von Darlehensverträgen zwischen fremden Dritten und Familienangehörigen werde deutlich, wenn man die Familie als einheitlichen "Bilanzraum" begreife, in dem der Darlehensnehmer den niedrigeren Steuersatz der Abgeltungsteuer beim Darlehensgeber auch für sich als Vorteil empfinde. Danach stelle der Fremdvergleich hinsichtlich der Darlehensbedingungen kein wirksames Mittel dar, um eine missbräuchliche Ausnutzung der Steuersatzspreizung auszuschließen. Zudem sei es aus fiskalischen Gründen geboten gewesen, den Abgeltungsteuersatz für Familienangehörige auszuschließen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2009 vom 21. Oktober 2013 mit der Maßgabe, dass die tariflich besteuerten Einkünfte der Kläger aus Kapitalvermögen jeweils um 14.406 € verringert und die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag erhöht werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
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Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (II.1.). Die Revision, die sich nach § 68 Satz 1 FGO gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 21. Oktober 2013 richtet, hat aber auch in der Sache Erfolg. Der während des Revisionsverfahrens erlassene Einkommensteueränderungsbescheid ist rechtswidrig und dementsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO). Die von den Klägern gewährten Darlehen halten einem Fremdvergleich stand, sodass ihre daraus erzielten Kapitaleinkünfte der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen (II.2.). Jedoch ist der in § 32d Abs. 1 EStG geregelte gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da zwischen den Klägern und den Darlehensnehmern kein Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift vorlag (II.3.). Die Einkommensteuer für die streitigen Kapitalerträge beträgt danach 25 % (§ 32d Abs. 1 EStG).
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1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 7. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2010 entschieden. Das FA hat im Anschluss an das Urteil aufgrund von Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen, der an die Stelle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheids getreten ist. Damit liegt dem Urteil des FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde, sodass es keinen Bestand haben kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. November 2003 IV R 31/02, BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7, m.w.N.).
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Da sich durch die Änderung des Bescheids hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen ergaben und die Kläger auch keinen weitergehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).
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2. Die Feststellung des FG, dass die zwischen den Klägern und S, E 1 und E 2 abgeschlossenen Darlehensverträge der Besteuerung zugrunde zu legen sind, sodass die von den Klägern erzielten Kapitalerträge der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bei seiner Gesamtwürdigung von den höchstrichterlichen Maßstäben des Fremdvergleichs bei sog. Anschaffungsdarlehen (hierzu im Einzelnen BFH-Urteile vom 22. Oktober 2013 X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374; vom 17. Juli 2013 X R 31/12, BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015) ausgegangen, hat alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427).
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Die Darlehen dienten der Finanzierung des Erwerbs von Immobilien zur Erzielung von Vermietungseinkünften durch die Darlehensnehmer. Diese waren nach den Feststellungen des FG volljährig und wirtschaftlich unabhängig. Die schriftlich fixierten Vereinbarungen waren tatsächlich gewollt und wurden der Abrede gemäß durchgeführt. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG bei einer Gesamtwürdigung die Darlehen der Besteuerung zugrunde gelegt hat, obwohl sie nicht besichert waren und keine Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung vereinbart worden war (BFH-Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374).
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3. Jedoch ist im Streitfall der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Kläger als Gläubiger und S, E 1 und E 2 als Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift waren.
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a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das BMF hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands in seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94) und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953) --jeweils Rz 134-- für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Dies ist vorliegend der Fall, sodass entscheidungserheblich ist, ob die Kläger als Darlehensgeber und deren Abkömmlinge als Darlehensnehmer einander nahestehende Personen im Sinne der gesetzlichen Regelung sind.
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b) Bei dem Begriff "einander nahestehende Personen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen, da unüberwindliche Auslegungsprobleme nicht ersichtlich sind.
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c) Was unter dem Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Zwar ist der Begriff in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 138 der Insolvenzordnung (InsO) gesetzlich definiert. Eine analoge Anwendung ist jedoch aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Während es Ziel des § 1 Abs. 2 AStG ist, das ertragsteuerliche Ergebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren, ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Marktüblichkeit der Zinsvereinbarung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes ohne Bedeutung. Gegen eine analoge Anwendung der Definition des § 138 InsO spricht, dass diese auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2011 IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363). Gleiches gilt für den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff der "nahestehenden Person" bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (Worgulla, Der Erbschaft-Steuer-Berater --ErbStB-- 2010, 151, 154; Behrens/ Renner, Betriebs-Berater --BB-- 2008, 2319, 2321; a.A. Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32d Rz 11) und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes.
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d) Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der "nahestehenden Person" alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 AO, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (so das BMF in seinen Schreiben in BStBl I 2010, 94, und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 32d Rz 8; Boochs in Lademann, EStG, § 32d EStG Rz 18a; a.A. Storg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32d Rz 20a; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 20; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154; Behrens/ Renner, BB 2008, 2319, 2321; Schulz/Vogt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2189, 2191 ff.; Blümich/Treiber, a.a.O., § 32d Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32d Rz 11; Fischer, DStR 2007, 1898 f.; Harenberg/Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 124; Griesel/Mertes, Die neue Abgeltungsteuer, Rz 200 ff.).
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Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, S. 61). Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.
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Legt man der Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG diese vom Gesetzgeber intendierte Definition des Begriffs der "nahestehenden Person" zugrunde, ist der Ausschlusstatbestand vorliegend nicht erfüllt. Es lag zwischen den Klägern und den Darlehensnehmern kein Beherrschungsverhältnis vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass grundsätzlich jede --also auch eine natürliche-- Person beherrscht werden kann, setzt dies voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Dies gilt auch für Beziehungen zwischen Eheleuten untereinander und zwischen Eltern und Kindern (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 Rz 841 f.). Dass dies bei den Klägern und deren wirtschaftlich unabhängigen Abkömmlingen der Fall war, ist nicht ersichtlich. Es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger und die Darlehensnehmer S, E 1 und E 2 auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausübten, noch dass die Vertragsparteien ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hatten. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen liegt danach nicht vor.
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e) Diese nach dem Willen des Gesetzgebers erforderliche Einschränkung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
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aa) Zwar bestehen gegen die Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach dem Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, gegenüber anderen Einkunftsarten, die nach dem progressiven Einkommensteuertarif des § 32a Abs. 1 EStG besteuert werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geographisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage "Finanzkapital" dadurch zu erfassen, dass er alle Kapitaleinkünfte --unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen Erfassung-- an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet, die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239).
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bb) Jedoch läge eine mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbare Diskriminierung der Familie vor (vgl. BVerfG–Entscheidung vom 18. März 1970 1 BvR 498/66, BVerfGE 28, 104), wenn der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausschließlich an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen i.S. des § 15 AO geknüpft und --anders als bei fremden Dritten-- auch dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält (so aber das BMF in seinen Schreiben in BStBl I 2010, 94, und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136).
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cc) Eine solche Benachteiligung von Familienangehörigen wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Verträge zwischen Familienangehörigen wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn zu Beginn der Vertragsbeziehungen eine bürgerlich-rechtlich wirksame, klare und eindeutige Vereinbarung abgeschlossen wird, die inhaltlich wie unter Fremden ausgestaltet ist und auch tatsächlich so vollzogen wird (s. z.B. BVerfG-Beschluss vom 7. August 1985 1 BvR 707/85, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1985, 277). Ist dies aber --wie vorliegend-- der Fall, ist es verfassungsrechtlich unzulässig, eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes durch Ehegatten und Familienangehörige in jedem Fall unwiderlegbar zu vermuten (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290; BVerfG-Beschlüsse vom 15. Juli 1969 1 BvL 22/65, BVerfGE 26, 321; vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83, BVerfGE 69, 188). Dies gilt auch dann, wenn einzelne Sachverhaltsmerkmale der Darlehensgewährung vom Üblichen abweichen (BVerfG-Beschluss vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, unter B.I.2.; BFH-Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374), sodass nicht bereits aufgrund der fehlenden Besicherung und Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden kann.
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Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes für Angehörige i.S. des § 15 AO ergibt sich auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil, der entstehen kann, wenn die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. Eine solche Vorstellung von der Familie als einheitlichem "Bilanzraum" beruht auf unzutreffenden Voraussetzungen; denn abgesehen von der durch die Regelung der Unterhaltspflichten (§§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bedingten "Unterhaltsgemeinschaft", begründen Ehe und Familie als solche bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerfGE 13, 290; vom 20. März 1963 1 BvL 20/61, BVerfGE 15, 328; in BVerfGE 26, 321). Das "nahe persönliche Verhältnis" führt nicht notwendig oder typischerweise zu einer Wirtschaftsgemeinschaft oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbständiger "Strohmänner" gedrängt würden (BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203, 208 f.).
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dd) Auch bei Personen, die nicht unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallen, sodass Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Abgeltungsteuersatzes der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist, kann ein solcher Gesamtbelastungsvorteil allein nicht zum Ausschluss des in § 32d Abs. 1 EStG geregelten Abgeltungsteuersatzes führen. Dieser Vorteil ist keine Tatsachenbasis für die Feststellung, dass eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung der Steuersatzspreizung vorliegt, da die unterschiedliche steuerliche Belastung von Kapitalerträgen im Vergleich zu den mit dem progressiven Steuersatz besteuerten Einkünften im System der mit der Abgeltungsteuer eingeführten Schedule angelegt ist. Zudem wird die Einkommensteuer vom Grundsatz der Individualbesteuerung beherrscht (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608), sodass eine Gesamtbetrachtung der Steuerbelastung und Steuerentlastung verschiedener Steuerpflichtiger in der Regel allenfalls dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein Missbrauchstatbestand erfüllt ist. Es liegen jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass dies vorliegend der Fall war.
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ee) Schließlich sind auch fiskalische Erwägungen, die nach den Ausführungen des BMF zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Abgeltungsteuer geführt haben, für sich genommen nicht geeignet, eine Ungleichbehandlung von Angehörigen i.S. des § 15 AO bei der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes zu rechtfertigen (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210).
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Der Kläger schloss im Jahr 2008 mit der Klägerin und den volljährigen Kindern schriftliche Verträge über die Gewährung festverzinslicher Darlehen in Höhe von 113.000 € (Klägerin), 105.000 € (Sohn) und 20.000 € (Tochter) ab. Die Darlehen dienten der Anschaffung eines an fremde Dritte vermieteten Gebäudes. Der Erwerb und die Vermietung des Gebäudes erfolgte durch eine von den Darlehensnehmern gegründete GbR. Zur Sicherung der Darlehen traten die Darlehensnehmer dem Kläger die Mietüberschüsse aus dem finanzierten Objekt ab. Eine Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Tilgung der Darlehen wurde nicht getroffen. Im gleichen Jahr gewährte der Kläger der Klägerin ein weiteres Darlehen für den Erwerb des Anteils an einer von der GbR vermieteten Eigentumswohnung in Höhe von 57.500 €. Auf die Besicherung des Darlehens wurde in dem schriftlichen Darlehensvertrag verzichtet, da das Objekt nicht mit Grundpfandrechten belastet war. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus den Darlehen Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 10.392 €, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht mit dem gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG), sondern mit dem tariflichen Einkommensteuersatz nach § 32a EStG besteuerte.
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Die hiergegen erhobene Sprungklage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1764 veröffentlichten Urteil vom 26. Februar 2013 11 K 2365/10 ab.
- 4
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Am 6. März 2014 erging ein nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderter Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, der die Streitfragen dieses Revisionsverfahrens nicht berührt.
- 5
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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision im Wesentlichen vor, der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG verstoße sowohl gegen das Gebot der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) als auch gegen das Diskriminierungsverbot von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG).
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des FG München vom 26. Februar 2013 11 K 2635/10 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 6. März 2014 die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 10.392 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen sei gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen seien. Hierdurch würden Familienangehörige nicht gleichheitswidrig benachteiligt, wenn die Darlehensbedingungen aufgrund des Fehlens einer Besicherung und mangels Regelung einer Vorfälligkeitsentschädigung auf ein besonderes Näheverhältnis schließen ließen. Der Gesetzgeber habe in der Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Ausnutzung des Gefälles zwischen dem Steuersatz der tariflichen Einkommensteuer beim Schuldner und dem Abgeltungsteuersatz beim Gläubiger bei einander nahestehenden Personen typisierend unterstellt, sodass der Abgeltungsteuersatz auch dann ausgeschlossen sei, wenn ein Gesamtbelastungsvorteil tatsächlich nicht entstanden sei.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des Einkommensteueränderungsbescheids für 2009 vom 6. März 2014 mit der Maßgabe, dass die tariflich besteuerten Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen um 10.392 € verringert und die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag erhöht werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
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Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (II.1.). Die Revision, die sich nach § 68 Satz 1 FGO gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 6. März 2014 richtet, hat aber auch in der Sache Erfolg. Der während des Revisionsverfahrens erlassene Einkommensteueränderungsbescheid ist rechtswidrig und dementsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO). Die vom Kläger gewährten Darlehen halten einem Fremdvergleich stand, sodass seine daraus erzielten Kapitaleinkünfte der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen (II.2.). Jedoch ist der in § 32d Abs. 1 EStG geregelte gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da zwischen dem Kläger und den Darlehensnehmern kein Näheverhältnis im Sinne dieser Vorschrift vorlag (II.3.). Die Einkommensteuer für die streitigen Kapitalerträge beträgt danach 25 % (§ 32d Abs. 1 EStG).
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1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 19. August 2011 entschieden. Das FA hat im Anschluss an das Urteil einen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen, der an die Stelle des ursprünglich mit der Klage angefochtenen Einkommensteuerbescheids getreten ist. Damit liegt dem Urteil des FG ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde, sodass es keinen Bestand haben kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. November 2003 IV R 31/02, BFHE 204, 166, BStBl II 2006, 7, m.w.N.).
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Da sich durch die Änderung des Bescheids hinsichtlich der streitigen Punkte keine Änderungen ergaben und die Kläger auch keinen weitergehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, sodass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43).
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2. Die Feststellung des FG, dass die zwischen dem Kläger und der Klägerin und den Kindern abgeschlossenen Darlehensverträge der Besteuerung zugrunde zu legen sind, sodass die aufgrund der Darlehensgewährung erzielten Kapitalerträge der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist bei seiner Gesamtwürdigung von den höchstrichterlichen Maßstäben des Fremdvergleichs bei sogenannten Anschaffungsdarlehen (hierzu im Einzelnen BFH-Urteile vom 22. Oktober 2013 X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374; vom 17. Juli 2013 X R 31/12, BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015) ausgegangen, hat alle maßgeblichen Beweisanzeichen einbezogen und dabei nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (BFH-Urteil vom 23. April 2009 IV R 24/08, BFH/NV 2009, 1427).
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Die Darlehen dienten der Finanzierung des Erwerbs von Immobilien zur Erzielung von Vermietungseinkünften durch die von den Darlehensnehmern gegründete GbR. Die schriftlich fixierten Vereinbarungen waren tatsächlich gewollt und wurden der Abrede gemäß durchgeführt. Es ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG bei einer Gesamtwürdigung die Darlehen der Besteuerung zugrunde gelegt hat, obwohl sie nicht besichert waren und keine Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung vereinbart worden war (BFH-Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374).
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3. Jedoch ist im Streitfall der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausgeschlossen, da keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger als Gläubiger und die Klägerin und Kinder als Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift waren.
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a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestandes in seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94) und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953) --jeweils Rz 134-- für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen.
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Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin und die Kinder des Klägers haben die Darlehen bei dem Kläger aufgenommen, um Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen. Zu diesem Zweck gründeten sie eine GbR, die die fremdfinanzierten Immobilien vermietete, sodass sie gemeinschaftlich den Tatbestand des § 21 EStG erfüllten (BFH-Urteile vom 8. April 2014 IX R 45/13, BFHE 244, 442; vom 7. April 1987 IX R 103/85, BFHE 150, 124, BStBl II 1987, 707; Blümich/Heuermann, § 21 EStG Rz 48 ff.). Die Vermietungseinkünfte wurden nach § 179 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert und einheitlich festgestellt und den Darlehensnehmern entsprechend ihrer Beteiligung an der GbR zugerechnet. Dabei waren die an den Kläger gezahlten Schuldzinsen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteile vom 31. März 1992 IX R 245/87, BFHE 168, 248, BStBl II 1992, 890; in BFHE 244, 442). Es ist somit entscheidungserheblich, ob der Kläger als Darlehensgeber und die Klägerin und deren Abkömmlinge als Darlehensnehmer einander nahestehende Personen im Sinne der gesetzlichen Regelung waren.
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b) Bei dem Begriff "einander nahestehende Personen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen, da unüberwindliche Auslegungsprobleme nicht ersichtlich sind.
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c) Was unter dem Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Zwar ist der Begriff in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 138 der Insolvenzordnung (InsO) gesetzlich definiert. Eine analoge Anwendung ist jedoch aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Während es Ziel des § 1 Abs. 2 AStG ist, das ertragsteuerliche Ergebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren, ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Marktüblichkeit der Zinsvereinbarung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes ohne Bedeutung. Gegen eine analoge Anwendung der Definition des § 138 InsO spricht, dass diese auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2011 IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363). Gleiches gilt für den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff der "nahestehenden Person" bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (Worgulla, Der Erbschaft-Steuer-Berater --ErbStB-- 2010, 151, 154; Behrens/ Renner, Betriebs-Berater --BB-- 2008, 2319, 2321; a.A. Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32d Rz 11) und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes.
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d) Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der "nahestehenden Person" alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 AO, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (so das BMF in seinen Schreiben in BStBl I 2010, 94, und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 32d Rz 8; Boochs in Lademann, EStG, § 32d EStG Rz 18a; a.A. Storg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32d Rz 20a; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 20; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154; Behrens/ Renner, BB 2008, 2319, 2321; Schulz/Vogt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2189, 2191 ff.; Blümich/Treiber, a.a.O., § 32d Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32d Rz 11; Fischer, DStR 2007, 1898 f.; Harenberg/Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 124; Griesel/Mertes, Die neue Abgeltungsteuer, Rz 200 ff.).
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Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, S. 61). Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.
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Legt man der Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG diese vom Gesetzgeber intendierte Definition des Begriffs der "nahestehenden Person" zugrunde, ist der Ausschlusstatbestand vorliegend nicht erfüllt. Es lag zwischen dem Kläger und den Darlehensnehmern kein Beherrschungsverhältnis vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass grundsätzlich jede --also auch eine natürliche-- Person beherrscht werden kann, setzt dies voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Dies gilt auch für Beziehungen zwischen Eheleuten untereinander und zwischen Eltern und Kindern (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/ Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 Rz 841 f.). Dass dies bei dem Kläger, seiner Ehefrau und seinen Abkömmlingen der Fall war, ist nicht ersichtlich. Es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass diese auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausübten, noch dass die Vertragsparteien ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hatten. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen liegt danach nicht vor.
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e) Diese nach dem Willen des Gesetzgebers erforderliche Einschränkung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
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aa) Zwar bestehen gegen die Ungleichbehandlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach dem Abgeltungsteuersatz gemäß § 32d Abs. 1 EStG besteuert werden, gegenüber anderen Einkunftsarten, die nach dem progressiven Einkommensteuertarif des § 32a Abs. 1 EStG besteuert werden, keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht gehindert, die ihrer Natur nach nicht einer bestimmten Person zugeordnete und geographisch nicht gebundene Erwerbsgrundlage "Finanzkapital" dadurch zu erfassen, dass er alle Kapitaleinkünfte --unabhängig von ihrer Anlageform und buchungstechnischen Erfassung-- an der Quelle besteuert und mit einer Definitivsteuer belastet, die in einem linearen Satz den absetzbaren Aufwand und den Progressionssatz in Durchschnittswerten typisiert (Urteil des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239).
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bb) Jedoch läge eine mit Art. 6 Abs. 1 GG unvereinbare Diskriminierung der Familie vor (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 18. März 1970 1 BvR 498/66, BVerfGE 28, 104), wenn der Ausschluss des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG ausschließlich an bestimmte enge familienrechtliche Beziehungen i.S. des § 15 AO geknüpft und --anders als bei fremden Dritten-- auch dann eintreten würde, wenn der Darlehensvertrag einem Fremdvergleich standhält (so aber das BMF in seinen Schreiben in BStBl I 2010, 94 und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136).
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cc) Eine solche Benachteiligung von Familienangehörigen wäre sachlich nicht gerechtfertigt. Zwar ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn Verträge zwischen Familienangehörigen wegen der grundsätzlich gleichgerichteten Interessen nur dann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn zu Beginn der Vertragsbeziehungen eine bürgerlich-rechtlich wirksame, klare und eindeutige Vereinbarung abgeschlossen wird, die inhaltlich wie unter Fremden ausgestaltet ist und auch tatsächlich so vollzogen wird (s. z.B. BVerfG-Beschluss vom 7. August 1985 1 BvR 707/85, Deutsche Steuer-Zeitung/Eildienst 1985, 277). Ist dies aber --wie vorliegend-- der Fall, ist es verfassungsrechtlich unzulässig, eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes durch Ehegatten und Familienangehörigen in jedem Fall unwiderlegbar zu vermuten (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 24. Januar 1962 1 BvL 32/57, BVerfGE 13, 290; BVerfG-Beschlüsse vom 15. Juli 1969 1 BvL 22/65, BVerfGE 26, 321; vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83, BVerfGE 69, 188). Dies gilt auch dann, wenn einzelne Sachverhaltsmerkmale der Darlehensgewährung vom Üblichen abweichen (BVerfG-Beschluss vom 7. November 1995 2 BvR 802/90, BStBl II 1996, 34, unter B.I.2.; BFH-Urteil in BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374), sodass nicht bereits aufgrund der fehlenden Besicherung und Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung auf eine missbräuchliche Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes geschlossen werden kann.
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Eine sachliche Rechtfertigung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes für Angehörige i.S. des § 15 AO ergibt sich auch nicht aus einem Gesamtbelastungsvorteil, der entstehen kann, wenn die Entlastung des Darlehensnehmers durch den Schuldzinsenabzug höher ist als die steuerliche Belastung des Darlehensgebers. Eine solche Vorstellung von der Familie als einheitlichem "Bilanzraum" beruht auf unzutreffenden Voraussetzungen; denn abgesehen von der durch die Regelung der Unterhaltspflichten (§§ 1360 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs) bedingten "Unterhaltsgemeinschaft" begründen Ehe und Familie als solche bei der Einkünfteermittlung keine Vermögensgemeinschaft (vgl. BVerfG-Entscheidungen in BVerGE 13, 290; vom 20. März 1963 1 BvL 20/61, BVerfGE 15, 328; in BVerfGE 26, 321). Das "nahe persönliche Verhältnis" führt nicht notwendig oder typischerweise zu einer Wirtschaftsgemeinschaft oder einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, durch die Familienangehörige in die Rolle unselbständiger "Strohmänner" gedrängt würden (BVerfG-Beschluss vom 10. Juni 1963 1 BvR 345/61, BVerfGE 16, 203, 208 f.).
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dd) Auch bei Personen, die nicht unter den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG fallen, sodass Maßstab für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses des Abgeltungsteuersatzes der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist, kann ein solcher Gesamtbelastungsvorteil allein nicht zum Ausschluss des in § 32d Abs. 1 EStG geregelten Abgeltungsteuersatzes führen. Dieser Vorteil ist keine Tatsachenbasis für die Feststellung, dass eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung der Steuersatzspreizung vorliegt, da die unterschiedliche steuerliche Belastung von Kapitalerträgen im Vergleich zu den mit dem progressiven Steuersatz besteuerten Einkünften im System der mit der Abgeltungsteuer eingeführten Schedule angelegt ist. Zudem wird die Einkommensteuer vom Grundsatz der Individualbesteuerung beherrscht (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 17. Dezember 2007 GrS 2/04, BFHE 220, 129, BStBl II 2008, 608), sodass eine Gesamtbetrachtung der Steuerbelastung und Steuerentlastung verschiedener Steuerpflichtiger in der Regel allenfalls dann gerechtfertigt sein kann, wenn ein Missbrauchstatbestand erfüllt ist. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass dies vorliegend der Fall war.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Die Klägerin war Gesellschafterin der ... KG (KG), der ...-GmbH und der ... GbR (GbR). Im Jahr 2008 veräußerte sie die Beteiligungen an ihren Bruder. Im Gesellschaftsvertrag der von dem Vater der Klägerin gegründeten KG und GbR war hinsichtlich der Modalitäten der Kaufpreiszahlung geregelt, dass der Kaufpreis in drei gleichen Raten zu zahlen war. Das Auseinandersetzungsguthaben war ab dem Tag des Ausscheidens mit dem Zinssatz für Kontokorrentkredite der Hausbank zu verzinsen und zu besichern. Die Stundungsvereinbarung wurde wie gesellschaftsvertraglich vereinbart vollzogen. Der Bruder zahlte der Klägerin im Streitjahr 2009 zuzüglich zu der ersten und zweiten Rate des Kaufpreises Stundungszinsen in Höhe von insgesamt 39.704 €.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer unterliegen, da es sich bei dem Schuldner der Kapitalerträge um eine nahestehende Person handle, sodass die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) ausgeschlossen sei. Das folgende Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 2020 veröffentlichten Urteil vom 16. April 2013 8 K 3100/11 ab.
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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor, dass allein aus dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer nicht auf ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG geschlossen werden könne. Andernfalls verstoße die Regelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da einander nahestehende Personen höher besteuert würden als fremde Dritte, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt sei.
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Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 16. April 2013 8 K 3100/11 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 14. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 39.704 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Zur Begründung seines Antrags nimmt es Bezug auf die Ausführungen des FG, denen es sich anschließt. Nur durch eine typisierende Betrachtungsweise sei sichergestellt, dass der in § 32d Abs. 2 EStG normierte Gesetzeszweck auch umgesetzt werde.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 14. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. August 2011 mit der Maßgabe, dass die tariflich besteuerten Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um 39.704 € verringert und die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag erhöht werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
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1. Das FG hat zu Recht festgestellt, dass die von der Klägerin vereinnahmten Stundungszinsen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG unterliegen. Sie waren, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 1997 VIII R 11/95, BFHE 185, 205, BStBl II 1998, 379). Umstände, die dagegen sprechen, dass die Stundungsvereinbarung einem Fremdvergleich standhält, d.h. wie unter fremden Dritten vereinbart wurde (s. hierzu im Einzelnen Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. Oktober 2013 X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374; vom 17. Juli 2013 X R 31/12, BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015), liegen nicht vor.
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2. Zu Unrecht hat das FG jedoch den gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 32d Abs. 1 EStG) nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG als ausgeschlossen angesehen. Die Klägerin als Gläubigerin und ihr Bruder als Schuldner der Kapitalerträge waren keine einander nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift.
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a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitaleinkünfte i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wenn Gläubiger und Schuldner der Kapitalerträge einander nahestehende Personen sind. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat die Anwendung dieses Ausnahmetatbestands in seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94) und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953) --jeweils Rz 134-- für das Streitjahr in verfassungskonformer Rechtsfortbildung dahingehend eingeschränkt, dass der Abgeltungsteuersatz nur dann ausgeschlossen sein soll, wenn die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Dies ist vorliegend der Fall. Es ist somit entscheidungserheblich, ob die Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge und ihr Bruder als deren Schuldner einander nahestehende Personen im Sinne der gesetzlichen Regelung sind.
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b) Bei dem Begriff "einander nahestehende Personen" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen, da unüberwindliche Auslegungsprobleme nicht ersichtlich sind.
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c) Was unter dem Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Zwar ist der Begriff in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 138 der Insolvenzordnung (InsO) gesetzlich definiert. Eine analoge Anwendung ist jedoch aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Während es Ziel des § 1 Abs. 2 AStG ist, das ertragsteuerliche Ergebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren, ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG die Marktüblichkeit der Zinsvereinbarung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes ohne Bedeutung. Gegen eine analoge Anwendung der Definition des § 138 InsO spricht, dass diese auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2011 IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363). Gleiches gilt für den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff der "nahestehenden Person" bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (Worgulla, Der Erbschaft-Steuer-Berater --ErbStB-- 2010, 151, 154; Behrens/ Renner, Betriebs-Berater --BB-- 2008, 2319, 2321; a.A. Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32d Rz 11) und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes.
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d) Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der "nahestehenden Person" alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung, da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (so das BMF in seinen Schreiben in BStBl I 2010, 94, und in BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 32d Rz 8; Boochs in Lademann, EStG, § 32d EStG Rz 18a; a.A. Storg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32d Rz 20a; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 20; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154; Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321; Schulz/ Vogt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2189, 2191 ff.; Blümich/Treiber, a.a.O., § 32d Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32d Rz 11; Fischer, DStR 2007, 1898 f.; Harenberg/ Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 124; Griesel/ Mertes, Die neue Abgeltungsteuer, Rz 200 ff.).
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Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, S. 61). Danach ist ein lediglich aus der Familienangehörigkeit oder Ehe abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichend, um ein Näheverhältnis i.S. des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zu begründen.
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Legt man der Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG diese vom Gesetzgeber intendierte Definition des Begriffs der "nahestehenden Person" zugrunde, ist der Ausschlusstatbestand vorliegend nicht erfüllt. Es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Klägerin und ihrem Bruder ein Abhängigkeitsverhältnis bestand, noch dass diese auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausübten, noch dass die Vertragsparteien ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hatten. Die ratenweise Auszahlung und Stundung des Auseinandersetzungsguthabens im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters war bereits bei der Gründung der KG im Gesellschaftsvertrag geregelt worden. Zu diesem Zeitpunkt waren weder die Klägerin noch deren Bruder an der KG beteiligt, sodass nicht ersichtlich ist, dass sie auf die gesellschaftsvertragliche Verankerung und Ausgestaltung der Stundungsvereinbarung Einfluss nehmen konnten. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des Abgeltungsteuersatzes ist danach nicht gegeben.
Tatbestand
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I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.
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Der Kläger ist Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Im Jahr 2000 schloss er mit dieser einen schriftlichen Vertrag über die Gewährung eines ungesicherten Darlehens in Höhe von 600.000 DM ab. Das Darlehen sollte mit einem Zinssatz in Höhe von jährlich 6 % verzinst werden. Die Auszahlung des Darlehens erfolgte je nach Bedarf. Das Darlehen valutierte am 31. Dezember 2009 in Höhe von 272.000 €. Der Kläger erzielte im Streitjahr 2009 aus dem Darlehen Kapitalerträge in Höhe von 16.320 €.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) besteuerte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr diese Zinserträge mit der tariflichen Einkommensteuer (§ 32a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres --EStG--). Mit ihrem Einspruch machten die Kläger erfolglos geltend, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25 % Anwendung finde (§ 32d Abs. 1 EStG). Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem Urteil vom 12. April 2012 14 K 335/10 ab.
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Die Kläger tragen zur Begründung ihrer Revision vor, der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sei in verfassungskonformer Auslegung auf Missbrauchsfälle zu beschränken. Andernfalls werde der Kläger in verfassungswidriger Weise benachteiligt, da der Abgeltungsteuersatz des § 32d Abs. 1 EStG Anwendung fände, wenn er zu weniger als 10 % an der GmbH beteiligt wäre oder eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorläge. Der Darlehensvertrag sei im Jahr 2000 abgeschlossen worden, sodass die Einführung der Abgeltungsteuer im Streitjahr nicht ursächlich für die Darlehensgewährung gewesen sein könne. Dennoch werde auch dieser Vertrag von der Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG erfasst und ein Missbrauch des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen pauschal unterstellt. Der Gesetzgeber habe dadurch gegen seine Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis verstoßen. Er habe mit der Festlegung auf eine Beteiligung von mindestens 10 % eine willkürliche Grenze für den Ausschluss der Anwendung des Abgeltungsteuersatzes gezogen. § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verletze zudem die durch Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützte Vertragsfreiheit.
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 12. April 2012 14 K 335/10 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 2009 vom 23. September 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17. November 2010 die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 16.320 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
- 6
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
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1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die streitigen Kapitaleinkünfte der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a EStG unterliegen, da die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen ist. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger aus der Darlehensgewährung an die GmbH Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielte und keine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorlag, für die im Streitjahr der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht gilt. Es sind für das Vorliegen einer vGA auch keine Anhaltspunkte gegeben. Die Kapitalerträge wurden von einer Kapitalgesellschaft gezahlt, an der der Kläger zu mindestens 10 % als Anteilseigner beteiligt war, sodass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen ist.
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2. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
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a) Der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ungleichbehandlung des Klägers im Verhältnis zu den durch den Abgeltungsteuersatz begünstigten Steuerpflichtigen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die vom Gesetzgeber normierte Beteiligungsquote von 10 % ist nicht willkürlich.
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aa) Der Gleichheitssatz ist im Steuerrecht als Grundsatz der Steuergerechtigkeit bereichsspezifisch ausgeprägt; er verlangt steuerliche Lastengleichheit. Als horizontale Steuergleichheit gebietet der Gleichheitssatz, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich hoch zu besteuern. Der Steuergesetzgeber hat bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Spielraum und ist in der Gestaltung hinsichtlich der Erschließung von Steuerquellen weitgehend frei. Will er eine bestimmte Steuerquelle erschließen, andere hingegen nicht, dann ist der allgemeine Gleichheitssatz solange nicht verletzt, wie die Differenzierung auf sachgerechten Erwägungen, insbesondere finanzpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Natur, beruht (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 5. Februar 2002 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105, 17, 46 ff., m.w.N.; vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164, 180 ff., m.w.N.).
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Unabhängig davon, ob mit einer Steuernorm allein Fiskalzwecke oder auch Förderungs- und Lenkungsziele verfolgt werden, ist die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung zu beachten. Er darf grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Er darf jedoch für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zu Grunde legen (BVerfG-Beschlüsse vom 6. Juli 2010 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, 277 ff., m.w.N.; vom 12. Oktober 2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224, 244 ff., m.w.N.).
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bb) Mit der Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG hat der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Die Ungleichbehandlung des Klägers im Verhältnis zu den durch den Abgeltungsteuersatz begünstigten Steuerpflichtigen findet ihre Rechtfertigung in dem Zweck des Gesetzes, die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes auf Fälle zu beschränken, bei denen die Gefahr besteht, dass Kapital in das niedrig besteuerte Ausland verlagert wird (siehe hierzu II.2.a bb (1)). Der Gesetzgeber hat dabei keinen atypischen Fall als Leitbild gewählt (siehe hierzu unter II.2.a bb (2)) und ist durch die Kompensation der steuerrechtlichen Vor- und Nachteile bei dem Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes dem Erfordernis einer folgerichtigen Ausgestaltung hinreichend nachgekommen (siehe hierzu unter II.2.a bb (3)). Durch die Einführung der Abgeltungsteuer wird Art. 3 Abs. 1 GG auch in zeitlicher Hinsicht nicht verletzt (siehe hierzu unter II.2.a bb (4)).
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(1) Die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 EStG führt hinsichtlich des Steuersatzes zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den nach dem progressiven Einkommensteuertarif gemäß § 32a Abs. 1 EStG besteuerten Einkünften, wenn der progressive Steuersatz über 25 % liegt. Gesetzgeberisches Ziel für diese Privilegierung war es, die Standortattraktivität der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb für private Anleger, die ihr Kapital ohne größere Schwierigkeiten auch im Ausland anlegen könnten, durch eine leicht erkennbare Belastungsminderung zu erhöhen (BTDrucks 16/4841, S. 1). Dieses auf die Standortsicherung bezogene gesetzgeberische Ziel ist geeignet, den Typisierungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Regelungen, die die Besonderheiten der Kapitaleinkünfte berücksichtigen, zu erweitern und die Begünstigung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte gegenüber anderen Einkunftsarten zu rechtfertigen (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 282).
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Das wirtschaftspolitische Lenkungsziel wird jedoch verfehlt, sodass keine Rechtfertigung für eine gleichheitswidrige Begünstigung der Besteuerung der Kapitaleinkünfte gegeben ist, wenn ein Anteilseigner --wie hier der Kläger-- das Ziel der Refinanzierung seiner Gesellschaft im Inland durch eine Verlagerung seines Kapitals in das Ausland nicht erreichen könnte. Die Anwendung des allgemeinen Steuertarifs führt hier zu keiner Ungleichheit, sondern stellt im Hinblick auf die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit eine größere Gleichheit her (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 29. November 1989 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BVerfGE 81, 108, 118; in BVerfGE 105, 17, 47).
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Die Ungleichbehandlung der Besteuerung von Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Vergleich zu Kapitaleinkünften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aus einer vGA, auf die der Abgeltungsteuersatz Anwendung findet, da sie von dem Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht erfasst werden, verstößt gleichfalls nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Sie ist dadurch sachlich gerechtfertigt, dass diese Kapitalerträge, anders als die vom Kläger erzielten Zinseinkünfte, mit einer Körperschaftsteuer in Höhe von 15 % (§ 23 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) vorbelastet sind, da die vGA das Einkommen der Gesellschaft nicht mindern darf (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; vgl. Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 96).
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(2) Der Gesetzgeber hält sich mit der Regelung innerhalb seiner weiten Typisierungs- und Pauschalierungsbefugnis. Wie die Entstehungsgeschichte der Vorschrift belegt, soll der Abgeltungsteuersatz dann nicht zur Anwendung kommen, wenn das Ziel, dem Kapitalabfluss in das Ausland entgegenzuwirken, verfehlt würde (vgl. BTDrucks 16/4841, S. 60). Dem Gesetz liegen damit legitime und zur Rechtfertigung von Typisierungsregelungen grundsätzlich geeignete Ziele zugrunde (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 47 f.).
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Auch die konkrete Ausgestaltung ist mit den vom BVerfG entwickelten Grundsätzen einer zulässigen Typisierung zu vereinbaren. Die Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG vereinfacht die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes bei Gesellschafterfremdfinanzierungen und beugt unerwünschten Gestaltungen vor, bei denen der Gesellschafter der Stärkung der Gesellschaft durch Fremdkapital den Vorzug vor einer Erhöhung des Eigenkapitals gibt, um vom Abgeltungsteuersatz zu profitieren.
- 20
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Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber von der zumindest realitätsnahen Annahme ausging, dass der Gesellschafter ab einer Beteiligung von mindestens 10 % in einem gewissen Maß auf das Verhalten der Gesellschaft einwirken kann, um durch eine Fremdfinanzierung von dem Abgeltungsteuersatz zu profitieren (BTDrucks 16/5377, S. 14 und BRDrucks 220/07, S. 10 f.). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber hierdurch die Grenzen seines weiten Gestaltungsspielraums überschritten hätte und einen atypischen oder gar realitätsfernen Fall als Leitbild gewählt hat, sind nicht ersichtlich. Die Regelung ist auch nicht willkürlich, da es für das Willkürverbot nicht auf einen Mangel an dogmatisch "überzeugenden" oder systematisch "richtigen" Gründen ankommt, sondern auf den offenkundigen Mangel an jeglicher Sachlichkeit des Grundes (BVerfG-Beschluss vom 12. Mai 2009 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111, 127), der vorliegend nicht gegeben ist.
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(3) Der Gesetzgeber hat bei der Regelung des Ausschlusstatbestandes des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die steuerrechtlichen Vor- und Nachteile des Vergünstigungstatbestandes des § 32d EStG folgerichtig ausgestaltet, da gemäß § 32d Abs. 2 Satz 2 EStG bei der Versagung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG weder die Verlustausgleichsbeschränkung nach § 20 Abs. 6 EStG noch die Beschränkung des Werbungskostenabzugs nach § 20 Abs. 9 EStG Anwendung finden. Eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips ist danach nicht gegeben.
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(4) Auch in zeitlicher Hinsicht verstößt der Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Zum einen wird der Kläger im Vergleich zur alten Rechtslage nicht benachteiligt, da die Einkommensteuer für die Zinseinkünfte bereits vor der Einführung des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte nach dem progressiven Steuersatz des § 32a EStG ermittelt wurde. Der Gesetzgeber hat danach die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens des Klägers, der Fremdfinanzierung der GmbH im Jahre 2000, nicht nachträglich stärker belastet. Zum anderen unterfällt die bloße Chance, von einer steuerlichen Begünstigung von Kapitalerträgen zu profitieren, nicht dem Grundrechtsschutz des GG (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 83).
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b) Der Ausschluss der Zinseinkünfte des Klägers von der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verstößt auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG. Schließt der Gesetzgeber im Einkommensteuerrecht eine wirtschafts- oder sozialpolitisch motivierte steuervergünstigende Ausnahmeregelung aus, weil der Lenkungszweck nicht erreicht wird, so ist die dadurch hergestellte Regelbelastung der betroffenen Adressatengruppe für sich genommen grundsätzlich mit Art. 2 Abs. 1 GG, insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit, vereinbar (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 105, 17, 32 ff.).
Tatbestand
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I. Die Revisionsklägerin ist Rechtsnachfolgerin der zwischenzeitlich verstorbenen Klägerin des Ausgangsverfahrens. Letztere schloss im Jahr 2002 einen schriftlichen Vertrag über die Gewährung eines festverzinslichen Darlehens in Höhe von 250.000 € mit einer GmbH ab. An dem Stammkapital der GmbH waren die Enkelkinder der Klägerin (E 1 und E 2) zu jeweils 36 % und die Tochter der Klägerin (T) zu 28 % beteiligt. Das Darlehen hatte eine Laufzeit von fünf Jahren. Im Streitjahr 2009 erzielte die Klägerin aus dem Darlehen Kapitalerträge in Höhe von 6.290 €.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) be-rücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 2009 diese Zinserträge als Kapitaleinkünfte, die der tariflichen Einkommensteuer gemäß § 32a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG) unterliegen. Mit ihrem Einspruch machte die Klägerin erfolglos geltend, dass der gesonderte Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 25 % anzuwenden sei (§ 32d Abs. 1 EStG). Das FA führte in der Einspruchsentscheidung aus, die Anwendung des Abgeltungsteuersatzes gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG sei ausgeschlossen, da die Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge den Anteilseignern der GmbH, die zu mindestens 10 % an der Gesellschaft beteiligt seien, nahestehe. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 242 veröffentlichten Urteil vom 6. Juli 2011 4 K 322/10 ab.
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Die Revisionsklägerin trägt zur Begründung der Revision im Wesentlichen vor, die Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG verstoße gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit, da der Begriff der dem Anteilseigner "nahestehenden Person" nicht hinreichend abgrenzbar sei. Zudem diskriminiere die Regelung Familienangehörige bei der Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG.
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Die Revisionsklägerin beantragt,
das Urteil des Niedersächsischen FG vom 6. Juli 2011 4 K 322/10 aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 30. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2010 die tariflich besteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen um 6.290 € zu verringern, die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag zu erhöhen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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§ 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot, da der Begriff der "nahestehenden Person" durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) und in anderen Gesetzen hinreichend konkretisiert worden sei. Die Regelung solle dem Anreiz entgegenwirken, betriebliche Gewinne in Form von Darlehenszinsen in die steuerlich begünstigte Anlageebene zu verlagern. Dieser Anreiz sei bei nahestehenden Personen zu vermuten, da bei diesen der zwischen Darlehensgeber und Darlehensnehmer bestehende Interessengegensatz aufgehoben oder in der Regel eingeschränkt sei. So sei auch vorliegend die Darlehensgewährung nicht wie unter fremden Dritten üblich durchgeführt worden.
Entscheidungsgründe
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II. Die Revision ist begründet und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abänderung des Einkommensteuerbescheids für 2009 vom 30. August 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. November 2010 mit der Maßgabe, dass die tariflich besteuerten Einkünfte der Klägerin aus Kapitalvermögen um 6.290 € verringert und die nach § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Einkünfte um diesen Betrag erhöht werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO).
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1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ausgeschlossen ist. Die Klägerin als Gläubigerin der Kapitalerträge und E 1, E 2 und T als an der Schuldnerin der Kapitalerträge mit mindestens 10 % beteiligte Anteilseigner sind nicht als einander nahestehende Personen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen.
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a) Gemäß § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 EStG gilt der gesonderte Steuertarif des § 32d Abs. 1 EStG nicht, wenn die Kapitalerträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG von einer Kapitalgesellschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zu mindestens 10 % an der Gesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. Diese Ungleichbehandlung der Anteilseigner im Vergleich zu den durch den Abgeltungsteuersatz begünstigten Steuerpflichtigen verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes, da sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Senats im Urteil vom 29. April 2014 VIII R 23/13 (BFHE 245, 352) wird verwiesen.
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b) Nach Satz 2 des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ist die Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Kapitaleinkünfte auch dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigener nahestehende Person ist.
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aa) Bei dem Begriff der "nahestehenden Person" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsbedürftig ist. Dies steht dem rechtsstaatlichen Erfordernis nach Normenbestimmtheit nicht entgegen, da unüberwindliche Auslegungsprobleme nicht ersichtlich sind.
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bb) Was unter dem Begriff der "nahestehenden Person" zu verstehen ist, wird im Einkommensteuergesetz selbst nicht geregelt. Zwar ist der Begriff in § 1 Abs. 2 des Außensteuergesetzes (AStG) und § 138 der Insolvenzordnung (InsO) gesetzlich definiert. Eine analoge Anwendung ist jedoch aufgrund des unterschiedlichen Zwecks der Regelungen ausgeschlossen. Während es Ziel des § 1 Abs. 2 AStG ist, das ertragsteuerliche Ergebnis am Maßstab des Fremdvergleichs zu korrigieren, ist nach dem Wortlaut des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG die Marktüblichkeit der Zinsvereinbarung für den Ausschluss des Abgeltungsteuersatzes ohne Bedeutung. Gegen eine analoge Anwendung der Definition des § 138 InsO spricht, dass diese auf einen anderen Regelungsbereich zugeschnitten ist (vgl. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Februar 2011 IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363). Gleiches gilt für den von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Begriff der "nahestehenden Person" bei einer vGA (Worgulla, Der Erbschaft-Steuer-Berater --ErbStB-- 2010, 151, 154; Behrens/Renner, Betriebs-Berater --BB-- 2008, 2319, 2321; a.A. Blümich/Treiber, § 32d EStG Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32d Rz 11) und für die Regelung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes.
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cc) Nach dem Wortsinn fallen unter den Begriff der "nahestehenden Person" alle natürlichen und juristischen Personen, die zueinander in enger Beziehung stehen. Hierzu gehören auch Angehörige i.S. des § 15 der Abgabenordnung (AO), da bei diesem Personenkreis bereits das auf der Verwandtschaft, dem Verlöbnis oder der Eheschließung beruhende Näheverhältnis auf eine enge Bindung schließen lässt (so zur Regelung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG das Bundesministerium der Finanzen in seinen Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94, und vom 9. Oktober 2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953, jeweils Rz 136; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., § 32d Rz 8; Boochs in Lademann, EStG, § 32d EStG Rz 18a; a.A. Storg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 32d Rz 20a; Baumgärtel/Lange in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 20; Worgulla, ErbStB 2010, 151, 154; Behrens/Renner, BB 2008, 2319, 2321; Schulz/Vogt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2008, 2189, 2191 ff.; Blümich/Treiber, a.a.O., § 32d Rz 69; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 32d Rz 11; Fischer, DStR 2007, 1898 f.; Harenberg/Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 124; Griesel/Mertes, Die neue Abgeltungsteuer, Rz 200 ff.).
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Diese weite Auslegung des gesetzlichen Tatbestands widerspricht jedoch dem Willen des Gesetzgebers, den er in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG zum Ausdruck gebracht hat. Danach soll ein Näheverhältnis nur dann vorliegen, wenn die Person auf den Steuerpflichtigen einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder umgekehrt der Steuerpflichtige auf diese Person einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder eine dritte Person auf beide einen beherrschenden Einfluss ausüben kann oder die Person oder der Steuerpflichtige imstande ist, bei der Vereinbarung der Bedingungen einer Geschäftsbeziehung auf den Steuerpflichtigen oder die nahestehende Person einen außerhalb dieser Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss auszuüben oder wenn einer von ihnen ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hat (BTDrucks 16/4841, S. 61). Zwar enthält die Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG keine entsprechenden Ausführungen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auch bei dieser Regelung ein lediglich aus der Familienangehörigkeit abgeleitetes persönliches Interesse nicht ausreichen soll, um ein Näheverhältnis zu begründen.
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Legt man der Auslegung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG diese vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zu § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG gegebene Definition des Begriffs der "nahestehenden Person" zugrunde, ist der Ausschlusstatbestand vorliegend nicht erfüllt. Es lag zwischen der Klägerin und den Anteilseignern der GmbH kein Beherrschungsverhältnis vor. Selbst wenn man davon ausgeht, dass grundsätzlich jede --also auch eine natürliche-- Person beherrscht werden kann, setzt dies jedenfalls voraus, dass der beherrschten Person aufgrund eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses im Wesentlichen kein eigener Entscheidungsspielraum verbleibt. Dies gilt auch für Beziehungen zwischen nahen Angehörigen, wie Eltern und Kindern und Großeltern und Enkeln (vgl. Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 Rz 841 f.). Dass dies bei der Klägerin, E 1, E 2 und T der Fall war, ist nicht ersichtlich. Es gibt weder Anhaltspunkte dafür, dass diese auf den jeweils anderen einen außerhalb der Geschäftsbeziehung begründeten Einfluss ausübten, noch dass die Vertragsparteien ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Erzielung der Einkünfte des anderen hatten. Eine missbräuchliche Gestaltung zur Ausnutzung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen ist danach nicht ersichtlich.
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c) Diese nach dem Willen des Gesetzgebers erforderliche Einschränkung des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 EStG ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Auf die Ausführungen hierzu im Urteil vom 29. April 2014 VIII R 9/13 (BFHE 245, 343) wird verwiesen.
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2. Da die Klage aus den unter II.1. ausgeführten Gründen in vollem Umfang Erfolg hat, ist nicht darüber zu entscheiden, ob die von der Klägerin in Höhe von 6.290 € erklärten Kapitaleinkünfte bei der Steuerfestsetzung gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten, weil der von der Klägerin und der GmbH geschlossene Darlehensvertrag einem Fremdvergleich nicht standhält (hierzu im Einzelnen BFH-Urteile vom 22. Oktober 2013 X R 26/11, BFHE 242, 516, BStBl II 2014, 374; vom 17. Juli 2013 X R 31/12, BFHE 242, 209, BStBl II 2013, 1015; vom 22. Januar 2013 IX R 70/10, BFH/NV 2013, 1067). Dies gilt auch für die Frage, ob und ggf. in welcher Höhe die Zinszahlungen der GmbH als vGA den Anteilseignern und nicht der Klägerin zuzurechnen sein könnten und wie die Weiterleitung dieses Vorteils an die Klägerin steuerlich zu beurteilen wäre (vgl. BFH-Urteil vom 30. November 2010 VIII R 19/07, BFH/NV 2011, 449, m.w.N.). Aus dem Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) folgt, dass das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf. Das heißt, das Gericht darf dem Kläger nicht etwas zusprechen, was dieser nicht beantragt hat ("ne ultra petita"), und auch nicht über etwas anderes ("aliud") entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag begehrt und zur Entscheidung gestellt hat (BFH-Urteil vom 8. März 2012 V R 49/10, BFH/NV 2012, 1665, m.w.N.). Die Klägerin hat ihr Klagebegehren auf die Herabsetzung der Einkommensteuer unter Anwendung des gesonderten Steuertarifs für Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 32d Abs. 1 EStG beschränkt, sodass eine weitere Herabsetzung der Einkommensteuerfestsetzung nicht in Betracht kommt.