Verwaltungsgericht Würzburg Beschluss, 30. Juli 2014 - 6 S 14.50085
Tenor
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
I.
Die Antragsteller, ein iranisches Ehepaar, reisten nach eigenen Angaben am 29. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 20. Januar 2014 Asylanträge.
Nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin lagen Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 (Dublin-III-VO) vor. Am 14. Oktober 2013 war ein französisches Schengenvisum von der französischen Vertretung in Teheran (Iran) mit Gültigkeit bis 13. Dezember 2013 erteilt worden. Auf ein Übernahmeersuchen erklärten die französischen Behörden mit Schreiben vom 13. Juni 2014 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung der Asylanträge gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO.
Mit Bescheid vom 15. Juli 2014 lehnte die Antragsgegnerin die Anträge als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung der Antragsteller nach Frankreich an (Nr. 2). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Asylanträge seien gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, da Frankreich aufgrund der erteilten Visa gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO für die Behandlung der Asylanträge zuständig sei. Der Bescheid wurde den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am 17. Juli 2014 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28. Juli 2014, bei Gericht eingegangen am 29. Juli 2014, ließen die Antragsteller im Verfahren W 6 K 14.50084 Klage erheben und im vorliegenden Verfahren den Antrag
auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
stellen. Zur Begründung ließen die Antragsteller im Wesentlichen vorbringen, sie seien nicht mit einem Visum, sondern auf dem Landweg eingereist. Die Einreise mit dem Visum sei zuvor erfolgt und sei durch die Rückkehr in den Iran bereits wieder beendet gewesen. Die neuerliche Einreise sei ohne Visum und die Möglichkeit der andersortigen Asylantragstellung erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2014 ließen die Antragsteller unter Vorlage verschiedener ärztlicher Atteste noch auf eine bei beiden gegebene absolute Reiseunfähigkeit verweisen.
Die Beklagte legte ihre Akten vor, äußerte sich aber nicht weiter im Verfahren.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Gerichtsakte einschließlich der Akte des Klageverfahrens W 6 K 14.50084 und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unzulässig.
Der am Dienstag, den 29. Juli 2014 eingegangene Antrag ist wegen Versäumung der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG unzulässig. Denn der streitgegenständliche Bescheid vom 15. Juli 2014 wurde den Antragstellern laut Postzustellungsurkunde am Donnerstag, dem 17. Juli 2014 zugestellt. Die Frist lief am Donnerstag, den 24. Februar 2014, 24.00 Uhr ab (vgl. § 3 Abs. 1 VwZG i. V. m. § 57 Abs. 2 VwGO, § 22 Abs. 1 ZPO und §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB). Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Im Übrigen spricht viel dafür, dass der Antrag in der Sache auch unbegründet wäre, was jedoch nicht abschließend entschieden werden muss, sondern letztlich offen bleiben kann.
Denn nach Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO (vormals Art. 9 Abs. 4 Dublin-II-VO) ist Frankreich zuständig, das sich zur Aufnahme der Antragsteller bereit erklärt hat. Nach dieser Vorschrift sind in dem Fall, dass ein Antragsteller ein Visum besitzt, das seit weniger als 6 Monaten abgelaufen ist und aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates einreisen konnte, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der Mitgliedsstaat zuständig, der das Visum ausgestellt hat (hier Frankreich), solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet den Mitgliedsstaat nicht verlassen hat. Laut Aktenlage ist den Antragstellern am 4. Oktober 2013 von der französischen Vertretung im Iran ein Visum mit Gültigkeit bis zum 13. Dezember 2013 ausgestellt worden. Soweit die Antragsteller im Rahmen ihrer Anhörung bzw. im Rahmen der Antragsbegründung erklärt haben, in Frankreich keinen Asylantrag gestellt und Frankreich wieder verlassen zu haben sowie zurück in den Iran gegangen zu sein, von wo aus sie dann über den Landweg erneut eingereist seien, sind diese Angaben unglaubhaft. Dafür spricht schon die Aussage beider Antragsteller im Rahmen ihrer Anhörung am 29. Januar 2014, kein Visum besessen zu haben. Diese Antwort war eindeutig falsch. Weiter begründet der zeitliche Ablauf Zweifel an der Version der Antragsteller, dass sie zunächst Frankreich verlassen und wieder in den Iran zurück und von dort auf dem Landweg erneut eingereist wären. Denn sie gaben an, sie seien am 12. bzw. 13. Dezember 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, also gerade zu dem Zeitpunkt, zu dem ihr Visum für Frankreich abgelaufen war. Plausible Angaben zu ihrem Aufenthalt in Frankreich und zu einer möglichen Asylantragstellung dort bzw. zu den Umständen der Rückkehr in den Iran und einer erneuten Ausreise auf dem Landweg ließen die Antragsteller gänzlich vermissen (in der Sache genauso VG Aachen, B.v. 30.6.2014 - 4 L 398/14.A - juris).
Bei einer Asylantragstellung in Frankreich wäre zudem auf die Dreimonatsfrist für das Verlassen des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten gemäß Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-VO abzustellen. Des Weiteren spricht nach der ausdrücklichen Zustimmung von Frankreich zur Aufnahme der Antragsteller einiges dafür, dass die Antragsteller eine objektive Überprüfung, ob der die Aufnahme erklärende Staat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, nicht verlangen können, da den Vorschriften der Dublin-III-VO die erforderliche drittschützende Wirkung fehlt, soweit nicht einzelne davon ausnahmsweise grundrechtlich aufgeladen sind (vgl. VG Aachen, B.v. 30.6.2014 - 4 L 398/14.A - juris mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung). Die Antragsteller können einer Überstellung im Dublin-Verfahren nur mit dem Einwand systemischer Mängel im Asylverfahrens und Aufnahmebedingungen entgegentreten (BVerwG, B.v. 6.6.2014 - 10 B 35/14 - juris; B.v. 15.4.2014 - 10 B 16/14 - juris; B.v. 19.3.2014 - 10 B 6/14 - juris mit Anmerkung Berlit, jurisPR-BVerwG 12/2014, Anm. 3). Für das Vorliegen systemischer Mängel in Frankreich ist von der Antragstellerseite indes weder etwas vorgetragen noch sind sonst dafür Anhaltspunkte ersichtlich (vgl. auch VG München, GB v. 12.5.2014 - M 21 K 14.30320 - juris; VG Düsseldorf, B.v. 7.4.2014 - 2 L 55/14.A - juris sowie VG Würzburg, B.v. 5.9.2013 - W 7 S 13.30240, W 7 S 13.30208 und W 7 S 13.30299).
Im Übrigen sind auch in der Person der Antragsteller keine Gründe ersichtlich, die den streitgegenständlichen Bescheid rechtswidrig machen. Soweit die Antragsteller unter Vorlage ärztlicher Atteste auf eine gegebene absolute Reiseunfähigkeit verweisen, geht das Gericht davon aus, dass die Antragsgegnerin ohnehin von sich aus veranlasst, dass vor Durchführung einer Überstellung nicht nur mögliche Vollstreckungshindernisse (wie insbesondere die Reisefähigkeit) überprüft und eventuell erforderliche Vorkehrungen getroffen werden, sondern dass auch alle relevanten Informationen - gegebenenfalls auch über besondere Bedürfnisse, einschließlich einer eventuell notwendigen medizinischen Versorgung - an den Aufnahmestaat übermittelt werden (siehe Art. 31 und Art. 32 Dublin-III-VO). Denn es ist Sache der mit dem Vollzug der Abschiebung betrauten Behörden, eventuellen Gesundheitsgefahren bei der Abschiebung angemessen zu begegnen, etwa durch eine entsprechende Gestaltung der Abschiebung (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.4.2014 - W 6 K 13.30525 - juris sowie BayVGH, B.v. 30.9.2003 - 10 CE 03.2581 - BayVBl. 2004, 87; B.v. 9.4.2003 - 10 CE 03.484 - NVwZ-Beilage Nr. I 2,14). Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass die Antragsgegnerin ihren diesbezüglichen Verpflichtungen nicht nachkommen würde. Dazu ist den Antragstellern für die Zukunft zu empfehlen, die sie betreffenden ärztlichen Atteste der Antragsgegnerin und gegebenenfalls der zuständigen Ausländerbehörde rechtzeitig zur Kenntnis zu geben; dies ist laut Aktenlage bislang wohl noch nicht erfolgt.
Nach alledem war der Antrag - schon allein wegen der Fristversäumung - mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG abzulehnen.
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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Soll durch die Post mit Zustellungsurkunde zugestellt werden, übergibt die Behörde der Post den Zustellungsauftrag, das zuzustellende Dokument in einem verschlossenen Umschlag und einen vorbereiteten Vordruck einer Zustellungsurkunde.
(2) Für die Ausführung der Zustellung gelten die §§ 177 bis 182 der Zivilprozessordnung entsprechend. Im Fall des § 181 Abs. 1 der Zivilprozessordnung kann das zuzustellende Dokument bei einer von der Post dafür bestimmten Stelle am Ort der Zustellung oder am Ort des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung liegt, niedergelegt werden oder bei der Behörde, die den Zustellungsauftrag erteilt hat, wenn sie ihren Sitz an einem der vorbezeichneten Orte hat. Für die Zustellungsurkunde, den Zustellungsauftrag, den verschlossenen Umschlag nach Absatz 1 und die schriftliche Mitteilung nach § 181 Abs. 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung sind die Vordrucke nach der Zustellungsvordruckverordnung zu verwenden.
Das Gericht, bei dem Gemeinden, Korporationen, Gesellschaften, Genossenschaften oder andere Vereine den allgemeinen Gerichtsstand haben, ist für die Klagen zuständig, die von ihnen oder von dem Insolvenzverwalter gegen die Mitglieder als solche oder von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft gegeneinander erhoben werden.
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
G r ü n d e
2Der Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage gleichen Rubrums 4 K 1071/14.A gegen die unter Ziffer 2. des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 26. Mai 2014 verfügte Abschiebungsanordnung anzuordnen,
4hat keinen Erfolg.
5Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
6Ein Aussetzungsantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist statthaft, da gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Art. 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) geänderten Fassung Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG).
7Der Antragsteller hat den Antrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gestellt (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG). Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags nach § 27a AsylVfG gestützte Bescheid vom 26. Mai 2014 wurde dem Antragsteller ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Zustellungsurkunde am 31. Mai 2014 gemäß § 31 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG persönlich zugestellt. Der Antrag vom 6. Juni 2014 ist damit fristgerecht gestellt.
8Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
9Im Rahmen eines Aussetzungsantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse einerseits und dem privaten Interesse des Antragstellers andererseits, von einer Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben.
10Dabei darf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts erfolgen, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründet in § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vorgeschrieben ist. Eine derartige Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsmaßstabes hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem gesetzgeberischen Willen, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG fand im Bundesrat keine Mehrheit.
11Vgl. hierzu: VG Trier, Beschluss vom 18. September 2013 - 5 L 1234/13.TR -, juris, Rn. 5 ff. m.w.N.; VG Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 - 2 B 844/13 -, juris, Rn. 3 f.; VG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Februar 2014 - 13 148/14.A -, juris, Rn. 7.
12Die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem privaten Aussetzungsinteresse hat sich vielmehr maßgeblich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, soweit diese sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung abschätzen lassen.
13Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
14Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift hat das Bundesamt u.a. dann eine Abschiebungsanordnung zu erlassen, wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll (1.), sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (2.).
15Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
161. Das Bundesamt hat in dem angefochtenen Bescheid (Ziffer 1) den Asylantrag des Antragstellers mit der Begründung als unzulässig gemäß § 27a AsylVfG abgelehnt, dass nach den Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft Spanien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.
17Diese Entscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil Spanien der für die Prüfung des vom Antragsteller gestellten Asylantrags zuständige Staat ist.
18Maßgeblich für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Prüfung des Asylantrags ist die Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutzes zuständig ist (Dublin-III-VO), die am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist (vgl. Art. 49 Abs. 1 Dublin-III-VO). Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO findet diese Verordnung auf Anträge auf internationalen Schutz Anwendung, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten, also ab dem 1. Januar 2014, gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt ‑ ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Vorliegend sind sowohl der Asylantrag und damit auch der Antrag auf internationalen Schutz i.S.v. Art. 2 Buchst. b) Dublin-III-VO (4. Februar 2014) als auch das Aufnahmegesuch an Spanien (24. März 2014) nach dem vorgenannten Stichtag gestellt worden.
19Davon ausgehend ist Spanien für die Prüfung des Asylantrags zuständig, weil es das Aufnahmegesuch des Bundesamtes am 19. Mai 2014 unter Bezugnahme auf seine Zuständigkeit nach Art. 12 Abs. 4 (Unterabsatz 1) Dublin-III-VO angenommen hat. Nach dieser Vorschrift ist in dem Fall, dass der Antragsteller ein Visum besitzt, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist und aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen konnte, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der Mitgliedstaat zuständig, der das Visum ausgestellt hat, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Dass dem Antragsteller am 28. Oktober 2013 ein spanisches Schengen-Visum für die Zeit vom 9. bis zum 18. November 2013 unter den Personalien C. L. C1. B. I. , geb. am 1. Januar 1986 in O. , ausgestellt worden ist, steht aufgrund der vom Bundesamt durchgeführten VIS-Abfrage vom 4. Februar 2013 mit Fingerabdruck-Suche fest. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zwischendurch verlassen haben könnte, bestehen nicht. Soweit er im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt erklärt hat, dass er den Irak am 9. Januar 2014 verlassen habe und am 21. Januar 2014 nach Deutschland eingereist sei, rechtfertigt dies eine solche Annahme nicht. Die diesbezüglichen Angaben des Antragstellers sind unglaubhaft, da er auch die Frage, ob ihm vor der Einreise ins Bundesgebiet von einem anderen Staat ein Visum ausgestellt worden sei, angesichts des Ergebnisses der VIS-Abfrage nachweislich falsch beantwortet hat. Im Übrigen spricht auch der kurze Zeitraum zwischen der Gültigkeitsdauer des Visums (9. bis 18. November 2013) und der Asylantragstellung in Deutschland (4. Februar 2014) dagegen, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedstaaten nach der Einreise dorthin nochmal verlassen hat.
20Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a), Art. 22 Abs. 7 und Art. 29 Abs. 1 Dublin-III-VO ist Spanien damit verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahmegesuchs oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese - was hier wegen der Ablehnung des Antrags nicht der Fall ist - gemäß Art. 27 Abs. 3 aufschiebende Wirkung hat, aufzunehmen. Diese Frist ist vorliegend noch nicht abgelaufen, so dass die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags auch nicht auf die Antragsgegnerin übergegangen ist (vgl. Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO).
21In einer Situation, in der - wie hier - ein Mitgliedstaat der (Wieder-)Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe eines in der Dublin-III-VO niedergelegten Kriteriums ‑ hier Art. 12 Abs. 4 Dublin-III-VO - zugestimmt hat, kann der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums - unionsrechtlich - grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta ausgesetzt zu werden. Eine - objektive - Überprüfung, ob der die (Wieder-)Aufnahme erklärende Mitgliedstaat tatsächlich nach Maßgabe der Kriterien der Dublin-III-VO für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, kann der Asylbewerber hingegen nicht verlangen, da es den Zuständigkeitsbestimmungen der Dublin III-VO, soweit sie nicht ausnahmsweise grundrechtlich "aufgeladen" sind (wie etwa Art. 8 bis 11 oder 16 Dublin-III-VO), an der hierfür erforderlichen drittschützenden Wirkung fehlt. Dies folgt einerseits aus der Erwägung, dass die Dublin-VO ebenso wie das gesamte Gemeinsame Europäische Asylsystem auf der Annahme beruht, dass alle beteiligten Staaten - Mitgliedstaaten wie Drittstaaten - die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und in der EMRK finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (Prinzip des gegenseitigen Vertrauens). Andererseits sprechen hierfür auch die Ziele der Dublin-VO, nämlich - erstens - durch organisatorische Vorschriften die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu regeln, so wie dies schon im Dubliner Übereinkommen der Fall war, - zweitens - im Interesse sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Asylbewerber eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten sowie - drittens - ein "forum shopping" zu verhindern.
22Vgl. zur Dublin II-VO: EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12 - "Abdullahi", Rn. 52 ff., in Fortführung der Urteile vom 21. Januar 2011 - RS. C-411/10 und 493/10 - "N.S.", Rn. 78 ff. und vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11 - "Puid", Rn. 26 ff.; im Anschluss daran: VG Stuttgart, Urteil vom 28. Februar 2014 - A 12 K 383/14 -, juris, Rn. 17 ff.; zum fehlenden Drittschutz von Fristregelungen auch: OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2014 - 10 A 10656/13 -, juris, Rn. 17.
23Diese zur Dublin-II-VO ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) beansprucht in gleicher Weise Gültigkeit für die hier anzuwendende Dublin-III-VO. Denn Letzterer liegen als Nachfolgeregelwerk dieselben Prinzipien und Zielsetzungen wie der Dublin-II-VO zugrunde. Sie behält das bestehende Zuständigkeitssystem im Wesentlichen bei und enthält lediglich einige Verbesserungen im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit des Dublin-Systems und den auf der Grundlage dieses Systems gewährten Schutz der Antragsteller (vgl. u.a. 9. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des EuGH zur Verfahrensweise bei Vorliegen sog. "systemischer Schwachstellen" in einem Mitgliedstaat der EU nunmehr in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 Dublin-III-VO eine ausdrückliche Regelung gefunden.
24Gemessen daran ist die Antragsgegnerin nicht an der Überstellung des Antragstellers nach Spanien gehindert und. Der Antragsteller selbst hat im vorliegenden Verfahren keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Spanien geltend gemacht, die die Annahme der konkreten Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der GR-Charta dort nahelegen könnten. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen bestehen auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen solcher Mängel im spanischen Asylsystem.
25Vgl. VG Aachen, Beschlüsse vom 16. Juni 2014 - 4 L 216/14.A -, vom 1. April 2014 - 4 L 110/14.A - und - 4 L 673/13.A -; ebenso: VG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2014 - 13 L 247/14.A -, juris, Rn. 22 f.; VG Augsburg, Beschluss vom 27. Mai 2014 - Au 7 S 14.50094‑ , juris, Rn. 50 f.
26Unabhängig davon wäre eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland auch nicht mit Blick auf die familiären Bindungen des Antragstellers an seine im Bundesgebiet aufhältige Mutter begründet.
27Eine Zuständigkeit Deutschlands ergäbe sich zunächst nicht aus Art. 9 Dublin-III-VO.
28Nach dieser Vorschrift ist in dem Fall, dass der Antragsteller einen Familienangehörigen hat - ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutzes zuständig, sofern die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun. Selbst wenn die Mutter des Antragstellers, wie von ihm im Rahmen der Anhörung behauptet, als anerkannter Flüchtling im Besitz eines Aufenthaltsrechts wäre, handelte es sich bei ihr nicht um einen Familienangehörigen im Sinne der Vorschrift. Nach Art. 2 Buchst. g) dritter und vierter Spiegelstrich der Dublin-III-VO zählen Eltern nämlich nur dann zum Personenkreis der Familienangehörigen im Sinne der Verordnung, wenn es sich um einen minderjährigen unverheirateten Antragsteller oder Begünstigten internationalen Schutzes handelt. Dies trifft auf den am 1. Januar 1986 geborenen Antragsteller nicht zu.
29Eine Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland folgte ferner auch nicht aus Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO. Danach entscheiden die Mitgliedstaaten u.a. in dem Fall, dass ein Elternteil des Antragstellers, das sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, wegen schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen ist, in der Regel, den Antragsteller und dieses Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, der Antragsteller in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen, und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
30Der Antragsteller kann sich auf die Anwendung dieser Vorschrift - der wegen ihrer humanitären Zielrichtung eine auch den Asylantragsteller subjektiv schützende Wirkung zukommen dürfte,
31vgl. in diesem Sinne wohl: EuGH, Urteil vom 6. Dezember 2012 - C-245/11 -, "K.", Rn. 44 ff. zu der Art. 16 Abs. 1 Dublin-III-VO im Kern entsprechenden Bestimmung des Art. 15 Abs. 2 Dublin-II-VO -
32nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 3 Dublin-III-VO nicht (mehr) berufen. Nach dieser Bestimmung berücksichtigen die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (vgl. Anmerkung in der deutschen Sprachfassung: "richtig wohl: 16"; in der englischen Sprachfassung: "criteria reffered to in Articles 8, 10 and 16", in der französischen Sprachfassung: "les critères visés aux articles 8, 10 et 16") genannten Kriterien alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist. Vorliegend hat der Antragsteller erstmals im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eine Krankheit und Pflegebedürftigkeit seiner Mutter und damit ein Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. Art. 16 Dublin-III-VO geltend gemacht, d.h. zu einem Zeitpunkt, zu dem Spanien dem Aufnahmegesuch bereits stattgegeben hatte (19. Mai 2014). Im Rahmen der Anhörung beim Bundesamt und damit vor Annahme des Aufnahmegesuchs hat der Antragsteller zu diesen Umständen nichts vorgetragen. Im Gegenteil hat er die Frage, ob seine Mutter auf die Unterstützung von ihm angewiesen sei, ausdrücklich verneint (vgl. S. 26 des vom Antragsteller unterschriebenen Anhörungsprotokolls). Damit ist der Antragsteller bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates von der Geltendmachung besonderer familiärer Bindungen i.S.d. Art. 16 Dublin-III-VO ausgeschlossen.
33Abgesehen davon vermag der vom Antragsteller nunmehr vorgelegte Bericht des Universitätsklinikums K. vom 27. August 2012 über die erstmalige Vorstellung seiner Mutter in der Klinikambulanz am selben Tag die Annahme eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses im vorgenannten Sinne nicht zu begründen. In dem Bericht wird die Diagnose „Spondylolisthesis im Segment LWK 4/5 mit claudicatio-spinalis-Symptomatik gestellt und eine Wiedervorstellung mit MRT- und CT- Diagnostik im September 2012 empfohlen. Dafür, dass die diagnostizierte Erkrankung der Mutter des Antragstellers von solcher Art und solchem Gewicht wäre, dass diese aufgrund krankheitsbedingter Beeinträchtigungen zwingend auf dessen Lebenshilfe, namentlich dessen Pflege angewiesen wäre, lässt sich dem Bericht jedoch nicht ansatzweise etwas entnehmen.
342. Die Abschiebung kann ferner auch durchgeführt werden. Ihr stehen keine inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entgegen, die das Bundesamt im Rahmen des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG mit zu prüfen hat, und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach Erlass der Abschiebungsanordnung entstanden sind.
35Vgl. in ständiger Rechtsprechung: OVG NRW, etwa Beschluss vom 30. August 2011 - 18 B 1060 -, juris, Rn. 4.
36Insbesondere kann sich der Antragsteller nicht auf das Vorliegen eines zwingenden ‑ rechtlichen - Abschiebungshindernisses gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i.V.m. Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK berufen, weil es ihm nicht zuzumuten wäre, seine familiäre Beziehung zu seiner Mutter durch eine Ausreise zu unterbrechen.
37Art. 6 GG gewährt keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die jeweils zuständige Behörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die bestehenden familiären Bindungen des den Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Der verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen. Der Betroffene braucht es nicht hinzunehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung dieser Gesichtspunkte daran gehindert zu werden, bei seinem im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen Aufenthalt zu nehmen. Eingriffe in seine diesbezügliche Freiheit sind nur dann und insoweit zulässig, als sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich sind. Bei der erforderlichen Abwägung aller für und gegen den weiteren Aufenthalt sprechenden Gesichtspunkte kommt es unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes maßgeblich darauf an, ob die Folgen der Beendigung des Aufenthalts im Hinblick auf die schutzwürdigen familiären Belange nicht mehr hinnehmbar sind.
38Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 17. Mai 2011 - 2 BvR 2625/10 -, juris, Rn. 13 ff., vom 27. August 2010 - 2 BvR 130/10 -, NVwZ 2011, 35 = juris, Rn. 40 ff., und vom 4. Dezember 2007 2 BvR 2341/06 -, Inf-AuslR 2008, 239 = juris, Rn. 6 ff.
39Art. 8 EMRK vermittelt ebenfalls keinen unmittelbaren Anspruch auf ein Aufenthaltsrecht. Jeder Staat hat nach dem Völkerrecht und gemäß seinen vertraglichen Verpflichtungen die Befugnis, Einreise und Aufenthalt von Fremden in seinem Territorium zu regeln. Die Konvention garantiert Fremden nicht das Recht, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten. Allerdings muss der Vertragsstaat bei Maßnahmen, die einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens nach Art. 8 EMRK darstellen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten. Der Staat muss ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Immigration betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von im Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab.
40Vgl. EGMR, Urteile vom 31. Juli 2008 - 265/07 - (Omoregie), InfAuslR 2008, 421, und vom 28. Juni 2011 - 55597/09 - (Nunez).
41Ausgehend von diesen - im Wesentlichen gleiche Anforderungen stellenden - Maßstäben erweist sich die Abschiebung des Antragstellers nicht als rechtlich unmöglich. Unabhängig davon, dass der Antragsteller bisher nicht nachgewiesen hat, dass seine Mutter als anerkannter Flüchtling ein (dauerhaftes) Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet besitzt, ist - wie dargelegt - dem vorgelegten Krankenhausbericht nicht entnehmen, dass die Mutter aufgrund ihrer Rückenerkrankung zwingend auf die Lebenshilfe des Antragstellers angewiesen wäre und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden könnte, weil ihr das Verlassens Deutschlands nicht zumutbar wäre.
42Vgl. hierzu: BVerfG, Beschlüsse vom 17. Mai 201 - 2 BvR 2625/10 -, juris, Rn. 15, und vom 18. April 1989 - 2 BvR 1169/84 -, BVerfGE 80, 81 = juris, Rn. 44.
43Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Wert des Streitgegenstandes ergibt sich aus § 30 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
44Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben im Jahr 2009 über den Seeweg nach Italien ein. Er lebte etwa einen Monat in einer Aufnahmeeinrichtung in Sizilien, wurde dort erkennungsdienstlich behandelt und reiste im Herbst 2009 nach Deutschland weiter, ohne in Italien Asyl beantragt zu haben. Im Oktober 2009 stellte er in Deutschland einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - im Hinblick auf die Zuständigkeit Italiens nach der Dublin-II-Verordnung als unzulässig ablehnte. Der Kläger wurde daraufhin im Dezember 2009 auf dem Luftweg über den Flughafen Rom-Fiumicino nach Italien überstellt. Im Januar 2011 wurde er erneut in Deutschland angetroffen und stellte wieder einen Asylantrag. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 27. April 2011 die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.
- 3
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Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"inwieweit bei der Prognoseentscheidung über beachtliche Wahrscheinlichkeit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung bei Rückführung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat individuelle Erfahrungen des Betroffenen im dortigen Mitgliedstaat in erheblichem Maße zu berücksichtigen sind."
- 4
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Damit in Zusammenhang stehe die Frage,
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"ob es der Feststellung systemischer Mängel bedarf, wenn einem Betroffenen schon einmal oder ggf. auch mehrmals erniedrigende und unmenschliche Behandlung widerfahren ist, insbesondere nach einer schon einmal erfolgten Überstellung."
- 5
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Die aufgeworfenen Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lassen sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:
-
"Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
-
Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
-
Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
-
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ('systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
-
Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."
- 6
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Aus der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass ein Asylbewerber der Überstellung in den nach der Dublin-II-Verordnung für ihn zuständigen Mitgliedstaat mit Blick auf unzureichende Aufnahmebedingungen für Asylbewerber nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen entgegentreten kann und es nicht darauf ankommt, ob es unterhalb der Schwelle systemischer Mängel in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK kommen kann und ob ein Antragsteller dem in der Vergangenheit schon einmal ausgesetzt war. Das Berufungsgericht hat mit Recht darauf hingewiesen, dass derartige individuelle Erfahrungen vielmehr in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind, ob systemische Mängel im Zielland der Abschiebung des Antragstellers (hier: Italien) vorliegen (UA S. 26). In diesem begrenzten Umfang sind individuelle Erfahrungen des Betroffenen zu berücksichtigen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass persönliche Erlebnisse Betroffener, die - wie hier - einige Jahre zurückliegen, durch neuere Entwicklungen im betreffenden Staat überholt sein können. Individuelle Erfahrungen einer gegen Art. 4 GR-Charta verstoßenden Behandlung führen hingegen nicht zu einer Beweislastumkehr für die Frage des Vorliegens systemischer Mängel (so auch das Berufungsgericht UA S. 26 f.). Weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es zur Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen nicht.
Tenor
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
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Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
- 1
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Die Beschwerde, mit der die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend macht, hat keinen Erfolg.
- 2
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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„welchen Inhalt der Begriff ,systemischer Mangel' hat."
- 3
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Es kann offenbleiben, ob angesichts der von dem Berufungsgericht im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs gefundenen Ausfüllung dieses Begriffs mit dieser Fragestellung eine klärungsfähige Rechtsfrage in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt wird, zumal der Begriff des „systemischen Mangels" des Asylsystems lediglich als zusammenfassendes Kürzel für eine Situation steht, in der ein Schutzsuchender ausnahmsweise nicht auf einen anderen Mitgliedstaat verwiesen und dorthin überstellt werden kann. Jedenfalls rechtfertigt diese Frage mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und in dessen Folge auch des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Der beschließende Senat hat dazu in seinem Beschluss vom 19. März 2014 - BVerwG 10 B 6.14 - (juris Rn. 5 ff.) ausgeführt:
-
„Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den 'zuständigen Mitgliedstaat' im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi -NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland -NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens (,systemic failure') abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/ Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus."
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Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung der Sache nach erkennbar zugrunde gelegt. Inwieweit auf abstrakt-genereller Ebene des rechtlichen Maßstabes insoweit zusätzlicher oder weitergehender Klärungsbedarf besteht, legt die Beschwerde nicht - auch nicht mit den Bezugnahmen auf einen der Beschwerdeschrift im Vorabdruck beigefügten wissenschaftlichen Aufsatz (Lübbe, „Systemische Mängel" in Dublin-Verfahren, ZAR 3/2014, 105-111) - dar.
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2. Die Beschwerde wirft - aufbauend auf der ersten Frage - weitere Fragen als grundsätzlich bedeutsam auf, nämlich
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„ob Asylverfahren und/oder Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel im Sinne der zu 1. zu klärenden Frage aufweisen und
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ob in Italien Asylbewerber und Dublinrückkehrer Gefahr laufen, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen i.S.v. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh infolge der dortigen Verhältnisse ausgesetzt zu sein."
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und macht zur Begründung durch Verweis auf zahlreiche, teils erst nach der Verkündung der Berufungsentscheidung erstellte bzw. veröffentlichte Quellen geltend, dass das Asylsystem und die Aufnahmepraxis in Italien systemisch mangelhaft seien und gegen elementare Unionsgrundrechte verstießen.
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Mit ihrem umfangreichen Vorbringen zur Aufnahmepraxis für Asylbewerber in Italien zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf. Denn ihr Vorbringen zielt der Sache nach nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatrichter vorbehaltene prognostische Würdigung, ob der Klägerin infolge der angeordneten Abschiebung nach Italien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete Rechtsfrage aufzuzeigen. Damit kann sie die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erreichen (stRspr, vgl. Beschlüsse vom 4. April 2012 - BVerwG 10 B 5.12 - juris und vom 18. April 2012 - BVerwG 10 B 8.12 - juris).
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3. Schließlich folgert die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache daraus, dass in dem Verfahren nach zuzulassender Revision das Verfahren auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV einzuholen sei. Auch damit kann sie nicht durchdringen.
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3.1 Die Beschwerde hält eine Vorlage zum einen für erforderlich, weil
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„der Inhalt des Begriffs des ,systemischen Mangels' sowie die Rechtsfrage, ob die Asylverfahren und/oder Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen und aufgrund dessen die Gefahr schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen besteht, [...] bislang seitens des EuGH nicht abschließend geklärt" sei.
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Diese Frage wiederholt die Grundsatzfrage zu 1., für die im rechtlichen Ansatz insoweit kein weiterer rechtlicher Klärungsbedarf besteht (s.o. 1.). Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist zwar auch dann zu bejahen, wenn dargelegt wird, dass in einem zukünftigen Revisionsverfahren zur Auslegung einer entscheidungsrelevanten gemeinschaftsrechtlichen Regelung voraussichtlich gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen sein wird (siehe etwa Beschluss vom 17. Juli 2008 - BVerwG 9 B 15.08 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 35 = NVwZ 2008, 1115, jeweils Rn. 10). Die Beschwerde legt indes auch keine Zweifelsfrage des Unionsrechts dar, die unter Berücksichtigung der durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bewirkten Klärung weiteren unionsrechtlichen Auslegungsbedarf bewirkte und damit eine Vorlage rechtfertigen oder gebieten könnte. Es trifft zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union die Verhältnisse in Italien bislang nicht abschließend gewürdigt hat; das weist aber nicht auf eine klärungsfähige Frage zur Auslegung des Unionsrechts im Sinne des Art. 267 AEUV. Denn auch der Gerichtshof der Europäischen Union ist nach Art. 267 AEUV nicht befugt oder berufen, fallübergreifende Tatsachenfragen zu klären. Dies ist vielmehr auf der Grundlage des durch den Gerichtshof der Europäischen Union geklärten Unionsrechts Aufgabe der nationalen Gerichte.
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3.2. Zum anderen erachtet die Beschwerde die Frage als grundsätzlich bedeutsam, weil durch den Gerichtshof der Europäischen Union klärungsbedürftig,
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„ob auch Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin-II-Verordnung der Fristbestimmung des Art. 17 Dublin-II-Verordnung unterliegen."
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Dazu führt sie aus, dass Art. 23 Abs. 2 der Dublin-III-Verordnung Fristen für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs enthalte, nach deren Ablauf gemäß Absatz 3 der Vorschrift ein Zuständigkeitswechsel eintrete. Mit Blick auf das Ziel, den zuständigen Mitgliedstaat möglichst frühzeitig zu bestimmen, müsse eine derartige Fristvorgabe auch für die Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin-II-Verordnung gelten.
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Mit diesem Vorbringen verfehlt die Beschwerde bereits die Darlegungsanforderungen für eine Grundsatzfrage gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie setzt sich schon nicht - wie erforderlich - mit den Ausführungen des Berufungsgerichts und der von ihm angeführten Rechtsprechung zu der systematischen Trennung der Regelungen zur Aufnahme und Wiederaufnahme von Asylbewerbern in der Dublin-II-Verordnung (UA S. 9 f.) auseinander. Des Weiteren legt die Beschwerde nicht dar, warum diese Frage auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60) für die erstrebte Revisionsentscheidung erheblich wäre und daher eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union erforderlich machen könnte. Denn der Gerichtshof hat für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann. Die Beschwerde verhält sich nicht zu der Frage, ob diese Grundsätze - was nahe liegt - dann auch bei dem in Art. 20 Abs. 1 Buchst. e genannten Rechtsbehelf gegen die Wiederaufnahmeentscheidung gelten.
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Im Übrigen rechtfertigt die aufgeworfene Frage mangels Klärungsbedürftigkeit in einem Revisionsverfahren oder unionsrechtlicher Auslegungszweifel im Sinne des Art. 267 AEUV nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn sie lässt sich ohne Weiteres und frei von unionsrechtlichem Klärungsbedarf aus der Systematik der Dublin-II-Verordnung in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinne beantworten. Dass die in Art. 17 Abs. 1 bestimmte Frist für die Unterbreitung des Aufnahmeersuchens an den für zuständig erachteten Mitgliedstaat nicht auf die in sich geschlossene Regelung zu den Modalitäten der Wiederaufnahme in Art. 20 Dublin-II-Verordnung übertragen werden kann, ergibt sich bereits aus der Überschrift des Kapitel V sowie Art. 16 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung, die zwischen der Aufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. a: „... nach Maßgabe der Artikel 17 bis 19 ...") und der Wiederaufnahme (Art. 16 Abs. 1 Buchst. c bis e: „... nach Maßgabe des Art. 20...") von Asylbewerbern unterscheiden. Art. 20 Abs. 1 Dublin-II-VO enthält in Buchst. b und c eine Frist- und Fiktionsregelung nur für den um Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaat. Einen Zuständigkeitsübergang auf den ersuchenden Mitgliedstaat sieht Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO nur für den Fall vor, dass die Überstellung nicht innerhalb bestimmter Fristen durchgeführt wird. Diese Regelungen lassen keine Lücke erkennen, die durch eine analoge Heranziehung der Fristbestimmung des Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-Verordnung zu schließen wäre.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.
Gründe
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I.
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Der Kläger, ein malischer Staatsangehöriger, reiste im Mai 2009 über den Seeweg nach Italien ein und stellte dort einen Asylantrag. Im Juli 2009 stellte er in der Schweiz einen weiteren Asylantrag und entzog sich der Überstellung nach Italien. Auf seinen am 1. Oktober 2010 in Österreich gestellten Asylantrag überstellten ihn die österreichischen Behörden im Juli 2011 nach Italien. Im November 2011 wurde der Kläger in Deutschland aufgegriffen und stellte erneut einen Asylantrag. Dem Übernahmeersuchen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) stimmten die italienischen Behörden im Februar 2012 zu. Daraufhin entschied das Bundesamt mit Bescheid vom 7. Mai 2012, dass der Asylantrag unzulässig sei und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Das Verwaltungsgericht hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, das Oberverwaltungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Beschwerde.
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II.
- 2
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Die Beschwerde, mit der der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie einen Gehörsverstoß des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO) rügt, hat keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde wirft als grundsätzlich bedeutsam die Frage auf,
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"welchen rechtlichen Anforderungen der Begriff der 'systemischen Mängel' unterliegt, insbesondere welcher Wahrscheinlichkeits- und Beweismaßstab für die Annahme erforderlich ist, dass für einen Asylbewerber eine tatsächliche Gefahr besteht, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden."
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Diese Frage rechtfertigt mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie lässt sich, soweit sie nicht bereits in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt ist, auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung und des nationalen Prozessrechts ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten.
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Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der im vorliegenden Verfahren (noch) maßgeblichen Verordnung Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl EU Nr. L 50 S. 1) - Dublin-II-Verordnung - wird ein Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 4 ergibt, besteht einer der Hauptzwecke der Dublin-II-Verordnung in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der EMRK finden (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, N.S. u.a. - Slg. 2011, I-13905 Rn. 78 f. = NVwZ 2012, 417). Daraus hat der Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80).
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Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, so dass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die Rechte der Asylbewerber aus der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Eine Widerlegung der Vermutung hat er aber wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems an hohe Hürden geknüpft: Nicht jede drohende Grundrechtsverletzung oder geringste Verstöße gegen die Richtlinien 2003/9, 2004/83 oder 2005/85 genügen, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln (EuGH a.a.O. Rn. 81 ff.). Ist hingegen ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 GR-Charta zur Folge haben, ist eine Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar (EuGH a.a.O. Rn. 86 und 94).
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Der Gerichtshof hat seine Überlegungen dahingehend zusammengefasst, dass es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte obliegt, einen Asylbewerber nicht an den "zuständigen Mitgliedstaat" im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (EuGH a.a.O. Rn. 106 und LS 2; ebenso Urteil der Großen Kammer vom 14. November 2013 - Rs. C-4/11, Puid - NVwZ 2014, 129 Rn. 30). Schließlich hat er für den Fall, dass der zuständige Mitgliedstaat der Aufnahme zustimmt, entschieden, dass der Asylbewerber mit dem in Art. 19 Abs. 2 der Dublin-II-Verordnung vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Überstellung der Heranziehung des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Zuständigkeitskriteriums nur mit dem o.g. Einwand systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber entgegentreten kann (EuGH - Große Kammer, Urteil vom 10. Dezember 2013 - Rs. C-394/12, Abdullahi - NVwZ 2014, 208 Rn. 60). Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt auch Art. 3 Abs. 2 der Neufassung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 (ABl EU L Nr. 180 S. 31) - Dublin-III-Verordnung - zugrunde.
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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat derartige systemische Mängel für das Asylverfahren wie für die Aufnahmebedingungen der Asylbewerber in Griechenland in Fällen der Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems der Sache nach bejaht (EGMR - Große Kammer, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - NVwZ 2011, 413) und in Folgeentscheidungen insoweit ausdrücklich auf das Kriterium des systemischen Versagens ("systemic failure") abgestellt (EGMR, Entscheidungen vom 2. April 2013 - Nr. 27725/10, Mohammed Hussein u.a./Niederlande und Italien - ZAR 2013, 336 Rn. 78; vom 4. Juni 2013 - Nr. 6198/12, Daytbegova u.a./Österreich - Rn. 66; vom 18. Juni 2013 - Nr. 53852/11, Halimi/Österreich und Italien - ZAR 2013, 338 Rn. 68; vom 27. August 2013 - Nr. 40524/10, Mohammed Hassan/Niederlande und Italien - Rn. 176 und vom 10. September 2013 - Nr. 2314/10, Hussein Diirshi/Niederlande und Italien - Rn. 138).
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Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit (vgl. Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 22 m.w.N. = Buchholz 451.902 Europ. Ausl.- u. Asylrecht Nr. 39) einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt (EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 - a.a.O. Rn. 88 bis 94), Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der o.g. Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus. Diesen Maßstab hat das Berufungsgericht der angefochtenen Entscheidung erkennbar zugrunde gelegt.
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2. Mit der Gehörsrüge macht die Beschwerde geltend, das Berufungsgericht habe zusammen mit seiner Ankündigung vom 8. Oktober 2013, dass erwogen werde, ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, darauf hingewiesen, dass der 3. Senat des Gerichts in vergleichbaren Fällen ebenso entschieden habe. Trotz entsprechender Aufforderung habe das Berufungsgericht die damals noch nicht abgesetzten Entscheidungen des anderen Senats nicht zugänglich gemacht und auch die Frist zur Stellungnahme nicht verlängert. Die Gehörsrüge greift nicht durch.
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Aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO ergibt sich, dass eine gerichtliche Entscheidung nur auf solche Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Verwertung tatsächlicher Feststellungen aus anderen Verfahren für den zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreit unterliegt - nicht anders als andere tatsächliche Feststellungen - dem Gebot des rechtlichen Gehörs (Urteil vom 8. Februar 1983 - BVerwG 9 C 847.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 132 = InfAuslR 1983, 184). Dagegen verstößt ein Gericht, wenn es anstelle einer eigenen Beweiserhebung auf Entscheidungen mit umfangreichen tatsächlichen Feststellungen verweist, ohne die Entscheidungen den Beteiligten so zugänglich zu machen, dass sie sich dazu hätten äußern können. Zieht ein Gericht aber andere Entscheidungen nur als bestätigenden Beleg dafür heran, dass andere Gerichte die Lage (einer bestimmten Gruppe) in einem Land tatrichterlich in ähnlicher Weise gewürdigt und deshalb rechtlich die gleichen Schlussfolgerungen gezogen haben, unterliegen solche Bezugnahmen nicht den besonderen Anforderungen des § 108 Abs. 2 VwGO (Urteil vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 860.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 133; Beschluss vom 12. Juli 1985 - BVerwG 9 CB 104.84 - Buchholz 310 § 103 VwGO Nr. 8 = NJW 1986, 3154).
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An diesem Maßstab gemessen erweist sich die Gehörsrüge als unbegründet. Das Berufungsgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Lage der Asylbewerber in Italien unter Auswertung verschiedener Quellen selbstständig tatrichterlich gewürdigt. Es hat die in dem Schreiben vom 8. Oktober 2013 genannten Entscheidungen des 3. Senats des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt ausweislich der Entscheidungsgründe nicht verwertet. Daher ist nicht ersichtlich, wie die angefochtene Entscheidung durch die - sicherlich prozessual ungeschickte - Vorgehensweise des Berufungsgerichts das rechtliche Gehör des Klägers hätte verletzen können. Denn die Auskunftsquellen als Grundlagen der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts waren dem Kläger mit dem gerichtlichen Schreiben vom 8. Oktober 2013 bekannt gegeben worden, so dass er sich dazu äußern konnte.
Tenor
1. Der Antrag wird einschließlich des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Antragstellerin.
1
Gründe:
2Gemäß § 76 Abs. 4 AsylVfG entscheidet in asylrechtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das zuständige Mitglied der Kammer als Einzelrichter.
3Der am 10. Januar 2014 gestellte Antrag,
4die aufschiebende Wirkung der Klage 2 K 186/14.A gegen die Abschiebungsanordnung im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19. Dezember 2013 anzuordnen,
5hat keinen Erfolg.
6Ob der Antrag bereits unzulässig ist, weil er gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids am 24. Dezember 2013 gestellt worden ist, kann dahinstehen. Bei unterstellter Zulässigkeit für das vorliegende Verfahren (nach weiter unterstellter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)
7- der Antrag ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO dem Grunde nach statthaft, weil der erhobenen Anfechtungsklage – 2 K 186/14.A – gemäß § 75 Abs. 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt –
8ist das Begehren jedenfalls unbegründet. Das öffentliche Vollzugsinteresse an der Abschiebung überwiegt bei einer an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientierten Abwägung das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Verbleib im Bundesgebiet. Denn die Abschiebungsanordnung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig.
9Rechtsgrundlage ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylVfG.
10Ein Fehler bezüglich der Anhörung ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht festzustellen. In sog. Dublin-Verfahren beschränkt sich die Anhörungspflicht des Bundesamtes auf die Angaben nach § 25 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 AsylVfG unter Ausschluss verfolgungsrelevanter Umstände im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
11Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 13 L 171/14.A -, juris, Rdnr. 11.
12Nach der materiellen Ermächtigungsgrundlage ordnet das Bundesamt die Abschiebung eines Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) an, sobald feststeht, dass die durchgeführt werden kann. Einen Ermessensspielraum sieht diese Vorschrift nicht vor. Davon zu trennen sind die Modalitäten der Überstellung (vgl. Art. 7 EG-AsylZust-DVO). Diese sind nicht Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens. Im Übrigen folgt der Einzelrichter der Rechtsprechung des VG Göttingen, dass dazu in seinem Beschluss vom 3. Januar 2014 – 2 B 763/13 - folgendes ausführt: Letztlich ist die gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnung im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb aufzuheben bzw. zu suspendieren, weil Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) 343/2003 (ABl. EU L 222 vom 5. September 2003, S. 3) verschiedene Modalitäten der Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedsstaat vorsieht, darunter gem. Art. 7 Abs. 1 a) der Durchführungsverordnung eine freiwillige - unbegleitete - Ausreise aus dem Mitgliedsstaat innerhalb einer vorgegebenen Frist. Zwar werden insoweit Bedenken an der Unionsrechtskonformität des § 34a Abs. 1 AsylVfG geltend gemacht (hierzu näher: Funke-Kaiser, a.a.O., § 27a Rn. 4 und § 34a Rn. 51 ff. m.w.N.). Diese Bedenken greifen auf den vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht durch, denn die Antragsteller haben weder im verwaltungsbehördlichen noch gerichtlichen Verfahren glaubhaft geltend gemacht bzw. zu erkennen gegeben, dass sie bereit sind, sich freiwillig innerhalb kürzester Zeit nach der Feststellung des Bundesamtes, dass ihr (weiterer) Asylantrag gem. § 27a AsylVfG unzulässig ist, wieder nach Polen oder in ihr Heimatland (Russische Föderation) zu begeben (zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung in einem solchen Fall vgl. Beschluss der Kammer vom 21. Oktober 2012 – 2 B 828/13 -, zit. nach juris Rn. 8). Unter diesen Umständen erscheint es verhältnismäßig, wenn das Bundesamt ‑ dem vom nationalen Gesetzgeber vorgegebenen Regelfall folgend - gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung der Antragsteller nach Polen angeordnet hat und somit auf eine begleitete Rückführung derselben in den zuständigen Mitgliedsstaat setzt (vgl. Beschluss der Kammer vom 11. Oktober 2013, a.a.O., Rn. 12).
13Die Republik Frankreich ist für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.
14Die Zuständigkeit der Republik Frankreich folgt aus Art. 9 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO. Die Dublin II-VO ist gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) auf Anträge auf internationalen Schutz und auf Aufnahmegesuche anwendbar, die bis zum 31. Dezember 2013 gestellt wurden. Die Antragstellerin beantragte am 22. Juli 2013 in der Bundesrepublik Deutschland Asyl. Die Antragsgegnerin hat der Republik Frankreich das Aufnahmegesuch am 6. August 2013 unterbreitet.
15Nach den einschlägigen Normen zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gilt folgendes: Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. Für letzteres bestehen keine Anhaltspunkte. Besitzt der Asylbewerber ein Visum, das seit weniger als sechs Monaten abgelaufen ist, aufgrund dessen er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so bleibt der das Visum erteilende Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat. Dass der Zeitraum von sechs Monaten für das von der französischen Botschaft in Teheran am 28. Mai 2013 für die Gültigkeitsdauer eines Monats ausgestellte Visum inzwischen abgelaufen ist, ist unerheblich. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO finden die Regelungen des Kapitels III, zu denen Art. 9 Dublin II-VO gehört, ausschließlich im Rahmen des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Anwendung. Daher ist gemäß Art. 9 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO zwar der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird, wenn das Visum seit mehr als sechs Monaten abgelaufen ist. Nach Abschluss des Verfahrens zur Zuständigkeitsbestimmung ist der Anwendungsbereich des Kapitels III aber nicht mehr eröffnet und führt Art. 9 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO nicht zu einem nachträglichen Wegfall der bereits nach der Dublin II-VO bestimmten Zuständigkeit. Dementsprechend regelt Kapitel V, dass die nach den Kriterien des Kapitels III bestehende Zuständigkeit eines ersuchten Mitgliedstaates nachträglich nur unter den Voraussetzungen von Artikel 16 Absatz 3 und 4 Dublin II-VO erlöschen oder wegen eines Fristversäumnisses des ersuchenden Mitgliedstaates nach Artikel 17 Absatz 1 Satz 2, Artikel 19 Absatz 4 oder Artikel 20 Absatz 2 Dublin II-VO auf den ersuchenden Mitgliedstaat selbst übergehen kann.
16Vgl. auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 – 13 L 2168/13.A -, juris.
17Frankreich hat mit Schreiben vom 28. August 2013 vor Ablauf der zuständigkeitsbeendenden Frist des Art. 9 Absatz 4 Satz 2 Dublin II-VO seine Zuständigkeit für den Asylantrag der Antragstellerin erklärt. Der spätere Ablauf der Frist des Art. 9 Abs. 4 Satz 2 Dublin II-VO lässt die Zuständigkeit Frankreichs daher unberührt und kann auch nicht der Entscheidung des Bundesamtes nach § 27a AsylVfG entgegen gehalten werden.
18Es ist schließlich auch nichts dafür ersichtlich oder von der Antragstellerin vorgetragen, dass die Zuständigkeit Frankreichs nach Maßgabe der Artikel 16 ff. Dublin II-VO wieder erloschen oder auf Deutschland übergegangen ist.
19Die Pflicht Frankreichs, die Antragstellerin aufzunehmen, folgt aus Art. 16 Abs. 1 lit. a) Dublin II-VO, wonach der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedsstaat gehalten ist, einen Asylbewerber, der einen Antrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 17 bis 19 aufzunehmen. Insbesondere steht der Aufnahme in diesem Fall weder die Dreimonatsfrist von Art. 17 Abs. 1 (Frist für die Stellung des Aufnahmegesuchs) noch die Sechsmonatsfrist von Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO (Frist für die Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat) entgegen.
20Die Antragstellerin hat ihren Asylantrag am 22. Juli 2013 beim Bundesamt gestellt. Das an die Republik Frankreich gerichtete Aufnahmegesuch datiert vom 6. August 2013.
21Für die Frist zur Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat gilt folgendes: Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung des Asylsuchenden von dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in den Mitgliedstaat, der die Aufnahme akzeptiert, gemäß den einzelstaatlichen (nationalen) Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde.
22Hier hat Frankreich das Aufnahmegesuch vom 6. August 2013 ausdrücklich am 28. August 2013 angenommen. Zwar sind seit Annahme des Gesuchs bis heute mehr als sechs Monate verstrichen. Dies ist jedoch unschädlich und führt nicht zu einer Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO. Denn die Überstellungsfrist beginnt frühestens mit der Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren. Der von der Antragstellerin eingelegte Rechtsbehelf der Antragstellung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren hatte schließlich aufschiebende Wirkung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 Dublin II-VO. Denn nach § 34a AsylVfG ist die Abschiebung bei im hier anhängigen Eilverfahren unterstellter rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig, was einer vorläufigen Aussetzung des Vollzugs der Abschiebungsanordnung entspricht.
23Vgl. VG Leipzig, Beschluss vom 28. Februar 2014 – A 6 360/13 -, juris, Rdnr. 15 m.w.N.
24Einer Entscheidung, ob Art. 19 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO dem Kläger überhaupt ein subjektives Recht vermittelt,
25verneinend etwa VG Regensburg zu Art. 20 Abs.1 lit. d) Abs. 2 Dublin II-VO, Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 - RN 9 K 11.30445 -, juris Rdnr. 18,
26bedarf es vor diesem Hintergrund nicht.
27Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz der genannten Zuständigkeit Frankreichs eine Verpflichtung begründen könnten, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen oder es ausschließen würden, die Antragstellerin nach Frankreich abzuschieben. Das Prüfungsrecht des Mitgliedstaats gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO vermittelt dem Asylsuchenden kein subjektives Recht.
28EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11 -, NVwZ 2014, 129 mit Anmerkung von Thym.
29Im Übrigen gilt folgendes: Bei der Republik Frankreich handelt es sich als Mitgliedsstaat der EU um einen sicheren Drittstaat im Sinn von Art. 16a Abs. 2 GG und § 26a AsylVfG. Insoweit geht das Gericht als Prüfungsmaßstab vom Prinzip der normativen Vergewisserung,
30vgl. hierzu grundlegend BVerfG, Urteil vom 15. Mai 1996 - 2 BvR 1938/38 -, juris,
31bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens,
32EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, C-411/10, NVwZ 2012, 417,
33aus, wonach die Vermutung gilt, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedsstaat mit den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention der Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte im Sinn von Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht.
34Zwar hat der EuGH entschieden, dass dem Unionsrecht keine unwiderlegliche Vermutung innewohnt, der gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin II-VO zuständige Mitgliedsstaat werde die Unionsgrundrechte beachten. Vielmehr obliege den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedsstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gebe, welche zu einer Gefahr für den Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedsstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGRCh) ausgesetzt zu werden.
35EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 a.a.O.
36Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass gegenwärtig im Fall der Republik Frankreich systemische Mängel vorliegen, die eine solche Gefahr für die Antragstellerin begründen könnten. Soweit die Antragstellerin sich auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 9. April 2013 – 7 K 832/13 – und den Beschluss des Verwaltungsgerichts Trier vom 7. Oktober 2013 – 1 L 1394/13.TR – beruft, verkennt sie, dass die dort genannten besonderen Umstände nicht unter dem Blickwinkel systemischer Mängel jeweils zum Erfolg des Rechtsbehelfs geführt haben. Entscheidend waren jeweils in der Person der Rechtsschutzschutzsuchenden liegende Gründe. Selbst wenn nach Darstellung der Antragstellerin zeitweise eine Gefahr der Obdachlosigkeit bestehen sollte – die zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe beschreibt eine solche nur für eine mehrköpfige Familie -, führt dies nicht automatisch zur Begründung systemischer Mängel. Denn nach dem weiteren Vortrag der Antragstellerin sind die diesbezüglichen Lebensumstände in den Departements der Republik Frankreich durchaus sehr unterschiedlich. Ferner nimmt der französische Staat die gegebenen Umstände keinesfalls tatenlos hin. So sind u.a. Notaufnahmeprogramme entwickelt worden, um die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen zu ergänzen. All dies spricht gegen eine beachtliche Unterschreitung der von dem Unionsrecht vorgesehenen Mindestanforderungen.
37Vgl. Art. 13 Abs. 2 und Art. 14 der Richtlinie 2003/9/EG zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten bzw. Art. 17 Abs. 2 und Art. 18 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen.
38Darüber hinaus ist nichts dafür ersichtlich, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sein sollte, ihre diesbezüglichen Ansprüche in Frankreich gerichtlich durchzusetzen.
39Auf die Übersetzung der eingereichten Unterlagen kommt es bei dieser Ausgangslage nicht an.
40Im Übrigen ist nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller einer Personengruppe angehört, die als besonders schutzbedürftig im Sinne des Art. 21 der Richtlinie 2013/33/EU anzusehen wäre und der aufgrund von systemischen Mängeln in deren spezieller Situation eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 4 EUGRCh drohen würde. Als besonders schutzbedürftig gelten unter anderem Personen mit psychischen Störungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Tatsachen in diese Richtung sind in der Antragsbegründung nicht substantiiert vorgetragen worden. Nach dem Entlassungsbericht der LVR-Klinik M. vom 27. Januar 2014 und dem Begleitschreiben an den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 5. Februar 2014 stellt sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin wie folgt dar: Es lag eine schwere depressive Episode mit psychotonischen Symptomen (ICD 10: F32.3) ohne posttraumatische Belastungsstörung vor. Am 16. Januar 2014 wurde die Antragstellerin in stabilisiertem Zustand entlassen. Zum Zeitpunkt der Entlassung bestanden keine Gefährdungsaspekte. Der angenommene längerfristige Behandlungsbedarf einschließlich Medikation ist vor dem Hintergrund zu relativieren, dass die Antragstellerin sich bereits einige Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat, ohne ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Letzteres geschah offensichtlich erstmalig im Zusammenhang mit der Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides. Zwar wird seitens der LVR-Klinik M. bei einem Abbruch der gegenwärtigen Behandlung einschließlich Medikation von einer deutlichen Verschlechterung des psychopathologischen Befundes gesprochen, jedoch ohne spezifische Aussagen zur Verschlechterung selbst machen zu können. In einem handschriftlich verfassten Brief vom 30. Januar 2014, der ausdrücklich zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens gemacht worden ist, ist davon die Rede, dass die Medikamente keinen Einfluss auf den Zustand der Antragstellerin hätten.
41Letztendlich obliegt es der Zusammenarbeit der an der Überstellung der Antragstellerin beteiligten Mitgliedstaaten, einen etwaigen Behandlungsbedarf zu artikulieren. Anhaltspunkte dafür, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung der Überstellung die gebotenen Maßnahmen nicht ergreifen werden, sind nicht ersichtlich. Im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides konnte die Antragsgegnerin einen etwaigen Behandlungsbedarf noch gar nicht berücksichtigten, weil die stationäre Aufnahme der Antragstellerin erst danach erfolgt ist.
42Nach den vorstehenden Ausführungen bestehen auch keine konkreten Abschiebungsverbote. Es ist nicht anzunehmen, dass für die Antragstellerin in Frankreich gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die familiären Beziehungen der volljährigen Antragstellerin gebieten ebenfalls keinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet. Die Antragstellerin unterfällt bereits nicht der Definition des Ausdrucks „Familienangehörige“ gemäß Art. 2 lit. i) Dublin II-VO. Dass sie auf die Hilfe ihrer Mutter bzw. Tante zwingend angewiesen wäre, ist nicht glaubhaft gemacht worden.
43Der weitere Antrag,
44ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X. aus N. zu bewilligen,
45war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung der Antragstellerin aus den vorstehenden Gründen nicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO.
46Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwalts sind ebenfalls nicht erfüllt (vgl. § 121 Abs. 2 ZPO).
47Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylVfG.
48Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.