Vergabekammer Südbayern Beschluss, 18. Nov. 2014 - Z3-3-3194-1-39-09/14

18.11.2014

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1. Der Nachprüfungsantrag vom 08.09.2014 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Auslagen des Antragsgegners zu tragen.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr von … Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für den Antragsgegner wird für notwendig erklärt

Gründe

I.

Der Antragsgegner beabsichtigt, im Rahmen der Erweiterung, Umbau und Modernisierung des Gymnasiums … die Lieferung von Whiteboardanlagen und Dokumentenkameras zu beschaffen. Die Leistung soll im Wege eines Offenen Verfahrens nach den Vorgaben der VOB/A vergeben werden. Eine entsprechende Veröffentlichung erfolgte im Rahmen einer EUweiten Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften. Die Leistung wird als Gesamtauftrag vergeben. Nebenangebote wurden gem. Punkt II.1.9) der Bekanntmachung nicht zugelassen.

Als Schlusstermin für die Abgabe des Angebotes wurde der 26.08.2014, 10.15 Uhr festgelegt. Der Antragsteller gab im streitgegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahren kein Angebot ab.

Gemäß Punkt IV.2.1) der Bekanntmachung soll der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot in Bezug auf den Preis erteilt werden.

Der Antragsteller rügte nach Übermittlung der Vergabeunterlagen gegenüber dem Antragsgegner per Telefax und E-Mail vom 20.08.2014, dass die Leistungsbeschreibung gegen die Vorgaben der §§ 97 ff. GWB verstoßen. Er führte hierzu aus, dass die technischen Parameter für die ausgeschriebenen Aktive-Whiteboard-Systeme mit Beamerhalterung und Gasdruckfeder-Höhenverstellung keinen Wettbewerb zuließen. Es gebe nur einen Hersteller/Anbieter, der die geforderte Gasdruckfeder-Technik realisiere. Es müssten daher die entsprechenden Passagen im Leistungsverzeichnis geändert werden, um einen Wettbewerb herzustellen. Zudem bringe die Wahl der Gasdruckfedertechnik Nachteilte gegenüber der Gegengewichtstechnologie mit sich.

Der Antragsgegner reagierte hierauf per Mail am 22.08.2014, teilte mit, dass keine Eingrenzung auf nur einen Anbieter bekannt sei und auch die Entscheidung, eine vertikale Verschiebung mittels Gasdruckfedern zu fordern, bewusst getroffen worden sei.

Der Antragsteller hielt mit erneutem Schreiben vom 23.08.2014 seine Rüge vom 22.08.2014 aufrecht und regierte auf das Schreiben des Antragsgegners indem er eine angemessene Verschiebung der Abgabefrist des Angebotes um mindestens eine Woche und Aufklärung dahingehend forderte, welche verschiedenen Hersteller die einzig zugelassene Höhenverstellung mittels Gasdruckfedertechnologie produzieren und einsetzen. Weiter erbat er Aufklärung darüber, warum neben der Gasdruck-Feder-Technologie nicht zumindest noch die elektrische Höhenverschiebung zugelassen werde.

Der Antragsgegner teilte mit Mail vom 25.08.2014, 11.50 Uhr mit, dass es nach ausführlicher Recherche der Hochbauverwaltung mehrere Anbieter/Hersteller von Gasdruckfedertechnik zur Höhenverstellung gebe und insofern die Angebotseröffnung am 26.08.2014 um 10.15 Uhr stattfinde.

Da der Antragsgegner der Forderung des Antragstellers nicht nachkam, wandte sich dieser am 08.09.2014 an die Vergabekammer Südbayern, bat um Untersagung einer eventuellen Zuschlagserteilung sowie Überprüfung der wettbewerbs- und vergaberechtlichen Korrektheit der Ausschreibung.

Als Begründung führte er an, dass durch den Antragsgegner nur die Höhenverstellung der Tafelanlagen mittels Gasdruckfedern zugelassen und Nebenangebote ausgeschlossen worden seien. Dies stelle eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs dar, da es nur einen Hersteller gebe, der diese Technologie einsetze und es zudem keine technische Notwendigkeit für diese Einschränkung des Wettbewerbs gebe.

Mit Schreiben vom 08.09.2014 übermittelte die Vergabekammer Südbayern den Nachprüfungsantrag per Telefax und forderte sämtliche die Vergabe betreffenden Unterlagen an, die am 18.09.2014 eingingen.

Der Antragsgegner äußerte sich mit Schreiben vom 12.09.2014 im Rahmen der Aktenübermittlung zum Nachprüfungsantrag. Er sehe keine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbes auf nur einen Hersteller und wies darauf hin, dass man dies auch dem Antragsteller mitgeteilt habe. Nach eigenen Recherchen im Hause seien weitere Anbieter von Gasdruckfedermechanismen ausfindig gemacht worden, was ebenfalls dem Antragsteller mitgeteilt worden sei. Die Benennung der Namen habe man aus vergaberechtlichen Gründen abgelehnt. Der Bieter mit dem vermeintlichen Alleinstellungsmerkmal werde als Zweitbieter den Auftrag nicht bekommen.

Sowohl der ehrenamtliche als auch der hauptamtliche Beisitzer übertrugen mit Schreiben vom 29.09.2014 die Entscheidung über Beiladungen und die Gewährung von Akteneinsicht auf den Vorsitzenden der Vergabekammer Südbayern.

Mit Beschluss vom 30.09.2014 wurde die … … beigeladen. Am gleichen Tag erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 16.10.2014, 10.00 Uhr. Darüber hinaus erfolgte mit Verfügung vom 02.10.2014 eine Verlängerung der Frist zur Entscheidung der Vergabekammer bis zum 30.10.2014.

Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 10.10.2014, eingegangen am 13.10.2014, Stellung und teilte mit, dass die Beigeladene gegen die gemäß den Ausschreibungsunterlagen geforderte Höhenverstellung des Tafelsystems mittels Gasdruck-Feder-Technologie verstoße, da sie diese nicht realisieren, produzieren und montieren könne. Nach allem was bekannt sei, biete sie Systeme mit Gegengewicht- oder Federzug-Technik an. Ein weiterer Beweis seien die Auszüge der Webseite der Beigeladenen. Aus deren Produktbeschreibungen gehe hervor, dass deren Tafelsysteme die vom Antragsgegner geforderte Höhenverstellung mittels der zugelassenen Gasdruckfeder-Technologie nicht hätten. Sollte die Beigeladene dennoch behaupten, höhenverstellbare Tafelsysteme mittels Gasdruckfeder-Technologie zu liefern, so möge sie mindestens drei nachprüfbare Referenzen mit Ansprechpartner mitteilen, die vom Umfang her mit dieser Ausschreibung vergleichbar seien. Dieselben hätten vom Antragsgegner bereits geprüft werden müssen.

Da die in der Ausschreibung geforderte Technologie auch keine Vorteile habe, werde wiederholt der Antrag aus den Schreiben vom 23.08.2014 und 05.09.2014 gestellt, die Ausschreibung aufzuheben und wettbewerbsneutral neu auszuschreiben. Darüber hinaus werde der Antrag gestellt, dass die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Antragstellers vom Antragsgegner übernommen werden.

Der Antragsgegner wurde infolgedessen durch die Vergabekammer Südbayern mit Schreiben vom 13.10.2014 aufgefordert, in der mündlichen Verhandlung Nachweise vorzulegen, dass es mehrere Hersteller von Whiteboards mit einer manuellen, stufenlosen Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder gebe.

Der Antragsgegner teilte am 15.10.2014 lediglich mit, nunmehr anwaltlich vertreten zu sein und beantragte,

  • 1.den Nachprüfungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen,

  • 2.dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen und

  • 3.festzustellen, dass die Hinzuziehung der Bevollmächtigten des Antragsgegners notwendig war.

Darüber hinaus erfolgte der Hinweis, dass die Anträge in der mündlichen Verhandlung und gegebenenfalls innerhalb einer noch nachzulassenden Schriftsatzfrist begründen werden.

Die mündliche Verhandlung fand am 16.10.2014 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Der Antragsgegner führte hierin aus, sich über die verschiedenen Tafelsysteme, die auf dem Markt seien, vor der Ausschreibung ausführlich informiert zu haben und sich nach Abwägung der Vor- und Nachteile aus den in der Verhandlung genannten Gründen für die im Leistungsverzeichnis geforderte manuelle stufenlose Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder entschieden zu haben. Das Planungsbüro Bertram führte aus, dass auch keine verdeckte Produktvorgabe vorliege. Der Antragsgegner legte im Rahmen der Verhandlung ein Schreiben vom 15.10.2014 vor, mit dem er belegen möchte, dass es verschiedene Hersteller/Bieter gebe, die Whiteboards mit den im Leistungsverzeichnis geforderten Eigenschaften liefern können. Dieses Schreiben wurde in der mündlichen Verhandlung an alle Beteiligten verteilt und diesbezüglich Schriftsatzfrist bis zum 23.10.2014 gewährt. Der Antragsgegner wurde darüber hinaus aufgefordert, ebenfalls bis zum 23.10.2014 schriftlich mitzuteilen, aus welchen Gründen sich dieser für das im Leistungsverzeichnis aufgeführte Tafelsystem entschieden habe. Unabhängig davon wurde die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer Südbayern bis zum 13.11.2014 verlängert.

Durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wurde am 23.10.2014 die Meinung vertreten, dass der Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung zurückgewiesen werden müsse, da dieser unbegründet sei. Die Festlegung des Leistungsverzeichnisses auf eine manuelle, stufenlose Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder sei weder willkürlich gewählt worden, noch der Bieterkreis auf einen einzigen Anbieter eingeschränkt. Die Entscheidung für eine manuelle stufenlose Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder beruhe auf sachlichen Gründen, die für das gewählte System sprechen. Mit der Erstellung des Leistungsverzeichnisses sei das Planungsbüro …, …, … beauftragt worden.

Nach Klärung des Beschaffungsbedarfs in Zusammenarbeit mit dem Gymnasium … im Jahr 2012 seien im Jahr 2013 und 2014 die technischen Möglichkeiten unterschiedlicher Systeme anhand von Mustersystemen verschiedener Hersteller erkundet worden. Insbesondere seien dabei die technischen Eigenschaften des … mit Gegengewicht der Fa. …, des … mit … der Firma … …, des … mit elektrischer Mechanik der Fa. … sowie fest installierte … der Fa. … … begutachtet worden. Die Begutachtung der Systeme habe hierbei unterschiedliche Stärken und Schwächen ergeben, die mit ihren Vor- und Nachteilen jeweils ausführlich zusammengefasst worden seien. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz wird an dieser Stelle verwiesen.

Die Gründe für die Entscheidung, ein Gasdruckfedersystem zu beschaffen, finde sich im Kern in der veröffentlichten Leistungsbeschreibung wieder. Dort heiße es:

„… Gasdruckfeder (…), die einen gleichmäßigen Kraftaufwand beim Verschieben der Tafel sicherstellen“. Dies schließe ein System mit Gegengewicht aus, bei dem ein deutlich erhöhter Kraftaufwand beim Anlauf festzustellen ist (vgl. oben 2) b) ii)).“

„Gewichtsausgleich mittels Gasdruckfedern für eine schnelle und komfortable Vertikalverschiebung des interaktiven Whiteboards inklusive Beamer.“

Dies begründe den Ausschluss eines elektrischen Systems. Dessen Geschwindigkeit sei festgelegt und die Bedienung müsse über einen Schalter erfolgen, dessen Betätigung den Fluss der Lehrtätigkeit am Whiteboard unterbreche. Die Betonung, dass das Whiteboard inklusive Beamer gehoben und gesenkt werden solle, weise darauf hin, dass der Schwung, den ein System mit Gegengewichten entfalten könne und die damit verbundene erhöhte mechanische Einwirkung auf den mitbewegten Projektor Grund für den Ausschluss eines Systems mit Gegengewichten sei.

Vor dem offenkundigen Hintergrund, dass die Systeme in einer Schule eingesetzt werden sollten, erscheine die Einschränkung auf ein System mittels Gasdruckfeder nicht nur willkürfrei, sondern sogar dringend geboten. Nur dieses System biete zwei wesentliche Vorteile gleichzeitig. Es erlaube Lehrern eine schnelle Höhenverstellung ohne die Lehrtätigkeit zu unterbrechen, um einen Schalter zu betätigen und es verhindere, dass Kinder und Jugendliche Ihre wachsenden Körperkräfte unter Beweis stellen können, indem sie Tafel und Gegengewichte mit viel Schwung beschleunigen und damit insbesondere den Beamer beschädigen.

Die Festlegung auf Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder schränke den Bieterkreis auch nicht auf einen einzigen Anbieter ein. Bereits der Umstand, dass mehrere Bieter Angebote abgegeben haben, widerlege diese Behauptung.

Es werde bestritten, dass die schräge Verbauung doppelter Gasdruckfeder hinreichende Originalität besitze, um in dieser Allgemeinheit, wie behauptet, patentiert zu sein. Jeder Maschinenbaubetrieb, Maschinenschlosser, Fenster- und ProfilhersteIIer könne das System mit einfachen Mitteln aus der Beschreibung des Leistungsverzeichnisses nachbauen. Selbst wenn einzelne spezifische Systeme patentiert sein sollten, wären daneben andere Systeme möglich, die ebenfalls mittels schräg verbauter doppelter Gasdruckfeder funktionieren. So äußerte sich auch die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung. Als weiteres Beispiel eines Herstellers werde die Firma … …, … mit einem Auszug aus dessen Produktangebot benannt, aus dem erkennbar sei, dass diese das ausgeschriebene System herstelle.

Der Antrag auf Aufhebung der Ausschreibung sei nach alldem unbegründet.

Der Antragsteller äußerte sich am 27.10.2014 nach einer gewährten Schriftsatzfristverlängerung mit der Ansicht, dass es sich um die vermutete verdeckte Produktvorgabe handle, wobei man mittlerweile sogar so weit gehen würde, dass die hier vom Antragsgegner gewählte Technik sogar eine offene und gar keine verdeckte Produktvorgabe sei, und damit alle andern Bieter und Hersteller diskriminiere. Obwohl der Antragsgegner bereits erstmals am 20.08.2014 auf die Nachteile der ausgeschrieben Gasdruckfedern-Technologie hingewiesen worden sei, habe dieser erst am 16.10.2014 zu Beginn der mündlichen Verhandlung eine Liste von 8 Firmen beibringen können, die angeblich die geforderte Gasdruckfedertechnologie herstellen. Dabei stellte sich schon beim ersten Überfliegen der Unterlagen für alle sichtbar heraus, das die benannte Position 5 und 8 der Aufstellung eben die vom Antragsgegner und dessen Planer geforderte Gasdruckfedertechnologie ohne Gegengewichte nicht realisiere, sondern sogar davon abrate.

Die Position 4 habe zum einen bereits vor ca. 2 Jahren die Produktion und den Vertrieb von interaktiven Tafeln eingestellt. Auch handle es sich hierbei lediglich um einen Händler und keinen Hersteller. Zudem werde bestrittenen, dass diese Firma die geforderte Gasdruckfederntechnologie produziere.

Aufgrund einer Anfrage bei der Firma der Position 6 habe sich herausgestellt, dass diese gar nicht Hersteller von Höhenverstellungen sei, sondern diese von einer Firma aus … zukaufe. Eine diesbezügliche Anfrage ergab, dass auch diese die geforderte … mittels … nicht mehr herstelle.

Auch seien die Aussagen der Firma der Position 6 und 7 sehr interessant, die ausdrückten, dass die geforderte Höhenverstellung mittels Gasdruckfedertechnologie eben nicht zuverlässig und ordentlich funktioniere.

Abschließend könne man eindeutig feststellen und dies lasse sich auch nicht anders objektiv erkennen, dass der Antragsgegner und dessen „Fachplaner“ nur einen einzigen Hersteller kennen und kannten, der die geforderte Höhenverstellung mittels Gasdruckfedertechnologie herstellt und vertreibt - das sei die Firma … und dies sei somit sehr wohl eine verdeckte Produktvorgabe. Das die Beigeladene noch niemals die geforderte Höhenverstellung mittels schräg verbauter doppelter Gasdruckfedertechnologie produziert, verbaut und ausgeliefert habe, wurde in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt.

Das PIanungsbüro müsse sich doch fragen lassen, warum es ein Produkt mit angeblichen Vorteilen auswählt und vorschreibt, für das aus technischen Gründen - außer der Firma … - alle Hersteller die Produktion eingestellt haben und welche außer der Firma … niemand fertige. Eine transparente und korrekte Produktauswahl habe jedenfalls nicht stattgefunden. Einen technischen bzw. fachlichen Grund für die Gasdruckfedertechnologie gebe es nicht. Die hier vom Antragsgegner und dem Fachplaner vorgelegte Ausschreibung stelle eine unzulässige verdeckte Produktvorgabe und Einschränkung des Wettbewerbs dar, die fachlich unbegründet, unzulässig und diskriminierend gegenüber allen anderen Herstellern von HöhenverstelIungen für interaktive Tafelsysteme darstelle, für die es keinerlei Gründe gebe, die technisch oder funktionell begründet seien (sonst hätte diese Technik ja auch 95% Marktanteil und nicht nur 5% und es würde mehrere Hersteller geben).

Die Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers unterliege jedoch vergaberechtlichen Grenzen. So schreibe der auch im Streitfall anzuwendende § 8 EG Abs. 7 VOL/A vor, dass der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen dürfe, wenn dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei oder bestimmte Unternehmen oder Produkte dadurch ausgeschlossen oder begünstigt werden. Dies sei vorliegend unstreitig der Fall.

Mit Verfügung vom 10.11.2014 wurde eine Verlängerung der Frist zur Entscheidung bis zum 28.11.2014 verfügt.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Im Einzelnen wird auf die Inhalte der Schriftsätze sowie die weiteren vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Der vorliegende Vergabenachprüfungsantrag vom 08.09.2014 erweist sich als zulässig, aber unbegründet.

1.) Zuständigkeit und Schwellenwert

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus § 104 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zur Regelung von Organisation und Zuständigkeiten im Nachprüfungsverfahren für öffentliche Aufträge (BayNpV). Die örtliche Zuständigkeit ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BayNpV gegeben, da die Vergabestelle ihren Sitz im Regierungsbezirk Niederbayern hat.

Der 4. Teil des GWB ist anwendbar, da es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt. Vorliegend beabsichtigt die Vergabestelle einen Bauauftrag im Zusammenhang mit dem Umbau bzw. der Erweiterung und Modernisierung eines Schulgebäudes gem. § 99 Abs. 1, 3 GWB zu vergeben. Der Antragsgegner ist auch als öffentlicher Auftraggeber einzustufen, der gemäß § 98 Nr. 1 GWB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VgV die Bestimmungen des 2. Abschnitts des Teils A der Verdingungsordnung für Leistungen (VOB/A) anzuwenden hat. Nach § 1 EG Abs. 2 der VOB/A ist für den strittigen Auftrag auch der 2. Abschnitt der VOB/A uneingeschränkt anwendbar. Zudem ist der 4. Teil des GWB anwendbar, da der ausgeschriebene Auftrag den mit VERORDNUNG (EU) Nr. 1336/2013 der Kommission vom 13. Dezember 2013 zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG, 2004/18/EG und 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates veröffentlichten Schwellenwert weit übersteigt. Der Schwellenwert des § 2 Nr. 3 VgV wird mit der ausgeschriebenen Gesamtbaumaßnahme und einem Volumen von über xx Mio. Euro erreicht. Vorliegend handelt es sich gem. § 2 Nr. 6 VgV um ein Los der Gesamtbaumaßnahme.

Eine Ausnahmebestimmung des § 100 Abs. 2 GWB liegt nicht vor.

2.1) Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

Der Antrag des Antragstellers, die streitgegenständliche Ausschreibung aufzuheben und wettbewerbsneutral neu auszuschreiben ist zulässig.

Der Antragsteller ist diesbezüglich antragsbefugt. Auch erfüllt der Nachprüfungsantrag die Formerfordernisse. Die Frist des § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB war vorliegend nicht einzuhalten. Auch hat der Antragsteller den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß rechtzeitig gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gegenüber dem Antragsgegner fristgerecht gerügt.

2.1.1.) Antragsbefugnis

Soweit der Antragsteller beantragt hat, die Ausschreibung des Antragsgegners aufzuheben und diesen anzuweisen, bei einer erneuten Ausschreibung wertneutral auszuschreiben, ist dieser nach § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt.

Gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Der Antragsteller hat vorliegend im strittigen Vergabenachprüfungsverfahren zwar kein Angebot abgegeben, im Nachprüfungsantrag vom 08.09.2014 aber dargelegt, ein Interesse am strittigen Auftrag zu haben und durch die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses an der Abgabe eines Angebotes gehindert worden zu sein.

Nach gängiger Rechtsprechung ist das Interesse am Auftrag weit auszulegen und ist nicht nur bei Unternehmen gegeben, die sich mit einem Angebot am Vergabeverfahren beteiligt haben, sondern umfasst auch die Fälle, in denen der Antragsteller kein Angebot abgegeben hat und das Unternehmen vorträgt, gerade durch den Vergabefehler an der Angebotsabgabe gehindert worden zu sein. Die Vergabekammer Baden-Württemberg führt hierzu in ihrer Entscheidung vom 03.06.2011, 1 VK 25/11 aus, dass „ein Interesse am Auftrag vorliegt, wenn der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrages am Vergabeverfahren teilgenommen und einen Vergabeverstoß ordnungsgemäß gerügt hat. Ein Nichtbieter hat sein Interesse am Auftrag auch dann hinreichend bekundet, wenn er berechtigt geltend machen kann, an der Abgabe eines aussichtsreichen Angebots gehindert worden zu sein.“ Dies ist vorliegend der Fall.

Das Interesse am Auftrag hat der Antragsteller durch seinen Nachprüfungsantrag vom 08.09.2014 und die vorangegangenen Rügen vom 20.08.2014 und 23.08.2014 nachgewiesen. Der Antragsteller trägt diesbezüglich vor, dass die Leistungsbeschreibung gegen die Vorgaben der §§ 97 ff. GWB verstößt. Er führte hierzu aus, dass die technischen Parameter für die ausgeschriebenen … Systeme mit … und … keinen Wettbewerb zuließen. Es gebe nur einen Hersteller/Anbieter, der die geforderte … realisiere. Sollte sich der diesbezügliche Vorwurf als begründet erweisen, hätte sich der vorgetragene Vergaberechtsverstoß auch zu Lasten des Antragstellers ausgewirkt, da er durch die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses keine Möglichkeit hatte, den Auftrag zu erhalten, wodurch er auch durch den Verstoß kausal in seinen Rechten verletzt wäre. Die Vorgaben des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB sind demzufolge erfüllt. Der Antragsteller ist antragsbefugt.

2.1.2) Formerfordernis

Gemäß § 108 Abs. 1 i. V. m. § 108 Abs. 2 GWB ist der Nachprüfungsantrag schriftlich bei der Vergabekammer einzureichen und unverzüglich zu begründen. § 108 Abs. 2 GWB führt hierzu aus, dass die Begründung die Bezeichnung des Antragsgegners, eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten sowie darlegen muss, dass die Rüge gegenüber dem Auftraggeber erfolgt ist; sie soll, soweit bekannt, darüber hinaus die sonstigen Beteiligten benennen. Der Nachprüfungsantrag vom 08.09.2014 wird den Anforderungen des § 108 Abs. 2 GWB an das Formerfordernis gerecht.

2.1.3) Zulässigkeit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB

Die Frist des § 107 Abs. 3 Nr. 4 GWB ist vorliegend nicht zu beachten, da auf diese in der Bekanntmachung nicht verwiesen wurde.

2.1.4) Rügeerfordernis

Der Nachprüfungsantrag ist hinsichtlich der Rügeverpflichtungen des § 107 Abs. 3 GWB als zulässig einzustufen. Vorliegend hat der Antragssteller gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB fristgerecht vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt, dass das Leistungsverzeichnis mit seinen Vorgaben nur einem Bieter die Möglichkeit gebe, ein Angebot abzugeben und es darüber hinaus keinen sachlichen Grund für die Wahl gerade dieser technischen Lösung gebe.

3.) Begründetheit

Der Nachprüfungsantrag erweist sich als unbegründet. Die wettbewerbsbeschränkende Wahl der Technologie für die Höhenverstellung ist durch das Leistungsbestimmungsrecht der Vergabestelle gerechtfertigt. Zudem liegt nach Auffassung der Vergabekammer auch keine vergaberechtswidrige verdeckt produktspezifische Ausschreibung vor.

Der Antragsteller bemängelt im Rahmen des Vergabenachprüfungsverfahrens, dass der Antragsgegner gegen die Vorgaben des § 7 EG Abs. 8 VOB/A verstoßen habe. Er führte hierzu an, dass hinsichtlich der Forderungen des Leistungsverzeichnisses bzgl. der Höhenverstellung der ausgeschriebenen Aktive-Whiteboard-Systeme mit Beamerhalterung nach einer Gasdruckfeder auf den Seiten 10, 11 und 13 des Leistungsverzeichnisses der Wettbewerb auf nur einen Bewerber beschränkt sei und insofern ein Verstoß gegen § 7 EG Abs. 8 VOB/A vorliege. Außerdem vertritt er die Meinung, dass es für die Forderung des Auftraggebers nach einer Gasdruckhöhenverstellung keine sachlichen Gründe gäbe und diese darüber hinaus gegenüber der Gegengewichtstechnologie Nachteile biete.

Der Antragsgegner stellt sich dem gegenüber und entgegnet, dass weder der Wettbewerb in unzulässiger Weise eingeschränkt worden sei, da es entgegen der Behauptung des Antragstellers mehrere Bieter für die geforderte Technische Lösung zur Höhenverstellung der Tafelanlagen gebe und darüber hinaus auch sachliche Gründe für die Wahl der Gasdruckhöhenverstellung vorlägen.

Nach der ständigen Rechtsprechung insbesondere des OLG Düsseldorf in jüngerer Zeit, ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein - letztlich in der Privatautonomie wurzelndes - Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.03.2010 - Az.: VII-Verg 46/09; B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09). Im Beschluss vom 12.02.2014 - VII-Verg 29/13 führt das OLG Düsseldorf aus, dass „die Entscheidung von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird, unter anderem von technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen oder solchen der (sozialen, ökologischen oder ökonomischen) Nachhaltigkeit. Die Wahl unterliegt der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist.“

Im hier strittigen Vergabenachprüfungsverfahren haben damit grundsätzlich weder die Bewerber um den ausgeschriebenen Auftrag, noch die Vergabekammer Südbayern das Recht, festzulegen, ob der Auftraggeber im Zusammenhang mit der Höhenverstellung der zu beschaffenden Tafelanlagen eine Gasdrucktechnologie oder Gegengewichtstechnologie fordert. Hintergrund dafür ist, dass das Vergaberecht nicht regelt, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 - Verg 10/08; Beschluss vom 9.9.2010 - Verg 10/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 - VII-Verg 42/09; Beschluss vom 3.3.2010 - VII-Verg 46/09; Beschluss vom 27.6.2012 - VII-Verg 7/12).

Allerdings ist die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes nicht schrankenlos (OLG Düsseldorf, B. v. 22.05.2013 - Az.: VII-Verg 16/12; B. v. 01.08.2012 - Az.: VII-Verg 105/11; B. v. 25.04.2012 - Az.: VII-Verg 7/12; OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 - Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 - Az.: 2 Verg 4/12; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 - Az.: VK 2 - 33/14; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 19.10.2012 - Az.: 2 VK LSA 17/12). Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand sind im Interesse der von der Richtlinie 2004/18/EG angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.2012 - C-368/10) durch das Vergaberecht Grenzen gesetzt.

Sie wird begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; B. v. 21.07.2010 - Az.: 15 Verg 6/10; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 - Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 - Az.: 2 Verg 4/12). Darüber hinaus sind die Vorgaben des § 8 Abs. 7 VOL/A-EG bzw. § 7 Abs. 8 EG VOB/A zu beachten, der vorschreibt, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt werden.

Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29-13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn

- die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,

- vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,

- solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind

- und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Bewegt sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (OLG Düsseldorf, B. v. 12.02.2014 - Az.: VII-Verg 29/13; B. v. 22.05.2013 - Az.: VII-Verg 16/12; OLG Karlsruhe, B. v. 04.12.2013 - Az.: 15 Verg 9/13; B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; VK Baden-Württemberg, B. v. 24.06.2013 - Az.: 1 VK 15/13; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 - Az.: VK 2 - 33/14).

An den vom OLG Düsseldorf aufgestellten Grundsätzen ist auch die streitgegenständliche Vergabe zu messen.

In der Vergabedokumentation fehlt allerdings jeder Hinweis darauf, warum die Wahl der Vergabestelle auf eine Höhenverstellung mittels Gasdruckfeder gefallen ist. Der Antragsgegner legte erst im Rahmen des streitgegenständlichen Vergabenachprüfungsverfahrens in seinem nachgelassenen Schriftsatz vom 23.10.2014 ausführlich und nachvollziehbar dar, dass die Entscheidung für ein System mit einer manuellen stufenlosen Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder nach Abwägung aller Vor- und Nachteile bewusst getroffen wurde. Die Vergabestelle hat diesbezüglich im Vorfeld zur Erstellung des Leistungsverzeichnisses mehrere verschiedene Systeme auf ihre technischen Eigenschaften hin begutachtet. Diese Begutachtung ergab für jedes System unterschiedliche Stärken und Schwächen, die in der mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 23.10.2014 ausführlich dargestellt wurden. Hinweise auf sachfremde Erwägungen sind aus Sicht der erkennenden Kammer weder aus dem Schreiben vom 23.10.2014 noch aus den Ausführungen während der Mündlichen Verhandlung erkennbar. Vielmehr hat der Auftraggeber auch für das ausgeschriebene System - genau wie bei allen anderen - Nachteile festgestellt und nach Abschluss der Begutachtung alle Systeme mit ihren individuellen Vor- und Nachteile gegenüber gestellt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers erscheinen die Gründe, die den Auftraggeber für die Wahl der Gasdruckfeder bewogen haben auch sachgerecht. Der Antragsgegner argumentiert hier, dass das gewählte System den Lehrern eine schnelle, komfortable und erschütterungsfreie vertikale Höhenverstellung der Tafel einschließlich Beamer erlaubt, ohne die Lehrtätigkeit unterbrechen zu müssen um einen Schalter zu betätigen. Darüber hinaus sieht der Auftraggeber durch die Gasdruckfeder gewährleistet, dass es nicht zu Beschädigung insbesondere des Beamers kommt, wenn Kinder und Jugendliche die Tafel und Gegengewichte mit zu viel Schwung beschleunigen.

Im Zusammenhang mit der zunächst fehlenden Dokumentation bleibt festzustellen, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass eine unterbliebene Aufklärung noch während des Nachprüfungsverfahrens nachgeholt wird. Nach der Rechtsprechung des BGH (B. v. 08.02.2011 - Az. X ZB 4/10) kann der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. Die Vergabekammer Südbayern schließt sich deshalb vor diesem Hintergrund der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf an, dass - in Anlehnung an § 114 Satz 2 VwGO - unter Umständen die für eine bestimmte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen bzw. deren Dokumentation auch noch im Verlaufe der Nachprüfungsverfahrens bis zur letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt werden können (OLG Düsseldorf B. v. 08.09.2011 - Az.: VII-Verg 48/11, OLG Düsseldorf B. v. 23.03.2011 - Az.: VII-Verg 63/10, siehe auch Vergabekammer Südbayern B. v. 08.10.2013 - Az.: Z3-3-3194-1-26-08/13).

Es erscheint nicht sachgerecht, eine inhaltlich vertretbare Entscheidung nur deshalb aufzuheben, weil es insoweit an einer nachvollziehbaren Dokumentation fehlt, wenn die Vergabestelle nach einer etwaigen Rückversetzung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens dieselbe Entscheidung auf der Basis einer ausreichenden Dokumentation erneut treffen könnte.

Die Dokumentation ist kein Selbstzweck. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben (OLG München B. v. 02.11.2012 - Verg 26/12; B. v. 13.6.2006 - Verg 6/06)

Auch die Ausführungen des Antragstellers im Schreiben vom 27.10.2014, in denen dieser die Meinung vertritt, dass die vom Antragsgegner gewählte Gasdrucktechnologie zu störanfällig sei und wohl deshalb von mehreren Herstellern nicht mehr produziert werde, genügt nicht, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die getroffene Wahl des Auftraggebers als nicht sachgerecht zu bewerten wäre. Marktanteile sind hierfür nicht ausschlaggebend. Es mag sein, dass die Gegengewichtsvariante von der überwiegende Zahl der Schulträger bevorzugt wird und möglicherweise auch die bessere Wahl wäre, entscheidend ist aber, dass sich der Auftraggeber mit den Vor- und Nachteilen aller Systeme auseinandergesetzt hat und anschließend seine Wahl getroffen hat, die er - wie vorliegend der Fall - auch mit sachlichen Gründen untermauern kann.

Auch liegt vorliegend - anders als der Antragsteller meint - keine unzulässige, gegen § 7 Abs. 8 Satz 1 EG VOB/A verstoßende, verdeckte Produktvorgabe vor, durch die der Wettbewerb in unzulässiger Weise eingeschränkt wird.

Eine verdeckte Produktvorgabe wäre nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern wegen des zusätzlichen Verstoßes gegen den Transparenzgrundsatz sogar dann vergaberechtswidrig, wenn ausnahmsweise die Vorgabe eines bestimmten Produkts aus dem Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gerechtfertigt werden könnte.

Durch die Forderung einer manuellen stufenlosen Höhenverstellung mittels schräg verbauter, doppelter Gasdruckfeder hat die Vergabestelle nicht verdeckt das System der Firma … ausgeschrieben. Auch wenn es nach der mündlichen Verhandlung und den nachgelassenen Schriftsätzen zwischen den Parteien strittig blieb, wie viele Anbieter auf dem Markt tatsächlich ein solches System herstellen und anbieten, gibt es im strittigen Vergabeverfahren zumindest zwei Bieter, die die geforderte Gasdrucktechnologie angeboten haben. Unstreitig ist festzustellen, dass sowohl die Firma … als auch die Beigeladene dieses System angeboten haben, weshalb auch eine unzulässige verdeckte Einengung des Wettbewerbs auf nur einen Bieter ausscheidet, so dass kein Verstoß gegen § 7 Abs. 8 Satz 1 EG VOB/A vorliegt.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers besteht deshalb kein Grund, das streitgegenständliche Vergabeverfahren aufzuheben. Der Antragsteller hätte mit seinem Begehren auf Neuausschreibung der Whiteboardanlagen und Dokumentenkameras nur dann durchdringen können, wenn der Antragsgegner bei der Wahl des Technischen Systems zur Höhenverstellung der ausgeschriebenen Tafelanlagen sachfremde Erwägungen hätte einfließen lassen, was nach Auffassung der erkennenden Kammer nicht der Fall war. Auch liegt keine unzulässige Einengung des Wettbewerbs vor, da es mehr als einen Bieter gab, der die geforderten Tafelanlagen angeboten hat.

4.) Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist.

Das ist vorliegend der Antragsteller.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 128 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 25.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und im Einzelfall auf 50.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Dies ist in der Regel die Auftragssumme die sich aus dem Angebot des Antragstellers bestimmt, weil dieser Betrag das Interesse des Antragstellers an dem Auftrag widerspiegelt. Da der Antragsteller vorliegend kein Angebot abgegeben hat, wird aus allen eingegangenen Angeboten der Durchschnittswert als Basis zur Berechnung der Gebühr herangezogen. Die Gebühr beträgt vorliegend … Euro.

Vom Antragsteller wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500,00 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft mit der festgesetzten Gebühr verrechnet.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten des Antragsgegners wird als notwendig angesehen. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner beruht auf § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von ihm nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist der Antragsgegner hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen.

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Referenzen - Gesetze

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 18. Nov. 2014 - Z3-3-3194-1-39-09/14 zitiert 13 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 128 Auftragsausführung


(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelunge

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 100 Sektorenauftraggeber


(1) Sektorenauftraggeber sind 1. öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,2. natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn a) d

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 2 Vergabe von Bauaufträgen


Für die Vergabe von Bauaufträgen sind Abschnitt 1 und Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 anzuwenden. Im Übrigen ist Teil A Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 104 Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge


(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst: 1. die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Baut

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 108 Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn 1. der öf

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 3 Mittelstandskartelle


Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Vora

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 6 Vermeidung von Interessenkonflikten


(1) Organmitglieder oder Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers oder eines im Namen des öffentlichen Auftraggebers handelnden Beschaffungsdienstleisters, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, dürfen in einem Vergabeverfahren nicht mitwirken.

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 18. Nov. 2014 - Z3-3-3194-1-39-09/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juli 2011 - X ZB 4/10

bei uns veröffentlicht am 19.07.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 4/10 vom 19. Juli 2011 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr II GKG § 50 Abs. 2; GWB § 101b Abs. 1 Nr. 2, § 107 Abs. 2; VgV § 3 a) Wi

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 21. Juni 2013 - 2 Verg 8/12

bei uns veröffentlicht am 21.06.2013

Tenor Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen. Gründe A.

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 20. Sept. 2012 - 2 Verg 4/12

bei uns veröffentlicht am 20.09.2012

Tenor Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner

Referenzen

(1) Verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge sind öffentliche Aufträge, deren Auftragsgegenstand mindestens eine der folgenden Leistungen umfasst:

1.
die Lieferung von Militärausrüstung, einschließlich dazugehöriger Teile, Bauteile oder Bausätze,
2.
die Lieferung von Ausrüstung, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben wird, einschließlich der dazugehörigen Teile, Bauteile oder Bausätze,
3.
Liefer-, Bau- und Dienstleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der in den Nummern 1 und 2 genannten Ausrüstung in allen Phasen des Lebenszyklus der Ausrüstung oder
4.
Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke oder Bau- und Dienstleistungen, die im Rahmen eines Verschlusssachenauftrags vergeben werden.

(2) Militärausrüstung ist jede Ausrüstung, die eigens zu militärischen Zwecken konzipiert oder für militärische Zwecke angepasst wird und zum Einsatz als Waffe, Munition oder Kriegsmaterial bestimmt ist.

(3) Ein Verschlusssachenauftrag im Sinne dieser Vorschrift ist ein Auftrag im speziellen Bereich der nicht-militärischen Sicherheit, der ähnliche Merkmale aufweist und ebenso schutzbedürftig ist wie ein Auftrag über die Lieferung von Militärausrüstung im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 oder wie Bau- und Dienstleistungen speziell für militärische Zwecke im Sinne des Absatzes 1 Nummer 4, und

1.
bei dessen Erfüllung oder Erbringung Verschlusssachen nach § 4 des Gesetzes über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes oder nach den entsprechenden Bestimmungen der Länder verwendet werden oder
2.
der Verschlusssachen im Sinne der Nummer 1 erfordert oder beinhaltet.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1, wenn

1.
dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt wird und
2.
die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

(1) Organmitglieder oder Mitarbeiter des öffentlichen Auftraggebers oder eines im Namen des öffentlichen Auftraggebers handelnden Beschaffungsdienstleisters, bei denen ein Interessenkonflikt besteht, dürfen in einem Vergabeverfahren nicht mitwirken.

(2) Ein Interessenkonflikt besteht für Personen, die an der Durchführung des Vergabeverfahrens beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang eines Vergabeverfahrens nehmen können und die ein direktes oder indirektes finanzielles, wirtschaftliches oder persönliches Interesse haben, das ihre Unparteilichkeit und Unabhängigkeit im Rahmen des Vergabeverfahrens beeinträchtigen könnte.

(3) Es wird vermutet, dass ein Interessenkonflikt besteht, wenn die in Absatz 1 genannten Personen

1.
Bewerber oder Bieter sind,
2.
einen Bewerber oder Bieter beraten oder sonst unterstützen oder als gesetzliche Vertreter oder nur in dem Vergabeverfahren vertreten,
3.
beschäftigt oder tätig sind
a)
bei einem Bewerber oder Bieter gegen Entgelt oder bei ihm als Mitglied des Vorstandes, Aufsichtsrates oder gleichartigen Organs oder
b)
für ein in das Vergabeverfahren eingeschaltetes Unternehmen, wenn dieses Unternehmen zugleich geschäftliche Beziehungen zum öffentlichen Auftraggeber und zum Bewerber oder Bieter hat.

(4) Die Vermutung des Absatzes 3 gilt auch für Personen, deren Angehörige die Voraussetzungen nach Absatz 3 Nummer 1 bis 3 erfüllen. Angehörige sind der Verlobte, der Ehegatte, Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten und Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten und Lebenspartner, Geschwister der Eltern sowie Pflegeeltern und Pflegekinder.

Für die Vergabe von Bauaufträgen sind Abschnitt 1 und Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 anzuwenden. Im Übrigen ist Teil A Abschnitt 2 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Januar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2) anzuwenden.

(1) Sektorenauftraggeber sind

1.
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben,
2.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts, die eine Sektorentätigkeit gemäß § 102 ausüben, wenn
a)
diese Tätigkeit auf der Grundlage von besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgeübt wird, die von einer zuständigen Behörde gewährt wurden, oder
b)
öffentliche Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 auf diese Personen einzeln oder gemeinsam einen beherrschenden Einfluss ausüben können.

(2) Besondere oder ausschließliche Rechte im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a sind Rechte, die dazu führen, dass die Ausübung dieser Tätigkeit einem oder mehreren Unternehmen vorbehalten wird und dass die Möglichkeit anderer Unternehmen, diese Tätigkeit auszuüben, erheblich beeinträchtigt wird. Keine besonderen oder ausschließlichen Rechte in diesem Sinne sind Rechte, die aufgrund eines Verfahrens nach den Vorschriften dieses Teils oder aufgrund eines sonstigen Verfahrens gewährt wurden, das angemessen bekannt gemacht wurde und auf objektiven Kriterien beruht.

(3) Die Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinne von Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe b wird vermutet, wenn ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3

1.
unmittelbar oder mittelbar die Mehrheit des gezeichneten Kapitals des Unternehmens besitzt,
2.
über die Mehrheit der mit den Anteilen am Unternehmen verbundenen Stimmrechte verfügt oder
3.
mehr als die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Unternehmens bestellen kann.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn

1.
der öffentliche Auftraggeber über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt,
2.
mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von dem öffentlichen Auftraggeber oder von einer anderen juristischen Person, die von diesem kontrolliert wird, betraut wurde, und
3.
an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die durch gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

(2) Die Ausübung einer Kontrolle im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 wird vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausübt. Die Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die von dem öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird.

(3) Absatz 1 gilt auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die von einer kontrollierten juristischen Person, die zugleich öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 ist, an den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder an eine von diesem öffentlichen Auftraggeber kontrollierte andere juristische Person vergeben werden. Voraussetzung ist, dass keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll. Absatz 1 Nummer 3 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(4) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, bei denen der öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zwar keine Kontrolle im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 ausübt, aber

1.
der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen,
2.
mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern oder von einer anderen juristischen Person, die von diesen Auftraggebern kontrolliert wird, betraut wurde, und
3.
an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht; Absatz 1 Nummer 3 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

(5) Eine gemeinsame Kontrolle im Sinne von Absatz 4 Nummer 1 besteht, wenn

1.
sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen; ein einzelner Vertreter kann mehrere oder alle teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber vertreten,
2.
die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausüben können und
3.
die juristische Person keine Interessen verfolgt, die den Interessen der öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen.

(6) Dieser Teil ist ferner nicht anzuwenden auf Verträge, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 geschlossen werden, wenn

1.
der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden,
2.
die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nummer 1 ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und
3.
die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst sind.

(7) Zur Bestimmung des prozentualen Anteils nach Absatz 1 Nummer 2, Absatz 4 Nummer 2 und Absatz 6 Nummer 3 wird der durchschnittliche Gesamtumsatz der letzten drei Jahre vor Vergabe des öffentlichen Auftrags oder ein anderer geeigneter tätigkeitsgestützter Wert herangezogen. Ein geeigneter tätigkeitsgestützter Wert sind zum Beispiel die Kosten, die der juristischen Person oder dem öffentlichen Auftraggeber in dieser Zeit in Bezug auf Liefer-, Bau- und Dienstleistungen entstanden sind. Liegen für die letzten drei Jahre keine Angaben über den Umsatz oder einen geeigneten alternativen tätigkeitsgestützten Wert wie zum Beispiel Kosten vor oder sind sie nicht aussagekräftig, genügt es, wenn der tätigkeitsgestützte Wert insbesondere durch Prognosen über die Geschäftsentwicklung glaubhaft gemacht wird.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten entsprechend für Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 Absatz 1 Nummer 1 hinsichtlich der Vergabe von öffentlichen Aufträgen sowie für Konzessionsgeber im Sinne des § 101 Absatz 1 Nummer 1 und 2 hinsichtlich der Vergabe von Konzessionen.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner leitete am 17.07.2012 ein Offenes Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für Leistungserbringer i.S. von § 11 RettDG LSA 2006, jeweils verbunden mit der gleichzeitigen Vergabe von Einzelaufträgen für Rettungsdienstleistungen, auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2009 - durch Absendung einer EU-weiten Vergabebekanntmachung ein. Der Auftrag wurde in neun Regionallose aufgeteilt.

2

Die Antragstellerin zu 1), ein gewerblich tätiges Unternehmen im Bereich des Krankentransports und eine Gesellschaft des ...- Konzerns (künftig: die Antragstellerin), forderte die Vergabeunterlagen an und beabsichtigte nach eigenen Angaben, ein Angebot für alle Lose abzugeben. Sie rügte vor Angebotsabgabe die Bewerbungs- und Ausschreibungsbedingungen unter verschiedenen Aspekten als vergaberechtswidrig und hat, nachdem der Antragsgegner ihren Rügen nicht abgeholfen hatte, eine vergaberechtliche Nachprüfung mit dem Ziel beantragt, dass dem Antragsgegner die Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen untersagt werden möge. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag, der im Verlaufe des Verfahrens erweitert worden ist, nach mündlicher Verhandlung vom 04.10.2012 durch ihren Beschluss vom 19.10.2012 als teilweise unzulässig, überwiegend unbegründet zurückgewiesen.

3

Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der erkennende Senat nach mündlicher Verhandlung vom 15.02.2013 mit seinem Beschluss vom 14.03.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Die Ausfertigung dieser Entscheidung ist der Antragstellerin am 20.03.2013 zugestellt worden.

4

Mit Schriftsatz vom 22.03.2013, der beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax am selben Tage eingegangen ist, hat die Antragstellerin eine Anhörungsrüge erhoben.

5

Die Antragstellerin beanstandet, dass der Senat auf seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren (Az.: 1 VK LSA 5/11 Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Gz.: 2 Verg 10/11 Oberlandesgericht Naumburg) zurückgegriffen hat (BA S. 19), weil der Senat zuvor nicht auf die Absicht der Verwertung dieser Erkenntnisse hingewiesen habe. Hilfsweise hat sie die Einsicht in die vollständigen Akten des vorgenannten Verfahrens beantragt. Die Antragstellerin meint, dass nicht ersichtlich sei, worauf der Senat seine Feststellungen gestützt habe, dass der Antragsgegner bei der Festlegung der Standorte der Rettungswachen ein Verfahren zur Messung von Hilfsfristen habe vermeiden wollen (BA S. 19 f.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege auch vor, soweit der Senat Einschätzungen zum Markt für Rettungsdienstleistungen vorgenommen habe. Die Bewertungen der Marktentwicklung seien unvollständig. Insbesondere sei der Senat fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Antragstellerin „neu“ im Markt auftrete. Bezogen auf den Binnenmarkt im EU-Raum sei die getroffene Marktanalyse insgesamt unzutreffend. Auch in Deutschland entwickle sich inzwischen ein Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes. Der Senat habe diese Feststellungen im Übrigen nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen dürfen.

6

Im Übrigen meint die Antragstellerin, dass die Entscheidungsgründe in sich widersprüchlich seien, soweit in ihnen teilweise auf den Inhalt des Vergabevermerks abgestellt werde – so auf Ziffer 6 (zur Losaufteilung), Ziffer 10.3 (zur Festlegung der Standorte der Rettungswachen) und Ziffer 11 (Zuschlagskriterien), obwohl der Vergabevermerk insgesamt zu Recht als rechtlich unerheblich bewertet worden sei (BA S. 29). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer sei – entgegen der Auffassung des Senats – nicht notwendig gewesen. Soweit der Senat von einer Dringlichkeit des Abschlusses des Beschaffungsvorganges ausgegangen sei, sei dies unter Berücksichtigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner nicht nachvollziehbar.

7

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen durch Schriftsatz vom 27.03.2013 ergänzt.

8

Der Antragsgegner beantragt, die Anhörungsrüge der Antragstellerin zurückzuweisen. Er verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft sein Vorbringen im Nachprüfungsverfahren.

B.

9

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

10

Der Senat hat mit seiner Entscheidung vom 14.03.2013 das rechtliche Gehör der Antragstellerin nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Eine Fortführung des Beschwerdeverfahrens ist aufgrund der Rüge der Antragstellerin nicht geboten.

11

I. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 71a Abs. 1 GWB statthaft, weil gegen die Entscheidung des Senats ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist und die Antragstellerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. Die Rüge ist fristgerecht (§ 71a Abs. 2 S. 1 GWB) und in der vorgeschriebenen Form (§ 71a Abs. 2 S. 4 und 5 GWB) eingelegt worden.

12

II. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist unbegründet.

13

1. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör zu allen entscheidungserheblichen Aspekten der Rechtssache ist objektiv nicht gegeben.

14

a) Der Senat hat seine Entscheidung, dass die Beibehaltung der ursprünglichen Standorte der Rettungswachen innerhalb der – gegenüber vorherigen Festlegungen auch unverändert gebliebenen – Rettungswachenbezirke sachlich gerechtfertigt sei, auf offensichtliche, d.h. für jedermann erkennbare tatsächliche Umstände gestützt, die Gegenstand der wechselseitigen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten gewesen sind. Dies betraf insbesondere den Rettungsdienstbereichsplan vom 01.07.2009, der Gegenstand der Vergabeunterlagen gewesen ist. Bereits das Erstellungsdatum zeigt, dass der der aktuellen Ausschreibung für eine Leistungserbringung ab 01.01.2013 zugrunde liegende Zuschnitt der Bezirke der Rettungswachen zuvor bereits seit mehreren Jahren bestanden hatte. Die Standorte der Rettungswachen befanden sich ausweislich dieses Planes bereits vor der Ausschreibung in den jeweiligen Umkreisen, die nunmehr in der aktuellen Ausschreibung auch als Standortbereiche der neuen Rettungswachen vorgegeben worden sind. Beide Beteiligte, d.h. auch die Antragstellerin, sind im Beschwerdeverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in seinen Vergabeunterlagen die bisherigen Standortverhältnisse fortgeschrieben und lediglich durch die Eröffnung eines „Standortumkreises“ – aus Sicht der Antragstellerin unzureichend – erweiterte Zugangsmöglichkeiten für neue Bewerber geschaffen hatte. Der Senat hat schließlich im Rahmen der umfangreichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung (ca. 50 Minuten Einführungsvortrag des Vorsitzenden, ca. 80 Minuten Stellungnahmen der beiden Beteiligten und Rechtsgespräch) alle entscheidungserheblichen Aspekte angesprochen, darunter auch den Aspekt der sachlichen Rechtfertigung der Festlegung der Standortbereiche, und seine vorläufige Bewertung und deren tatsächliche Grundlagen dargestellt. Eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin, sich zu dieser Streitfrage angemessen zu äußern, ist unter diesen Umständen auszuschließen.

15

Soweit der Senat in den Gründen der gerügten Entscheidung ergänzend seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren erwähnt hat, ist dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen, wie sich auch aus den Formulierungen des Beschlusses selbst ergibt. Im Übrigen ist der Senat davon ausgegangen, dass der Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren bekannt gewesen ist. Ob diese Annahme zutreffend gewesen ist, kann hier offen bleiben. Die Vergabekammer hatte auf das Verfahren 2 VK LSA 5/11 Bezug genommen, weil es ein letztlich gescheitertes Verfahren zur Vergabe der hier streitgegenständlichen Aufträge zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin selbst hat sich auf die Entscheidung des Senats im Nachprüfungsverfahren 2 Verg 10/11 bezogen und u.a. ausgeführt, dass diese Entscheidung Auslöser für die Änderung des Landesrettungsdienstgesetzes durch den Landtag im Jahre 2012 gewesen sei. Der Senatsvorsitzende hat in seiner Ladungsverfügung vom 22.11.2012 ebenfalls auf das vorangegangene Nachprüfungsverfahren hingewiesen.

16

b) Der Senat hat seine Feststellung, dass die Beibehaltung der Rettungswachenbezirke und der Standortbereiche der einzelnen Rettungswachen u.a. auch dem Zweck dienen sollte, den Aufwand der Ausschreibung gering zu halten und aufwendige Prüfverfahren zu vermeiden, dem nachvollziehbaren und von der Antragstellerin nicht erheblich bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners entnommen. Schon in der ersten Rügeantwort des Antragsgegners vom 31.07.2012 an die Antragstellerin (dort auf S. 4) heißt es, dass der Antragsgegner darauf bedacht gewesen sei, die Einhaltung der gesetzlichen Notfristen zu gewährleisten und dass ihm dies „auf gesicherter Tatsachenkenntnis … nur möglich (sei), wenn auch die zukünftigen Rettungswachen in diesem Umfeld gelegen … (seien). … Er (der Antragsgegner) würde weder seinem Sicherstellungsauftrag gerecht werden noch ließe sich so ein effektives Auswahlverfahren durchführen, da der Auftraggeber bei freier Standortwahl durch die Bieter bei jedem Standort prüfen müsste, ob das Versorgungsziel und die Sicherstellung des Rettungsdienst(es) mit dem angebotenen Standort gewährleistet werden … (könne)“. Dieses Vorbringen hat der Antragsgegner im Verlaufe des Verfahrens vor der Vergabekammer und insbesondere auch in seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und vertieft. Auf den pauschalen Vorwurf der Antragstellerin, dass der Rettungsdienstbereichsplan 2009 ggf. nicht geeignet gewesen sei, die Hilfsfristen zu wahren, hat der Antragsgegner auf die in den Jahren 2009 bis 2012 gesammelten Erfahrungen verwiesen. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung – und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich angekommen wäre – die in Betracht kommenden Prüfungsverfahren, die der Antragsgegner gemeint hat, beispielhaft benannt. Die Antragstellerin hat jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt, zu dem Teilaspekt der Vermeidung aufwendiger Prüfungsverfahren Stellung zu nehmen.

17

c) Gleiches trifft auf die Einschätzung der Marktsituation durch den Senat und insbesondere auf die Feststellung zu, dass es derzeit in Sachsen-Anhalt keinen eigenständigen Anbietermarkt für (isoliert ausgeschriebene) Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gibt. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht, dass es einen spezifischen Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gebe und dass daher die isolierte Vergabe dieser Teilleistungen geboten gewesen sei. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie sich für ein solches Fachlos interessiert habe. Die Antragstellerin hat sich vielmehr im Wesentlichen gegen die Zusammenlegung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zu jeweils einem Regionallos gewandt und auf die Vielzahl der privaten Interessenten im (isolierten) Bereich des qualifizierten Krankentransportes verwiesen. Die Ausführungen des Senats in den Gründen der Entscheidung vom 14.03.2013 folgen spiegelbildlich dieser Gewichtung im Beschwerdevorbringen der Antragstellerin. Im Rahmen der mündlichen Erörterung der Rechtssache hat der Senat jedoch seine Markteinschätzung insgesamt offen gelegt, ohne dass die Antragstellerin dieser Darstellung, die im Wesentlichen mit den Ausführungen im Beschluss übereingestimmt hat, widersprochen hätte. Danach hat ein weiterer Sachaufklärungsbedarf für die Frage, ob Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes als gesondertes Fachlos auszuschreiben gewesen wären, nicht bestanden. Denn auch im Beschwerdeverfahren gilt, dass das Beschwerdegericht sich bei seinen Untersuchungen grundsätzlich auf das beschränken kann, was die Verfahrensbeteiligten vorbringen. Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörungsrüge auf neuere Marktentwicklungen und insbesondere auf eine Ausschreibung in der Grenzregion in Aachen verweist, wäre dieses Vorbringen im Übrigen nicht geeignet gewesen, hieraus auf die Vergaberechtswidrigkeit der vom Antragsgegner im Juli 2012 vorgenommenen Beurteilung zu schließen.

18

Hinsichtlich der Zusammenfassung der beiden anderen Leistungsbereiche hat der Senat zugunsten der Antragstellerin (trotz seiner Bedenken) als wahr unterstellt, dass eine Fachlosaufteilung in Betracht gekommen wäre, hat sodann aber festgestellt, dass hier fachliche und wirtschaftliche Gründe die Zusammenfassung erforderten. Für die Frage der Rechtfertigung der Gesamtlosvergabe aller Rettungsdienstleistungen im Rahmen eines Gebietsloses hat der Aspekt der Bewertung der Marktverhältnisse keine Bedeutung erlangt.

19

2. Soweit die Antragstellerin auf vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Senats verweist, folgt ihr der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rügeverfahren nicht.

20

a) Die Feststellung des Senats, dass der Vergabevermerk unter dem 20.07.2012 nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A entspricht, mit der entsprechende Erkenntnisse der Vergabekammer lediglich bestätigt worden sind, steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat in anderen Zusammenhängen von einer jeweils ausreichenden Dokumentation bestimmter Einzelmaßnahmen ausgegangen ist. Bestandteile der Dokumentation des Vergabeverfahrens sind auch die Vergabeunterlagen oder der Schriftverkehr zwischen Vergabestelle und Bewerbern. Eine Dokumentation in Form eines Vermerks ist nur in wenigen Einzelfällen vorgeschrieben. Die Formunwirksamkeit des finalen Vergabevermerks hebt die Formwirksamkeit der vorangegangenen Dokumentation nicht auf. Für die vorliegende Entscheidung im Rügeverfahren ist jedoch maßgeblich, dass die Antragstellerin insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht beanstandet hat; die Antragstellerin hatte vielmehr Gelegenheit, zu dieser Auffassung des Senats Stellung zu nehmen, weil der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich – jedoch unter Kennzeichnung als vorläufige Ansicht – eingegangen ist und weil der Senat damit lediglich aufgegriffen hat, was bereits die Vergabekammer ausgeführt hatte.

21

b) Mit ihrem weiteren Vorbringen in der Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen inhaltliche Aspekte der Senatsentscheidung, ohne eine Gehörsverletzung geltend zu machen. Es ist nicht Sinn des Rügeverfahrens, eine andere Überprüfung als der Kontrolle der Gewährung rechtlichen Gehörs zu eröffnen.

22

3. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rügeführerin daran fest, dass die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für erforderlich ansehen durfte. Daran vermag auch der Verweis auf die spätere Aussetzung des Vergabeverfahrens nichts zu ändern, die ggf. bereits auf anwaltliches Anraten erfolgte.

23

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB sowie auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung eines Kostenwerts war entbehrlich, weil die Gerichtsgebühren als Pauschalgebühr ausgestaltet sind und für die Verfahrensbevollmächtigten weitere Gebühren nicht entstanden sind.


Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner für den Fall des Fortbestehens der Vergabeabsicht aufgegeben wird, ein Vergabeverfahren nach § 3a VOB/A unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

Die Beigeladene hat die Hälfte der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; der Antragsgegner ist von der Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Gerichtskosten befreit. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.285.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner beabsichtigte die Errichtung des Neubaus eines Verwaltungsgebäudes für ein Finanzamt in der Innenstadt von H.  . Er schrieb den vorgenannten Bauauftrag EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Vergabeordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2009 - zur Vergabe aus. Der Auftrag umfasste die Planung und die Errichtung des Gebäudes nebst integrierter Kantine mit Speisesaal mit einer Hauptnutzungsfläche von ca. 8.000 qm sowie von 250 Parkplätzen und die Finanzierung der Gesamtkosten des Vorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs über einen Zeitraum von 25 Jahren. Das Bauvorhaben sollte auf einem bzw. auf mehreren im Eigentum des Auftragnehmers stehenden Grundstücken realisiert werden, wobei nach Zahlung der letzten von 300 gleichbleibenden monatlichen Raten das Eigentum auf den Auftraggeber übergehen sollte. Hinsichtlich der Parkplätze war vom Antragsgegner freigestellt worden, dass nur „die geforderte Anzahl der nach DIN geforderten Behindertenparkplätze und 10 Parkplätze für Anlieferungen“ direkt am oder im Gebäude zu schaffen sei und die anderen Parkplätze auch „in einer fußläufigen Entfernung von max. 500 m“ liegen dürften. Alternativ zur Übereignung der Parkplätze könne auch ein dauerhaftes, dinglich gesichertes Nutzungsrecht angeboten werden. Optional sei die Wartung, Inspektion und Instandsetzung der Baulichkeit nach DIN 31051 während der 25-jährigen Finanzierungsphase anzubieten. Alternativangebote seien zugelassen, jedoch sei der Umbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden nicht zulässig. Der Bruttoauftragswert wurde vom Antragsgegner auf ca. 25,7 Mio. Euro geschätzt.

2

Hinsichtlich des vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstücks enthielt die Vergabebekanntmachung folgende Vorgaben:

3

„Das Grundstück muss für die Umsetzung des Raumbedarfsplanes einschließlich erforderlicher Parkplätze geeignet sein. Von der Vergabestelle wird davon ausgegangen, dass hierzu ungefähr eine Mindestgröße von 3.000 qm bei Lückenbebauung, ansonsten von 4.300 qm benötigt wird.

4

Das Grundstück muss im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt - A-Zentrum - „ der Stadt H. liegen - der Plan, der die Fördergebietsgrenzen ausweist, wird von der unter A.1. benannten Stelle als Formblatt F zu den Unterlagen des Teilnahmeantrages auf Anforderung versandt -.“

5

Als Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.2.2) der Vergabebekanntmachung) waren u.a. aufgeführt:

6

„… 1. Nachweis des Eigentums an einem bebauungsfähigen Grundstück im „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) … Nachweisführung durch Grundbuchauszug.

7

Alternativ: Nachweis der rechtlich sicheren Möglichkeit zum sofortigen Eigentumserwerb eines derartigen Grundstücks nach Zuschlagserteilung, gesichert durch Bindung des derzeitigen Eigentümers bis mindestens 6 Monate nach beabsichtigter Zuschlagserteilung; Nachweisführung durch notarielles Kaufangebot des derzeitigen Eigentümers oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Eigentumserwerbs ergibt; Grundbuchauszug.

8

2. Nachweis, dass die Übertragung des Eigentums an Grund und Boden auf … frei von Rechten Dritter, die die Nutzung bzw. Verwertung des Grundstücks nicht nur unerheblich beeinträchtigen können, erfolgen kann; Nachweisführung bei im Grundbuch eingetragenen Belastungen durch Erklärung des Rechteinhabers, zu sonstigen Rechten durch Eigenerklärung des Bieters,

9

3. Nachweis der gesicherten verkehrstechnischen Erschließung des Grundstücks durch Lageplan des Grundstücks, bei Hinterliegergrundstücken ist dingliche Sicherung des Zugangs zum öffentlichen Verkehrsraum nachzuweisen,

10

4. Bei derzeit bebauten Grundstücken: Nachweis, dass nach Zuschlagerteilung unmittelbar mit dem Abbruch begonnen werden kann.

11

Bei vorhandenen Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist hierzu eine Abbruchgenehmigung oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Abbruchs des Denkmals ergibt und eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen beizufügen.

12

Bei sonstigen Gebäuden ist eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen, hinreichend.“

13

Die Vergabebekanntmachung wurde auf elektronischem Wege über das Internetportal des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union, dort über das Portal für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge (SIMAP), erstellt und am 26.01.2012 übermittelt. Die Veröffentlichung erfolgte am 31.01.2012. Die Unterlagen des Teilnahmeantrags mussten bei dem als Vergabestelle fungierenden Eigenbetrieb des Antragsgegners bzw. bei einer externen Beraterin des Antragsgegners angefordert werden und wurden sodann in schriftlicher Form versandt. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 08.03.2012, 12:00 Uhr bestimmt.

14

Die Antragstellerin forderte am 08.02.2012 per eMail die Übersendung der Bewerbungsunterlagen an. Die Bewerbungsunterlagen enthielten das Formblatt F, dem die Begrenzung des Fördergebietes Innenstadt (A-Zentrum) zu entnehmen war. Sie wiederholten in der „Musteraufstellung für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen zum Teilnahmeantrag“ unter Registerblattnummer 2 die vorzitierten Teilnahmebedingungen. Insgesamt ließen sich 24 Unternehmen und Einrichtungen die Bewerbungsunterlagen übersenden.

15

Mit Schreiben vom 01.03.2012 erhob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine Verfahrensrüge. Sie bekundete großes Interesse an einer Teilnahme am Vergabeverfahren und führte weiter aus:

16

„Nach Prüfung der Unterlagen sichert das Verfahren keinen ordentlichen Wettbewerb. Dies aus folgenden Gründen:

17

Das vom Bewerber mit zu liefernde Grundstück muss sich nach den Ausschreibungsbedingungen im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. befinden. In diesem Gebiet gibt es keine „freien“ Grundstücke, die für Wettbewerber ein Angebot zulassen.

18

Das sich im genannten Gebiet befindende Grundstück „S. “ steht im Eigentum der Firma P. in H. . Es ist für Wettbewerber nicht im Zugriff.

19

Ein weiteres Grundstück befindet sich im Eigentum der W.  , die auf dem Grundstück eigene Planungen verwirklichen will.

20

Das letzte mögliche Grundstück innerhalb des eingeschränkten Bereiches ist das „B.“ . Hierbei handelt es sich um 13 Einzelflächen, die teilweise im Eigentum von Erbengemeinschaften stehen. Hier ist innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist praktisch keinerlei Grundstückssicherung möglich.

21

Damit ist ein Wettbewerb nicht mehr gegeben und nicht mehr möglich.“

22

Sodann schlug die Antragstellerin vor:

23

„Durch eine minimale Erweiterung des möglichen Gebietes, insbesondere in östliche und/oder südliche Richtung stünden auch Wettbewerbern potenzielle Grundstücke zur Verfügung.

24

Wir beantragen deshalb eine Gebietsvergrößerung, damit tatsächlich ein Wettbewerb stattfinden kann, den das öffentliche Ausschreibungsverfahren ausdrücklich vorsieht.“

25

Das Schreiben endet mit der Bitte um kurzfristige Antwort bis spätestens 06.03.2012, um eine Teilnahme am Wettbewerb noch zu ermöglichen, und mit dem Satz:

26

„Bei einem ablehnenden Bescheid behalten wir uns vor, das Verfahren einer formellen Nachprüfung zu unterstellen.“

27

Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 06.03.2012 (Fax von 14:11 Uhr) zurück. In diesem Schreiben führte der Antragsgegner aus, dass für die Standortbestimmung im unmittelbaren Zentrum der Stadt H. die Ermöglichung einer größtmöglichen Bürgernähe und Erreichbarkeit und die Förderung der Entwicklung der Stadt als Oberzentrum in Sachsen-Anhalt maßgeblich gewesen seien. Die Bestimmung der Grenzen des Gebietes sei nach streng objektiven Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung dieser Ziele erfolgt. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass das Fördergebiet bereits mit Beschluss des Stadtrates der Stadt H. vom 24.11.2010 festgelegt worden sei. Mit der Ansiedlung des Finanzamtes als wichtige öffentliche Einrichtung werde ein Beitrag zur funktionalen Stärkung der Innenstadt von H. geleistet. Vorab durch den Antragsgegner durchgeführte Untersuchungen ließen auch nicht den Schluss zu, dass es innerhalb dieses Gebietes keine oder lediglich ein Grundstück gebe, welches zu Bebauungszwecken zur Verfügung stehe. Der Antragsgegner schloss mit dem Hinweis, dass die Rüge darüber hinaus auch aus näher benannten rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne.

28

Die Antragstellerin gab keine Bewerbung ab. Bei der Öffnung der Teilnahmeanträge lag lediglich der Teilnahmeantrag eines in H. ansässigen Hochbauunternehmens vor, welches Eigentümerin des zur ausgeschriebenen Bebauung geeigneten Grundstücks „S. “ in der Innenstadt der Stadt H. ist, die jetzige Beigeladene.

29

Mit Schriftsatz vom 13.03.2012 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegner verpflichtet werden möge, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht unter Berücksichtigung eines erweiterten Fördergebietes und angemessener Fristen neu auszuschreiben. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren keinen ordnungsgemäßen Wettbewerb sichere. Das für die ausschreibungsgemäße Errichtung zulässige Baugebiet sei zu klein und die Frist zur Abgabe eines Angebots (meint: Teilnahmeantrags) sei zu kurz bemessen. Die Anforderung der Ausschreibung, wonach ein Bewerber innerhalb von sechs Wochen ein geeignetes Grundstück sichern und diese Sicherung belegen müsse, sei praktisch nicht umsetzbar, soweit der Bewerber nicht bereits Eigentümer eines entsprechenden Grundstücks innerhalb des zugelassenen Baugebiets sei.

30

Die Vergabekammer hat die einzige Bewerberin mit Beschluss vom 03.04.2012 zum Nachprüfungsverfahren beigeladenen und ihr mit Beschluss vom 12.04.2012 Akteneinsicht gewährt. Der Antragsgegner hat mit den eingereichten Vergabeakten lediglich einen undatierten, jedenfalls nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigten Vergabevermerk vorgelegt, aus dem sich zur Standortbegrenzung Folgendes findet:

31

(S. 3:) „Gegenständlich soll der Neubau auf einem vom Bieter zu beschaffenden Grundstück im Bereich der Innenstadt der Stadt H., definiert durch das mit Beschluss des Stadtrats der Stadt H. festgelegte Gebiet A-Zentrum Altstadt (aktive Stadt- und Ortsteilzentren) in der Stadt H. realisiert werden. Hierdurch soll die Integration des Finanzamts im Bereich der Stadt H. und die Förderung der Erhaltung und die Entwicklung dieser Bereiche eine größtmögliche Bürgernähe, die Anliegen der Stadt H. ist und auch im Landesinteresse liegt, erreicht werden.“

32

(S. 5 f.:) „Als Mindestbedingung wurde festgelegt, dass ein Nachweis über ein bebauungsfähiges Grundstück im geplanten Gebiet nachzuweisen ist. Die strikte Vorgabe einer Mindestgrundstücksfläche wurde abgelehnt, vielmehr sollen nur Zielvorstellungen aufgenommen werden. Um den Teilnehmerkreis nicht einzuengen, soll zudem der Nachweis auch dadurch geführt werden können, dass ein Grundstückserwerb nach Zuschlagserteilung gesichert ist.

33

Weitere Mindestbedingungen soll der Nachweis der Lastenfreiheit und der gesicherten Erschließung des Grundstücks sein. Bei Grundstücken, welche derzeit noch bebaut sind, wurde festgelegt, dass der Nachweis zu erbringen ist, dass nach Zuschlagserteilung sofort mit dem Abbruch begonnen werden kann. Ausgiebig erörtert wurde das Thema Denkmalschutz. Im Ergebnis der Diskussion bestand Übereinstimmung, dass bei denkmalgeschützten Objekten zur Vermeidung von Bauzeitverzögerungen bereits im Teilnahmewettbewerb gefordert werden muss, dass nachgewiesen wird, dass das Denkmal abgebrochen werden kann. Hintergrund hierfür sind die außerordentlich langen Antragszeiten für eine Abbruchgenehmigung für ein Denkmal. Liegt eine solche noch nicht vor, kann dies sonst dazu führen, dass bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens unklar ist, ob der Bieter tatsächlich leistungsfähig ist und damit Bewerber zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden, denen die Umsetzung der Baumaßnahme im vorgegebenen Zeitrahmen ggf. nicht möglich ist. …“

34

Zur Bemessung der Bewerbungsfrist heißt es:

35

(S. 7:) „Es wurde eingeschätzt, dass ein Zeitraum von 6 Wochen zur Erarbeitung der Unterlagen des Teilnahmewettbewerbs notwendig aber auch hinreichend für die Bewerber ist. …“.

36

Der Vergabevermerk enthält auch eine Stellungnahme zur Rüge der Antragstellerin. Auch auf direkte Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 23.03.2012 nach einer zeitnahen Dokumentation des Entscheidungsprozesses bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs hat der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen übersandt und darauf verwiesen, dass alle weiteren Akten lediglich Unterlagen der Ausschreibung und der vertraglichen Abwicklung des Beratervertrages enthielten.

37

Der Vorsitzende der Vergabekammer hat die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 2 GWB am 04.04.2012 bis zum 30.04.2012 verlängert. Mit ihrem Beschluss vom 27.04.2012 hat die Vergabekammer nach mündlicher Verhandlung dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und dem Antragsgegner aufgegeben, das Vergabeverfahren aufzuheben. Für den Fall des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht habe er das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab Versendung der Vergabebekanntmachung zu wiederholen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegner die Festlegung des Bereichs, in dem der Standort des Neubaus des Finanzamts liegen solle, in seinem Vergabevermerk nicht hinreichend begründet habe. Insbesondere sei dem Vergabevermerk nicht zu entnehmen, ob der Antragsgegner bei dieser Festlegung berücksichtigt habe, ob die mit der Beschränkung des Bereichs verbundenen Wettbewerbseinschränkungen ein Ausmaß erreichten, bei dem ein Wettbewerb nicht mehr zustande kommen könne. Der Antragsgegner sei in entsprechender Anwendung des § 6a Abs. 4 VOB/A verpflichtet gewesen, bereits bei Vorbereitung des Vergabeverfahrens zweifelsfrei und belastbar zu dokumentieren, dass zumindest drei Objekte für potentielle Wettbewerber zur Verfügung stünden, die seinen Vorgaben entsprächen. Zudem sei die Bewerbungsfrist hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zu knapp bemessen gewesen. Die Bewerber hätten bei einer Vielzahl von Objekten zu recherchieren, ob diese für eine Leistungserbringung in Frage kämen.

38

Gegen diese ihnen jeweils am 30.04.2012 zugestellte Entscheidung richten sich die mit Schriftsatz vom 10.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners und die mit Schriftsatz vom 11.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

39

Beide Beteiligte sind der Meinung, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsbedarfs nur der eingeschränkten Nachprüfung unterliege. Die nach der Rechtsprechung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf und - diesem folgend - verschiedener Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen erforderlichen sach- und auftragsbezogenen Gründe für die Beschränkung des Standorts auf die Innenstadt der Stadt H. nach deren Festlegungen zum Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) lägen auch nach der Bewertung der Vergabekammer vor. Ein Auftraggeber könne und müsse nicht darüber hinaus auch Sorge dafür tragen, dass mindestens drei geeignete Bewerber existierten. Melde sich nur ein Bewerber, sei das Vergabeverfahren mit diesem Bewerber durchzuführen.

40

Hilfsweise verweisen sie darauf, dass mindestens drei Baugebiete in dem festgelegten Bereich existierten, welche die gestellten Anforderungen erfüllten, und nehmen Bezug auf die Antragserwiderung des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer, mit der er insgesamt 18 Grundstücke innerhalb des abgegrenzten Bereiches benannt hat, die s.E. für eine Verwendung zur Bewerbung in Betracht kämen. Soweit Zweifel an deren objektiver Eignung als Baugelände vorgelegen hätten, sei die Vergabekammer verpflichtet gewesen, Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Die Beschwerdeführer vertreten zudem die Ansicht, dass im Falle der Unaufklärbarkeit der Eignung der Grundstücke als Standort des Neubaus die Feststellungslast von der Antragstellerin zu tragen sei, weil diese das Vorliegen eines Rechtsverstoßes behauptet habe.

41

Beide Beteiligte wenden sich gegen die Feststellungen zur Bewerbungsfrist. Sie meinen, dass die Antragstellerin insoweit ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB nicht genügt habe und daher mit dieser Rüge präkludiert sei. Hilfsweise haben sie sich darauf berufen, dass die Frist angemessen gewesen sei, da sie mit 42 Kalendertagen über der Mindestfrist des § 10a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A von 37 KT gelegen habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, eine ausreichend lange Zeit für den Vollzug des Eigentumserwerbs einzuräumen, weil es rechtlich nicht geboten sei, jedem Bewerber ausreichend Zeit zur Schaffung der Eignung zur Auftragserfüllung einzuräumen. Außerdem seien auch geringere Nachweise zugelassen worden.

42

Der Antragsgegner hat darüber hinaus beanstandet, dass die Vergabekammer seine Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer nicht berücksichtigt habe.

43

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Beschwerdeschriften sowie - ergänzend - der Schriftsätze des Antragsgegners vom 28.06.2012, vom 04.07.2012 nebst umfangreichen Anlagen und vom 18.07.2012 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Beigeladenen vom 05.07.2012 und vom 06.08.2012 Bezug genommen.

44

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

45

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 27.04.2012 aufzuheben und

46

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

47

Die Antragsstellerin beantragt,

48

die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen jeweils zurückzuweisen.

49

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass die Bewerbungsfrist nicht angemessen gewesen sei.

50

Der Senat hat der Antragstellerin zunächst mit Beschluss vom 25.06.2012 Einsicht in die Vergabeakte durch Übersendung von Kopien gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass aus den bislang überreichten Vergabeunterlagen eine zeitnahe, fortlaufende Dokumentation des Entscheidungsprozesses für die konkrete Gestaltung der Ausschreibung vor Absendung der Vergabebekanntmachung nicht ersichtlich sei. Darauf hin sind vom Antragsgegner unmittelbar vor dem zunächst anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 umfangreiche Unterlagen nachgereicht worden. Hierin hat der Senat der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.07.2012 und der Beigeladenen mit Beschluss vom 07.08.2012 jeweils Einsicht gewährt.

51

Der Senat hat am 29.08.2012 zur Sache mündlich verhandelt; wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage Bezug genommen.

B.

52

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind jeweils zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht eingereicht worden. Sie haben jedoch im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

53

Die Vergabekammer ist zu Recht von der Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Zwar ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Dokumentation, deren Verwertung durch den Senat zulässig ist, eine hinreichende Rechtfertigung für die vorgenommene Beschränkung des in Betracht kommenden Baugebiets. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass angesichts der konkreten Bewerbungsbedingungen die für die Einreichung des Teilnahmeantrags zur Verfügung gestellte Bewerbungsfrist unangemessen kurz gewesen sei, ist aber begründet.

54

I. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich aller drei Rügen zu Recht als zulässig angesehen.

55

1. Die Antragstellerin ist insgesamt antragsbefugt i.S. von § 107 Abs. 2 GWB, auch wenn sie keinen Teilnahmeantrag eingereicht hat.

56

a) Sie hat ihr Interesse am Auftrag dadurch gezeigt, dass sie nicht nur die Bewerbungsunterlagen abgefordert, sondern sich innerhalb der Bewerbungsfrist auch schriftlich mit einer Verfahrensrüge an den Antragsgegner gewandt hat. Im Schreiben vom 01.03.2012 hat sie ihr Interesse an einer Teilnahme am Wettbewerb ausdrücklich bekundet. Sie hat sich zudem ein zur Bebauung geeignetes Grundstück in H. gesichert, welches jedoch außerhalb des räumlich vorgegebenen Bereichs belegen ist. Nicht zuletzt manifestiert sich ihr Interesse am Auftrag in der Durchführung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Änderung der Bewerbungsbedingungen.

57

b) Die Antragstellerin behauptet bereits vollzogene, nicht etwa nur drohende Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners durch die Begrenzung des Standortbereichs des Neubaus, die unzureichende Dokumentation der Entscheidungsprozesse sowie durch die Festlegung einer unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die beiden letztgenannten Rügen beziehen sich auf Verstöße gegen § 20 Abs. 1 VOB/A bzw. § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 VOB/A. Die Rüge der Standortauswahl betrifft die Entscheidung über den Beschaffungsgegenstand. Eine solche Entscheidung ist, worauf die Beschwerdeführer zu Recht verwiesen haben, dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert, so dass es aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich im Belieben des Auftraggebers steht, die Bauleistung frei nach seinen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser - ihren autonomen Zwecken entsprechenden - Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen, der nach den Maßgaben des Vergaberechts zu organisieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06. 2012, VII-Verg 7/12 „Fertigspritze“ - in juris ab Tz. 23 m.w.N.; OLG München, Beschluss v. 09.09.2010, Verg 10/10 „Gestühl Hörsaal“; aber auch Thüringer OLG, Beschluss v. 26.06. 2006, 9 Verg 2/06 „Anna-Amalia-Bibliothek“, VergabeR 2007, 220 - in juris Tz. 22). Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens - das Wettbewerbsprinzip, der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie der Transparenzgrundsatz - können jedoch durch eine dem Vergabeverfahren vorgelagerte Entscheidung des Auftraggebers gleichwohl verletzt sein, wenn die Entscheidung auf das Vergabeverfahren ausstrahlt und in ihm fortwirkt. Während ein Teil der vergaberechtlichen Rechtsprechung hiervon schon dann ausgeht, wenn für die zu beschaffende Leistung mehrere Lösungsvarianten in Betracht kommen und der Auftraggeber versäumt hat, sich zunächst einen Marktüberblick zu verschaffen und sodann zu begründen, warum eine andere als die von ihm letztlich gewählte Lösung nicht in Betracht kommt (so Thüringer OLG, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 22.05. 2008, 13 Verg 1/08 „Farbdoppler-Ultraschallsystem“), erachten andere Spruchkörper grundsätzlich eine Markterforschung oder Markterkundung nicht für notwendig (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; zuvor bereits Beschlüsse v. 17.02.2010, VII-Verg 42/09 „ISM-Funk“; v. 03.03. 2010, VII-Verg 46/09 „Kleinlysimeter“; v. 15.06.2010, VII-Verg 10/10 „unterbrechungsfreie Stromversorgung“). Das bedeutet jedoch nicht, dass nach der zuletzt genannten Ansicht das Bestimmungsrecht grenzenlos ist und gar keiner Nachprüfung unterliegt. Die gewählten Anforderungen müssen vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung der Auswahlentscheidung muss nachvollziehbar sein. Durch das Erfordernis der sachlichen Auftragsbezogenheit soll im Sinne einer Negativabgrenzung sichergestellt werden, dass der Auswahl- und Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen zugrunde liegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2010, a.a.O. - in juris Tz. 33). Die Antragstellerin macht hier gerade eine fehlende Auftrags- und Sachbezogenheit der Standortentscheidung und deren Auswirkung auf das Vergabeverfahren im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung und ggf. einer bewussten Bevorzugung der Beigeladenen geltend. Insoweit genügt eine schlüssige und angesichts des geringen Informationsstandes der Antragstellerin über die internen Entscheidungsprozesse beim Antragsgegner relativ wenig substantiierte Behauptung. Letztlich haben die Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellt, dass eine Nachprüfung im Hinblick auf eine Willkürfreiheit der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und auf eine Nichtdiskriminierung eröffnet sei.

58

c) Die Antragstellerin hat auch einen bei ihr eingetretenen Schaden schlüssig behauptet, indem sie geltend gemacht hat, dass sie gerade wegen der beiden genannten Vergaberechtsverstöße an einer erfolgversprechenden Bewerbung gehindert worden sei. Mit anderen Worten: Hierdurch hätten sich ihre Auftragschancen nicht nur verschlechtert, sondern sie seien durch die gerügte Ausgestaltung der Ausschreibung gänzlich vereitelt worden.

59

Soweit die Beschwerdeführer vor allem im Verfahren vor der Vergabekammer eingewendet haben, dass der Antragstellerin kein Schaden entstanden sei, weil sie zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen ohnehin nicht geeignet sei, ist die Vergabekammer dem zu Recht nicht gefolgt. Eine Antragsbefugnis wäre zwar ausgeschlossen, wenn der Nichtbieter bzw. - wie hier - der Nichtbewerber objektiv nicht in der Lage wäre, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben (vgl. zuletzt Brandenburg. OLG, Beschluss v. 03.11.2011, Verg W 4/11). Die Antragstellerin ist jedoch ein Bauunternehmen, welches sich bereits an der Umsetzung komplexer PPP-Projekte als (zentraler) privater Partner der öffentlichen Hand erfolgreich beteiligt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin die übrigen, von ihr nicht gerügten Bewerbungsbedingungen nicht erfüllen könnte. Dieser Argumentation der Vergabekammer sind die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegen getreten.

60

2. Die Antragstellerin hat hinsichtlich aller Beanstandungen ihren Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 GWB genügt.

61

a) Die Antragstellerin hat die unzureichende Dokumentation des Entscheidungsprozesses, der zur Bestimmung des Standortbereiches des Neubaus geführt hat, erst im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht. Eine Obliegenheit zur vorherigen Rüge gegenüber dem Antragsgegner wurde nicht begründet, weil die Antragstellerin vom Inhalt und Umfang der Dokumentation vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Kenntnis hatte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GWB) und auch nicht aufgrund der Vergabebekanntmachung oder der Bewerbungsunterlagen haben konnte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB). Sie hat diese Kenntnis sukzessive durch die Ausführungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren sowie durch die Ausführungen der Vergabekammer in Vorbereitung sowie im Verlauf der mündlichen Verhandlung erlangt. Unmittelbar nach Kenntniserlangung hat die Antragstellerin diesen Vergaberechtsverstoß geltend gemacht.

62

b) Hinsichtlich der beiden ursprünglich im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen, also zur Standortauswahl und zur Bewerbungsfrist, wurden keine Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB begründet. Der Vergabebekanntmachung waren zwar die Informationen über die Festlegung einer Beschränkung des Standortbereichs und über die Bestimmung der Bewerbungsfrist zu entnehmen. Die Einzelheiten der Abgrenzung ergaben sich erst aus den Unterlagen zum Teilnahmeantrag, insbesondere aus dem Inhalt des Formblatts F. Erst danach war für einen fachkundigen Bieter und ebenso für die Antragstellerin zu erkennen, ob in diesem Bereich eine ausreichende Anzahl von geeigneten Grundstücken existierte, deren Sicherung innerhalb der eingeräumten Bewerbungsfrist in Betracht kam. Dies zeigt sich auch in der konkreten Situation der Antragstellerin: Hätte die Begrenzung des Standortbereichs in Richtung Hauptbahnhof nicht am R. Platz geendet, sondern nur zwei weitere Straßenzüge in südlicher Richtung umfasst, so hätte das von der Antragstellerin bis zum 01.03.2012 gesicherte Grundstück innerhalb dieses Bereichs gelegen, so dass jedenfalls der Antragstellerin durch die Ausgestaltung der Ausschreibung der hier geltend gemachte Schaden nicht entstanden wäre.

63

c) Die Antragstellerin hat die absolute Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB gewahrt, indem sie beide ursprünglich im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Verfahrensrügen vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 08.03.2012, 12:00 Uhr, mit Schreiben vom 01.03.2012 gegenüber dem Antragsgegner erhoben hat.

64

aa) Die Verfahrenbeteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend von einer Erkennbarkeit der vermeintlich wettbewerbswidrigen bzw. diskriminierenden Begrenzung des Standortbereichs sowie der Unangemessenheit der Bewerbungsfrist auf der Grundlage der Informationen aus den Bewerbungsunterlagen aus. Sowohl die Antragstellerin als auch ein fachkundiger Bieter waren bei sorgfältiger Prüfung der Bewerbungsbedingungen einerseits und der örtlichen Gegebenheiten im Standortbereich andererseits in der Lage zu erkennen, ob auf dieser Grundlage die Entscheidung über eine Bewerbung und die Fertigstellung und Abgabe eines aussichtsreichen Teilnahmeantrags generell möglich ist.

65

bb) Gleiches gilt für die weitere Feststellung der Vergabekammer, wonach die Antragstellerin vor Ablauf der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 01.03.2012 jedenfalls die Rüge der fehlerhaften Standortauswahl gegenüber dem Antragsgegner ordnungsgemäß erhoben hat.

66

cc) Der Senat legt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 - ebenso, wie schon die Vergabekammer, und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragsgegners und der Beigeladenen - dahin aus, dass es auch die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist enthält.

67

(1) Die gegenüber dem Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu erhebende Rüge unterliegt keinen besonderen formellen Voraussetzungen. Die hier von der Antragstellerin gewählte Schriftform war hinreichend. Dem Schreiben war auch ohne Weiteres zu entnehmen, wer Absender und wer Adressat der darin enthaltenen Erklärungen war.

68

(2) Das Schreiben muss die Bezeichnung „Rüge“ bzw. einen Hinweis auf § 107 Abs. 3 GWB nicht enthalten. Die Rüge muss nur in inhaltlicher Hinsicht erkennen lassen, welchen konkreten Sachverhalt das Unternehmen für vergaberechtswidrig hält, zu dem es dem öffentlichen Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit zu einer Selbstkorrektur geben möchte (vgl. nur Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 3. Aufl. 2011, § 107 Rn. 74 m.w.N.). Diese inhaltlichen Anforderungen erfüllt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 auch im Hinblick auf die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die Antragstellerin benennt den Vergaberechtsverstoß - die Nichteröffnung eines wirksamen Wettbewerbs - im Hinblick auf die besonderen Bewerbungsbedingungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bewerbers zur Beistellung des Baugrundstücks. Sie führt im Zusammenhang mit dem dritten von ihr ermittelten potenziellen Baugrundstück aus, dass hinsichtlich dieses Grundstücks die geforderte Eigentumssicherung praktisch nicht „… innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist …“ möglich sei. Dieser Hinweis enthält zwei alternative Aussagen: Entweder, nämlich bei Beibehaltung der gewählten Bewerbungsfrist, stehe dieses Grundstück potenziellen Bewerbern nicht zur Verfügung, weil eine Eigentumssicherung objektiv unmöglich sei, und hierin sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip zu sehen, dem durch Ausweitung des Standortbereichs begegnet werden könne. Oder aber das Grundstück komme bei Beibehaltung der gewählten Bereichsbegrenzung als Baugrundstück in Betracht, jedoch nur dann, wenn die Bewerbungsfrist verlängert werde. Indem die Antragstellerin das Grundstück nur unter Hinzutreten der Beibehaltung der i.E. zu kurzen Bewerbungsfrist als nicht berücksichtigungsfähig bewertet, eröffnet sie dem Auftraggeber objektiv die Möglichkeit, dieser Beanstandung des Vergabeverfahrens allein durch eine Verlängerung der Bewerbungsfrist zu begegnen. Diese Möglichkeit der Selbstkorrektur war für den Antragsgegner erkennbar. Darauf, ob er sie aufgrund des Schreibens der Antragstellerin tatsächlich erkannt hat, kommt es für die Frage der Konkretheit der Rüge nicht an.

69

(3) Allerdings haben die Beschwerdeführer zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Vorschlag der Antragstellerin, wie dem Verfahrensmangel abzuhelfen sei, allein auf eine Erweiterung des möglichen Gebietes bezogen hat. Ein Unternehmen ist im Rahmen der Rügeerhebung jedoch nicht verpflichtet darzulegen, wie der Auftraggeber den vermeintlichen Verfahrensmangel beseitigen kann oder soll. Die Auswahl der Maßnahme zur (Wieder-) Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens obliegt in diesem Verfahrensstadium allein dem Auftraggeber. Der Vorschlag der Antragstellerin konnte demnach allenfalls eine unverbindliche Anregung darstellen und er ließ weiter erkennen, mit welcher Intension bzw. mit welcher Wunschvorstellung die Antragstellerin das Vergabeverfahren beanstandete. Der Vorschlag war hingegen nicht geeignet, den Inhalt der erhobenen Verfahrensrügen zu beschränken. Der Antragsgegner hätte bei Unklarheit nachfragen können, ob auch die Dauer der Bewerbungsfrist gerügt werden solle. Ohne eine solche Nachfrage musste er im Zweifel davon ausgehen, dass der Hinweis auf die „ausgeschriebene kurze Frist“, innerhalb derer die Besorgung der für den Teilnahmeantrag geforderten Nachweise „praktisch nicht möglich“ sei, eine gesonderte Verfahrensrüge darstellte.

70

(4) Die Antragstellerin hat am Ende des Schreibens hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie im Falle der Nichtabhilfe die Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens erwägen werde. Damit konnte dem Antragsgegner bewusst sein, dass hiermit Vergaberechtsverstöße geltend gemacht werden, deren Beseitigung verlangt wird, und dass es sich nicht etwa um eine bloße Nachfrage oder eine unverbindliche Anregung handeln sollte.

71

d) Schließlich ist hinsichtlich der beiden ursprünglich im Nachprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen ein Verstoß der Antragsstellerin gegen ihre Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nicht feststellbar.

72

Die Antragstellerin hat schlüssig behauptet, dass sie unverzüglich nach Kenntnis von den beiden Vergabeverstößen seit dem 28.02.2012 bereits am 01.03.2012 das Rügeschreiben verfasst und abgesandt habe. Insbesondere hat sie sich zu Recht darauf berufen, dass es für die Kenntnis i.S. dieser Vorschrift nicht ausreichte, die Bewerbungsbedingungen im Detail zu kennen, sondern dass eine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Unmöglichkeit bzw. des Umfangs der Schwierigkeiten bei der Erfüllung der gestellten Anforderungen hinzutreten musste. Es ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin für den Erwerb der letzt genannten Erkenntnisse etwa drei Wochen (vom Tag des Zugangs der Bewerbungsunterlagen am 08.02.2012 bis zum angegebenen Zeitpunkt der Kenntniserlangung am 28.02.2012) benötigte. Die Entschließung zur Rügeerhebung und die Abfassung des Rügeschreibens innerhalb von zwei Tagen erfüllen die Anforderungen an eine unverzügliche Reaktion. Für eine frühere als die von der Antragstellerin eingeräumte Kenntnis von den maßgeblichen tatsächlichen Umständen, auf die beide Rügen gestützt werden, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Insoweit hat der Auftraggeber, hier der Antragsgegner, im Nachprüfungsverfahren die Feststellungslast zu tragen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 26.07.2012, 2 Verg 2/12 „Managementvertrag“).

73

3. Die Antragstellerin hat auch die Antragsfrist nach § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt. Ihr ist das Antwortschreiben des Antragsgegners auf ihre Verfahrensrügen am 06.03.2012 per Fax zugegangen. Ihr Nachprüfungsantrag ist innerhalb der hierdurch in Gang gesetzten Frist von 15 Kalendertagen, nämlich am 13.03.2012, bei der Vergabekammer eingegangen.

74

II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

75

1. Allerdings entspricht die inzwischen vorliegende Dokumentation des Vergabeverfahrens den vergaberechtlichen Anforderungen.

76

a) Die Vergabekammer hat zu Recht darauf erkannt, dass der ihr vorgelegte undatierte Vergabevermerk den rechtlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 VOB/A nicht genügt.

77

aa) Hinsichtlich des Entscheidungsprozesses, welcher zur Bestimmung und Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Verwaltungsgebäudes geführt hat, enthielten die der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakten lediglich den undatierten Vergabevermerk. Dieser Vermerk ist jedenfalls erst zum Zeitpunkt der Abforderung der Vergabeakten fertig gestellt worden; das ergibt sich aus der darin enthaltenen inhaltlichen Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der Antragstellerin. Dieser Vergabevermerk war schon im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erstellung unzureichend, ohne dass es insoweit auf seinen Inhalt ankommt.

78

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ist das Vergabeverfahren zeitnah so zu dokumentieren, dass u.a. die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden. Danach ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Gegenstände der Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschehen zu erfassen. Um die Authentizität zu erhöhen und zugleich den Aufwand des Auftraggebers zu beschränken, ist hierfür keine Vermerkform gefordert, sondern lediglich Textform i.S. von § 126b BGB. Abweichend von der früheren Rechtslage soll also nicht mehr aus rückschauender Betrachtung ein zusammenfassender förmlicher Vermerk über den Verlauf des Vergabeverfahrens gefertigt werden, sondern es soll eine Vergabeakte geführt werden, in der Protokolle, Schriftverkehr bzw. Ausdrucke des eMail-Verkehrs u.ä. sowie erforderlichenfalls auch Einzelvermerke chronologisch abgelegt und verwahrt werden; zweckmäßig zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Dokumentation ist eine gewisse Gliederung und Strukturierung der Ablage.

79

Wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt hat, dient die Verpflichtung des Auftraggebers zur zeitnahen Dokumentation u.a. dazu, die Möglichkeit nachträglicher manipulativer Darstellungen auszuschließen, und besteht damit auch zum Schutze der an der Auftragserteilung interessierten Unternehmen, wie hier der Antragstellerin.

80

bb) Die Vergabekammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Entscheidungsprozess über die Festlegung des Standortbereichs zu den zu dokumentierenden Einzelentscheidungen gehörte.

81

Zwar ist die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes nicht im Katalog des § 20 Abs. 1 S. 2 VOB/A, der beispielhaft („insbesondere“) die zwingend dokumentationspflichtigen Daten aufzählt, aufgeführt. Zu dokumentieren sind jedoch alle Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers, die - quasi „Weichen stellend“ - das künftige Ergebnis des Vergabeverfahrens beeinflussen, wie sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ergibt. Der Schwerpunkt liegt typischerweise auf den Einzelentscheidungen im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote. Wie bereits der Katalog des Satz 2 der genannten Vorschrift zeigt, so z. Bsp. in Nr. 2 „Art und Umfang der Leistung“ bzw. in Nr. 10 „ggf. die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe des Auftrags verzichtet hat“, können aber auch Entscheidungen im Vorfeld eines Vergabeverfahrens zu dokumentieren sein. Im vorliegenden Fall musste sich dem Antragsgegner aufdrängen, dass schon die Festlegung, dass jeder Bewerber ein geeignetes Grundstück beizustellen hatte, zu einer erheblichen Reduzierung des Kreises der Bewerber um einen Bauauftrag führen musste, und dass sich diese objektiv wettbewerbsbeschränkende Wirkung noch verstärkte, je enger umgrenzt der zulässige Standortbereich für ein solches Grundstück ist. Die nachgereichte Dokumentation zeigt im Übrigen, dass dem Antragsgegner dieser Umstand durchaus bewusst war. Es entspricht der allgemeinen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass jedenfalls dann, wenn eine Beschaffungsentscheidung zu einer erheblichen Beschränkung des potenziellen Teilnehmerfeldes auf ein oder wenige Unternehmen führt, das Zustandekommen dieser Entscheidung und die Gründe für ihr Ergebnis zu dokumentieren sind.

82

b) Der Antragsgegner hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umfangreiche weitere Unterlagen vorgelegt, die den äußeren Verlauf und die inhaltlichen Erwägungen des Entscheidungsprozesses abbilden. Diese Unterlagen sind im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen und führen hier im Rahmen ihrer tatsächlichen Würdigung zu der Feststellung, dass eine ausreichende Dokumentation vorgenommen worden ist.

83

aa) Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen ergibt sich schon daraus, dass es sich nach den Feststellungen des Senats nicht etwa um nachträglich, d.h. nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigte Unterlagen handelt, sondern um Dokumente, die zeitnah zu den in ihnen dokumentierten Geschehnissen entstanden sind.

84

bb) Der Senat hat auch im Hinblick auf die späte Vorlage der entsprechenden Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine manipulative Darstellung, die im Rahmen der tatsächlichen Würdigung einer Verwertung der Unterlagen entgegen stehen könnten.

85

cc) Schließlich ist die Verwertung auch aus rechtlichen, insbesondere verfahrensrechtlichen Gründen nicht unzulässig. Zwar wäre der Antragsgegner nach § 110 Abs. 2 S. 4 GWB verpflichtet gewesen, die Vergabedokumentation auf Anforderung „der Vergabeakten“ durch die Vergabekammer vollständig, also auch einschließlich der jetzt nachgereichten Unterlagen, vorzulegen. Zu einer Vorsortierung nach den s.E. entscheidungserheblichen Bestandteilen einerseits und den nicht erheblichen Unterlagen andererseits war der Antragsgegner nicht berechtigt. Spätestens nach der erneuten ausdrücklichen Anfrage der Vergabekammer hätte für den Antragsgegner eine Veranlassung zur Vorlage bestanden. Eine weitere Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragsgegners ist auch darin zu sehen, dass der Antragsgegner die Unterlagen nicht im Rahmen seiner Beschwerdebegründung vorgelegt hat, obwohl sich die Vergabekammer bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die unzureichende Dokumentation gestützt und der Antragsgegner diese Bewertung angegriffen hat. Die mehrfache Verletzung von Verfahrensobliegenheiten führt jedoch nicht zu einem Verwertungsverbot der Unterlagen, weil eine solche Sanktion im 4. Teil des GWB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens.

86

c) Aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen, welche den Verfahrensbeteiligten in den maßgeblichen Teilen auch zugänglich gemacht worden sind, ergibt sich sowohl ein klares Bild über den äußeren Ablauf der Entscheidungsfindung als auch über die Beweggründe für die einzelnen Zwischenentscheidungen bis hin zur Festlegung des Standortbereichs, wie er Gegenstand der Vergabebekanntmachung und der Bewerbungsunterlagen geworden ist.

87

2. Die Entscheidung des Antragsgegners, das in Betracht kommende Baugebiet auf den Bereich „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ zu beschränken, ist unter Einbeziehung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen hierzu in der Sache nicht zu beanstanden.

88

a) Der Senat hat die Entscheidung des Antragsgegners, den Neubau des Finanzamts auf einem vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstück zu errichten und den in Betracht kommenden Standortbereich räumlich zu begrenzen, nach den - aus Sicht des Auftraggebers - strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs geprüft entsprechend der vorzitierten Rechtsprechung des Thüringer Oberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Celle.

89

aa) Wie vorausgeführt, ist die Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Bauwerks ein Teilaspekt der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes. Diese Entscheidung ist dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert und wird daher vom Vergaberecht unmittelbar nicht erfasst. Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie sie in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB bzw. in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/A normiert sind, sind gleichwohl berührt, wenn die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands im Vergabeverfahren zu einer willkürlichen Beschränkung des Wettbewerbs bzw. offen oder verdeckt zu einer positiven oder negativen Diskriminierung von Unternehmen führt. Die Vergabesenate haben bisher den vergaberechtlichen Maßstab der Nachprüfung der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes durch den Auftraggeber divergierend beurteilt; es handelt sich insoweit nicht nur um eine unterschiedlich akzentuierte Beschreibung (so aber OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O. - in juris Tz. 23, 27). Dies zeigt sich insbesondere daran, ob und ggf. in welchem Ausmaß eine Markterkundung vor Festlegung des Beschaffungsgegenstandes geboten ist, ob eine Vertretbarkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers genügt oder stattdessen eine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses abweichender Lösungsvarianten zu fordern ist, und schließlich - hiervon abgeleitet -, in welchem Umfang Dokumentationspflichten bestehen.

90

bb) Der Senat neigt der (aktuellen) Auffassung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus den dort angeführten Gründen (vgl. Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O., Tz. 26) zu. Höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs engen die Entscheidungsfreiheit bzw. die an anderen rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Beschaffungsgegenstand zu sehr ein und führen zu einer unangemessenen Verrechtlichung dieser Entscheidung. Es sind auch Konstellationen vorstellbar, in denen ein Ausschluss abweichender Ausführungsvarianten eines Auftrags nicht oder nicht mit einem zumutbaren Aufwand möglich erscheint. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beschaffung der öffentlichen Hand typischerweise eine dienende Funktion zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zukommt, so dass aus Sicht des Auftraggebers der Aufgabenerfüllung und nicht der Beschaffung Priorität einzuräumen ist, und dass die Organisation von Wettbewerb im Rahmen der Beschaffung nicht Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln, welches seinen Zweck verfehlt, wenn zu hohe Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der Beschaffung gestellt werden.

91

cc) Für die Entscheidung im vorliegenden Nachprüfungsverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist, so dass auch eine Vorlage des Beschwerdeverfahrens an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB nicht in Betracht kommt. Denn führt auch die Prüfung an Hand der strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zum gleichen Ergebnis, dann ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. So liegt der Fall hier.

92

b) Der äußere Ablauf des Entscheidungsprozesses, der zu der endgültigen Festlegung des Baugebietes geführt hat, ist stringent und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Antragsgegner auch eigenverantwortlich vorab geprüft, ob die beabsichtigte Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zu einer ungerechtfertigten Begrenzung des Wettbewerbs führt oder aber einen Wettbewerb ganz ausschließt. Auf jeder Stufe des fortschreitenden Entscheidungsprozesses ist ein hinreichender Auftrags- und Sachbezug feststellbar.

93

aa) Der Antragsgegner entschied am 15.09.2010, dass der seit längerem bestehende Beschaffungsbedarf für ein einheitliches, modernes Verwaltungsgebäude für die Unterbringung der beiden in H.  ansässigen Finanzbehörden durch Errichtung eines Neubaus in der Innenstadt von H. gedeckt werden solle. Der Beschluss wurde auf Vorschlag des Ministers der Finanzen vom 08.09.2010 vom Ausschuss für Finanzen des Landtags von Sachsen-Anhalt in seiner 100. Sitzung, dort unter TOP 12.1 „Beabsichtigte Unterbringung des künftigen Finanzamtes H. und des Landesrechenzentrums H.  “, getroffen. Eine nähere Eingrenzung des verwendeten Begriffs „Innenstadt“ erfolgte noch nicht.

94

Die Festlegung auf einen Neubau im Bereich der Innenstadt folgte den abstrakten Richtlinien der Landesentwicklung, die eine Stärkung der Oberzentren und damit auch der Stadt H. und innerhalb der Städte eine Profilierung der Innenstädte vorsehen. Die Festlegungen erfolgten, um eine ausreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde und eine Wertstabilität der nach Ablauf der Finanzierungsphase vom Auftraggeber zu erwerbenden Immobilie zu gewährleisten. Diese Erwägungen sind sach- und auftragsbezogen.

95

bb) Mit Schreiben vom 04.02.2011 richtete der Staatssekretär des Ministeriums der Finanzen eine Anfrage an die Oberbürgermeisterin der Stadt H.  mit der Bitte um Herbeiführung einer Willensbekundung des Stadtrates zu den Grenzen der „Innenstadt“, innerhalb derer der Neubau des Finanzamts erfolgen solle. Diese Anfrage erfolgte, um eine klare und eindeutige Definition des Begriffs „Innenstadt“ herbeizuführen und dabei die kommunalen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

96

Diese Vorgehensweise war sachgerecht, weil die Errichtung des neuen Gebäudes für eine Mittelbehörde in einer Stadt deren kommunale Belange insbesondere auch in städtebaulicher Hinsicht betrifft.

97

cc) Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. beantwortete die Anfrage mit Schreiben vom 17.02.2011 unter Verweis auf den Beschluss des Stadtrates vom 14.11.2010. Mit diesem Beschluss hatte der Stadtrat auf Vorlage vom 14.10.2010 und nach einer Ausschussberatung am 09.11.2010 ein ca. 1.180.000 qm großes Stadtgebiet als Fördergebiet im Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ unter der Bezeichnung „A-Zentrum Altstadt“ ausgewiesen. Die Abgrenzung erfolgte, wie sich den Gründen des Stadtratbeschlusses entnehmen lässt, zum Zwecke der Entwicklung der Einkaufsinnenstadt sowie zur Stärkung der oberzentralen Funktionen der City. Sie folgte inhaltlich der seit 1998 bestehenden Flächennutzungsplanung, deren Fortentwicklung im Zentrenkonzept aus dem Jahre 2004 und in dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahre 2007. Nach dem Inhalt des Stadtratbeschlusses vom 14.11.2010 sollten künftige Investitionen von der Stadt selbst nur noch dann gefördert werden, wenn sie zur Profilierung und Standortaufwertung der Innenstadt geeignet waren. Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. vertrat in ihrem Schreiben vom 17.02.2011 die Auffassung, dass angesichts der Aktualität des Beschlusses eine gesonderte Befassung des Stadtrates mit der Frage der Abgrenzung der Innenstadt für die Errichtung eines Finanzamtsgebäudes nicht nötig sei. Zudem teilte sie mit, dass sie den Stadtrat in der letzten Sitzung über die Anfrage des Ministeriums der Finanzen informiert habe und dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass mit dem neuen Standort des Finanzamtes in der Innenstadt „eine gute Lösung gefunden“ worden sei. Dem weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses, insbesondere der am 28.02.2011 erfolgten Anhörung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr durch das Ministerium der Finanzen, ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner der vorgenannten Auffassung der Oberbürgermeisterin folgte und den Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 als eine hinreichend verbindliche Willensbekundung der Stadt zur Standortfrage ansah.

98

Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Antragsgegner von seiner ursprünglichen Vorstellung eines ausdrücklichen Stadtratsbeschlusses über die Eingrenzung des Standortbereichs für das Finanzamt Abstand genommen und den Beschluss vom 24.11.2010 als Definition des Innenstadtbereichs übernommen hat. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass der Stadtratsbeschluss einem anderen Zweck diente als der Mitwirkung an der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes für das vorliegende Vergabeverfahren. Es ging um eine Grundlage für den Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln für die Förderung von privaten baulichen Investitionen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Festlegung des Bereichs des Stadtzentrums, in dem eine Belebung durch Passanten angestrebt wird durch die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen und durch die Zentralisierung von Behörden und Einrichtungen mit Besucherverkehr, inhaltlich nach denselben Maßstäben und Erwägungen erfolgte, wie sie - fiktiv - im Rahmen einer gesonderten Entscheidung über den künftigen Standort des Finanzamtsgebäudes angestellt worden wären. Denn auch die Eröffnung einer solchen Behörde mit mehreren hundert Mitarbeitern und einem nicht unerheblichen Besucherverkehr ist geeignet, zu einer Belebung des umliegenden Gebietes beizutragen und u.U. durch einen attraktiven Baukörper eine städtebauliche Profilierung und Aufwertung zu erreichen. Der bereits vorliegende Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 enthielt eine strategische Festlegung, deren erneute Prüfung und Aktualisierung - gemessen an den vorangegangenen vergleichbaren Entscheidungen des Stadtrats aus den Jahren 2004 und 2007 - frühestens nach drei Jahren zu erwarten war. Der Rückgriff auf eine bereits vorliegende Entscheidung war zudem geeignet, dem Vorwurf einer Bevorzugung eines bestimmten Bewerbers um den auszuschreibenden Bauauftrag zu begegnen.

99

dd) Der Antragsgegner veranlasste im März und April 2011 eine Prüfung, ob die Festlegung des Baugebietes nach Maßgabe des Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2010 zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Wettbewerbs um den auszuschreibenden Bauauftrag führen konnte.

100

Wie sich aus dem Antwortschreiben der Oberbürgermeisterin der Stadt H. vom 30.03.2011 ergibt, richtete der Antragsgegner eine telefonische Anfrage an die Stadt, welche potentiellen Standorte für den Neubau des Finanzamts im Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) existierten. Die Stadt benannte drei mögliche Standorte, und zwar die Grundstücke am R. Platz (in der Antragserwiderung des Antragsgegners später unter Nr. 11 aufgeführt), im Bereich des „B.  “ (Nr. 7) sowie im Baugebiet „S.„ (Nr. 2).

101

Im April 2011 beauftragte der Antragsgegner eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, insbesondere auch zum Zwecke des haushaltsrechtlich erforderlichen Nachweises der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Dritten gegenüber einer Leistungserbringung mit eigenen Ressourcen. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass im Innenstadtbereich mehrere Grundstücke die aufgestellten Anforderungen an Flächengröße, Verkehrsanbindung u.ä. erfüllten. In der Studie werden hierfür die drei vorgenannten Grundstücke sowie das Grundstück hinter dem A. -Gebäude (Nr. 4) aufgeführt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile beschrieben.

102

Diese Maßnahmen zeigen, dass der Antragsgegner eine eigenverantwortliche Prüfung vorgenommen hat, ob die beabsichtigte Begrenzung des zugelassenen Baugebietes zu einem Ausschluss von Wettbewerb führen würde. Die von ihm getroffene Einschätzung, dass das Vorliegen von mindestens vier zur Bebauung objektiv geeigneten Grundstücken einen ausreichenden Wettbewerb ermöglicht, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden.

103

ee) Die Antragstellerin hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Rahmen der weiteren Vorbereitung des Vergabeverfahrens die Anforderungen an das Baugrundstück modifiziert worden sind. Diese Veränderungen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Anforderungen an die Größe und Bebaubarkeit des Grundstücks erhöht haben, sondern sie haben im Gegenteil eine Verringerung dieser Anforderungen bewirkt.

104

In der 2. Besprechung der Projektgruppe „Finanzamt H.“, der neben Vertretern des Antragsgegners - Ministerium der Finanzen und Eigenbetrieb - u.a. auch Mitarbeiter der Beraterin des Antragsgegners angehörten, wurde am 08.12.2011 aufgrund einer aktuellen technischen Bewertung der Hauptnutzungsfläche des Gebäudes entschieden, dass keine Grundstücksgröße zwingend vorzugeben sei, sondern lediglich eine Mindestgröße bei Lückenbebauung, die weit unterhalb der bisherigen Vorstellungen des Antragsgegners lag.

105

In der 4. Besprechung dieser Projektgruppe am 18.01.2012 wurde im Hinblick auf eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes der beabsichtigte Bekanntmachungstext hinsichtlich der Vorgaben zur Grundstücksgröße erneut geändert; nunmehr wurde eine Mindestgröße nicht mehr vorgegeben, sondern lediglich eine funktionale Eignung gefordert.

106

Diese Änderungen waren nicht nur sach- und auftragsbezogen, sondern auch geeignet, weiteren Unternehmen mit Zugriffsmöglichkeiten auf andere als die vorgenannten vier Grundstücke die Möglichkeit zur Teilnahme am Wettbewerb zu eröffnen.

107

c) Eine weiter gehende Markterkundung durch den Antragsgegner, etwa im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse an den in Betracht kommenden Grundstücken und auf die Möglichkeiten des Erwerbs dieser Grundstücke durch interessierte Unternehmen, war auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Jena und Celle nicht geboten.

108

aa) Die Vorgehensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die Festlegung des Bereichs des künftigen Standorts des Finanzamts war geeignet und ausreichend, der Gefahr eines unzureichenden Wettbewerbs zu begegnen und eine Diskriminierung von Unternehmen zu vermeiden.

109

(1) Der Antragsgegner durfte sich zur Prüfung der Frage, ob eine Auftragsvergabe in einem Wettbewerb gewährleistet sein wird, auf eine Aufklärung der Frage beschränken, ob in dem von ihm begrenzten Bereich eine genügende Anzahl von Objekten vorhanden war, welche in Größe, Lage, Zuschnitt und Bebaubarkeit den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung (ca. 8.000 qm HNF sowie insgesamt 250 Parkplätze, z.T. auch in fußläufiger Entfernung vom Hauptobjekt) gerecht werden konnten. Denn für die Gewährleistung eines Wettbewerbs ist maßgeblich, ob der Auftraggeber mit mehreren Bewerbern rechnen kann und ob die interessierten Unternehmen mit Mitbewerbern rechnen müssen, so dass der erforderliche Anreiz besteht, ein wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten. Insoweit hat der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung zu treffen. Wie viele Unternehmen sich tatsächlich bewerben werden, ist für den Auftraggeber auch bei intensiver Markterkundung letztlich nicht vorherzusehen. Daher kann von einem öffentlichen Auftraggeber nur gefordert werden, dass er unter Berücksichtigung der von ihm beabsichtigten Bestimmung des Beschaffungsbedarfs den Eingang mehrerer Bewerbungen oder Angebote - je nach Verfahrensart - für möglich erachtet. Diese Frage hat der Antragsgegner hier geprüft und im Ergebnis seiner Ermittlungen festgestellt, dass mindestens vier Grundstücke grundsätzlich geeignet sind, die funktionalen Anforderungen der beabsichtigten Ausschreibung zu erfüllen. Es kann offen bleiben, ob sich diese Zahl durch die nachfolgenden Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen erhöht hat oder nicht. Sowohl aus Sicht des Antragsgegners als auch aus Sicht eines potenziellen Bewerbers war der Umstand, dass nach vorläufiger Bewertung mehrere objektiv geeignete Grundstücke zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen existieren, ausreichend, um wettbewerbliche Anreize zu generieren. Der Senat erachtet insoweit die Erwägungen der Vergabekammer, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 6a Abs. 4 VOB/A und des Art. 44 Abs. 3 UA 2 S. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) auf mindestens drei Objekte abzustellen, für sachgerecht. Dem steht, anders als die Beschwerdeführer meinen, jedenfalls die von ihnen zitierte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-138/08 „Hochtief AG u. Linde-Kca-Dresden GmbH ./. KTKD“, VergabeR 2010, 196) nicht entgegen, weil der dortige Rechtssatz nicht einschlägig ist. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der öffentliche Auftraggeber, die Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest, einen Bauauftrag, wie hier, im zweistufigen Verfahren - Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb - ausgeschrieben und der Wettbewerb nur, aber immerhin im Teilnahmewettbewerb stattgefunden hatte. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs war lediglich ein Bewerber verblieben. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich aus dem Wettbewerbsprinzip kein Anspruch des im Teilnahmewettbewerb unterlegenen Bewerbers auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ergebe, wenn zumindest in der ersten Verfahrensstufe, dem Teilnahmewettbewerb, ein ausreichender Wettbewerb organisiert worden sei. Der Entscheidung lässt sich damit keine Einschränkung des Grundgedanken der vorgenannten Regelungen entnehmen. Die Antragstellerin hat hier hinsichtlich der Grundstücke Nr. 2, 4, 7 und 11, welche der Antragsgegner in seine Überlegungen einbezogen hatte, sowie hinsichtlich des Grundstücks Nr. 18 deren objektive Eignung nach den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung nicht in Frage gestellt, sondern selbst eingeräumt.

110

Soweit die Antragstellerin behauptet hat, dass die Grundstücke Nr. 2, Nr. 4, Nr. 11 und Nr. 18 von den jeweiligen Eigentümern nicht veräußert würden, und sich ein u.U. möglicher Eigentumserwerb des Grundstücks Nr. 7 jedenfalls langwierig und schwierig gestalte, vermag dies die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Wettbewerb ausgeschlossen sei, nicht zu rechtfertigen. Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass ein Grundstückseigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seines Grundeigentums ein Eigeninteresse hat. Im Übrigen ist, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, darauf zu verweisen, dass sich diese allgemeine Erwartung auch bestätigt hat. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 2, die Beigeladene, hat sich beworben. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 4 ist, wie inzwischen feststeht, ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Verwertung des Grundeigentums als Baufläche für ein Bürogebäude beabsichtigte, z. Zt. jedoch kein konkretes Projekt verfolgt. Auch die Eigentümerin der Grundstücke Nr. 11 und Nr. 18 ist ein gewerblich agierendes Unternehmen, welches sich grundsätzlich einer wirtschaftlichen Verwertung ihres Eigentums nicht verschließen dürfte. Der Antragsgegner musste - unabhängig davon, ob ihm das überhaupt möglich gewesen wäre, was er selbst bestreitet - weder die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken noch die Bewerbungs- oder Verkaufsbereitschaft der Eigentümer erkunden. Er musste auch nicht etwa - und darauf zielt die Rüge der Antragstellerin maßgeblich - sicherstellen, dass der Antragstellerin der Zugriff auf eines der vier Grundstücke tatsächlich offen stand. Ein an der Auftragserteilung interessiertes Unternehmen hat vergaberechtlich keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine seinem aktuellen Leistungsvermögen oder seinen Erwartungen entsprechende Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes vornimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.10.2009, VII-Verg 25/09 „Latexfreiheit“; Beschluss v. 14.04.2010, VII-Verg 60/09 „Brandmeldeanlage“, VergabeR 2011, 78). Um die Zugriffsmöglichkeit jedes Interessenten am Bauauftrag zu gewährleisten, hätte der Antragsgegner ein geeignetes Baugrundstück selbst erwerben und dem Auftragnehmer zur Verfügung stellen müssen. Hierin hätte jedoch ein anderer als der vom Antragsgegner gewählte Beschaffungsgegenstand gelegen. Dem Antragsgegner kam es gerade darauf an, weder mit der Grundstücksauswahl noch mit dessen Beschaffung noch mit der Finanzierung des Grunderwerbs belastet zu sein. Die Forderung nach einer Beistellung des Grundstücks eröffnete den Interessenten zudem u.U. mehr Freiheiten bei der Planung des Bauvorhabens.

111

(2) Die hier von der Antragstellerin beanstandete Festlegung des Antragsgegners verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot.

112

Allerdings wäre es mit dem Diskriminierungsverbot des § 97 GWB grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn eine Ausschreibung von Anfang an so angelegt wäre, dass objektiv nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 24.06.2010, 1 Verg 4/10 „Postdienstleistungen“). Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht feststellbar. Wie vorausgeführt, existierten aus der maßgeblichen ex ante-Sicht des Antragsgegners mindestens vier Grundstücke, die als Baugrund objektiv in Betracht kommen konnten. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Antragsgegner bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass mit der Beigeladenen ein Unternehmen existierte, welches Eigentümerin eines der geeigneten Grundstücke war und bereits seit vielen Jahren auf eine wirtschaftliche Verwertung wartete. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner durch die Festlegung des in Betracht kommenden Baugebiets bewusst eine Bedingung geschaffen hat, die es jedem anderen Unternehmen außer der Beigeladenen unmöglich gemacht hätte, sich zu bewerben, bestehen ebenfalls nicht. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Umstände ersichtlich, die generell einer Sicherung des künftigen Erwerbs von Grundeigentum im Bereich des Fördergebietes „Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. durch einen ggf. nicht ortsansässigen Interessenten entgegenstehen.

113

bb) Eine weitere Markt- oder Gebietserkundung war auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Jena und Celle erforderlich.

114

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen beider Vergabesenate jeweils zu einer produkt-, technik- oder technologiespezifischen Bedarfsbestimmung ergangen sind, d.h. zu einer Festlegung des Auftraggebers im Zusammenhang damit, ob eine geforderte Funktionalität des Beschaffungsgegenstandes objektiv nur durch eine einzige technische Lösungsvariante erreichbar war oder nicht. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine räumliche Begrenzung des Leistungsortes geht, war ein Teil der mit der Beschaffung verbundenen Zielstellungen nicht mehr zu erreichen durch eine Ausweitung des in Betracht kommenden Baugebietes. Zwar mag eine hinreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde auch noch in einem erweiterten Innenstadtbereich zu gewährleisten sein, es steht jedoch für den Senat außer Zweifel, dass eine Belebung der Innenstadt (A-Zentrum) nicht erreicht werden kann durch einen Neubau außerhalb des so bestimmten Innenstadtbereichs. Auch im Hinblick auf die Wertstabilität ist einem Grundstück inmitten eines Bereichs, der langfristig als Stadtzentrum entwickelt werden soll, gegenüber einem Grundstück außerhalb dieses Bereichs ein eindeutiger Vorteil beizumessen. Fehlt es aber danach an der Voraussetzung, dass die sich alternativ gegenüber stehenden Lösungsmöglichkeiten jeweils in gleicher Weise geeignet sind, den definierten Beschaffungszweck zu erfüllen, so kommt es auf eine weiter gehende Begründung des Ausschlusses der nicht gleichwertigen Alternative, hier also der Ausweitung des Baugebietes, nicht an.

115

3. Das Vergabeverfahren des Antragsgegners leidet jedoch an einem anderen, bereits mit der Vergabebekanntmachung verursachten Mangel; die vom Antragsgegner bestimmte Bewerbungsfrist ist angesichts der konkreten Teilnahmebedingungen unangemessen kurz. Aus diesem Grunde ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet.

116

a) Allerdings hat der Antragsgegner die in § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 VOB/A vorgeschriebene Mindestfrist für die Bewerbung überschritten. Da der Antragsgegner die Vergabebekanntmachung den Anforderungen des § 10a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 VOB/A entsprechend elektronisch erstellt und übermittelt hat, musste die Bewerbungsfrist hier mindestens 30 Kalendertage betragen. Der Antragsgegner bestimmte eine Bewerbungsfrist von knapp 42 Kalendertagen - der 08.03.2012 stand lediglich bis 12:00 Uhr zur Verfügung.

117

b) Die Bewerbungsfrist in einem Teilnahmewettbewerb darf sich jedoch nicht nur an der Wahrung der Mindestfrist orientieren, sondern sie muss jeweils einzelfallbezogen angemessen sein, um einem fachkundigen Unternehmen eine ordnungsgemäße und aussichtsreiche Bewerbung zu ermöglichen. Dabei sind das Anforderungsprofil der Bewerbungsbedingungen im Vergleich zum Regelfall einer solchen Ausschreibung und sonstige besondere Umstände, z. Bsp. die Notwendigkeit des Ausgleichs des zeitlichen und Wissensvorsprungs eines teilnahmeinteressierten Projektanten (vgl. § 6a Abs. 9 VOB/A), zu berücksichtigen (vgl. Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2010, § 10a Rn. 32). Nach diesen Maßstäben war hier die Frist von knapp 42 Kalendertagen erheblich zu kurz.

118

aa) Für die Bemessung der Bewerbungsfrist ist der Umfang der innerhalb dieser Frist vom Interessenten zu erledigenden Aufgaben zu berücksichtigen.

119

(1) Die vorliegende Ausschreibung wich vom Regelfall einer VOB/A-Ausschreibung schon dadurch erheblich ab, dass es um ein Großbauvorhaben ging mit entsprechend angepassten strengeren Anforderungen an den Nachweis der Eignung als Bauunternehmen. Hinzu kam die Komplexität des Beschaffungsgegenstandes, die sich darin zeigte, dass sie nicht nur die Bauleistung eines Gewerks betraf, sondern die vollständige Errichtung eines Gebäudes sowie die vollständigen Planungsleistungen, wodurch im Rahmen des Nachweises der Fachkunde höhere Anforderungen zu erfüllen waren. Der Auftrag umfasste zudem die Finanzierung des Bauvorhabens über einen langfristigen Zeitraum von 25 Jahren, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Bauunternehmens gehört und häufig auch die Einbindung eines Finanzierungspartners erfordert.

120

(2) Die maßgebliche Besonderheit der vorliegenden Ausschreibung bestand darin, dass der Auftragnehmer das zu bebauende Grundstück zu stellen hatte. Eine solche Gestaltung einer Ausschreibung nach der VOB/A ist zulässig, aber atypisch. Auf die Notwendigkeit der Grundstücksbeschaffung muss auch ein fachkundiger und ansonsten leistungsfähiger Bieter nicht eingestellt sein. Insbesondere kann nicht vorausgesetzt werden, dass es ausreichend Bauunternehmen gibt, die ein den sehr speziellen Anforderungen der vorliegenden Ausschreibung entsprechendes Grundstück bereithalten. Die Beschwerdeführer verkennen in ihren Beschwerdebegründungen, dass es sich bei der Anforderung der Grundstücksbeistellung nicht um eine allgemein übliche, auftragsunabhängig vorzuhaltende Eignungsvoraussetzung einer Bauausschreibung handelt. Aus dieser Vorgabe des Antragsgegners resultiert, dass ein potenzieller Bewerber außerhalb seiner Kernkompetenz geeignete Grundstücke finden, deren Eigentümer ermitteln und kontaktieren und die Erwerbsmöglichkeiten erkunden muss. Erst danach kann seine weitere Planung beginnen, insbesondere die Abschätzung, mit welchem Kostenaufwand für eine aussichtsreiche Bewerbung um den Gesamtauftrag zu rechnen ist und ob für ihn eine Teilnahme an der Ausschreibung wirtschaftlich anstrebenswert ist. Die vorgenannte Anforderung führt mithin, insbesondere für einen nicht ortskundigen Interessenten, an den sich die EU-weite Ausschreibung auch wendet, regelmäßig zu einem erhöhten Zeitbedarf in der Bewerbungsphase.

121

(3) Für die Bemessung einer angemessenen Bewerbungsfrist war weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach den von ihm selbst vorgegebenen Bewerbungsbedingungen bereits im Teilnahmewettbewerb eine hinreichend sichere Erkenntnis darüber gewinnen wollte, dass jeder Bewerber unverzüglich nach Zuschlagserteilung zur Ausführung der Leistungen in der Lage sein wird. Daher sahen die Bewerbungsbedingungen vor, dass jeder Bewerber, soweit er nicht bereits Eigentümer einer geeigneten Immobilie ist, innerhalb der Bewerbungsfrist die Sicherung des künftigen Eigentumserwerbs, insbesondere durch Vorlage eines notariell beurkundeten Verkaufsangebots des Eigentümers einschließlich Eigentumsnachweises, zu belegen hat. Hieraus folgt, dass der Bewerber nicht nur mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen, sondern diesen - erforderlichenfalls auch unter Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist - zu einer endgültigen Entscheidung über die Veräußerung bewegt und eine entsprechende notarielle Beurkundung erfolgreich veranlasst haben musste. Auch diese erhöhten Anforderungen müssen sich in der Fristbemessung niederschlagen.

122

(4) Schließlich war innerhalb der Bewerbungsfrist auch nachzuweisen, dass nach Zuschlagserteilung unmittelbar mit dem Abbruch von Bestandsgebäuden und -baulichkeiten auf dem Baugrund, die im Innenstadtbereich einer Großstadt typischerweise zu erwarten waren, begonnen werden kann. Dieser Nachweis setzte zumindest eine Eigenerklärung des Bewerbers voraus, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist Nutzungsrechte Dritter einem Abbruch nicht entgegen stehen. Mit anderen Worten: Ein Bewerber hatte, um eine solche Eigenerklärung seriös abgeben zu können, innerhalb der Bewerbungsfrist eine Aufhebung aller bestehenden Nutzungsrechte - dinglich oder schuldrechtlich - zu erreichen. Auch insoweit handelt es sich um eine Forderung des Antragsgegners, deren Erfüllung außerhalb der Kernkompetenzen der mit der Ausschreibung angesprochenen Unternehmenskreise lag.

123

bb) Bei der Bemessung der hier festzulegenden Bewerbungsfrist war zur Vermeidung einer unzulässigen Beschränkung des Wettbewerbs vom Zeitaufwand eines nicht ortskundigen Unternehmens auszugehen. Insbesondere kann aus dem - geringen - Zeitbedarf der Beigeladenen kein allgemeiner Maßstab abgeleitet werden, weil die Beigeladene ein ortsansässiges Unternehmen mit einem eigenen, sehr gut geeigneten Baugrundstück für die ausgeschriebene Leistung ist und auch aus der ex ante-Sicht des Antragsgegners nicht damit zu rechnen war, dass weitere Unternehmen mit einem vergleichbaren Vorlauf existierten.

124

cc) Unter Berücksichtigung der genannten Einzelumstände erachtet der Senat hier eine Bewerbungsfrist von mindestens 90 Kalendertagen (d.h. von drei Monaten) als erforderlich, um einen fairen Wettbewerb erwarten zu dürfen. Die stattdessen bestimmte Frist von knapp 42 Kalendertagen war danach jedenfalls unangemessen, weil sie nicht einmal die Hälfte der vorgenannten Frist erreichte.

125

c) Der festgestellte Vergaberechtsverstoß hat sich auch auf die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin ausgewirkt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragstellerin bei Festlegung einer angemessenen Bewerbungsfrist die Einreichung eines Teilnahmeantrages möglich gewesen wäre.

126

4. Die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens kann im Rahmen einer Fortführung des bereits eingeleiteten Verfahrens nicht hergestellt werden. Der Vergabeverstoß betrifft eine in der Vergabebekanntmachung getroffene Regelung, deren Korrektur nur durch eine Zurückversetzung des Verfahrens vor den Stand der Absendung der Vergabebekanntmachung erfolgen kann. Insoweit war die Verpflichtung zur Aufhebung der laufenden Ausschreibung, welche die Vergabekammer angeordnet hatte, zu bestätigen. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner auch zutreffend verpflichtet, bei Fortbestehen seiner Vergabeabsicht ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Der Senat hat in seinem Beschlussausspruch klar gestellt, dass bei der Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nunmehr die Rechtsauffassung des erkennenden Senats Beachtung zu finden hat.

127

III. Die Vergabekammer ist bei ihrer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner keine Kostenbefreiung genießt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

128

1. Für die Frage der Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer enthält die Vorschrift des § 128 GWB keine eigene Regelung; in Abs. 1 wird auf „das Verwaltungskostengesetz“ verwiesen. Diese Verweisung in § 128 Abs. 1 GWB bezieht sich zwar nach ihrem Wortlaut auf das Bundesverwaltungskostengesetz; für ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt, welches sich nach den Verfahrensvorschriften des Landes richtet, ist auch das VwKostG LSA anzuwenden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 17.09.2002, 1 Verg 8/02).

129

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG LSA sind Amtshandlungen zwar grundsätzlich gebührenfrei, wenn eine Landesbehörde für deren Vornahme Veranlassung gegeben hat; diese Bestimmung gilt jedoch nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA nicht bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe. Diese Ausschlussregelung erfasst auch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, welches in kostenrechtlicher Hinsicht einem Widerspruchsverfahren vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.).

130

IV. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB und orientiert sich an §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Antragsgegner ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.

131

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei mangels vorliegender Angebote den vom Auftraggeber geschätzten Bruttoauftragswert zugrunde. Der Antragsgegner hat diesen Wert mit Schreiben vom 24.04.2012 gegenüber der Vergabekammer mit 25,7 Mio. € angegeben und hierbei zutreffend neben dem Wert der reinen Bauplanungs- und Bauarbeitsleistungen auch den Wert der Finanzierungsleistungen über eine Laufzeit von 25 Jahren und den Wert der Grundstücksbeistellung berücksichtigt. Diese Schätzung macht sich der Senat zu Eigen.


Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner leitete am 17.07.2012 ein Offenes Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für Leistungserbringer i.S. von § 11 RettDG LSA 2006, jeweils verbunden mit der gleichzeitigen Vergabe von Einzelaufträgen für Rettungsdienstleistungen, auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2009 - durch Absendung einer EU-weiten Vergabebekanntmachung ein. Der Auftrag wurde in neun Regionallose aufgeteilt.

2

Die Antragstellerin zu 1), ein gewerblich tätiges Unternehmen im Bereich des Krankentransports und eine Gesellschaft des ...- Konzerns (künftig: die Antragstellerin), forderte die Vergabeunterlagen an und beabsichtigte nach eigenen Angaben, ein Angebot für alle Lose abzugeben. Sie rügte vor Angebotsabgabe die Bewerbungs- und Ausschreibungsbedingungen unter verschiedenen Aspekten als vergaberechtswidrig und hat, nachdem der Antragsgegner ihren Rügen nicht abgeholfen hatte, eine vergaberechtliche Nachprüfung mit dem Ziel beantragt, dass dem Antragsgegner die Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen untersagt werden möge. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag, der im Verlaufe des Verfahrens erweitert worden ist, nach mündlicher Verhandlung vom 04.10.2012 durch ihren Beschluss vom 19.10.2012 als teilweise unzulässig, überwiegend unbegründet zurückgewiesen.

3

Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der erkennende Senat nach mündlicher Verhandlung vom 15.02.2013 mit seinem Beschluss vom 14.03.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Die Ausfertigung dieser Entscheidung ist der Antragstellerin am 20.03.2013 zugestellt worden.

4

Mit Schriftsatz vom 22.03.2013, der beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax am selben Tage eingegangen ist, hat die Antragstellerin eine Anhörungsrüge erhoben.

5

Die Antragstellerin beanstandet, dass der Senat auf seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren (Az.: 1 VK LSA 5/11 Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Gz.: 2 Verg 10/11 Oberlandesgericht Naumburg) zurückgegriffen hat (BA S. 19), weil der Senat zuvor nicht auf die Absicht der Verwertung dieser Erkenntnisse hingewiesen habe. Hilfsweise hat sie die Einsicht in die vollständigen Akten des vorgenannten Verfahrens beantragt. Die Antragstellerin meint, dass nicht ersichtlich sei, worauf der Senat seine Feststellungen gestützt habe, dass der Antragsgegner bei der Festlegung der Standorte der Rettungswachen ein Verfahren zur Messung von Hilfsfristen habe vermeiden wollen (BA S. 19 f.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege auch vor, soweit der Senat Einschätzungen zum Markt für Rettungsdienstleistungen vorgenommen habe. Die Bewertungen der Marktentwicklung seien unvollständig. Insbesondere sei der Senat fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Antragstellerin „neu“ im Markt auftrete. Bezogen auf den Binnenmarkt im EU-Raum sei die getroffene Marktanalyse insgesamt unzutreffend. Auch in Deutschland entwickle sich inzwischen ein Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes. Der Senat habe diese Feststellungen im Übrigen nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen dürfen.

6

Im Übrigen meint die Antragstellerin, dass die Entscheidungsgründe in sich widersprüchlich seien, soweit in ihnen teilweise auf den Inhalt des Vergabevermerks abgestellt werde – so auf Ziffer 6 (zur Losaufteilung), Ziffer 10.3 (zur Festlegung der Standorte der Rettungswachen) und Ziffer 11 (Zuschlagskriterien), obwohl der Vergabevermerk insgesamt zu Recht als rechtlich unerheblich bewertet worden sei (BA S. 29). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer sei – entgegen der Auffassung des Senats – nicht notwendig gewesen. Soweit der Senat von einer Dringlichkeit des Abschlusses des Beschaffungsvorganges ausgegangen sei, sei dies unter Berücksichtigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner nicht nachvollziehbar.

7

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen durch Schriftsatz vom 27.03.2013 ergänzt.

8

Der Antragsgegner beantragt, die Anhörungsrüge der Antragstellerin zurückzuweisen. Er verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft sein Vorbringen im Nachprüfungsverfahren.

B.

9

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

10

Der Senat hat mit seiner Entscheidung vom 14.03.2013 das rechtliche Gehör der Antragstellerin nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Eine Fortführung des Beschwerdeverfahrens ist aufgrund der Rüge der Antragstellerin nicht geboten.

11

I. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 71a Abs. 1 GWB statthaft, weil gegen die Entscheidung des Senats ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist und die Antragstellerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. Die Rüge ist fristgerecht (§ 71a Abs. 2 S. 1 GWB) und in der vorgeschriebenen Form (§ 71a Abs. 2 S. 4 und 5 GWB) eingelegt worden.

12

II. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist unbegründet.

13

1. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör zu allen entscheidungserheblichen Aspekten der Rechtssache ist objektiv nicht gegeben.

14

a) Der Senat hat seine Entscheidung, dass die Beibehaltung der ursprünglichen Standorte der Rettungswachen innerhalb der – gegenüber vorherigen Festlegungen auch unverändert gebliebenen – Rettungswachenbezirke sachlich gerechtfertigt sei, auf offensichtliche, d.h. für jedermann erkennbare tatsächliche Umstände gestützt, die Gegenstand der wechselseitigen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten gewesen sind. Dies betraf insbesondere den Rettungsdienstbereichsplan vom 01.07.2009, der Gegenstand der Vergabeunterlagen gewesen ist. Bereits das Erstellungsdatum zeigt, dass der der aktuellen Ausschreibung für eine Leistungserbringung ab 01.01.2013 zugrunde liegende Zuschnitt der Bezirke der Rettungswachen zuvor bereits seit mehreren Jahren bestanden hatte. Die Standorte der Rettungswachen befanden sich ausweislich dieses Planes bereits vor der Ausschreibung in den jeweiligen Umkreisen, die nunmehr in der aktuellen Ausschreibung auch als Standortbereiche der neuen Rettungswachen vorgegeben worden sind. Beide Beteiligte, d.h. auch die Antragstellerin, sind im Beschwerdeverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in seinen Vergabeunterlagen die bisherigen Standortverhältnisse fortgeschrieben und lediglich durch die Eröffnung eines „Standortumkreises“ – aus Sicht der Antragstellerin unzureichend – erweiterte Zugangsmöglichkeiten für neue Bewerber geschaffen hatte. Der Senat hat schließlich im Rahmen der umfangreichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung (ca. 50 Minuten Einführungsvortrag des Vorsitzenden, ca. 80 Minuten Stellungnahmen der beiden Beteiligten und Rechtsgespräch) alle entscheidungserheblichen Aspekte angesprochen, darunter auch den Aspekt der sachlichen Rechtfertigung der Festlegung der Standortbereiche, und seine vorläufige Bewertung und deren tatsächliche Grundlagen dargestellt. Eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin, sich zu dieser Streitfrage angemessen zu äußern, ist unter diesen Umständen auszuschließen.

15

Soweit der Senat in den Gründen der gerügten Entscheidung ergänzend seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren erwähnt hat, ist dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen, wie sich auch aus den Formulierungen des Beschlusses selbst ergibt. Im Übrigen ist der Senat davon ausgegangen, dass der Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren bekannt gewesen ist. Ob diese Annahme zutreffend gewesen ist, kann hier offen bleiben. Die Vergabekammer hatte auf das Verfahren 2 VK LSA 5/11 Bezug genommen, weil es ein letztlich gescheitertes Verfahren zur Vergabe der hier streitgegenständlichen Aufträge zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin selbst hat sich auf die Entscheidung des Senats im Nachprüfungsverfahren 2 Verg 10/11 bezogen und u.a. ausgeführt, dass diese Entscheidung Auslöser für die Änderung des Landesrettungsdienstgesetzes durch den Landtag im Jahre 2012 gewesen sei. Der Senatsvorsitzende hat in seiner Ladungsverfügung vom 22.11.2012 ebenfalls auf das vorangegangene Nachprüfungsverfahren hingewiesen.

16

b) Der Senat hat seine Feststellung, dass die Beibehaltung der Rettungswachenbezirke und der Standortbereiche der einzelnen Rettungswachen u.a. auch dem Zweck dienen sollte, den Aufwand der Ausschreibung gering zu halten und aufwendige Prüfverfahren zu vermeiden, dem nachvollziehbaren und von der Antragstellerin nicht erheblich bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners entnommen. Schon in der ersten Rügeantwort des Antragsgegners vom 31.07.2012 an die Antragstellerin (dort auf S. 4) heißt es, dass der Antragsgegner darauf bedacht gewesen sei, die Einhaltung der gesetzlichen Notfristen zu gewährleisten und dass ihm dies „auf gesicherter Tatsachenkenntnis … nur möglich (sei), wenn auch die zukünftigen Rettungswachen in diesem Umfeld gelegen … (seien). … Er (der Antragsgegner) würde weder seinem Sicherstellungsauftrag gerecht werden noch ließe sich so ein effektives Auswahlverfahren durchführen, da der Auftraggeber bei freier Standortwahl durch die Bieter bei jedem Standort prüfen müsste, ob das Versorgungsziel und die Sicherstellung des Rettungsdienst(es) mit dem angebotenen Standort gewährleistet werden … (könne)“. Dieses Vorbringen hat der Antragsgegner im Verlaufe des Verfahrens vor der Vergabekammer und insbesondere auch in seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und vertieft. Auf den pauschalen Vorwurf der Antragstellerin, dass der Rettungsdienstbereichsplan 2009 ggf. nicht geeignet gewesen sei, die Hilfsfristen zu wahren, hat der Antragsgegner auf die in den Jahren 2009 bis 2012 gesammelten Erfahrungen verwiesen. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung – und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich angekommen wäre – die in Betracht kommenden Prüfungsverfahren, die der Antragsgegner gemeint hat, beispielhaft benannt. Die Antragstellerin hat jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt, zu dem Teilaspekt der Vermeidung aufwendiger Prüfungsverfahren Stellung zu nehmen.

17

c) Gleiches trifft auf die Einschätzung der Marktsituation durch den Senat und insbesondere auf die Feststellung zu, dass es derzeit in Sachsen-Anhalt keinen eigenständigen Anbietermarkt für (isoliert ausgeschriebene) Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gibt. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht, dass es einen spezifischen Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gebe und dass daher die isolierte Vergabe dieser Teilleistungen geboten gewesen sei. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie sich für ein solches Fachlos interessiert habe. Die Antragstellerin hat sich vielmehr im Wesentlichen gegen die Zusammenlegung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zu jeweils einem Regionallos gewandt und auf die Vielzahl der privaten Interessenten im (isolierten) Bereich des qualifizierten Krankentransportes verwiesen. Die Ausführungen des Senats in den Gründen der Entscheidung vom 14.03.2013 folgen spiegelbildlich dieser Gewichtung im Beschwerdevorbringen der Antragstellerin. Im Rahmen der mündlichen Erörterung der Rechtssache hat der Senat jedoch seine Markteinschätzung insgesamt offen gelegt, ohne dass die Antragstellerin dieser Darstellung, die im Wesentlichen mit den Ausführungen im Beschluss übereingestimmt hat, widersprochen hätte. Danach hat ein weiterer Sachaufklärungsbedarf für die Frage, ob Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes als gesondertes Fachlos auszuschreiben gewesen wären, nicht bestanden. Denn auch im Beschwerdeverfahren gilt, dass das Beschwerdegericht sich bei seinen Untersuchungen grundsätzlich auf das beschränken kann, was die Verfahrensbeteiligten vorbringen. Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörungsrüge auf neuere Marktentwicklungen und insbesondere auf eine Ausschreibung in der Grenzregion in Aachen verweist, wäre dieses Vorbringen im Übrigen nicht geeignet gewesen, hieraus auf die Vergaberechtswidrigkeit der vom Antragsgegner im Juli 2012 vorgenommenen Beurteilung zu schließen.

18

Hinsichtlich der Zusammenfassung der beiden anderen Leistungsbereiche hat der Senat zugunsten der Antragstellerin (trotz seiner Bedenken) als wahr unterstellt, dass eine Fachlosaufteilung in Betracht gekommen wäre, hat sodann aber festgestellt, dass hier fachliche und wirtschaftliche Gründe die Zusammenfassung erforderten. Für die Frage der Rechtfertigung der Gesamtlosvergabe aller Rettungsdienstleistungen im Rahmen eines Gebietsloses hat der Aspekt der Bewertung der Marktverhältnisse keine Bedeutung erlangt.

19

2. Soweit die Antragstellerin auf vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Senats verweist, folgt ihr der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rügeverfahren nicht.

20

a) Die Feststellung des Senats, dass der Vergabevermerk unter dem 20.07.2012 nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A entspricht, mit der entsprechende Erkenntnisse der Vergabekammer lediglich bestätigt worden sind, steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat in anderen Zusammenhängen von einer jeweils ausreichenden Dokumentation bestimmter Einzelmaßnahmen ausgegangen ist. Bestandteile der Dokumentation des Vergabeverfahrens sind auch die Vergabeunterlagen oder der Schriftverkehr zwischen Vergabestelle und Bewerbern. Eine Dokumentation in Form eines Vermerks ist nur in wenigen Einzelfällen vorgeschrieben. Die Formunwirksamkeit des finalen Vergabevermerks hebt die Formwirksamkeit der vorangegangenen Dokumentation nicht auf. Für die vorliegende Entscheidung im Rügeverfahren ist jedoch maßgeblich, dass die Antragstellerin insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht beanstandet hat; die Antragstellerin hatte vielmehr Gelegenheit, zu dieser Auffassung des Senats Stellung zu nehmen, weil der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich – jedoch unter Kennzeichnung als vorläufige Ansicht – eingegangen ist und weil der Senat damit lediglich aufgegriffen hat, was bereits die Vergabekammer ausgeführt hatte.

21

b) Mit ihrem weiteren Vorbringen in der Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen inhaltliche Aspekte der Senatsentscheidung, ohne eine Gehörsverletzung geltend zu machen. Es ist nicht Sinn des Rügeverfahrens, eine andere Überprüfung als der Kontrolle der Gewährung rechtlichen Gehörs zu eröffnen.

22

3. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rügeführerin daran fest, dass die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für erforderlich ansehen durfte. Daran vermag auch der Verweis auf die spätere Aussetzung des Vergabeverfahrens nichts zu ändern, die ggf. bereits auf anwaltliches Anraten erfolgte.

23

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB sowie auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung eines Kostenwerts war entbehrlich, weil die Gerichtsgebühren als Pauschalgebühr ausgestaltet sind und für die Verfahrensbevollmächtigten weitere Gebühren nicht entstanden sind.


Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner für den Fall des Fortbestehens der Vergabeabsicht aufgegeben wird, ein Vergabeverfahren nach § 3a VOB/A unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

Die Beigeladene hat die Hälfte der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; der Antragsgegner ist von der Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Gerichtskosten befreit. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.285.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner beabsichtigte die Errichtung des Neubaus eines Verwaltungsgebäudes für ein Finanzamt in der Innenstadt von H.  . Er schrieb den vorgenannten Bauauftrag EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Vergabeordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2009 - zur Vergabe aus. Der Auftrag umfasste die Planung und die Errichtung des Gebäudes nebst integrierter Kantine mit Speisesaal mit einer Hauptnutzungsfläche von ca. 8.000 qm sowie von 250 Parkplätzen und die Finanzierung der Gesamtkosten des Vorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs über einen Zeitraum von 25 Jahren. Das Bauvorhaben sollte auf einem bzw. auf mehreren im Eigentum des Auftragnehmers stehenden Grundstücken realisiert werden, wobei nach Zahlung der letzten von 300 gleichbleibenden monatlichen Raten das Eigentum auf den Auftraggeber übergehen sollte. Hinsichtlich der Parkplätze war vom Antragsgegner freigestellt worden, dass nur „die geforderte Anzahl der nach DIN geforderten Behindertenparkplätze und 10 Parkplätze für Anlieferungen“ direkt am oder im Gebäude zu schaffen sei und die anderen Parkplätze auch „in einer fußläufigen Entfernung von max. 500 m“ liegen dürften. Alternativ zur Übereignung der Parkplätze könne auch ein dauerhaftes, dinglich gesichertes Nutzungsrecht angeboten werden. Optional sei die Wartung, Inspektion und Instandsetzung der Baulichkeit nach DIN 31051 während der 25-jährigen Finanzierungsphase anzubieten. Alternativangebote seien zugelassen, jedoch sei der Umbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden nicht zulässig. Der Bruttoauftragswert wurde vom Antragsgegner auf ca. 25,7 Mio. Euro geschätzt.

2

Hinsichtlich des vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstücks enthielt die Vergabebekanntmachung folgende Vorgaben:

3

„Das Grundstück muss für die Umsetzung des Raumbedarfsplanes einschließlich erforderlicher Parkplätze geeignet sein. Von der Vergabestelle wird davon ausgegangen, dass hierzu ungefähr eine Mindestgröße von 3.000 qm bei Lückenbebauung, ansonsten von 4.300 qm benötigt wird.

4

Das Grundstück muss im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt - A-Zentrum - „ der Stadt H. liegen - der Plan, der die Fördergebietsgrenzen ausweist, wird von der unter A.1. benannten Stelle als Formblatt F zu den Unterlagen des Teilnahmeantrages auf Anforderung versandt -.“

5

Als Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.2.2) der Vergabebekanntmachung) waren u.a. aufgeführt:

6

„… 1. Nachweis des Eigentums an einem bebauungsfähigen Grundstück im „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) … Nachweisführung durch Grundbuchauszug.

7

Alternativ: Nachweis der rechtlich sicheren Möglichkeit zum sofortigen Eigentumserwerb eines derartigen Grundstücks nach Zuschlagserteilung, gesichert durch Bindung des derzeitigen Eigentümers bis mindestens 6 Monate nach beabsichtigter Zuschlagserteilung; Nachweisführung durch notarielles Kaufangebot des derzeitigen Eigentümers oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Eigentumserwerbs ergibt; Grundbuchauszug.

8

2. Nachweis, dass die Übertragung des Eigentums an Grund und Boden auf … frei von Rechten Dritter, die die Nutzung bzw. Verwertung des Grundstücks nicht nur unerheblich beeinträchtigen können, erfolgen kann; Nachweisführung bei im Grundbuch eingetragenen Belastungen durch Erklärung des Rechteinhabers, zu sonstigen Rechten durch Eigenerklärung des Bieters,

9

3. Nachweis der gesicherten verkehrstechnischen Erschließung des Grundstücks durch Lageplan des Grundstücks, bei Hinterliegergrundstücken ist dingliche Sicherung des Zugangs zum öffentlichen Verkehrsraum nachzuweisen,

10

4. Bei derzeit bebauten Grundstücken: Nachweis, dass nach Zuschlagerteilung unmittelbar mit dem Abbruch begonnen werden kann.

11

Bei vorhandenen Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist hierzu eine Abbruchgenehmigung oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Abbruchs des Denkmals ergibt und eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen beizufügen.

12

Bei sonstigen Gebäuden ist eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen, hinreichend.“

13

Die Vergabebekanntmachung wurde auf elektronischem Wege über das Internetportal des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union, dort über das Portal für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge (SIMAP), erstellt und am 26.01.2012 übermittelt. Die Veröffentlichung erfolgte am 31.01.2012. Die Unterlagen des Teilnahmeantrags mussten bei dem als Vergabestelle fungierenden Eigenbetrieb des Antragsgegners bzw. bei einer externen Beraterin des Antragsgegners angefordert werden und wurden sodann in schriftlicher Form versandt. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 08.03.2012, 12:00 Uhr bestimmt.

14

Die Antragstellerin forderte am 08.02.2012 per eMail die Übersendung der Bewerbungsunterlagen an. Die Bewerbungsunterlagen enthielten das Formblatt F, dem die Begrenzung des Fördergebietes Innenstadt (A-Zentrum) zu entnehmen war. Sie wiederholten in der „Musteraufstellung für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen zum Teilnahmeantrag“ unter Registerblattnummer 2 die vorzitierten Teilnahmebedingungen. Insgesamt ließen sich 24 Unternehmen und Einrichtungen die Bewerbungsunterlagen übersenden.

15

Mit Schreiben vom 01.03.2012 erhob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine Verfahrensrüge. Sie bekundete großes Interesse an einer Teilnahme am Vergabeverfahren und führte weiter aus:

16

„Nach Prüfung der Unterlagen sichert das Verfahren keinen ordentlichen Wettbewerb. Dies aus folgenden Gründen:

17

Das vom Bewerber mit zu liefernde Grundstück muss sich nach den Ausschreibungsbedingungen im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. befinden. In diesem Gebiet gibt es keine „freien“ Grundstücke, die für Wettbewerber ein Angebot zulassen.

18

Das sich im genannten Gebiet befindende Grundstück „S. “ steht im Eigentum der Firma P. in H. . Es ist für Wettbewerber nicht im Zugriff.

19

Ein weiteres Grundstück befindet sich im Eigentum der W.  , die auf dem Grundstück eigene Planungen verwirklichen will.

20

Das letzte mögliche Grundstück innerhalb des eingeschränkten Bereiches ist das „B.“ . Hierbei handelt es sich um 13 Einzelflächen, die teilweise im Eigentum von Erbengemeinschaften stehen. Hier ist innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist praktisch keinerlei Grundstückssicherung möglich.

21

Damit ist ein Wettbewerb nicht mehr gegeben und nicht mehr möglich.“

22

Sodann schlug die Antragstellerin vor:

23

„Durch eine minimale Erweiterung des möglichen Gebietes, insbesondere in östliche und/oder südliche Richtung stünden auch Wettbewerbern potenzielle Grundstücke zur Verfügung.

24

Wir beantragen deshalb eine Gebietsvergrößerung, damit tatsächlich ein Wettbewerb stattfinden kann, den das öffentliche Ausschreibungsverfahren ausdrücklich vorsieht.“

25

Das Schreiben endet mit der Bitte um kurzfristige Antwort bis spätestens 06.03.2012, um eine Teilnahme am Wettbewerb noch zu ermöglichen, und mit dem Satz:

26

„Bei einem ablehnenden Bescheid behalten wir uns vor, das Verfahren einer formellen Nachprüfung zu unterstellen.“

27

Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 06.03.2012 (Fax von 14:11 Uhr) zurück. In diesem Schreiben führte der Antragsgegner aus, dass für die Standortbestimmung im unmittelbaren Zentrum der Stadt H. die Ermöglichung einer größtmöglichen Bürgernähe und Erreichbarkeit und die Förderung der Entwicklung der Stadt als Oberzentrum in Sachsen-Anhalt maßgeblich gewesen seien. Die Bestimmung der Grenzen des Gebietes sei nach streng objektiven Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung dieser Ziele erfolgt. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass das Fördergebiet bereits mit Beschluss des Stadtrates der Stadt H. vom 24.11.2010 festgelegt worden sei. Mit der Ansiedlung des Finanzamtes als wichtige öffentliche Einrichtung werde ein Beitrag zur funktionalen Stärkung der Innenstadt von H. geleistet. Vorab durch den Antragsgegner durchgeführte Untersuchungen ließen auch nicht den Schluss zu, dass es innerhalb dieses Gebietes keine oder lediglich ein Grundstück gebe, welches zu Bebauungszwecken zur Verfügung stehe. Der Antragsgegner schloss mit dem Hinweis, dass die Rüge darüber hinaus auch aus näher benannten rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne.

28

Die Antragstellerin gab keine Bewerbung ab. Bei der Öffnung der Teilnahmeanträge lag lediglich der Teilnahmeantrag eines in H. ansässigen Hochbauunternehmens vor, welches Eigentümerin des zur ausgeschriebenen Bebauung geeigneten Grundstücks „S. “ in der Innenstadt der Stadt H. ist, die jetzige Beigeladene.

29

Mit Schriftsatz vom 13.03.2012 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegner verpflichtet werden möge, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht unter Berücksichtigung eines erweiterten Fördergebietes und angemessener Fristen neu auszuschreiben. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren keinen ordnungsgemäßen Wettbewerb sichere. Das für die ausschreibungsgemäße Errichtung zulässige Baugebiet sei zu klein und die Frist zur Abgabe eines Angebots (meint: Teilnahmeantrags) sei zu kurz bemessen. Die Anforderung der Ausschreibung, wonach ein Bewerber innerhalb von sechs Wochen ein geeignetes Grundstück sichern und diese Sicherung belegen müsse, sei praktisch nicht umsetzbar, soweit der Bewerber nicht bereits Eigentümer eines entsprechenden Grundstücks innerhalb des zugelassenen Baugebiets sei.

30

Die Vergabekammer hat die einzige Bewerberin mit Beschluss vom 03.04.2012 zum Nachprüfungsverfahren beigeladenen und ihr mit Beschluss vom 12.04.2012 Akteneinsicht gewährt. Der Antragsgegner hat mit den eingereichten Vergabeakten lediglich einen undatierten, jedenfalls nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigten Vergabevermerk vorgelegt, aus dem sich zur Standortbegrenzung Folgendes findet:

31

(S. 3:) „Gegenständlich soll der Neubau auf einem vom Bieter zu beschaffenden Grundstück im Bereich der Innenstadt der Stadt H., definiert durch das mit Beschluss des Stadtrats der Stadt H. festgelegte Gebiet A-Zentrum Altstadt (aktive Stadt- und Ortsteilzentren) in der Stadt H. realisiert werden. Hierdurch soll die Integration des Finanzamts im Bereich der Stadt H. und die Förderung der Erhaltung und die Entwicklung dieser Bereiche eine größtmögliche Bürgernähe, die Anliegen der Stadt H. ist und auch im Landesinteresse liegt, erreicht werden.“

32

(S. 5 f.:) „Als Mindestbedingung wurde festgelegt, dass ein Nachweis über ein bebauungsfähiges Grundstück im geplanten Gebiet nachzuweisen ist. Die strikte Vorgabe einer Mindestgrundstücksfläche wurde abgelehnt, vielmehr sollen nur Zielvorstellungen aufgenommen werden. Um den Teilnehmerkreis nicht einzuengen, soll zudem der Nachweis auch dadurch geführt werden können, dass ein Grundstückserwerb nach Zuschlagserteilung gesichert ist.

33

Weitere Mindestbedingungen soll der Nachweis der Lastenfreiheit und der gesicherten Erschließung des Grundstücks sein. Bei Grundstücken, welche derzeit noch bebaut sind, wurde festgelegt, dass der Nachweis zu erbringen ist, dass nach Zuschlagserteilung sofort mit dem Abbruch begonnen werden kann. Ausgiebig erörtert wurde das Thema Denkmalschutz. Im Ergebnis der Diskussion bestand Übereinstimmung, dass bei denkmalgeschützten Objekten zur Vermeidung von Bauzeitverzögerungen bereits im Teilnahmewettbewerb gefordert werden muss, dass nachgewiesen wird, dass das Denkmal abgebrochen werden kann. Hintergrund hierfür sind die außerordentlich langen Antragszeiten für eine Abbruchgenehmigung für ein Denkmal. Liegt eine solche noch nicht vor, kann dies sonst dazu führen, dass bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens unklar ist, ob der Bieter tatsächlich leistungsfähig ist und damit Bewerber zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden, denen die Umsetzung der Baumaßnahme im vorgegebenen Zeitrahmen ggf. nicht möglich ist. …“

34

Zur Bemessung der Bewerbungsfrist heißt es:

35

(S. 7:) „Es wurde eingeschätzt, dass ein Zeitraum von 6 Wochen zur Erarbeitung der Unterlagen des Teilnahmewettbewerbs notwendig aber auch hinreichend für die Bewerber ist. …“.

36

Der Vergabevermerk enthält auch eine Stellungnahme zur Rüge der Antragstellerin. Auch auf direkte Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 23.03.2012 nach einer zeitnahen Dokumentation des Entscheidungsprozesses bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs hat der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen übersandt und darauf verwiesen, dass alle weiteren Akten lediglich Unterlagen der Ausschreibung und der vertraglichen Abwicklung des Beratervertrages enthielten.

37

Der Vorsitzende der Vergabekammer hat die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 2 GWB am 04.04.2012 bis zum 30.04.2012 verlängert. Mit ihrem Beschluss vom 27.04.2012 hat die Vergabekammer nach mündlicher Verhandlung dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und dem Antragsgegner aufgegeben, das Vergabeverfahren aufzuheben. Für den Fall des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht habe er das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab Versendung der Vergabebekanntmachung zu wiederholen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegner die Festlegung des Bereichs, in dem der Standort des Neubaus des Finanzamts liegen solle, in seinem Vergabevermerk nicht hinreichend begründet habe. Insbesondere sei dem Vergabevermerk nicht zu entnehmen, ob der Antragsgegner bei dieser Festlegung berücksichtigt habe, ob die mit der Beschränkung des Bereichs verbundenen Wettbewerbseinschränkungen ein Ausmaß erreichten, bei dem ein Wettbewerb nicht mehr zustande kommen könne. Der Antragsgegner sei in entsprechender Anwendung des § 6a Abs. 4 VOB/A verpflichtet gewesen, bereits bei Vorbereitung des Vergabeverfahrens zweifelsfrei und belastbar zu dokumentieren, dass zumindest drei Objekte für potentielle Wettbewerber zur Verfügung stünden, die seinen Vorgaben entsprächen. Zudem sei die Bewerbungsfrist hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zu knapp bemessen gewesen. Die Bewerber hätten bei einer Vielzahl von Objekten zu recherchieren, ob diese für eine Leistungserbringung in Frage kämen.

38

Gegen diese ihnen jeweils am 30.04.2012 zugestellte Entscheidung richten sich die mit Schriftsatz vom 10.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners und die mit Schriftsatz vom 11.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

39

Beide Beteiligte sind der Meinung, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsbedarfs nur der eingeschränkten Nachprüfung unterliege. Die nach der Rechtsprechung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf und - diesem folgend - verschiedener Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen erforderlichen sach- und auftragsbezogenen Gründe für die Beschränkung des Standorts auf die Innenstadt der Stadt H. nach deren Festlegungen zum Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) lägen auch nach der Bewertung der Vergabekammer vor. Ein Auftraggeber könne und müsse nicht darüber hinaus auch Sorge dafür tragen, dass mindestens drei geeignete Bewerber existierten. Melde sich nur ein Bewerber, sei das Vergabeverfahren mit diesem Bewerber durchzuführen.

40

Hilfsweise verweisen sie darauf, dass mindestens drei Baugebiete in dem festgelegten Bereich existierten, welche die gestellten Anforderungen erfüllten, und nehmen Bezug auf die Antragserwiderung des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer, mit der er insgesamt 18 Grundstücke innerhalb des abgegrenzten Bereiches benannt hat, die s.E. für eine Verwendung zur Bewerbung in Betracht kämen. Soweit Zweifel an deren objektiver Eignung als Baugelände vorgelegen hätten, sei die Vergabekammer verpflichtet gewesen, Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Die Beschwerdeführer vertreten zudem die Ansicht, dass im Falle der Unaufklärbarkeit der Eignung der Grundstücke als Standort des Neubaus die Feststellungslast von der Antragstellerin zu tragen sei, weil diese das Vorliegen eines Rechtsverstoßes behauptet habe.

41

Beide Beteiligte wenden sich gegen die Feststellungen zur Bewerbungsfrist. Sie meinen, dass die Antragstellerin insoweit ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB nicht genügt habe und daher mit dieser Rüge präkludiert sei. Hilfsweise haben sie sich darauf berufen, dass die Frist angemessen gewesen sei, da sie mit 42 Kalendertagen über der Mindestfrist des § 10a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A von 37 KT gelegen habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, eine ausreichend lange Zeit für den Vollzug des Eigentumserwerbs einzuräumen, weil es rechtlich nicht geboten sei, jedem Bewerber ausreichend Zeit zur Schaffung der Eignung zur Auftragserfüllung einzuräumen. Außerdem seien auch geringere Nachweise zugelassen worden.

42

Der Antragsgegner hat darüber hinaus beanstandet, dass die Vergabekammer seine Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer nicht berücksichtigt habe.

43

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Beschwerdeschriften sowie - ergänzend - der Schriftsätze des Antragsgegners vom 28.06.2012, vom 04.07.2012 nebst umfangreichen Anlagen und vom 18.07.2012 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Beigeladenen vom 05.07.2012 und vom 06.08.2012 Bezug genommen.

44

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

45

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 27.04.2012 aufzuheben und

46

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

47

Die Antragsstellerin beantragt,

48

die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen jeweils zurückzuweisen.

49

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass die Bewerbungsfrist nicht angemessen gewesen sei.

50

Der Senat hat der Antragstellerin zunächst mit Beschluss vom 25.06.2012 Einsicht in die Vergabeakte durch Übersendung von Kopien gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass aus den bislang überreichten Vergabeunterlagen eine zeitnahe, fortlaufende Dokumentation des Entscheidungsprozesses für die konkrete Gestaltung der Ausschreibung vor Absendung der Vergabebekanntmachung nicht ersichtlich sei. Darauf hin sind vom Antragsgegner unmittelbar vor dem zunächst anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 umfangreiche Unterlagen nachgereicht worden. Hierin hat der Senat der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.07.2012 und der Beigeladenen mit Beschluss vom 07.08.2012 jeweils Einsicht gewährt.

51

Der Senat hat am 29.08.2012 zur Sache mündlich verhandelt; wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage Bezug genommen.

B.

52

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind jeweils zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht eingereicht worden. Sie haben jedoch im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

53

Die Vergabekammer ist zu Recht von der Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Zwar ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Dokumentation, deren Verwertung durch den Senat zulässig ist, eine hinreichende Rechtfertigung für die vorgenommene Beschränkung des in Betracht kommenden Baugebiets. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass angesichts der konkreten Bewerbungsbedingungen die für die Einreichung des Teilnahmeantrags zur Verfügung gestellte Bewerbungsfrist unangemessen kurz gewesen sei, ist aber begründet.

54

I. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich aller drei Rügen zu Recht als zulässig angesehen.

55

1. Die Antragstellerin ist insgesamt antragsbefugt i.S. von § 107 Abs. 2 GWB, auch wenn sie keinen Teilnahmeantrag eingereicht hat.

56

a) Sie hat ihr Interesse am Auftrag dadurch gezeigt, dass sie nicht nur die Bewerbungsunterlagen abgefordert, sondern sich innerhalb der Bewerbungsfrist auch schriftlich mit einer Verfahrensrüge an den Antragsgegner gewandt hat. Im Schreiben vom 01.03.2012 hat sie ihr Interesse an einer Teilnahme am Wettbewerb ausdrücklich bekundet. Sie hat sich zudem ein zur Bebauung geeignetes Grundstück in H. gesichert, welches jedoch außerhalb des räumlich vorgegebenen Bereichs belegen ist. Nicht zuletzt manifestiert sich ihr Interesse am Auftrag in der Durchführung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Änderung der Bewerbungsbedingungen.

57

b) Die Antragstellerin behauptet bereits vollzogene, nicht etwa nur drohende Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners durch die Begrenzung des Standortbereichs des Neubaus, die unzureichende Dokumentation der Entscheidungsprozesse sowie durch die Festlegung einer unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die beiden letztgenannten Rügen beziehen sich auf Verstöße gegen § 20 Abs. 1 VOB/A bzw. § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 VOB/A. Die Rüge der Standortauswahl betrifft die Entscheidung über den Beschaffungsgegenstand. Eine solche Entscheidung ist, worauf die Beschwerdeführer zu Recht verwiesen haben, dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert, so dass es aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich im Belieben des Auftraggebers steht, die Bauleistung frei nach seinen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser - ihren autonomen Zwecken entsprechenden - Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen, der nach den Maßgaben des Vergaberechts zu organisieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06. 2012, VII-Verg 7/12 „Fertigspritze“ - in juris ab Tz. 23 m.w.N.; OLG München, Beschluss v. 09.09.2010, Verg 10/10 „Gestühl Hörsaal“; aber auch Thüringer OLG, Beschluss v. 26.06. 2006, 9 Verg 2/06 „Anna-Amalia-Bibliothek“, VergabeR 2007, 220 - in juris Tz. 22). Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens - das Wettbewerbsprinzip, der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie der Transparenzgrundsatz - können jedoch durch eine dem Vergabeverfahren vorgelagerte Entscheidung des Auftraggebers gleichwohl verletzt sein, wenn die Entscheidung auf das Vergabeverfahren ausstrahlt und in ihm fortwirkt. Während ein Teil der vergaberechtlichen Rechtsprechung hiervon schon dann ausgeht, wenn für die zu beschaffende Leistung mehrere Lösungsvarianten in Betracht kommen und der Auftraggeber versäumt hat, sich zunächst einen Marktüberblick zu verschaffen und sodann zu begründen, warum eine andere als die von ihm letztlich gewählte Lösung nicht in Betracht kommt (so Thüringer OLG, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 22.05. 2008, 13 Verg 1/08 „Farbdoppler-Ultraschallsystem“), erachten andere Spruchkörper grundsätzlich eine Markterforschung oder Markterkundung nicht für notwendig (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; zuvor bereits Beschlüsse v. 17.02.2010, VII-Verg 42/09 „ISM-Funk“; v. 03.03. 2010, VII-Verg 46/09 „Kleinlysimeter“; v. 15.06.2010, VII-Verg 10/10 „unterbrechungsfreie Stromversorgung“). Das bedeutet jedoch nicht, dass nach der zuletzt genannten Ansicht das Bestimmungsrecht grenzenlos ist und gar keiner Nachprüfung unterliegt. Die gewählten Anforderungen müssen vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung der Auswahlentscheidung muss nachvollziehbar sein. Durch das Erfordernis der sachlichen Auftragsbezogenheit soll im Sinne einer Negativabgrenzung sichergestellt werden, dass der Auswahl- und Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen zugrunde liegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2010, a.a.O. - in juris Tz. 33). Die Antragstellerin macht hier gerade eine fehlende Auftrags- und Sachbezogenheit der Standortentscheidung und deren Auswirkung auf das Vergabeverfahren im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung und ggf. einer bewussten Bevorzugung der Beigeladenen geltend. Insoweit genügt eine schlüssige und angesichts des geringen Informationsstandes der Antragstellerin über die internen Entscheidungsprozesse beim Antragsgegner relativ wenig substantiierte Behauptung. Letztlich haben die Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellt, dass eine Nachprüfung im Hinblick auf eine Willkürfreiheit der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und auf eine Nichtdiskriminierung eröffnet sei.

58

c) Die Antragstellerin hat auch einen bei ihr eingetretenen Schaden schlüssig behauptet, indem sie geltend gemacht hat, dass sie gerade wegen der beiden genannten Vergaberechtsverstöße an einer erfolgversprechenden Bewerbung gehindert worden sei. Mit anderen Worten: Hierdurch hätten sich ihre Auftragschancen nicht nur verschlechtert, sondern sie seien durch die gerügte Ausgestaltung der Ausschreibung gänzlich vereitelt worden.

59

Soweit die Beschwerdeführer vor allem im Verfahren vor der Vergabekammer eingewendet haben, dass der Antragstellerin kein Schaden entstanden sei, weil sie zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen ohnehin nicht geeignet sei, ist die Vergabekammer dem zu Recht nicht gefolgt. Eine Antragsbefugnis wäre zwar ausgeschlossen, wenn der Nichtbieter bzw. - wie hier - der Nichtbewerber objektiv nicht in der Lage wäre, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben (vgl. zuletzt Brandenburg. OLG, Beschluss v. 03.11.2011, Verg W 4/11). Die Antragstellerin ist jedoch ein Bauunternehmen, welches sich bereits an der Umsetzung komplexer PPP-Projekte als (zentraler) privater Partner der öffentlichen Hand erfolgreich beteiligt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin die übrigen, von ihr nicht gerügten Bewerbungsbedingungen nicht erfüllen könnte. Dieser Argumentation der Vergabekammer sind die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegen getreten.

60

2. Die Antragstellerin hat hinsichtlich aller Beanstandungen ihren Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 GWB genügt.

61

a) Die Antragstellerin hat die unzureichende Dokumentation des Entscheidungsprozesses, der zur Bestimmung des Standortbereiches des Neubaus geführt hat, erst im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht. Eine Obliegenheit zur vorherigen Rüge gegenüber dem Antragsgegner wurde nicht begründet, weil die Antragstellerin vom Inhalt und Umfang der Dokumentation vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Kenntnis hatte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GWB) und auch nicht aufgrund der Vergabebekanntmachung oder der Bewerbungsunterlagen haben konnte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB). Sie hat diese Kenntnis sukzessive durch die Ausführungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren sowie durch die Ausführungen der Vergabekammer in Vorbereitung sowie im Verlauf der mündlichen Verhandlung erlangt. Unmittelbar nach Kenntniserlangung hat die Antragstellerin diesen Vergaberechtsverstoß geltend gemacht.

62

b) Hinsichtlich der beiden ursprünglich im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen, also zur Standortauswahl und zur Bewerbungsfrist, wurden keine Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB begründet. Der Vergabebekanntmachung waren zwar die Informationen über die Festlegung einer Beschränkung des Standortbereichs und über die Bestimmung der Bewerbungsfrist zu entnehmen. Die Einzelheiten der Abgrenzung ergaben sich erst aus den Unterlagen zum Teilnahmeantrag, insbesondere aus dem Inhalt des Formblatts F. Erst danach war für einen fachkundigen Bieter und ebenso für die Antragstellerin zu erkennen, ob in diesem Bereich eine ausreichende Anzahl von geeigneten Grundstücken existierte, deren Sicherung innerhalb der eingeräumten Bewerbungsfrist in Betracht kam. Dies zeigt sich auch in der konkreten Situation der Antragstellerin: Hätte die Begrenzung des Standortbereichs in Richtung Hauptbahnhof nicht am R. Platz geendet, sondern nur zwei weitere Straßenzüge in südlicher Richtung umfasst, so hätte das von der Antragstellerin bis zum 01.03.2012 gesicherte Grundstück innerhalb dieses Bereichs gelegen, so dass jedenfalls der Antragstellerin durch die Ausgestaltung der Ausschreibung der hier geltend gemachte Schaden nicht entstanden wäre.

63

c) Die Antragstellerin hat die absolute Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB gewahrt, indem sie beide ursprünglich im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Verfahrensrügen vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 08.03.2012, 12:00 Uhr, mit Schreiben vom 01.03.2012 gegenüber dem Antragsgegner erhoben hat.

64

aa) Die Verfahrenbeteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend von einer Erkennbarkeit der vermeintlich wettbewerbswidrigen bzw. diskriminierenden Begrenzung des Standortbereichs sowie der Unangemessenheit der Bewerbungsfrist auf der Grundlage der Informationen aus den Bewerbungsunterlagen aus. Sowohl die Antragstellerin als auch ein fachkundiger Bieter waren bei sorgfältiger Prüfung der Bewerbungsbedingungen einerseits und der örtlichen Gegebenheiten im Standortbereich andererseits in der Lage zu erkennen, ob auf dieser Grundlage die Entscheidung über eine Bewerbung und die Fertigstellung und Abgabe eines aussichtsreichen Teilnahmeantrags generell möglich ist.

65

bb) Gleiches gilt für die weitere Feststellung der Vergabekammer, wonach die Antragstellerin vor Ablauf der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 01.03.2012 jedenfalls die Rüge der fehlerhaften Standortauswahl gegenüber dem Antragsgegner ordnungsgemäß erhoben hat.

66

cc) Der Senat legt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 - ebenso, wie schon die Vergabekammer, und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragsgegners und der Beigeladenen - dahin aus, dass es auch die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist enthält.

67

(1) Die gegenüber dem Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu erhebende Rüge unterliegt keinen besonderen formellen Voraussetzungen. Die hier von der Antragstellerin gewählte Schriftform war hinreichend. Dem Schreiben war auch ohne Weiteres zu entnehmen, wer Absender und wer Adressat der darin enthaltenen Erklärungen war.

68

(2) Das Schreiben muss die Bezeichnung „Rüge“ bzw. einen Hinweis auf § 107 Abs. 3 GWB nicht enthalten. Die Rüge muss nur in inhaltlicher Hinsicht erkennen lassen, welchen konkreten Sachverhalt das Unternehmen für vergaberechtswidrig hält, zu dem es dem öffentlichen Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit zu einer Selbstkorrektur geben möchte (vgl. nur Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 3. Aufl. 2011, § 107 Rn. 74 m.w.N.). Diese inhaltlichen Anforderungen erfüllt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 auch im Hinblick auf die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die Antragstellerin benennt den Vergaberechtsverstoß - die Nichteröffnung eines wirksamen Wettbewerbs - im Hinblick auf die besonderen Bewerbungsbedingungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bewerbers zur Beistellung des Baugrundstücks. Sie führt im Zusammenhang mit dem dritten von ihr ermittelten potenziellen Baugrundstück aus, dass hinsichtlich dieses Grundstücks die geforderte Eigentumssicherung praktisch nicht „… innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist …“ möglich sei. Dieser Hinweis enthält zwei alternative Aussagen: Entweder, nämlich bei Beibehaltung der gewählten Bewerbungsfrist, stehe dieses Grundstück potenziellen Bewerbern nicht zur Verfügung, weil eine Eigentumssicherung objektiv unmöglich sei, und hierin sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip zu sehen, dem durch Ausweitung des Standortbereichs begegnet werden könne. Oder aber das Grundstück komme bei Beibehaltung der gewählten Bereichsbegrenzung als Baugrundstück in Betracht, jedoch nur dann, wenn die Bewerbungsfrist verlängert werde. Indem die Antragstellerin das Grundstück nur unter Hinzutreten der Beibehaltung der i.E. zu kurzen Bewerbungsfrist als nicht berücksichtigungsfähig bewertet, eröffnet sie dem Auftraggeber objektiv die Möglichkeit, dieser Beanstandung des Vergabeverfahrens allein durch eine Verlängerung der Bewerbungsfrist zu begegnen. Diese Möglichkeit der Selbstkorrektur war für den Antragsgegner erkennbar. Darauf, ob er sie aufgrund des Schreibens der Antragstellerin tatsächlich erkannt hat, kommt es für die Frage der Konkretheit der Rüge nicht an.

69

(3) Allerdings haben die Beschwerdeführer zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Vorschlag der Antragstellerin, wie dem Verfahrensmangel abzuhelfen sei, allein auf eine Erweiterung des möglichen Gebietes bezogen hat. Ein Unternehmen ist im Rahmen der Rügeerhebung jedoch nicht verpflichtet darzulegen, wie der Auftraggeber den vermeintlichen Verfahrensmangel beseitigen kann oder soll. Die Auswahl der Maßnahme zur (Wieder-) Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens obliegt in diesem Verfahrensstadium allein dem Auftraggeber. Der Vorschlag der Antragstellerin konnte demnach allenfalls eine unverbindliche Anregung darstellen und er ließ weiter erkennen, mit welcher Intension bzw. mit welcher Wunschvorstellung die Antragstellerin das Vergabeverfahren beanstandete. Der Vorschlag war hingegen nicht geeignet, den Inhalt der erhobenen Verfahrensrügen zu beschränken. Der Antragsgegner hätte bei Unklarheit nachfragen können, ob auch die Dauer der Bewerbungsfrist gerügt werden solle. Ohne eine solche Nachfrage musste er im Zweifel davon ausgehen, dass der Hinweis auf die „ausgeschriebene kurze Frist“, innerhalb derer die Besorgung der für den Teilnahmeantrag geforderten Nachweise „praktisch nicht möglich“ sei, eine gesonderte Verfahrensrüge darstellte.

70

(4) Die Antragstellerin hat am Ende des Schreibens hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie im Falle der Nichtabhilfe die Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens erwägen werde. Damit konnte dem Antragsgegner bewusst sein, dass hiermit Vergaberechtsverstöße geltend gemacht werden, deren Beseitigung verlangt wird, und dass es sich nicht etwa um eine bloße Nachfrage oder eine unverbindliche Anregung handeln sollte.

71

d) Schließlich ist hinsichtlich der beiden ursprünglich im Nachprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen ein Verstoß der Antragsstellerin gegen ihre Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nicht feststellbar.

72

Die Antragstellerin hat schlüssig behauptet, dass sie unverzüglich nach Kenntnis von den beiden Vergabeverstößen seit dem 28.02.2012 bereits am 01.03.2012 das Rügeschreiben verfasst und abgesandt habe. Insbesondere hat sie sich zu Recht darauf berufen, dass es für die Kenntnis i.S. dieser Vorschrift nicht ausreichte, die Bewerbungsbedingungen im Detail zu kennen, sondern dass eine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Unmöglichkeit bzw. des Umfangs der Schwierigkeiten bei der Erfüllung der gestellten Anforderungen hinzutreten musste. Es ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin für den Erwerb der letzt genannten Erkenntnisse etwa drei Wochen (vom Tag des Zugangs der Bewerbungsunterlagen am 08.02.2012 bis zum angegebenen Zeitpunkt der Kenntniserlangung am 28.02.2012) benötigte. Die Entschließung zur Rügeerhebung und die Abfassung des Rügeschreibens innerhalb von zwei Tagen erfüllen die Anforderungen an eine unverzügliche Reaktion. Für eine frühere als die von der Antragstellerin eingeräumte Kenntnis von den maßgeblichen tatsächlichen Umständen, auf die beide Rügen gestützt werden, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Insoweit hat der Auftraggeber, hier der Antragsgegner, im Nachprüfungsverfahren die Feststellungslast zu tragen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 26.07.2012, 2 Verg 2/12 „Managementvertrag“).

73

3. Die Antragstellerin hat auch die Antragsfrist nach § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt. Ihr ist das Antwortschreiben des Antragsgegners auf ihre Verfahrensrügen am 06.03.2012 per Fax zugegangen. Ihr Nachprüfungsantrag ist innerhalb der hierdurch in Gang gesetzten Frist von 15 Kalendertagen, nämlich am 13.03.2012, bei der Vergabekammer eingegangen.

74

II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

75

1. Allerdings entspricht die inzwischen vorliegende Dokumentation des Vergabeverfahrens den vergaberechtlichen Anforderungen.

76

a) Die Vergabekammer hat zu Recht darauf erkannt, dass der ihr vorgelegte undatierte Vergabevermerk den rechtlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 VOB/A nicht genügt.

77

aa) Hinsichtlich des Entscheidungsprozesses, welcher zur Bestimmung und Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Verwaltungsgebäudes geführt hat, enthielten die der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakten lediglich den undatierten Vergabevermerk. Dieser Vermerk ist jedenfalls erst zum Zeitpunkt der Abforderung der Vergabeakten fertig gestellt worden; das ergibt sich aus der darin enthaltenen inhaltlichen Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der Antragstellerin. Dieser Vergabevermerk war schon im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erstellung unzureichend, ohne dass es insoweit auf seinen Inhalt ankommt.

78

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ist das Vergabeverfahren zeitnah so zu dokumentieren, dass u.a. die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden. Danach ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Gegenstände der Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschehen zu erfassen. Um die Authentizität zu erhöhen und zugleich den Aufwand des Auftraggebers zu beschränken, ist hierfür keine Vermerkform gefordert, sondern lediglich Textform i.S. von § 126b BGB. Abweichend von der früheren Rechtslage soll also nicht mehr aus rückschauender Betrachtung ein zusammenfassender förmlicher Vermerk über den Verlauf des Vergabeverfahrens gefertigt werden, sondern es soll eine Vergabeakte geführt werden, in der Protokolle, Schriftverkehr bzw. Ausdrucke des eMail-Verkehrs u.ä. sowie erforderlichenfalls auch Einzelvermerke chronologisch abgelegt und verwahrt werden; zweckmäßig zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Dokumentation ist eine gewisse Gliederung und Strukturierung der Ablage.

79

Wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt hat, dient die Verpflichtung des Auftraggebers zur zeitnahen Dokumentation u.a. dazu, die Möglichkeit nachträglicher manipulativer Darstellungen auszuschließen, und besteht damit auch zum Schutze der an der Auftragserteilung interessierten Unternehmen, wie hier der Antragstellerin.

80

bb) Die Vergabekammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Entscheidungsprozess über die Festlegung des Standortbereichs zu den zu dokumentierenden Einzelentscheidungen gehörte.

81

Zwar ist die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes nicht im Katalog des § 20 Abs. 1 S. 2 VOB/A, der beispielhaft („insbesondere“) die zwingend dokumentationspflichtigen Daten aufzählt, aufgeführt. Zu dokumentieren sind jedoch alle Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers, die - quasi „Weichen stellend“ - das künftige Ergebnis des Vergabeverfahrens beeinflussen, wie sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ergibt. Der Schwerpunkt liegt typischerweise auf den Einzelentscheidungen im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote. Wie bereits der Katalog des Satz 2 der genannten Vorschrift zeigt, so z. Bsp. in Nr. 2 „Art und Umfang der Leistung“ bzw. in Nr. 10 „ggf. die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe des Auftrags verzichtet hat“, können aber auch Entscheidungen im Vorfeld eines Vergabeverfahrens zu dokumentieren sein. Im vorliegenden Fall musste sich dem Antragsgegner aufdrängen, dass schon die Festlegung, dass jeder Bewerber ein geeignetes Grundstück beizustellen hatte, zu einer erheblichen Reduzierung des Kreises der Bewerber um einen Bauauftrag führen musste, und dass sich diese objektiv wettbewerbsbeschränkende Wirkung noch verstärkte, je enger umgrenzt der zulässige Standortbereich für ein solches Grundstück ist. Die nachgereichte Dokumentation zeigt im Übrigen, dass dem Antragsgegner dieser Umstand durchaus bewusst war. Es entspricht der allgemeinen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass jedenfalls dann, wenn eine Beschaffungsentscheidung zu einer erheblichen Beschränkung des potenziellen Teilnehmerfeldes auf ein oder wenige Unternehmen führt, das Zustandekommen dieser Entscheidung und die Gründe für ihr Ergebnis zu dokumentieren sind.

82

b) Der Antragsgegner hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umfangreiche weitere Unterlagen vorgelegt, die den äußeren Verlauf und die inhaltlichen Erwägungen des Entscheidungsprozesses abbilden. Diese Unterlagen sind im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen und führen hier im Rahmen ihrer tatsächlichen Würdigung zu der Feststellung, dass eine ausreichende Dokumentation vorgenommen worden ist.

83

aa) Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen ergibt sich schon daraus, dass es sich nach den Feststellungen des Senats nicht etwa um nachträglich, d.h. nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigte Unterlagen handelt, sondern um Dokumente, die zeitnah zu den in ihnen dokumentierten Geschehnissen entstanden sind.

84

bb) Der Senat hat auch im Hinblick auf die späte Vorlage der entsprechenden Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine manipulative Darstellung, die im Rahmen der tatsächlichen Würdigung einer Verwertung der Unterlagen entgegen stehen könnten.

85

cc) Schließlich ist die Verwertung auch aus rechtlichen, insbesondere verfahrensrechtlichen Gründen nicht unzulässig. Zwar wäre der Antragsgegner nach § 110 Abs. 2 S. 4 GWB verpflichtet gewesen, die Vergabedokumentation auf Anforderung „der Vergabeakten“ durch die Vergabekammer vollständig, also auch einschließlich der jetzt nachgereichten Unterlagen, vorzulegen. Zu einer Vorsortierung nach den s.E. entscheidungserheblichen Bestandteilen einerseits und den nicht erheblichen Unterlagen andererseits war der Antragsgegner nicht berechtigt. Spätestens nach der erneuten ausdrücklichen Anfrage der Vergabekammer hätte für den Antragsgegner eine Veranlassung zur Vorlage bestanden. Eine weitere Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragsgegners ist auch darin zu sehen, dass der Antragsgegner die Unterlagen nicht im Rahmen seiner Beschwerdebegründung vorgelegt hat, obwohl sich die Vergabekammer bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die unzureichende Dokumentation gestützt und der Antragsgegner diese Bewertung angegriffen hat. Die mehrfache Verletzung von Verfahrensobliegenheiten führt jedoch nicht zu einem Verwertungsverbot der Unterlagen, weil eine solche Sanktion im 4. Teil des GWB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens.

86

c) Aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen, welche den Verfahrensbeteiligten in den maßgeblichen Teilen auch zugänglich gemacht worden sind, ergibt sich sowohl ein klares Bild über den äußeren Ablauf der Entscheidungsfindung als auch über die Beweggründe für die einzelnen Zwischenentscheidungen bis hin zur Festlegung des Standortbereichs, wie er Gegenstand der Vergabebekanntmachung und der Bewerbungsunterlagen geworden ist.

87

2. Die Entscheidung des Antragsgegners, das in Betracht kommende Baugebiet auf den Bereich „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ zu beschränken, ist unter Einbeziehung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen hierzu in der Sache nicht zu beanstanden.

88

a) Der Senat hat die Entscheidung des Antragsgegners, den Neubau des Finanzamts auf einem vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstück zu errichten und den in Betracht kommenden Standortbereich räumlich zu begrenzen, nach den - aus Sicht des Auftraggebers - strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs geprüft entsprechend der vorzitierten Rechtsprechung des Thüringer Oberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Celle.

89

aa) Wie vorausgeführt, ist die Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Bauwerks ein Teilaspekt der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes. Diese Entscheidung ist dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert und wird daher vom Vergaberecht unmittelbar nicht erfasst. Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie sie in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB bzw. in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/A normiert sind, sind gleichwohl berührt, wenn die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands im Vergabeverfahren zu einer willkürlichen Beschränkung des Wettbewerbs bzw. offen oder verdeckt zu einer positiven oder negativen Diskriminierung von Unternehmen führt. Die Vergabesenate haben bisher den vergaberechtlichen Maßstab der Nachprüfung der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes durch den Auftraggeber divergierend beurteilt; es handelt sich insoweit nicht nur um eine unterschiedlich akzentuierte Beschreibung (so aber OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O. - in juris Tz. 23, 27). Dies zeigt sich insbesondere daran, ob und ggf. in welchem Ausmaß eine Markterkundung vor Festlegung des Beschaffungsgegenstandes geboten ist, ob eine Vertretbarkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers genügt oder stattdessen eine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses abweichender Lösungsvarianten zu fordern ist, und schließlich - hiervon abgeleitet -, in welchem Umfang Dokumentationspflichten bestehen.

90

bb) Der Senat neigt der (aktuellen) Auffassung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus den dort angeführten Gründen (vgl. Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O., Tz. 26) zu. Höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs engen die Entscheidungsfreiheit bzw. die an anderen rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Beschaffungsgegenstand zu sehr ein und führen zu einer unangemessenen Verrechtlichung dieser Entscheidung. Es sind auch Konstellationen vorstellbar, in denen ein Ausschluss abweichender Ausführungsvarianten eines Auftrags nicht oder nicht mit einem zumutbaren Aufwand möglich erscheint. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beschaffung der öffentlichen Hand typischerweise eine dienende Funktion zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zukommt, so dass aus Sicht des Auftraggebers der Aufgabenerfüllung und nicht der Beschaffung Priorität einzuräumen ist, und dass die Organisation von Wettbewerb im Rahmen der Beschaffung nicht Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln, welches seinen Zweck verfehlt, wenn zu hohe Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der Beschaffung gestellt werden.

91

cc) Für die Entscheidung im vorliegenden Nachprüfungsverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist, so dass auch eine Vorlage des Beschwerdeverfahrens an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB nicht in Betracht kommt. Denn führt auch die Prüfung an Hand der strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zum gleichen Ergebnis, dann ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. So liegt der Fall hier.

92

b) Der äußere Ablauf des Entscheidungsprozesses, der zu der endgültigen Festlegung des Baugebietes geführt hat, ist stringent und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Antragsgegner auch eigenverantwortlich vorab geprüft, ob die beabsichtigte Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zu einer ungerechtfertigten Begrenzung des Wettbewerbs führt oder aber einen Wettbewerb ganz ausschließt. Auf jeder Stufe des fortschreitenden Entscheidungsprozesses ist ein hinreichender Auftrags- und Sachbezug feststellbar.

93

aa) Der Antragsgegner entschied am 15.09.2010, dass der seit längerem bestehende Beschaffungsbedarf für ein einheitliches, modernes Verwaltungsgebäude für die Unterbringung der beiden in H.  ansässigen Finanzbehörden durch Errichtung eines Neubaus in der Innenstadt von H. gedeckt werden solle. Der Beschluss wurde auf Vorschlag des Ministers der Finanzen vom 08.09.2010 vom Ausschuss für Finanzen des Landtags von Sachsen-Anhalt in seiner 100. Sitzung, dort unter TOP 12.1 „Beabsichtigte Unterbringung des künftigen Finanzamtes H. und des Landesrechenzentrums H.  “, getroffen. Eine nähere Eingrenzung des verwendeten Begriffs „Innenstadt“ erfolgte noch nicht.

94

Die Festlegung auf einen Neubau im Bereich der Innenstadt folgte den abstrakten Richtlinien der Landesentwicklung, die eine Stärkung der Oberzentren und damit auch der Stadt H. und innerhalb der Städte eine Profilierung der Innenstädte vorsehen. Die Festlegungen erfolgten, um eine ausreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde und eine Wertstabilität der nach Ablauf der Finanzierungsphase vom Auftraggeber zu erwerbenden Immobilie zu gewährleisten. Diese Erwägungen sind sach- und auftragsbezogen.

95

bb) Mit Schreiben vom 04.02.2011 richtete der Staatssekretär des Ministeriums der Finanzen eine Anfrage an die Oberbürgermeisterin der Stadt H.  mit der Bitte um Herbeiführung einer Willensbekundung des Stadtrates zu den Grenzen der „Innenstadt“, innerhalb derer der Neubau des Finanzamts erfolgen solle. Diese Anfrage erfolgte, um eine klare und eindeutige Definition des Begriffs „Innenstadt“ herbeizuführen und dabei die kommunalen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

96

Diese Vorgehensweise war sachgerecht, weil die Errichtung des neuen Gebäudes für eine Mittelbehörde in einer Stadt deren kommunale Belange insbesondere auch in städtebaulicher Hinsicht betrifft.

97

cc) Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. beantwortete die Anfrage mit Schreiben vom 17.02.2011 unter Verweis auf den Beschluss des Stadtrates vom 14.11.2010. Mit diesem Beschluss hatte der Stadtrat auf Vorlage vom 14.10.2010 und nach einer Ausschussberatung am 09.11.2010 ein ca. 1.180.000 qm großes Stadtgebiet als Fördergebiet im Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ unter der Bezeichnung „A-Zentrum Altstadt“ ausgewiesen. Die Abgrenzung erfolgte, wie sich den Gründen des Stadtratbeschlusses entnehmen lässt, zum Zwecke der Entwicklung der Einkaufsinnenstadt sowie zur Stärkung der oberzentralen Funktionen der City. Sie folgte inhaltlich der seit 1998 bestehenden Flächennutzungsplanung, deren Fortentwicklung im Zentrenkonzept aus dem Jahre 2004 und in dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahre 2007. Nach dem Inhalt des Stadtratbeschlusses vom 14.11.2010 sollten künftige Investitionen von der Stadt selbst nur noch dann gefördert werden, wenn sie zur Profilierung und Standortaufwertung der Innenstadt geeignet waren. Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. vertrat in ihrem Schreiben vom 17.02.2011 die Auffassung, dass angesichts der Aktualität des Beschlusses eine gesonderte Befassung des Stadtrates mit der Frage der Abgrenzung der Innenstadt für die Errichtung eines Finanzamtsgebäudes nicht nötig sei. Zudem teilte sie mit, dass sie den Stadtrat in der letzten Sitzung über die Anfrage des Ministeriums der Finanzen informiert habe und dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass mit dem neuen Standort des Finanzamtes in der Innenstadt „eine gute Lösung gefunden“ worden sei. Dem weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses, insbesondere der am 28.02.2011 erfolgten Anhörung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr durch das Ministerium der Finanzen, ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner der vorgenannten Auffassung der Oberbürgermeisterin folgte und den Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 als eine hinreichend verbindliche Willensbekundung der Stadt zur Standortfrage ansah.

98

Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Antragsgegner von seiner ursprünglichen Vorstellung eines ausdrücklichen Stadtratsbeschlusses über die Eingrenzung des Standortbereichs für das Finanzamt Abstand genommen und den Beschluss vom 24.11.2010 als Definition des Innenstadtbereichs übernommen hat. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass der Stadtratsbeschluss einem anderen Zweck diente als der Mitwirkung an der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes für das vorliegende Vergabeverfahren. Es ging um eine Grundlage für den Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln für die Förderung von privaten baulichen Investitionen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Festlegung des Bereichs des Stadtzentrums, in dem eine Belebung durch Passanten angestrebt wird durch die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen und durch die Zentralisierung von Behörden und Einrichtungen mit Besucherverkehr, inhaltlich nach denselben Maßstäben und Erwägungen erfolgte, wie sie - fiktiv - im Rahmen einer gesonderten Entscheidung über den künftigen Standort des Finanzamtsgebäudes angestellt worden wären. Denn auch die Eröffnung einer solchen Behörde mit mehreren hundert Mitarbeitern und einem nicht unerheblichen Besucherverkehr ist geeignet, zu einer Belebung des umliegenden Gebietes beizutragen und u.U. durch einen attraktiven Baukörper eine städtebauliche Profilierung und Aufwertung zu erreichen. Der bereits vorliegende Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 enthielt eine strategische Festlegung, deren erneute Prüfung und Aktualisierung - gemessen an den vorangegangenen vergleichbaren Entscheidungen des Stadtrats aus den Jahren 2004 und 2007 - frühestens nach drei Jahren zu erwarten war. Der Rückgriff auf eine bereits vorliegende Entscheidung war zudem geeignet, dem Vorwurf einer Bevorzugung eines bestimmten Bewerbers um den auszuschreibenden Bauauftrag zu begegnen.

99

dd) Der Antragsgegner veranlasste im März und April 2011 eine Prüfung, ob die Festlegung des Baugebietes nach Maßgabe des Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2010 zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Wettbewerbs um den auszuschreibenden Bauauftrag führen konnte.

100

Wie sich aus dem Antwortschreiben der Oberbürgermeisterin der Stadt H. vom 30.03.2011 ergibt, richtete der Antragsgegner eine telefonische Anfrage an die Stadt, welche potentiellen Standorte für den Neubau des Finanzamts im Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) existierten. Die Stadt benannte drei mögliche Standorte, und zwar die Grundstücke am R. Platz (in der Antragserwiderung des Antragsgegners später unter Nr. 11 aufgeführt), im Bereich des „B.  “ (Nr. 7) sowie im Baugebiet „S.„ (Nr. 2).

101

Im April 2011 beauftragte der Antragsgegner eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, insbesondere auch zum Zwecke des haushaltsrechtlich erforderlichen Nachweises der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Dritten gegenüber einer Leistungserbringung mit eigenen Ressourcen. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass im Innenstadtbereich mehrere Grundstücke die aufgestellten Anforderungen an Flächengröße, Verkehrsanbindung u.ä. erfüllten. In der Studie werden hierfür die drei vorgenannten Grundstücke sowie das Grundstück hinter dem A. -Gebäude (Nr. 4) aufgeführt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile beschrieben.

102

Diese Maßnahmen zeigen, dass der Antragsgegner eine eigenverantwortliche Prüfung vorgenommen hat, ob die beabsichtigte Begrenzung des zugelassenen Baugebietes zu einem Ausschluss von Wettbewerb führen würde. Die von ihm getroffene Einschätzung, dass das Vorliegen von mindestens vier zur Bebauung objektiv geeigneten Grundstücken einen ausreichenden Wettbewerb ermöglicht, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden.

103

ee) Die Antragstellerin hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Rahmen der weiteren Vorbereitung des Vergabeverfahrens die Anforderungen an das Baugrundstück modifiziert worden sind. Diese Veränderungen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Anforderungen an die Größe und Bebaubarkeit des Grundstücks erhöht haben, sondern sie haben im Gegenteil eine Verringerung dieser Anforderungen bewirkt.

104

In der 2. Besprechung der Projektgruppe „Finanzamt H.“, der neben Vertretern des Antragsgegners - Ministerium der Finanzen und Eigenbetrieb - u.a. auch Mitarbeiter der Beraterin des Antragsgegners angehörten, wurde am 08.12.2011 aufgrund einer aktuellen technischen Bewertung der Hauptnutzungsfläche des Gebäudes entschieden, dass keine Grundstücksgröße zwingend vorzugeben sei, sondern lediglich eine Mindestgröße bei Lückenbebauung, die weit unterhalb der bisherigen Vorstellungen des Antragsgegners lag.

105

In der 4. Besprechung dieser Projektgruppe am 18.01.2012 wurde im Hinblick auf eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes der beabsichtigte Bekanntmachungstext hinsichtlich der Vorgaben zur Grundstücksgröße erneut geändert; nunmehr wurde eine Mindestgröße nicht mehr vorgegeben, sondern lediglich eine funktionale Eignung gefordert.

106

Diese Änderungen waren nicht nur sach- und auftragsbezogen, sondern auch geeignet, weiteren Unternehmen mit Zugriffsmöglichkeiten auf andere als die vorgenannten vier Grundstücke die Möglichkeit zur Teilnahme am Wettbewerb zu eröffnen.

107

c) Eine weiter gehende Markterkundung durch den Antragsgegner, etwa im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse an den in Betracht kommenden Grundstücken und auf die Möglichkeiten des Erwerbs dieser Grundstücke durch interessierte Unternehmen, war auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Jena und Celle nicht geboten.

108

aa) Die Vorgehensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die Festlegung des Bereichs des künftigen Standorts des Finanzamts war geeignet und ausreichend, der Gefahr eines unzureichenden Wettbewerbs zu begegnen und eine Diskriminierung von Unternehmen zu vermeiden.

109

(1) Der Antragsgegner durfte sich zur Prüfung der Frage, ob eine Auftragsvergabe in einem Wettbewerb gewährleistet sein wird, auf eine Aufklärung der Frage beschränken, ob in dem von ihm begrenzten Bereich eine genügende Anzahl von Objekten vorhanden war, welche in Größe, Lage, Zuschnitt und Bebaubarkeit den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung (ca. 8.000 qm HNF sowie insgesamt 250 Parkplätze, z.T. auch in fußläufiger Entfernung vom Hauptobjekt) gerecht werden konnten. Denn für die Gewährleistung eines Wettbewerbs ist maßgeblich, ob der Auftraggeber mit mehreren Bewerbern rechnen kann und ob die interessierten Unternehmen mit Mitbewerbern rechnen müssen, so dass der erforderliche Anreiz besteht, ein wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten. Insoweit hat der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung zu treffen. Wie viele Unternehmen sich tatsächlich bewerben werden, ist für den Auftraggeber auch bei intensiver Markterkundung letztlich nicht vorherzusehen. Daher kann von einem öffentlichen Auftraggeber nur gefordert werden, dass er unter Berücksichtigung der von ihm beabsichtigten Bestimmung des Beschaffungsbedarfs den Eingang mehrerer Bewerbungen oder Angebote - je nach Verfahrensart - für möglich erachtet. Diese Frage hat der Antragsgegner hier geprüft und im Ergebnis seiner Ermittlungen festgestellt, dass mindestens vier Grundstücke grundsätzlich geeignet sind, die funktionalen Anforderungen der beabsichtigten Ausschreibung zu erfüllen. Es kann offen bleiben, ob sich diese Zahl durch die nachfolgenden Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen erhöht hat oder nicht. Sowohl aus Sicht des Antragsgegners als auch aus Sicht eines potenziellen Bewerbers war der Umstand, dass nach vorläufiger Bewertung mehrere objektiv geeignete Grundstücke zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen existieren, ausreichend, um wettbewerbliche Anreize zu generieren. Der Senat erachtet insoweit die Erwägungen der Vergabekammer, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 6a Abs. 4 VOB/A und des Art. 44 Abs. 3 UA 2 S. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) auf mindestens drei Objekte abzustellen, für sachgerecht. Dem steht, anders als die Beschwerdeführer meinen, jedenfalls die von ihnen zitierte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-138/08 „Hochtief AG u. Linde-Kca-Dresden GmbH ./. KTKD“, VergabeR 2010, 196) nicht entgegen, weil der dortige Rechtssatz nicht einschlägig ist. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der öffentliche Auftraggeber, die Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest, einen Bauauftrag, wie hier, im zweistufigen Verfahren - Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb - ausgeschrieben und der Wettbewerb nur, aber immerhin im Teilnahmewettbewerb stattgefunden hatte. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs war lediglich ein Bewerber verblieben. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich aus dem Wettbewerbsprinzip kein Anspruch des im Teilnahmewettbewerb unterlegenen Bewerbers auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ergebe, wenn zumindest in der ersten Verfahrensstufe, dem Teilnahmewettbewerb, ein ausreichender Wettbewerb organisiert worden sei. Der Entscheidung lässt sich damit keine Einschränkung des Grundgedanken der vorgenannten Regelungen entnehmen. Die Antragstellerin hat hier hinsichtlich der Grundstücke Nr. 2, 4, 7 und 11, welche der Antragsgegner in seine Überlegungen einbezogen hatte, sowie hinsichtlich des Grundstücks Nr. 18 deren objektive Eignung nach den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung nicht in Frage gestellt, sondern selbst eingeräumt.

110

Soweit die Antragstellerin behauptet hat, dass die Grundstücke Nr. 2, Nr. 4, Nr. 11 und Nr. 18 von den jeweiligen Eigentümern nicht veräußert würden, und sich ein u.U. möglicher Eigentumserwerb des Grundstücks Nr. 7 jedenfalls langwierig und schwierig gestalte, vermag dies die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Wettbewerb ausgeschlossen sei, nicht zu rechtfertigen. Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass ein Grundstückseigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seines Grundeigentums ein Eigeninteresse hat. Im Übrigen ist, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, darauf zu verweisen, dass sich diese allgemeine Erwartung auch bestätigt hat. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 2, die Beigeladene, hat sich beworben. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 4 ist, wie inzwischen feststeht, ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Verwertung des Grundeigentums als Baufläche für ein Bürogebäude beabsichtigte, z. Zt. jedoch kein konkretes Projekt verfolgt. Auch die Eigentümerin der Grundstücke Nr. 11 und Nr. 18 ist ein gewerblich agierendes Unternehmen, welches sich grundsätzlich einer wirtschaftlichen Verwertung ihres Eigentums nicht verschließen dürfte. Der Antragsgegner musste - unabhängig davon, ob ihm das überhaupt möglich gewesen wäre, was er selbst bestreitet - weder die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken noch die Bewerbungs- oder Verkaufsbereitschaft der Eigentümer erkunden. Er musste auch nicht etwa - und darauf zielt die Rüge der Antragstellerin maßgeblich - sicherstellen, dass der Antragstellerin der Zugriff auf eines der vier Grundstücke tatsächlich offen stand. Ein an der Auftragserteilung interessiertes Unternehmen hat vergaberechtlich keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine seinem aktuellen Leistungsvermögen oder seinen Erwartungen entsprechende Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes vornimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.10.2009, VII-Verg 25/09 „Latexfreiheit“; Beschluss v. 14.04.2010, VII-Verg 60/09 „Brandmeldeanlage“, VergabeR 2011, 78). Um die Zugriffsmöglichkeit jedes Interessenten am Bauauftrag zu gewährleisten, hätte der Antragsgegner ein geeignetes Baugrundstück selbst erwerben und dem Auftragnehmer zur Verfügung stellen müssen. Hierin hätte jedoch ein anderer als der vom Antragsgegner gewählte Beschaffungsgegenstand gelegen. Dem Antragsgegner kam es gerade darauf an, weder mit der Grundstücksauswahl noch mit dessen Beschaffung noch mit der Finanzierung des Grunderwerbs belastet zu sein. Die Forderung nach einer Beistellung des Grundstücks eröffnete den Interessenten zudem u.U. mehr Freiheiten bei der Planung des Bauvorhabens.

111

(2) Die hier von der Antragstellerin beanstandete Festlegung des Antragsgegners verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot.

112

Allerdings wäre es mit dem Diskriminierungsverbot des § 97 GWB grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn eine Ausschreibung von Anfang an so angelegt wäre, dass objektiv nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 24.06.2010, 1 Verg 4/10 „Postdienstleistungen“). Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht feststellbar. Wie vorausgeführt, existierten aus der maßgeblichen ex ante-Sicht des Antragsgegners mindestens vier Grundstücke, die als Baugrund objektiv in Betracht kommen konnten. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Antragsgegner bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass mit der Beigeladenen ein Unternehmen existierte, welches Eigentümerin eines der geeigneten Grundstücke war und bereits seit vielen Jahren auf eine wirtschaftliche Verwertung wartete. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner durch die Festlegung des in Betracht kommenden Baugebiets bewusst eine Bedingung geschaffen hat, die es jedem anderen Unternehmen außer der Beigeladenen unmöglich gemacht hätte, sich zu bewerben, bestehen ebenfalls nicht. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Umstände ersichtlich, die generell einer Sicherung des künftigen Erwerbs von Grundeigentum im Bereich des Fördergebietes „Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. durch einen ggf. nicht ortsansässigen Interessenten entgegenstehen.

113

bb) Eine weitere Markt- oder Gebietserkundung war auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Jena und Celle erforderlich.

114

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen beider Vergabesenate jeweils zu einer produkt-, technik- oder technologiespezifischen Bedarfsbestimmung ergangen sind, d.h. zu einer Festlegung des Auftraggebers im Zusammenhang damit, ob eine geforderte Funktionalität des Beschaffungsgegenstandes objektiv nur durch eine einzige technische Lösungsvariante erreichbar war oder nicht. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine räumliche Begrenzung des Leistungsortes geht, war ein Teil der mit der Beschaffung verbundenen Zielstellungen nicht mehr zu erreichen durch eine Ausweitung des in Betracht kommenden Baugebietes. Zwar mag eine hinreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde auch noch in einem erweiterten Innenstadtbereich zu gewährleisten sein, es steht jedoch für den Senat außer Zweifel, dass eine Belebung der Innenstadt (A-Zentrum) nicht erreicht werden kann durch einen Neubau außerhalb des so bestimmten Innenstadtbereichs. Auch im Hinblick auf die Wertstabilität ist einem Grundstück inmitten eines Bereichs, der langfristig als Stadtzentrum entwickelt werden soll, gegenüber einem Grundstück außerhalb dieses Bereichs ein eindeutiger Vorteil beizumessen. Fehlt es aber danach an der Voraussetzung, dass die sich alternativ gegenüber stehenden Lösungsmöglichkeiten jeweils in gleicher Weise geeignet sind, den definierten Beschaffungszweck zu erfüllen, so kommt es auf eine weiter gehende Begründung des Ausschlusses der nicht gleichwertigen Alternative, hier also der Ausweitung des Baugebietes, nicht an.

115

3. Das Vergabeverfahren des Antragsgegners leidet jedoch an einem anderen, bereits mit der Vergabebekanntmachung verursachten Mangel; die vom Antragsgegner bestimmte Bewerbungsfrist ist angesichts der konkreten Teilnahmebedingungen unangemessen kurz. Aus diesem Grunde ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet.

116

a) Allerdings hat der Antragsgegner die in § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 VOB/A vorgeschriebene Mindestfrist für die Bewerbung überschritten. Da der Antragsgegner die Vergabebekanntmachung den Anforderungen des § 10a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 VOB/A entsprechend elektronisch erstellt und übermittelt hat, musste die Bewerbungsfrist hier mindestens 30 Kalendertage betragen. Der Antragsgegner bestimmte eine Bewerbungsfrist von knapp 42 Kalendertagen - der 08.03.2012 stand lediglich bis 12:00 Uhr zur Verfügung.

117

b) Die Bewerbungsfrist in einem Teilnahmewettbewerb darf sich jedoch nicht nur an der Wahrung der Mindestfrist orientieren, sondern sie muss jeweils einzelfallbezogen angemessen sein, um einem fachkundigen Unternehmen eine ordnungsgemäße und aussichtsreiche Bewerbung zu ermöglichen. Dabei sind das Anforderungsprofil der Bewerbungsbedingungen im Vergleich zum Regelfall einer solchen Ausschreibung und sonstige besondere Umstände, z. Bsp. die Notwendigkeit des Ausgleichs des zeitlichen und Wissensvorsprungs eines teilnahmeinteressierten Projektanten (vgl. § 6a Abs. 9 VOB/A), zu berücksichtigen (vgl. Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2010, § 10a Rn. 32). Nach diesen Maßstäben war hier die Frist von knapp 42 Kalendertagen erheblich zu kurz.

118

aa) Für die Bemessung der Bewerbungsfrist ist der Umfang der innerhalb dieser Frist vom Interessenten zu erledigenden Aufgaben zu berücksichtigen.

119

(1) Die vorliegende Ausschreibung wich vom Regelfall einer VOB/A-Ausschreibung schon dadurch erheblich ab, dass es um ein Großbauvorhaben ging mit entsprechend angepassten strengeren Anforderungen an den Nachweis der Eignung als Bauunternehmen. Hinzu kam die Komplexität des Beschaffungsgegenstandes, die sich darin zeigte, dass sie nicht nur die Bauleistung eines Gewerks betraf, sondern die vollständige Errichtung eines Gebäudes sowie die vollständigen Planungsleistungen, wodurch im Rahmen des Nachweises der Fachkunde höhere Anforderungen zu erfüllen waren. Der Auftrag umfasste zudem die Finanzierung des Bauvorhabens über einen langfristigen Zeitraum von 25 Jahren, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Bauunternehmens gehört und häufig auch die Einbindung eines Finanzierungspartners erfordert.

120

(2) Die maßgebliche Besonderheit der vorliegenden Ausschreibung bestand darin, dass der Auftragnehmer das zu bebauende Grundstück zu stellen hatte. Eine solche Gestaltung einer Ausschreibung nach der VOB/A ist zulässig, aber atypisch. Auf die Notwendigkeit der Grundstücksbeschaffung muss auch ein fachkundiger und ansonsten leistungsfähiger Bieter nicht eingestellt sein. Insbesondere kann nicht vorausgesetzt werden, dass es ausreichend Bauunternehmen gibt, die ein den sehr speziellen Anforderungen der vorliegenden Ausschreibung entsprechendes Grundstück bereithalten. Die Beschwerdeführer verkennen in ihren Beschwerdebegründungen, dass es sich bei der Anforderung der Grundstücksbeistellung nicht um eine allgemein übliche, auftragsunabhängig vorzuhaltende Eignungsvoraussetzung einer Bauausschreibung handelt. Aus dieser Vorgabe des Antragsgegners resultiert, dass ein potenzieller Bewerber außerhalb seiner Kernkompetenz geeignete Grundstücke finden, deren Eigentümer ermitteln und kontaktieren und die Erwerbsmöglichkeiten erkunden muss. Erst danach kann seine weitere Planung beginnen, insbesondere die Abschätzung, mit welchem Kostenaufwand für eine aussichtsreiche Bewerbung um den Gesamtauftrag zu rechnen ist und ob für ihn eine Teilnahme an der Ausschreibung wirtschaftlich anstrebenswert ist. Die vorgenannte Anforderung führt mithin, insbesondere für einen nicht ortskundigen Interessenten, an den sich die EU-weite Ausschreibung auch wendet, regelmäßig zu einem erhöhten Zeitbedarf in der Bewerbungsphase.

121

(3) Für die Bemessung einer angemessenen Bewerbungsfrist war weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach den von ihm selbst vorgegebenen Bewerbungsbedingungen bereits im Teilnahmewettbewerb eine hinreichend sichere Erkenntnis darüber gewinnen wollte, dass jeder Bewerber unverzüglich nach Zuschlagserteilung zur Ausführung der Leistungen in der Lage sein wird. Daher sahen die Bewerbungsbedingungen vor, dass jeder Bewerber, soweit er nicht bereits Eigentümer einer geeigneten Immobilie ist, innerhalb der Bewerbungsfrist die Sicherung des künftigen Eigentumserwerbs, insbesondere durch Vorlage eines notariell beurkundeten Verkaufsangebots des Eigentümers einschließlich Eigentumsnachweises, zu belegen hat. Hieraus folgt, dass der Bewerber nicht nur mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen, sondern diesen - erforderlichenfalls auch unter Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist - zu einer endgültigen Entscheidung über die Veräußerung bewegt und eine entsprechende notarielle Beurkundung erfolgreich veranlasst haben musste. Auch diese erhöhten Anforderungen müssen sich in der Fristbemessung niederschlagen.

122

(4) Schließlich war innerhalb der Bewerbungsfrist auch nachzuweisen, dass nach Zuschlagserteilung unmittelbar mit dem Abbruch von Bestandsgebäuden und -baulichkeiten auf dem Baugrund, die im Innenstadtbereich einer Großstadt typischerweise zu erwarten waren, begonnen werden kann. Dieser Nachweis setzte zumindest eine Eigenerklärung des Bewerbers voraus, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist Nutzungsrechte Dritter einem Abbruch nicht entgegen stehen. Mit anderen Worten: Ein Bewerber hatte, um eine solche Eigenerklärung seriös abgeben zu können, innerhalb der Bewerbungsfrist eine Aufhebung aller bestehenden Nutzungsrechte - dinglich oder schuldrechtlich - zu erreichen. Auch insoweit handelt es sich um eine Forderung des Antragsgegners, deren Erfüllung außerhalb der Kernkompetenzen der mit der Ausschreibung angesprochenen Unternehmenskreise lag.

123

bb) Bei der Bemessung der hier festzulegenden Bewerbungsfrist war zur Vermeidung einer unzulässigen Beschränkung des Wettbewerbs vom Zeitaufwand eines nicht ortskundigen Unternehmens auszugehen. Insbesondere kann aus dem - geringen - Zeitbedarf der Beigeladenen kein allgemeiner Maßstab abgeleitet werden, weil die Beigeladene ein ortsansässiges Unternehmen mit einem eigenen, sehr gut geeigneten Baugrundstück für die ausgeschriebene Leistung ist und auch aus der ex ante-Sicht des Antragsgegners nicht damit zu rechnen war, dass weitere Unternehmen mit einem vergleichbaren Vorlauf existierten.

124

cc) Unter Berücksichtigung der genannten Einzelumstände erachtet der Senat hier eine Bewerbungsfrist von mindestens 90 Kalendertagen (d.h. von drei Monaten) als erforderlich, um einen fairen Wettbewerb erwarten zu dürfen. Die stattdessen bestimmte Frist von knapp 42 Kalendertagen war danach jedenfalls unangemessen, weil sie nicht einmal die Hälfte der vorgenannten Frist erreichte.

125

c) Der festgestellte Vergaberechtsverstoß hat sich auch auf die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin ausgewirkt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragstellerin bei Festlegung einer angemessenen Bewerbungsfrist die Einreichung eines Teilnahmeantrages möglich gewesen wäre.

126

4. Die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens kann im Rahmen einer Fortführung des bereits eingeleiteten Verfahrens nicht hergestellt werden. Der Vergabeverstoß betrifft eine in der Vergabebekanntmachung getroffene Regelung, deren Korrektur nur durch eine Zurückversetzung des Verfahrens vor den Stand der Absendung der Vergabebekanntmachung erfolgen kann. Insoweit war die Verpflichtung zur Aufhebung der laufenden Ausschreibung, welche die Vergabekammer angeordnet hatte, zu bestätigen. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner auch zutreffend verpflichtet, bei Fortbestehen seiner Vergabeabsicht ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Der Senat hat in seinem Beschlussausspruch klar gestellt, dass bei der Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nunmehr die Rechtsauffassung des erkennenden Senats Beachtung zu finden hat.

127

III. Die Vergabekammer ist bei ihrer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner keine Kostenbefreiung genießt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

128

1. Für die Frage der Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer enthält die Vorschrift des § 128 GWB keine eigene Regelung; in Abs. 1 wird auf „das Verwaltungskostengesetz“ verwiesen. Diese Verweisung in § 128 Abs. 1 GWB bezieht sich zwar nach ihrem Wortlaut auf das Bundesverwaltungskostengesetz; für ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt, welches sich nach den Verfahrensvorschriften des Landes richtet, ist auch das VwKostG LSA anzuwenden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 17.09.2002, 1 Verg 8/02).

129

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG LSA sind Amtshandlungen zwar grundsätzlich gebührenfrei, wenn eine Landesbehörde für deren Vornahme Veranlassung gegeben hat; diese Bestimmung gilt jedoch nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA nicht bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe. Diese Ausschlussregelung erfasst auch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, welches in kostenrechtlicher Hinsicht einem Widerspruchsverfahren vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.).

130

IV. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB und orientiert sich an §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Antragsgegner ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.

131

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei mangels vorliegender Angebote den vom Auftraggeber geschätzten Bruttoauftragswert zugrunde. Der Antragsgegner hat diesen Wert mit Schreiben vom 24.04.2012 gegenüber der Vergabekammer mit 25,7 Mio. € angegeben und hierbei zutreffend neben dem Wert der reinen Bauplanungs- und Bauarbeitsleistungen auch den Wert der Finanzierungsleistungen über eine Laufzeit von 25 Jahren und den Wert der Grundstücksbeistellung berücksichtigt. Diese Schätzung macht sich der Senat zu Eigen.


BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 4/10
vom
19. Juli 2011
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr II
GKG § 50 Abs. 2; GWB § 101b Abs. 1 Nr. 2, § 107 Abs. 2; VgV § 3

a) Will der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mit der begehrten Nichtigerklärung
eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages auch
erreichen, dass der Gesamtgegenstand dieses Vertrages in einem künftigen
Vergabeverfahren losweise vergeben wird, bestimmt sich die für den Streitwert
maßgebliche Auftragssumme nach dem Wert der Lose, an deren Erbringung
der Antragsteller interessiert ist.

b) Für die Schätzung des Werts dieser Lose sind die in § 3 VgV genannten Parameter
heranzuziehen, soweit sie nach den Umständen für eine entsprechende
Anwendung geeignet erscheinen.
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2011 - X ZB 4/10 - OLG Düsseldorf
Vergabekammer Münster
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens und die Richter
Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Bacher

beschlossen:
Es verbleibt unter Verwerfung der Anhörungsrüge der Antragstellerin als unzulässig bei der Wertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011.

Gründe:


I.


1
Die nach § 69a Abs. 1, 2 GKG statthafte Rüge gegen die Wertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 69a Abs. 4 Satz 1 und 2 GKG). Wird die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Beschwerdegericht gerügt, setzt die Zulässigkeit der Anhörungsrüge wie bei dem Rechtsbehelf aus § 321a ZPO, dem § 69a GKG nachgebildet ist, voraus, dass Umstände ausgeführt werden, aus denen sich ergeben kann, dass das Gericht bei der Entscheidung Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch nicht erwogen hat (vgl. dazu BVerfGE 87, 1, 33; BGHZ 154, 288, 300 mwN; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609). Dafür reicht nicht aus vorzutragen, dass das Gericht sich nicht ausdrücklich mit allen angeführten Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 8 mwN). Deshalb verhilft der Anhörungsrüge nicht zur Zulässigkeit, wenn die Antragstellerin vorträgt, der Senat habe im Rahmen der Wertbemessung nach § 50 Abs. 2 GKG § 3 VgV entsprechend angewendet, ohne ausdrücklich die dagegen angeführten Argumente der Antragstellerin zu bescheiden. Das Gleiche gilt erst recht, wenn das vermeintlich übergangene Vorbringen sich im Vortrag nicht erläuterter Anknüpfungstatsachen erschöpft, wie es hier in Bezug auf den der Streitwertbemessung nach Ansicht der Antragstellerin zugrunde zu legenden Zeitraum der Fall ist. Die Antragstellerin hat dafür in ihrem Schriftsatz vom 25. Januar 2011 ohne jede Begründung auf die Laufzeit des Änderungsvertrages zuzüglich Verlängerungsoption abgestellt, obwohl ihr Interesse, worauf zurückzukommen sein wird, diesem Auftrag gar nicht gilt.

II.


2
Der Senat hat die Anhörungsrüge zum Anlass genommen, seine Wertfestsetzung im Beschluss vom 8. Februar 2011 darauf hin zu überprüfen, ob Anlass besteht, sie nach § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu korrigieren. Das ist indes nicht der Fall.
3
1. Bei der Wertbemessung war davon auszugehen, dass es der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag nicht darum ging, Leistungen, die Gegenstand des Änderungsvertrages waren, zumindest in einem Teil des durch diesen Vertrag festgelegten Zeitraums zu erbringen, sondern darum, diesen Änderungsvertrag zu Fall zu bringen, um sich für die Zeit nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags (Dezember 2018) um den Betrieb der genannten S-Bahnlinien 5 und 8 im Verkehrsverbund Rhein/Ruhr zu bewerben. Will der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mit der begehrten Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages aucherreichen, dass der Gesamtgegenstand dieses Vertrages in einem künftigen Vergabeverfahren losweise vergeben wird, bemisst sich die für den Streitwert maßgebliche Auftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG) nach dem Wert der Lose, an deren Erbringung der Antragsteller interessiert ist (ebenso Brandenburgisches OLG, VergabeR 2003, 654 ff.). Das auch in § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB angesprochene Interesse des Antragstellers am Auftrag beschränkt sich in solchen Fällen auf diese Lose. Dieser Umstand kann bei der im Zusammenhang mit der Streitwertfestsetzung gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben. Zudem ist zu bedenken, dass das Rechtsschutzziel der Aufteilung eines Auftrags in Lose typischerweise dasjenige von kleineren oder mittleren Unternehmen sein wird und dass das Prozessrisiko dieser Wirtschaftsteilnehmer im Interesse eines effektiven Vergaberechtsschutzes nicht dadurch überhöht werden sollte, dass ihrem Begehren ein Streitwert von 5 Prozent der BruttoGesamtauftragssumme zugrunde gelegt wird, obwohl ihr wirtschaftliches Ziel sich damit jedenfalls nicht deckt und sich unter Umständen nur auf einen kleinen Bruchteil dieser Summe bezieht.
4
2. Ist nach Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages, wie hier, ungewiss, wann und mit welchen Modalitäten ein zukünftiges Vergabeverfahren für eine losweise Vergabe der in Rede stehenden Leistungen zur Durchführung ansteht, ist die für den Nachprüfungsantrag des die Losaufteilung anstrebenden Antragstellers maßgebliche Auftragssumme zu schätzen. Eine solche Schätzung ist unter Voraussetzungen vorzunehmen , die mit denjenigen vergleichbar ist, unter denen öffentliche Auftraggeber den Wert zur Vergabe anstehender Leistungen zu ermitteln haben, bevor sie das entsprechende Vergabeverfahren in die Wege leiten. Deshalb ist es sachgerecht, dafür die in § 3 VgV genannten Parameter heranzuziehen, soweit sie nach den Umständen für eine entsprechende Anwendung geeignet erscheinen.
5
Im Streitfall kann davon ausgegangen werden, dass eine losweise Vergabe des Betriebs der Linien, für welche die Antragstellerin sich interessiert, auf einen längeren Zeitraum bemessen wird. Bei Aufträgen über Dienstleistungen , für die kein Gesamtpreis angegeben werden kann und die eine unbestimmte Laufzeit bzw. eine solche von mehr als 48 Monaten haben werden, bietet sich in Anlehnung an § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV an, auf den 48-fachen Monatswert abzustellen. Auf dieser Grundlage hat der Senat den Streitwert im Beschluss vom 8. Februar 2011 bemessen.
6
Im Verfahren der Anhörungsrüge nach § 69a Abs. 1 werden Kosten nicht erstattet (§ 69a Abs. 3 GKG). Die Gebühr nach KV 1700 zum Gerichtskostengesetz fällt der Antragstellerin zur Last.
Meier-Beck Gröning Mühlens
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Unternehmen haben bei der Ausführung des öffentlichen Auftrags alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Regelungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag oder einer nach § 7, § 7a oder § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.

(2) Öffentliche Auftraggeber können darüber hinaus besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrags (Ausführungsbedingungen) festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand entsprechend § 127 Absatz 3 in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere wirtschaftliche, innovationsbezogene, umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Belange oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen umfassen.