Gemeinschaftsantenne: Eigentümergemeinschaft muss keine GEMA-Gebühren zahlen
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So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH). Deshalb bestehen weder Schadenersatzansprüche oder Wertersatzansprüche von Urhebern, Künstlern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern noch Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
BGH, Urteil vom 17.9.2015, (Az.: I ZR 228/14).
Überträgt eine Wohnungseigentümergemeinschaft über Satellit ausgestrahlte und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer weiter, handelt es sich nicht um eine öffentliche Wiedergabe iSv § 15III UrhG und sind weder Schadensersatzansprüche oder Wertersatzansprüche von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern noch Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft begründet.
Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist bei einem Streitfall nach § 14I Nr. 1 Buchst. a UrhWG, an dem eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betrifft, gem. § 16II 1 UrhWG keine Sachurteilsvoraussetzung nach § 16I UrhWG, wenn die Frage der Anwendbarkeit und der Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich ist. Die Aussetzung des Rechtsstreits gem. § 16II 2 UrhWG kommt in einem solchen Fall gleichfalls nicht in Betracht.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte. Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte wahr. Außerdem führt die Klägerin das Inkasso für auf vergütungspflichtigen Kabelweitersendungen beruhende Ansprüche der AGICOA Urheberrechtsschutzgesellschaft mbH , der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH , der Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten , der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten mbH , der Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken mbH , der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst und der Verwertungsgesellschaft Wort durch. Diese Verwertungsgesellschaften nehmen die ihnen von Urhebern, ausübenden Künstlern, Tonträgerherstellern, Sendeunternehmen und Filmherstellern eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche wahr.
Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft eines Wohngebäudes namens „Ramses" mit 343 Wohneinheiten. Sie betreibt in dem Gebäude ein Kabelnetz, mit dem das von einer Gemeinschaftsantenne abgeleitete Sendesignal in die einzelnen Wohnungen der Eigentümergemeinschaft weitergeleitet wird.
Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit der Weiterleitung der Sendesignale das Kabelweitersenderecht der von ihr vertretenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Sie hat die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über den Umfang der Kabelweitersendungen, Zahlung des sich unter Zugrundelegung der zu erteilenden Auskünfte ergebenen Lizenzbetrages und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen.
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Auskunftsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch für den Nutzungszeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 mit 1.078,39 € jährlich beziffert. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 7.548,73 € nebst Zinsen und zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 651,80 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig, aber unbegründet angesehen, weil die Beklagte das Recht von Urhebern und Leistungsschutzbe-rechtigten zur Kabelweitersendung durch den Betrieb der Kabelanlage nicht verletzt habe. Dazu hat es ausgeführt:
Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung sei 7 nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe vorgerichtlich nicht substantiiert bestritten, dass der von der Klägerin zugrundegelegte Tarif anwendbar sei.
Eine Aussetzung des Verfahrens sei nicht veranlasst. Die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs auch im gerichtlichen Verfahren nicht substanti-iert bestritten.
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs stelle die zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterübertragung der über eine Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangenen Fernseh- und Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen 343 Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer keine öffentliche Wiedergabe dar.
Es erscheine bereits zweifelhaft, ob die Weiterleitung der Rundfunksignale in die 343 Wohnungseinheiten an eine Öffentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfolge. Die die Sendesignale empfangenden Wohnungseigentümer stellten keine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten dar. Die die Kabelanlage betreibende Eigentümergemeinschaft beschränke sich auf eine Umlage der mit dem Betrieb anfallenden Kosten auf die Wohnungseigentümer und erhebe kein darüber hinausgehendes Entgelt.
Die Weiterleitung des Sendesignals mittels der Kabelanlage sei jedenfalls nicht als öffentliche Wiedergabe einzustufen. Mit der leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale in die einzelnen Wohnungen werde kein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erreicht. Die Weiterleitung des Sendesignals stelle bei wertender Betrachtung auch kein spezifisches neues technisches Verfahren, sondern lediglich ein technisches Mittel zur Verbesserung des Empfangs dar.
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die Klage zulässig ist.
Bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG, an dem wie hier - eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betrifft, können Ansprüche im Wege der Klage nach § 16 Abs. 1 UrhWG grundsätzlich erst geltend gemacht werden, nachdem ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist oder - was hier mangels vorheriger Anrufung der Schiedsstelle nicht in Betracht kommt - nicht innerhalb des Verfahrenszeitraums nach § 14a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 UrhWG abgeschlossen wurde. Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist Sachurteilsvoraussetzung; wurde kein Schiedsstellenverfahren durchgeführt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG muss der Klageerhebung in solchen Fällen allerdings kein Schiedsstellenverfahren vorausgegangen sein, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind.
Die Revisionserwiderung rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe, soweit es die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung mit der Begründung als verzichtbar angesehen habe, die Beklagte habe vorgerichtlich nicht substantiiert bestritten, dass der von der Klägerin zugrundegelegte Tarif anwendbar sei, Sachvortrag der Beklagten übergangen, wonach diese die Angemessenheit des Tarifs schon vorgerichtlich ausdrücklich bestritten habe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung sei im Streitfall nicht erforderlich gewesen, stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar.
Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG auch dann keine Sachurteilsvoraussetzung, wenn die Frage der Anwendbarkeit und der Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich ist. Nach der Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG muss kein Schiedsstellenverfahren durchgeführt werden, wenn bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Dies kann nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Regelung nur bedeuten, dass die Schiedsstelle vor Klageerhebung nur dann einzuschalten ist, wenn es im konkreten Fall auf die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs auch tatsächlich ankommt. Auf die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs kommt es nicht an, wenn die Klage auf eine Verletzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten gestützt und schon deshalb unbegründet ist, weil solche Rechte nicht verletzt worden sind. Das ist hier der Fall. Die Beklagte hat das Recht der Urheber oder Leistungsschutzberechtigten zur Kabelweitersendung nicht verletzt.
Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht auszusetzen, um den Parteien die Anrufung der Schiedsstelle zu ermöglichen.
Stellt sich erst im Laufe des Rechtsstreits heraus, dass die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs im Streit ist, setzt das Gericht den Rechtsstreit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG aus, um den Parteien die Anrufung der Schiedsstelle zu ermöglichen.
Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Aussetzung des Verfahrens sei danach nicht veranlasst. Die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs auch im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert bestritten. Die Revisionserwiderung rügt ohne Erfolg, die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs entgegen der Darstellung des Berufungsgerichts im Prozessverlauf ausführlich und wiederholt bestritten. Die erst im Berufungsurteil ausgesprochene Entscheidung, das Verfahren nicht auszusetzen, unterliegt keiner revisionsrechtlichen Prüfung.
Die Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG ist allerdings in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und damit auch noch im Revisionsverfahren möglich. Im Streitfall kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG aber nicht in Betracht, weil die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich sind.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz oder Wertersatz und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht begründet sind, weil die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Betrieb der Kabelanlage nicht in die von der Klägerin wahrgenommenen Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten eingegriffen hat.
Urheber, ausübende Künstler, Sendeunternehmen und Filmhersteller haben das ausschließliche Recht zur Kabelweitersendung. Sie können im Falle einer widerrechtlichen und schuldhaften Verletzung ihres Rechts Schadensersatz oder im Falle eines rechtsgrundlosen Eingriffs in ihr Recht Wertersatz beanspruchen. Dem ausübenden Künstler steht wegen einer erlaubten Kabelweitersendung seiner Darbietung eine angemessene Vergütung zu. Der Tonträgerhersteller hat, wenn zu einer solchen Kabelweitersendung ein Tonträger benutzt wird, keine Ansprüche gegen den Nutzer; er hat aber gegen den ausübenden Künstler einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an dessen Vergütung.
Das ausschließliche Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes umfasst das Senderecht , also das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Senderecht umfasst das Recht zur Kabelweitersendung, das heißt das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden.
Der ausübende Künstler hat nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG das ausschließliche Recht, seine Darbietung zu senden, es sei denn, die Darbietung ist erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Wird die Darbietung nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG erlaubterweise gesendet, ist dem ausübenden Künstler nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 UrhG eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für das Kabelweitersenderecht gelten diese Regelungen gemäß § 78 Abs. 4 UrhG entsprechend.
Der Hersteller des Tonträgers hat gegen den ausübenden Künstler nach § 86 UrhG einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung, die dieser nach § 78 Abs. 2 UrhG erhält, wenn zur öffentlichen Wiedergabe der Darbietung ein erschienener oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachter Tonträger, auf den die Darbietung eines ausübenden Künstlers aufgenommen ist, benutzt wird. Das gilt auch für den Fall, dass die öffentliche Wiedergabe der Darbietung in einer Kabelweitersendung besteht.
Das Sendeunternehmen hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG das ausschließliche Recht, seine Funksendung weiterzusenden. Dieses Recht umfasst das Recht zur Kabelweitersendung der Funksendung.
Der Filmhersteller hat nach § 94 Abs. 1 Satz 1 Fall 4 UrhG das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zur Funksendung zu benutzen. Für das Recht zur Kabelweitersendung gilt diese Regelung gemäß § 94 Abs. 4 UrhG entsprechend.
Bei dem Recht zur Kabelweitersendung handelt es sich um einen besonderen Fall des Senderechts und damit um einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe. Eine Kabelweitersendung setzt daher eine öffentliche Wiedergabe voraus. Die Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
Die hier in Rede stehenden Rechte und Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten wegen einer öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke und Leistungen durch Kabelweitersendung beruhen auf Richtlinien der Europäischen Union. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe ist deshalb in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen dieser Richtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen.
Das ausschließliche Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes einschließlich des Senderechts und des Kabelweitersenderechts , hat seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Danach sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten.
Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst zwar nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem [32] Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt. Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit, die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet. Bei der hier in Rede stehenden Weitersendung von Werken über Kabelsysteme besteht jedoch kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers, seine Darbietung durch Kabelsysteme weiterzusenden, und sein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung im Falle einer erlaubten Weitersendung seiner Darbietung durch Kabelsysteme dienen der Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums. Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten für ausübende Künstler das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietungen zu erlauben oder zu verbieten, es sei denn, die Darbietung ist selbst bereits eine gesendete Darbietung oder beruht auf einer Aufzeichnung. Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.
Die öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG umfasst nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Nutzung des Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe. Sie erfasst damit den hier in Betracht kommenden Fall, dass die Sendung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Darbietung eines ausübenden Künstlers über Kabel weitergesendet wird.
Der Anspruch des Tonträgerherstellers gegen den ausübenden Künstler auf angemessene Beteiligung an dessen Vergütung beruht gleichfalls auf Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG.
Das hier in Rede stehende ausschließliche Recht des Sendeunternehmens, seine Funksendung über Kabel weiterzusenden , ist durch das Unionsrecht nicht geregelt. Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die Aufzeichnungen ihrer Sendungen öffentlich zugänglich gemacht werden. Durch eine Kabelweitersendung werden Sendungen nicht im Sinne dieser Bestimmung öffentlich zugänglich gemacht, da sie Mitgliedern der Öffentlichkeit dadurch nicht von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl, sondern allein zur Zeit der Sendung zugänglich sind. Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind. Um eine solche Weitersendung oder Wiedergabe geht es im Streitfall nicht. Ferner sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Kabelweiterverbreitung von Rundfunksendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Staatsgebiet unter Beachtung der anwendbaren Urheberrechte und verwandten Schutzrechte und auf der Grundlage individueller oder kollektiver Verträge zwischen den Urheberrechtsinhabern, den Leistungs-schutzberechtigten und den Kabelunternehmen erfolgt. Eine derartige Kabelweitersendung ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Das Unionsrecht stellt es den Mitgliedstaaten allerdings frei, die Kabelweitersendung von Funksendungen in ihrem nationalen Recht zu regeln. Die Richtlinie 2006/115/EG gestattet den Mitgliedstaaten nach ihrem Erwägungsgrund 16, für Inhaber von verwandten Schutzrechten einen weiterreichenden Schutz vorzusehen, als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist. Die Mitgliedstaaten können daher für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vorsehen, die drahtgebundene Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen, auch wenn die betreffende Wiedergabe nicht an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
Eine unionsrechtskonforme Auslegung der § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, §§ 20, 20b Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 15 Abs. 3 UrhG ist wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Danach kann nach dem innerstaatlichen Recht eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf nicht von der Richtlinie erfasste Konstellationen zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber beide Fallgestaltungen parallel regeln wollte. So verhält es sich hier. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der nationale Gesetzgeber habe beim Recht des Sendeunternehmens zur Kabelweitersendung einen anderen Begriff der öffentlichen Wiedergabe zugrunde legen wollen als im Zusammenhang mit den Rechten und Ansprüchen, die Urhebern, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern wegen einer Kabelweitersendung zustehen.
Das ausschließliche Recht des Filmherstellers, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zur Kabelweitersendung zu benutzen , ist durch das Unionsrecht ebenfalls nicht geregelt. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass diese öffentlich zugänglich gemacht werden. Bei einer Kabelweitersendung handelt es sich nicht um ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne dieser Bestimmung, da das Filmwerk dadurch Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl, sondern allein zur Zeit der Sendung zugänglich gemacht wird. Die Richtlinie 2006/115/EG sieht hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe in ihrem Art. 8 lediglich für ausübende Künstler, Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen, nicht aber für Filmhersteller ausschließliche Rechte und Vergütungsansprüche vor.
Das Unionsrecht stellt es den Mitgliedstaaten jedoch auch insoweit frei, die Kabelweitersendung in ihrem nationalen Recht zu regeln. Die Richtlinie 2006/115/EG gestattet den Mitgliedstaaten nach ihrem Erwägungsgrund 16, für Inhaber von verwandten Schutzrechten einen weiterreichenden Schutz vorzusehen, als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist. Die Mitgliedstaaten können daher für Filmhersteller das ausschließliche Recht vorsehen, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zur Kabelweitersendung zu benutzen.
Auch insoweit ist wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts eine unionsrechtskonforme Auslegung des dem Kabelweiter-senderecht zugrunde liegenden Begriffs der öffentlichen Wiedergabe erforderlich.
Überträgt - wie im Streitfall - eine Wohnungseigentümergemeinschaft über Satellit ausgestrahlte und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer weiter, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union an eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG zu stellen sind. Eine solche Weiterübertragung stellt daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG dar und begründet weder Schadensersatzansprüche oder Wertersatzansprüche von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern noch Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind an eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG folgende Anforderungen zu stellen:
Eine „Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt -tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk oder der geschützten Leistung zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zu dem geschützten Werk oder der geschützten Leistung haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen.
Der Begriff der „Öffentlichkeit" ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt.
Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören.
Mit dem Kriterium „recht viele Personen" ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben.
Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet, braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, sondern bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers.
Schließlich ist es nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient. Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein.
Nach diesen Maßstäben stellt die hier in Rede stehende Weiterübertragung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale durch ein Kabelnetz keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG dar.
Eine solche Weiterleitung der Sendesignale ist allerdings als „Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG einzustufen. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei der Weiterleitung der mit einer Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale über ein Kabelnetz in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig geworden, um den einzelnen Wohnungseigentümern einen Zugang zu den gesendeten Fernseh- und Hörfunkprogrammen mit urheberechtlich geschützten Werken oder Leistungen zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht gehabt hätten. Dabei hat es sich auch dann um eine „Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG gehandelt, wenn die Wohnungseigentümer diesen Zugang tatsächlich nicht genutzt haben.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist im Streitfall auch das weitere Erfordernis einer „öffentlichen Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfüllt, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum wiedergegeben wird.
Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass mit der leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale in die einzelnen Wohnungen kein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erreicht wird. Die Wohnungseigentümer halten sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Sendegebiet der Sendeunternehmen auf. Sie empfangen die Sendungen - anders als die Gäste eines Hotels , einer Gaststätte oder einer Kureinrichtung - allein oder im privaten oder familiären Kreis. Die Sendungen erreichen daher allein das Publikum, an das die Urheber und Leis-tungsschutzberechtigten dachten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfolgte die Wiedergabe aber nach einem technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterschied.
Die Weiterverbreitung von terrestrisch oder über Satellit ausgestrahlten Sendesignalen über Kabel erfolgt nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. Das wird durch die Artikel 2 und 8 der Richtlinie 93/83/EWG bestätigt, die eine neue Erlaubnis für eine zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterverbreitung einer erdgebundenen oder durch Satellit übermittelten Erstsendung von Fernseh- oder Hörfunkprogrammen, die geschützte Werke enthalten, vorschreiben, obwohl diese Sendungen bereits in ihrem Sendegebiet auf Grund anderer technischer Verfahren wie der Übertragung mittels Funkwellen der terrestrischen Netze empfangen werden können. Die Übermittlung einer Sendung durch Satellit und deren Weiterverbreitung über Kabel sind danach zwei unterschiedliche technische Verfahren und damit zwei Wiedergaben im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Weiterverbreitung der Sendung über Kabel nicht aufgrund einer wertenden Betrachtung als bloßer Empfang der Sendung eingestuft werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob wegen der Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt, kommt es allein auf eine technische Betrachtung an und ist für eine wertende Betrachtung kein Raum. Das schließt es allerdings nicht aus, die Frage, ob über eine Gemeinschaftsantenne empfangene und durch ein Kabelnetz weitergeleitete Sendesignale einer Öffentlichkeit übermittelt werden, aufgrund einer wertenden Betrachtung zu beantworten.
Die Revision macht im Hinblick darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Union es für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe als unter Umständen nicht unerheblich erachtet hat, ob die betreffende Nut57zungshandlung Erwerbszwecken dient , ohne Erfolg geltend, im Streitfall müsse ein Erwerbszweck angenommen werden. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beansprucht für die Weiterleitung der Sendesignale kein Entgelt, sondern beschränkt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf eine Umlage der mit dem Betrieb der Kabelanlage anfallenden Kosten auf die Wohnungseigentümer. Sie verfolgt mit dem Betrieb der Kabelanlage demnach keinen Erwerbszweck. Es kommt nicht darauf an, ob das Bestehen eines Kabelanschlusses - wie die Revision geltend macht - die Vermietbarkeit der von Eigentümern nicht selbst genutzten Wohnungen verbessert. Selbst wenn dies der Fall wäre, ließe dies allenfalls auf einen Erwerbszweck der betreffenden Wohnungseigentümer und nicht auf einen Erwerbszweck der Wohnungseigentümergemeinschaft schließen.
Die hier in Rede stehende Weiterübertragung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale durch ein Kabelnetz an die Empfangsgeräte stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG dar, weil die Sendesignale nicht an eine „Öffentlichkeit" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union weitergeleitet werden.
Das Kriterium „recht viele Personen" ist im Streitfall allerdings erfüllt. Die Zahl der Personen, denen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft mit der zeitgleichen, unveränderten und vollständigen Weiterübertragung der Sendesignale der Fernseh- und Hörfunkprogramme durch ein Kabelnetz dieselben Werke oder Leistungen zugänglich macht, ist schon deshalb nicht allzu klein oder gar unbedeutend, weil sämtliche 343 Eigentumswohnungen der Wohnanlage an das Kabelnetz angeschlossen sind. Damit haben alle Perso58nen, die sich zum Zeitpunkt der Sendung in diesen Eigentumswohnungen aufhalten, gleichzeitig Zugang zu denselben Werken und Leistungen. Ob sie diesen Zugang tatsächlich nutzen, ist für die Frage, ob sie eine Öffentlichkeit bilden, unerheblich. Die Zahl dieser Personen überschreitet die dem Begriff der Öffentlichkeit innewohnende Mindestschwelle. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit sich die Zahl dieser Personen durch Personen erhöht, die nacheinander Zugang zu denselben Werken und Leistungen haben.
Bei den Personen, denen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Weiterleitung der Sendesignale den Zugang zu denselben Werken und Leistungen eröffnet, handelt es sich jedoch, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten". Die Wiedergabe erfolgt nicht für „Personen allgemein"; sie ist vielmehr auf „besondere Personen" beschränkt, die einer „privaten Gruppe" angehören.
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Empfänger der Sendesignale stellten keine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten dar. Die Zahl der versorgten 343 Wohneinheiten unterliege keinen Schwankungen. Im Jahr fänden durchschnittlich 30 Eigentümerwechsel statt. In welchem Umfang die Eigentumswohnungen vermietet seien und insoweit wechselnde Adressaten erreicht werden könnten, sei nicht vorgetragen. Dass bei mindestens 75 Wohneinheiten stets von einer Öffentlichkeit auszugehen sei, ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, zwischen allen Wohnungseigentümern bestehe eine persönliche Verbundenheit, sei zwar nicht unbedenklich; die zwischen den Wohnungseigentümern einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehende Verbindung sei aber jedenfalls weit ausgeprägter als bei den Mitgliedern einer weitgehend zufälligen Gruppe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich nicht, dass bei mindestens 75 Wohneinheiten stets von einer Öffentlichkeit auszugehen sei. Der Begriff der „Öffentlichkeit" ist nicht schon bei „recht vielen Personen" erfüllt, sondern erfordert darüber hinaus, dass es sich dabei um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten" handelt. Eine „Öffentlichkeit" besteht daher nicht allein deshalb, weil die Zahl der potentiellen Adressaten eine bestimmte Mindestschwelle überschreitet.
Eine Wiedergabe beschränkt sich auf „besondere Personen" und erfolgt nicht gegenüber „Personen allgemein", wenn sie für einen begrenzten Personenkreis vorgenommen wird. So verhält es sich hier. Die Empfänger der von der Beklagten über eine Gemeinschaftsantenne per Satellit und durch ein Kabelnetz in die Wohnungen der Wohnanlage weitergeleiteten Sendesignale sind in ihrer Eigenschaft als Bewohner der Wohnanlage von anderen Personenkreisen abgegrenzt. Dass ein Teil der Bewohner im Laufe eines Jahres wechselt, steht dem nicht entgegen. Desgleichen kommt es entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf an, dass die 343 Wohneinheiten nach dem Vorbringen der Klägerin von mindestens 700 Personen bewohnt werden, die zudem regelmäßig Besuch von Gästen erhalten. Dass sich die Zahl der Bewohner verändert und nicht genau festgestellt werden kann, ändert nichts daran, dass es sich bei den Bewohnern der Wohnanlage um einen nach bestimmten Merkmalen abgrenzbaren Kreis „besonderer Personen" handelt. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass Hotelgäste nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als „Personen allgemein" anzusehen sind, weil der Zugang dieser Gäste zu den Dienstleistungen des Hotels grundsätzlich auf einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Gastes beruht und lediglich durch die Aufnahmekapazität des fraglichen Hotels begrenzt wird. Die Bewohner einer Wohnanlage stehen den Gästen eines Hotels jedoch nicht gleich. Der Zugang zu den Wohnungen einer Wohnanlage ist nicht allein durch die Aufnahmekapazität der fraglichen Wohnungen begrenzt, sondern steht grundsätzlich nur ihren Bewohnern offen. Bei den Bewohnern einer Wohnanlage handelt es sich daher um „besondere Personen".
Diese „besonderen Personen" gehören einer „privaten Gruppe" an. Der für den unionsrechtlichen Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG maßgebliche Begriff der „privaten Gruppe" kann nicht ohne Weiteres mit dem für den nationalen Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG maßgeblichen Begriff der „persönlichen Verbundenheit" gleichgesetzt werden. Da die Richtlinien in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, ist dieser Begriff für die Anwendung dieser Richtlinien als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen ist.
Der Begriff der „privaten Gruppe" ist bereits nach seinem Wortsinn weiter als der Begriff der „persönlichen Verbundenheit". Zu einer „privaten Gruppe" kann daher gehören, wer im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Die Bewohner der hier in Rede stehenden Wohnanlage können daher als „private Gruppe" anzusehen sein, auch wenn die Annahme einer „persönlichen Verbundenheit", wie das Berufungsgericht angenommen hat, nicht unbedenklich erscheint.
Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht, dass der nichtöffentliche oder private Personenkreis besonders eng zu ziehen ist. Der von der Revision herangezogenen Entscheidung „Lagardere/SPRE und GVL" ist lediglich zu entnehmen, dass ein begrenzter Personenkreis nicht als Öffentlichkeit betrachtet werden kann. Aus der Entscheidung ergibt sich dagegen nicht, dass dieser nach bestimmten Merkmalen abgrenzbare Kreis „besonderer Personen" und folglich auch eine „private Gruppe" aus wenigen Personen bestehen muss.
Bei der Beurteilung der Frage, ob im Streitfall die über eine Gemeinschaftsantenne empfangenen und durch ein Kabelnetz weitergeleiteten Sendesignale einer „privaten Gruppe" übermittelt werden, ist zu berücksichtigen, dass diese Sendesignale von einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich in die Wohnungen der dieser Gemeinschaft angehörenden Wohnungseigentümer übermittelt werden. Bei einer wertenden Betrachtung unterscheiden sich der Empfang mittels einer gemeinsamen Satellitenschüssel und die Weiterleitung über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen nicht von der Fallgestal65tung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte in seiner Wohnung weiterleitet. Im zuletzt genannten Fall liegt keine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vor, weil die Wiedergabe auf „besondere Personen" beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe" angehören. Wenn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiterleitet, ist das daher gleichfalls als eine Wiedergabe anzusehen, die auf „besondere Personen" beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe" angehören. Im Ergebnis leiten die einzelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter.
Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst. Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG oder Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen, ob in einem konkreten Fall eine öffentliche Wiedergabe vorliegt.
Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Klägerin zurückzuweisen.
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Rechtsanwältin
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BUNDESGERICHTSHOF
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen
für Recht erkannt:
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA). Sie nimmt die ihr von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte wahr. Außerdem führt die Klägerin das Inkasso für auf vergütungspflichtigen Kabelweitersendungen beruhende Ansprüche der AGICOA Urheberrechtsschutzgesellschaft mbH (AGICOA), der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL), der Gesellschaft zur Übernahme und Wahrnehmung von Filmaufführungsrechten (GÜFA), der Verwertungsgesellschaft der Film- und Fernsehproduzenten mbH (VFF), der Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte an Filmwerken mbH (VGF), der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst (VG Bild-Kunst) und der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) durch. Diese Verwertungsgesellschaften nehmen die ihnen von Urhebern , ausübenden Künstlern, Tonträgerherstellern, Sendeunternehmen und Filmherstellern eingeräumten urheberrechtlichen Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche wahr.
- 2
- Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft eines Wohngebäudes namens „Ramses“ mit 343 Wohneinheiten. Sie betreibt in dem Gebäude ein Kabelnetz, mit dem das von einer Gemeinschaftsantenne abgeleitete Sendesignal in die einzelnen Wohnungen der Eigentümergemeinschaft weitergeleitet wird.
- 3
- Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte verletze mit der Weiterleitung der Sendesignale das Kabelweitersenderecht der von ihr vertretenen Urheber und Leistungsschutzberechtigten. Sie hat die Beklagte im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über den Umfang der Kabelweitersendungen, Zahlung des sich unter Zugrundelegung der zu erteilenden Auskünfte ergebenen Lizenzbetrages und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen (LG München I, ZUM-RD 2013, 612).
- 4
- Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz haben die Parteien den Auskunftsantrag übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin hat ihren Zahlungsanspruch für den Nutzungszeitraum vom 1. Ja- nuar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 mit 1.078,39 € jährlich beziffert. Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 7.548,73 € nebst Zinsen und zur Er- stattung vorgerichtlicher Anwaltskosten von 651,80 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen (OLG München, GRUR 2015, 371).
- 5
- Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
- 6
- A. Das Berufungsgericht hat die Klage als zulässig, aber unbegründet angesehen, weil die Beklagte das Recht von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten zur Kabelweitersendung durch den Betrieb der Kabelanlage nicht verletzt habe. Dazu hat es ausgeführt: Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung sei 7 nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte habe vorgerichtlich nicht substantiiert
- 7
- bestritten, dass der von der Klägerin zugrundegelegte Tarif anwendbar sei.
- 8
- Eine Aussetzung des Verfahrens sei nicht veranlasst. Die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs auch im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert bestritten.
- 9
- Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesgerichtshofs stelle die zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterübertragung der über eine Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangenen Fernseh- und Hörfunksignale durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen 343 Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer keine öffentliche Wiedergabe dar.
- 10
- Es erscheine bereits zweifelhaft, ob die Weiterleitung der Rundfunksignale in die 343 Wohnungseinheiten an eine Öffentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erfolge. Die die Sendesignale empfangenden Wohnungseigentümer stellten keine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten dar. Die die Kabelanlage betreibende Eigentümergemeinschaft beschränke sich auf eine Umlage der mit dem Betrieb anfallenden Kostenauf die Wohnungseigentümer und erhebe kein darüber hinausgehendes Entgelt.
- 11
- Die Weiterleitung des Sendesignals mittels der Kabelanlage sei jedenfalls nicht als öffentliche Wiedergabe einzustufen. Mit der leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale in die einzelnen Wohnungen werde kein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erreicht. Die Weiterleitung des Sendesignals stelle bei wertender Betrachtung auch kein spezifisches neues technisches Verfahren, sondern lediglich ein technisches Mittel zur Verbesserung des Empfangs dar.
- 12
- B. Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
- 13
- I. Das Berufungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis mit Recht angenommen , dass die Klage zulässig ist.
- 14
- 1. Bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG, an dem - wie hier - eine Verwertungsgesellschaft beteiligt ist und der die Nutzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Werken oder Leistungen betrifft, können Ansprüche im Wege der Klage nach § 16 Abs. 1 UrhWG grundsätzlich erst geltend gemacht werden, nachdem ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist oder - was hier mangels vorheriger Anrufung der Schiedsstelle nicht in Betracht kommt - nicht innerhalb des Verfahrenszeitraums nach § 14a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 UrhWG abgeschlossen wurde. Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist Sachurteilsvoraussetzung; wurde kein Schiedsstellenverfahren durchgeführt, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 2000 - I ZR 231/97, GRUR 2000, 872, 873 - Schiedsstellenanrufung I).
- 15
- 2. Gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG muss der Klageerhebung in solchen Fällen allerdings kein Schiedsstellenverfahren vorausgegangen sein, wenn die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind.
- 16
- a) Die Revisionserwiderung rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe, soweit es die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung mit der Begründung als verzichtbar angesehen habe, die Beklagte habe vorgerichtlich nicht substantiiert bestritten, dass der von der Klägerin zugrundegelegte Tarif anwendbar sei, Sachvortrag der Beklagten übergangen, wonach diese die Angemessenheit des Tarifs schon vorgerichtlich ausdrücklich bestritten habe. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens vor Klageerhebung sei im Streitfall nicht erforderlich gewesen, stellt sich jedenfalls im Ergebnis als richtig dar.
- 17
- b) Die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens ist bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG auch dann keine Sachurteilsvoraussetzung , wenn die Frage der Anwendbarkeit und der Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich ist. Nach der Ausnahmeregelung des § 16 Abs. 2 Satz 1 UrhWG muss kein Schiedsstellenverfahren durchgeführt werden, wenn bei einem Streitfall nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UrhWG die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht bestritten sind. Dies kann nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Zweck der Regelung nur bedeuten, dass die Schiedsstelle vor Klageerhebung nur dann einzuschalten ist, wenn es im konkreten Fall auf die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs auch tatsächlich ankommt (BGH, GRUR 2000, 872, 873 - Schiedsstellenanrufung I, mwN). Auf die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs kommt es nicht an, wenn die Klage auf eine Verletzung von nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechten gestützt und schon deshalb unbegründet ist, weil solche Rechte nicht verletzt worden sind. Das ist hier der Fall. Die Beklagte hat das Recht der Urheber oder Leistungsschutzberechtigten zur Kabelweitersendung nicht verletzt (vgl. dazu unter B III).
- 18
- II. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist der Rechtsstreit nicht auszusetzen, um den Parteien die Anrufung der Schiedsstelle zu ermöglichen.
- 19
- 1. Stellt sich erst im Laufe des Rechtsstreits heraus, dass die Anwendbarkeit oder die Angemessenheit des Tarifs im Streit ist, setzt das Gericht den Rechtsstreit gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG aus, um den Parteien die Anrufung der Schiedsstelle zu ermöglichen.
- 20
- 2. Das Berufungsgericht hat angenommen, eine Aussetzung des Verfahrens sei danach nicht veranlasst. Die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs auch im gerichtlichen Verfahren nicht substantiiert bestritten. Die Revisionserwiderung rügt ohne Erfolg, die Beklagte habe die Angemessenheit des Tarifs entgegen der Darstellung des Berufungsgerichts im Prozessverlauf ausführlich und wiederholt bestritten. Die erst im Berufungsurteil ausgesprochene Entscheidung, das Verfahren nicht auszusetzen, unterliegt keiner revisionsrechtlichen Prüfung (vgl. zu § 148 ZPO BGH, Urteil vom 18. September 2014 - I ZR 228/12, GRUR 2014, 1101 Rn. 15 = WRP 2014, 1314 - Gelbe Wörterbücher , mwN; zu einem Fall, in dem das Berufungsgericht keine Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG getroffen hatte vgl. BGH, Urteil vom 11. April 2013 - I ZR 152/11, GRUR 2013, 618 Rn. 45 bis 48 = WRP 2013, 793 - Internetvideorecorder II).
- 21
- 3. Die Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG ist allerdings in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen und damit auch noch im Revisionsverfahren möglich (vgl. zu § 148 ZPO BGH, GRUR 2014, 1101 Rn. 16 - Gelbe Wörterbücher, mwN). Im Streitfall kommt eine Aussetzung des Rechtsstreits gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 UrhWG aber nicht in Betracht, weil die Anwendbarkeit und die Angemessenheit des Tarifs nicht entscheidungserheblich sind (vgl. dazu unter B III).
- 22
- III. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die von der Klägerin erhobenen Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz oder Wertersatz und auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nicht begründet sind, weil die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft durch den Betrieb der Kabelanlage nicht in die von der Klägerin wahrgenommenen Rechte und Ansprüche von Urhebern und Leistungsschutzberechtigten eingegriffen hat.
- 23
- 1. Urheber, ausübende Künstler, Sendeunternehmen und Filmhersteller haben das ausschließliche Recht zur Kabelweitersendung. Sie können im Falle einer widerrechtlichen und schuldhaften Verletzung ihres Rechts Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) oder im Falle eines rechtsgrundlosen Eingriffs in ihr Recht Wertersatz (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2, § 818 Abs. 2 BGB) beanspruchen. Dem ausübenden Künstler steht wegen einer erlaubten Kabelweitersendung seiner Darbietung eine angemessene Vergütung zu. Der Tonträgerhersteller hat, wenn zu einer solchen Kabelweitersendung ein Tonträger benutzt wird, keine Ansprüche gegen den Nutzer; er hat aber gegen den ausübenden Künstler einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an dessen Vergütung.
- 24
- a) Das ausschließliche Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG) umfasst das Senderecht (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UrhG), also das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk , Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen (§ 20 UrhG). Das Senderecht umfasst das Recht zur Kabelweitersendung, das heißt das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme weiterzusenden (§ 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG).
- 25
- b) Der ausübende Künstler hat nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG das ausschließliche Recht, seine Darbietung zu senden, es sei denn, die Darbietung ist erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind. Wird die Darbietung nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 UrhG erlaubterweise gesendet, ist dem ausübenden Künstler nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 UrhG eine angemessene Vergütung zu zahlen. Für das Kabelweitersenderecht gelten diese Regelungen gemäß § 78 Abs. 4 UrhG entsprechend.
- 26
- c) Der Hersteller des Tonträgers hat gegen den ausübenden Künstler nach § 86 UrhG einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung , die dieser nach § 78 Abs. 2 UrhG erhält, wenn zur öffentlichen Wiedergabe der Darbietung ein erschienener oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachter Tonträger, auf den die Darbietung eines ausübenden Künstlers aufgenommen ist, benutzt wird. Das gilt auch für den Fall, dass die öffentliche Wiedergabe der Darbietung in einer Kabelweitersendung besteht.
- 27
- d) Das Sendeunternehmen hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 UrhG das ausschließliche Recht, seine Funksendung weiterzusenden. Dieses Recht umfasst das Recht zur Kabelweitersendung der Funksendung (vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2012 - I ZR 44/10, GRUR 2012 Rn. 8 = WRP 2012, 1402 - Breitbandkabel).
- 28
- e) Der Filmhersteller hat nach § 94 Abs. 1 Satz 1 Fall 4 UrhG das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Film- werk aufgenommen ist, zur Funksendung zu benutzen. Für das Recht zur Kabelweitersendung gilt diese Regelung gemäß § 94 Abs. 4 UrhG entsprechend.
- 29
- 2. Bei dem Recht zur Kabelweitersendung handelt es sich um einen besonderen Fall des Senderechts und damit um einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe. Eine Kabelweitersendung setzt daher eine öffentliche Wiedergabe voraus. Die Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 Satz 1 UrhG öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört nach § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG jeder, der nicht mit demjenigen , der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
- 30
- 3. Die hier in Rede stehenden Rechte und Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten wegen einer öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke und Leistungen durch Kabelweitersendung beruhen auf Richtlinien der Europäischen Union. Der Begriff der öffentlichen Wiedergabe ist deshalb in Übereinstimmung mit den entsprechenden Bestimmungen dieser Richtlinien und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen.
- 31
- a) Das ausschließliche Recht des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe seines Werkes einschließlich des Senderechts und des Kabelweitersenderechts (vgl. oben Rn. 24), hat seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. Danach sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben oder zu verbieten.
- 32
- Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst zwar nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die nicht an dem Ort anwesend ist, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung
- 32
- nimmt (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Nicht erfasst sind daher direkte Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit , die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet , die dieses Werk aufführt oder darbietet (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, Slg. 2011, I-09083 = GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, Slg. 2011, I-12031 = GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 und 36 - UCMR-ADA/Zirkus Globus). Bei der hier in Rede stehenden Weitersendung von Werken über Kabelsysteme besteht jedoch kein unmittelbarer körperlicher Kontakt zwischen den ein Werk aufführenden oder darbietenden Personen und einer durch diese Wiedergabe erreichten Öffentlichkeit. Sie fällt daher in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
- 33
- b) Das ausschließliche Recht des ausübenden Künstlers, seine Darbietung durch Kabelsysteme weiterzusenden, und sein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung im Falle einer erlaubten Weitersendung seiner Darbietung durch Kabelsysteme (vgl. oben Rn. 25) dienen der Umsetzung von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (kodifizierte Fassung). Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten für ausübende Künstler das ausschließliche Recht vor, die öffentliche Wiedergabe ihrer Darbietungen zu erlauben oder zu verbieten, es sei denn, die Darbietung ist selbst bereits eine gesendete Darbietung oder beruht auf einer Aufzeichnung. Nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG sehen die Mitgliedstaaten ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet.
- 34
- Die öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 1 und 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG umfasst nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Nutzung des Tonträgers für eine öffentliche Wiedergabe (vgl. v. Lewinski in Walter/v. Lewinski, European Copyright Law, 2010, Rn. 6.8.17 und 6.8.18). Sie erfasst damit den hier in Betracht kommenden Fall, dass die Sendung der auf einem Tonträger aufgezeichneten Darbietung eines ausübenden Künstlers über Kabel weitergesendet wird.
- 35
- c) Der Anspruch des Tonträgerherstellers gegen den ausübenden Künstler auf angemessene Beteiligung an dessen Vergütung (vgl. oben Rn. 26) beruht gleichfalls auf Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2006/115/EG (vgl. oben Rn. 27).
- 36
- d) Das hier in Rede stehende ausschließliche Recht des Sendeunternehmens , seine Funksendung über Kabel weiterzusenden (vgl. oben Rn. 27), ist durch das Unionsrecht nicht geregelt (BGH, GRUR 2012, 1136 Rn. 12 - Breitbandkabel). Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Richtlinie 2001/29/EG das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die Aufzeichnungen ihrer Sendungen öffentlich zugänglich gemacht werden. Durch eine Kabelweitersendung werden Sendungen nicht im Sinne dieser Bestimmung öffentlich zugänglich gemacht, da sie Mitgliedern der Öffentlichkeit dadurch nicht von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl, sondern allein zur Zeit der Sendung zugänglich sind (vgl. v. Lewinski/Walter in Walter/v. Lewinski aaO Rn. 11.3.32). Die Mitgliedstaaten sehen für Sendeunternehmen nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2006/115/EG das ausschließliche Recht vor, die drahtlose Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen zu erlauben oder zu verbieten, wenn die betreffende Wiedergabe an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind. Um eine solche Weitersendung oder Wiedergabe geht es im Streitfall nicht. Ferner sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass die Kabelweiterverbreitung von Rundfunksendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Staatsgebiet unter Beachtung der anwendbaren Urheberrechte und verwandten Schutzrechte und auf der Grundlage individueller oder kollektiver Verträge zwischen den Urheberrechtsinhabern, den Leistungsschutzberechtigten und den Kabelunternehmen erfolgt (Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung ). Eine derartige Kabelweitersendung ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
- 37
- Das Unionsrecht stellt es den Mitgliedstaaten allerdings frei, die Kabelweitersendung von Funksendungen in ihrem nationalen Recht zu regeln. Die Richtlinie 2006/115/EG gestattet den Mitgliedstaaten nach ihrem Erwägungsgrund 16, für Inhaber von verwandten Schutzrechten einen weiterreichenden Schutz vorzusehen, als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist. Die Mitgliedstaaten können daher für Sendeunternehmen das ausschließliche Recht vorsehen, die drahtgebundene Weitersendung ihrer Sendungen sowie die öffentliche Wiedergabe ihrer Sendungen , auch wenn die betreffende Wiedergabe nicht an Orten stattfindet, die der Öffentlichkeit gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, zu er- lauben oder zu verbieten (BGH, GRUR 2012, 1136 Rn. 13 - Breitbandkabel; vgl. v. Lewinski in Walter/v. Lewinski aaO Rn. 6.8.28 und 6.8.31).
- 38
- Eine unionsrechtskonforme Auslegung der § 87 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1, §§ 20, 20b Satz 1 UrhG in Verbindung mit § 15 Abs. 3 UrhG ist wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts erforderlich. Danach kann nach dem innerstaatlichen Recht eine für bestimmte Sachverhalte gebotene richtlinienkonforme Auslegung auf nicht von der Richtlinie erfasste Konstellationen zu erstrecken sein, wenn der nationale Gesetzgeber beide Fallgestaltungen parallel regeln wollte (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 2011 - VIII ZR 203/10, NJW-RR 2012, 674 Rn. 26 mwN; BGH, GRUR 2012, 1136 Rn. 14 - Breitbandkabel). So verhält es sich hier. Es gibt keine Anhaltspunkte für die Annahme, der nationale Gesetzgeber habe beim Recht des Sendeunternehmens zur Kabelweitersendung einen anderen Begriff der öffentlichen Wiedergabe zugrunde legen wollen als im Zusammenhang mit den Rechten und Ansprüchen, die Urhebern, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern wegen einer Kabelweitersendung zustehen.
- 39
- e) Das ausschließliche Recht des Filmherstellers, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zur Kabelweitersendung zu benutzen (vgl. oben Rn. 28), ist durch das Unionsrecht ebenfalls nicht geregelt. Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass diese öffentlich zugänglich gemacht werden. Bei einer Kabelweitersendung handelt es sich nicht um ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne dieser Bestimmung, da das Filmwerk dadurch Mitgliedern der Öffentlichkeit nicht von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl, sondern allein zur Zeit der Sendung zugänglich gemacht wird (vgl. v. Lewinski/Walter in Walter/v. Lewinski aaO Rn. 11.3.32). Die Richtlinie 2006/115/EG sieht hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe in ihrem Art. 8 lediglich für ausübende Künstler, Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen , nicht aber für Filmhersteller ausschließliche Rechte und Vergütungsansprüche vor.
- 40
- Das Unionsrecht stellt es den Mitgliedstaaten jedoch auch insoweit frei, die Kabelweitersendung in ihrem nationalen Recht zu regeln. Die Richtlinie 2006/115/EG gestattet den Mitgliedstaaten nach ihrem Erwägungsgrund 16, für Inhaber von verwandten Schutzrechten einen weiterreichenden Schutz vorzusehen , als er in dieser Richtlinie hinsichtlich der öffentlichen Sendung und Wiedergabe vorgeschrieben ist. Die Mitgliedstaaten können daher für Filmhersteller das ausschließliche Recht vorsehen, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zur Kabelweitersendung zu benutzen.
- 41
- Auch insoweit ist wegen des Gebots der einheitlichen Auslegung des nationalen Rechts eine unionsrechtskonforme Auslegung des dem Kabelweitersenderecht zugrunde liegenden Begriffs der öffentlichen Wiedergabe erforderlich (vgl. Rn. 38).
- 42
- 4. Überträgt - wie im Streitfall - eine Wohnungseigentümergemeinschaft über Satellit ausgestrahlte und mit einer Gemeinschaftsantenne der Wohnanlage empfangene Fernseh- oder Hörfunksignale zeitgleich, unverändert und vollständig durch ein Kabelnetz an die angeschlossenen Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungseigentümer weiter, sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union an eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG zu stellen sind. Eine solche Weiterübertra- gung stellt daher keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG dar und begründet weder Schadensersatzansprüche oder Wertersatzansprüche von Urhebern, ausübenden Künstlern, Sendeunternehmen oder Filmherstellern noch Vergütungsansprüche der ausübenden Künstler gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Pießkalla, ZUM 2015, 361; Hillig, GRUR-Prax 2014, 556; aA von Frentz/Masach, ZUM 2015, 126; Poll, K&R 2015, 301).
- 43
- a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind an eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG folgende Anforderungen zu stellen:
- 44
- aa) Eine „Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk oder der geschützten Leistung zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten. Dabei reicht es aus, wenn Dritte einen Zugang zu dem geschützten Werk oder der geschützten Leistung haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 und 43 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 26 = WRP 2014, 418 - OSA/Léčebné lázně; Urteil vom 27. März 2014 - C-314/12, GRUR 2014, 468 Rn. 39 = WRP 2014, 540 - UPC Telekabel/Constantin Film und Wega; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH, Urteil vom 15. März 2012 - C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 82 und 89 = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso; Urteil vom 15. März 2012 - C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 31 - PPL/Irland).
- 45
- bb) Der Begriff der „Öffentlichkeit“ ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 21 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 - OSA/Léčebné lázně; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 33 PPL/Irland).
- 46
- Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 37 - SGAE/ Rafael, mwN; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 85 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 34 - PPL/Irland).
- 47
- Mit dem Kriterium „recht viele Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei kommt es darauf an, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 473 Rn. 28 - OSA/Léčebné lázně; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 86 und 87 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 35 - PPL/Irland).
- 48
- cc) Für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte. Erfolgt die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet , braucht nicht geprüft zu werden, ob das Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, sondern bedarf die Wiedergabe ohne Weiteres der Erlaubnis des Urhebers (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 und 41 - SGAE/ Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svensson/Retriever Sverige ; EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - C-348/13, GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/Mebes und Potsch).
- 49
- dd) Schließlich ist es nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient (vgl. zu Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy; vgl. zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG [jetzt Richtlinie 2006/115/EG] EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 88 - SCF/Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 36 - PPL/Irland). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael) und kann für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 und 43 - ITV Broadcasting/TVC).
- 50
- b) Nach diesen Maßstäben stellt die hier in Rede stehende Weiterübertragung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale durch ein Kabelnetz keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG dar.
- 51
- aa) Eine solche Weiterleitung der Sendesignale ist allerdings als „Wie- dergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG (vgl. oben Rn. 44) einzustufen. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft ist bei der Weiterleitung der mit einer Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale über ein Kabelnetz in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig geworden, um den einzelnen Wohnungseigentümern einen Zugang zu den gesendeten Fernseh- und Hörfunkprogrammen mit urheberechtlich geschützten Werken oder Leistungen zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht gehabt hätten. Dabei hat es sich auch dann um eine „Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG gehandelt , wenn die Wohnungseigentümer diesen Zugang tatsächlich nicht genutzt haben.
- 52
- bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist im Streitfall auch das weitere Erfordernis einer „öffentlichen Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfüllt, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens oder für ein neues Publikum wiedergegeben wird (vgl. oben Rn. 48).
- 53
- (1) Das Berufungsgericht hat allerdings mit Recht angenommen, dass mit der leitungsgebundenen Übertragung der Sendesignale in die einzelnen Wohnungen kein neues Publikum im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs erreicht wird. Die Wohnungseigentümer halten sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Sendegebiet der Sendeunternehmen auf. Sie empfangen die Sendungen - anders als die Gäste eines Hotels (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 41 und 42 - SGAE/Rafael), einer Gaststätte (vgl. EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 bis 199 - Football Association Premier League und Murphy) oder einer Kureinrichtung (vgl. EuGH, GRUR 2014, 473 Rn. 31 und 32 - OSA/Léčebné lázně) - allein oder im privaten oder familiären Kreis. Die Sendungen erreichen daher allein das Publikum, an das die Urheber und Leistungsschutzberechtigten dachten, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten.
- 54
- (2) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts erfolgte die Wiedergabe aber nach einem technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterschied.
- 55
- Die Weiterverbreitung von terrestrisch oder über Satellit ausgestrahlten Sendesignalen über Kabel erfolgt nach einem spezifischen technischen Verfahren , das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. Das wird durch die Artikel 2 und 8 der Richtlinie 93/83/EWG bestätigt, die eine neue Erlaubnis für eine zeitgleiche, unveränderte und vollständige Weiterverbreitung einer erdgebundenen oder durch Satellit übermittelten Erstsendung von Fernseh- oder Hörfunkprogrammen, die geschützte Werke enthalten, vor- schreiben, obwohl diese Sendungen bereits in ihrem Sendegebiet auf Grund anderer technischer Verfahren wie der Übertragung mittels Funkwellen der terrestrischen Netze empfangen werden können (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 25 - ITV Broadcasting/TVC). Die Übermittlung einer Sendung durch Satellit und deren Weiterverbreitung über Kabel sind danach zwei unterschiedliche technische Verfahren und damit zwei Wiedergaben im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG.
- 56
- Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann die Weiterverbreitung der Sendung über Kabel nicht aufgrund einer wertenden Betrachtung als bloßer Empfang der Sendung eingestuft werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob wegen der Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens eine Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vorliegt, kommt es allein auf eine technische Betrachtung an und ist für eine wertende Betrachtung kein Raum (vgl. zur Frage, wer Hersteller der Vervielfältigung einer Funksendung ist, BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 16 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder I). Das schließt es allerdings nicht aus, die Frage, ob über eine Gemeinschaftsantenne empfangene und durch ein Kabelnetz weitergeleitete Sendesignale einer Öffentlichkeit übermittelt werden, (auch) aufgrund einer wertenden Betrachtung zu beantworten (vgl. dazu unter Rn. 67 und BGH, Urteil vom 8. Juli 1993 - I ZR 124/91, BGHZ 123, 149, 153 f. - Verteileranlagen; BGH, GRUR 2009, 845 Rn. 32 - Internet-Videorecorder I; BGH, Urteil vom 12. November 2009 - I ZR 160/07, GRUR 2010, 530 Rn. 19 = WRP 2010, 784 - Regio-Vertrag).
- 57
- cc) Die Revision macht im Hinblick darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Union es für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe als unter Umständen nicht unerheblich erachtet hat, ob die betreffende Nut- zungshandlung Erwerbszwecken dient (vgl. oben Rn. 49), ohne Erfolg geltend, im Streitfall müsse ein Erwerbszweck angenommen werden. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft beansprucht für die Weiterleitung der Sendesignale kein Entgelt, sondern beschränkt sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf eine Umlage der mit dem Betrieb der Kabelanlage anfallenden Kosten auf die Wohnungseigentümer. Sie verfolgt mit dem Betrieb der Kabelanlage demnach keinen Erwerbszweck. Es kommt nicht darauf an, ob das Bestehen eines Kabelanschlusses - wie die Revision geltend macht - die Vermietbarkeit der von Eigentümern nicht selbst genutzten Wohnungen verbessert. Selbst wenn dies der Fall wäre, ließe dies allenfalls auf einen Erwerbszweck der betreffenden Wohnungseigentümer und nicht auf einen Erwerbszweck der Wohnungseigentümergemeinschaft schließen.
- 58
- dd) Die hier in Rede stehende Weiterübertragung der über die Gemeinschaftsantenne empfangenen Sendesignale durch ein Kabelnetz an die Empfangsgeräte stellt keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG dar, weil die Sendesignale nicht an eine „Öffentlichkeit“ im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (vgl. oben Rn. 45 bis 47) weitergeleitet werden.
- 59
- (1) Das Kriterium „recht viele Personen“ ist im Streitfall allerdings erfüllt. Die Zahl der Personen, denen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft mit der zeitgleichen, unveränderten und vollständigen Weiterübertragung der Sendesignale der Fernseh- und Hörfunkprogramme durch ein Kabelnetz dieselben Werke oder Leistungen zugänglich macht, ist schon deshalb nicht allzu klein oder gar unbedeutend, weil sämtliche 343 Eigentumswohnungen der Wohnanlage an das Kabelnetz angeschlossen sind. Damit haben alle Perso- nen, die sich zum Zeitpunkt der Sendung in diesen Eigentumswohnungen aufhalten , gleichzeitig Zugang zu denselben Werken und Leistungen. Ob sie diesen Zugang tatsächlich nutzen, ist für die Frage, ob sie eine Öffentlichkeit bilden , unerheblich. Die Zahl dieser Personen überschreitet die dem Begriff der Öffentlichkeit innewohnende Mindestschwelle. Es kommt daher nicht darauf an, inwieweit sich die Zahl dieser Personen durch Personen erhöht, die nacheinander Zugang zu denselben Werken und Leistungen haben.
- 60
- (2) Bei den Personen, denen die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Weiterleitung der Sendesignale den Zugang zu denselben Werken und Leistungen eröffnet, handelt es sich jedoch, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, nicht um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“. Die Wiedergabe erfolgt nicht für „Personen allgemein“; sie ist vielmehr auf „besondere Personen“ beschränkt, die einer „privaten Gruppe“ an- gehören.
- 61
- Das Berufungsgericht hat angenommen, die Empfänger der Sendesignale stellten keine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten dar. Die Zahl der versorgten 343 Wohneinheiten unterliege keinen Schwankungen. Im Jahr fänden durchschnittlich 30 Eigentümerwechsel statt. In welchem Umfang die Eigentumswohnungen vermietet seien und insoweit wechselnde Adressaten erreicht werden könnten, sei nicht vorgetragen. Dass bei mindestens 75 Wohneinheiten stets von einer Öffentlichkeit auszugehen sei, ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht. Die vom Landgericht vertretene Auffassung, zwischen allen Wohnungseigentümern bestehe eine persönliche Verbundenheit, sei zwar nicht unbedenklich; die zwischen den Wohnungseigentümern einer (auch großen) Wohnungseigentümergemeinschaft bestehende Verbindung sei aber jedenfalls weit ausgeprägter als bei den Mitgliedern einer weitgehend zufälligen Gruppe. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
- 62
- Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergebe sich nicht, dass bei mindestens 75 Wohneinheiten stets von einer Öffentlichkeit auszugehen sei (vgl. Riesenhuber, ZUM 2012, 433). Der Begriff der „Öffentlichkeit“ ist nicht schon bei „recht vielen Personen“ erfüllt, sondern erfordert darüber hinaus, dass es sich dabei um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt. Eine „Öffentlichkeit“ besteht daher nicht allein deshalb, weil die Zahl der potentiellen Adressaten eine bestimmte Mindestschwelle überschreitet.
- 63
- Eine Wiedergabe beschränkt sich auf „besondere Personen“ und erfolgt nicht gegenüber „Personen allgemein“, wenn sie für einen begrenzten Personenkreis vorgenommen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2005 - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 Rn. 31 - Lagardère/SPRE und GVL). So verhält es sich hier. Die Empfänger der von der Beklagten über eine Gemeinschaftsantenne per Satellit und durch ein Kabelnetz in die Wohnungen der Wohnanlage weitergeleiteten Sendesignale sind in ihrer Eigenschaft als Bewohner der Wohnanlage von anderen Personenkreisen abgegrenzt. Dass ein Teil der Bewohner im Laufe eines Jahres wechselt, steht dem nicht entgegen. Desgleichen kommt es entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf an, dass die 343 Wohneinheiten nach dem Vorbringen der Klägerin von mindestens 700 Personen bewohnt werden, die zudem regelmäßig Besuch von Gästen erhalten. Dass sich die Zahl der Bewohner verändert und nicht genau festgestellt werden kann, ändert nichts daran, dass es sich bei den Bewohnern der Wohnanlage um einen nach bestimmten Merkmalen abgrenzbaren Kreis „besonderer Personen“ handelt. Die Revision weist zwar zutreffend darauf hin, dass Hotel- gäste nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union als „Personen allgemein“ anzusehen sind, weil der Zugang dieser Gäste zu den Dienstleistungen des Hotels grundsätzlich auf einer persönlichen Entscheidung jedes einzelnen Gastes beruht und lediglich durch die Aufnahmekapazität des fraglichen Hotels begrenzt wird (EuGH, GRUR 2012, 597 Rn. 41 - PPL/Irland). Die Bewohner einer Wohnanlage stehen den Gästen eines Hotels jedoch nicht gleich. Der Zugang zu den Wohnungen einer Wohnanlage ist nicht allein durch die Aufnahmekapazität der fraglichen Wohnungen begrenzt, sondern steht grundsätzlich nur ihren Bewohnern offen. Bei den Bewohnern einer Wohnanla- ge handelt es sich daher um „besondere Personen“.
- 64
- Diese „besonderen Personen“ gehören einer „privaten Gruppe“ an. Der für den unionsrechtlichen Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG maßgebliche Begriff der „privaten Gruppe“ kann nicht ohne Weiteres mit dem für den nationalen Begriff der Öffentlichkeit im Sinne von § 15 Abs. 3 UrhG maßgeblichen Be- griff der „persönlichen Verbundenheit“ gleichgesetzt werden. Da die Richtlinien in Bezug auf die Bedeutung des Begriffs der Öffentlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG nicht auf das Recht der Mitgliedstaaten verweisen, ist dieser Begriff für die Anwendung dieser Richtlinien als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, der im gesamten Gebiet der Union einheitlich auszulegen ist (vgl. zur autonomen Auslegung des Unionsrechts EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2010 - C-467/08, Slg. 2010, I-10055 = GRUR 2011, 50 Rn. 32 - Padawan/SGAE; Urteil vom 3. Juli 2012 - C-128/11, GRUR 2012, 904 Rn. 39 = WRP 2012, 1074 - UsedSoft/ Oracle, jeweils mwN).
- 65
- Der Begriff der „privaten Gruppe“ ist bereits nach seinem Wortsinn weiter als der Begriff der „persönlichen Verbundenheit“. Zu einer „privaten Gruppe“ kann daher gehören, wer im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 2 UrhG nicht mit demjenigen , der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist. Die Bewohner der hier in Rede stehenden Wohnanlage können daher als „private Gruppe“ anzusehen sein, auch wenn die Annahme einer „persönlichen Verbundenheit“, wie das Beru- fungsgericht angenommen hat, nicht unbedenklich erscheint.
- 66
- Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht, dass der nichtöffentliche oder private Personenkreis besonders eng zu ziehen ist. Der von der Revision her- angezogenen Entscheidung „Lagardère/SPRE und GVL“ ist lediglich zu ent- nehmen, dass ein begrenzter Personenkreis nicht als Öffentlichkeit betrachtet werden kann (vgl. EuGH, GRUR 2006, 50 Rn. 31). Aus der Entscheidung ergibt sich dagegen nicht, dass dieser nach bestimmten Merkmalen abgrenzbare Kreis „besonderer Personen“ und folglich auch eine „private Gruppe“ aus weni- gen Personen bestehen muss.
- 67
- Bei der Beurteilung der Frage, ob im Streitfall die über eine Gemeinschaftsantenne empfangenen und durch ein Kabelnetz weitergeleiteten Sendesignale einer „privaten Gruppe“ übermittelt werden, ist zu berücksichtigen, dass diese Sendesignale von einer Wohnungseigentümergemeinschaft ausschließlich in die Wohnungen der dieser Gemeinschaft angehörenden Wohnungseigentümer übermittelt werden. Bei einer wertenden Betrachtung unterscheiden sich der Empfang mittels einer gemeinsamen Satellitenschüssel und die Weiterleitung über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen nicht von der Fallgestal- tung, dass jeder einzelne Eigentümer für seine eigene Wohnung eine gesonderte Antenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte in seiner Wohnung weiterleitet. Im zuletzt genannten Fall liegt keine Wiedergabe für eine Öffentlichkeit vor, weil die Wiedergabe auf „besonde- re Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören. Wenn die Gesamtheit der Wohnungseigentümer anstelle zahlreicher Einzelantennen eine Gemeinschaftsantenne installiert und die empfangenen Sendesignale über Kabel an die Empfangsgeräte der einzelnen Wohnungen weiterleitet, ist das daher gleichfalls als eine Wiedergabe anzusehen, die auf „besondere Personen“ be- schränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören. Im Ergebnis leiten die ein- zelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter.
- 68
- 5. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG oder Art. 8 der Richtlinie 2006/115/EG, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union ist es grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, anhand der von ihm aufgestellten Kriterien aufgrund einer umfassenden Beurteilung der gegebenen Situation zu beurteilen, ob in einem konkreten Fall eine öffentliche Wiedergabe vorliegt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 93 - SCF/Del Corso).
- 69
- C. Danach ist die Revision gegen das Berufungsurteil auf Kosten der Klägerin (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.02.2013 - 21 O 16054/12 -
OLG München, Entscheidung vom 11.09.2014 - 6 U 2619/13 -
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 228/14
vom
15. Dezember 2015
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2015 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher, die Richter Prof. Dr. Schaffert,
Dr. Kirchhoff, Prof. Dr. Koch und Feddersen
beschlossen:
Das Senatsurteil vom 17. September 2015 wird gemäß § 319
Abs. 1 ZPO in Rn. 42 letzte Zeile dahin berichtigt, dass es dort
statt „Masach“ heißt „Masch“.
Büscher Schaffert Kirchhoff
Koch Feddersen
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 20.02.2013 - 21 O 16054/12 -
OLG München, Entscheidung vom 11.09.2014 - 6 U 2619/13 -
(1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung
- 1.
öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a), - 2.
zu senden, es sei denn, dass die Darbietung erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden ist, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind, - 3.
außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen.
(2) Dem ausübenden Künstler ist eine angemessene Vergütung zu zahlen, wenn
- 1.
die Darbietung nach Absatz 1 Nr. 2 erlaubterweise gesendet, - 2.
die Darbietung mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar gemacht oder - 3.
die Sendung oder die auf öffentlicher Zugänglichmachung beruhende Wiedergabe der Darbietung öffentlich wahrnehmbar gemacht wird.
(3) Auf Vergütungsansprüche nach Absatz 2 kann der ausübende Künstler im Voraus nicht verzichten. Sie können im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden.
(4) § 20b gilt entsprechend.
Wird ein erschienener oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemachter Tonträger, auf den die Darbietung eines ausübenden Künstlers aufgenommen ist, zur öffentlichen Wiedergabe der Darbietung benutzt, so hat der Hersteller des Tonträgers gegen den ausübenden Künstler einen Anspruch auf angemessene Beteiligung an der Vergütung, die dieser nach § 78 Abs. 2 erhält.
(1) Der ausübende Künstler hat das ausschließliche Recht, seine Darbietung
- 1.
öffentlich zugänglich zu machen (§ 19a), - 2.
zu senden, es sei denn, dass die Darbietung erlaubterweise auf Bild- oder Tonträger aufgenommen worden ist, die erschienen oder erlaubterweise öffentlich zugänglich gemacht worden sind, - 3.
außerhalb des Raumes, in dem sie stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen öffentlich wahrnehmbar zu machen.
(2) Dem ausübenden Künstler ist eine angemessene Vergütung zu zahlen, wenn
- 1.
die Darbietung nach Absatz 1 Nr. 2 erlaubterweise gesendet, - 2.
die Darbietung mittels Bild- oder Tonträger öffentlich wahrnehmbar gemacht oder - 3.
die Sendung oder die auf öffentlicher Zugänglichmachung beruhende Wiedergabe der Darbietung öffentlich wahrnehmbar gemacht wird.
(3) Auf Vergütungsansprüche nach Absatz 2 kann der ausübende Künstler im Voraus nicht verzichten. Sie können im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten werden.
(4) § 20b gilt entsprechend.
(1) Das Sendeunternehmen hat das ausschließliche Recht,
- 1.
seine Funksendung weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen, - 2.
seine Funksendung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen, Lichtbilder von seiner Funksendung herzustellen sowie die Bild- oder Tonträger oder Lichtbilder zu vervielfältigen und zu verbreiten, ausgenommen das Vermietrecht, - 3.
an Stellen, die der Öffentlichkeit nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, seine Funksendung öffentlich wahrnehmbar zu machen.
(2) Das Recht ist übertragbar. Das Sendeunternehmen kann einem anderen das Recht einräumen, die Funksendung auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend.
(3) Das Recht erlischt 50 Jahre nach der ersten Funksendung. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.
(4) § 10 Abs. 1 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 mit Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 2 und des § 54 Abs. 1 gelten entsprechend.
(5) Sendeunternehmen und Weitersendedienste sind gegenseitig verpflichtet, einen Vertrag über die Weitersendung im Sinne des § 20b Absatz 1 Satz 1 durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, sofern nicht ein die Ablehnung des Vertragsabschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht; die Verpflichtung des Sendeunternehmens gilt auch für die ihm in Bezug auf die eigene Sendung eingeräumten oder übertragenen Senderechte. Auf Verlangen des Weitersendedienstes oder des Sendeunternehmens ist der Vertrag gemeinsam mit den in Bezug auf die Weitersendung durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme anspruchsberechtigten Verwertungsgesellschaften zu schließen, sofern nicht ein die Ablehnung eines gemeinsamen Vertragsschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht. Sofern Sendeunternehmen und Weitersendedienste Verhandlungen über andere Formen der Weitersendung aufnehmen, führen sie diese nach Treu und Glauben.
(6) Absatz 5 gilt für die Direkteinspeisung nach § 20d Absatz 1 entsprechend.
(1) Der Filmhersteller hat das ausschließliche Recht, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen. Der Filmhersteller hat ferner das Recht, jede Entstellung oder Kürzung des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen an diesem zu gefährden.
(2) Das Recht ist übertragbar. Der Filmhersteller kann einem anderen das Recht einräumen, den Bildträger oder Bild- und Tonträger auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend.
(3) Das Recht erlischt fünfzig Jahre nach dem Erscheinen des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers oder, wenn seine erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn der Bildträger oder Bild- und Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist.
(4) § 10 Abs. 1 und die §§ 20b und 27 Abs. 2 und 3 sowie die Vorschriften des Abschnitts 6 des Teils 1 sind entsprechend anzuwenden.
(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere
(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere
- 1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19), - 2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a), - 3.
das Senderecht (§ 20), - 4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21), - 5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).
(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.
(1) Das Sendeunternehmen hat das ausschließliche Recht,
- 1.
seine Funksendung weiterzusenden und öffentlich zugänglich zu machen, - 2.
seine Funksendung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen, Lichtbilder von seiner Funksendung herzustellen sowie die Bild- oder Tonträger oder Lichtbilder zu vervielfältigen und zu verbreiten, ausgenommen das Vermietrecht, - 3.
an Stellen, die der Öffentlichkeit nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind, seine Funksendung öffentlich wahrnehmbar zu machen.
(2) Das Recht ist übertragbar. Das Sendeunternehmen kann einem anderen das Recht einräumen, die Funksendung auf einzelne oder alle der ihm vorbehaltenen Nutzungsarten zu nutzen. § 31 und die §§ 33 und 38 gelten entsprechend.
(3) Das Recht erlischt 50 Jahre nach der ersten Funksendung. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen.
(4) § 10 Abs. 1 sowie die Vorschriften des Teils 1 Abschnitt 6 mit Ausnahme des § 47 Abs. 2 Satz 2 und des § 54 Abs. 1 gelten entsprechend.
(5) Sendeunternehmen und Weitersendedienste sind gegenseitig verpflichtet, einen Vertrag über die Weitersendung im Sinne des § 20b Absatz 1 Satz 1 durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme zu angemessenen Bedingungen abzuschließen, sofern nicht ein die Ablehnung des Vertragsabschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht; die Verpflichtung des Sendeunternehmens gilt auch für die ihm in Bezug auf die eigene Sendung eingeräumten oder übertragenen Senderechte. Auf Verlangen des Weitersendedienstes oder des Sendeunternehmens ist der Vertrag gemeinsam mit den in Bezug auf die Weitersendung durch Kabelsysteme oder Mikrowellensysteme anspruchsberechtigten Verwertungsgesellschaften zu schließen, sofern nicht ein die Ablehnung eines gemeinsamen Vertragsschlusses sachlich rechtfertigender Grund besteht. Sofern Sendeunternehmen und Weitersendedienste Verhandlungen über andere Formen der Weitersendung aufnehmen, führen sie diese nach Treu und Glauben.
(6) Absatz 5 gilt für die Direkteinspeisung nach § 20d Absatz 1 entsprechend.
Das Senderecht ist das Recht, das Werk durch Funk, wie Ton- und Fernsehrundfunk, Satellitenrundfunk, Kabelfunk oder ähnliche technische Mittel, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
(1) Das Recht, ein gesendetes Werk im Rahmen eines zeitgleich, unverändert und vollständig weiterübertragenen Programms weiterzusenden (Weitersendung), kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden. Dies gilt nicht für
- 1.
Rechte an einem Werk, das ausschließlich im Internet gesendet wird, - 2.
Rechte, die ein Sendeunternehmen in Bezug auf seine Sendungen geltend macht.
(1a) Bei der Weitersendung über einen Internetzugangsdienst ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der Betreiber des Weitersendedienstes ausschließlich berechtigten Nutzern in einer gesicherten Umgebung Zugang zum Programm bietet.
(1b) Internetzugangsdienst im Sinne von Absatz 1a ist ein Dienst gemäß Artikel 2 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung (EU) 2015/2120 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Maßnahmen zum Zugang zum offenen Internet und zur Änderung der Richtlinie 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten sowie der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 über das Roaming in öffentlichen Mobilfunknetzen in der Union (ABl. L 310 vom 26.11.2015, S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2018/1972 (ABl. L 321 vom 17.12.2018, S. 36; L 334 vom 27.12.2019, S. 164) geändert worden ist.
(2) Hat der Urheber das Recht der Weitersendung einem Sendeunternehmen oder einem Tonträger- oder Filmhersteller eingeräumt, so hat der Weitersendedienst gleichwohl dem Urheber eine angemessene Vergütung für die Weitersendung zu zahlen. Auf den Vergütungsanspruch kann nicht verzichtet werden. Er kann im Voraus nur an eine Verwertungsgesellschaft abgetreten und nur durch eine solche geltend gemacht werden. Diese Regelung steht Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen und gemeinsamen Vergütungsregeln von Sendeunternehmen nicht entgegen, soweit dadurch dem Urheber eine angemessene Vergütung für jede Weitersendung eingeräumt wird.
(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere
(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere
- 1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19), - 2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a), - 3.
das Senderecht (§ 20), - 4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21), - 5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).
(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.