Außergewöhnliche Belastung: Medikamente für die Hausapotheke nur mit ärztlicher Verordnung absetzbar
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Im Streitfall berücksichtigte das Finanzamt bei der Einkommensteuerveranlagung nur die Aufwendungen, für die eine ärztliche Verordnung vorgelegt worden war. Die übrigen Kosten (für die ohne Verordnung erworbenen Präparate) erkannte das Finanzamt nicht an. Die Eheleute argumentierten hingegen, dass viele Medikamente vom Arzt nicht mehr verschrieben werden, obwohl sie notwendig seien. Dies gelte z.B. auch für vorbeugende Medikamente wie Schmerz-, Erkältungs- und Grippemittel.
Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz vertrat jedoch die Ansicht, dass die Steuerpflichtigen die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers hätten nachweisen müssen. Denn dies - so das Finanzgericht - ist in der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ausdrücklich geregelt. Diese Vorschrift zum Nachweis von Krankheitskosten ist zwar erst mit der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 in Kraft getreten. Dabei wurde aber ausdrücklich angeordnet, dass die Vorschrift in allen noch nicht bestandskräftigen Fällen anzuwenden ist. Diese rückwirkende Geltung ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, so das Finanzgericht.
Sind Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren, wirken sich die Aufwendungen nur dann steuermindernd aus, wenn die gesetzlich geregelte zumutbare Eigenbelastung, die sich nach der Höhe der Einkünfte, dem Familienstand und der Anzahl der Kinder bemisst, überschritten wird.
Zu der Frage, ob der Abzug der zumutbaren Belastung auch bei zwangsläufigen Krankheitskosten zulässig ist, ist derzeit eine Revision beim Bundesfinanzhof anhängig. Das Bundesfinanzministerium hat nun darauf hingewiesen, dass Einkommensteuer-Festsetzungen hinsichtlich des Abzugs einer zumutbaren Belastung bei der Berücksichtigung von Aufwendungen für Krankheit oder Pflege als außergewöhnliche Belastung vorläufig vorzunehmen sind (FG Rheinland-Pfalz, 5 K 2157/12; Rev. BFH VI R 32/13; BMF-Schreiben, IV A 3 - S 0338/07/10010).
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Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
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Die Kläger begehren die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen.
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Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr 2010 antragsgemäß nach § 26 b Einkommensteuergesetz – EStG – zusammen veranlagt werden. Beide Kläger erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die Klägerin bezog darüber hinaus noch Lohnersatzleistungen. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2010 machten sie (u.a.) Aufwendungen für Medikamente in Höhe von 1.418,03 € als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG geltend (Blatt 5 der ESt-Akte).
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Im Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 01. September 2011 (Bl. 46 – 49 der Einkommensteuerakte – ESt-Akte) wurde davon nur ein Teilbetrag in Höhe von 278 € berücksichtigt, mit dem Hinweis, dass Aufwendungen für Arzneimittel, Stärkungsmittel oder ähnliche Präparate als außergewöhnliche Belastung nur anerkannt werden könnten, soweit ihre Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen worden sei.
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Dagegen legten die Kläger am 06. September 2011 Einspruch ein und begehrten (neben weiteren nicht mehr streitigen Punkten) die Krankheitskosten in voller Höhe anzuerkennen. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 (Bl. 60 der ESt-Akte) führten sie dazu aus, Erkältungsmedikamente oder sonst nicht verschreibungspflichtige Medikamente würden zwar nicht mehr verordnet, auf deren Einnahme werde aber von den Ärzten hingewiesen. Sie legten eine mit „Quittung“ bezeichnete Aufstellung der Apotheke ... vom 24. Oktober 2011 vor, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 61 – 63 der ESt-Akte). In dieser Aufstellung werden insgesamt 108 Artikel (Medikamente und sonstige Präparate) aufgeführt (Gesamtsumme „VK“ 1.418,03 €). Der Aufstellung ist zu entnehmen, dass für alle aufgeführten Artikel ein „Kundenpreis“ i.H.v. 650,78 € zu entrichten war, und zwar für Zuzahlungen, Mehrkosten, Privatrezepte, „Handverkauf“ und nicht erstattungsfähige „KP“ bei Rezepten.
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Der Beklagte wies die Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2011 (Bl. 66 – 68 der Einkommensteuerakte) u.a. darauf hin, dass es sich bei dem in der Auflistung genannten Betrag i.H.v. 1.418,03 € um den Verkaufspreis der bezogenen Medikamente, nicht aber um den Betrag handle, den die Kläger dafür tatsächlich hätten bezahlen müssen. Dieser belaufe sich gemäß der Jahresaufstellung nur auf 650,78 € (Kundenpreis). Nur dieser Betrag könne – wenn überhaupt – als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Soweit dieser Jahresaufstellung zu entnehmen sei, dass ein ärztliches Rezept vorgelegt worden sei, seien die Aufwendungen vom Beklagten bei der Veranlagung bereits berücksichtigt worden. Es handle sich dabei um Zuzahlungen, Mehrkosten und Privatrezepte usw. i.H.v. insgesamt 261,44 € (Anmerkung des Gerichts: Berücksichtigt wurden (versehentlich ?) sogar 278 €, Blatt 5 der ESt-Akte). Somit sei lediglich der auf den „Handverkauf“ entfallende Anteil i.H.v. 389,34 € nicht berücksichtigt worden. Insoweit könnten die Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, weil deren Notwendigkeit nicht durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen worden sei.
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Die Kläger erwiderten (Bl. 74 der ESt-Akte), aufgrund der Gesundheitsreform würden viele Medikamente aus Kostengründen nicht mehr verschrieben und der Patient müsse die Mittel selbst aus eigener Kasse zahlen. Die Medikamente, die sie ohne Verordnung gekauft hätten, seien notwendig gewesen. Ein 6-Personenhaushalt sei ohne vorbeugende Medikamente (Schmerz-, Erkältungs- und Grippemittel usw.) nicht zu führen.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2012, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird (Bl. 76 – 84 der Einspruchsakte), wurde die Einkommensteuer (aus nicht streitigen Gründen) auf 8.299,00 € (von zuvor 8.310,00 €) herabgesetzt und im Übrigen der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, Aufwendungen für Heilbehandlungen würden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der (nach § 33 Abs. 2 S. 1 EStG an sich gebotenen) Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedürfe. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten sei zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gelte aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar), also medizinisch indiziert seien. Hierzu habe der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Eine entsprechende gesetzliche Regelung (§ 33 Abs. 4 EStG und § 64 EStDV) habe der Gesetzgeber durch das Steuervereinfachungsgesetz – StVereinfG - 2011 eingeführt. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel sei dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz habe bereits mit Urteil vom 20. Januar 2000 (4 K 1352/97, EFG 2000, 434) entschieden, dass der Nachweis der krankheitsbedingten Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch ärztliche Verordnung auch für solche Medikamente erforderlich sei, für die nach § 34 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse nicht zulässig sei. Dass die Verordnung bestimmter Medikamente zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht (mehr) zulässig sei, schließe es nicht aus, dass der Arzt die betreffenden Medikamente zur Heilung oder Linderung einer Krankheit für angezeigt halte oder sie auf Wunsch des Patienten – auf Privatrezept – verordne. Dann scheide zwar ein Kostenersatz durch die gesetzliche Krankenversicherung aus, der Steuerpflichtige könne die Kosten ärztlich verordneter Medikamente in diesem Fall aber als außergewöhnliche Belastungen geltend machen. Vor diesem Hintergrund könnten die von den Klägern ohne ärztliche Verordnung im Handverkauf erworbenen Medikamente nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
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Am 23. August 2012 haben die Kläger Klage erhoben.
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Sie tragen ergänzend vor, die streitigen Aufwendungen seien in ihrem 6-Personen-Haushalt entstanden und in der Aufstellung der Apotheke aufgelistet. Wie dieser Aufstellung zu entnehmen sei, seien überwiegend Erkältungsmittel und andere Medikamente im Handverkauf erworben worden. Die meisten Erkältungsmittel würden von Ärzten nicht mehr verschrieben. Aufgrund der Gesundheitsreform werde ein freiwilliger Kauf der nicht verschreibungspflichtigen Medikamente zur Heilung der Krankheit empfohlen. Im Übrigen habe der Beklagte bei den Veranlagungen der Vorjahre die Medikamente in der Form der Apothekenliste immer anerkannt.
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Die Kläger beantragen sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid vom 01. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2012 zu ändern und die Einkommensteuer so festzusetzen, wie sie sich ergibt, wenn weitere Krankheitskosten i.H.v. 389,34 € (vor Abzug der zumutbaren Eigenbelastung) als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er trägt ergänzend vor, die geltend gemachten Medikamente seien zwar in den Vorjahren anhand der vorgelegten Apothekenliste als außergewöhnliche Belastungen anerkannt worden. Nach dem im Steuerrecht geltenden Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sei jeder Steuerfall hingegen für jeden Veranlagungszeitraum in vollem Umfang und unabhängig von eventuell früher vertretenen Rechtsauffassungen erneut zu überprüfen und rechtlich zu würdigen. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung müsse das Finanzamt zum frühestmöglichen Zeitpunkt aufgeben.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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II. Die Klage ist unbegründet.
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Der Einkommensteuerbescheid vom 01. September 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2012 ist – soweit angefochten – nicht zu beanstanden, da der Beklagte die streitigen Krankheitskosten i.H.v. 389,34 € zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt hat.
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Vorab ist festzustellen, dass sich nicht nachvollziehen lässt, weshalb die Kläger in der Klageschrift ausgeführt haben, dass ein Betrag in Höhe von 1.357,81 € streitig sei, denn der Beklagte hat - soweit ein ärztliches Rezept vorgelegt wurde - die in der Jahresaufstellung der Apotheke aufgeführten Aufwendungen für Zuzahlungen, Mehrkosten und Privatrezepte usw. i.H.v. insgesamt 261,44 € bei der Veranlagung bereits berücksichtigt, so dass lediglich der auf den „Handverkauf“ entfallende Anteil i.H.v. 389,34 € streitig sein kann.
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Diese Aufwendungen hat der Beklagte zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung verwiesen werden, der das Gericht folgt und insoweit daher von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absieht (§ 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung – FGO).
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Der Beklagte ist insbesondere zutreffend davon ausgegangen, dass die Kläger die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen formalisiert hätten nachweisen müssen. Denn bei Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - SGB V -) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen (BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFH/NV 2012, 1373).
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§ 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV hat folgenden Wortlaut:
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„Den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat der Steuerpflichtige zu erbringen:
1. durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch);“
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Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen - wie vorliegend - die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden. Diese rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden (BFH-Urteil vom 19. April 2012 VI R 74/10, BFH/NV 2012, 1373). Zwar ist eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 - wie hier - Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist (§ 36 Abs. 1 EStG), nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig. Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss, muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (ebenda, m.w.N). In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch - ohne dass dies abschließend wäre - Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist. So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008 1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts -BVerfGK- 14, 338, und vom 21. Juli 2010 1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369). Gemessen daran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen für Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V-) rückwirkend anordnen, weil der Gesetzgeber insoweit die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit lediglich so geregelt hat, wie sie bis zu diesem Zeitpunkt einer gefestigten Rechtsprechung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. April 2008 III B 168/06, www.juris.de, m.w.N.) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Ein berechtigtes Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnten die Steuerpflichtigen, so auch die Kläger, nicht bilden.
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Der Beklagte hat zwar entsprechende Aufwendungen in den Vorjahren anhand der vorgelegten Apothekenliste als außergewöhnliche Belastungen anerkannt. Es entspricht jedoch dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der Abschnittsbesteuerung, dass das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen und rechtlich zu würdigen hat. Eine als falsch erkannte Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsauffassung vertraut haben sollte. Dies gilt selbst dann, wenn die – fehlerhafte - Auffassung im Prüfungsbericht niedergelegt worden ist, die Finanzbehörde über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Auffassung vertreten hat oder der Steuerpflichtige im Vertrauen darauf disponiert hat (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 12. Juli 2006 IV B 9/05, BFH/NV 2006, 2028, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Diese Rechtsgrundsätze sind selbst dann noch anwendbar, wenn das Finanzamt über eine längere Zeitspanne eine rechtsirrige, für den Steuerpflichtigen günstige Rechtsauffassung vertreten hat (BFH-Urteil vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BStBl II 1993, 289).
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Nach alldem ist die Entscheidung des Beklagten, die ohne ärztliche Verordnung angeschafften Medikamente und sonstigen Präparate („Handverkauf“) nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, nicht zu beanstanden. Denn insoweit haben die Kläger die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen.
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Der Senat hat gemäß § 90 Abs.2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.
Tenor
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Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 4 K 1970/10 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Tatbestand
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I. Streitig ist, ob von der Krankenversicherung nicht getragene Krankheitskosten, insbesondere Zuzahlungen, als außergewöhnliche Belastungen von Verfassungs wegen ohne Ansatz einer zumutbaren Belastung einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen sind.
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Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer des Streitjahrs (2008) zusammenveranlagte Eheleute, erzielten einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 647.587 €. Die Kläger machten die nachstehenden Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen in Höhe von insgesamt 1.249,07 € im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung geltend: 237,80 € für zahnärztliche Airflow Zahnreinigung (Ultrasonic-Scaler); 50 € für Zuzahlungen gemäß § 28 Abs. 4 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V); 17,49 € für Laboratoriumsmedizin; 150,69 € für eine Arztrechnung; 250,25 € für einen Zweibettzimmerzuschlag im Klinikum M; 289,26 € an das Klinikum M; 102,52 € an das Klinikum Y; 60 € Zuzahlung für einen stationären Krankenhausaufenthalt; 91,06 € Aufwendungen für Medikamente, davon 15 € Zuzahlungen. Diese von der Krankenversicherung nicht übernommenen Aufwendungen seien --so die Kläger-- zwangsläufig entstanden; sie seien ohne Berücksichtigung einer zumutbaren Belastung von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vollständig auszunehmen. Das folge auch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (BVerfGE 120, 125) zum von Verfassungs wegen zwingenden Sonderausgabenabzug der Krankenversicherungsbeiträge und ungeachtet dessen, dass den Klägern auch ohne Berücksichtigung dieser hier streitigen Aufwendungen noch ein zu versteuerndes Einkommen über dem Existenzminimum verbleibe.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte die Berücksichtigung der Aufwendungen ohne Ansatz der zumutbaren Belastung ab.
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Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 2205 veröffentlichten Gründen ab.
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Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung materiellen (Verfassungs-)Rechts.
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Sie beantragen,
1. den Bescheid für 2008 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 19. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 2010 sowie das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 6. September 2012 aufzuheben und
2. die Einkommensteuer der Kläger für 2008 unter mindernder Berücksichtigung der außergewöhnlichen Belastungen der Kläger von 1.249,07 €, hilfsweise jedenfalls in Höhe von 142,49 €, jeweils ohne Anrechnung der sog. zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festzusetzen.
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Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat den Beitritt zum Verfahren erklärt (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
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II.Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern aufgewendeten Krankheitskosten zwar grundsätzlich unter den Tatbestand der außergewöhnlichen Belastungen fallen, sich im Streitfall aber steuerlich nicht auswirken, weil die Aufwendungen die zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG) nicht überschritten haben. Es ist auch von Verfassungs wegen nicht geboten, hinsichtlich dieser Aufwendungen auf den Ansatz einer zumutbaren Belastung zu verzichten.
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1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 Abs. 1 EStG auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
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Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Dementsprechend geht der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Bei den typischen und unmittelbaren Krankheitskosten wird die Außergewöhnlichkeit letztlich unwiderleglich vermutet und die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen weder dem Grunde nach (stets aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig) noch der Höhe nach (Angemessenheit und Notwendigkeit im Einzelfall) geprüft (zuletzt Senatsurteil vom 14. April 2015 VI R 89/13, BFHE 249, 483, BStBl II 2015, 703, m.w.N.).
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Nach § 33 Abs. 3 EStG beträgt die zumutbare Belastung in Abhängigkeit vom Gesamtbetrag der Einkünfte der Steuerpflichtigen und in Abhängigkeit davon, ob bei den Steuerpflichtigen der Grundtarif oder das Splittingverfahren zur Anwendung kommt sowie ob mehr oder weniger als drei Kinder zu berücksichtigen sind, zwischen 1 % und 7 % des Gesamtbetrags der Einkünfte.
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2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die streitbefangenen Zuzahlungen Krankheitskosten darstellen und daher grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind (offen gelassen im BFH-Urteil vom 18. Juli 2012 X R 41/11, BFHE 238, 103, BStBl II 2012, 821). Die Krankheitskosten sind allerdings nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, als sie den Betrag der nach § 33 Abs. 3 EStG ermittelten zumutbaren Belastung überschreiten. Denn § 33 Abs. 3 EStG differenziert bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung nicht zwischen Krankheitskosten und anderen Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sind; der Wortlaut ist insoweit eindeutig.
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Soweit die einkommensteuerrechtliche Literatur zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Ansatzes einer zumutbaren Belastung Stellung nimmt, geht eine Auffassung davon aus, dass ein solcher Ansatz verfassungsrechtlich hinnehmbar sei (Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 134; Kanzler in Herrmann/Heuer/ Raupach, § 33 EStG Rz 216; Stöcker in Lademann, EStG, § 33 Rz 257; C.P. Steger, Die außergewöhnliche Belastung im Steuerrecht, Baden-Baden 2008, S. 190 ff.) oder dass dies jedenfalls dann gelte, solange ein verfügbares Einkommen über dem Existenzminimum verbleibe (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 14. Aufl., § 33 Rz 48; Fuhrmann in Korn, § 33 EStG Rz 57). Soweit die zumutbare Belastung als verfassungswidrig beurteilt wird, wird dies insbesondere damit begründet, dass die zumutbare Belastung dem Prinzip der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit widerspreche (J. Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 618 f.; Tipke, Steuerrechtsordnung, 2. Aufl., Bd. II, S. 830 f.; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 8 Rz 720; L. Karrenbrock/Petrak, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2011, 552; H. Haupt, DStR 2010, 960; Arndt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33 Rz A 6, B 44) oder dass die Berechnung der zumutbaren Belastung zu im Ergebnis verfassungswidrigen Progressionssprüngen führen könne (Kosfeld, Finanz-Rundschau --FR-- 2009, 366, FR 2012, 969, FR 2013, 359).
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3. Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass der Ansatz der zumutbaren Belastung bei Krankheitskosten, auch soweit es um den Abzug von Zuzahlungen geht, von Verfassungs wegen hinzunehmen ist. Die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums richtet sich grundsätzlich nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau. Auch Sozialhilfeempfänger haben jedoch Zuzahlungen zu leisten. Daher ist eine Differenzierung zwischen Krankheitskosten und anderen als außergewöhnliche Belastungen abziehbaren Aufwendungen beim Ansatz der zumutbaren Belastung verfassungsrechtlich nicht geboten.
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a) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung, ob eine einkommensteuerrechtliche Regelung Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus dem Bereich der privaten Lebensführung hinreichend berücksichtigt, das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums, das aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) abzuleiten ist. Danach hat der Staat das Einkommen des Bürgers insoweit steuerfrei zu stellen, als dieser es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins für sich und seine Familie benötigt. Dem Grundgedanken der Subsidiarität, wonach Eigenversorgung Vorrang vor staatlicher Fürsorge hat, entspricht es, dass sich die Bemessung des einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Existenzminimums nach dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau richtet. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 125; vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653; jeweils m.w.N.).
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b) Zu diesem einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimum gehören grundsätzlich auch die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Kranken- und Pflegeversorgung. Denn das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sogenannte sächliche Existenzminimum für Nahrung, Kleidung, Hygiene, Hausrat, Wohnung und Heizung.
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aa) Der erkennende Senat geht dabei entgegen der Auffassung des beigetretenen BMF davon aus, dass Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung dem Grunde nach nicht nur die Beiträge zur Krankenversicherung, sondern auch den eigentlichen Sachaufwand für eine Krankenversorgung umfassen. Denn auch das BVerfG sieht es als unerheblich an, ob die Kranken- und Pflegeversorgung indirekt über eine Versicherung oder direkt über Versorgungsleistungen sichergestellt werde. Solange der Empfänger entsprechender Sozialleistungen aus den allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werde, sei der entsprechende Aufwand im Einkommensteuerrecht steuerfrei zu stellen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 120, 125, Rz 115).
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bb) Allerdings ist für die Bemessung des existenznotwendigen Aufwands hinsichtlich der Aufwendungen für eine Kranken- und Pflegeversorgung der Höhe nach auf das sozialhilferechtlich gewährleistete Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende Vergleichsebene abzustellen (so BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 125; vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 <171>).
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c) Die hier im Einzelnen streitigen Aufwendungen sind nicht Teil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus. Dies gilt --was zwischen den Beteiligten insoweit auch unstreitig ist-- für die von Ärzten durchgeführte Zahnreinigung, für die übrigen Arztrechnungen und für den Zweibettzimmerzuschlag in den Kliniken. Dies gilt aber auch für die von den Klägern darüber hinaus erbrachten Zahlungen, auf die sie in ihrem Hilfsantrag Bezug nehmen und wofür sie die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ohne Anrechnung der zumutbaren Belastung begehren. Denn auch Sozialhilfeempfänger müssen seit 2004 Zuzahlungen leisten.
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aa) Nach § 31 Abs. 3 SGB V haben Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 SGB V ergebenden Betrag zu leisten, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels ("Arzneimittelzuzahlung"; Beck in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 31 SGB V). Nach § 28 SGB V in der vom 1. April 2007 bis 31. Dezember 2011 geltenden und damit auch hier im Streitjahr anwendbaren Fassung hatten Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten, je Kalendervierteljahr für jede erste Inanspruchnahme eines an der ambulanten ärztlichen, zahnärztlichen oder psychotherapeutischen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringers, die nicht auf Überweisung aus demselben Kalendervierteljahr erfolgt, als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 2 SGB V ergebenden Betrag an den Leistungserbringer zu leisten ("Praxisgebühr"; Fahlbusch in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 28 SGB V Rz 82 ff.). Das sind im Fall der Arzneimittelzuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V 10 % des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 € und höchstens 10 €, allerdings jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Im Fall der Praxisgebühr waren dies 10 € je Kalendervierteljahr. Zuzahlungsverpflichtungen (insgesamt dazu: Albers in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 62 SGB V Rz 17) bestehen insbesondere auch für Heilmittel (§ 32 Abs. 2 i.V.m. § 61 Satz 3 SGB V), Hilfsmittel (§ 33 Abs. 8 i.V.m. § 61 Satz 1 SGB V) sowie zur Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 4 i.V.m. § 61 Satz 2 SGB V). Als Zuzahlungen zu stationären Maßnahmen sind nach § 61 Satz 2 SGB V jeweils je Kalendertag 10 € zu erbringen. Bei Heilmitteln und häuslicher Krankenpflege beträgt nach § 61 Satz 3 SGB V die Zuzahlung 10 % der Kosten sowie 10 € je Verordnung.
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bb) Diese Zuzahlungen nach § 61 SGB V sind bis zur Belastungsgrenze des § 62 SGB V von jedem Versicherten zu erbringen. Die Belastungsgrenze beträgt 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (§ 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V); für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, reduziert sie sich auf 1 %. Dies gilt nach § 62 Abs. 2 Sätze 5 und 6 SGB V in grundsätzlich gleicher Weise auch für Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten, sowie für Versicherte, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhalten. Bei Versicherten, die Sozialleistungen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II erhalten, sind als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft der Regelsatz des Haushaltsvorstands nach der Regelsatzverordnung und die Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgeblich (§ 62 Abs. 2 Sätze 5, 6 SGB V).
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Diese Rechtslage gilt ab Januar 2004. Der Gesetzgeber hat mit dem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I 2003, 2190) auch die zuvor durch § 62 SGB V in der bis 31. Dezember 2003 geltenden Fassung gegebene Möglichkeit der Befreiung von der Zuzahlungspflicht entfallen lassen (zur Rechtsentwicklung Albers in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 62 SGB V Rz 2). Die Zuzahlungen sollen nunmehr aus dem Regelsatz erbracht werden, um im Hinblick auf die Zuzahlungen Sozialhilfeempfänger den Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung gleichzustellen. Im Ergebnis haben damit, so auch das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 16. Dezember 2010 B 8 SO 7/09 R (Sozialrecht 4-3500 § 28 Nr. 6, BSGE 107, 169), seit dem 1. Januar 2004 Sozialhilfeempfänger wie alle gesetzlich Versicherten Zuzahlungen von bis zu 2 % ihres Bruttoeinkommens zu erbringen.
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cc) Dagegen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Krankenversicherte Bezieher von Arbeitslosengeld II haben zwar monatliche Zuzahlungen zu leisten und Leistungskürzungen des GMG hinzunehmen; das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum ist dadurch aber nicht unterschritten. Der erkennende Senat nimmt insoweit auf die Rechtsprechung des BSG Bezug, die die geänderten §§ 61, 62 SGB V für verfassungsgemäß hält (Urteil vom 22. April 2008 B 1 KR 10/07 R, BSGE 100, 221; die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG-Kammerbeschluss vom 25. März 2010 1 BvR 2220/08). Das BSG hat sich dabei zur Frage, ob das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum unterschritten sei, auf die Rechtsprechung des BVerfG gestützt. Denn danach ist es dem Gesetzgeber prinzipiell erlaubt, den Versicherten über den Beitrag hinaus zur Entlastung der Krankenkassen und zur Stärkung des Kostenbewusstseins in Form von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen zu beteiligen, soweit dies dem Einzelnen finanziell zugemutet werden kann (BVerfG-Beschluss vom 6. Dezember 2005 1 BvR 347/98, BVerfGE 115, 25, unter B.I.2.b; Spickhoff, Medizinrecht, 2. Aufl. 2014, § 31 SGB V Rz 4).
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d) Da auch Empfänger von Sozialleistungen die Zuzahlungen aus den ihnen zur Verfügung gestellten Sozialleistungen bis zur Belastungsgrenze selbst zu erbringen haben, gehören Zuzahlungen i.S. des § 61 SGB V nicht zum einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum.
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aa) Wenn nach sozialhilferechtlichen Maßstäben die Krankenversorgung nicht zuzahlungsfrei, sondern aus den für die Haushaltsführung zur Verfügung stehenden Geldmitteln zu finanzieren ist, ist es nicht zu beanstanden, dass Empfänger von Leistungen in Form der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung Zuzahlungen zu Krankheitskosten in betragsmäßig geringerem Umfang zu leisten haben als Steuerpflichtige mit einem entsprechend höheren Gesamtbetrag der Einkünfte. Denn auch diese haben bis zu 2 % --bei chronischer Erkrankung 1 %-- der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel für Zuzahlungen zu den Leistungen der Krankenversicherung zu erbringen und werden demnach mit Sozialhilfeempfängern gleich behandelt.
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Eine Zuzahlung mag zwar dann nicht mehr zumutbar sein, wenn dadurch in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen werden sollte (BSG-Urteil in BSGE 100, 221, Rz 16). Solange allerdings der tatsächliche Umfang der von den Steuerpflichtigen erbrachten Aufwendungen für die Zuzahlungen der Höhe nach nicht geeignet ist, dieses Existenzminimum zu tangieren, hält der erkennende Senat keine Einschränkung der zumutbaren Belastung von Verfassungs wegen für geboten. Im hier vorliegenden Streitfall der Kläger mit streitigen Aufwendungen in Höhe von 143 € sind angesichts des Gesamtbetrags ihrer Einkünfte keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum betroffen wäre. Angesichts dessen kann der Senat hier dahinstehen lassen, ob in den Fällen, in denen der Steuerpflichtige Zuzahlungen zu leisten hat und dadurch dessen zu versteuerndes Einkommen den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG unterschreitet, eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 EStG, eine Vorlage an das BVerfG oder eine aus Billigkeitsgründen abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 der Abgabenordnung in Betracht kommt.
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bb) Das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum wird zwar noch nicht allein dadurch in einer verfassungsrechtlich hinreichenden Art und Weise berücksichtigt, dass dem Steuerpflichtigen nach Zahlung der Steuer ein ausreichendes Einkommen zur Verfügung bleibt. Denn das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum ist für alle Steuerpflichtigen unabhängig von ihrem individuellen Grenzsteuersatz in voller Höhe von der Einkommensteuer freizustellen. Das hat das BVerfG schon in seinem Beschluss zum Familienleistungsausgleich vom 10. November 1998 2 BvL 42/93 (BStBl II 1999, 174, BVerfGE 99, 246) und ebenso im Beschluss zur von Verfassungs wegen gebotenen Berücksichtigung der Kinderbetreuungskosten vom 16. März 2005 2 BvL 7/00 (BVerfGE 112, 268) klargestellt. Dies gilt indessen nur für Aufwendungen, die tatsächlich von Verfassungs wegen auch dem einkommensteuerrechtlichen Existenzminimum zuzuordnen sind, weil die Aufwendungen dem im Sozialhilferecht niedergelegten Leistungsniveau entsprechen. Die sozialhilferechtliche Krankenversorgung ist allerdings, wie ausgeführt, weil nicht zuzahlungsfrei, gerade nicht Teil des sozialhilferechtlichen Versorgungsniveaus.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.