1.3. GmbH - Die Unterbilanzhaftung
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Bei der Entstehung der GmbH muss diese über ein Vermögen verfügen, das die Höhe des Stammkapitals hat (Unversehrtheitsgrundsatz). In der Vergangenheit wurde dies durch das Vorbelastungsverbot sicher gestellt, nach welchem die Vorgesellschaft lediglich Geschäfte tätigen durfte, die für die Gründung der GmbH notwendig waren. Der BGH hat das Vorbelastungsverbot gekippt und an seiner Stelle die Unterbilanzhaftung eingeführt, sodass nunmehr auch eine allgemeine Geschäftstätigkeit vor Gründung der GmbH möglich ist.
Die Unterbilanzhaftung ist nicht gesetzlich geregelt, es handelt sich um eine höchstrichterliche Rechtsfortbildung, die vom BGH geschaffen wurde. Sie basiert auf dem Unversehrtheitsgrundsatz und stellt eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar. Allerdings handelt es sich um eine reine Innenhaftung. Dies bedeutet, dass die Gläubiger der Gesellschaft sich nicht an die Gesellschafter selbst wenden können. Vielmehr müssen sie sich an die Gesellschaft selbst wenden, welche ihr Kapital im Wege der Innenhaftung von ihren Gesellschaftern bezieht. Die Anwendung als reine Innenhaftung, wie sie vom BGH vertreten wird, wurde teilweise stark kritisiert.
Nach der Unterbilanzhaftung haften die Gründer einer GmbH für vor ihrer Gründung entstandene Schäden persönlich. Gleiches gilt für vor der Eintragung beigetretene Gesellschafter. Grund dafür ist eine wirksame Verbindlichkeit der Vor-GmbH, denn bei Gründung der GmbH gehen Rechte und Pflichten (also auch Verbindlichkeiten) der Vor-GmbH auf die GmbH über. Vor-GmbH und GmbH sind daher identisch.
Voraussetzungen
2) Die Gründer müssen der Geschäftsaufnahme vor Gründung zugestimmt haben. Nur dann können ihnen Verbindlichkeiten auch zugerechnet werden. Anderes gilt jedoch, wenn ein bereits bestehendes Unternehmen in die Gesellschaft eingebracht wird.
Eine von der Rechtsprechung abweichenden Auffassung lehnt das Bedürfnis nach einer Zustimmung ab, da die Vertretungsmacht des Geschäftsführers nach § 37 Abs.2 GmbHG nicht nach außen beschränkt werden darf. Folgt man dem, ist der Geschäftsführer im Innenverhältnis zu den Gesellschaftern möglicherweise Regelungen unterworfen, die ihn aber nicht daran hindern, im Rechtsverkehr darüber hinaus gehende Geschäfte wirksam zu tätigen.
3) Der maßgebliche Zeitpunkt für die Entstehung der Unterbilanzhaftung ist die Eintragung in das Handelsregister. Zu diesem Zeitpunkt muss das Vermögen mindestens die Höhe des Stammkapitals haben. Was davor oder danach mit dem Vermögen geschieht, ist nicht von Belang.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 6. März 2012 (Az: II ZR 56/10) entschieden, dass auch bei einer wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH, d.h. wenn die ursprüngliche GmbH ihre Geschäftstätigkeit aufgegeben hat und nun als Mantel verkauft wird, damit der Erwerber mit ihr erneut geschäftlich tätig werden kann, eine Unterbilanzhaftung möglich ist.
Art und Umfang der Haftung
Grundsätzlich muss der gesamte Verlust unabhängig vom Entstehungsgrund ausgeglichen werden, eine Haftungsbeschränkung etwa auf die Höhe des Stammkapitals genügt nicht.
Nicht von der Haftung des Gesellschafter erfasst sind allerdings die Kosten für die Gründung selbst, diese dürfen nicht auf die Gesellschafter abgewälzt werden. Die Höhe des Anspruchs wird durch die Aufstellung einer Vermögensbilanz des gesamten Unternehmens aufgestellt.
Die Gesellschafter haften anteilig, d.h. entsprechend ihrem übernommenen Geschäftsanteil. Um das Kapital der Gesellschaft aufzubringen, dürfen insbesondere die Regelungen des § 19 GmbHG angewendet werden. Es können nach § 20 GmbHG Verzugszinsen gefordert werden und der nicht zahlende Gesellschafter nach § 21 GmbHG kaduziert, d.h. ausgeschlossen, werden, sodass neben den Rechtsvorgängern des Gesellschafters nach erfolgloser Versteigerung des Anteils auch die Mitgesellschafter persönlich haften.
Wird aus einem anderen Grund als der Zahlung eines Gesellschafters aufgrund seiner Unterbilanzhaftung die Höhe des Stammkapitals erreicht, so geht der Anspruch gegen den Gesellschafter aus Unterbilanzhaftung nicht unter. Er besteht weiterhin, sodass sich Gesellschafter trotz erfolgreicher Kapitalaufbringung nicht der Haftung entziehen können.
Verhältnis zur Verlustdeckungshaftung
Die Gesellschafter sind vor Entstehung der GmbH, also vor ihrer Eintragung, zur Deckung aller entstehenden Verluste verpflichtet. Mit der Eintragung in das Handelsregister wird die Verlustdeckungshaftung durch die Unterbilanzhaftung ersetzt. Die Anspruchsgrundlage ändert sich, die Ansprüche bleiben ihrem Inhalt nach aber bestehen.
Beide Ansprüche richten sich auf die Innenhaftung der Gesellschafter, sodass sich Gläubiger der Vor-GmbH nicht an die Gesellschafter selbst wenden können.
Verhältnis zur Deckungshaftung, § 9 Abs.1 GmbHG
Die Deckungshaftung nach § 9 Abs.1 GmbHG betrifft grundsätzlich nur einen Gesellschafter. Dieser muss eine Sacheinlage (z.B. in Form von Computern, Grundstücken, Patenten o.ä.) geleistet haben, deren Wert höher geschätzt wurde als er in Wirklichkeit ist. Der Gesellschafter hat dann seinen Anteil nicht vollständig geleistet und muss selbst für die Differenz in Geld aufkommen. In diesem Fall haften die Gesellschafter nicht anteilig, sondern immer nur der betroffene Gesellschafter selbst.
Verjährung
Die Verjährung wurde 2004 neu geregelt und beträgt nun nach § 9 Abs.2 GmbHG 10 Jahre seit der Eintragung. Auf die Verlustdeckungshaftung ist § 9 Abs.2 GmbHG entsprechend anzuwenden, sodass auch hier der Anspruch innerhalb von 10 Jahren nach Eintragung verjährt.
Rechtsanwalt Dirk Streifler
Theresa K. Klemm
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Annotations
(1) Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.
(2) Gegen dritte Personen hat eine Beschränkung der Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschaft zu vertreten, keine rechtliche Wirkung. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Arten von Geschäften erstrecken oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattfinden soll, oder daß die Zustimmung der Gesellschafter oder eines Organs der Gesellschaft für einzelne Geschäfte erfordert ist.
(1) Die Einzahlungen auf die Geschäftsanteile sind nach dem Verhältnis der Geldeinlagen zu leisten.
(2) Von der Verpflichtung zur Leistung der Einlagen können die Gesellschafter nicht befreit werden. Gegen den Anspruch der Gesellschaft ist die Aufrechnung nur zulässig mit einer Forderung aus der Überlassung von Vermögensgegenständen, deren Anrechnung auf die Einlageverpflichtung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 vereinbart worden ist. An dem Gegenstand einer Sacheinlage kann wegen Forderungen, welche sich nicht auf den Gegenstand beziehen, kein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht werden.
(3) Durch eine Kapitalherabsetzung können die Gesellschafter von der Verpflichtung zur Leistung von Einlagen höchstens in Höhe des Betrags befreit werden, um den das Stammkapital herabgesetzt worden ist.
(4) Ist eine Geldeinlage eines Gesellschafters bei wirtschaftlicher Betrachtung und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten (verdeckte Sacheinlage), so befreit dies den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung. Jedoch sind die Verträge über die Sacheinlage und die Rechtshandlungen zu ihrer Ausführung nicht unwirksam. Auf die fortbestehende Geldeinlagepflicht des Gesellschafters wird der Wert des Vermögensgegenstandes im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister oder im Zeitpunkt seiner Überlassung an die Gesellschaft, falls diese später erfolgt, angerechnet. Die Anrechnung erfolgt nicht vor Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister. Die Beweislast für die Werthaltigkeit des Vermögensgegenstandes trägt der Gesellschafter.
(5) Ist vor der Einlage eine Leistung an den Gesellschafter vereinbart worden, die wirtschaftlich einer Rückzahlung der Einlage entspricht und die nicht als verdeckte Sacheinlage im Sinne von Absatz 4 zu beurteilen ist, so befreit dies den Gesellschafter von seiner Einlageverpflichtung nur dann, wenn die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist, der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann. Eine solche Leistung oder die Vereinbarung einer solchen Leistung ist in der Anmeldung nach § 8 anzugeben.
(6) Der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an. Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet, so tritt die Verjährung nicht vor Ablauf von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt der Eröffnung ein.
Ein Gesellschafter, welcher den auf die Stammeinlage eingeforderten Betrag nicht zur rechten Zeit einzahlt, ist zur Entrichtung von Verzugszinsen von Rechts wegen verpflichtet.
(1) Im Fall verzögerter Einzahlung kann an den säumigen Gesellschafter eine erneute Aufforderung zur Zahlung binnen einer zu bestimmenden Nachfrist unter Androhung seines Ausschlusses mit dem Geschäftsanteil, auf welchen die Zahlung zu erfolgen hat, erlassen werden. Die Aufforderung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes. Die Nachfrist muß mindestens einen Monat betragen.
(2) Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der säumige Gesellschafter seines Geschäftsanteils und der geleisteten Teilzahlungen zugunsten der Gesellschaft verlustig zu erklären. Die Erklärung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes.
(3) Wegen des Ausfalls, welchen die Gesellschaft an dem rückständigen Betrag oder den später auf den Geschäftsanteil eingeforderten Beträgen der Stammeinlage erleidet, bleibt ihr der ausgeschlossene Gesellschafter verhaftet.
(1) Erreicht der Wert einer Sacheinlage im Zeitpunkt der Anmeldung der Gesellschaft zur Eintragung in das Handelsregister nicht den Nennbetrag des dafür übernommenen Geschäftsanteils, hat der Gesellschafter in Höhe des Fehlbetrags eine Einlage in Geld zu leisten. Sonstige Ansprüche bleiben unberührt.
(2) Der Anspruch der Gesellschaft nach Absatz 1 Satz 1 verjährt in zehn Jahren seit der Eintragung der Gesellschaft in das Handelsregister.