Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Juli 2014 - 6 S 14.50085
Gericht
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller, ein iranisches Ehepaar, reisten nach eigenen Angaben am 29. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20. Januar 2014 Asylanträge.
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) vor. Am 14. Oktober 2013 war ein französisches Schengenvisum von der französischen Vertretung in Teheran (Iran) mit Gültigkeit bis 13. Dezember 2013 erteilt worden. Auf ein Übernahmeersuchen erklärten die französischen Behörden mit Schreiben vom 13. Juni 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2014 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich an (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Frankreich aufgrund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Der Bescheid wurde den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am 17. Juli 2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am 29. Juli 2014, ließen die Antragsteller im Verfahren W 6 K 14.50084 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren den Antrag
auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
stellen. Zur Begründung ließen die Antragsteller im Wesentlichen vorbringen, sie seien nicht mit einem Visum, sondern auf dem Landweg eingereist. Die Einreise mit dem Visum sei zuvor erfolgt und sei durch die Rückkehr in den Iran bereits wieder beendet gewesen. Die neuerliche Einreise sei ohne Visum und die Möglichkeit der andersortigen Asylantragstellung erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2014 ließen die Antragsteller unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste noch auf eine bei beiden gegebene absolute Reiseunfähigkeit verweisen.
Die Beklagte legte ihre Akten vor, äußerte sich aber nicht weiter im Verfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gerichtsakte einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 6 K 14.50084 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.
Der am Dienstag, den 29. Juli 2014 eingegangene Antrag ist wegen Versäumung der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG unzulässig. Denn der streitgegenständliche Bescheid vom 15. Juli 2014 wurde den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am Donnerstag, dem 17. Juli 2014 zugestellt. Die Frist lief am Donnerstag, den 24. Februar 2014, 24.00 Uhr ab (vgl. § 3 Abs. 1 VwZG i. V. m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 22 Abs. 1 ZPO und §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Im Übrigen spricht viel dafür, dass der Antrag in der Sache auch unbegründet wäre, was jedoch nicht abschließend entschieden werden muss, sondern letztlich offen bleiben kann.
Denn nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO (vormals Art. 9 Abs. 4 Dublin-II-VO) ist Frankreich zuständig, das sich zur Aufnahme der Antragsteller bereit erklärt hat. Nach dieser Vorschrift sind in dem Fall, dass ein Antragsteller ein Visum besitzt, das seit weniger als 6 Monaten abgelaufen ist und aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einreisen konnte, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der Mitgliedsstaat zuständig, der das Visum ausgestellt hat (hier Frankreich), solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet den Mitgliedsstaat nicht verlassen hat. Laut Aktenlage ist den Antragstellern am 4. Oktober 2013 von der französischen Vertretung im Iran ein Visum mit Gültigkeit bis zum 13. Dezember 2013 ausgestellt worden. Soweit die Antragsteller im Rahmen ihrer Anhörung bzw. im Rahmen der Antragsbegründung erklärt haben, in Frankreich keinen Asylantrag gestellt und Frankreich wieder verlassen zu haben sowie zurück in den Iran gegangen zu sein, von wo aus sie dann über den Landweg erneut eingereist seien, sind diese Angaben unglaubhaft. Dafür spricht schon die Aussage beider Antragsteller im Rahmen ihrer Anhörung am 29. Januar 2014, kein Visum besessen zu haben. Diese Antwort war eindeutig falsch. Weiter begründet der zeitliche Ablauf Zweifel an der Version der Antragsteller, dass sie zunächst Frankreich verlassen und wieder in den Iran zurück und von dort auf dem Landweg erneut eingereist wären. Denn sie gaben an, sie seien am 12. bzw. 13. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, also gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Visum für Frankreich abgelaufen war. Plausible Angaben zu ihrem Aufenthalt in Frankreich und zu einer möglichen Asylantragstellung dort bzw. zu den Umständen der Rückkehr in den Iran und einer erneuten Ausreise auf dem Landweg ließen die Antragsteller gänzlich vermissen (in der Sache genauso VG Aachen, B.v. 30.6.2014 - 4 L 398/14.A - juris).
Bei einer Asylantragstellung in Frankreich wäre zudem auf die Dreimonatsfrist für das Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO abzustellen. Des Weiteren spricht nach der ausdrücklichen Zustimmung von Frankreich zur Aufnahme der Antragsteller einiges dafür, dass die Antragsteller eine objektive Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Staat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, nicht verlangen können, da den Vorschriften der Dublin-III-VO die erforderliche drittschützende Wirkung fehlt, soweit nicht einzelne davon ausnahmsweise grundrechtlich aufgeladen sind (vgl. VG Aachen, B.v. 30.6.2014 - 4 L 398/14.A - juris mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung). Die Antragsteller können einer Überstellung im Dublin-Verfahren nur mit dem Einwand systemischer Mängel im Asylverfahrens und Aufnahmebedingungen entgegentreten (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16/14 - juris; B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris mit Anmerkung Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3). Für das Vorliegen systemischer Mängel in Frankreich ist von der Antragstellerseite indes weder etwas vorgetragen noch sind sonst dafür Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. auch VG München, GB v. 12.5.2014 - M 21 K 14.30320 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 7.4.2014 - 2 L 55/14.A - juris sowie VG Würzburg, B.v. 5.9.2013 - W 7 S 13.30240, W 7 S 13.30208 und W 7 S 13.30299).
Im Übrigen sind auch in der Person der Antragsteller keine Gründe ersichtlich, die den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig machen. Soweit die Antragsteller unter Vorlage ärztlicher Atteste auf eine gegebene absolute Reiseunfähigkeit verweisen, geht das Gericht davon aus, dass die Antragsgegnerin ohnehin von sich aus veranlasst, dass vor Durchführung einer Überstellung nicht nur mögliche Vollstreckungshindernisse (wie insbesondere die Reisefähigkeit) überprüft und eventuell erforderliche Vorkehrungen getroffen werden, sondern dass auch alle relevanten Informationen - gegebenenfalls auch über besondere Bedürfnisse, einschließlich einer eventuell notwendigen medizinischen Versorgung - an den Aufnahmestaat übermittelt werden (siehe Art. 31 und Art. 32 Dublin-III-VO). Denn es ist Sache der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörden, eventuellen Gesundheitsgefahren bei der Abschiebung angemessen zu begegnen, etwa durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 - W 6 K 13.30525 - juris sowie BayVGH, B.v. 30.9.2003 - 10 CE 03.2581 - BayVBl. 2004, 87; B.v. 9.4.2003 - 10 CE 03.484 - NVwZ-Beilage Nr. I 2,14). Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Dazu ist den Antragstellern für die Zukunft zu empfehlen, die sie betreffenden ärztlichen Atteste der Antragsgegnerin und gegebenenfalls der zuständigen Ausländerbehörde rechtzeitig zur Kenntnis zu geben; dies ist laut Aktenlage bislang wohl noch nicht erfolgt.
Nach alledem war der Antrag - schon allein wegen der Fristversäumung - mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzulehnen.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.
(2) Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Absatz 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden.
Das Gericht, bei dem Gemeinden, Korporationen, Gesellschaften, Genossenschaften oder andere Vereine den allgemeinen Gerichtsstand haben, ist für die Klagen zuständig, die von ihnen oder von dem Insolvenzverwalter gegen die Mitglieder als solche oder von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft gegeneinander erhoben werden.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.