Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 27. Okt. 2015 - W 1 K 14.30144
Tenor
I.
Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Der am ... 1999 geborene Kläger ist Staatsangehöriger des Kosovo und Volkszugehöriger der Roma. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder, die jeweils eigene Asylverfahren betrieben bzw. noch betreiben (Az. der Gerichtsverfahren: W 1 K 14.30142, W 1 S 14.30143, W 1 K 14.30146, W 1 S 14.30147, W 1 K 14.30481), reiste er zwischen dem 27. Juni und dem 19. Juli 2013 in das Bundesgebiet ein. Hier beantragte er am 22. Juli 2013 Asyl.
Anhand einer Eurodac-Abfrage vom 25./
Auf das Wiederaufnahmegesuch vom
Mit Bescheid vom
II.
Am
Der Kläger beantragt,
die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Die Beklagte beantragt dem gegenüber,
die Klage abzuweisen.
III.
Mit Schriftsatz vom
Mit Beschluss vom 22. Januar 2015
Der die Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides betreffende Klagegegenstand ist mit Beschluss des Gerichts vom
Nach Anhörung der Beteiligten wurde mit Gerichtsbescheid vom
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Niederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Die Akten der Asylverfahren der Familienangehörigen des Klägers sowie die einschlägigen Gerichtsakten wurden zum Verfahren beigezogen.
Gründe
Die zulässige Klage, über die trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist auch begründet.
I.
Gegenstand der Klage ist - nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 - nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom 28. Januar 2014 (sinngemäß) ausgesprochene Ablehnung des Asylantrags als unzulässig. Diese auf § 27a AsylG gestützte Entscheidung (zu deren rechtsgestaltendem Charakter vgl. BVerwG, U. v. 10.9.2015 - 1 A 26.14 - juris Rn. 12) ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides ist daher aufzuheben.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
1.
Das Gericht nimmt zunächst auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids vom
„Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme des Klägers ersuchte Staat, Ungarn, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme des Klägers ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st.Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 - Rn. 3;
Wie sich aus dem EURODAC-Treffer der Kategorie I zweifelsfrei ergibt, haben die Eltern des minderjährigen Klägers bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Aus der Bezugnahme der ungarischen Behörden auf die Regelung des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO folgt des Weiteren, dass sie vor der Entscheidung über ihren Asylantrag durch die ungarischen Behörden illegal ins Bundesgebiet weitergereist sind. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der nach der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Dies gilt auch für die mit dem Antragsteller reisenden minderjährigen Kinder (Art. 4 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO). Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für die Zuständigkeit und das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-) Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.
Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers ist - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - im vorliegenden Falle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) abgelaufen.
Die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs ist nach der Überzeugung des Gerichts die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides. Das Gericht folgt dem gegenüber nicht der Rechtsprechung, wonach die Ziffer 1 durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden sei (BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026). Denn eine Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene tatsächliche oder rechtliche Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rn. 102). Dies ist jedoch im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nicht ohne weiteres der Fall. Zwar wurde der Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, wie bereits dargelegt, durch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO kraft Gesetzes bewirkt. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthält dem gegenüber die verbindliche Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des materiellen Asylbegehrens nicht zuständig sei. Diese Feststellung ist bis zu ihrer Aufhebung wirksam und beschwert den Kläger, weil sie - wie die Ausführungen der Beklagten zur Aufrechterhaltung bzw. Umdeutung des Bescheides in eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG zeigen - der Prüfung des materiellen Asylbegehrens durch die Beklagte entgegen gehalten werden könnte. Der Kläger hat aber ein Grundrecht auf Prüfung seines Asylbegehrens durch einen Dublin-Mitgliedstaat aus Art. 18 GR-Charta (…).
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U. v. 9.2.2014 - 20 B 13.30332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt hier gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B. v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9;
Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt den Kläger auch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm wegen des Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über seinen Asylantrag entscheidet.
Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B. v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Aus Art. 18 GR-Charta folgt lediglich das Recht eines Asylbewerbers auf Prüfung seines Asylantrags durch einen Mitgliedstaat des Dublin-Systems, weil aufgrund der gegenseitigen Vermutung, auf die sich das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Asylantrag in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union behandelt wird (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25,
2.
Ergänzend ist zum Vorbringen der Beklagten im Antrag auf mündliche Verhandlung noch Folgendes auszuführen:
a)
Das Gericht geht mittlerweile in ständiger Rechtsprechung von dem individualschützenden Charakter des Zuständigkeitsübergangs in Folge des Ablaufs der Überstellungsfrist nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 vom 18.2.2003, Amtsblatt Nr. L 50, S. 1) aus (vgl. etwa VG Würzburg, U. v. 31.3.2015 - W 1 K 14.30151 - juris;
b)
Der Einwand der Beklagten, dass es bei verstrichener Überstellungsfrist an einem subjektiv-öffentlichen Recht des Asylbewerbers fehle, solange noch nach Abschluss des gerichtlichen Überprüfungsverfahrens eine zeitnahe Überstellung in den bisher zuständigen Mitgliedstaat möglich sei, verfängt nicht (vgl. dazu VGH Baden Württemberg,
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.
III.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Tenor
I.
Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Die am ... 1975 geborene Klägerin ist Staatsangehörige des Kosovo sowie Volkszugehörige der Roma. Sie hatte bereits im Jahr 2008 in Deutschland erfolglos ein Asylverfahren betrieben und war im Jahr 2009 in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Gemeinsam mit ihrem Ehemann sowie ihren beiden Söhnen, die jeweils eigene Asylverfahren betreiben (Az. der gerichtlichen Verfahren: W 1 K 14.30144, W 1 S 14.30145, W 1 K 14.30146, W 1 S 14.30147), reiste die Klägerin nach eigenen Angaben am 19. Juli 2013 mit einem Pkw erneut in das Bundesgebiet ein. Hier beantragte sie am 23. Juli 2013 unter Vorlage eines Attests des Klinikums F. vom 20. Juli 2013 Asyl.
2. Anhand von Eurodac-Abfragen vom 25. und
Auf das Wiederaufnahmegesuch vom
3. Mit Bescheid vom
4. Am
Der Ehemann der Klägerin nahm seinen Asylantrag am
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt dem gegenüber,
die Klage abzuweisen.
6. Die Klägerin ließ zur Glaubhaftmachung der vorgetragenen Erkrankungen ärztliche Stellungnahmen vom 2. Januar und
7. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss des Gerichts vom
8. Mit Schriftsatz vom
9. Mit Beschluss vom 22. Januar 2015
Der die Ziffer 2 des Bescheides vom
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen. Die Akten der Asyl- sowie der Gerichtsverfahren der Familienangehörigen der Klägerin einschließlich des volljährigen Sohnes wurden zum Verfahren beigezogen.
Gründe
Die zulässige Klage, über die nach Abhörung der Beteiligten durch den Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylVfG) sowie durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 1 VwGO) entschieden werden kann, ist begründet.
Gegenstand der Klage ist - nach Abtrennung des Verfahrens hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 - nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge aufzuheben, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Bundesamt ist nach Aufhebung der Ziffer 1 kraft Gesetzes verpflichtet, das Asylverfahren der Klägerin in eigener Zuständigkeit fortzuführen. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Der Klageantrag ist daher im Sinne einer Anfechtungsklage sachgerecht auszulegen (§ 88 VwGO).
Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG, die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft. Denn im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 Rn. 4;
2. Die Klage ist auch begründet, weil die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig ist (2.1) und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (2.2).
2.1 Die auf § 27a AsylVfG gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. Feststellung der Unzulässigkeit desselben ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) objektiv rechtswidrig.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme der Klägerin ersuchte Staat, nämlich Ungarn, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme der Klägerin ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 - Rn. 3;
Wie sich aus dem Eurodac-Treffer der Kategorie I zweifelsfrei ergibt, hat die Klägerin bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Aus der Bezugnahme der ungarischen Behörden auf die Regelung des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO folgt des Weiteren, dass die Klägerin vor der Entscheidung über ihren Asylantrag durch die ungarischen Behörden illegal ins Bundesgebiet weitergereist ist. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der nach der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für die Zuständigkeit und das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-) Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.
Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Ungarns zur Wiederaufnahme der Klägerin ist - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - im vorliegenden Falle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) bereits abgelaufen.
Die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs ist nach der Überzeugung des Gerichts die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides. Das Gericht folgt dem gegenüber nicht der Rechtsprechung, wonach die Ziffer 1 durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden sei (BayVGH, B. v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026). Denn eine Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene tatsächliche oder rechtliche Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rn. 102). Dies ist jedoch im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nicht ohne weiteres der Fall. Zwar wurde der Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, wie bereits dargelegt, durch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO kraft Gesetzes bewirkt. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthält dem gegenüber die verbindliche Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des materiellen Asylbegehrens nicht zuständig sei. Diese Feststellung ist bis zu ihrer Aufhebung wirksam und beschwert die Klägerin, weil sie - wie die Ausführungen der Beklagten zur Aufrechterhaltung bzw. Umdeutung des Bescheides in eine Entscheidung über die Zulässigkeit eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG zeigen - der Prüfung des materiellen Asylbegehrens durch die Beklagte entgegen gehalten werden könnte. Die Klägerin hat aber ein Grundrecht auf Prüfung ihres Asylbegehrens durch einen Dublin-Mitgliedstaat aus Art. 18 GR-Charta (vgl. unten 2.2).
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U. v. 9.2.2014 - 20 B 13.30332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt hier gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B. v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9;
2.2 Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt die Klägerin auch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihr wegen des Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über ihren Asylantrag entscheidet.
Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B. v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Aus Art. 18 GR-Charta folgt lediglich das Recht eines Asylbewerbers auf Prüfung seines Asylantrags durch einen Mitgliedstaat des Dublin-Systems, weil aufgrund der gegenseitigen Vermutung, auf die sich das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Asylantrag in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union behandelt wird (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25,
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.
(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.
(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 17. Juni 2013 (A 12 K 331/13) geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.
(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.
(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.
III.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 24. November 2014 - A 6 K 202/14 - wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
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(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.
(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.
(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.
Tenor
I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
II.
Gründe
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
I.
Der am ... 1988 geborene ledige Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger. Er wurde bei einer Polizeikontrolle eines aus Italien kommenden Reisebusses am Grenzübergang K. am 13. September 2013 angetroffen. Er führte eine Aufenthaltsgestattung der Republik Italien, ausgestellt am 7. August 2013 mit Gültigkeit für die Zeit vom 23. Juni 2013 bis 22. Januar 2014 zur Durchführung des Asylverfahrens sowie eine Fahrkarte von Bari nach F. ... mit sich. Eine Überprüfung ergab zwei Eurodac-Treffer für Italien.
Der Kläger wurde am
Der Kläger wurde zunächst in Abschiebehaft genommen, die am
Mit Bescheid vom
Der Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am
II.
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger am
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, Italien verstoße im Umgang mit Asylsuchenden gegen europäisches und internationales Recht. Der Kläger habe dies bereits am eigenen Leib erfahren; seit Juli 2013 sei er obdachlos und ohne jegliche staatliche Unterstützung gewesen. Nachdem er seine negative Asylentscheidung (Bescheid des „Ministero dell‘ Interno“ vom 27. Juni 2013) erhalten habe, habe der Kläger die Aufnahmeeinrichtung verlassen müssen und sei sich selbst überlassen geblieben. Wenn der Kläger gegen den Bescheid hätte vorgehen wollen, hätte er einem Rechtsanwalt eine Vorauszahlung in Höhe von 500,00 Euro leisten müssen. Diese Summe habe der Kläger nicht aufbringen können. Bis zu seiner Flucht nach Deutschland sei der Kläger obdachlos gewesen und habe nur durch Teilnahme an kirchlichen Armenspeisungen sowie durch Betteln überleben können.
Der gleichzeitig gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde mit Beschluss vom 14. Januar 2014
Eine Abschiebung des Klägers nach Italien ist nicht erfolgt.
Für die Beklagte beantragte das Bundesamt,
die Klage abzuweisen.
Zwar sei die Überstellungsfrist abgelaufen und eine Abschiebung des Klägers nach Italien nicht erfolgt. Eine Aufhebung des Bescheides komme dennoch nicht in Betracht. Der in der Bundesrepublik gestellte Asylantrag stelle sich als Zweitantrag im Sinne von § 71 a AsylVfG dar. Die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens komme nur in Betracht, wenn die Bundesrepublik für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorlägen. Beides sei nicht der Fall. Allein der Ablauf der Überstellungsfrist rechtfertige die Aufhebung des Bescheides nicht.
Wenn ein früheres Asylverfahren in einem anderen Mitgliedsstaat bereits zur Zuerkennung subsidiären europarechtlichen Schutzes geführt habe, ergebe sich die Unzulässigkeit des Antrags schon aus § 60 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 3 AufenthG. Falls ein früheres Asylverfahren erfolglos abgeschlossen worden sei und Wiederaufgreifensgründe nicht vorlägen, könne die Aufhebung von Ziffer 1 des Bescheides nicht verlangt werden, weil dies der Klägerseite gegenüber einer Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens keinen rechtlichen Vorteil bringe und es insofern am Rechtsschutzbedürfnis für die Aufhebung fehle.
Jedenfalls lägen auch die Voraussetzungen der § 47 Abs. 1 VwVfG für eine entsprechende Umdeutung des Bescheides vor. Die Aus- bzw. Weiterreise des Klägers nach Deutschland sei zudem als ausdrückliche oder konkludente Beendigung des Asylverfahrens im anderen Mitgliedsstaat zu verstehen. Auch wenn man dies ausnahmsweise anders sehen sollte, wäre der vorliegende Asylantrag unzulässig. Parallele Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedsstaaten seien rechtlich nicht möglich. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO könne ein Antrag auf internationalen Schutz zulässigerweise immer nur jeweils in einem einzigen Mitgliedsstaat geprüft werden.
Die Parteien erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Mit Einverständnis der Parteien konnte das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das Gericht legt gemäß § 88 VwGO das Klagebegehren als Anfechtungsklage aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt (BayVGH, U. v.28.2.2014 -13a B 13.30295 - Rn.22, juris). Vorliegend ist die Anfechtungsklage geeignet und ausreichend, das Rechtsschutzziel des Klägers zu erreichen. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schreiben vom 5. November 2014 beim Bundesamt unter Verweis auf den Ablauf der Überstellungsfrist am 4. November 2014 die Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2013 beantragt, weil die Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen sei. Eines Ausspruchs des Gerichts, dass die Beklagte für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig ist, bedarf es nicht. Denn mit einer Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides ist das Bundesamt bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (BayVGH, U. v. 28.2.2014, a. a. O.).
Die statthafte Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Der Kläger ist auch klagebefugt, weil er geltend machen kann, in seinem Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens gemäß Art. 16a Abs. 1 GG bzw. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin II-VO) verletzt zu sein.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
Der Bescheid vom
Die objektive Rechtswidrigkeit des Bescheides verletzt den Kläger auch in seinen Rechten. Der Kläger hat gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO bzw. Art. 16a Abs. 1 GG ein subjektiv-öffentliches Recht auf die Durchführung eines Asylverfahrens. Dieses Recht ist verletzt, wenn sich die Beklagte auch nach Ablauf der Überstellungsfrist weiter auf die zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bestehende Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedsstaats beruft.
Für die Rechtsverletzung kommt es nicht darauf an, ob der Fristablauf für den Kläger nunmehr ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland begründet. Denn durch den Fristablauf wird das Verfahren gleichsam in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich bei Antragstellung in Deutschland befunden hat. Damit lebt die Pflicht der Beklagten zur Behandlung des Asylantrages wieder auf. Im Anschluss daran muss die Beklagte prüfen, ob es sich um einen Erst- oder um einen Zweitantrag handelt.
Vorliegend dürfte es sich um einen Zweitantrag im Sinne des § 71 a AsylVfG handeln. Zwar haben die italienischen Behörden mitgeteilt, sie seien gemäß „Art. 16 Abs. 1 Buchst. c)“ Dublin II-VO für die Bearbeitung des Asylantrages zuständig. Der Kläger hat während des Klageverfahrens eine negative Asylentscheidung des Ministero dell‘ Interno vom 27. Juni 2013 vorgelegt, wonach ihm kein internationaler Schutz zuerkannt wird. Somit dürfte ein Fall des Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO vorgelegen haben.
Eine Umdeutung des Bescheides vom
Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und -form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen zwischen der umzudeutenden und der durch die Umdeutung erzeugten Regelung keine wesentlichen rechtlichen Unterschiede bestehen, d. h. der neue Verwaltungsakt muss die gleiche materiell-rechtliche Tragweite besitzen (BVerwG, U. v. 28.2.1975 - IV C 30.73
Hinsichtlich der Ziffer 1 des Bescheides vom
Sobald jedoch die Überstellungsfrist abgelaufen ist, kommt die von der Beklagten beabsichtigte Umdeutung nicht in Betracht, denn der Ablauf der Frist verändert in maßgeblicher Hinsicht die materiell-rechtliche Tragweite einer Entscheidung nach § 71a AsylVfG. Ab diesem Zeitpunkt verneint der Bescheid nach § 71a AsylVfG nämlich Wiederaufgreifensgründe und zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse. Die Beklagte müsste nämlich im Rahmen des Zweitantrages, für den sie im Sinne des § 71a Abs. 1 AsylVfG zuständig ist, nicht nur die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG, sondern gemäß § 71a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 24 Abs. 2 AsylVfG auch die zielstaatbezogenen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG prüfen. Damit würde aber der Bescheid ganz andere Rechtswirkungen erhalten, die in dem ursprünglichen Ausgangsbescheid keine Rolle gespielt haben und somit auch darin nicht enthalten waren. Deshalb scheitert die von der Beklagten vorgenommene Umdeutung der Ziffer 1 des Bescheides bereits an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses.
Aus dem gleichen Grund kann auch die Abschiebungsanordnung nach Italien nach § 34a AsylVfG nicht in eine Abschiebungsandrohung in das Herkunftsland des Klägers umgedeutet werden. Auch hier fehlt es offensichtlich an der Zielgleichheit des Umdeutungsergebnisses. Zudem wäre die Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat gegenüber der Abschiebung in den Mitgliedsstaat eine vergleichsweise ungünstigere Rechtsfolge. Somit steht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG der Umdeutung entgegen.
Schließlich scheitert eine Umdeutung des Bescheides vom
Nachdem die Umdeutung des streitgegenständlichen Bescheides ausscheidet, erlangt der Kläger entgegen der Ansicht der Beklagten durch die Aufhebung des Bescheides auch einen rechtlichen Vorteil. Denn nach Aufhebung des Bescheides ist die Beklagte verpflichtet, das Verwaltungsverfahren wiederaufzunehmen.
Das Gericht kann die Voraussetzungen für eine Umdeutung des Verwaltungsaktes im gerichtlichen Verfahren auch nicht herbeiführen. Zwar hat das Gericht grundsätzlich die Sache spruchreif zu machen. Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, nach Ansicht der Kammer keine Anwendung (vgl. auch BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295 -; VGH BW, U. v. 16.4.2014 - A 11 S 1721/13 - beide: juris). Denn wenn das Asylbegehren in der Sache noch gar nicht geprüft worden ist und das Gericht verpflichtet wäre, die Sache spruchreif zu machen, ginge der Klagepartei eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist. Außerdem würde ein Durchentscheiden des Gerichts dazu führen, dass es nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern sich anstelle der Exekutive erstmalig selbst mit dem Antrag sachlich auseinandersetzen und entscheiden würde. Dies wäre im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung nach Art. 20 Abs. 2 GG zumindest bedenklich.
Somit war der streitgegenständliche Bescheid mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG aufzuheben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
II.
Gründe
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben äthiopischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am
Am
der Antragsgegnerin zu untersagen den Antragsteller gemäß Bescheid vom
Zur Begründung wurde vorgebracht: Der Antragsteller sei während der Überstellungsfrist nicht nach Norwegen abgeschoben worden. Er habe sich im Kirchenasyl befunden, wovon die Antragsgegnerin informiert gewesen sei. Nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO sei daher Norwegen nicht mehr verpflichtet, den Antragsteller zu übernehmen. Der Antragsteller habe von der Ausländerbehörde des Landratsamtes Aschaffenburg eine Duldung erhalten, man habe ihm aber ein Schreiben ausgehändigt, wonach die Antragsgegnerin den Fall des Antragstellers nicht ins nationale Verfahren übernehmen werde. Der Antragsteller sei aufgefordert worden auszureisen. Die Antragsgegnerin habe eine Erklärung, dass eine Überstellung nach Norwegen aufgrund des Bescheides vom 23. Januar 2014 nicht mehr in Frage komme, nicht abgegeben. Da der Bescheid nach wie vor nicht aufgehoben worden sei, obwohl die Überstellungsfrist abgelaufen sei, fürchte der Antragsteller die zwangsweise Durchführung der Abschiebung nach N. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei deshalb zulässig, da aktuell die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers wesentlich erschwert oder vereitelt werden könnten.
Das Bundesamt teilte - ohne einen förmlichen Antrag zu stellen - mit, dem Gericht sei die aktuelle Argumentation des Bundesamtes zur Nichtaufhebung der Dublin-Bescheide nach Fristablauf bekannt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung des Antrages nach § 123 VwGO sei jedoch nicht nachvollziehbar.
II.
Das Gericht legt den Antrag „auf einstweiligen Rechtsschutz“ gemäß § 86 Abs. 1 VwGO als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aus. Ein solcher Antrag ist auch statthaft. Insbesondere kommt vorliegend kein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 11. Februar 2014 in Betracht, nachdem die Klage gegen den Bescheid vom 22. Januar 2014 zurückgenommen wurde.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Vorliegend wäre zwar ein Anordnungsgrund zu bejahen, da dem Antragsteller aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Bundesamts vom
Der Antragsteller kann aber keinen Anordnungsanspruch geltend machen, dass von einer Überstellung nach Norwegen abgesehen wird, allein weil die Überstellungsfrist abgelaufen ist.
Für das Asylverfahren des Klägers ist noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) anzuwenden weil der Asylantrag im Mai 2013 gestellt worden war; vgl. hierzu die Übergangsreglung des Art. 49 UA 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO). Vorliegend handelte es sich um ein sog. Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin II-VO, da der Antragsteller in Norwegen bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO erfolgt die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend läuft die Sechs-Monatsfrist ab Zustellung der ab lehnenden Entscheidung des Gerichts im Sofortverfahren (dazu: VG Würzburg, B. v.11.6.2014 -W 6 S 14.50065- juris, Rn. 20 m. w. N.). Die Zustellung des Beschlusses vom 11. Februar 2014 an den Klägerbevollmächtigten erfolgte am 17. Februar 2014, so dass mittlerweile die Sechs-Monats-Frist abgelaufen ist und nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
Dennoch kann der Antragsteller kein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen, dass die Bundesrepublik Deutschland seinen Asylantrag prüft.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus den Gewährleistungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCharta), die bei der Anwendung von Unionsrecht durch die Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen ist (Art. 51 Abs. 1 GrCharta). So gewährleistet Art.18 GrCharta das Recht auf Asyl nur nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention und der unionsrechtlichen Verträge. Aus dem so inkorporierten Art. 78 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergibt sich, dass für die Prüfung des Antrages auf Asyl lediglich ein bestimmter Mitgliedsstaat zuständig ist (Art. 78 Abs. 2 Buchst. e AEUV). Diese Einschränkung der unionsrechtlichen Asylgewährleistung wird auch durch die sekundärrechtliche Ausgestaltung bestätigt. Nach dem System der Dublin-Verordnungen [(EG) Nr. 343/2003 und (EU) Nr.604/2013] ist lediglich garantiert dass die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag prüfen (hier: Art. 3 Abs. 1 S. 1 Dublin II-VO). Die weiteren Regelungen, welcher Mitgliedsstaat einen individuellen Asylantrag prüft, dienen der internen Zuständigkeitsverteilung und begründen keine subjektiven Rechte. Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO stützen sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedsstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben - nämlich die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat - nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den Partnerländern die negativen Folgen tragen muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in den Dublin-Verordnungen niedergelegten Zuständigkeitsregungen an die Mitgliedsstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für diese vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedsstaat besteht daher grundsätzlich nicht. Ausnahmen gelten allenfalls im Hinblick auf einzelne Vorschriften, die z. B. den Schutz unbegleiteter Minderjähriger oder die Einheit der Familie betreffen (zum Ganzen: VG Berlin, B. v. 19.3.2014 -33 L 90.14 A - juris, Rn. 9 m. w. N.; EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 Abdullahi - NVwZ 2014, 208).
Somit ist davon auszugehen, dass sich die einzelnen Asylantragsteller nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Zwar sind als Reflex des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ausnahmsweise auch subjektive Rechte der Asylbewerber betroffen, wenn die Überstellungsfristen nach Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 Dublin II-VO ohne Überstellung der Asylbewerber abgelaufen sind und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit ist. Denn wenn Asylbewerber in einer solchen Situation die Aufhebung eines von der Antragsgegnerin erlassenen Dublin-Bescheides nicht mehr gerichtlich durchsetzen könnten, bestünde die Gefahr, dass die Asylanträge in keinem Mitgliedsstaat materiell geprüft würden. Dies wäre weder mit dem nach Art. 18 der GRCharta gewährleisteten Asylrecht, noch mit dem Grundsatz in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO, wonach die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen materiell prüfen, vereinbar (VG Hamburg, B. v. 8.4.2014 - 17 AE 1762/14 - juris). Das Gericht folgt der Rechtsauffassung, die in Bezug auf die Überschreitung der Überstellungsfristen eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller verneint (so auch VG Düsseldorf, B. v. 7.4.2014 - 2 L 55/14.A - juris; VG Regensburg, B. v. 13.12.2013 - RO 9 S 13.30618 - juris; offen gelassen von VG München, G.
Im Fall des Antragstellers wurde weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass Norwegen sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist beruft und deshalb ein Ausnahmefall im obigen Sinne vorliegt.
Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzulehnen.
Tenor
I.
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Antragsgegnerin vor der Überstellung der Antragsteller nach ... eine Garantieerklärung der ungarischen Behörden dafür einzuholen hat, dass die Familieneinheit der Antragsteller gewahrt wird und die Antragsteller zu 3) und 4) ihrem Alter entsprechend kindgerecht untergebracht werden.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt S., wird für das Antrags- und das Klageverfahren abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller sind Staatsangehörige des Kosovo und Volkszugehörige der Ashkali. Sie meldeten sich am
Am
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates am
Aus einem Bildschirmausdruck in der Akte des Asylverfahrens (Bl. 68) geht hervor, dass das Bundeskriminalamt am
Am
Mit Schreiben vom
Mit Bescheid vom 13. August 2014 lehnte das Bundesamt die Anträge als unzulässig ab (Ziffer 1 des Bescheides) und ordnete die Abschiebung nach ... an (Ziffer 2). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass ... aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gemäß Art. 18 Abs. 1d Dublin III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Antragsgegnerin veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Antragsteller machten keine Gründe geltend, die gegen eine Überstellung nach ... sprächen. Auch anderweitig lägen dem Bundesamt keine entsprechenden Informationen vor. In ... lägen keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vor. Der Bescheid wurde den Antragstellern am 18. August 2014 im Wege der Ersatzzustellung an den Leiter der Gemeinschaftsunterkunft zugestellt (Bl. 225 bis 228 der Bundesamtsakte).
Mit am
Gleichzeitig beantragen sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Des Weiteren wurde beantragt, den Antragstellern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des bevollmächtigten Rechtsanwaltes zu bewilligen.
Zur Begründung der Anträge wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Wiederaufnahmeersuchen nach Ablauf der Frist des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO erfolgt sei, da die Frist bereits am
Zudem bestünden in ... systemische Mängel im Asylsystem und in den Aufnahmebedingungen. Auf das Positionspapier des UNHCR vom April 2012 „... als Asylland“, den Bericht von Pro Asyl vom 15. März 2012 „...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“, den Bericht des Hungarian Helsinki Committe vom 8. Oktober 2013 sowie den Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013 mit dem Titel „...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit“ werde verwiesen. Zudem werde auch auf die Stellungnahme des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das Verwaltungsgericht Düsseldorf sowie auf die Anfragebeantwortung von ACCORD vom 8. August 2013 verwiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der zulässige, insbesondere innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG gestellte Antrag, die gemäß § 75 AsylVfG ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, ist in der Sache nicht begründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse der Antragsteller, vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch im Bundesgebiet verbleiben zu dürfen, weil die im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 13. August 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) rechtmäßig ist und die Antragsteller nicht in ihren Rechten verletzt.
1. Die Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 des Bescheides vom
Da sowohl der Asylantrag als auch das Wiederaufnahmeersuchen an ... nach dem
Eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO durch die allein den (unmittelbaren) Gegenstand des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat bildende Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt grundsätzlich nur im Falle der Verletzung materiell-rechtlicher Rechtspositionen der Antragsteller in Betracht. Denn nach der Konzeption des Individualrechtsschutzes, die nach Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO dem Rechtsschutzsystem der Verwaltungsgerichtsordnung zugrunde liegt, hat ein Rechtsbehelf gegen einen belastenden Verwaltungsakt nur dann Erfolg, wenn und soweit der Rechtsbehelfsführer durch einen Verstoß gegen Rechtsvorschriften in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. Grundsätzlich vermögen solche subjektiv-öffentlichen Rechte nur Normen des materiellen (öffentlichen) Rechts zu verleihen, die (neben dem Allgemeininteresse zumindest auch) dem Schutz der Interessen von Personen in der rechtlichen Situation, in der sich die Antragsteller befinden, zu dienen bestimmt sind (Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2014, § 42 Rn. 71, 83 ff.). Wenngleich bei der unmittelbaren oder mittelbaren, d. h. durch deutsche Umsetzungsnormen vermittelten, Anwendung von Rechtsnormen des europäischen Unionsrechts eine weitere Auslegung des Begriffs des subjektiv-öffentlichen Rechts i. S. einer großzügigeren Bestimmung des Individualschutzgehaltes einer solchen Norm und des Kreises der dadurch geschützten Personen geboten ist, weil dem europäischen Unionsrecht ein anderes Konzept des Individualrechtsschutzes zugrunde liegt, ist doch auch hier erforderlich, dass die (möglicherweise) verletzte Rechtsnorm überhaupt einen individualschützenden Gehalt aufweist und die Antragsteller von ihrem Schutzbereich erfasst sind.
Die Fristbestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO weisen jedoch nach der vorläufigen Rechtsauffassung des Gerichtes keinen solchen individualschützenden Gehalt auf (vgl. VG Würzburg, B. v. 11.6.2014 - W 6 S 14.50065 - juris Rn. 18 ff.). Hinsichtlich eines (möglichen) Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften setzt die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung grundsätzlich voraus, dass der Verfahrensfehler zu einer Verletzung materiell-rechtlicher Rechtspositionen der Antragsteller geführt hat. Denn Verfahrensvorschriften sind grundsätzlich kein Selbstzweck, sondern dienen der Durchsetzung materieller Rechte. Sie können daher grundsätzlich nur mit Blick auf eine verfahrensrechtlich abgesicherte materiell-rechtliche Rechtsposition subjektiv-öffentliche Rechte begründen (sog. relatives Verfahrensrecht). Nach § 46 VwVfG setzt die Feststellung einer subjektiven Rechtsverletzung in diesem Falle außerdem voraus, dass nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Entscheidung in der Sache ohne den Verfahrensfehler anders ausgefallen wäre (st. Rspr., vgl. BVerwG, U. v. 31.7.2012 - 4 A 7001/11 u. a. - juris Rn. 34;
Im europäischen Unionsrecht ist ein Individualschutzgehalt u. a. bejaht worden hinsichtlich bestimmter als „Verfahrensgarantien“ bzw. „verfahrensrechtliche Mindestgarantien“ bezeichneter besonderer Verfahrensvorschriften, so hinsichtlich der Nachprüfung der Ausweisung eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers durch eine unabhängige Stelle (Vieraugenprinzip) nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG (EuGH, U. v. 2.6.2005 - Dörr, C-136/03 - juris Rn. 42; U. v. 29.4.2004
Übertragen auf die Fristbestimmungen des Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO bedeutet dies, dass diese allenfalls als „Verfahrensgarantien“ angesehen werden könnten, die der Verwirklichung bestimmter materieller Rechte der Antragsteller zu dienen bestimmt sind. Als geschützte Rechte kommen insoweit nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta (nur) die auf der Ebene des europäischen Unionsrechts garantierten Grundrechte in Betracht. Denn beim Vollzug der Dublin III-VO - der auch die Entscheidung über die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO beinhaltet (EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S., C-411/110 - juris Rn. 64 ff.) - bewegen sich die mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichte in einem unionsrechtlich determinierten Bereich (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - N.S., C-411/110 - juris Rn. 64 ff.; BVerfG, B. v. 4.10.2011 - 1 BvL 3/08 - juris Rn. 45 ff.; U. v. 2.3.2010 - 1 BvR 256/08
Durch eine - unterstellte - Fristüberschreitung nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO werden Grundrechte der Antragsteller jedoch nicht verletzt (vgl. VG Würzburg, B. v. 11.6.2014 - W 6 S 14.50065 - juris Rn. 18 ff.), weil die Fristbestimmungen und die mit einer Fristüberschreitung verbundene Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO der Sicherstellung des Rechtes auf Prüfung des Asylantrags in einem Mitgliedstaat dienen, nicht jedoch aus sich heraus subjektiv-öffentliche Rechte begründen.
Art. 23 Abs. 2 und 3 Dublin III-VO dienen dem Schutz des Rechts der Antragsteller auf Prüfung ihres Asylantrags in einem Mitgliedstaat des Dublin-Systems. Dieses Recht wird unter den Umständen des vorliegenden Falles durch eine Fristüberschreitung nicht verletzt. Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Verträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert. Vielmehr dürfen die am Dublin-System beteiligten Staaten sich gegenseitig Vertrauen dahingehend entgegenbringen, dass das Asylverfahren in allen beteiligten Staaten den unionsrechtlichen und durch das Unionsrecht übernommenen völkerrechtlichen Mindestgarantien entspricht, insbesondere die Grund- und Menschenrechte der Asylbewerber generell gewährleistet (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Adullahi, C-394/12
Durch eine Überschreitung der Frist für das Wiederaufnahmegesuch nach Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO wird unter den vorliegenden Umständen voraussichtlich auch nicht das Recht auf angemessene Verfahrensdauer verletzt. Das Grundrecht auf eine gute Verwaltung nach Art. 41 Abs. 1 GR-Charta beinhaltet zwar ein Recht auf Sachbehandlung eines Antrags durch die Verwaltung in angemessener Zeit (Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 41 GR-Charta Rn. 12; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 41 GR-Charta Rn. 7, Jarass, GR-Charta Art. 41 Rn. 16). Dieses Recht gilt als Jedermannsrecht auch für die Antragsteller als Drittstaatsangehörige (Ruffert a. a. O. Rn. 5; Streinz a. a. O. Rn. 13; Jarass, GR-Charta, Art. 41 Rn. 11). Dieses Recht der Antragsteller ist jedoch durch eine (allenfalls geringfügige) Überschreitung der Frist gem. Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO nicht verletzt. Die Antragsteller haben am 5. Mai 2014 im Bundesgebiet Asyl beantragt. Am 7. Mai 2014 oder 30. Juni 2014 ist dem Bundesamt das Vorliegen des Eurodac-Treffers bekannt geworden. Am 31. Juli 2014 hat das Bundesamt die ungarischen Behörden um Wiederaufnahme der Antragsteller ersucht, am 12. August 2014 erfolgte die Zustimmung ...s und am 13. August 2014 ist die Abschiebungsanordnung ergangen (zugestellt am 18. August 2014). Damit ist zwischen der Kenntnis des Bundesamtes vom Vorliegen eines Eurodac-Treffers - unabhängig davon, auf welches der beiden in Betracht kommenden Daten man abstellt - und der Stellung des Wiederaufnahmegesuchs ein Zeitraum von weniger als sechs Monaten vergangen. In einem solchen Fall wurde unter der Geltung der Dublin II-VO, die eine Frist für das Wiederaufnahmeersuchen nicht vorsah, nicht von einer überlangen Verfahrensdauer ausgegangen (für die Annahme einer unangemessenen Verfahrensverzögerung erst ab einem Untätigbleiben von deutlich über einem Jahr VG Würzburg, U. v. 27.8.2014 - W 7 K 14.30286 - UA Seite 12; VG Stuttgart, U. v. 28.2.2014 - A 12 K 383/14 - juris Rn. 23). Für die Dublin III-VO kann im Hinblick auf die Frage einer Verletzung des Art. 41 GR-Charta nichts anderes gelten. Denn die vorgesehene Zweiwochenfrist für das Wiederaufnahmeersuchen bei Vorliegen eines Eurodac-Treffers dient ersichtlich nicht der Konkretisierung der „angemessenen Verfahrensdauer“ i. S. d. Art. 41 Abs. 1 GR-Charta. Vielmehr hat diese Frist den Zweck, das Verfahren der Zuständigkeitsermittlung nach der Dublin III-VO im Interesse einer reibungslosen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zu beschleunigen (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12
2. Die Antragsteller werden unter Beachtung der in Ziffer I. des Tenors enthaltenen Maßgabe voraussichtlich auch nicht dadurch in ihren Rechten verletzt, dass in Ziffer 2 des Bescheides vom
Außergewöhnliche Umstände, die möglicherweise für eine Selbsteintrittspflicht der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO bzw. für Ermessensfehler bei der Entscheidung der Antragsgegnerin über den Verzicht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts und deshalb für ein Recht der Antragsteller (zumindest) auf ermessensfehlerfreie Entscheidung sprechen könnten, sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht.
Insbesondere ist nach derzeitigem Erkenntnisstand und unter Berücksichtigung der hierzu einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) sowie des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Überstellung eines Asylbewerbers an einen anderen Mitgliedstaat nur dann zu unterlassen, wenn ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der (rück-)überstellten Asylsuchenden i. S. v. Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419 f.). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass jeder Verstoß eines zuständigen Mitgliedstaates gegen einzelne unionsrechtliche Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein (weiterer) Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Asylsuchenden an den zuständigen Staat zu überstellen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419). Denn eine solche Sichtweise würde den Kern und die Verwirklichung des Ziels der Dublin-Verordnungen gefährden, rasch denjenigen Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen Asylantrag zuständig ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417/419).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass derartige systemische Mängel bezüglich der Asylpraxis in ... (derzeit) vorliegen. Das Gericht teilt vielmehr insoweit aufgrund im Folgenden noch darzulegender eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, U. v. 3.7.2014 - 71932/12 - UA Rn. 68 ff.; U. v. 6.6.2013 - 2283/12 - Asylmagazin 10/2013, 342 ff.) sowie einiger anderer deutscher Verwaltungsgerichte, die systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in ... verneinen (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris; OVG LSA, B. v. 31.5.2013 - 4 L 169/12; VG Würzburg, U. v. 23.9.2014 - W 1 K 14.50050 - UA S. 8 ff.; VG Würzburg, B. v. 25.8.2014 - W 6 S 14.50100 - juris Rn. 17 ff.;
Nach der Berichterstattung des UNHCR zum Asylland ... vom Dezember 2012 hat das ungarische Parlament im November 2012 umfassende Gesetzesänderungen verabschiedet. Danach werden Asylsuchende nicht mehr ohne sachliche Prüfung ihres Asylantrags nach Serbien oder in die Ukraine zurückgeschoben und nicht inhaftiert, wenn sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise einreichen. „Dublin-Rückkehrer“ werden nicht automatisch inhaftiert und erhalten die Möglichkeit, ein noch nicht in der Sache geprüftes Asylverfahren zu Ende zu bringen. Bestätigt werden diese Verbesserungen durch das Hungarian Helsinki Committee (HHC, Brief information note on the main asylum-related legal changes in Hungary as of 1 July 2013, Seite 1; in englischer Sprache im Internet abrufbar). Dass die Antragsteller nach einer Rücküberstellung nach ... unmittelbar nach Griechenland weitergeschoben würden, ist damit aufgrund dieser Erkenntnisquellen nicht anzunehmen. Gegenteiliges lässt sich auch dem Bericht von bordermonitoring.eu vom Oktober 2013, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, nicht entnehmen.
Mögliche systemische Mängel des ungarischen Asylsystems werden in jüngerer Zeit primär auf die im Juli 2013 in ... in Kraft getretene Gesetzesnovelle gestützt, wonach die Inhaftierung von Asylsuchenden für bis zu sechs Monaten möglich ist (vgl. hierzu etwa VG Frankfurt/Oder, B. v. 24.7.2013 - VG 1 L 213/13.A; VG München, B. v. 4.10.2013 - M 23 S 13.30926). Auch dieser Umstand vermag nach Auffassung des Gerichts - jedenfalls derzeit - systematische Mängel nicht zu begründen. So entsprechen die in Art. 31 A Abs. 1 des ungarischen Gesetzes (eine englische Version dieses Gesetzes findet sich in dem in englischer Sprache verfassten Bericht: UNHCR comments and recommendations on the draft modification of certain migration-related legislative acts for the purpose of legal harmonisation; abrufbar im Internet) genannten Haftgründe ganz überwiegend denen des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie (RL) 2013/33/EU, die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Entsprechend den Vorgaben dieser Richtlinie darf nach Art. 31 A Abs. 3 des ungarischen Gesetzes eine solche Inhaftierung nur aufgrund einer individuellen Ermessensentscheidung erfolgen (vgl. insoweit Art. 8 Abs. 2 RL 2013/33/EU). Auch darf eine solche Inhaftierung nach Art. 31 B Abs. 1 des ungarischen Gesetzes nicht alleine deswegen erfolgen, weil die Antragsteller einen Asylantrag gestellt haben (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2013/33/EU). Dass allein aufgrund dieser Neuregelungen das ungarische Asylsystem an systemischen Mängeln leidet, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Asylsuchenden zur Folge hätten, ist damit nicht ersichtlich. Kritisiert wurde diesbezüglich nur, dass die ungarischen Regelungen zum Teil zu unbestimmt gefasst seien und damit die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung bestünde (so HHC, Brief Information Note, S. 2 f.; European Council on Refugees and Exiles in seinem Bericht: Hungary passes legislation allowing widespread detention of asylum seekers; zugänglich im Internet in englischer Sprache; UNHCR comments and recommendations, S. 9).
Dass es tatsächlich zu einer systematischen, missbräuchlichen Anwendung der Inhaftierungsvorschriften komme oder bereits gekommen sei, kann diesen Berichten dagegen gerade nicht entnommen werden (vgl. hierzu nur HHC, Brief Information Note, S. 4, wo explizit darauf hingewiesen wird, dass die zukünftige Umsetzung und Anwendung dieser Gesetzesnovelle beobachtet werden muss). Gegenteiliges ist auch dem angeführten Bericht von bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013 nicht zu entnehmen. Auch dort wird insoweit nur kritisiert, dass die entsprechenden Normen weit gefasst seien (vgl. S. 35 des genannten Berichts). Entsprechende Erkenntnismittel, die insoweit bereits bestehende systemische Mängel festgestellt hätten, sind aber bislang weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit und solange sich aber keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - NVwZ 2012, 417 ff.) davon auszugehen, dass auch für ... die Vermutung besteht, dass Asylsuchende jedenfalls seit November 2012 (wieder) in Einklang mit den Vorgaben der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK behandelt werden.
Schließlich geht das Gericht davon aus, dass nach derzeitiger Erkenntnislage die Lebensbedingungen insbesondere für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte in ... zwar schwierig sind (vgl. hierzu den Bericht von bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16 ff. und S. 35 f.). Diese stellen sich, unabhängig von der Frage, ob den Antragstellern ein solcher Status überhaupt zuerkannt werden wird, nach Auffassung des Gerichts aber als nicht so gravierend dar, dass diese entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge hätten. Denn von einem schwierigen Arbeitsmarkt sind die ungarischen Staatsangehörigen gleichermaßen betroffen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem vorgelegten Bericht, dass Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte durchaus Anspruch auf öffentliche Leistungen haben (vgl. den genannten Bericht von bordermonitoring.eu, S. 16). Dass trotz dieser Unterstützungsleistungen anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten in ganz ... in systemischer Weise Obdachlosigkeit drohen würde, ist durch diesen Bericht dagegen nicht glaubhaft gemacht. So wird dort insbesondere auf Mietkosten in der Hauptstadt Budapest abgestellt, wo die Mietkosten deutlich höher sein dürften als im restlichen ... (vgl. bordermonitoring.eu, ...: Flüchtlinge zwischen Haft und Obdachlosigkeit, vom Oktober 2013, S. 16). Auch dieser Gesichtspunkt steht einer Rücküberstellung der Antragsteller daher nicht entgegen (so auch VG Würzburg B. v. 21.3.2014 - W 1 S 14.30147;
Weder das Vorbringen der Antragsteller noch die neueren Erkenntnismittel, insbesondere der Bericht des Hungarian Helsinki Committee vom Mai 2014, die Auskunft von UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf
Das Gericht verkennt nicht das Bestehen der in den vorliegenden Berichten dargestellten Missstände insbesondere der Inhaftierungspraxis in ... Diese begründen jedoch für sich keine systemischen Mängel. Denn weiterhin ist festzuhalten, dass der UNHCR bislang keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen in ... explizit festgestellt und keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach ... zu überstellen. Dem Fehlen einer solchen generellen Empfehlung des UNHCR kommt insoweit besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die - bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende - Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U. v. 30.5.2013 - Halaf, C-528/11 - NVwZ-RR 2013, 660).
Auch unter Einbeziehung der neuesten Berichte zur tatsächlichen Situation in ..., insbesondere im Hinblick auf die regelmäßige Inhaftierung von Dublin-Rückkehrern, ist festzustellen, dass die dort genannten Missstände nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls nicht die Qualität systemischer Mängel erreichen. Das Gericht folgt nicht der Rechtsprechung, die das Vorliegen systemischer Mängel im Hinblick auf die Inhaftierungspraxis nunmehr für gegeben bzw. für überprüfungsbedürftig hält (so VG München, B. v. 26.6.2014 - M 24 S 14.50325 - juris; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris;
Im Übrigen droht den Antragstellern als Familie mit (minderjährigen) Kindern in ... nach derzeitiger Erkenntnislage ohnehin keine Inhaftierung. Denn dem aktuellen aida-Bericht (European Council on Refugees and Exiles - ECRE, Asylum Information Database - aida, National Report, Hungary vom 30.4.2014, S. 48) ist zu entnehmen, dass in ... Frauen und Familien mit Kindern in der Praxis nicht mehr inhaftiert werden (ebenso VG Stade, B. v. 14.7.2014 - 1 B 862/14 - juris Rn. 13; VG Düsseldorf, B. v. 27.8.2014 - 14 L 1786/14.A - juris Rn. 87 ff.; anderer Ansicht, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem o. g. Bericht: VG München, B. v. 30.5.2014 - M 10 S 14.50134, M 10M 10 S 14.50136, M 10 S M 10 S 14.50138 - juris Rn. 20 ff.;
Eine Rückführung der Antragsteller nach ... unter der in Ziffer I. des Tenors bezeichneten Maßgabe steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sowie des Bundesverfassungsgerichts. Der EGMR führte in der Entscheidung Tarakhel/Schweiz - dort zu einer Überstellung nach Italien - aus, dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK dann gegeben ist, wenn Asylbewerber nach Italien überstellt werden, ohne dass zuvor seitens der Behörden des rückführenden Staates individuelle Garantien von den italienischen Behörden eingeholt wurden (EGMR, U. v. 4.11.2014 - Tarakhel/Schweiz, Nr. 29217/12
4. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylVfG).
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
II.
Gründe
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
1
Tatbestand:
2Die am 00. September 1983 geborene Klägerin zu 1. und ihre am 30. November 2009 geborene Tochter (Klägerin zu 2.) sind mongolische Staatsangehörige. Sie reisten am 25. Februar 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 27. Februar 2013 einen Asylantrag. Nach einem Abgleich der Fingerabdrücke der Klägerin zu 1. richtete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 11. Dezember 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-Verordnung an die Niederlande. Die niederländischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 24. April 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe c Dublin II-Verordnung.
3Das Bundesamt entschied mit Bescheid vom 2. Juli 2014, dass die Asylanträge der Klägerinnen unzulässig sind und ordnete deren Abschiebung in die Niederlande an. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da die Niederlande aufgrund der dort bereits gestellten Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin II-Verordnung für die Entscheidung der Asylanträge zuständig seien. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Es lägen auch keine Gründe zur Annahme von systemischen Mängeln im Asylverfahren der Niederlande vor. Die Asylanträge würden deshalb in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Abschiebungsanordnung in die Niederlande beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
4Die Klägerinnen haben am 10. Juli 2014 die vorliegende Klage erhoben und einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt (8 L 1581/14.A).
5Das Gericht ordnete mit Beschluss vom 24. Juli 2014 die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 an.
6Die Klägerinnen beantragen schriftsätzlich sinngemäß,
7den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 aufzuheben und
8die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Die Frist zur Überstellung der Klägerinnen in die Niederlande gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Dublin II-Verordnung sei am 28. Juni 2014 abgelaufen. Allerdings stelle sich der Asylantrag vor diesem Hintergrund als Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylVfG dar. Dessen Voraussetzungen lägen indes nicht vor.
12Unabhängig davon fehle für eine Aufhebung von Ziffer 1 des angefochtenen Bescheides das Rechtsschutzbedürfnis. Die Voraussetzung für eine Umdeutung in einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt lägen vor.
13Die Weiterreise der Klägerinnen nach Deutschland sei zudem als Beendigung des ersten Asylverfahrens in dem anderen Mitgliedstaat zu verstehen. Der Antrag auf internationalen Schutz könne zulässigerweise immer nur in einem Mitgliedstaat geprüft werden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Gerichtsakte 8 L 1581/14.A sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Das Gericht kann durch den Einzelrichter entscheiden, nachdem ihm das Verfahren durch Beschluss der Kammer vom 22. September 2014 zur Entscheidung übertragen worden ist (§ 76 Abs. 1 AsylVfG). Die Entscheidung kann mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 101 Abs. 2 VwGO).
17Die auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 gerichtete Klage ist zulässig (I.) und begründet (III.). Die Klage hinsichtlich der darüber hinaus begehrten Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens ist hingegen unzulässig (II.).
18I. Die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist als (isolierte) Anfechtungsklage statthaft. Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags ist § 27a AsylVfG, wonach ein in Deutschland gestellter Asylantrag als unzulässig abzulehnen ist, wenn die Zuständigkeit eines anderen Staates aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens vorliegt. Die mit diesem Ausspruch regelmäßig verbundene Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Die Entscheidungen nach §§ 27a und 34a Abs. 1 AsylVfG stellen belastende Verwaltungsakte im Sinne des § 35 VwVfG dar, deren isolierte Aufhebung - anders als in sonstigen Fällen eines Verpflichtungsbegehrens - ausnahmsweise zulässig ist, weil schon ihre Beseitigung grundsätzlich zur formellen und materiellen Prüfung des gestellten Asylantrages führt. Denn das Bundesamt ist nach Aufhebung des Bescheides bereits gesetzlich verpflichtet, das Asylverfahren durchzuführen (§§ 31, 24 AsylVfG). Das Bundesamt hat sich in den Fällen des § 27a AsylVfG lediglich mit der - einer materiellen Prüfung des Asylbegehrens vorrangigen - Frage befasst, welcher Staat nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Prüfung des Asylbegehrens der Klägerinnen zuständig ist; eine Prüfung des Asylbegehrens ist in der Sache nicht erfolgt. Mit der Aufhebung des Bescheides wird ein Verfahrenshindernis für die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens beseitigt, und das Asylverfahren ist in dem Stadium, in dem es zu Unrecht beendet worden ist, durch das Bundesamt weiterzuführen.
19Vgl. aus der aktuellen Rechtsprechung OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A –; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 – 13a B 13.30295 –; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 2. Oktober 2013 – 3 L 643/12 –; VG Düsseldorf, Urteil vom 23. April 2013 – 17 K 503/14.A –; jeweils juris.
20II. Die Klage ist hingegen unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Fortführung des Asylverfahrens begehrt wird. Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt zunächst voraus, dass den Klägerinnen ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite steht, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde. Dies ist jedoch nicht erkennbar.
21Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16. April 2014 – A 11 S 1721/13 –; jeweils juris.
22III. Die zulässige Klage auf Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist auch begründet.
23Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 ist zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
24Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Unrecht gemäß § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, weshalb sich auch die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung in die Niederlande als rechtswidrig erweist.
25Vorliegend sind nicht (mehr) die Niederlande, sondern ist (inzwischen) die Bundesrepublik Deutschland zur Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Beklagte den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
26Eine Zuständigkeit der Niederlande besteht indes nicht (mehr). Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-VO). Diese findet auf den Asylantrag der Klägerinnen Anwendung, obwohl gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist und die Nachfolgevorschrift der Dublin II-VO, die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO) bereits am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist. Denn gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO bleibt die Dublin II-VO anwendbar für Asylanträge, die vor dem 1. Januar 2014 gestellt werden. Anderes gilt allenfalls im Falle von Gesuchen um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO).
27Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –, juris.
28Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Das Übernahmeersuchen wurde am 13. Dezember 2013 an die Niederlande gestellt.
29Einer Überstellung in die Niederlande steht – auch nach Ansicht der Beklagten – schon entgegen, dass die Frist zur Überstellung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchstabe d in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO bereits abgelaufen ist.
30Unabhängig davon steht der Überstellung an die Niederlande und damit deren Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens entgegen, dass seit der Stellung des Asylantrags am 27. Februar 2013 bis zur Stellung des Übernahmeersuchens an die Niederlande am 13. Dezember 2013 nahezu zehn Monate vergangen sind. Fristvorgaben enthält die Dublin II-VO insoweit zwar allein für Aufnahmeersuchen (Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO), also Ersuchen, die darauf gerichtet sind, dass der erstmalige Asylantrag von einem anderen Mitgliedstaat geprüft werde. Wird nach der Stellung eines Asylantrags in einem anderen Mitgliedstaat - vorliegend ausweislich der Eurodac-Treffer und der eigenen Angaben der Klägerin zu 1. in der Anhörung beim Bundesamt am 20. März 2013 in den Niederlanden - ein weiterer Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland gestellt und ersucht die Beklagte daraufhin den Staat der ersten Asylantragstellung um Übernahme des Asylbewerbers, handelt es sich um ein Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO, das nicht der Fristregelung des Art. 17 Dublin II-VO unterfällt.
31Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Februar 2013 - 17 L 150/13.A -; VG Regensburg, Beschluss vom 5. Juli 2013 - RN 5 S 13.30273 -; VG Berlin, Beschluss vom 7. Oktober 2013 - 33 L 403.13 A -; jeweils juris.
32Es liegt aber ein Fall vor, in dem es der Beklagten zum Schutz der Grundrechte der Klägerinnen aufgrund einer unangemessen langen Verfahrensdauer verwehrt ist, sich auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der an sich nach der Dublin II-VO unzuständige Mitgliedstaat darauf zu achten, dass eine Situation, in der die Grundrechte des Asylbewerbers verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den Antrag nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst prüfen.
33EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 et al. -, juris.
34Diese Vorgabe ist nach Auffassung des Gerichts auch bei Wiederaufnahmeersuchen nach Art. 20 Dublin II-VO zu beachten, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof im konkreten Verfahren allein auf ein Aufnahmeersuchen nach Erstantragstellung im unzuständigen Mitgliedstaat bezog. Denn die grundrechtliche Belastung, welche durch die unangemessen lange Verfahrensdauer entsteht, dürfte in beiden Fällen vergleichbar sein.
35Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –, juris; VG Göttingen, Beschluss vom 11. Oktober 2013 - 2 B 806/13 -, juris; A.A. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 33 L 450.13 A -, juris.
36Anhaltspunkte, ab wann von einer unangemessen langen Verfahrensdauer auszugehen ist, hat der Europäische Gerichtshof nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichts ist insoweit aber zunächst zu berücksichtigen, dass schon die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO für Aufnahmeersuchen und nunmehr auch Art. 23 Abs. 2 Dublin III-VO für Wiederaufnahmeersuchen eine regelmäßige Frist von zwei bzw. drei Monaten vorsieht. Deren Überschreiten kann dabei nicht gleichgesetzt werden mit der vom Europäischen Gerichtshof angesprochenen, die Grundrechte des Asylbewerbers beeinträchtigenden unangemessen langen Verfahrensdauer. Der gesetzlichen Wertung des § 24 Abs. 4 AsylVfG folgend geht das Gericht davon aus, dass frühestens nach dem Verstreichen eines Zeitraums, der der regelmäßigen Frist des Art. 17 Dublin II-VO von drei Monaten zuzüglich der durch § 24 Abs. 4 AsylVfG für die innerstaatlich für die Entscheidung über den Asylantrag im Regelfall vorgesehenen Frist von sechs Monaten, also insgesamt von neun Monaten, entspricht, von einer unangemessen langen Verfahrensdauer ausgegangen werden kann.
37Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2014 – 13 L 415/14.A –; VG Düsseldorf, Beschluss vom 13. März 2014 – 17 L 174/14.A –; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Mai 2014 – 5a K 5709/13.A –; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 26. März 2014 - 6a L 297/14.A -; VG Köln, Urteil vom 6. März 2014 - 20 K 4905/13.A -; jeweils juris.
38Hier sind zwischen der Stellung des Asylantrags und der Stellung des Übernahmeersuchens durch die Beklagte fast zehn Monate vergangen. Es sind auch keine Umstände erkennbar, die diese ungewöhnlich lange, nach der zitierten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Grundrechte der Klägerinnen verletzende Verfahrensdauer im Einzelfall rechtfertigen könnte. Die Beklagte ist daher verpflichtet, nach den Modalitäten des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO den Asylantrag der Klägerinnen selbst zu prüfen.
39Die Erwägungen der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis:
40Soweit die Beklagte vorträgt, es handele sich vorliegend um einen Zweitantrag im Sinne des § 71a AsylVfG, ist der angefochtene Bescheid gleichwohl aufzuheben. Nach § 71a Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG gilt: Stellt der Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a), für den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft über die Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren gelten oder mit dem die Bundesrepublik Deutschland darüber einen völkerrechtlichen Vertrag geschlossen hat, im Bundesgebiet einen Asylantrag (Zweitantrag), so ist ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorliegen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dürften erfüllt sein. Die Bundesrepublik Deutschland ist nach den obigen Darlegungen auch für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Hiernach muss die Beklagte noch prüfen, ob die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Dies ist bislang nicht geschehen. Nach Abschluss dieser Prüfung wird die Beklagte hierüber einen rechtsmittelfähigen Bescheid erlassen müssen. Ein solcher Bescheid wäre grundverschieden vom hier angefochtenen Bescheid, so dass eine Umdeutung oder ähnliches nicht in Betracht kommen.
41Soweit das Bundesamt auf eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
42- Urteil vom 17. Juni 2014 – 10 C 7/13 –, juris -
43Bezug nimmt, wonach es bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt sei, weil ein gleichwohl gestellter Antrag unzulässig sei, ist der Bezug zum vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Klägerinnen sind weder als Flüchtlinge anerkannt noch wurde ihnen subsidiärer Schutz gewährt. Vielmehr wurde ihr Asylantrag in den Niederlanden (bestandskräftig) abgelehnt. Es kommt mithin auch nicht zu parallelen Asylverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten.
44Liegen die Voraussetzungen des § 27a AsylVfG demnach nicht vor, ist die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung ebenfalls rechtswidrig.
45Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3, § 83 b AsylVfG.
46Dem Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit liegt § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO zugrunde.
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben äthiopischer Staatsangehöriger. Er meldete sich am
Am
der Antragsgegnerin zu untersagen den Antragsteller gemäß Bescheid vom
Zur Begründung wurde vorgebracht: Der Antragsteller sei während der Überstellungsfrist nicht nach Norwegen abgeschoben worden. Er habe sich im Kirchenasyl befunden, wovon die Antragsgegnerin informiert gewesen sei. Nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO sei daher Norwegen nicht mehr verpflichtet, den Antragsteller zu übernehmen. Der Antragsteller habe von der Ausländerbehörde des Landratsamtes Aschaffenburg eine Duldung erhalten, man habe ihm aber ein Schreiben ausgehändigt, wonach die Antragsgegnerin den Fall des Antragstellers nicht ins nationale Verfahren übernehmen werde. Der Antragsteller sei aufgefordert worden auszureisen. Die Antragsgegnerin habe eine Erklärung, dass eine Überstellung nach Norwegen aufgrund des Bescheides vom 23. Januar 2014 nicht mehr in Frage komme, nicht abgegeben. Da der Bescheid nach wie vor nicht aufgehoben worden sei, obwohl die Überstellungsfrist abgelaufen sei, fürchte der Antragsteller die zwangsweise Durchführung der Abschiebung nach N. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei deshalb zulässig, da aktuell die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung der Rechte des Antragstellers wesentlich erschwert oder vereitelt werden könnten.
Das Bundesamt teilte - ohne einen förmlichen Antrag zu stellen - mit, dem Gericht sei die aktuelle Argumentation des Bundesamtes zur Nichtaufhebung der Dublin-Bescheide nach Fristablauf bekannt. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung des Antrages nach § 123 VwGO sei jedoch nicht nachvollziehbar.
II.
Das Gericht legt den Antrag „auf einstweiligen Rechtsschutz“ gemäß § 86 Abs. 1 VwGO als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aus. Ein solcher Antrag ist auch statthaft. Insbesondere kommt vorliegend kein Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO auf Abänderung des Beschlusses des Gerichts vom 11. Februar 2014 in Betracht, nachdem die Klage gegen den Bescheid vom 22. Januar 2014 zurückgenommen wurde.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Vorliegend wäre zwar ein Anordnungsgrund zu bejahen, da dem Antragsteller aufgrund des bestandskräftigen Bescheides des Bundesamts vom
Der Antragsteller kann aber keinen Anordnungsanspruch geltend machen, dass von einer Überstellung nach Norwegen abgesehen wird, allein weil die Überstellungsfrist abgelaufen ist.
Für das Asylverfahren des Klägers ist noch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin II-VO) anzuwenden weil der Asylantrag im Mai 2013 gestellt worden war; vgl. hierzu die Übergangsreglung des Art. 49 UA 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO). Vorliegend handelte es sich um ein sog. Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin II-VO, da der Antragsteller in Norwegen bereits einen Asylantrag gestellt hatte. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin II-VO erfolgt die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Vorliegend läuft die Sechs-Monatsfrist ab Zustellung der ab lehnenden Entscheidung des Gerichts im Sofortverfahren (dazu: VG Würzburg, B. v.11.6.2014 -W 6 S 14.50065- juris, Rn. 20 m. w. N.). Die Zustellung des Beschlusses vom 11. Februar 2014 an den Klägerbevollmächtigten erfolgte am 17. Februar 2014, so dass mittlerweile die Sechs-Monats-Frist abgelaufen ist und nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO die Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages auf die Bundesrepublik Deutschland übergegangen ist.
Dennoch kann der Antragsteller kein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen, dass die Bundesrepublik Deutschland seinen Asylantrag prüft.
Ein solcher Anspruch folgt nicht aus den Gewährleistungen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GrCharta), die bei der Anwendung von Unionsrecht durch die Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen ist (Art. 51 Abs. 1 GrCharta). So gewährleistet Art.18 GrCharta das Recht auf Asyl nur nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention und der unionsrechtlichen Verträge. Aus dem so inkorporierten Art. 78 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergibt sich, dass für die Prüfung des Antrages auf Asyl lediglich ein bestimmter Mitgliedsstaat zuständig ist (Art. 78 Abs. 2 Buchst. e AEUV). Diese Einschränkung der unionsrechtlichen Asylgewährleistung wird auch durch die sekundärrechtliche Ausgestaltung bestätigt. Nach dem System der Dublin-Verordnungen [(EG) Nr. 343/2003 und (EU) Nr.604/2013] ist lediglich garantiert dass die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag prüfen (hier: Art. 3 Abs. 1 S. 1 Dublin II-VO). Die weiteren Regelungen, welcher Mitgliedsstaat einen individuellen Asylantrag prüft, dienen der internen Zuständigkeitsverteilung und begründen keine subjektiven Rechte. Art. 19 Abs. 4 bzw. Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO stützen sich auf die Überlegung, dass der Mitgliedsstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben - nämlich die Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat - nicht zeitgemäß durchführt, gegenüber den Partnerländern die negativen Folgen tragen muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das Zuständigkeitssystem der Dublin II-Verordnung lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in den Dublin-Verordnungen niedergelegten Zuständigkeitsregungen an die Mitgliedsstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für diese vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedsstaat besteht daher grundsätzlich nicht. Ausnahmen gelten allenfalls im Hinblick auf einzelne Vorschriften, die z. B. den Schutz unbegleiteter Minderjähriger oder die Einheit der Familie betreffen (zum Ganzen: VG Berlin, B. v. 19.3.2014 -33 L 90.14 A - juris, Rn. 9 m. w. N.; EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394/12 Abdullahi - NVwZ 2014, 208).
Somit ist davon auszugehen, dass sich die einzelnen Asylantragsteller nicht auf die Versäumung von Fristen berufen können. Zwar sind als Reflex des Zuständigkeitsübergangs nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ausnahmsweise auch subjektive Rechte der Asylbewerber betroffen, wenn die Überstellungsfristen nach Art. 19 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1, 20 Abs. 1 Buchst. d und Abs. 2 Dublin II-VO ohne Überstellung der Asylbewerber abgelaufen sind und der ersuchte Mitgliedsstaat nicht mehr zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme bereit ist. Denn wenn Asylbewerber in einer solchen Situation die Aufhebung eines von der Antragsgegnerin erlassenen Dublin-Bescheides nicht mehr gerichtlich durchsetzen könnten, bestünde die Gefahr, dass die Asylanträge in keinem Mitgliedsstaat materiell geprüft würden. Dies wäre weder mit dem nach Art. 18 der GRCharta gewährleisteten Asylrecht, noch mit dem Grundsatz in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin II-VO, wonach die Mitgliedsstaaten jeden Asylantrag eines Drittstaatsangehörigen materiell prüfen, vereinbar (VG Hamburg, B. v. 8.4.2014 - 17 AE 1762/14 - juris). Das Gericht folgt der Rechtsauffassung, die in Bezug auf die Überschreitung der Überstellungsfristen eine subjektive Rechtsverletzung der Antragsteller verneint (so auch VG Düsseldorf, B. v. 7.4.2014 - 2 L 55/14.A - juris; VG Regensburg, B. v. 13.12.2013 - RO 9 S 13.30618 - juris; offen gelassen von VG München, G.
Im Fall des Antragstellers wurde weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass Norwegen sich auf den Ablauf der Überstellungsfrist beruft und deshalb ein Ausnahmefall im obigen Sinne vorliegt.
Nach alledem konnte der Antrag keinen Erfolg haben und war mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzulehnen.
Tenor
I.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Ablehnung ihres Asylantrags als unzulässig.
1. Die Kläger (Eheleute und zwei gemeinsame Kinder) sind nach eigenen Angaben mazedonische Staatsangehörige aus Tetovo und Volkszugehörige der Roma. Sie verließen zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2011 ihr Herkunftsland und reisten zunächst nach Belgien, wo sie erfolglos ein Asylverfahren betrieben. Nach eigenen Angaben reisten sie dann von Belgien aus am 3. Juli 2013 auf dem Landweg nach Deutschland ein. Hier beantragten sie am 5. Juli 2013 Asyl.
2. Am
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen Bescheid, der ihnen am
Die Kläger beantragen zuletzt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5. Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Der Antrag der Kläger vom
7. Mit Beschluss vom 4. Februar 2015
8. Mit Schreiben der Beklagten vom
Auszugsweise vorgelegt wurde ein Vorgang der Beklagten, aus dem hervorgeht, dass die belgischen Behörden die Wiederaufnahme der Kläger nicht mehr akzeptierten, weil sie erst nach Ablauf der Überstellungsfrist über die Einlegung eines Rechtsbehelfs unterrichtet worden seien.
9. Die Beteiligten haben in Bezug auf die Ziffer 2 des Bescheides vom
Mit Beschluss vom 30. März 2015
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.
Gegenstand der Klage ist - nach Abtrennung und Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der Abschiebungsanordnung in Ziffer 2 - nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides vom
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG (Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides) als eigenständigen Verwaltungsakt ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft und auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses zulässig. Denn im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig wäre die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet ist (BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 7;
2. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides ist objektiv rechtswidrig (2.1) und verletzt die Kläger auch in ihren Rechten (2.2). Sie ist deshalb gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.
2.1 Die auf § 27a AsylVfG gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. Feststellung der Unzulässigkeit desselben ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) objektiv rechtswidrig.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme der Kläger ersuchte Staat, das Königreich Belgien, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme der Kläger ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st. Rspr., z. B. BayVGH, B. v. 6.3.2015 - 13a ZB 15.50000 - juris Rn. 3; VGH BW, B. v. 19.1.2015 - A 11 S 2508/14 - UA S. 5;
Da bereits in Belgien ein Asylverfahren der Kläger ablehnend verbeschieden wurde, handelt es sich bei dem im Bundesgebiet gestellten Asylantrag um einen Zweitantrag, so dass die Vorschriften über die Wiederaufnahme (Art. 20 Dublin II-VO) Anwendung finden. Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Belgien vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-)Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U. v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.
Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Belgiens zur Wiederaufnahme der Kläger ist im vorliegenden Falle abgelaufen. Zwar bewirkte die Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung am 12. Februar 2014 eine Ablaufhemmung der Überstellungsfrist entsprechend § 209 BGB bis zur Zustellung des (für die Kläger negativen) Beschlusses des Gerichts. Diese Ablaufhemmung während der Anhängigkeit eines auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichteten Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar in der maßgeblichen Bestimmung des Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO nicht ausdrücklich geregelt, weil dort nur die Fallvarianten angesprochen sind, dass ein Rechtsbehelf gegen die Überstellungsentscheidung von vornherein entweder aufschiebende Wirkung entfaltet oder nicht (EuGH, U. v. 29.1.2009 - Petrosian, C-19/08
Dennoch ist im vorliegenden Falle, wovon auch die Beteiligten ausgehen, ein Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte anzunehmen. Ausweislich des dem Gericht vorgelegten Emailverkehrs des Bundesamtes mit der zuständigen belgischen Behörde erfolgte nämlich die Unterrichtung Belgiens über die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung erst am 8./9. Januar 2015 und damit außerhalb der Sechsmonatsfrist des Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO, gerechnet ab der Zustimmung zum Wiederaufnahmegesuch (Schreiben vom 16. Dezember 2013). Dieser Verstoß der Beklagten gegen ihre Pflichten gegenüber dem ersuchten Mitgliedstaat aus Art. 9 Abs. 1 der Durchführungsverordnung Nr. 1560/2003 (EG) vom 2. September 2003 zur Dublin II-VO (ABl. L 222 S. 3) hat zur Folge, dass der Zuständigkeitsübergang nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO eingetreten ist. Denn als um die Wiederaufnahme der Kläger ersuchender Mitgliedstaat hatte die Beklagte den ersuchten Mitgliedstaat nach Art. 9 Abs. 1 Durchführungs-VO unverzüglich über die Verzögerung der Überstellung zu unterrichten. Aus dem systematischen Zusammenhang der zuletzt genannten Vorschrift mit den Absätzen 2 und 3 des Art. 9 der Durchführungs-VO sowie dem erkennbaren Regelungszweck, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung die Zusammenarbeit von ersuchendem und ersuchtem Mitgliedstaat bei der Überstellung zu erleichtern, ist zu folgern, dass diese Benachrichtigung ohne schuldhaftes Zögern, jedenfalls aber innerhalb der (regulären, d. h. sechsmonatigen) Überstellungsfrist ab Zustimmung zum Wiederaufnahmegesuch zu erfolgen hat. Denn dies wird für den vergleichbaren Fall der Verzögerung der Überstellung wegen Inhaftierung oder Flucht des Asylbewerbers in Art. 9 Abs. 2 Durchführungs-VO ausdrücklich geregelt. In Art. 9 Abs. 3 Durchführungs-VO ist für die beiden zuletzt genannten Fälle zudem die Verpflichtung des ersuchenden Mitgliedstaates verankert, die notwendigen Absprachen mit dem ersuchten Mitgliedstaat vor Ablauf der (regulären, d. h. sechsmonatigen) Überstellungsfrist (ab Zustimmung zum Wiederaufnahmegesuch) zu treffen. Daraus folgt, dass dann, wenn die Unterrichtung nach Art. 9 Abs. 1 Durchführungs-VO nicht „innerhalb von sechs Monaten ab der Beantwortung des Wiederaufnahmeersuchens“ erfolgt die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat übergeht, weil diese Vorschrift die Verfahrensregelungen des Art. 20 Dublin II-VO durch ergänzende Regelungen i. S. d. Art. 20 Abs. 4 Dublin II-VO konkretisiert. Die ergänzenden Bestimmungen sind somit Teil des Regelungszusammenhangs des Art. 20 Dublin II-VO geworden.
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U. v. 9.2.2014 - 20 B 13.300332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Dies ist hier der Fall, weil die Beantwortung der für die Entscheidung nach § 71a Abs. 1 AsylVfG zunächst maßgeblichen Frage, ob Wiederaufgreifensgründe i. S. d. § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG zumindest schlüssig behauptet werden, der Ermittlung der im ersten Asylverfahren (hier: in Belgien) geltend gemachten Gründe bedürfte. Auch eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B. v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9;
2.2 Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt die Kläger auch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihnen wegen des Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über ihren Asylantrag entscheidet.
Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B. v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Aus Art. 18 GR-Charta folgt lediglich das Recht eines Asylbewerbers auf Prüfung seines Asylantrags durch einen Mitgliedstaat des Dublin-Systems, weil aufgrund der gegenseitigen Vermutung, auf die sich das Gemeinsame Europäische Asylsystem stützt, grundsätzlich davon auszugehen ist, dass ein Asylantrag in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Grundrechtecharta der Europäischen Union behandelt wird (VGH BW, B. v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13). Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B. v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25,
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am ... in K. geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach eigenen Angaben etwa im August 2012 seinen langjährigen Aufenthaltsort im Iran und reiste über die Türkei und Griechenland auf dem Landweg nach Ungarn. Von dort aus reiste er am 21. Juli 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein, wo er am 5. August 2013 Asyl beantragte.
2. Aufgrund eines EURODAC-Treffers wurde festgestellt, dass der Kläger am
Mit Schreiben vom
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt am
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen ihm am
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat das Gericht mit Beschluss vom 1. Dezember 2014
7. Mit Schriftsatz vom
8. Mit Beschluss vom 19. Januar 2015
9. In der mündlichen Verhandlung am
10. Auf Anfrage des Gerichts nahm die behandelnde Ärztin unter dem
11. Mit Schriftsatz vom
Im Übrigen haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Gegenstand der Klage ist nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes vom
Insoweit ist die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beklagte ist nach Aufhebung der Ziffer 1 kraft Gesetzes verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit fortzuführen. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG, die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft. Denn im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 Rn. 4;
Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache insoweit spruchreif zu machen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2015 a. a. O.). Statthaft ist daher die Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig aufzuheben, damit die Beklagte in eigener Zuständigkeit über den Asylantrag (inhaltlich) entscheiden muss. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
2. Die Klage ist auch begründet, weil die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig ist (2.1) und den Kläger in seinen Rechten verletzt (2.2).
2.1 Die auf § 27a AsylVfG gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. Feststellung der Unzulässigkeit desselben ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) objektiv rechtswidrig.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme des Klägers ersuchte Staat, Ungarn, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme des Klägers ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 - Rn. 3;
Wie sich aus dem EURODAC-Treffer zweifelsfrei ergibt, hat der Kläger bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Aus der Bezugnahme der ungarischen Behörden auf die Regelung des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO folgt des Weiteren, dass er vor der Entscheidung über seinen Asylantrag durch die ungarischen Behörden illegal ins Bundesgebiet weitergereist ist. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der nach der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für die Zuständigkeit und das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-) Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U.v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.
Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers ist - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - im vorliegenden Falle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) abgelaufen.
Die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs ist nach der Überzeugung des Gerichts die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 - W 1 K 14.30151 - juris). Das Gericht folgt dem gegenüber nicht der Rechtsprechung, wonach die Ziffer 1 durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden sei (BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026). Denn eine Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene tatsächliche oder rechtliche Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rn. 102). Dies ist jedoch im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nicht ohne Weiteres der Fall. Zwar wurde der Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, wie bereits dargelegt, kraft Gesetzes durch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO bewirkt. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthält dem gegenüber die verbindliche Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des materiellen Asylbegehrens nicht zuständig ist. Diese Feststellung bleibt bis zu ihrer Aufhebung wirksam und beschwert den Kläger, weil sie der Prüfung des materiellen Asylbegehrens durch die Beklagte als Verfahrenshindernis entgegen gehalten werden könnte. Zudem besteht aufgrund der Feststellung, dass die Beklagte nicht zuständig sei, für den Kläger eine erhebliche Unsicherheit über die Zuständigkeit, die in Anbetracht des für das Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2015 - 11 ZB 15.50033 - juris Rn. 15 f.). Denn der Kläger hat ein Grundrecht auf materielle Prüfung seines Asylbegehrens durch einen Dublin-Mitgliedstaat aus Art. 18 GR-Charta (vgl. unten 2.2).
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 9.2.2014 - 20 B 13.30332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt hier gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9;
2.2 Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt den Kläger auch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm wegen des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über seinen Asylantrag entscheidet.
Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Auch Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25,
Dennoch besteht in einer Situation, in der - wie im vorliegenden Falle - infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat zurückfällt, ein schutzwürdiges Interesse des Asylbewerbers daran, dass die inhaltliche Prüfung seines Asylantrags nicht durch weitere Zuständigkeitsprüfungen verzögert wird (VGH BW a. a. O.; VG Augsburg, GB.v. 12.11.2014 - Au 7 K 14.50047 - juris Rn. 45; VG Sigmaringen, U.v. 22.10.2014 - 8 K 4481/14.A - UA S. 5 ff.; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - UA S. 6; VG Düsseldorf, U.v. 23.9.2014 - 8 K 4481/14.A - juris Rn. 30; tendenziell a.A. VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 14). Insofern beinhaltet das Grundrecht aus Art. 18 GR-Charta i. V. m. Art. 41 und 47 GR-Charta eine zeitliche Komponente. Diese verlangt, dass die Prüfung des Asylantrags und die darauf ergehende Entscheidung zeitnah erfolgen. Somit würden die Grundrechte des Klägers verletzt, wenn in der vorliegenden Situation trotz des Zuständigkeitsübergangs noch über einen unter Umständen längeren Zeitraum hinweg Ungewissheit darüber bestünde, welcher Mitgliedstaat sein Asylbegehren inhaltlich zu prüfen hat (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 a. a. O.; U.v. 26.9.2014 a. a. O.).
Etwas anderes folgt für den vorliegenden Fall nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht aus der Rechtsprechung des 11. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich eine möglicherweise infolge überlanger Verfahrensdauer bewirkte Verschlimmerung einer Grundrechtsverletzung durch die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates erledige (BayVGH, U.v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 29). Denn diese Entscheidung bezieht sich auf die Fallgestaltung der (vom erstinstanzlichen Gericht angenommenen) überlangen Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen der Kenntniserlangung von der Möglichkeit der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates (EURODAC-Treffer) und dem Wiederaufnahmeersuchen an diesen Staat bzw. dessen Beantwortung. Davon zu unterscheiden ist aber die vorliegende Fallgestaltung, in der - nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertretenen Rechtsauffassung, an der das Gericht weiterhin festhält - keine überlange Verfahrensdauer und demzufolge auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt bzw. zu ermessensfehlerfreier Entscheidung angenommen wurde. Es bestanden also an der (ursprünglichen) Zuständigkeit des - mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstandenen - ersuchten Mitgliedstaates (Ungarn) zunächst keine Zweifel. Davon ausgehend ist erst mit dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem damit verbundenen Zuständigkeitsübergang, dem die streitgegenständliche Ziffer 1 des Bescheides vom 24. Februar 2014 widerspricht, eine Situation der Unsicherheit über die Zuständigkeit eingetreten. Diese verletzt den Kläger in seinen Rechten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 geändert.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla in Spanien, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweislich seiner eigenen Mitteilung und der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 war der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden. Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
4Durch Bescheid vom 4. Oktober 2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziff. 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Spanien auf Grund der dort erfolgten illegalen Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.
5Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben.
6Der zugleich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A). Auf den weiteren, unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 24. März 2014 (13 L 644/14.A) mit der Begründung die aufschiebende Wirkung an, die sechsmonatige Überstellungsfrist sei abgelaufen.
7Zur Klagebegründung hat der Kläger ausgeführt: In Spanien werde kein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt. Ihm sei dort die Asylantragstellung verweigert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne er sich auch berufen. Ihm werde sein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlten, sei völlig offen.
8Der Kläger hat beantragt,
9den Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 neu zu laufen begonnen habe bzw. auf Grund des gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige, insbesondere statthafte Anfechtungsklage sei unbegründet. Nach den anwendbaren Vorschriften der Dublin II-VO sei Spanien für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit sei nicht nach Maßgabe der Art. 16 ff. Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen. Die Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Uabs. 1 Dublin II-VO sei noch nicht abgelaufen. Weil durch Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden sei, beginne sie erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache entschieden habe. Selbst wenn man auf die Sechsmonatsfrist ab Annahme des Aufnahmegesuchs abstelle, könne sich der Kläger hierauf jedenfalls nicht berufen. Ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin II-VO verletze nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts keine subjektiven Rechte der Asylbewerber. Zudem sei es dem Asylbewerber unbenommen, sich freiwillig beim anderen Mitgliedstaat zu melden, weil die Überstellung auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen könne. Habe er es selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolge und dass sie erfolge, könne er sich nach § 242 BGB nicht auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland berufen. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Von einer unangemessenen Verfahrensdauer könne nicht ausgegangen werden. Es lägen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestünden.
14Mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2014 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zugelassen und auf Antrag des Klägers die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 4. Oktober 2013 angeordnet (11 B 1338/14.A).
15Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus: Die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Spaniens zum Übernahmeersuchen am 17. September 2013 sei am 17. März 2014 abgelaufen. Durch die Stattgabe des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO habe die bereits abgelaufene Überstellungsfrist nicht wieder neu zu laufen begonnen. Aus der Dublin II-VO ergebe sich keine Rechtsgrundlage, wonach eine Rückübertragung der Zuständigkeit auf Spanien erfolgen könne. Der Kläger könne sich auch auf den Ablauf der Frist berufen. Die EuGH-Entscheidung Abdullahi beziehe sich lediglich auf die Anwendung der in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Zuständigkeitskriterien, nicht jedoch auf den nachfolgend geregelten Ablauf der Überstellungsfrist und die dies mit Sanktionscharakter ausfüllenden Vorschriften des Kapitels V der Verordnung. Bestehe keine Übernahmebereitschaft Spaniens, wäre dem Kläger das unstreitig bestehende subjektive Recht auf Zugang zu einem Asylverfahren genommen, könnte er sich nicht auf den Fristablauf berufen. Zudem räume die Dublin II-VO zumindest in bestimmten Punkten, etwa der Mitteilung von Daten, subjektive Rechte ein. Eine Beschränkung der Einwände des Asylbewerbers auf die Prüfung systemischer Mängel in einem Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen könne nur dann angenommen werden, wenn de facto ein anderer Mitgliedstaat im Zeitpunkt dieser Prüfung eigentlich noch zuständig wäre. Sei Deutschland wegen Fristablaufs zuständig, ergebe sich aus Art. 16a GG bzw. dem Asylverfahrensgesetz ein einklagbarer Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens.
16Der Kläger beantragt,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung verweist sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt sie vor: Asylbewerber könnten sich nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen. Ein Asylbewerber habe kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat sei oder ob durch Zeitablauf Deutschland zuständig geworden sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Spanien eine Überstellung bereits endgültig abgelehnt habe. Zwar lehnten die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ab, jedoch könne im besonderen Einzelfall durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten der Eilverfahren sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie ist zulässig und begründet.
24A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
25Die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2013, mit dem der Asylantrag des Klägers wegen fehlender Zuständigkeit der Beklagten als unzulässig abgelehnt worden ist, ist statthaft.
26Einer auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungs- oder allgemeinen Leistungsklage bedarf es nicht. Dieser fehlte schon das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Bundesamt, wenn es zuständig ist, den Asylantrag von Amts wegen sachlich prüfen muss, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach Aufhebung der Verfügung untätig bleiben würde.
27Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 31; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
28Auch eine Verpflichtungsklage, die auf das Ziel gerichtet ist, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz zuerkannt oder nationale Abschiebungsverbote festgestellt zu bekommen, scheidet aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 28 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 20; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628, und Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 6; Hamb. OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 Bf 208/14.AZ -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 -, AuAS 2014, 273; OVG Saarl., Beschluss vom 12. September 2014 - 2 A 191/14 -, juris, Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293 = juris, Rn. 18; OVG S.-A., Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris, Rn. 21.
30Wird der Asylantrag unter Verweis auf die fehlende Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, hat das Bundesamt ihn in der Sache noch gar nicht geprüft. Die Zuständigkeitsprüfung und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens sind unterschiedliche, voneinander getrennte Verfahren. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist der materiell-rechtlichen Prüfung, ob ein Anspruch auf Asylanerkennung oder Gewährung eines anderen Schutzstatus besteht, vorgelagert. Die Verwaltungsgerichte haben deshalb das Asylbegehren auch nicht in der Sache spruchreif zu machen.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 34 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11.
32Andernfalls ginge dem Asylbewerber eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien (vgl. insbesondere §§ 24, 25 AsylVfG) ausgestattet ist.
33Ferner muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, zu ersuchen. Ist die Überstellung in den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) als zuständig bestimmten Mitgliedstaat etwa wegen systemischer Mängel nicht möglich, hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob danach ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
34Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 95 f., und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 32 f.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 29 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
35Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Gericht im Asylrechtsstreit die Sache spruchreif zu machen hat, wenn ein Asylfolgeantrag nach § 71 AsylVfG vorliegt. Im Asylfolgeverfahren kann nicht lediglich isoliert auf "Wiederaufgreifen" geklagt werden, weil der rechtserhebliche Aspekt, ob das bestandskräftig abgeschlossene Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, lediglich die (Vor-)Frage nach der Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids als notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Asyl, nicht aber einen selbstständig neben diesem stehenden einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch betrifft.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171 = juris, Rn. 10.
37Diese Erwägungen sind auf die hier gegenständliche Entscheidung nach § 27a AsylVfG nicht übertragbar. In diesem Verfahren steht weder die Frage im Streit, ob ein bestandskräftig abgeschlossenes Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, noch ob ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht. Vielmehr geht es, wie ausgeführt, um die der materiell-rechtlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagerte Frage der Zuständigkeit.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 3; siehe auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 13, S. 3 = juris, Rn. 14 zur Anfechtungsklage für den Fall einer Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG.
39B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
40I. Ziffer 1 des Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entscheidungserheblich ist, nicht gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist aber entgegen der Auffassung des Bundesamts nach der Dublin II-VO nicht Spanien, sondern Deutschland für die sachliche Prüfung und Entscheidung des Asylantrags zuständig (1.). Darauf kann sich der Kläger auch berufen (2.).
411. Die Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich aus der Dublin II-VO. Diese ist ungeachtet des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und des Umstands anwendbar, dass sie durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden ist. Nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat sein hier maßgebliches Schutzgesuch am 7. Juni 2013 angebracht. Es kann offen bleiben, ob nach Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Verordnung ab dem 1. Januar 2014 – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern gilt, auch bei vor dem 1. Januar 2014 gestellten Asylanträgen für das Überstellungsverfahren die Dublin III-VO gilt, wenn das Übernahmeersuchen nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.
42Denn hier lagen auch das Aufnahmeersuchen und dessen Annahme vor dem 1. Januar 2014. Ferner spricht alles dafür, dass nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO nicht nur die Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, sondern auch diejenigen des Kapitels V der Dublin II-VO fortgelten.
43Vgl. zum Ganzen Bergmann, ZAR 2015, 81 (83); Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 3.
44Die zunächst bestehende Zuständigkeit Spaniens (a.) ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf Deutschland übergegangen (b.).
45a. Der zuständige Mitgliedstaat bestimmt sich auf der Grundlage der in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien, zunächst nach dem Kapitel III.
46aa. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO war ursprünglich Spanien zuständig. Danach gilt: Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Hier erfolgte der erstmalige illegale Grenzübertritt zu einem EU-Mitgliedstaat in Spanien. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
47bb. Die Zuständigkeit Spaniens ist nicht nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO entfallen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
48Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO greift nur dann ein, wenn die Frist bereits bei erstmaliger Stellung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat abgelaufen ist.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 47.
50Diese Auslegung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, wonach bei der Bestimmung des nach den in Kapitel III bestimmten Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Das geschah hier am 14. Januar 2013 (mit einem Alias-Namen) sowie nach erneuter Einreise nach Deutschland von Spanien aus am 7. Juni 2013 und damit innerhalb der Jahresfrist seit der erstmaligen illegalen Einreise nach Spanien im Oktober 2012.
51Selbst wenn man aber nicht auf den Asylantrag, sondern auf den spätesten Zeitpunkt des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens, den Abschluss durch die Aufnahmeerklärung Spaniens am 17. September 2013, abstellt, waren zwölf Monate nicht verstrichen. Ein noch späterer Zeitpunkt kommt hingegen nicht in Betracht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt die in Kapitel III der Verordnung normierte Frist nur für das in diesem Kapitel geregelte Zuständigkeitsbestimmungsverfahren (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), berechtigt also nur einen Mitgliedstaat - hier: Spanien -, das an ihn gerichtete (Wieder‑) Aufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaats - hier: Deutschland – abzulehnen, wenn der Grenzübertritt länger als zwölf Monate zurückliegt. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nach Kapitel III hingegen – die im Kapitel V in Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO geregelte Mitteilung an den Asylbewerber gehört nicht dazu – kann die Zuständigkeit hingegen nicht mehr nach einer dort geregelten Vorschrift, sondern allenfalls nach Kapitel V entfallen.
52b. Die Zuständigkeit ist aber nach Kapitel V der Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen.
53aa. Dies ergibt sich allerdings nicht aus Art. 17 Abs. 1 Uabs. 2 Dublin II-VO. Danach gilt: Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig. Das Bundesamt hat hier gemäß Art. 17 Abs. 1 Uabs. 1 Dublin II-VO innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags Spanien ersucht, den Kläger aufzunehmen. Der Kläger hat am 7. Juni 2013 Asyl beantragt, das Aufnahmeersuchen datiert vom 29. August 2013.
54bb. Die Beklagte ist aber gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
55(1) Die 6-Monats-Frist des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO ist am 17. März 2014 abgelaufen. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 - fristgerecht innerhalb von zwei Monaten (vgl. Art. 18 Abs. 1, 7 Dublin II-VO) - ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags und nahmen damit den Antrag auf Aufnahme des Klägers an. Da die Überstellung binnen dieser Frist nicht durchgeführt worden ist, ist die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf die Beklagte als den Staat übergegangen, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Fristverlängerungen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO scheiden hier aus.
56(2) Die Überstellungsfrist verlängert sich nicht um die Dauer des erfolglosen ersten gerichtlichen Eilverfahrens und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz führt auch nicht zum erneuten Beginn der 6-Monats-Frist ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags durch das Gericht. Der Antrag des Klägers vom 25. Oktober 2013, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A - abgelehnt. Das erfolglose Eilverfahren wirkt sich auf die Dauer der Überstellungsfrist nicht aus.
57Die Dublin II-VO sieht weder eine Unterbrechung oder Hemmung (§ 209 BGB entsprechend),
58so VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris,
59noch, wovon das Bundesamt ausgeht, einen Neubeginn der Frist in solchen Fällen vor. Dies lässt sich ihr auch nicht im Wege der Auslegung entnehmen.
60Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO bestimmt eine Frist von sechs Monaten ab Annahme des Aufnahmegesuchs. Nur wenn ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, gilt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO eine abweichende Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf. Entscheidung über den Rechtsbehelf in diesem Sinne ist aber nicht der Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, sondern – die Fortdauer der Aussetzung der Vollziehung vorausgesetzt – die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Klage gegen die Überstellungsentscheidung im Hauptsacheverfahren.
61Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53 ff., Beschlüsse vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, juris, Rn. 5 und vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, AuAS 2014, 237 = juris, Rn. 5.
62Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Dem Rechtsbehelf selbst muss aufschiebende Wirkung zukommen. Dies trifft - auch nach dem Unionsrecht - nur auf einen Rechtsbehelf zu, mit dem über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und ihren Bestand (abschließend) entschieden wird. Mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung des Vollzugs erreicht werden. Zudem vermag nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeizuführen, deren Endpunkt die Hauptsacheentscheidung ist.
63Diese Überlegungen werden durch die Systematik der Dublin II-VO bestätigt. Gegenstand des Rechtsbehelfs ist die Entscheidung des Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO kann gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Dass dies allein die Klage, nicht aber der Antrag auf Aussetzung sein kann, zeigt vor allem Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO. Danach hat der gegen die Überstellungsentscheidung eingelegte Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders. An diese Vorgaben, die der Sache nach zwischen dem Hauptsache- und dem Aussetzungsverfahren trennen, knüpft der folgende Absatz 3 des Art. 19 Dublin II-VO an, indem er die Frist nur dann erst mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf beginnen lässt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wenn er also - so lässt sich mit Blick auf Absatz 2 präzisieren - im Einzelfall aufgrund einer Entscheidung der Gerichte oder zuständigen Stellen nach Maßgabe des mitgliedstaatlichen Rechts aufschiebende Wirkung hat. Dem entspricht das nationale Recht. Ein Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt, ist nach § 80 Abs. 1 VwGO - neben dem Widerspruch - nur die Klage. Die Klage gegen die Überstellungsentscheidung des Bundesamts hat - unionsrechtskonform - aber nach § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet.
64Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 7 ff.
65Bei dieser Ausgangslage rechtfertigt allein der Sinn und Zweck der Überstellungsfrist, den Mitgliedstaaten Zeit zu geben, um die (technischen) Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln, wofür grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen,
66vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 ‑ Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495,
67keine andere Auslegung des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO.
68Auch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG führt jedenfalls bei der Dublin II-VO nicht dazu, dass der Lauf der Überstellungsfrist gehemmt wird oder diese erst oder erneut mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu laufen beginnt.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.; a. A. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 ‑ A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 36 ff., und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28; Funke- Kaiser, in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rn. 227 f.
70Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Damit wird aber weder eine aufschiebende Wirkung der Klage begründet noch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, sondern lediglich vorübergehend die Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Ausländerbehörde gehemmt. Die Anordnung eines Vollziehungshindernisses durch den nationalen Gesetzgeber kann ferner deshalb nicht mit der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung durch gerichtlichen Eilbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO gleichgesetzt werden, weil dies den unmittelbar geltenden Vorgaben der Dublin II-VO zuwider liefe. Wie bereits ausgeführt, verankert Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, ferner das Erfordernis einer gerichtlichen oder behördlichen, konkret-individuellen Anordnung. Dem liegt der Beschleunigungsgedanke zugrunde, der auch Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO ist. Im Übrigen beruht der Umstand, dass aufgrund des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG bei Stellung eines Eilantrags der Ausländerbehörde nicht die vollen sechs Monate für die Organisation der Überstellung zur Verfügung stehen mögen, sondern diese sich um die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens verkürzen können, auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben ist. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) ist § 34a Abs. 2 AsylVfG bereits mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl zu dem Zeitpunkt noch die Dublin II-VO anwendbar war. Die Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 lit. c Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Überstellung auszusetzen ist, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ihrer Durchführung ergangen ist, ist erst ab dem 1. Januar 2014 anwendbar.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.
72(3) Die Überstellungsfrist läuft hier auch nicht gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO deshalb erst sechs Monate nach der Entscheidung über die vorliegende Klage ab, weil das Verwaltungsgericht im (zweiten) Eilverfahren mit Beschluss vom 24. März 2014 -13 L 644/14.A - die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat. In diesem Zeitpunkt – und schon bei Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO durch den Kläger – war, wie ausgeführt, die Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO abgelaufen. Dies war auch der Grund für die stattgebende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts.
73Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehen die beiden Alternativen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO nicht selbstständig nebeneinander, sondern schließen sich im folgenden Sinne aus: Ist Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO einschlägig, weil kein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, und ist diese Frist abgelaufen, kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch eine neue Frist nach der 2. Alternative der Vorschrift in Lauf gesetzt werden, dass danach (in der Regel gerade wegen des Fristablaufs) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wird.
74Dies ergibt sich nicht nur aus dem oben dargelegten Normgefüge des Art. 19 Abs. 2 und 3 Dublin II-VO, sondern vor allem aus der in Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO geregelten Rechtsfolge, die sich aus dem Ablauf der Überstellungsfrist ergibt. Danach geht mit Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. In Anwendung dieser Vorschrift ist am 17. März 2014 die Beklagte zuständig geworden. Die Dublin II-VO enthält aber keine Bestimmung, nach der die Zuständigkeit wieder an den ursprünglich zuständigen Staat – hier Spanien – zurückfallen kann. Dann kann auch keine neue Frist für die Überstellung in den „zuständigen“ Mitgliedstaat nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zu laufen beginnen. Überdies widerspräche ein erneuter Fristlauf dem Beschleunigungszweck der Dublin II-VO.
752. Der Kläger kann sich auf die Zuständigkeit der Beklagten auch berufen.
76Die Fristregelungen der Dublin II-VO begründen zwar für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers (a.). Der Kläger hat aber aus dem materiellen Asylrecht einen Anspruch darauf, dass die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO zuständige Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführt (b.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird; das ist hier aber nicht der Fall (c.). Die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit ausgeschlossen (d.).
77a. Die Vorschriften über die Überstellungsfrist, Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO, und die an ihren Ablauf geknüpfte Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO, begründen ebenso wie Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO und die sonstigen Fristregelungen keine einklagbaren subjektiven Rechte der Asylbewerber.
78Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO); BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO), vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 5 ff. (für Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO); Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37; Hess. VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, InfAuslR 2014, 457 -, juris, Rn. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 33; Bergmann, ZAR 2015, 81 (84); Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 196.1 (für die Aufnahmeersuchensfrist) und Rn. 234 (für die Überstellungsfrist); Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 65 (allg. für Fristen); a. A. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 46 f. (für Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO); VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. August 2015 - 18a L 1441/15.A -, juris, Rn. 19 ff. (für Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO); wohl auch Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 14 f.
79Der Asylbewerber hat kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist.
80Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
81Die Normen der Dublin II-VO gelten zwar allgemein (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die unmittelbare Wirkung des Rechtsakts bedeutet jedoch nicht automatisch, dass den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf Einhaltung und Beachtung der zuständigkeitsbegründenden Vorschriften eingeräumt wäre. Aus der gewählten Handlungsform folgt allein die Möglichkeit einer Individualberechtigung.
82Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 91.
83Die Dublin II-VO regelt nach ihrem Inhalt und Zweck die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ordnet damit ihr Zusammenwirken bei der Gewährung von Asyl in der Europäischen Union. Das Dublin-System soll die Behandlung von Asylanträgen rationalisieren, das „forum shopping“ verhindern und eine Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten bewirken. Wie aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-VO hervorgeht, soll eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.
84Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 59, vom 6. November 2012 - Rs. C-245/11 -, juris, Rn. 49, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 79, 84; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 34 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5.
85Insbesondere die Fristbestimmungen dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen. Zwar liegt dieser Beschleunigungszweck nicht nur im Interesse der teilnehmenden Staaten, sondern auch im Interesse der Asylbewerber.
86Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 53, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn.79.
87Sie haben aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Prüfung ihres Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Das unionsrechtlich geregelte System der Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über Asylanträge beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen. Ist ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit, kann der Asylbewerber seiner Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
88Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6, und vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 6 ff.
89Die zwischenstaatliche Konzeption des Zuständigkeitssystems schließt es zwar nicht aus, dass einzelne Vorschriften der Verordnung subjektive Rechte beinhalten.
90Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 63 ff.
91Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen gilt dies aber nicht für Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO. Allein der Beschleunigungszweck rechtfertigt – auch unter Berücksichtigung des Rechts auf eine gute Verwaltung aus Art. 41 GR-Charta – nicht die Annahme, diese Vorschriften seien derart grundrechtlich aufgeladen, dass sie im objektiv-rechtlichen Dublin-System dazu bestimmt sind, die Rechte Einzelner zu schützen.
92b. Der Kläger hat aber aus den materiell-rechtlichen Asylbestimmungen einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüft.
93aa. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus dem materiellen Recht, das Ausländern einen Anspruch auf Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG), Flüchtlingsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylVfG), subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG) sowie nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) gewährt. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens ist notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs. Wird die Beklagte wegen Ablaufs der Überstellungsfrist zuständig zur Prüfung des Antrags, muss sie das Asylverfahren aufnehmen.
94Der sachliche Prüfungsanspruch folgt zunächst unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG. Die – möglicherweise bestehende – Asylberechtigung löst eine Pflicht der zuständigen deutschen Behörden aus, den Antrag zu überprüfen.
95Vgl. Becker, in: Mangold/Klein/Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art. 16a, Rn. 27.
96Um die Inanspruchnahme des Grundrechts zu ermöglichen, muss sich der Asylbewerber auf dieses Recht berufen, also eine Prüfung in der Sache verlangen können.
97Dem steht auch Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht entgegen. Danach kann sich auf Absatz 1 nicht berufen, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Der Kläger ist hier u. a. über Spanien nach Deutschland eingereist. Die Vorwirkungen des Art. 16a Abs. 1 GG sind aber nicht davon abhängig, dass ein Asylanspruch besteht. Das Recht, dass der Asylantrag geprüft wird, besteht unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Schutzgewährung. Im Übrigen gilt: Ist Deutschland unionsrechtlich zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, darf dies nicht durch einen grundgesetzlich angeordneten Ausschlussgrund im Sinne einer abdrängenden, negativen Zuständigkeitsbestimmung ausgehöhlt werden. Dementsprechend bestimmt § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, dass der Schutzbereichsausschluss nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ob – und inwieweit – Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG deshalb oder wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts oder nach Art. 16a Abs. 5 GG unanwendbar ist, kann hier offen bleiben.
98Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 27. April 2015 - 9 A 1380/12.A -, juris; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 226 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 8 f.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, Rn. 33.
99Darüber hinaus gilt: Verleiht das einfache materielle Recht in Deutschland – hier: das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz – eine subjektiv-öffentliche Anspruchsberechtigung, so besteht für jeden potentiell Berechtigten zugleich ein Anspruch auf das Handeln der zuständigen Behörde. Die Zuständigkeit ist eine zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Handelns einer Behörde und Anspruchsvoraussetzung für antragsgemäßes Verwaltungshandeln.
100Vgl. OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11. A -, juris, Rn. 24.
101Ist der Antrag zulässig und die Behörde zuständig, muss diese über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts sachlich entscheiden (s. auch § 75 VwGO).
102Dieser Prüfungsanspruch gilt auch für den Asylantrag, der nach § 13 AsylVfG nicht nur die Anerkennung als Asylberechtigter, sondern auch die Zuerkennung internationalen Schutzes beinhaltet. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung des Schutzgesuchs durch die Beklagte liegt nicht nur den Regelungen zum Asylantrag in §§ 13, 14 AsylVfG zugrunde, sondern auch § 24 AsylVfG, der im Einzelnen die Pflichten des Bundesamts im Asylverfahren bestimmt, und § 31 AsylVfG, der die Entscheidung des Bundesamts über Asylanträge regelt. Die Prüfung der Schutzgesuche darf nach §§ 27a, 34a AsylVfG nur abgelehnt werden, wenn ein anderer Staat nach Unions- oder Völkerrecht zuständig ist.
103Vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 23. März 2015 ‑ 22 K 4141/14.A -, InfAuslR 2015, 154 = juris, Rn. 35, und vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 27, 43.
104Diese Vorschriften setzen damit einen Anspruch auf Entscheidung durch das Bundesamt im Falle seiner Zuständigkeit voraus. Ergeht eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten, hat das Bundesamt dem Ausländer gem. § 34 Abs. 4 AsylVfG auf Antrag mitzuteilen, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden wird. § 31 Abs. 6 AsylVfG verpflichtet das Bundesamt im Falle einer Ablehnung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG, den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu benennen.
105bb. Die Annahme eines Prüfungsanspruchs und damit des Rechts, sich auf die nach der Dublin II-VO bestehende Zuständigkeit Deutschlands berufen zu können, entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben.
106Auch nach Unionsrecht müssen Asylbewerber Zugang zu wirksamen Asylverfahren haben. Die effektive Ausübung des Rechts auf Asyl muss gewährleistet sein.
107Vgl. Grundrechte-Agentur der EU, EGMR, Europarat (Hrsg.): Handbuch zu den europarecht-lichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration (abgerufen von http://fra.europa.eu/sites/default/files/handbook-law-asylum-migration-borders-2nded_de.pdf, 16.9.2015), S. 107; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 38 ff.
108Nach Art. 18 GR-Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet. Art. 19 Abs. 2 GR-Charta gewährt Abschiebungsschutz bei ernsthaften Risiken der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Auch wenn Uneinigkeit darüber besteht, ob Art. 18 GR-Charta ein subjektives, einklagbares Recht vermittelt oder eine bloße objektiv-rechtliche Garantie formuliert,
109vgl. dazu, Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 18 Rn. 2, 15, m. w. N.; Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 18, Rn. 7, 11, m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 12; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 153 f.
110begründet die Vorschrift jedenfalls ein Recht des Drittstaatsangehörigen auf ein ausreichendes Verfahren zur Feststellung des Status.
111Vgl. Jarass, a. a. O., Art. 18 Rn. 13.
112Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV entwickelt die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll (Satz 1). Die Politik muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen (Satz 2).
113Auf der Grundlage dieser Vorschrift konkretisiert die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) in materiell-rechtlicher Hinsicht die Schutzrechte, werden in der Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU) Verfahrensrechte der Asylbewerber bei der Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz festgelegt und treffen die Dublin-Verordnungen Zuständigkeitsregelungen. Die Dublin II-VO legt – als ein Schritt auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem – Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5). Sie begründet zwar grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, setzt aber solche voraus und dient der effektiven Ausübung des Asylrechts. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird ferner insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss. Das ergibt sich aus Folgendem: Der 15. Erwägungsgrund der Dublin II-VO bestimmt ausdrücklich, sie ziele darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 GR-Charta verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.
114Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 15 und 76.
115Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Satz 1). Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird (Satz 2). Nach dem 4. Erwägungsgrund der Dublin II-VO dient sie auch dazu, den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Dem Zuständigkeitssystem der Dublin II-VO liegt damit die Annahme zugrunde, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglieds- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Lediglich die Prüfung durch einen bestimmten Staat können sie nicht verlangen.
116Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
117Könnte der Asylbewerber sich nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen und wäre nicht gesichert, dass ein anderer Mitgliedstaat das Asylverfahren durchführt (vgl. dazu sogleich), würde er zum sogenannten „refugee in orbit“, dessen Schutzgesuch in keinem Mitgliedstaat geprüft würde.
118Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2010, Art. 78 AEUV Rn. 21; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 67, 69.
119Dies widerspräche aber dem Grundanliegen des europäischen Asylsystems. Dieses darf nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass der Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung seines Schutzgesuchs erhalten könnte und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bliebe.
120Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
121c. Ein Asylbewerber kann, das folgt schon aus den vorstehenden Ausführungen, nur dann nicht die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschlands verlangen, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats feststeht. Das ist hier nicht der Fall.
122aa. Dass einem Asylbewerber die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats entgegengehalten werden kann, folgt aus dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO geregelten Zuständigkeitsübergang, setzt aber auch ein Vorgehen nach dieser Vorschrift voraus. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Dadurch wird der andere Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Satz 2).
123Erklärt der andere Mitgliedstaat, den Asylbewerber aufzunehmen und das Asylverfahren durchzuführen, obwohl er nach den in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien nicht (mehr) zuständig ist, übt er damit das Selbsteintrittsrecht nach der sogenannten Souveränitätsklausel aus.
124Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO räumt den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, das integraler Bestandteil des vom EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Ausübung der Befugnis ist an keine Bedingungen geknüpft; ein Anspruch des Asylbewerbers auf Zuständigkeitsübernahme besteht grundsätzlich nicht.
125Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 65 ff., und vom 30. Mai 2013 - Rs. C-528/11 (Halaf) -, juris, Rn. 36 ff.; siehe zu Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auch EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 28 ff.; OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11.A -, juris, Rn. 34.
126Hiervon ausgehend geht die Zuständigkeit über, wenn ein anderer Mitgliedstaat im Einzelfall seine Bereitschaft erklärt, den Asylbewerber aufzunehmen. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland steht damit unter dem unionsrechtlichen Vorbehalt des Fortbestehens der Zuständigkeit.
127Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 52.
128Dabei reicht bei sachgerechter Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eine Erklärung gegenüber dem ersuchenden Mitgliedstaat aus, die die Zusage beinhaltet, den eingereichten Asylantrag zu prüfen. Um den Zuständigkeitsübergang zu bewirken, ist eine ausdrückliche Berufung auf die Souveränitätsklausel ebenso wenig erforderlich wie der Beginn der tatsächlichen Prüfung des Asylantrags. Förmlichkeiten geben weder die Dublin II-VO selbst noch die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003 vor. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts kann sich auch konkludent aus den Umständen ergeben. Es muss lediglich erkennbar sein, dass der andere Mitgliedstaat im konkreten Einzelfall die Zuständigkeit übernimmt.
129Nicht ausreichend ist die erteilte Zustimmung zur (Wieder-)Aufnahme nach Art. 18 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 lit. b) Dublin II-VO, die mit der Ausübung des Ermessens nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht vergleichbar ist.
130Vgl. dazu auch EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 32.
131Hier hat Spanien nicht von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch gemacht. Als es am 17. September 2013 dem Aufnahmegesuch stattgegeben hat, war es nach der Dublin II-VO zuständig. Spanien hat aber nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und daraus resultierendem Zuständigkeitsübergang bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erklärt, dass seine Übernahmebereitschaft gleichwohl fortbesteht. Es hat in keiner Weise im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO zu erkennen gegeben, dass es den Asylantrag des Klägers auch nach Ablauf der Überstellungsfrist prüfen, mithin die Zuständigkeit übernehmen wird.
132bb. Auch wenn Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht einschlägig wäre, kann dem Asylbewerber nur dann die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands verwehrt werden, wenn positiv feststeht, dass ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit ist. Dies setzt voraus, dass eine Prüfung des Asylgesuchs durch den anderen Mitgliedstaat gewährleistet ist, hierfür also hinreichende Erkenntnisse vorliegen.
133Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Verstöße gegen die Bestimmungen der Dublin II-VO für sich genommen keine subjektiven Rechte der Asyl-bewerber verletzen und der Asylbewerber der Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann, betrifft sämtlich Fälle, in denen die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats bestand.
134Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C 394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60; BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4, vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12, und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7.
135Da die Dublin II-VO gerade dem Zweck dient, den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO), reicht es nicht aus, dass der andere, nicht mehr zuständige Mitgliedstaat der Überstellung nach Fristablauf nicht widersprochen hat bzw. diese nicht endgültig abgelehnt hat und deshalb nicht feststeht, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden kann.
136So aber Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
137Ebensowenig genügt es, dass die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist.
138Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 59, und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28 (allerdings mit dem Zusatz „weil Polen den Fristablauf nicht einwendet“).
139Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit ist, das Asylverfahren durchzuführen.
140Eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige Fakten untermauert wird, kann auch deshalb nicht genügen, weil andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt würde.
141So auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
142Hier fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Spanien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten – generell oder im Einzelfall – nicht einwendet. Dass Spanien am 17. September 2013 dem Aufnahmeersuchen stattgegeben hat, reicht insoweit nicht aus. Entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 AsylVfG, und damit auch nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und dem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, die Übernahmebereitschaft besteht. Dafür ist, ausgehend von den obigen Maßstäben, nichts ersichtlich. Das Bundesamt hat auf mehrfache gerichtliche Anfrage mit Schriftsatz vom 13. August 2015 lediglich ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ablehnten. Der Zusatz, im besonderen Einzelfall könne durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden, reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren. Zuletzt hat das Bundesamt mit Schriftsatz vom 27. August 2015 mitgeteilt, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte weder dafür, dass Spanien trotz zwischenzeit-lichen Ablaufs der Überstellungsfrist seine Zuständigkeit bejaht hätte, noch dafür vorlägen, dass Spanien eine Überstellung des Klägers bereits endgültig abgelehnt hätte. Das reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren.
143d. Eine andere Betrachtung lässt sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, der Asylbewerber könne freiwillig ausreisen und dadurch das Verfahren selbst beschleunigen.
144Zwar geht das Unionsrecht von der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise aus (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003; Art. 19 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 1 lit e) Dublin II-VO). Es ist aber schon fraglich, ob dies eine bindende Vorgabe ist, ob das nationale Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehen muss oder ob die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll.
145Vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 24 ff.
146Auf diese Fragen kommt es aber ebenso wenig an wie darauf, ob der Kläger auch noch gegenwärtig, d. h. nach dem Zuständigkeitsübergang, nach Spanien ausreisen könnte. Es ist jedenfalls keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass er im nicht mehr zuständigen Staat Spanien eine Prüfung seines Asylantrags verlangen kann. Fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Übernahmebereitschaft des anderen Staates auch nach dem Zuständigkeitsübergang auf Deutschland, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Mitgliedstaat im Falle einer freiwilligen Ausreise ein Asylverfahren durchführen wird.
147Auch das Argument des Verwaltungsgerichts, § 242 BGB schließe eine Berufung auf den Zuständigkeitsübergang aus, weil der Asylbewerber vor Ablauf der Überstellungsfrist freiwillig hätte ausreisen können, überzeugt nicht. Dass der Kläger von dem Recht auf freiwillige Ausreise, das im Übrigen im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, keinen Gebrauch gemacht hat, lässt es nicht als treuwidrig erscheinen, von der nach Unionsrecht zuständigen Behörde die Prüfung des Schutzgesuchs zu verlangen.
148So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 82 ff.
149Andernfalls wäre nämlich die materielle Prüfung des Schutzgesuchs nicht gewährleistet und träte damit letztlich ein Rechtsverlust ein. Die Dublin II-VO begründet auch keine Verpflichtung des Asylantragstellers, sich in den nach der Dublin II-VO (ursprünglich) zuständigen Staat zu begeben. Dass gemäß § 50 AufenthG nach allgemeinem nationalem Aufenthaltsrecht eine Ausreisepflicht besteht, ist insoweit unerheblich. Der Zuständigkeitsübergang beruht allein auf dem Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist, nicht hingegen auf einem Verhalten des Klägers (Nichtausreise), mit dem er sich durch die Berufung auf die Zuständigkeit in Widerspruch setzen könnte. Er ist weder untergetaucht noch hat er anderweitig Überstellungsmaßnahmen verhindert.
1503. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann nicht als negative Entscheidung gemäß § 71a AsylVfG über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens aufrechterhalten oder umgedeutet werden – was im Übrigen die fehlende Statthaftigkeit der Anfechtungsklage und die Zulässigkeit (nur) einer Verpflichtungsklage zur Folge hätte.
151Es ist schon nicht ersichtlich, dass ein Zweitantrag vorliegt. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergibt sich nur, dass der Kläger in Spanien zweimal erkennungsdienstlich behandelt worden ist, nicht aber, dass er einen Asylantrag gestellt hat.
152Abgesehen davon kommt ein Verständnis eines Dublin-Bescheids der vorliegenden Art als Ablehnung eines Antrags auf Wiederaufgreifen ebensowenig in Betracht wie eine entsprechende Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG.
153Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 29, und vom 19. Juni 2015 - 13 A 292/15.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 34 f.
154Mit der Entscheidung nach § 27a AsylVfG in dem vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2013 wird, wie ausgeführt, lediglich ohne materiell-recht-liche Prüfung die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt; im Rahmen der Entscheidung nach § 71a AsylVfG findet hingegen, ausgehend von einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, eine Prüfung statt, ob das Asylverfahren auf den Zweitantrag wiederaufzugreifen ist und ob, falls Gründe für ein Wiederaufgreifen gegeben sind, ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht.
155Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, Rn. 29, juris.
156Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, ist im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden.
157Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 41.
158II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Spanien ist nach den obigen Ausführungen für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Im Übrigen stünde auch nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden könnte, weil die Aufnahmebereitschaft Spaniens nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht – wie hiernach erforderlich – positiv feststeht.
159C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
160Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
161Die Revision ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen. Die Dublin II-VO ist zwar auslaufendes Recht. Die zentralen Rechtsfragen stellen sich aber nach der in weiten Teilen übereinstim-menden Dublin III-VO in gleicher Weise.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 11. November 2014 - A 3 K 4877/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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Tenor
I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
II.
Tenor
I. Der Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Würzburg wird geändert und die Klage abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Gründe
Tenor
I.
Die Ziffer 1 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
1. Der Kläger wurde nach eigenen Angaben am ... in K. geboren und ist afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit. Er verließ nach eigenen Angaben etwa im August 2012 seinen langjährigen Aufenthaltsort im Iran und reiste über die Türkei und Griechenland auf dem Landweg nach Ungarn. Von dort aus reiste er am 21. Juli 2013 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein, wo er am 5. August 2013 Asyl beantragte.
2. Aufgrund eines EURODAC-Treffers wurde festgestellt, dass der Kläger am
Mit Schreiben vom
In dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens vor dem Bundesamt am
3. Mit Bescheid vom
4. Gegen diesen ihm am
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom
5.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
6. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat das Gericht mit Beschluss vom 1. Dezember 2014
7. Mit Schriftsatz vom
8. Mit Beschluss vom 19. Januar 2015
9. In der mündlichen Verhandlung am
10. Auf Anfrage des Gerichts nahm die behandelnde Ärztin unter dem
11. Mit Schriftsatz vom
Im Übrigen haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Gründe
Gegenstand der Klage ist nur noch die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides des Bundesamtes vom
Insoweit ist die zulässige Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides aufzuheben, statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Beklagte ist nach Aufhebung der Ziffer 1 kraft Gesetzes verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit fortzuführen. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
Gegen die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. die Feststellung der Unzulässigkeit gemäß § 27a AsylVfG, die einen eigenständigen Verwaltungsakt darstellt, ist eine isolierte Anfechtungsklage statthaft. Denn im Falle der Aufhebung der Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist die Beklagte bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 Rn. 4;
Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts, die Sache insoweit spruchreif zu machen, besteht nicht (BayVGH, B.v. 23.1.2015 a. a. O.). Statthaft ist daher die Anfechtungsklage mit dem Ziel, die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig aufzuheben, damit die Beklagte in eigener Zuständigkeit über den Asylantrag (inhaltlich) entscheiden muss. Einer auf ein weitergehendes Ziel gerichteten Verpflichtungsklage würde deshalb das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen.
2. Die Klage ist auch begründet, weil die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides rechtswidrig ist (2.1) und den Kläger in seinen Rechten verletzt (2.2).
2.1 Die auf § 27a AsylVfG gestützte Ablehnung des Asylantrags als unzulässig bzw. Feststellung der Unzulässigkeit desselben ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) objektiv rechtswidrig.
Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (nunmehr: der Europäischen Union) oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Der von der Beklagten um Wiederaufnahme des Klägers ersuchte Staat, Ungarn, ist jedoch infolge Fristablaufs nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig und hat sich auch nicht mit einer Fristverlängerung bzw. Wiederaufnahme des Klägers ungeachtet des Fristablaufs einverstanden erklärt. Die internationale Zuständigkeit ist damit auf die Beklagte übergegangen. Der Ablauf der Überstellungsfrist bewirkte gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO (Verordnung [EG] Nr. 343/2003 v. 18.2.2003, ABl Nr. L 50, S. 1) einen Zuständigkeitsübergang kraft Gesetzes (st. Rspr., z. B. BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026 - Rn. 3;
Wie sich aus dem EURODAC-Treffer zweifelsfrei ergibt, hat der Kläger bereits in Ungarn einen Asylantrag gestellt. Aus der Bezugnahme der ungarischen Behörden auf die Regelung des Art. 16 Abs. 1 c) Dublin II-VO folgt des Weiteren, dass er vor der Entscheidung über seinen Asylantrag durch die ungarischen Behörden illegal ins Bundesgebiet weitergereist ist. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist der nach der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen. Die Maßgeblichkeit der Dublin II-VO insoweit ergibt sich aus Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO (Verordnung [EU] Nr. 604/2013 v. 26.6.2013, ABl Nr. L 180, S. 31). Da das Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß Art. 49 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin III-VO nach den Zuständigkeitskriterien der Dublin II-VO. Die Dublin III-VO ist dem gegenüber - jedenfalls für die Zuständigkeit und das zu beachtende Verfahren - anzuwenden auf (Wieder-) Aufnahmegesuche, die ab dem 1. Januar 2014 gestellt werden (BVerwG, U.v. 17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris Rn. 27). Da die mit dem Wiederaufnahmegesuch zusammenhängenden Rechtsfragen, insbesondere die gegebenenfalls zu beachtenden Fristen, systematisch den Bestimmungen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten zuzuordnen sind (Zuständigkeitsregelungen im weiteren Sinne), sind damit im vorliegenden Fall die Vorschriften des Art. 20 Dublin II-VO anzuwenden.
Die in Art. 20 Abs. 1 d) Dublin II-VO vorgesehene Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Ungarns zur Wiederaufnahme des Klägers ist - was zwischen den Beteiligten nicht streitig ist - im vorliegenden Falle im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) abgelaufen.
Die Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs ist nach der Überzeugung des Gerichts die Rechtswidrigkeit und Aufhebbarkeit der Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 - W 1 K 14.30151 - juris). Das Gericht folgt dem gegenüber nicht der Rechtsprechung, wonach die Ziffer 1 durch den Ablauf der Überstellungsfrist nach § 43 Abs. 2 VwVfG gegenstandslos geworden sei (BayVGH, B.v. 30.3.2015 - 21 ZB 15.50026). Denn eine Erledigung i. S. des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt vor, wenn die mit dem Verwaltungsakt verbundene tatsächliche oder rechtliche Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 113 Rn. 102). Dies ist jedoch im Falle des Ablaufs der Überstellungsfrist nicht ohne Weiteres der Fall. Zwar wurde der Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, wie bereits dargelegt, kraft Gesetzes durch die Regelung des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO bewirkt. Die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheides enthält dem gegenüber die verbindliche Feststellung, dass die Beklagte für die Prüfung des materiellen Asylbegehrens nicht zuständig ist. Diese Feststellung bleibt bis zu ihrer Aufhebung wirksam und beschwert den Kläger, weil sie der Prüfung des materiellen Asylbegehrens durch die Beklagte als Verfahrenshindernis entgegen gehalten werden könnte. Zudem besteht aufgrund der Feststellung, dass die Beklagte nicht zuständig sei, für den Kläger eine erhebliche Unsicherheit über die Zuständigkeit, die in Anbetracht des für das Verfahren der Zuständigkeitsbestimmung geltenden Beschleunigungsgrundsatzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2015 - 11 ZB 15.50033 - juris Rn. 15 f.). Denn der Kläger hat ein Grundrecht auf materielle Prüfung seines Asylbegehrens durch einen Dublin-Mitgliedstaat aus Art. 18 GR-Charta (vgl. unten 2.2).
Der streitgegenständliche Verwaltungsakt ist auch nicht im Wege eines Austausches der Rechtsgrundlage oder der Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt nach § 47 VwVfG aufrecht zu erhalten. Zwar beinhaltet die vom Gericht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmende Prüfung, ob der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, auch die Befugnis, denselben, wenn er nach Lage der Dinge nicht auf die von der Behörde gewählte Rechtsgrundlage gestützt werden durfte, auf der Grundlage einer anderen Rechtsgrundlage aufrecht zu erhalten. Dies schließt auch die Umdeutung in einen anderen Verwaltungsakt unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 47 VwVfG ein (st. Rspr., z. B. BVerwG, U.v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96, juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 9.2.2014 - 20 B 13.30332 - juris Rn. 20). Ein Austausch der Rechtsgrundlage kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen der anderen Rechtsgrundlage vorliegen, der Verwaltungsakt nicht in seinem Wesen verändert würde und der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung nicht unzumutbar beeinträchtigt würde. Sind für die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen weitere Ermittlungen erforderlich, so scheidet ein Austauschen durch das Gericht deshalb regelmäßig aus (BayVGH a. a. O.). Eine Umdeutung der streitgegenständlichen Entscheidung in eine solche nach § 71a AsylVfG kommt hier gemäß § 47 Abs. 1 VwVfG nicht in Betracht. Denn zum einen fehlt es - ungeachtet der unterschiedlichen verfahrensrechtlichen Anforderungen des § 27a AsylVfG und des § 71a AsylVfG - bereits an der Voraussetzung, dass der Verwaltungsakt, in den der streitgegenständliche Verwaltungsakt umgedeutet werden soll, auf dasselbe Ziel gerichtet ist (BayVGH, B.v. 2.2.2015 - 13a ZB 14.50068 - juris Rn. 9;
2.2 Der angefochtene Verwaltungsakt verletzt den Kläger auch in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten i. S. d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, weil ihm wegen des gesetzlichen Zuständigkeitsübergangs ein Rechtsanspruch darauf zusteht, dass die Beklagte über seinen Asylantrag entscheidet.
Zwar ist den Zuständigkeitsvorschriften der Dublin-Verordnungen (im engeren und weiteren Sinne) grundsätzlich kein individualschützender Gehalt zu entnehmen. Denn die einschlägigen Regelungen dienen der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und begründen daher staatengerichtete Rechte und Pflichten (VGH BW, B.v. 6.8.2013 - 12 S 675/13 - juris Rn. 13; VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 13). Auch Art. 18 GR-Charta beinhaltet kein eigenständiges Asylgrundrecht (vgl. Rossi in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV Art. 18 GR-Charta Rn. 2 f.; Streinz in Streinz, EUV/AEUV, Art. 18 GR-Charta Rn. 5; differenzierend Jarass, GR-Charta Art. 18 Rn. 2), sondern nimmt auf die für die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten verbindliche Genfer Flüchtlingskonvention und auf die entsprechenden Bestimmungen in den Gründungsverträgen (EUV und AEUV) Bezug. Auf europarechtlicher Ebene ist jedoch kein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens in dem vom Asylbewerber bestimmten Mitgliedstaat garantiert (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 2.1.2015 - W 1 S 14.50120 - juris Rn. 25,
Dennoch besteht in einer Situation, in der - wie im vorliegenden Falle - infolge des Ablaufs der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat zurückfällt, ein schutzwürdiges Interesse des Asylbewerbers daran, dass die inhaltliche Prüfung seines Asylantrags nicht durch weitere Zuständigkeitsprüfungen verzögert wird (VGH BW a. a. O.; VG Augsburg, GB.v. 12.11.2014 - Au 7 K 14.50047 - juris Rn. 45; VG Sigmaringen, U.v. 22.10.2014 - 8 K 4481/14.A - UA S. 5 ff.; VG Regensburg, U.v. 21.10.2014 - RO 9 K 14.30217 - UA S. 6; VG Düsseldorf, U.v. 23.9.2014 - 8 K 4481/14.A - juris Rn. 30; tendenziell a.A. VG Würzburg, B.v. 30.10.2014 - W 3 E 14.50144 - juris Rn. 14). Insofern beinhaltet das Grundrecht aus Art. 18 GR-Charta i. V. m. Art. 41 und 47 GR-Charta eine zeitliche Komponente. Diese verlangt, dass die Prüfung des Asylantrags und die darauf ergehende Entscheidung zeitnah erfolgen. Somit würden die Grundrechte des Klägers verletzt, wenn in der vorliegenden Situation trotz des Zuständigkeitsübergangs noch über einen unter Umständen längeren Zeitraum hinweg Ungewissheit darüber bestünde, welcher Mitgliedstaat sein Asylbegehren inhaltlich zu prüfen hat (VG Würzburg, U.v. 31.3.2015 a. a. O.; U.v. 26.9.2014 a. a. O.).
Etwas anderes folgt für den vorliegenden Fall nach der Überzeugung des erkennenden Gerichts auch nicht aus der Rechtsprechung des 11. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach sich eine möglicherweise infolge überlanger Verfahrensdauer bewirkte Verschlimmerung einer Grundrechtsverletzung durch die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates erledige (BayVGH, U.v. 13.4.2015 - 11 B 15.50031 - juris Rn. 29). Denn diese Entscheidung bezieht sich auf die Fallgestaltung der (vom erstinstanzlichen Gericht angenommenen) überlangen Verfahrensdauer im Zeitraum zwischen der Kenntniserlangung von der Möglichkeit der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates (EURODAC-Treffer) und dem Wiederaufnahmeersuchen an diesen Staat bzw. dessen Beantwortung. Davon zu unterscheiden ist aber die vorliegende Fallgestaltung, in der - nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertretenen Rechtsauffassung, an der das Gericht weiterhin festhält - keine überlange Verfahrensdauer und demzufolge auch keine Verpflichtung der Beklagten zum Selbsteintritt bzw. zu ermessensfehlerfreier Entscheidung angenommen wurde. Es bestanden also an der (ursprünglichen) Zuständigkeit des - mit der Wiederaufnahme des Klägers einverstandenen - ersuchten Mitgliedstaates (Ungarn) zunächst keine Zweifel. Davon ausgehend ist erst mit dem Ablauf der Überstellungsfrist und dem damit verbundenen Zuständigkeitsübergang, dem die streitgegenständliche Ziffer 1 des Bescheides vom 24. Februar 2014 widerspricht, eine Situation der Unsicherheit über die Zuständigkeit eingetreten. Diese verletzt den Kläger in seinen Rechten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 5. Mai 2014 - A 4 K 1410/14 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 geändert.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 4. Oktober 2013 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben Anfang Oktober 2012 nach Melilla in Spanien, wo er am 25. Oktober 2012 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Am 14. Januar 2013 beantragte er unter dem Namen U. E. in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Den Antrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) durch Bescheid vom 13. März 2013 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Spanien an. Die Überstellung erfolgte am 10. April 2013.
3Am 3. Juni 2013 reiste der Kläger erneut in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 7. Juni 2013 – unter dem im Rubrum angegebenen Namen – Asyl. Ausweislich seiner eigenen Mitteilung und der Abfrage des Bundesamtes in der Eurodac-Datenbank vom 27. August 2013 war der Kläger zuvor in Spanien erkennungsdienstlich behandelt worden. Das Bundesamt richtete am 29. August 2013 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-VO an Spanien. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags.
4Durch Bescheid vom 4. Oktober 2013 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Ziff. 1) und ordnete die Abschiebung nach Spanien an (Ziff. 2). Der Asylantrag sei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Spanien auf Grund der dort erfolgten illegalen Einreise in das Gebiet der Mitgliedstaaten für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei.
5Am 25. Oktober 2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage erhoben.
6Der zugleich gestellte Antrag, die aufschiebende Wirkung dieser Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 abgelehnt (13 L 2168/13.A). Auf den weiteren, unter dem 18. März 2014 gestellten Antrag des Klägers gemäß § 80 Abs. 7 VwGO ordnete das Verwaltungsgericht Düsseldorf durch Beschluss vom 24. März 2014 (13 L 644/14.A) mit der Begründung die aufschiebende Wirkung an, die sechsmonatige Überstellungsfrist sei abgelaufen.
7Zur Klagebegründung hat der Kläger ausgeführt: In Spanien werde kein ordnungsgemäßes Asylverfahren durchgeführt. Ihm sei dort die Asylantragstellung verweigert worden. Zudem sei die Überstellungsfrist abgelaufen. Hierauf könne er sich auch berufen. Ihm werde sein Recht auf Durchführung eines Asylverfahrens abgesprochen, hielte sich Spanien im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr für zuständig. Ob die spanischen Behörden sich noch an ihre Zustimmung gebunden fühlten, sei völlig offen.
8Der Kläger hat beantragt,
9den Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 aufzuheben.
10Die Beklagte hat beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Zur Begründung hat sie auf die angefochtene Entscheidung des Bundesamtes verwiesen. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Überstellungsfrist mit der Bekanntgabe des ablehnenden Eilbeschlusses vom 7. Januar 2014 neu zu laufen begonnen habe bzw. auf Grund des gemäß § 80 Abs. 7 VwGO erlassenen Eilbeschlusses vom 24. März 2014 bis zur Erledigung des Hauptsacheverfahrens ausgesetzt sei.
13Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. September 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige, insbesondere statthafte Anfechtungsklage sei unbegründet. Nach den anwendbaren Vorschriften der Dublin II-VO sei Spanien für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig. Die Zuständigkeit sei nicht nach Maßgabe der Art. 16 ff. Dublin II-VO auf Deutschland übergegangen. Die Überstellungsfrist des Art. 19 Abs. 3 Uabs. 1 Dublin II-VO sei noch nicht abgelaufen. Weil durch Beschluss vom 24. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet worden sei, beginne sie erst zu laufen, nachdem das Gericht in der Hauptsache entschieden habe. Selbst wenn man auf die Sechsmonatsfrist ab Annahme des Aufnahmegesuchs abstelle, könne sich der Kläger hierauf jedenfalls nicht berufen. Ein Verstoß gegen die Fristenregelungen der Dublin II-VO verletze nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts keine subjektiven Rechte der Asylbewerber. Zudem sei es dem Asylbewerber unbenommen, sich freiwillig beim anderen Mitgliedstaat zu melden, weil die Überstellung auch auf Initiative des Asylbewerbers erfolgen könne. Habe er es selbst in der Hand, wann die Überstellung erfolge und dass sie erfolge, könne er sich nach § 242 BGB nicht auf eine verspätete Überstellung seitens der Bundesrepublik Deutschland berufen. Es bestehe auch keine Verpflichtung der Beklagten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO Gebrauch zu machen. Von einer unangemessenen Verfahrensdauer könne nicht ausgegangen werden. Es lägen auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass in Spanien systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber bestünden.
14Mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2014 hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung zugelassen und auf Antrag des Klägers die Fortdauer der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid vom 4. Oktober 2013 angeordnet (11 B 1338/14.A).
15Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger aus: Die Überstellungsfrist von sechs Monaten ab der Zustimmung Spaniens zum Übernahmeersuchen am 17. September 2013 sei am 17. März 2014 abgelaufen. Durch die Stattgabe des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO habe die bereits abgelaufene Überstellungsfrist nicht wieder neu zu laufen begonnen. Aus der Dublin II-VO ergebe sich keine Rechtsgrundlage, wonach eine Rückübertragung der Zuständigkeit auf Spanien erfolgen könne. Der Kläger könne sich auch auf den Ablauf der Frist berufen. Die EuGH-Entscheidung Abdullahi beziehe sich lediglich auf die Anwendung der in Kapitel III der Dublin II-VO genannten Zuständigkeitskriterien, nicht jedoch auf den nachfolgend geregelten Ablauf der Überstellungsfrist und die dies mit Sanktionscharakter ausfüllenden Vorschriften des Kapitels V der Verordnung. Bestehe keine Übernahmebereitschaft Spaniens, wäre dem Kläger das unstreitig bestehende subjektive Recht auf Zugang zu einem Asylverfahren genommen, könnte er sich nicht auf den Fristablauf berufen. Zudem räume die Dublin II-VO zumindest in bestimmten Punkten, etwa der Mitteilung von Daten, subjektive Rechte ein. Eine Beschränkung der Einwände des Asylbewerbers auf die Prüfung systemischer Mängel in einem Asylverfahren oder in den Aufnahmebedingungen könne nur dann angenommen werden, wenn de facto ein anderer Mitgliedstaat im Zeitpunkt dieser Prüfung eigentlich noch zuständig wäre. Sei Deutschland wegen Fristablaufs zuständig, ergebe sich aus Art. 16a GG bzw. dem Asylverfahrensgesetz ein einklagbarer Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens.
16Der Kläger beantragt,
17das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 12. September 2014 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.
18Die Beklagte beantragt,
19die Berufung zurückzuweisen.
20Zur Begründung verweist sie auf das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend trägt sie vor: Asylbewerber könnten sich nicht mit Erfolg auf einen Zuständigkeitsübergang nach den Art. 16 ff. Dublin II-VO berufen. Ein Asylbewerber habe kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO zuständige Mitgliedstaat sei oder ob durch Zeitablauf Deutschland zuständig geworden sei. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Spanien eine Überstellung bereits endgültig abgelehnt habe. Zwar lehnten die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ab, jedoch könne im besonderen Einzelfall durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten der Eilverfahren sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamts Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Sie ist zulässig und begründet.
24A. Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig.
25Die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 4. Oktober 2013, mit dem der Asylantrag des Klägers wegen fehlender Zuständigkeit der Beklagten als unzulässig abgelehnt worden ist, ist statthaft.
26Einer auf Durchführung des Asylverfahrens gerichteten Verpflichtungs- oder allgemeinen Leistungsklage bedarf es nicht. Dieser fehlte schon das Rechtsschutzbedürfnis, weil das Bundesamt, wenn es zuständig ist, den Asylantrag von Amts wegen sachlich prüfen muss, und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es hier nach Aufhebung der Verfügung untätig bleiben würde.
27Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 31; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 ‑ A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
28Auch eine Verpflichtungsklage, die auf das Ziel gerichtet ist, als Asylberechtigter anerkannt zu werden, die Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutz zuerkannt oder nationale Abschiebungsverbote festgestellt zu bekommen, scheidet aus.
29Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 28 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 20; Bay. VGH, Urteil vom 28. Februar 2014 - 13a B 13.30295 -, BayVBl. 2014, 628, und Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 6; Hamb. OVG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 1 Bf 208/14.AZ -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 6. November 2014 - 13 LA 66/14 -, AuAS 2014, 273; OVG Saarl., Beschluss vom 12. September 2014 - 2 A 191/14 -, juris, Rn. 11; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, InfAuslR 2014, 293 = juris, Rn. 18; OVG S.-A., Urteil vom 2. Oktober 2013 - 3 L 643/12 -, juris, Rn. 21.
30Wird der Asylantrag unter Verweis auf die fehlende Zuständigkeit nach § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt, hat das Bundesamt ihn in der Sache noch gar nicht geprüft. Die Zuständigkeitsprüfung und die inhaltliche Prüfung des Asylbegehrens sind unterschiedliche, voneinander getrennte Verfahren. Die Frage nach dem für die Prüfung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat ist der materiell-rechtlichen Prüfung, ob ein Anspruch auf Asylanerkennung oder Gewährung eines anderen Schutzstatus besteht, vorgelagert. Die Verwaltungsgerichte haben deshalb das Asylbegehren auch nicht in der Sache spruchreif zu machen.
31Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 34 ff., Beschluss vom 18. Mai 2015 - 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11.
32Andernfalls ginge dem Asylbewerber eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien (vgl. insbesondere §§ 24, 25 AsylVfG) ausgestattet ist.
33Ferner muss die Beklagte nach der Rechtsprechung des EuGH zunächst die Möglichkeit haben, einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat, der nachrangig zuständig ist, zu ersuchen. Ist die Überstellung in den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) als zuständig bestimmten Mitgliedstaat etwa wegen systemischer Mängel nicht möglich, hat der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, vorbehaltlich der Befugnis, den Antrag im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO selbst zu prüfen, die Prüfung der Kriterien des genannten Kapitels fortzuführen, um festzustellen, ob danach ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
34Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 95 f., und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 32 f.; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 29 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. April 2014 - A 11 S 1721/13 -, juris, Rn. 18.
35Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach das Gericht im Asylrechtsstreit die Sache spruchreif zu machen hat, wenn ein Asylfolgeantrag nach § 71 AsylVfG vorliegt. Im Asylfolgeverfahren kann nicht lediglich isoliert auf "Wiederaufgreifen" geklagt werden, weil der rechtserhebliche Aspekt, ob das bestandskräftig abgeschlossene Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, lediglich die (Vor-)Frage nach der Durchbrechung der Bestandskraft des Erstbescheids als notwendige Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch auf Asyl, nicht aber einen selbstständig neben diesem stehenden einklagbaren Wiederaufgreifensanspruch betrifft.
36Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 1998 - 9 C 28.97 -, BVerwGE 106, 171 = juris, Rn. 10.
37Diese Erwägungen sind auf die hier gegenständliche Entscheidung nach § 27a AsylVfG nicht übertragbar. In diesem Verfahren steht weder die Frage im Streit, ob ein bestandskräftig abgeschlossenes Asylverfahren wieder aufgenommen werden muss, noch ob ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht. Vielmehr geht es, wie ausgeführt, um die der materiell-rechtlichen Prüfung des Asylantrags vorgelagerte Frage der Zuständigkeit.
38Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 11. März 2015 - 13a ZB 14.50043 -, juris, Rn. 3; siehe auch BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 10 C 1.13 -, Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 13, S. 3 = juris, Rn. 14 zur Anfechtungsklage für den Fall einer Verfahrenseinstellung nach den §§ 32, 33 AsylVfG.
39B. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 4. Oktober 2013 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Senats rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
40I. Ziffer 1 des Bescheids ist rechtswidrig, weil der Asylantrag im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren, der nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entscheidungserheblich ist, nicht gemäß § 27a AsylVfG unzulässig ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Hier ist aber entgegen der Auffassung des Bundesamts nach der Dublin II-VO nicht Spanien, sondern Deutschland für die sachliche Prüfung und Entscheidung des Asylantrags zuständig (1.). Darauf kann sich der Kläger auch berufen (2.).
411. Die Zuständigkeit Deutschlands ergibt sich aus der Dublin II-VO. Diese ist ungeachtet des § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG und des Umstands anwendbar, dass sie durch die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (im Folgenden: Dublin III-VO) ersetzt worden ist. Nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-VO, wenn der Asylantrag vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist. Das ist hier der Fall. Der Kläger hat sein hier maßgebliches Schutzgesuch am 7. Juni 2013 angebracht. Es kann offen bleiben, ob nach Art. 49 Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Verordnung ab dem 1. Januar 2014 – ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung – für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern gilt, auch bei vor dem 1. Januar 2014 gestellten Asylanträgen für das Überstellungsverfahren die Dublin III-VO gilt, wenn das Übernahmeersuchen nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.
42Denn hier lagen auch das Aufnahmeersuchen und dessen Annahme vor dem 1. Januar 2014. Ferner spricht alles dafür, dass nach Art. 49 Satz 3 Dublin III-VO nicht nur die Zuständigkeitskriterien des Kapitels III, sondern auch diejenigen des Kapitels V der Dublin II-VO fortgelten.
43Vgl. zum Ganzen Bergmann, ZAR 2015, 81 (83); Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 3.
44Die zunächst bestehende Zuständigkeit Spaniens (a.) ist wegen Ablaufs der Überstellungsfrist auf Deutschland übergegangen (b.).
45a. Der zuständige Mitgliedstaat bestimmt sich auf der Grundlage der in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien, zunächst nach dem Kapitel III.
46aa. Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO war ursprünglich Spanien zuständig. Danach gilt: Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Hier erfolgte der erstmalige illegale Grenzübertritt zu einem EU-Mitgliedstaat in Spanien. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
47bb. Die Zuständigkeit Spaniens ist nicht nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO entfallen. Danach endet die Zuständigkeit zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
48Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO greift nur dann ein, wenn die Frist bereits bei erstmaliger Stellung eines Asylantrags in einem Mitgliedstaat abgelaufen ist.
49Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, juris, Rn. 47.
50Diese Auslegung ergibt sich aus Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO, wonach bei der Bestimmung des nach den in Kapitel III bestimmten Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen wird, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Das geschah hier am 14. Januar 2013 (mit einem Alias-Namen) sowie nach erneuter Einreise nach Deutschland von Spanien aus am 7. Juni 2013 und damit innerhalb der Jahresfrist seit der erstmaligen illegalen Einreise nach Spanien im Oktober 2012.
51Selbst wenn man aber nicht auf den Asylantrag, sondern auf den spätesten Zeitpunkt des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens, den Abschluss durch die Aufnahmeerklärung Spaniens am 17. September 2013, abstellt, waren zwölf Monate nicht verstrichen. Ein noch späterer Zeitpunkt kommt hingegen nicht in Betracht. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gilt die in Kapitel III der Verordnung normierte Frist nur für das in diesem Kapitel geregelte Zuständigkeitsbestimmungsverfahren (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), berechtigt also nur einen Mitgliedstaat - hier: Spanien -, das an ihn gerichtete (Wieder‑) Aufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaats - hier: Deutschland – abzulehnen, wenn der Grenzübertritt länger als zwölf Monate zurückliegt. Nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nach Kapitel III hingegen – die im Kapitel V in Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO geregelte Mitteilung an den Asylbewerber gehört nicht dazu – kann die Zuständigkeit hingegen nicht mehr nach einer dort geregelten Vorschrift, sondern allenfalls nach Kapitel V entfallen.
52b. Die Zuständigkeit ist aber nach Kapitel V der Dublin II-VO auf die Beklagte übergegangen.
53aa. Dies ergibt sich allerdings nicht aus Art. 17 Abs. 1 Uabs. 2 Dublin II-VO. Danach gilt: Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung zuständig. Das Bundesamt hat hier gemäß Art. 17 Abs. 1 Uabs. 1 Dublin II-VO innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Asylantrags Spanien ersucht, den Kläger aufzunehmen. Der Kläger hat am 7. Juni 2013 Asyl beantragt, das Aufnahmeersuchen datiert vom 29. August 2013.
54bb. Die Beklagte ist aber gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zuständig geworden. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
55(1) Die 6-Monats-Frist des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO ist am 17. März 2014 abgelaufen. Die spanischen Behörden erklärten mit Schreiben vom 17. September 2013 - fristgerecht innerhalb von zwei Monaten (vgl. Art. 18 Abs. 1, 7 Dublin II-VO) - ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags und nahmen damit den Antrag auf Aufnahme des Klägers an. Da die Überstellung binnen dieser Frist nicht durchgeführt worden ist, ist die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf die Beklagte als den Staat übergegangen, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Fristverlängerungen nach Art. 19 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO scheiden hier aus.
56(2) Die Überstellungsfrist verlängert sich nicht um die Dauer des erfolglosen ersten gerichtlichen Eilverfahrens und der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz führt auch nicht zum erneuten Beginn der 6-Monats-Frist ab dem Zeitpunkt der Ablehnung des Antrags durch das Gericht. Der Antrag des Klägers vom 25. Oktober 2013, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides anzuordnen, wurde mit Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A - abgelehnt. Das erfolglose Eilverfahren wirkt sich auf die Dauer der Überstellungsfrist nicht aus.
57Die Dublin II-VO sieht weder eine Unterbrechung oder Hemmung (§ 209 BGB entsprechend),
58so VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris,
59noch, wovon das Bundesamt ausgeht, einen Neubeginn der Frist in solchen Fällen vor. Dies lässt sich ihr auch nicht im Wege der Auslegung entnehmen.
60Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO bestimmt eine Frist von sechs Monaten ab Annahme des Aufnahmegesuchs. Nur wenn ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, gilt nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO eine abweichende Frist von sechs Monaten ab der Entscheidung über diesen Rechtsbehelf. Entscheidung über den Rechtsbehelf in diesem Sinne ist aber nicht der Beschluss im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, sondern – die Fortdauer der Aussetzung der Vollziehung vorausgesetzt – die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Klage gegen die Überstellungsentscheidung im Hauptsacheverfahren.
61Vgl. EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 - Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495; OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 - 1 A 21/12.A -, DVBl. 2014, 790 = juris, Rn. 53 ff., Beschlüsse vom 8. Mai 2014 - 13 A 827/14.A -, juris, Rn. 5 und vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, AuAS 2014, 237 = juris, Rn. 5.
62Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Bestimmung. Dem Rechtsbehelf selbst muss aufschiebende Wirkung zukommen. Dies trifft - auch nach dem Unionsrecht - nur auf einen Rechtsbehelf zu, mit dem über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung und ihren Bestand (abschließend) entschieden wird. Mit einem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann nicht die Aufhebung der behördlichen Entscheidung, sondern nur die Aussetzung des Vollzugs erreicht werden. Zudem vermag nicht die Antragstellung, sondern nur die stattgebende gerichtliche Entscheidung die aufschiebende Wirkung herbeizuführen, deren Endpunkt die Hauptsacheentscheidung ist.
63Diese Überlegungen werden durch die Systematik der Dublin II-VO bestätigt. Gegenstand des Rechtsbehelfs ist die Entscheidung des Beklagten nach Art. 19 Abs. 1 Dublin II-VO, den Asylantrag nicht zu prüfen und den Antragsteller an den zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen. Nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin II-VO kann gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt werden. Dass dies allein die Klage, nicht aber der Antrag auf Aussetzung sein kann, zeigt vor allem Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO. Danach hat der gegen die Überstellungsentscheidung eingelegte Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung, es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders. An diese Vorgaben, die der Sache nach zwischen dem Hauptsache- und dem Aussetzungsverfahren trennen, knüpft der folgende Absatz 3 des Art. 19 Dublin II-VO an, indem er die Frist nur dann erst mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf beginnen lässt, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wenn er also - so lässt sich mit Blick auf Absatz 2 präzisieren - im Einzelfall aufgrund einer Entscheidung der Gerichte oder zuständigen Stellen nach Maßgabe des mitgliedstaatlichen Rechts aufschiebende Wirkung hat. Dem entspricht das nationale Recht. Ein Rechtsbehelf, dem aufschiebende Wirkung zukommt, ist nach § 80 Abs. 1 VwGO - neben dem Widerspruch - nur die Klage. Die Klage gegen die Überstellungsentscheidung des Bundesamts hat - unionsrechtskonform - aber nach § 75 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, diese wird gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG in der seit dem 6. September 2013 gültigen Fassung im Einzelfall durch das Gericht angeordnet.
64Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 7 ff.
65Bei dieser Ausgangslage rechtfertigt allein der Sinn und Zweck der Überstellungsfrist, den Mitgliedstaaten Zeit zu geben, um die (technischen) Modalitäten der Durchführung der Überstellung zu regeln, wofür grundsätzlich die vollen sechs Monate zur Verfügung stehen sollen,
66vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29. Januar 2009 ‑ Rs. C-19/08 (Petrosian u.a.) -, Slg. 2009, I-495,
67keine andere Auslegung des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO.
68Auch § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG führt jedenfalls bei der Dublin II-VO nicht dazu, dass der Lauf der Überstellungsfrist gehemmt wird oder diese erst oder erneut mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zu laufen beginnt.
69Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.; a. A. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 ‑ A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 36 ff., und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28; Funke- Kaiser, in: GK-AsylVfG, November 2013, § 27a Rn. 227 f.
70Nach dieser Vorschrift ist die Abschiebung bei rechtzeitiger Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Damit wird aber weder eine aufschiebende Wirkung der Klage begründet noch der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu einem Rechtsbehelf im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO, sondern lediglich vorübergehend die Vollziehung der Überstellungsentscheidung durch die Ausländerbehörde gehemmt. Die Anordnung eines Vollziehungshindernisses durch den nationalen Gesetzgeber kann ferner deshalb nicht mit der vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung durch gerichtlichen Eilbeschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO gleichgesetzt werden, weil dies den unmittelbar geltenden Vorgaben der Dublin II-VO zuwider liefe. Wie bereits ausgeführt, verankert Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin II-VO ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, ferner das Erfordernis einer gerichtlichen oder behördlichen, konkret-individuellen Anordnung. Dem liegt der Beschleunigungsgedanke zugrunde, der auch Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO ist. Im Übrigen beruht der Umstand, dass aufgrund des § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG bei Stellung eines Eilantrags der Ausländerbehörde nicht die vollen sechs Monate für die Organisation der Überstellung zur Verfügung stehen mögen, sondern diese sich um die Dauer des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens verkürzen können, auf einer Entscheidung des nationalen Gesetzgebers, die durch die Dublin II-VO nicht vorgegeben ist. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie II) vom 28. August 2013 (BGBl. I, S. 3474) ist § 34a Abs. 2 AsylVfG bereits mit Wirkung vom 6. September 2013 geändert worden, obwohl zu dem Zeitpunkt noch die Dublin II-VO anwendbar war. Die Vorgabe des Art. 27 Abs. 3 lit. c Satz 2 Dublin III-VO, wonach die Überstellung auszusetzen ist, bis die Entscheidung über den ersten Antrag auf Aussetzung ihrer Durchführung ergangen ist, ist erst ab dem 1. Januar 2014 anwendbar.
71Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8. September 2014 - 13 A 1347/14.A -, juris, Rn. 15 ff.
72(3) Die Überstellungsfrist läuft hier auch nicht gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. Dublin II-VO deshalb erst sechs Monate nach der Entscheidung über die vorliegende Klage ab, weil das Verwaltungsgericht im (zweiten) Eilverfahren mit Beschluss vom 24. März 2014 -13 L 644/14.A - die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet hat. In diesem Zeitpunkt – und schon bei Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 7 VwGO durch den Kläger – war, wie ausgeführt, die Überstellungsfrist nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO abgelaufen. Dies war auch der Grund für die stattgebende Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts.
73Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts stehen die beiden Alternativen des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO nicht selbstständig nebeneinander, sondern schließen sich im folgenden Sinne aus: Ist Art. 19 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. Dublin II-VO einschlägig, weil kein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, und ist diese Frist abgelaufen, kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht dadurch eine neue Frist nach der 2. Alternative der Vorschrift in Lauf gesetzt werden, dass danach (in der Regel gerade wegen des Fristablaufs) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet wird.
74Dies ergibt sich nicht nur aus dem oben dargelegten Normgefüge des Art. 19 Abs. 2 und 3 Dublin II-VO, sondern vor allem aus der in Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO geregelten Rechtsfolge, die sich aus dem Ablauf der Überstellungsfrist ergibt. Danach geht mit Ablauf der Überstellungsfrist die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. In Anwendung dieser Vorschrift ist am 17. März 2014 die Beklagte zuständig geworden. Die Dublin II-VO enthält aber keine Bestimmung, nach der die Zuständigkeit wieder an den ursprünglich zuständigen Staat – hier Spanien – zurückfallen kann. Dann kann auch keine neue Frist für die Überstellung in den „zuständigen“ Mitgliedstaat nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO zu laufen beginnen. Überdies widerspräche ein erneuter Fristlauf dem Beschleunigungszweck der Dublin II-VO.
752. Der Kläger kann sich auf die Zuständigkeit der Beklagten auch berufen.
76Die Fristregelungen der Dublin II-VO begründen zwar für sich genommen keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers (a.). Der Kläger hat aber aus dem materiellen Asylrecht einen Anspruch darauf, dass die nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO zuständige Bundesrepublik Deutschland das Asylverfahren durchführt (b.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn feststeht, dass der andere Mitgliedstaat den Asylbewerber aufnehmen und das Asylverfahren durchführen wird; das ist hier aber nicht der Fall (c.). Die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer freiwilligen Ausreisemöglichkeit ausgeschlossen (d.).
77a. Die Vorschriften über die Überstellungsfrist, Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO, und die an ihren Ablauf geknüpfte Rechtsfolge des Zuständigkeitsübergangs, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO, begründen ebenso wie Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO und die sonstigen Fristregelungen keine einklagbaren subjektiven Rechte der Asylbewerber.
78Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO); BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4 (für Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO), vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12 (für Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO), und vom 19. März 2014 ‑ 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 5 ff. (für Art. 16 Abs. 3 Dublin II-VO); Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37; Hess. VGH, Beschluss vom 25. August 2014 - 2 A 976/14.A -, InfAuslR 2014, 457 -, juris, Rn. 15; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 33; Bergmann, ZAR 2015, 81 (84); Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 196.1 (für die Aufnahmeersuchensfrist) und Rn. 234 (für die Überstellungsfrist); Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 65 (allg. für Fristen); a. A. EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 46 f. (für Art. 19 Abs. 4 Dublin II-VO); VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 47 ff.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. August 2015 - 18a L 1441/15.A -, juris, Rn. 19 ff. (für Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO); wohl auch Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 27a Rn. 14 f.
79Der Asylbewerber hat kein umfassendes subjektiv-öffentliches Recht auf eine Überprüfung, ob der zur Aufnahme bereite Mitgliedstaat tatsächlich nach objektivem Recht der nach dem Zuständigkeitsregime der Dublin II-VO auch zuständige Mitgliedstaat ist oder ob nicht zwischenzeitlich ein anderer Mitgliedstaat zuständig geworden ist.
80Vgl. Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3; Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
81Die Normen der Dublin II-VO gelten zwar allgemein (vgl. Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die unmittelbare Wirkung des Rechtsakts bedeutet jedoch nicht automatisch, dass den Asylbewerbern ein subjektives Recht auf Einhaltung und Beachtung der zuständigkeitsbegründenden Vorschriften eingeräumt wäre. Aus der gewählten Handlungsform folgt allein die Möglichkeit einer Individualberechtigung.
82Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 91.
83Die Dublin II-VO regelt nach ihrem Inhalt und Zweck die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und ordnet damit ihr Zusammenwirken bei der Gewährung von Asyl in der Europäischen Union. Das Dublin-System soll die Behandlung von Asylanträgen rationalisieren, das „forum shopping“ verhindern und eine Lastenverteilung unter den Mitgliedstaaten bewirken. Wie aus den Erwägungsgründen 3 und 4 der Dublin II-VO hervorgeht, soll eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge nicht zu gefährden.
84Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 59, vom 6. November 2012 - Rs. C-245/11 -, juris, Rn. 49, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 79, 84; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 34 ff.; BVerwG, Beschluss vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, NVwZ 2014, 1039 = juris, Rn. 5.
85Insbesondere die Fristbestimmungen dienen einer zeitnahen Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats und einer zügigen Überstellung an diesen. Zwar liegt dieser Beschleunigungszweck nicht nur im Interesse der teilnehmenden Staaten, sondern auch im Interesse der Asylbewerber.
86Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 53, und vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn.79.
87Sie haben aber grundsätzlich keinen Anspruch auf Prüfung ihres Asylantrags durch einen bestimmten Mitgliedstaat. Das unionsrechtlich geregelte System der Zuständigkeitsverteilung für die Entscheidung über Asylanträge beruht auf der Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen. Ist ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit, kann der Asylbewerber seiner Überstellung nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden.
88Vgl. EuGH, Urteile vom 10. Dezember 2013 ‑ Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60 und 62; BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, juris, Rn. 6, und vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4; OVG NRW, Beschluss vom 2. Juni 2015 - 14 A 1140/14.A -, juris, Rn. 6 ff.
89Die zwischenstaatliche Konzeption des Zuständigkeitssystems schließt es zwar nicht aus, dass einzelne Vorschriften der Verordnung subjektive Rechte beinhalten.
90Vgl. Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 40 ff.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 63 ff.
91Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen gilt dies aber nicht für Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO. Allein der Beschleunigungszweck rechtfertigt – auch unter Berücksichtigung des Rechts auf eine gute Verwaltung aus Art. 41 GR-Charta – nicht die Annahme, diese Vorschriften seien derart grundrechtlich aufgeladen, dass sie im objektiv-rechtlichen Dublin-System dazu bestimmt sind, die Rechte Einzelner zu schützen.
92b. Der Kläger hat aber aus den materiell-rechtlichen Asylbestimmungen einen Anspruch darauf, dass die unionsrechtlich zuständige Beklagte seinen Asylantrag prüft.
93aa. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ergibt sich aus dem materiellen Recht, das Ausländern einen Anspruch auf Asyl (Art. 16a Abs. 1 GG), Flüchtlingsschutz (§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 Abs. 1 AsylVfG), subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG, § 4 Abs. 1 AsylVfG) sowie nationalen Abschiebungsschutz (§ 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) gewährt. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens ist notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs. Wird die Beklagte wegen Ablaufs der Überstellungsfrist zuständig zur Prüfung des Antrags, muss sie das Asylverfahren aufnehmen.
94Der sachliche Prüfungsanspruch folgt zunächst unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG. Die – möglicherweise bestehende – Asylberechtigung löst eine Pflicht der zuständigen deutschen Behörden aus, den Antrag zu überprüfen.
95Vgl. Becker, in: Mangold/Klein/Starck, GG, 6. Auflage 2010, Art. 16a, Rn. 27.
96Um die Inanspruchnahme des Grundrechts zu ermöglichen, muss sich der Asylbewerber auf dieses Recht berufen, also eine Prüfung in der Sache verlangen können.
97Dem steht auch Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG nicht entgegen. Danach kann sich auf Absatz 1 nicht berufen, wer aus einem EU-Mitgliedstaat oder einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Der Kläger ist hier u. a. über Spanien nach Deutschland eingereist. Die Vorwirkungen des Art. 16a Abs. 1 GG sind aber nicht davon abhängig, dass ein Asylanspruch besteht. Das Recht, dass der Asylantrag geprüft wird, besteht unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen der Schutzgewährung. Im Übrigen gilt: Ist Deutschland unionsrechtlich zuständig für die Durchführung des Asylverfahrens, darf dies nicht durch einen grundgesetzlich angeordneten Ausschlussgrund im Sinne einer abdrängenden, negativen Zuständigkeitsbestimmung ausgehöhlt werden. Dementsprechend bestimmt § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylVfG, dass der Schutzbereichsausschluss nach Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG dann nicht gilt, wenn die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der EU für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Ob – und inwieweit – Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG deshalb oder wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts oder nach Art. 16a Abs. 5 GG unanwendbar ist, kann hier offen bleiben.
98Vgl. zum Ganzen OVG NRW, Urteil vom 27. April 2015 - 9 A 1380/12.A -, juris; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 226 ff. m.w.N.; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand Mai 2015, § 27a Rn. 8 f.; siehe auch BVerwG, Urteil vom 7. Juli 2011 - 10 C 26.10 -, BVerwGE 140, 114, Rn. 33.
99Darüber hinaus gilt: Verleiht das einfache materielle Recht in Deutschland – hier: das Aufenthalts- und das Asylverfahrensgesetz – eine subjektiv-öffentliche Anspruchsberechtigung, so besteht für jeden potentiell Berechtigten zugleich ein Anspruch auf das Handeln der zuständigen Behörde. Die Zuständigkeit ist eine zwingende Voraussetzung der Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit des Handelns einer Behörde und Anspruchsvoraussetzung für antragsgemäßes Verwaltungshandeln.
100Vgl. OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11. A -, juris, Rn. 24.
101Ist der Antrag zulässig und die Behörde zuständig, muss diese über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts sachlich entscheiden (s. auch § 75 VwGO).
102Dieser Prüfungsanspruch gilt auch für den Asylantrag, der nach § 13 AsylVfG nicht nur die Anerkennung als Asylberechtigter, sondern auch die Zuerkennung internationalen Schutzes beinhaltet. Ein subjektiv-öffentliches Recht auf Prüfung des Schutzgesuchs durch die Beklagte liegt nicht nur den Regelungen zum Asylantrag in §§ 13, 14 AsylVfG zugrunde, sondern auch § 24 AsylVfG, der im Einzelnen die Pflichten des Bundesamts im Asylverfahren bestimmt, und § 31 AsylVfG, der die Entscheidung des Bundesamts über Asylanträge regelt. Die Prüfung der Schutzgesuche darf nach §§ 27a, 34a AsylVfG nur abgelehnt werden, wenn ein anderer Staat nach Unions- oder Völkerrecht zuständig ist.
103Vgl. VG Düsseldorf, Urteile vom 23. März 2015 ‑ 22 K 4141/14.A -, InfAuslR 2015, 154 = juris, Rn. 35, und vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 27, 43.
104Diese Vorschriften setzen damit einen Anspruch auf Entscheidung durch das Bundesamt im Falle seiner Zuständigkeit voraus. Ergeht eine Entscheidung über den Asylantrag nicht innerhalb von sechs Monaten, hat das Bundesamt dem Ausländer gem. § 34 Abs. 4 AsylVfG auf Antrag mitzuteilen, bis wann voraussichtlich über seinen Asylantrag entschieden wird. § 31 Abs. 6 AsylVfG verpflichtet das Bundesamt im Falle einer Ablehnung des Asylantrags nach § 27a AsylVfG, den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu benennen.
105bb. Die Annahme eines Prüfungsanspruchs und damit des Rechts, sich auf die nach der Dublin II-VO bestehende Zuständigkeit Deutschlands berufen zu können, entspricht den unionsrechtlichen Vorgaben.
106Auch nach Unionsrecht müssen Asylbewerber Zugang zu wirksamen Asylverfahren haben. Die effektive Ausübung des Rechts auf Asyl muss gewährleistet sein.
107Vgl. Grundrechte-Agentur der EU, EGMR, Europarat (Hrsg.): Handbuch zu den europarecht-lichen Grundlagen im Bereich Asyl, Grenzen und Migration (abgerufen von http://fra.europa.eu/sites/default/files/handbook-law-asylum-migration-borders-2nded_de.pdf, 16.9.2015), S. 107; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 38 ff.
108Nach Art. 18 GR-Charta wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe der Genfer Flüchtlingskonvention sowie der Verträge über die Europäische Union und über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet. Art. 19 Abs. 2 GR-Charta gewährt Abschiebungsschutz bei ernsthaften Risiken der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung. Auch wenn Uneinigkeit darüber besteht, ob Art. 18 GR-Charta ein subjektives, einklagbares Recht vermittelt oder eine bloße objektiv-rechtliche Garantie formuliert,
109vgl. dazu, Jarass, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 2. Auflage 2013, Art. 18 Rn. 2, 15, m. w. N.; Bernsdorff, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 4. Auflage 2014, Art. 18, Rn. 7, 11, m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 12; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 153 f.
110begründet die Vorschrift jedenfalls ein Recht des Drittstaatsangehörigen auf ein ausreichendes Verfahren zur Feststellung des Status.
111Vgl. Jarass, a. a. O., Art. 18 Rn. 13.
112Nach Art. 78 Abs. 1 AEUV entwickelt die Union eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, mit der jedem Drittstaatsangehörigen, der internationalen Schutz benötigt, ein angemessener Status angeboten und die Einhaltung des Grundsatzes der Nicht-Zurückweisung gewährleistet werden soll (Satz 1). Die Politik muss mit der Genfer Flüchtlingskonvention sowie den anderen einschlägigen Verträgen im Einklang stehen (Satz 2).
113Auf der Grundlage dieser Vorschrift konkretisiert die Qualifikationsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) in materiell-rechtlicher Hinsicht die Schutzrechte, werden in der Verfahrensrichtlinie (2013/32/EU) Verfahrensrechte der Asylbewerber bei der Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz festgelegt und treffen die Dublin-Verordnungen Zuständigkeitsregelungen. Die Dublin II-VO legt – als ein Schritt auf dem Weg zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem – Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates fest (vgl. Erwägungsgründe 4 und 5). Sie begründet zwar grundsätzlich keine subjektiven Rechte der Asylbewerber, setzt aber solche voraus und dient der effektiven Ausübung des Asylrechts. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird ferner insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylbegehrens gewährleistet sein muss. Das ergibt sich aus Folgendem: Der 15. Erwägungsgrund der Dublin II-VO bestimmt ausdrücklich, sie ziele darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 GR-Charta verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.
114Vgl. dazu auch EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 15 und 76.
115Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt (Satz 1). Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird (Satz 2). Nach dem 4. Erwägungsgrund der Dublin II-VO dient sie auch dazu, den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten. Dem Zuständigkeitssystem der Dublin II-VO liegt damit die Annahme zugrunde, dass die Antragsteller ein durchsetzbares Recht haben, dass die Anträge jedenfalls von einem Mitglieds- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft werden. Lediglich die Prüfung durch einen bestimmten Staat können sie nicht verlangen.
116Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
117Könnte der Asylbewerber sich nicht auf die Zuständigkeit Deutschlands berufen und wäre nicht gesichert, dass ein anderer Mitgliedstaat das Asylverfahren durchführt (vgl. dazu sogleich), würde er zum sogenannten „refugee in orbit“, dessen Schutzgesuch in keinem Mitgliedstaat geprüft würde.
118Vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2010, Art. 78 AEUV Rn. 21; Hoppe, Eilrechtsschutz gegen Dublin II-Überstellungen, 2013, S. 67, 69.
119Dies widerspräche aber dem Grundanliegen des europäischen Asylsystems. Dieses darf nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass der Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung seines Schutzgesuchs erhalten könnte und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bliebe.
120Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
121c. Ein Asylbewerber kann, das folgt schon aus den vorstehenden Ausführungen, nur dann nicht die Durchführung des Asylverfahrens in Deutschlands verlangen, wenn die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats feststeht. Das ist hier nicht der Fall.
122aa. Dass einem Asylbewerber die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats entgegengehalten werden kann, folgt aus dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO geregelten Zuständigkeitsübergang, setzt aber auch ein Vorgehen nach dieser Vorschrift voraus. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist (Satz 1). Dadurch wird der andere Mitgliedstaat zum zuständigen Mitgliedstaat (Satz 2).
123Erklärt der andere Mitgliedstaat, den Asylbewerber aufzunehmen und das Asylverfahren durchzuführen, obwohl er nach den in der Dublin II-VO festgelegten Kriterien nicht (mehr) zuständig ist, übt er damit das Selbsteintrittsrecht nach der sogenannten Souveränitätsklausel aus.
124Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO räumt den Mitgliedstaaten ein Ermessen ein, das integraler Bestandteil des vom EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist. Die Ausübung der Befugnis ist an keine Bedingungen geknüpft; ein Anspruch des Asylbewerbers auf Zuständigkeitsübernahme besteht grundsätzlich nicht.
125Vgl. EuGH, Urteile vom 21. Dezember 2011 ‑ Rs. C-411/10 u.a. (N.S.) -, juris, Rn. 65 ff., und vom 30. Mai 2013 - Rs. C-528/11 (Halaf) -, juris, Rn. 36 ff.; siehe zu Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auch EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 (Puid) -, juris, Rn. 28 ff.; OVG NRW, Vorlagebeschluss vom 19. Dezember 2011 - 14 A 1943/11.A -, juris, Rn. 34.
126Hiervon ausgehend geht die Zuständigkeit über, wenn ein anderer Mitgliedstaat im Einzelfall seine Bereitschaft erklärt, den Asylbewerber aufzunehmen. Der Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland steht damit unter dem unionsrechtlichen Vorbehalt des Fortbestehens der Zuständigkeit.
127Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand März 2015, § 27a Rn. 52.
128Dabei reicht bei sachgerechter Auslegung des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO eine Erklärung gegenüber dem ersuchenden Mitgliedstaat aus, die die Zusage beinhaltet, den eingereichten Asylantrag zu prüfen. Um den Zuständigkeitsübergang zu bewirken, ist eine ausdrückliche Berufung auf die Souveränitätsklausel ebenso wenig erforderlich wie der Beginn der tatsächlichen Prüfung des Asylantrags. Förmlichkeiten geben weder die Dublin II-VO selbst noch die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003 vor. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts kann sich auch konkludent aus den Umständen ergeben. Es muss lediglich erkennbar sein, dass der andere Mitgliedstaat im konkreten Einzelfall die Zuständigkeit übernimmt.
129Nicht ausreichend ist die erteilte Zustimmung zur (Wieder-)Aufnahme nach Art. 18 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 lit. b) Dublin II-VO, die mit der Ausübung des Ermessens nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht vergleichbar ist.
130Vgl. dazu auch EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts Villalón vom 11. Juli 2013 in der Rs. C-394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 32.
131Hier hat Spanien nicht von Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch gemacht. Als es am 17. September 2013 dem Aufnahmegesuch stattgegeben hat, war es nach der Dublin II-VO zuständig. Spanien hat aber nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und daraus resultierendem Zuständigkeitsübergang bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht erklärt, dass seine Übernahmebereitschaft gleichwohl fortbesteht. Es hat in keiner Weise im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin II-VO zu erkennen gegeben, dass es den Asylantrag des Klägers auch nach Ablauf der Überstellungsfrist prüfen, mithin die Zuständigkeit übernehmen wird.
132bb. Auch wenn Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO nicht einschlägig wäre, kann dem Asylbewerber nur dann die Berufung auf die Zuständigkeit Deutschlands verwehrt werden, wenn positiv feststeht, dass ein anderer Mitgliedstaat aufnahmebereit ist. Dies setzt voraus, dass eine Prüfung des Asylgesuchs durch den anderen Mitgliedstaat gewährleistet ist, hierfür also hinreichende Erkenntnisse vorliegen.
133Die höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach Verstöße gegen die Bestimmungen der Dublin II-VO für sich genommen keine subjektiven Rechte der Asyl-bewerber verletzen und der Asylbewerber der Überstellung nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann, betrifft sämtlich Fälle, in denen die Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaats bestand.
134Vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C 394/12 (Abdullahi) -, juris, Rn. 60; BVerwG, Beschlüsse vom 14. Juli 2014 - 1 B 9.14 u.a. -, juris, Rn. 4, vom 6. Juni 2014 - 10 B 35.14 -, NVwZ 2014, 1677 = juris, Rn. 6, vom 21. Mai 2014 - 10 B 31.14 -, juris, Rn. 4, vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 -, juris, Rn. 12, und vom 19. März 2014 - 10 B 6.14 -, juris, Rn. 7.
135Da die Dublin II-VO gerade dem Zweck dient, den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (vgl. Art. 1, Art. 3 Abs. 1 sowie Erwägungsgrund 4 der Dublin II-VO), reicht es nicht aus, dass der andere, nicht mehr zuständige Mitgliedstaat der Überstellung nach Fristablauf nicht widersprochen hat bzw. diese nicht endgültig abgelehnt hat und deshalb nicht feststeht, dass die Überstellung nicht durchgeführt werden kann.
136So aber Nds. OVG, Urteil vom 25. Juni 2015 - 11 LB 248/14 -, juris, Rn. 37.
137Ebensowenig genügt es, dass die Überstellung an den bisher zuständigen Mitgliedstaat noch zeitnah möglich ist.
138Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteile vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 59, und vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 28 (allerdings mit dem Zusatz „weil Polen den Fristablauf nicht einwendet“).
139Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass nach erfolgter Zuständigkeitsbestimmung nur der nach der Dublin-Verordnung zuständige Mitgliedstaat bereit ist, das Asylverfahren durchzuführen.
140Eine rein theoretische Überstellungsmöglichkeit, die nicht durch konkrete aussagekräftige Fakten untermauert wird, kann auch deshalb nicht genügen, weil andernfalls das dem Dublinsystem immanente Beschleunigungsgebot verletzt würde.
141So auch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 32.
142Hier fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass Spanien den Fristablauf und die daraus folgende Zuständigkeit der Beklagten – generell oder im Einzelfall – nicht einwendet. Dass Spanien am 17. September 2013 dem Aufnahmeersuchen stattgegeben hat, reicht insoweit nicht aus. Entscheidend ist, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, § 77 Abs. 1 AsylVfG, und damit auch nach zwischenzeitlichem Ablauf der Überstellungsfrist und dem Zuständigkeitsübergang auf die Beklagte, die Übernahmebereitschaft besteht. Dafür ist, ausgehend von den obigen Maßstäben, nichts ersichtlich. Das Bundesamt hat auf mehrfache gerichtliche Anfrage mit Schriftsatz vom 13. August 2015 lediglich ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten Rechtsmittelmeldungen nach Ablauf der Überstellungsfrist ablehnten. Der Zusatz, im besonderen Einzelfall könne durchaus auch ein Einlenken des Mitgliedstaats erzielt werden, reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren. Zuletzt hat das Bundesamt mit Schriftsatz vom 27. August 2015 mitgeteilt, dass derzeit konkrete Anhaltspunkte weder dafür, dass Spanien trotz zwischenzeit-lichen Ablaufs der Überstellungsfrist seine Zuständigkeit bejaht hätte, noch dafür vorlägen, dass Spanien eine Überstellung des Klägers bereits endgültig abgelehnt hätte. Das reicht für die Annahme nicht aus, Spanien werde im vorliegenden Fall eine Überstellung akzeptieren.
143d. Eine andere Betrachtung lässt sich nicht mit der Begründung rechtfertigen, der Asylbewerber könne freiwillig ausreisen und dadurch das Verfahren selbst beschleunigen.
144Zwar geht das Unionsrecht von der Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise aus (vgl. Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (EG) Nr. 1560/2003; Art. 19 Abs. 2 Satz 2, Art. 20 Abs. 1 lit e) Dublin II-VO). Es ist aber schon fraglich, ob dies eine bindende Vorgabe ist, ob das nationale Recht eine Ausreise auf eigene Initiative ausdrücklich vorsehen muss oder ob die Mitgliedstaaten im Einzelfall eine Ermessensentscheidung dahingehend zu treffen haben, in welcher Weise die Aufenthaltsbeendigung erfolgen soll.
145Vgl. dazu ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 27. August 2014 - A 11 S 1285/14 -, juris, Rn. 24 ff.
146Auf diese Fragen kommt es aber ebenso wenig an wie darauf, ob der Kläger auch noch gegenwärtig, d. h. nach dem Zuständigkeitsübergang, nach Spanien ausreisen könnte. Es ist jedenfalls keine rechtliche Grundlage dafür ersichtlich, dass er im nicht mehr zuständigen Staat Spanien eine Prüfung seines Asylantrags verlangen kann. Fehlen jegliche Anhaltspunkte für die Übernahmebereitschaft des anderen Staates auch nach dem Zuständigkeitsübergang auf Deutschland, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dieser Mitgliedstaat im Falle einer freiwilligen Ausreise ein Asylverfahren durchführen wird.
147Auch das Argument des Verwaltungsgerichts, § 242 BGB schließe eine Berufung auf den Zuständigkeitsübergang aus, weil der Asylbewerber vor Ablauf der Überstellungsfrist freiwillig hätte ausreisen können, überzeugt nicht. Dass der Kläger von dem Recht auf freiwillige Ausreise, das im Übrigen im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt ist, keinen Gebrauch gemacht hat, lässt es nicht als treuwidrig erscheinen, von der nach Unionsrecht zuständigen Behörde die Prüfung des Schutzgesuchs zu verlangen.
148So auch VG Düsseldorf, Urteil vom 5. Februar 2015 - 22 K 2262/14.A -, juris, Rn. 82 ff.
149Andernfalls wäre nämlich die materielle Prüfung des Schutzgesuchs nicht gewährleistet und träte damit letztlich ein Rechtsverlust ein. Die Dublin II-VO begründet auch keine Verpflichtung des Asylantragstellers, sich in den nach der Dublin II-VO (ursprünglich) zuständigen Staat zu begeben. Dass gemäß § 50 AufenthG nach allgemeinem nationalem Aufenthaltsrecht eine Ausreisepflicht besteht, ist insoweit unerheblich. Der Zuständigkeitsübergang beruht allein auf dem Ablauf der 6-monatigen Überstellungsfrist, nicht hingegen auf einem Verhalten des Klägers (Nichtausreise), mit dem er sich durch die Berufung auf die Zuständigkeit in Widerspruch setzen könnte. Er ist weder untergetaucht noch hat er anderweitig Überstellungsmaßnahmen verhindert.
1503. Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids kann nicht als negative Entscheidung gemäß § 71a AsylVfG über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens aufrechterhalten oder umgedeutet werden – was im Übrigen die fehlende Statthaftigkeit der Anfechtungsklage und die Zulässigkeit (nur) einer Verpflichtungsklage zur Folge hätte.
151Es ist schon nicht ersichtlich, dass ein Zweitantrag vorliegt. Aus den dem Gericht vorliegenden Akten ergibt sich nur, dass der Kläger in Spanien zweimal erkennungsdienstlich behandelt worden ist, nicht aber, dass er einen Asylantrag gestellt hat.
152Abgesehen davon kommt ein Verständnis eines Dublin-Bescheids der vorliegenden Art als Ablehnung eines Antrags auf Wiederaufgreifen ebensowenig in Betracht wie eine entsprechende Umdeutung nach § 47 Abs. 1 VwVfG.
153Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, juris, Rn. 29, und vom 19. Juni 2015 - 13 A 292/15.A -, juris; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 - A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 34 f.
154Mit der Entscheidung nach § 27a AsylVfG in dem vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 4. Oktober 2013 wird, wie ausgeführt, lediglich ohne materiell-recht-liche Prüfung die Unzulässigkeit des Asylantrags festgestellt; im Rahmen der Entscheidung nach § 71a AsylVfG findet hingegen, ausgehend von einer Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland, eine Prüfung statt, ob das Asylverfahren auf den Zweitantrag wiederaufzugreifen ist und ob, falls Gründe für ein Wiederaufgreifen gegeben sind, ein Anspruch auf Asylanerkennung besteht.
155Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 18. Mai 2015 ‑ 11 A 2639/14.A -, Rn. 29, juris.
156Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG, § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen, ist im Rahmen eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens mit eigenen Verfahrensgarantien zu klären und zu entscheiden.
157Vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 29. April 2015 ‑ A 11 S 121/15 -, juris, Rn. 41.
158II. Die auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG gestützte Abschiebungsanordnung in Ziff. 2 des angefochtenen Bescheids ist ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt, soll der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Spanien ist nach den obigen Ausführungen für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Im Übrigen stünde auch nicht fest, dass die Abschiebung durchgeführt werden könnte, weil die Aufnahmebereitschaft Spaniens nach Ablauf der Überstellungsfrist nicht – wie hiernach erforderlich – positiv feststeht.
159C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
160Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
161Die Revision ist zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegen. Die Dublin II-VO ist zwar auslaufendes Recht. Die zentralen Rechtsfragen stellen sich aber nach der in weiten Teilen übereinstim-menden Dublin III-VO in gleicher Weise.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.