Corona: Rechtsreferendarin erstreitet sich Weg nach Windhuk (Namibia)

erstmalig veröffentlicht: 18.03.2021, letzte Fassung: 19.10.2022

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Insbesondere in der gegenwärtigen Situation der weltweiten Pandemie verursacht durch Covid-19, stellt sich vielen Menschen die Frage, inwiefern die Rechte Einzelner eingeschränkt werden dürfen oder ob es hierfür nicht die Form eines Gesetzes bedarf. In der folgenden Entscheidung wurde deutlich, dass keine ausreichende Rechtsgrundlage existiert, die es erlaubt die Zuweisung an die Wahlstation wegen Corona zu verbieten.

Eine junge Referendarin begehrte die Zuweisung zu ihrer Auslandsstation in Windhuk (Nanibia) und erstritt sich ihren Wunsch in zwei Gerichtsentscheidungen. Nachdem zunächst das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein ihre Wahl der Station in Namibia mit der Begründung einer Reisewarnung für dieses Gebiet ablehnte, haben das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein und anschließend das Oberverwaltungsgericht den Weg zu ihrer Wunsch-Auslandstation frei gemacht.

Streifler&Kollegen - Dirk Strefler - Rechtsanwälte Berlin

 

Trotz Corona: Rechtsreferendarin will ihre Wahlstation bei der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit antreten

Die Referendarin entschied sich zur Ableistung ihrer Wahlstation mit dem Zweck des juristischen Vorbereitungsdienstes für die Ausbildungsstelle „Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmBH (GIZ)“ in Windhuk. Sie berief sich dabei auf § 32 Absatz 3 Satz 2 Juristenausbildungsverordnung Schleswig-Holstein. Danach kann die Ausbildung in der Wahlstation mit dem Schwerpunkt Ausbildung und Verwaltung grundsätzlich auch bei einer einschlägigen überstaatlichen, zwischenstaatlichen, ausländischen oder einer sonstigen Stelle, bei der eine sachgerechte Ausbildung gewährleistet wird, durchgeführt werden.

Zuweisung zunächst abgewiesen dann nur mit Vorbehalt erteilt

Die Präsidentin des OLG Schleswig-Holstein lehnte die Zuweisung zur ihrer Wahlstation ab und begründete dies mit der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Namibia. Demnach sollten nicht notwendige Reisen unterlassen werden.

Gem. § 30 Abs. 2 Satz 1 Juristenausbildungsverordnung Schleswig-Holstein ist der/der Präsident(in) des Oberlandgericht für die Zuweisung der Rechtsreferendare zu den einzelnen Stationen zuständig.

Zwischenzeitlich verbesserte sich allerdings die Lage in Nanibia, so dass das OLG die Zuweisung zu der Auslandstation erteilte. Unter dem Vorbehalt, dass zum Zeitpunkt des Reiseantritts zur Wunsch-Station, das Auswärtige Amt keine Reisewarnung ausspricht, sollte die Referendarin die Station antreten dürfen.

Die Entscheidung des Oberlandgerichts war die Referendarin nicht zufrieden, Sie begehrte eine einstweilige Anordnung, das Oberlandgericht zu verpflichten, sie zur Durchführung der Wahlstation in der Zeit von 01.01.2021 bis zum 31.03.2021 vorbehaltlos in ihre Wunschausbildungsstelle in Windhuk zu überweisen.

Dem stimmte das Verwaltungsgericht zu. Das Oberverwaltungsgericht bestätigte die Entscheidung.

Dazu führte das Oberverwaltungsgericht aus, dass die Zuweisung in die Wahlstation nicht davon abhängig gemacht werden dürfe, ob das entsprechende Land als Risiko-Gebiet eingestuft werde und dementsprechend eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes wegen Covid-19 bestehe.

Widerrufsvorbehalt rechtswidrig unabhängig von Art der Entscheidung (gebundene- oder Ermessensentscheidung)

Ungeklärt könne dabeibleiben, ob es sich bei der Zuweisung um eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung handle, denn eine unter Vorbehalt des Widerrufs stehende Zuweisung sei nach beiden Ansichten rechtswidrig.

Das Oberlandgericht war überzeigt, die Zuweisung des konkreten Tätigkeitsbereichs und damit auch die Zuweisung in die einzelnen Stationen, lege nach § 8 Absatz 1, § 9 Absatz 1 des Juristenausbildungsgesetz i.V.m. § 4 Absatz 2 Satz 2 des Landesbeamtengesetz stets im Ermessen des Dienstherrn. Dem widerspricht das Oberverwaltungsgericht und verweist auf die§ 14 Juristenausbildungsgesetz beruhenden Vorschriften in §§ 30 ff. der Juristenausbildungsverordnung. Diese regeln abschließend die Zuweisung in die einzelnen Stationen, mithin auch Wahlstationen im juristischen Vorbereitungsdienst. Sie stellen gem. §§ 8, 9 Juristenausbildungsgesetz, § 4 Absatz 3 Landesbeamtengesetz i.V.m § 4 Absatz 2 Satz 2 Landesbeamtengesetz „andersweitige Reglungen“ dar, die einen Rückgriff auf die Normen im Beamtenrecht nicht gestatten.

Einschränkung der Wahlmöglichkeit der Referandare nicht ersichtlich

Einzig bei der Zuweisung in die Pflichtstationen – hier vor allem bei der Zuweisung in Stationen in Straf- und Zivilsachen – stehe dem Oberlandesgericht ein Auswahlermessen zu (vgl. § 32 Absatz 2 Juristenausbildungsverordnung). Hier können insbesondere organisatorische Aspekte in die Entscheidung einfließen.

Eine Einschränkung bei der Zuweisung in die Wahlstation lässt der Wortlaut des § 32 Absatz 3 Satz 1 Juristenausbildungsverordnung hingegen nicht zu.

Zwar können finanzielle Aspekte sowie Haftungsrisiken, die mit der Refenrendariatsausbildung eng in Verbindung stehen, berücksichtigt werden, das Anknüpfen des Widerrufsvorbehalts an eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, ist allerdings nicht vom Zweck der Regelungen des Juristenausbildungsverordnung gedeckt.

Darüber hinaus wäre der Widerrufsvorbehalt auch bei der Annahme einer gebundenen Entscheidung rechtswidrig. Denn es existiert keine gesetzliche Ermächtigung, die einen solchen Widerrufsvorbehalt, der an die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes anknüpft, erlauben würde.

Das Oberverwaltungsgericht verweist hierzu auf das geltende Regel-Ausnahme-Prinzip, wonach auf jede Anzeige der Wahlstation grundsätzlich eine vorbehaltlose Zuweisung erfolgen muss.

Argumentation hinsichtlich negativer Auswirkungen nicht überzeugend

Schließlich konnte auch die Argumentation hinsichtlich negativer Auswirkungen von Quarantänemaßnahmen nicht überzeugen.  

Die Sorge über mögliche organisatorische Nachteile, die durch eine Erkrankung der Referendarin oder eine Pflicht-Quarantäne für den weiteren Vorbereitungsdienst entstehen können, stellt keinen hinreichenden Grund zur Ablehnung einer vorbehaltlosen Zuweisung dar.

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht sind der Ansicht, dass die Gefahr der Ansteckung mit Covid-19 sowohl im In- als auch im Ausland gleichermaßen bestehe. Das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht verweisen hierzu auf die, im Dezember letzten Jahres herrschenden, Inzidenzwerte. Außerdem könne gem. § 3 Absatz 1 der Corona-Quarantäneverordnung die Quarantäne bereits ab dem fünften Tag nach Einreise beendet werden, sofern ein negativen Testergebnis vorgelegt werden kann. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Organisationsablaufs, wie vom Oberlandgericht vorgetragen, wird dadurch nicht begründet.

Die Rechtsreferendarin hat ihre Reise inzwischen angetreten.

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