Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 11. Okt. 2016 - A 11 K 1508/16

bei uns veröffentlicht am11.10.2016

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.03.2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Die Klägerin ist chinesische Staatsangehörige, dem Volk der Uiguren zugehörig und muslimischen Glaubens. Sie reiste nach eigener Aussage am 11.12.2012 mittels eines Visums von Ürümqi nach Istanbul in die Türkei. Von dort aus reiste sie am 22.12.2012 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21.01.2013 einen Asylantrag.
Nach persönliche Anhörung vom 15.09.2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.03.2016 die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (1.) und Asylanerkennung (2.) sowie jenen auf Gewähr subsidiären Schutzes ab (3.). Sie stellte weiter fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG nicht bestehen (4.) und forderte die Klägerin auf, die Bundesrepublik binnen 30 Tagen ab Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall des Verbleibes drohte sie der Klägerin die Abschiebung in die Volksrepublik China an (5.). Schließlich befristete die Beklagte das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (6.).
Dagegen hat die Klägerin am 14.03.2016 Klage erhoben.
Die Klägerin erklärt, die Situation in ihrem Heimatland sei zuletzt sehr tragisch gewesen. Am 06.02.2012 sei sie wie üblich zur Schule gegangen. Ihre Schule sei eine chinesische Schule gewesen. Dann hätte es eine Demonstration der Chinesen gegen die Uiguren in der Nähe der Schule gegeben. Die Schüler durften darum nicht selbständig die Schule verlassen. Sie habe ihre Eltern auf dem Handy angerufen, um abgeholt zu werden. Ihre Mutter hätte sie später zurückgerufen. Sie seien kurz vor der Schule, kämen aber nicht weiter, weil es eine Schlägerei gäbe. Die Klägerin müsse sich noch etwas gedulden. Das sei der letzte Kontakt gewesen. Ihre Eltern seien nie bei der Schule angekommen und seien seitdem verschollen. Sie sei weiter zur Schule gegangen und habe ihren Schulkameraden gegenüber geäußert, dass die Chinesen schuld am Verschwinden ihrer Eltern seien. Im Anschluss habe die Polizei begonnen nach ihr zu suchen. Sie sei in die Klasse gekommen und habe ihr Bilder von Schulkameraden gezeigt, die ebenfalls ihre Eltern bei staatlichen Säuberungen verloren hätten. Sie hätte ausgesagt, die Personen nicht zu kennen. Zwei Wochen später sei sie zur Polizeibehörde gebracht worden. Dort habe man ihr vorgehalten, die Personen auf den Bildern doch zu kennen. Sie möge sich in der Schule umhören, ob jemand gegen die Chinesen sei. Dann könne man ihr eventuell auch helfen, ihre Eltern wieder zu finden. Im Weiteren habe ein Polizeibeamter ihr nachgestellt und sie wiederholt bedrängt. Der Beamte hätte sie auch unsittlich berührt. Der letzte Kontakt mit der Polizei habe sich in der ersten Septemberwoche ereignet. Erneut sei sie auf die Wache gebracht worden. Man habe ihr vorgeworfen, nicht zu kooperieren und ihr gesagt, man könne mit ihr machen, was man wolle, sie etwa einsperren, foltern oder schlagen. Bei dieser Gelegenheit sei sie geschlagen worden. Danach sei sie für einen Monat im Krankenhaus gewesen und nur noch ab und zu zur Schule gegangen. Wenn sie in China geblieben wäre oder dorthin zurückgeschickt würde, würde die Polizei sie vergewaltigen und foltern. In China habe sie sich nicht politisch engagiert. Seit ihrer Ankunft in Deutschland sei sie exilpolitisch aktiv. Sie habe bereits vom 5. bis 7. Februar 2013 in München an Demonstrationen zugunsten der Uiguren in China teilgenommen und sich auch im Folgenden entsprechend engagiert, letztmals am 05.07.2016 bei einer Demonstration vor dem chinesischen Generalkonsulat in München und am 30.09.2016. Die Bilder seien vom uigurischen Weltkongress über das Internet verbreitet worden. Bei einer Rücküberstellung nach China drohten ihr mindestens mehrjährige Haftstrafen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 04.03.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen;
weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
10 
die Klage abzuweisen.
11 
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin hätte zum angeblich fluchtauslösenden Vorfall rund um die Demonstration nahe ihrer Schule nur vage und wenig konkret vorgetragen. Außerdem sei es wenig glaubhaft, dass die Klägerin einerseits staatlich verfolgt worden sein wolle, man ihr andererseits aber ihren Pass und ihren Ausweis belassen habe, mittels derer sie dann auch noch ausgereist sein wolle. Kein staatlich Verfolgter würde sich einem solchen Risiko aussetzen, erst recht nicht, wenn er professionelle Hilfe für die Ausreise in Anspruch nehme, wie die Klägerin. Die exilpolitischen Betätigungen der Klägerin rechtfertigten ebenfalls keine Zuerkennung von Flüchtlingsschutz, weil aufgrund der Vielzahl der weltweit stattfindenden Aktionen anonymer Aktivisten nicht davon auszugehen sei, dass der chinesische Staat fähig sei, diese zu identifizieren und entsprechend zu belangen, solange sie nicht in besonderer Funktion oder herausgehobener Weise tätig würden. Entsprechendes sei hier nicht vorgetragen.
12 
Dem Gericht liegen die einschlägigen Behördenakten vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Akten und die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
13 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
14 
Die Klage ist zulässig.
15 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Sie hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
16 
Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin begehrt, sie als Asylberechtigte anzuerkennen. Der Asylanerkennung steht die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Die in China nach eigenen Angaben unpolitische Klägerin hat mit ihrem exilpolitischen Engagement in Deutschland keine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat sie sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass erkennbar wäre, dass dies auf einem sie tiefgreifend berührenden Erweckungserlebnis beruht. So gab die Klägerin als Grund für ihr Engagement in der mündlichen Verhandlung nicht etwa das Verschwinden ihrer Eltern an, sondern sagte aus, dass diese Betätigungen hier gefahrlos möglich seien.
17 
Im Übrigen ist die Klage begründet. Zunächst ist insofern klarzustellen, dass das Gericht die Zweifel der Beklagten an der Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht teilt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich und detailliert ihren Werdegang und den Hergang ihrer Flucht und die diese auslösenden Ereignisse geschildert. Für die Glaubwürdigkeit der Klägerin spricht dabei insbesondere, dass sich keine nennenswerten Abweichungen zu ihrem Vortrag vor dem Bundesamt ergaben und die Klägerin es stattdessen vermochte das dort geschilderte Geschehen in der mündlichen Verhandlung mit anderen Worten wieder zu geben und gerade nicht an den zuvor gebrauchten Formulierungen haftete. Im Weiteren waren ihre Schilderungen durchsetzt mit persönlichen Sinneseindrücken und Gefühlsregungen („ich hatte große Angst“, „ich hasse Chinesen“, „ein kleiner, dunkler Raum“). Auf Nachfragen des Gerichtes reagierte die Klägerin entsprechend und vermochte entsprechende Zweifel und Kommunikationsmissverständnisse glaubhaft auszuräumen.
18 
Sofern die Beklagte der Aussage der Klägerin mit dem Argument die Glaubwürdigkeit abspricht, kein politisch Verfolgter würde problemlos unter seinem eigenen Namen aus der Volksrepublik China ausreisen, ist zu vergegenwärtigen, dass die Probleme der Klägerin in ihrer Heimat zum Ausreisezeitpunkt noch nicht solcher Art und Güte waren, dass sie sich in herausgehobener Stellung als Gegner des Systems profiliert hätte. Tatsächlich ist der Heimatort der Klägerin Ürümqi in der Provinz Xinjiang eine uigurische Hochburg, die Klägerin war dort zum Zeitpunkt ihrer Ausreise also eine unter vielen. Das Gericht hat demnach keine Zweifel am Vortrag der Klägerin, ihre Ausreise sei durch die Bestechung der Behörden ermöglicht worden.
19 
Entgegen der Ansicht der Beklagten rechtfertigt die Gesamtschau der Aktivitäten auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an die Klägerin. Dabei ist zum einen die bereits in China mit der Verschleppung der Eltern der Klägerin und dem Separatismusvorwurf gegen sie bestehende Spannungslage zu berücksichtigen, zum zweiten die weitere Vertiefung der Situation durch die Ausreise und die Asylantragstellung der Klägerin in Deutschland und schließlich ihre exilpolitische Betätigung.
20 
Gemäß § 3 AsylG ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Heimatlandes befindet. Die Klägerin ist Uiguren und als solche staatlichen Repressionen in ihrer Heimat ausgesetzt.
21 
Wie § 28 AsylG im Umkehrschluss zeigt, können sich die Umstände, auf denen die Verfolgung beruht, sowohl aus der Situation des Ausländers in seinem Heimatstaat als auch aus Umständen, die nach seiner Ausreise eingetreten sind ergeben. Der Beklagten ist dabei zuzugestehen, dass insbesondere im Falle Chinas aufgrund der weltweit stattfindenden Proteste anonymer Aktivisten nicht davon ausgegangen werden kann, dass der chinesische Staat fähig sei, die Teilnehmer zu identifizieren und entsprechend zu belangen, solange sie nicht in besonderer Funktion oder herausgehobener Weise tätig würden.
22 
Im hier konkret zu entscheidenden Einzelfall liegt die Situation aufgrund der Kumulation der Gefährdungsmomente anders. So hat das Gericht aufgrund der oben dargelegten Beobachtungen keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der klägerischen Aussage. Daraus folgt, dass die Klägerin bereits vor ihrer Flucht unter der Beobachtung der Behörden stand, weil man sie des Separatismus‘ verdächtigte.
23 
Darüber hinaus hat sich die Klägerin in der Bundesrepublik exilpolitisch betätigt. Diese selbst geschaffenen Nachfluchtgründe schließen auch unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus‘ nicht aus. Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies„insbesondere“ dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind.
24 
Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
25 
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
26 
Ihre Furcht ist begründet, wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
27 
Zwar hat die Klägerin keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb einer uigurischen Organisation inne, sondern hat sich bislang nur als einfache Aktivistin betätigt, indem sie verschiedenen Demonstrationen und Versammlungen zur Stärkung der Rechte der Uiguren in China teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
28 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Ürümqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen reagieren (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 07. April 2014 – A 6 K 860/12 –, juris).
29 
So führt Amnesty International im Amnesty Report 2016 zu China vom 30.03.2016 aus, dass die Kampagne der chinesischen Regierung namens „Hartes Durchgreifen“, die sich gegen „terroristische Gewalt und religiösen Extremismus“ richte und bei ihrem Beginn im Mai 2014 zunächst auf ein Jahr begrenzt war, 2015 verlängert wurde. In der Praxis bedeute dies zusammen mit den neuen „Durchführungsbestimmungen für religiöse Angelegenheiten“ in der Region Xinjang noch einschneidendere Restriktionen als die bereits zuvor bestehenden weitreichenden Diskriminierungen der muslimischen Volksgruppe. Das Auswärtige Amt weiß in seinem Lagebericht vom 20.11.2015 zu berichten, dass mit der Verlängerung der Kampagne auch deren Verschärfung einhergegangen. Damit würden insbesondere auch Schnellverfahren und Massenurteile institutionalisiert. Außerdem solle das Anti-Terrorismusgesetz weiter vorangetrieben werden und es sei mit steigendem Druck auf den uigurischen Weltkongress zu rechnen (S. 15).
30 
Nach der Auskunftslage unterscheidet die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren offenbar kaum mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten und stufte auch erstere Aktivitäten unterschiedslos als terroristisch ein. Das belegt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren uigurische Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die aggressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 07. April 2014 – A 6 K 860/12 –, juris).
31 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das der Klägerin, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht ausreichend profiliert war, um eine Flüchtlingsanerkennung zu begründen, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (VG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 - A 6 K 961/12 -, juris).
32 
Im Einzelnen stellt das Auswärtigen Amtes die Situation in Ergänzung zu den obigen Ausführungen in seinem Bericht zur asyl- und abschieberechtlichen Lage in der Volksrepublik China vom 20.11.2015 wie folgt dar:
33 
Die chinesische Regierung rücke jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stelle damit alle uigurischen Organisationen unter den Generalverdacht des solchen Separatismus. Die Zentralregierung gehe gegen jegliche Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen mit großer Härte vor. Die Situation in Xinjang bleibe angespannt. Die Restriktionen gegenüber den Uiguren hätten sich verschärft. Die Behörden reagierten auf Zwischenfälle mit sofortigen Nachrichtensperren und strikter Kontrolle. Mutmaßliche Separatisten, die aus dem Ausland zurückkehrten hätten mit intensiven Repressionen zu rechnen. Die chinesische Regierung verweigert eine konsularische Betreuung. Auskünfte zum Verbleib und Identität der Personen werden nicht erteilt. Seit 2011 übe die chinesische Regierung wachsenden Druck auf andere asiatische Staaten, u.a. Kasachstan, Malaysia, Pakistan und Thailand aus und zwinge diese so, Uiguren nach China auszuliefern oder auszuweisen. Über den Verbleib und das weitere Schicksal dieser Personen sei nichts bekannt (S. 15, 16).
34 
Unter diesen Umständen erreichen die der Klägerin drohenden Gefahren aus dem Vorwurf der separatistischen Betätigung vor ihrer Ausreise sowie ihren exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik ein solches Ausmaß, dass der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Dass sie sich im Einzelnen nicht in herausgehobener Stellung exilpolitisch betätigt hat, führt angesichts der dargelegten Gesamtumstände zu keinem anderen Ergebnis.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 6 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AsylG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt war.
36 
Die übrigen Anträge der Klägerin sind unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung gestellt, dass die Flüchtlingseigenschaft verneint werde. Diese Bedingung ist hier nicht eingetreten, sodass darüber nicht zu entscheiden war.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG. Die Klägerin ist hier nur in geringem Maße unterlegen, nämlich mit ihrem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte. Nach § 2 Abs. 1 AsylG genießen Asylberechtigte in Deutschland jedoch die Rechtstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention und damit denselben Schutz wie Flüchtlinge. Der Status eines anerkannten Asylberechtigten gleicht darum mittlerweile nahezu vollständig jenem eines anerkannten Flüchtlings (BVerwG, Urteil vom 01.03.2011 - 10 C 2/10 -, juris, Rn. 53). Darum ist das Unterliegen der Klägerin bezüglich ihrer Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

Gründe

 
13 
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, Abs. 3 VwGO.
14 
Die Klage ist zulässig.
15 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Sie hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
16 
Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin begehrt, sie als Asylberechtigte anzuerkennen. Der Asylanerkennung steht die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Die in China nach eigenen Angaben unpolitische Klägerin hat mit ihrem exilpolitischen Engagement in Deutschland keine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat sie sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass erkennbar wäre, dass dies auf einem sie tiefgreifend berührenden Erweckungserlebnis beruht. So gab die Klägerin als Grund für ihr Engagement in der mündlichen Verhandlung nicht etwa das Verschwinden ihrer Eltern an, sondern sagte aus, dass diese Betätigungen hier gefahrlos möglich seien.
17 
Im Übrigen ist die Klage begründet. Zunächst ist insofern klarzustellen, dass das Gericht die Zweifel der Beklagten an der Glaubwürdigkeit der Klägerin nicht teilt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ausführlich und detailliert ihren Werdegang und den Hergang ihrer Flucht und die diese auslösenden Ereignisse geschildert. Für die Glaubwürdigkeit der Klägerin spricht dabei insbesondere, dass sich keine nennenswerten Abweichungen zu ihrem Vortrag vor dem Bundesamt ergaben und die Klägerin es stattdessen vermochte das dort geschilderte Geschehen in der mündlichen Verhandlung mit anderen Worten wieder zu geben und gerade nicht an den zuvor gebrauchten Formulierungen haftete. Im Weiteren waren ihre Schilderungen durchsetzt mit persönlichen Sinneseindrücken und Gefühlsregungen („ich hatte große Angst“, „ich hasse Chinesen“, „ein kleiner, dunkler Raum“). Auf Nachfragen des Gerichtes reagierte die Klägerin entsprechend und vermochte entsprechende Zweifel und Kommunikationsmissverständnisse glaubhaft auszuräumen.
18 
Sofern die Beklagte der Aussage der Klägerin mit dem Argument die Glaubwürdigkeit abspricht, kein politisch Verfolgter würde problemlos unter seinem eigenen Namen aus der Volksrepublik China ausreisen, ist zu vergegenwärtigen, dass die Probleme der Klägerin in ihrer Heimat zum Ausreisezeitpunkt noch nicht solcher Art und Güte waren, dass sie sich in herausgehobener Stellung als Gegner des Systems profiliert hätte. Tatsächlich ist der Heimatort der Klägerin Ürümqi in der Provinz Xinjiang eine uigurische Hochburg, die Klägerin war dort zum Zeitpunkt ihrer Ausreise also eine unter vielen. Das Gericht hat demnach keine Zweifel am Vortrag der Klägerin, ihre Ausreise sei durch die Bestechung der Behörden ermöglicht worden.
19 
Entgegen der Ansicht der Beklagten rechtfertigt die Gesamtschau der Aktivitäten auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an die Klägerin. Dabei ist zum einen die bereits in China mit der Verschleppung der Eltern der Klägerin und dem Separatismusvorwurf gegen sie bestehende Spannungslage zu berücksichtigen, zum zweiten die weitere Vertiefung der Situation durch die Ausreise und die Asylantragstellung der Klägerin in Deutschland und schließlich ihre exilpolitische Betätigung.
20 
Gemäß § 3 AsylG ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Heimatlandes befindet. Die Klägerin ist Uiguren und als solche staatlichen Repressionen in ihrer Heimat ausgesetzt.
21 
Wie § 28 AsylG im Umkehrschluss zeigt, können sich die Umstände, auf denen die Verfolgung beruht, sowohl aus der Situation des Ausländers in seinem Heimatstaat als auch aus Umständen, die nach seiner Ausreise eingetreten sind ergeben. Der Beklagten ist dabei zuzugestehen, dass insbesondere im Falle Chinas aufgrund der weltweit stattfindenden Proteste anonymer Aktivisten nicht davon ausgegangen werden kann, dass der chinesische Staat fähig sei, die Teilnehmer zu identifizieren und entsprechend zu belangen, solange sie nicht in besonderer Funktion oder herausgehobener Weise tätig würden.
22 
Im hier konkret zu entscheidenden Einzelfall liegt die Situation aufgrund der Kumulation der Gefährdungsmomente anders. So hat das Gericht aufgrund der oben dargelegten Beobachtungen keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der klägerischen Aussage. Daraus folgt, dass die Klägerin bereits vor ihrer Flucht unter der Beobachtung der Behörden stand, weil man sie des Separatismus‘ verdächtigte.
23 
Darüber hinaus hat sich die Klägerin in der Bundesrepublik exilpolitisch betätigt. Diese selbst geschaffenen Nachfluchtgründe schließen auch unter Berücksichtigung der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Zuerkennung des Flüchtlingsstatus‘ nicht aus. Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies„insbesondere“ dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind.
24 
Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
25 
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
26 
Ihre Furcht ist begründet, wegen ihrer exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
27 
Zwar hat die Klägerin keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb einer uigurischen Organisation inne, sondern hat sich bislang nur als einfache Aktivistin betätigt, indem sie verschiedenen Demonstrationen und Versammlungen zur Stärkung der Rechte der Uiguren in China teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
28 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Ürümqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen reagieren (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 07. April 2014 – A 6 K 860/12 –, juris).
29 
So führt Amnesty International im Amnesty Report 2016 zu China vom 30.03.2016 aus, dass die Kampagne der chinesischen Regierung namens „Hartes Durchgreifen“, die sich gegen „terroristische Gewalt und religiösen Extremismus“ richte und bei ihrem Beginn im Mai 2014 zunächst auf ein Jahr begrenzt war, 2015 verlängert wurde. In der Praxis bedeute dies zusammen mit den neuen „Durchführungsbestimmungen für religiöse Angelegenheiten“ in der Region Xinjang noch einschneidendere Restriktionen als die bereits zuvor bestehenden weitreichenden Diskriminierungen der muslimischen Volksgruppe. Das Auswärtige Amt weiß in seinem Lagebericht vom 20.11.2015 zu berichten, dass mit der Verlängerung der Kampagne auch deren Verschärfung einhergegangen. Damit würden insbesondere auch Schnellverfahren und Massenurteile institutionalisiert. Außerdem solle das Anti-Terrorismusgesetz weiter vorangetrieben werden und es sei mit steigendem Druck auf den uigurischen Weltkongress zu rechnen (S. 15).
30 
Nach der Auskunftslage unterscheidet die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren offenbar kaum mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten und stufte auch erstere Aktivitäten unterschiedslos als terroristisch ein. Das belegt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren uigurische Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die aggressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen (VG Freiburg (Breisgau), Urteil vom 07. April 2014 – A 6 K 860/12 –, juris).
31 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das der Klägerin, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht ausreichend profiliert war, um eine Flüchtlingsanerkennung zu begründen, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (VG Karlsruhe, Urteil vom 05.02.2013 - A 6 K 961/12 -, juris).
32 
Im Einzelnen stellt das Auswärtigen Amtes die Situation in Ergänzung zu den obigen Ausführungen in seinem Bericht zur asyl- und abschieberechtlichen Lage in der Volksrepublik China vom 20.11.2015 wie folgt dar:
33 
Die chinesische Regierung rücke jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stelle damit alle uigurischen Organisationen unter den Generalverdacht des solchen Separatismus. Die Zentralregierung gehe gegen jegliche Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen mit großer Härte vor. Die Situation in Xinjang bleibe angespannt. Die Restriktionen gegenüber den Uiguren hätten sich verschärft. Die Behörden reagierten auf Zwischenfälle mit sofortigen Nachrichtensperren und strikter Kontrolle. Mutmaßliche Separatisten, die aus dem Ausland zurückkehrten hätten mit intensiven Repressionen zu rechnen. Die chinesische Regierung verweigert eine konsularische Betreuung. Auskünfte zum Verbleib und Identität der Personen werden nicht erteilt. Seit 2011 übe die chinesische Regierung wachsenden Druck auf andere asiatische Staaten, u.a. Kasachstan, Malaysia, Pakistan und Thailand aus und zwinge diese so, Uiguren nach China auszuliefern oder auszuweisen. Über den Verbleib und das weitere Schicksal dieser Personen sei nichts bekannt (S. 15, 16).
34 
Unter diesen Umständen erreichen die der Klägerin drohenden Gefahren aus dem Vorwurf der separatistischen Betätigung vor ihrer Ausreise sowie ihren exilpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik ein solches Ausmaß, dass der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Dass sie sich im Einzelnen nicht in herausgehobener Stellung exilpolitisch betätigt hat, führt angesichts der dargelegten Gesamtumstände zu keinem anderen Ergebnis.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 6 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AsylG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt war.
36 
Die übrigen Anträge der Klägerin sind unter der zulässigen innerprozessualen Bedingung gestellt, dass die Flüchtlingseigenschaft verneint werde. Diese Bedingung ist hier nicht eingetreten, sodass darüber nicht zu entscheiden war.
37 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG. Die Klägerin ist hier nur in geringem Maße unterlegen, nämlich mit ihrem Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte. Nach § 2 Abs. 1 AsylG genießen Asylberechtigte in Deutschland jedoch die Rechtstellung nach der Genfer Flüchtlingskonvention und damit denselben Schutz wie Flüchtlinge. Der Status eines anerkannten Asylberechtigten gleicht darum mittlerweile nahezu vollständig jenem eines anerkannten Flüchtlings (BVerwG, Urteil vom 01.03.2011 - 10 C 2/10 -, juris, Rn. 53). Darum ist das Unterliegen der Klägerin bezüglich ihrer Klage auf Anerkennung als Asylberechtigte (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 11. Okt. 2016 - A 11 K 1508/16 zitiert 14 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3b Verfolgungsgründe


(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen: 1. der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;2. der Begrif

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 28 Nachfluchttatbestände


(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 2 Rechtsstellung Asylberechtigter


(1) Asylberechtigte genießen im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. (2) Unberührt bleiben die Vorschriften, die den Asylberechtigten eine günstigere Rechtsstellung einräumen. (3) Ausländer, den

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Verwaltungsgericht Stuttgart Urteil, 11. Okt. 2016 - A 11 K 1508/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

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Verwaltungsgericht Freiburg Urteil, 07. Apr. 2014 - A 6 K 860/12

bei uns veröffentlicht am 07.04.2014

Tenor Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.4.2012 wird bezüglich der Ziffern 2 - 4 aufgehoben.Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.Die Be

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.4.2012 wird bezüglich der Ziffern 2 - 4 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein chinesischer Staatsangehöriger uigurischer Volkszugehörigkeit, reiste am 5.1.2012 ins Bundesgebiet ein, stellte am 9.1.2012 einen Asylantrag und gab bei seiner Anhörung am 6.2.2012 im Wesentlichen an, er sei unpolitisch, Sportstudent, und wegen seiner Teilnahme an den Demonstrationen der Uiguren gegen die chinesische Staatspolitik von den chinesischen Sicherheitsbehörden in der Zeit vom 7.7.2009 bis 3.9.2011 inhaftiert, in der Haft geschlagen und verhört worden. Nachdem seine Familie seine Entlassung bewirkt habe, sei er am 20.12.2011 legal mit seinem eigenen Reisepass über den Flughafen Guangzhou aus China ausgereist und über Malaysia und die Türkei nach Deutschland geflogen.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 24.4.2012 lehnte das Bundesamt eine Asylanerkennung der Kläger ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht binnen Monatsfrist nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens erfolgter freiwilliger Ausreise seine Abschiebung nach China an.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft. Er sei offenbar unverfolgt, nämlich problemlos mit seinem eigenen Reisepass unter seinem Namen, legal aus China ausgereist. Außerdem seien ihm während seiner angeblichen mehrjährigen Haftzeit zahlreiche Dokumente (Personalausweis, Führerschein, Impfpass etc.) ausgestellt worden, obwohl solche Dokumente einem Häftling während der Haft nicht ausgestellt würden. Schließlich sei er ausweislich seiner mitgeführten Dokumente sogar Mitglied der Kommunistischen Chinesischen Jugendorganisation, also ganz offenbar kein wirklicher Regimegegner.
Nach Zustellung des Bescheid am 28.4.2012 hat der Kläger dagegen am 3.5.2012 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Zur Begründung verweist der Kläger ergänzend auf exilpolitischen Aktivitäten. Er habe Kontakt zur Ostturkestan Union und zum Uigurischen Weltkongress. Seit 1.6.2012 sei er Mitglied der Ostturkestan Union in Europa e.V und habe an deren Demonstration am 1.10.2012 in München anlässlich der Einladung dieser Gruppe zu einer Anhörung im bayerischen Landtag teilgenommen. Ausweislich eines Briefwechsels zwischen dem chinesischen Generalkonsulat und der Landtagsvizepräsidentin habe China versucht, diese Veranstaltung zu verhindern, indem sie die beiden Organisationen undifferenziert als terroristisch bezeichnet habe. Im Beisein der Vorsitzenden des Uigurischen Weltkongresses, Frau Rabiya Kadeer, habe der Kläger an der Aktion teilgenommen. Des weiteren habe er am 5.7.2013 und am 1.10.2013 erneut an Protestaktionen teilgenommen, bei denen unter anderem der Abzug der chinesischen Armee aus Ostturkestan gefordert werde. Dazu legte der Kläger jeweils Fotos vor.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.4.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (je ein Heft Gerichtsakten bzw. Akten der Beklagten) und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.
11 
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht persönlich zu seinen Asylgründen angehört worden. Auf die dazu angefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet.
13 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung sowie der negativen Feststellung zu § 60 AufenthG (a.F.) (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
14 
Der Kläger ist unverfolgt aus China ausgereist. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, war er nicht - wie noch zuvor der Wahrheit zuwider beim Bundesamt angegeben - zweieinhalb Jahre inhaftiert. Soweit er in der mündlichen Verhandlung angab, immerhin zwei Tage inhaftiert worden zu sein, ist auch dies nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seiner Verhaftung und den anschließenden Ereignissen stehen nicht nur im klaren Gegensatz zu seinem bisherigen Vorbringen beim Bundesamt, sondern waren einsilbig, in keiner Weise auch nur ansatzweise detailliert oder lebensnah und beruhten offenbar nicht auf selbst Erlebtem. Von sich aus vermochte der Kläger hier nichts zu sagen, sondern hat nur sehr knapp und zum Teil erst auf intensives Nachfragen jeweils die Fragen des Gerichts beantwortet. Wie das Bundesamt im Ablehnungsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, spricht zudem klar gegen die behauptete Verfolgung, dass der Kläger vollkommen legal, mit eigenem auf seinen Namen lautenden echten Reisepass problemlos China auf dem Luftweg verlassen konnte.
15 
Was die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers angeht, steht der begehrten Asylanerkennung die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Der in China nach eigenen Angaben unpolitische und sogar aus Opportunismus der kommunistischen Jugendbewegung beigetretene Kläger hat nämlich mit seinem exilpolitischen Engagement in Deutschland ganz offensichtlich nicht eine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat er sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass hier erkennbar wäre, dass dies aufgrund eines einmaligen, ihn tiefgreifend berührenden Schlüssel oder Erweckungserlebnisses bzw. aufgrund eines späten politischen Erwachens und eines daraus resultierenden inneren Überzeugungsdrangs geschehen wäre.
16 
Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden allerdings keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylVfG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies im Regelfall („insbesondere“) dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind. Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylVfG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
17 
Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
18 
Denn seine Furcht ist begründet, wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylVfG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
19 
Zwar hat der Kläger keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb der Ostturkestanischen Union inne, sondern hat sich bislang nur als einfaches Mitglied betätigt, indem er an den genannten Demonstrationen und Versammlungen dieser Organisation teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
20 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Urumqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen wie der Ostturkestan Union reagieren, die kaum mehr als 50 bis 60 Uiguren für solche insbesondere in München durchgeführte chinakritische Aktionen auf die Beine bringen. Das zeigt insbesondere der Umstand, dass das chinesische Generalkonsulat sogar versuchte, mit allen Mitteln die Veranstaltung dieser Gruppierung mit dem Bayerischen Landtag zu verhindern, und in diesem Zusammenhang - wie nach der Auskunftslage auch die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren ganz allgemein - ganz offenbar in keiner Weise mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten zu unterscheiden vermochte, sondern auch diese Gruppierung unterschiedslos als terroristisch einstufte. Das zeigt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren solche Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die agressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen, zu denen das Engagement der Ostturkestanischen Union zweifellos zählt, können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen.
21 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das des Klägers, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mangels ausreichender Profiliertheit nicht für eine Flüchtlingsanerkennung ausgereicht hätte, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls heute in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (vgl. zur früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: BayVGH, u. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris; OVG Thüringen, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 -, juris; VG Frankfurt, U. v. 13.11.2003 - 4 E 5241/01.AF(2) -, juris; VG Chemnitz, U. v. 1.4.2006 - 3 A 277/04.A -, juris; VG Würzburg, U. v. 23.6.2004 - W 4 K 03.30773 -, juris; VG Chemnitz, U. v. 10.3.2006 - 3 A 108/02.A -, juris; aus jüngster Zeit siehe VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 961/12 -, juris stattgebend unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Situation für einen Uiguren, der allerdings noch ein Interview gegeben und durch Singen uigurischer Lieder individuell hervorgetreten war).
22 
Im Einzelnen stellt sich die geschilderte Situation nach den vorliegenden Auskünften und Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16, 17; amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München) wie folgt dar:
23 
Ganz generell rückt die chinesische Regierung heute jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stellt damit alle uigurischen Organisationen, auch die Ostturkestan Union in Europa e.V., unter den Generalverdacht eines solchen Separatismus, obwohl diese, anders als die East Turkestan Islamic Movement ETIM nicht auf der Liste der Vereinten Nationen als Terrororganisation geführt wird (siehe dazu AA Lagebericht China 18.6.2013, S. 17, wonach die chinesische Regierung Erkenntnisse über Verbindungen einzelner uigurischer separatistischer Splittergruppen zu den Taliban bzw. Al Qaida „zu einem Generalverdacht“ gegenüber allen uigurischen Organisationen „missbraucht“; zu den Einschüchterungsversuchen des Chinesischen Generalkonsulats in München gegenüber der Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags wegen dessen gemeinsamer Aktion mit dem - von chinesischer Seite der ETIM gleichgesetzten - Uigurischen Weltkongress zum chinesischen Nationalfeiertag am 1.10.2012 - siehe http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). Obwohl im Jahre 2004 sogar BKA Verbindungsbeamte nach China reisten, um den von chinesischer Seite immer wieder vorgebrachten Vorwürfen einer Verbindung der uigurischen Exilgruppen zu terroristisch agierenden Gruppen wie der ETIM nachzugehen, konnte die chinesische Seite offenbar keine handfesten Anhaltspunkte liefern, so dass diese Gruppen nach wie vor in Deutschland nicht verboten sind (amnesty international, Auskunft vom 30.11.2006 an VG München, S. 7) und auch in der EU nicht auf der Terrorismusliste stehen.
24 
Die Beteiligung an einer von chinesischer Seite als staatsgefährdend angesehenen Organisation wie der Osturkestan-Bewegung reicht nach chinesischem Recht für eine Strafbarkeit aus, wobei auch gewaltfreies Eintreten für solche Ziele nicht vor harten Strafen schützt (amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München; AA Lagebericht China, 18.6.2013 -, S. 16, 17).
25 
Die Organisation wird trotz ihres überschaubaren Mitgliederkreises und der geringen Zahl der Teilnehmer genau beobachtet (so ausführlich VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 962/12 -, juris unter anderem auch unter Verweis auf den Briefwechsel zwischen der bayerischen Landtagsvizepräsidentin und dem chinesischen Generalkonsulat, das gefordert hatte, die „absurde“ Veranstaltung zu unterbinden; zur intensiven chinesischen geheimdienstlichen Beobachtung der uigurischen Exilszene in Deutschland, obwohl diese mit ca. 600 hauptsächlich in München lebenden Uiguren vergleichsweise klein und überschaubar ist, siehe unter anderem DER SPIEGEL Nr. 29/2009 v. 13.7.2009, S. 39 - im internet über google auffindbar -, wonach uigurische Aktivitäten, neben den Aktivitäten der Tibeter, der Demokratiebewegung in China, der Falun-Gong-Anhänger und der Aktivitäten Taiwans von der chinesischen Staatspropaganda bezeichnenderweise als eines der „fünf Gifte“ bezeichnet werden; zur Strafbarkeit von Aktivitäten für die Ostturkestan Bewegung nach chinesischem Strafrecht - § 103 Chin.StGB und zur verschärften, undifferenziert gewaltfreie wie gewalttätige Aktivitäten gleichsetzenden Anwendung dieser Norm, sowie der Abhängigkeit ihrer Anwendung durch die Sicherheitsbehörden und chinesischen Gerichte von den politischen Richtlinien amnesty international, Auskunft vom 29.4.2002 an BayVGH und amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München zur verschärften Anwendung des Separatismusstraftatbestandes nach dem Anschlag vom 11. September; eine ausführliche Darstellung der Auskunftslage zu diesem Fragenkreis und zur besonderen Empfindlichkeit der chinesischen Staatsführung gegenüber uigurischen Aktivitäten und zum Separatismusstraftatbestand findet sich auch in der Entscheidung des BayVGH, U. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris, Rdnrn. 27 - 39 und ThürOVG, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 - juris, Rdnrn. 42 - 51).
26 
Den vorliegenden Berichten zufolge sind auch immer wieder aus anderen Staaten nach China abgeschobene Uiguren dort inhaftiert und wegen Separatismus angeklagt worden oder gar spurlos (wahrscheinlich in einem der sogenannten „schwarzen“ Geheimgefängnisse) verschwunden. Selbst die von den USA aus der Haft in Guantanamo freigelassenen Uiguren, die immerhin als Terroristen verdächtigt worden waren, wurden nicht nach China zurück abgeschoben, sondern statt dessen zu ihrem Schutz vor chinesischer Strafverfolgung in jeweils kleineren Gruppen von einigen mit den USA verbündeten Staaten aufgenommen, wie etwa Albanien etc. (siehe amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 3, Fn. 6 und 7; zur Behandlung uigrischer Rückkehrer: AA Lagebericht China 18.6.2013 S. 17 unten; zur Verhaftung von Malaysia und auch Thailand aus nach China abgeschobener Uiguren unter Separatismusverdacht Human Rights Watch v. 14.3.2014 unter www.ecoi.net; GfbV, www.gfbv.ch - factsheets uiguren - dort die Meldungen v. 29.8.2011: China drängt Nachbarstaaten zur Auslieferung uigurischer Flüchtlinge, v. 18.12.2010 - Seit einem Jahr verschwunden: Von Kambodscha nach China abgeschobene Uiguren, v. 24.3.2010: Guantanamo Uiguren - Willkommen in der Schweiz; siehe auch Der Spiegel online v. 2.1.2014: China verlangt Auslieferung von Guantanamo Häftlingen).
27 
Wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf alle auch gewaltfreien uigurischen Aktivitäten reagiert, zeigt sich bereits daran, dass sie Rebiya Kadeer, die gewählte Präsidentin des Uigurischen Weltkongresses (World Uyghur Congress - WUC), die schon 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, als Staatsfeindin Nr. 1 bezeichnete (http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china; dazu auch amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 4 Fn. 18 und S. 6 Fn. 23 zur Sippenhaft, Folter und Strafverfolgung der drei Söhne von Rebiya Kadeer als Sanktion für ihre politischen Aktivitäten).
28 
Vom jeweiligen Grad der Spannungen zwischen der chinesischen Staatsführung und der uigurischen Minderheit hängt auch die Anwendung und Auslegung der Separatismusstraftatbestände durch die chinesischen Sicherheitsbehörden und die der staatlichen Kontrolle unterworfenen chinesischen Strafgerichte ab (so amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH, S. 3).
29 
Dass diese Spannungen seit den Vorfällen in Urumqi im Juli 2009 sich bis heute noch stetig weiter gesteigert haben, ist daher durchaus von Bedeutung für die Frage, inwieweit der Kläger wegen seines exilpolitischen Engagements für die zum Uigurischen Weltkongress zählende Osturkestanische Union in Europa e.V. bei einer Rückkehr nach China dort politisch motivierte Strafverfolgung droht. Insofern ist bedeutsam, dass die Situation seit 2009 immer weiter gefährlich eskaliert ist und die Nerven der chinesischen Führung aufgrund der zahlreichen im Folgenden dargestellten Ereignisse „blank liegen“ dürften, was regelmäßig die Gefahr auch von Überreaktionen gegenüber selbst nur geringfügig aktiven Uiguren begründen wird, die aus dem Exil zurückkehren und sich dort für Ostturkestan stark gemacht haben: So kam es am 19.8.2010 in Aksu/Xinjiang zu einem Sprengstoffanschlag mit 7 Toten und 14 Verletzten kam, im Juli 2011 zu einem Überfall auf eine Polizeistation in Hotan 19 Personen und bei Unruhen in Kashgar wurden am 30.7.2011 mehr als 20 Personen getötet. Im Februar 2012 kam es in Yengchen zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Uiguren und Sicherheitskräften und am 29.6.2012 zu einer von sechs Uiguren versuchten Flugzeugentführung in Hotan (AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16). Im Oktober 2013 verursachte eine uigurische Familie absichtlich einen Autounfall auf dem Platz des himmlischen Friedens und setzte dann sich und das Fahrzeug in Brand, im November 2013 kam es zu einer tödlichen Explosion vor der chinesischen KP-Zentrale und in Nordwestchina erschoss im Dezember 2013 die Polizei acht Menschen (siehe dazu spiegel-online v. 30.10., 6.11 und 30.12.2013). Zuletzt gab es am 2.3.2014 einen blutigen Anschlag mit Messern und Beilen auf die Reisenden eines Busbahnhofs in der chinesischen Stadt Kunming mit 29 Toten, und 130 Verletzten, den die Staatsführung sofort und - trotz der Tötung von vier Angreifern und Festnahme von drei weiteren bisher ohne Beleg - terroristischen uigurischen Separatisten anlastete (DER SPIEGEL online - 2.3.2014 - www.spiegel.de). Im Februar war zuvor am 20.2.2014 der uigurische Universitätsprofessor Ilham Tohti wegen mutmaßlichen Separatismus festgenommen worden, der die Webseite Uyghur Online gegründet hatte. Acht junge Uigurinnen, die entweder seine Studentinnen waren oder zu der Webseite beigetragen hatten, sind bereits im Januar 2014 verhaftet worden. Der Parteichef der Region Xinjiang gelobte, den Terrorismus mit äußerster Macht zu bekämpfen und der Vorsitzende der Region Xinjiang erklärte laut Bejing News Reports, dass „Kräfte von außen“ den Separatismus beeinflussen. Es gebe „Leute außerhalb Chinas“, die kein einiges, starkes kommunistisches China wollten (siehe zu alldem Reporters Sans Frontieres v. 12.3.2014 und BBC-News v. 3.3.2014 und v. 7.3.2014 sowie Congressional Executive Commission to China v. 4.3.2014 - alle über www.ecoi.net unter dem Stichwort China, Uiguren zu finden).
30 
In der Provinz Xinjinang werden vor diesem Hintergrund besonders grausame Foltermethoden gegenüber (vermeintlichen) Separatisten angewandt. Zehntausende Uiguren wurden als solche in den letzten Jahren verhaftet (amnesty international, Auskunft 30.11.2006 an VG München, S. 7). Die chinesische Staatsführung hält schon seit Jahren die Provinz Xinjiang in ihrem dauernden Fokus, in jeder Ortschaft soll mindestens ein Polizist stationiert sein, zahlreiche uigurische Webseiten wurden blockiert, Telefon und Telekommunikationsverkehr wird überwacht. Obwohl die Provinz nur 2 % der Gesamtbevölkerung Chinas aufweist, werden 50 % aller chinesischen Staatsschutzstrafverfahren in Xinjiang geführt. Deren Zahl stiegt insoweit von 376 im Jahre 2010 um 10% auf 414 im Jahre 2011. Die Intensität der Repressionen gegenüber mutmaßlichen Separatisten, die aus dem Ausland nach China zurückkehren, wird durch offizielle Äußerungen deutlich, wonach schon 2005 zahlreiche solcher Rückkehrer unmittelbar bei Grenzübertritt festgenommen worden seien und selbst in Fällen einer unstreitigen ausländischen Staatsbürgerschaft eine konsularische Betreuung verweigert wird. Zum Verbleib und der Identität werden in der Regel keine Angaben gemacht, da es sich um innere Angelegenheiten Chinas handle (so zu alldem AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16 und 17).
31 
Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, es handle sich bei den Aktivitäten des Klägers um derart offenkundig allein aus dem Bestreben nach Sicherung eines legalen Aufenthalts heraus motivierte asyltaktische Handlungen, dass dieses Verhalten auf eine selbst aus Sicht des Klägers objektiv nicht gegebene Verfolgungsgefahr schließen lasse (Art. 4 Abs. 3 d QRL).
32 
Nach allem erweist sich schließlich aufgrund der gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden aktuellen Fassung des AsylVfG dieunter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids getroffene negative Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG als rechtswidrig.
33 
Denn für eine solche Feststellung fehlt es in diesem Zeitpunkt an einer Ermächtigungsgrundlage. Europarechtlicher subsidiärer Schutz, wie er bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG geregelt war und nunmehr unter § 4 AsylVfG geregelt ist, ist nämlich gem. Art. 2 f der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) nur subsidiär, d.h. nur einer Person zu gewähren, welche die Voraussetzungen der „Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt“. Deshalb sieht § 31 Abs. 2 AsylVfG auch nur vor, dass in der Entscheidung des Bundesamtes über einen (beachtlichen) Asylantrag festzustellen ist, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder“ (falls dies nicht der Fall ist) der subsidiäre Schutz zuzuerkennen ist.
34 
Auch die unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids außerdem enthaltene negative Feststellung zum Vorliegen des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG erweist sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG „kann“ nämlich bei Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zum Vorliegen dieses nationalen Abschiebungsverbots abgesehen werden. Von dem damit der Beklagten eingeräumten Ermessen hat diese aber (entgegen § 40 1. HS VwVfG) keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr gar keine Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie den Bescheid auch hinsichtlich seiner Ziff. 3 hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit insoweit unter Kontrolle halten muss.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Asylanerkennung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt ist.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass der Status eines anerkannten Asylberechtigten mittlerweile nahezu vollständig dem Status eines anerkannten Flüchtlings gleicht (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 21.12.2006 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2007, 469 und B. v. 22.4.2008 - 10 B 88.07 -, InfAuslR 2008, 322; siehe auch BVerwG, Urt. v. 1.3. 2011 - 10 C 2/10 -, juris - Rdziff. 53), ist das Unterliegen des Klägers bezüglich seiner Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

Gründe

 
12 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet.
13 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung sowie der negativen Feststellung zu § 60 AufenthG (a.F.) (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
14 
Der Kläger ist unverfolgt aus China ausgereist. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, war er nicht - wie noch zuvor der Wahrheit zuwider beim Bundesamt angegeben - zweieinhalb Jahre inhaftiert. Soweit er in der mündlichen Verhandlung angab, immerhin zwei Tage inhaftiert worden zu sein, ist auch dies nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seiner Verhaftung und den anschließenden Ereignissen stehen nicht nur im klaren Gegensatz zu seinem bisherigen Vorbringen beim Bundesamt, sondern waren einsilbig, in keiner Weise auch nur ansatzweise detailliert oder lebensnah und beruhten offenbar nicht auf selbst Erlebtem. Von sich aus vermochte der Kläger hier nichts zu sagen, sondern hat nur sehr knapp und zum Teil erst auf intensives Nachfragen jeweils die Fragen des Gerichts beantwortet. Wie das Bundesamt im Ablehnungsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, spricht zudem klar gegen die behauptete Verfolgung, dass der Kläger vollkommen legal, mit eigenem auf seinen Namen lautenden echten Reisepass problemlos China auf dem Luftweg verlassen konnte.
15 
Was die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers angeht, steht der begehrten Asylanerkennung die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Der in China nach eigenen Angaben unpolitische und sogar aus Opportunismus der kommunistischen Jugendbewegung beigetretene Kläger hat nämlich mit seinem exilpolitischen Engagement in Deutschland ganz offensichtlich nicht eine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat er sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass hier erkennbar wäre, dass dies aufgrund eines einmaligen, ihn tiefgreifend berührenden Schlüssel oder Erweckungserlebnisses bzw. aufgrund eines späten politischen Erwachens und eines daraus resultierenden inneren Überzeugungsdrangs geschehen wäre.
16 
Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden allerdings keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylVfG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies im Regelfall („insbesondere“) dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind. Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylVfG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
17 
Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
18 
Denn seine Furcht ist begründet, wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylVfG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
19 
Zwar hat der Kläger keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb der Ostturkestanischen Union inne, sondern hat sich bislang nur als einfaches Mitglied betätigt, indem er an den genannten Demonstrationen und Versammlungen dieser Organisation teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
20 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Urumqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen wie der Ostturkestan Union reagieren, die kaum mehr als 50 bis 60 Uiguren für solche insbesondere in München durchgeführte chinakritische Aktionen auf die Beine bringen. Das zeigt insbesondere der Umstand, dass das chinesische Generalkonsulat sogar versuchte, mit allen Mitteln die Veranstaltung dieser Gruppierung mit dem Bayerischen Landtag zu verhindern, und in diesem Zusammenhang - wie nach der Auskunftslage auch die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren ganz allgemein - ganz offenbar in keiner Weise mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten zu unterscheiden vermochte, sondern auch diese Gruppierung unterschiedslos als terroristisch einstufte. Das zeigt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren solche Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die agressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen, zu denen das Engagement der Ostturkestanischen Union zweifellos zählt, können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen.
21 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das des Klägers, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mangels ausreichender Profiliertheit nicht für eine Flüchtlingsanerkennung ausgereicht hätte, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls heute in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (vgl. zur früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: BayVGH, u. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris; OVG Thüringen, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 -, juris; VG Frankfurt, U. v. 13.11.2003 - 4 E 5241/01.AF(2) -, juris; VG Chemnitz, U. v. 1.4.2006 - 3 A 277/04.A -, juris; VG Würzburg, U. v. 23.6.2004 - W 4 K 03.30773 -, juris; VG Chemnitz, U. v. 10.3.2006 - 3 A 108/02.A -, juris; aus jüngster Zeit siehe VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 961/12 -, juris stattgebend unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Situation für einen Uiguren, der allerdings noch ein Interview gegeben und durch Singen uigurischer Lieder individuell hervorgetreten war).
22 
Im Einzelnen stellt sich die geschilderte Situation nach den vorliegenden Auskünften und Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16, 17; amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München) wie folgt dar:
23 
Ganz generell rückt die chinesische Regierung heute jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stellt damit alle uigurischen Organisationen, auch die Ostturkestan Union in Europa e.V., unter den Generalverdacht eines solchen Separatismus, obwohl diese, anders als die East Turkestan Islamic Movement ETIM nicht auf der Liste der Vereinten Nationen als Terrororganisation geführt wird (siehe dazu AA Lagebericht China 18.6.2013, S. 17, wonach die chinesische Regierung Erkenntnisse über Verbindungen einzelner uigurischer separatistischer Splittergruppen zu den Taliban bzw. Al Qaida „zu einem Generalverdacht“ gegenüber allen uigurischen Organisationen „missbraucht“; zu den Einschüchterungsversuchen des Chinesischen Generalkonsulats in München gegenüber der Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags wegen dessen gemeinsamer Aktion mit dem - von chinesischer Seite der ETIM gleichgesetzten - Uigurischen Weltkongress zum chinesischen Nationalfeiertag am 1.10.2012 - siehe http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). Obwohl im Jahre 2004 sogar BKA Verbindungsbeamte nach China reisten, um den von chinesischer Seite immer wieder vorgebrachten Vorwürfen einer Verbindung der uigurischen Exilgruppen zu terroristisch agierenden Gruppen wie der ETIM nachzugehen, konnte die chinesische Seite offenbar keine handfesten Anhaltspunkte liefern, so dass diese Gruppen nach wie vor in Deutschland nicht verboten sind (amnesty international, Auskunft vom 30.11.2006 an VG München, S. 7) und auch in der EU nicht auf der Terrorismusliste stehen.
24 
Die Beteiligung an einer von chinesischer Seite als staatsgefährdend angesehenen Organisation wie der Osturkestan-Bewegung reicht nach chinesischem Recht für eine Strafbarkeit aus, wobei auch gewaltfreies Eintreten für solche Ziele nicht vor harten Strafen schützt (amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München; AA Lagebericht China, 18.6.2013 -, S. 16, 17).
25 
Die Organisation wird trotz ihres überschaubaren Mitgliederkreises und der geringen Zahl der Teilnehmer genau beobachtet (so ausführlich VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 962/12 -, juris unter anderem auch unter Verweis auf den Briefwechsel zwischen der bayerischen Landtagsvizepräsidentin und dem chinesischen Generalkonsulat, das gefordert hatte, die „absurde“ Veranstaltung zu unterbinden; zur intensiven chinesischen geheimdienstlichen Beobachtung der uigurischen Exilszene in Deutschland, obwohl diese mit ca. 600 hauptsächlich in München lebenden Uiguren vergleichsweise klein und überschaubar ist, siehe unter anderem DER SPIEGEL Nr. 29/2009 v. 13.7.2009, S. 39 - im internet über google auffindbar -, wonach uigurische Aktivitäten, neben den Aktivitäten der Tibeter, der Demokratiebewegung in China, der Falun-Gong-Anhänger und der Aktivitäten Taiwans von der chinesischen Staatspropaganda bezeichnenderweise als eines der „fünf Gifte“ bezeichnet werden; zur Strafbarkeit von Aktivitäten für die Ostturkestan Bewegung nach chinesischem Strafrecht - § 103 Chin.StGB und zur verschärften, undifferenziert gewaltfreie wie gewalttätige Aktivitäten gleichsetzenden Anwendung dieser Norm, sowie der Abhängigkeit ihrer Anwendung durch die Sicherheitsbehörden und chinesischen Gerichte von den politischen Richtlinien amnesty international, Auskunft vom 29.4.2002 an BayVGH und amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München zur verschärften Anwendung des Separatismusstraftatbestandes nach dem Anschlag vom 11. September; eine ausführliche Darstellung der Auskunftslage zu diesem Fragenkreis und zur besonderen Empfindlichkeit der chinesischen Staatsführung gegenüber uigurischen Aktivitäten und zum Separatismusstraftatbestand findet sich auch in der Entscheidung des BayVGH, U. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris, Rdnrn. 27 - 39 und ThürOVG, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 - juris, Rdnrn. 42 - 51).
26 
Den vorliegenden Berichten zufolge sind auch immer wieder aus anderen Staaten nach China abgeschobene Uiguren dort inhaftiert und wegen Separatismus angeklagt worden oder gar spurlos (wahrscheinlich in einem der sogenannten „schwarzen“ Geheimgefängnisse) verschwunden. Selbst die von den USA aus der Haft in Guantanamo freigelassenen Uiguren, die immerhin als Terroristen verdächtigt worden waren, wurden nicht nach China zurück abgeschoben, sondern statt dessen zu ihrem Schutz vor chinesischer Strafverfolgung in jeweils kleineren Gruppen von einigen mit den USA verbündeten Staaten aufgenommen, wie etwa Albanien etc. (siehe amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 3, Fn. 6 und 7; zur Behandlung uigrischer Rückkehrer: AA Lagebericht China 18.6.2013 S. 17 unten; zur Verhaftung von Malaysia und auch Thailand aus nach China abgeschobener Uiguren unter Separatismusverdacht Human Rights Watch v. 14.3.2014 unter www.ecoi.net; GfbV, www.gfbv.ch - factsheets uiguren - dort die Meldungen v. 29.8.2011: China drängt Nachbarstaaten zur Auslieferung uigurischer Flüchtlinge, v. 18.12.2010 - Seit einem Jahr verschwunden: Von Kambodscha nach China abgeschobene Uiguren, v. 24.3.2010: Guantanamo Uiguren - Willkommen in der Schweiz; siehe auch Der Spiegel online v. 2.1.2014: China verlangt Auslieferung von Guantanamo Häftlingen).
27 
Wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf alle auch gewaltfreien uigurischen Aktivitäten reagiert, zeigt sich bereits daran, dass sie Rebiya Kadeer, die gewählte Präsidentin des Uigurischen Weltkongresses (World Uyghur Congress - WUC), die schon 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, als Staatsfeindin Nr. 1 bezeichnete (http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china; dazu auch amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 4 Fn. 18 und S. 6 Fn. 23 zur Sippenhaft, Folter und Strafverfolgung der drei Söhne von Rebiya Kadeer als Sanktion für ihre politischen Aktivitäten).
28 
Vom jeweiligen Grad der Spannungen zwischen der chinesischen Staatsführung und der uigurischen Minderheit hängt auch die Anwendung und Auslegung der Separatismusstraftatbestände durch die chinesischen Sicherheitsbehörden und die der staatlichen Kontrolle unterworfenen chinesischen Strafgerichte ab (so amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH, S. 3).
29 
Dass diese Spannungen seit den Vorfällen in Urumqi im Juli 2009 sich bis heute noch stetig weiter gesteigert haben, ist daher durchaus von Bedeutung für die Frage, inwieweit der Kläger wegen seines exilpolitischen Engagements für die zum Uigurischen Weltkongress zählende Osturkestanische Union in Europa e.V. bei einer Rückkehr nach China dort politisch motivierte Strafverfolgung droht. Insofern ist bedeutsam, dass die Situation seit 2009 immer weiter gefährlich eskaliert ist und die Nerven der chinesischen Führung aufgrund der zahlreichen im Folgenden dargestellten Ereignisse „blank liegen“ dürften, was regelmäßig die Gefahr auch von Überreaktionen gegenüber selbst nur geringfügig aktiven Uiguren begründen wird, die aus dem Exil zurückkehren und sich dort für Ostturkestan stark gemacht haben: So kam es am 19.8.2010 in Aksu/Xinjiang zu einem Sprengstoffanschlag mit 7 Toten und 14 Verletzten kam, im Juli 2011 zu einem Überfall auf eine Polizeistation in Hotan 19 Personen und bei Unruhen in Kashgar wurden am 30.7.2011 mehr als 20 Personen getötet. Im Februar 2012 kam es in Yengchen zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Uiguren und Sicherheitskräften und am 29.6.2012 zu einer von sechs Uiguren versuchten Flugzeugentführung in Hotan (AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16). Im Oktober 2013 verursachte eine uigurische Familie absichtlich einen Autounfall auf dem Platz des himmlischen Friedens und setzte dann sich und das Fahrzeug in Brand, im November 2013 kam es zu einer tödlichen Explosion vor der chinesischen KP-Zentrale und in Nordwestchina erschoss im Dezember 2013 die Polizei acht Menschen (siehe dazu spiegel-online v. 30.10., 6.11 und 30.12.2013). Zuletzt gab es am 2.3.2014 einen blutigen Anschlag mit Messern und Beilen auf die Reisenden eines Busbahnhofs in der chinesischen Stadt Kunming mit 29 Toten, und 130 Verletzten, den die Staatsführung sofort und - trotz der Tötung von vier Angreifern und Festnahme von drei weiteren bisher ohne Beleg - terroristischen uigurischen Separatisten anlastete (DER SPIEGEL online - 2.3.2014 - www.spiegel.de). Im Februar war zuvor am 20.2.2014 der uigurische Universitätsprofessor Ilham Tohti wegen mutmaßlichen Separatismus festgenommen worden, der die Webseite Uyghur Online gegründet hatte. Acht junge Uigurinnen, die entweder seine Studentinnen waren oder zu der Webseite beigetragen hatten, sind bereits im Januar 2014 verhaftet worden. Der Parteichef der Region Xinjiang gelobte, den Terrorismus mit äußerster Macht zu bekämpfen und der Vorsitzende der Region Xinjiang erklärte laut Bejing News Reports, dass „Kräfte von außen“ den Separatismus beeinflussen. Es gebe „Leute außerhalb Chinas“, die kein einiges, starkes kommunistisches China wollten (siehe zu alldem Reporters Sans Frontieres v. 12.3.2014 und BBC-News v. 3.3.2014 und v. 7.3.2014 sowie Congressional Executive Commission to China v. 4.3.2014 - alle über www.ecoi.net unter dem Stichwort China, Uiguren zu finden).
30 
In der Provinz Xinjinang werden vor diesem Hintergrund besonders grausame Foltermethoden gegenüber (vermeintlichen) Separatisten angewandt. Zehntausende Uiguren wurden als solche in den letzten Jahren verhaftet (amnesty international, Auskunft 30.11.2006 an VG München, S. 7). Die chinesische Staatsführung hält schon seit Jahren die Provinz Xinjiang in ihrem dauernden Fokus, in jeder Ortschaft soll mindestens ein Polizist stationiert sein, zahlreiche uigurische Webseiten wurden blockiert, Telefon und Telekommunikationsverkehr wird überwacht. Obwohl die Provinz nur 2 % der Gesamtbevölkerung Chinas aufweist, werden 50 % aller chinesischen Staatsschutzstrafverfahren in Xinjiang geführt. Deren Zahl stiegt insoweit von 376 im Jahre 2010 um 10% auf 414 im Jahre 2011. Die Intensität der Repressionen gegenüber mutmaßlichen Separatisten, die aus dem Ausland nach China zurückkehren, wird durch offizielle Äußerungen deutlich, wonach schon 2005 zahlreiche solcher Rückkehrer unmittelbar bei Grenzübertritt festgenommen worden seien und selbst in Fällen einer unstreitigen ausländischen Staatsbürgerschaft eine konsularische Betreuung verweigert wird. Zum Verbleib und der Identität werden in der Regel keine Angaben gemacht, da es sich um innere Angelegenheiten Chinas handle (so zu alldem AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16 und 17).
31 
Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, es handle sich bei den Aktivitäten des Klägers um derart offenkundig allein aus dem Bestreben nach Sicherung eines legalen Aufenthalts heraus motivierte asyltaktische Handlungen, dass dieses Verhalten auf eine selbst aus Sicht des Klägers objektiv nicht gegebene Verfolgungsgefahr schließen lasse (Art. 4 Abs. 3 d QRL).
32 
Nach allem erweist sich schließlich aufgrund der gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden aktuellen Fassung des AsylVfG dieunter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids getroffene negative Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG als rechtswidrig.
33 
Denn für eine solche Feststellung fehlt es in diesem Zeitpunkt an einer Ermächtigungsgrundlage. Europarechtlicher subsidiärer Schutz, wie er bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG geregelt war und nunmehr unter § 4 AsylVfG geregelt ist, ist nämlich gem. Art. 2 f der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) nur subsidiär, d.h. nur einer Person zu gewähren, welche die Voraussetzungen der „Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt“. Deshalb sieht § 31 Abs. 2 AsylVfG auch nur vor, dass in der Entscheidung des Bundesamtes über einen (beachtlichen) Asylantrag festzustellen ist, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder“ (falls dies nicht der Fall ist) der subsidiäre Schutz zuzuerkennen ist.
34 
Auch die unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids außerdem enthaltene negative Feststellung zum Vorliegen des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG erweist sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG „kann“ nämlich bei Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zum Vorliegen dieses nationalen Abschiebungsverbots abgesehen werden. Von dem damit der Beklagten eingeräumten Ermessen hat diese aber (entgegen § 40 1. HS VwVfG) keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr gar keine Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie den Bescheid auch hinsichtlich seiner Ziff. 3 hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit insoweit unter Kontrolle halten muss.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Asylanerkennung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt ist.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass der Status eines anerkannten Asylberechtigten mittlerweile nahezu vollständig dem Status eines anerkannten Flüchtlings gleicht (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 21.12.2006 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2007, 469 und B. v. 22.4.2008 - 10 B 88.07 -, InfAuslR 2008, 322; siehe auch BVerwG, Urt. v. 1.3. 2011 - 10 C 2/10 -, juris - Rdziff. 53), ist das Unterliegen des Klägers bezüglich seiner Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Asylberechtigte genießen im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge.

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften, die den Asylberechtigten eine günstigere Rechtsstellung einräumen.

(3) Ausländer, denen bis zum Wirksamwerden des Beitritts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Asyl gewährt worden ist, gelten als Asylberechtigte.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Ein Ausländer wird in der Regel nicht als Asylberechtigter anerkannt, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die er nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat, es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Satz 1 findet insbesondere keine Anwendung, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte.

(1a) Die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 zu erleiden, kann auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer das Herkunftsland verlassen hat, insbesondere auch auf einem Verhalten des Ausländers, das Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung ist.

(2) Stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines Asylantrags erneut einen Asylantrag und stützt diesen auf Umstände, die er nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung seines früheren Antrags selbst geschaffen hat, kann in einem Folgeverfahren in der Regel die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.4.2012 wird bezüglich der Ziffern 2 - 4 aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger, ein chinesischer Staatsangehöriger uigurischer Volkszugehörigkeit, reiste am 5.1.2012 ins Bundesgebiet ein, stellte am 9.1.2012 einen Asylantrag und gab bei seiner Anhörung am 6.2.2012 im Wesentlichen an, er sei unpolitisch, Sportstudent, und wegen seiner Teilnahme an den Demonstrationen der Uiguren gegen die chinesische Staatspolitik von den chinesischen Sicherheitsbehörden in der Zeit vom 7.7.2009 bis 3.9.2011 inhaftiert, in der Haft geschlagen und verhört worden. Nachdem seine Familie seine Entlassung bewirkt habe, sei er am 20.12.2011 legal mit seinem eigenen Reisepass über den Flughafen Guangzhou aus China ausgereist und über Malaysia und die Türkei nach Deutschland geflogen.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 24.4.2012 lehnte das Bundesamt eine Asylanerkennung der Kläger ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht binnen Monatsfrist nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens erfolgter freiwilliger Ausreise seine Abschiebung nach China an.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, das Vorbringen des Klägers sei unglaubhaft. Er sei offenbar unverfolgt, nämlich problemlos mit seinem eigenen Reisepass unter seinem Namen, legal aus China ausgereist. Außerdem seien ihm während seiner angeblichen mehrjährigen Haftzeit zahlreiche Dokumente (Personalausweis, Führerschein, Impfpass etc.) ausgestellt worden, obwohl solche Dokumente einem Häftling während der Haft nicht ausgestellt würden. Schließlich sei er ausweislich seiner mitgeführten Dokumente sogar Mitglied der Kommunistischen Chinesischen Jugendorganisation, also ganz offenbar kein wirklicher Regimegegner.
Nach Zustellung des Bescheid am 28.4.2012 hat der Kläger dagegen am 3.5.2012 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
Zur Begründung verweist der Kläger ergänzend auf exilpolitischen Aktivitäten. Er habe Kontakt zur Ostturkestan Union und zum Uigurischen Weltkongress. Seit 1.6.2012 sei er Mitglied der Ostturkestan Union in Europa e.V und habe an deren Demonstration am 1.10.2012 in München anlässlich der Einladung dieser Gruppe zu einer Anhörung im bayerischen Landtag teilgenommen. Ausweislich eines Briefwechsels zwischen dem chinesischen Generalkonsulat und der Landtagsvizepräsidentin habe China versucht, diese Veranstaltung zu verhindern, indem sie die beiden Organisationen undifferenziert als terroristisch bezeichnet habe. Im Beisein der Vorsitzenden des Uigurischen Weltkongresses, Frau Rabiya Kadeer, habe der Kläger an der Aktion teilgenommen. Des weiteren habe er am 5.7.2013 und am 1.10.2013 erneut an Protestaktionen teilgenommen, bei denen unter anderem der Abzug der chinesischen Armee aus Ostturkestan gefordert werde. Dazu legte der Kläger jeweils Fotos vor.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24.4.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, höchst hilfsweise: die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
10 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten (je ein Heft Gerichtsakten bzw. Akten der Beklagten) und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen.
11 
Der Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht persönlich zu seinen Asylgründen angehört worden. Auf die dazu angefertigte Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet.
13 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung sowie der negativen Feststellung zu § 60 AufenthG (a.F.) (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
14 
Der Kläger ist unverfolgt aus China ausgereist. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, war er nicht - wie noch zuvor der Wahrheit zuwider beim Bundesamt angegeben - zweieinhalb Jahre inhaftiert. Soweit er in der mündlichen Verhandlung angab, immerhin zwei Tage inhaftiert worden zu sein, ist auch dies nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seiner Verhaftung und den anschließenden Ereignissen stehen nicht nur im klaren Gegensatz zu seinem bisherigen Vorbringen beim Bundesamt, sondern waren einsilbig, in keiner Weise auch nur ansatzweise detailliert oder lebensnah und beruhten offenbar nicht auf selbst Erlebtem. Von sich aus vermochte der Kläger hier nichts zu sagen, sondern hat nur sehr knapp und zum Teil erst auf intensives Nachfragen jeweils die Fragen des Gerichts beantwortet. Wie das Bundesamt im Ablehnungsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, spricht zudem klar gegen die behauptete Verfolgung, dass der Kläger vollkommen legal, mit eigenem auf seinen Namen lautenden echten Reisepass problemlos China auf dem Luftweg verlassen konnte.
15 
Was die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers angeht, steht der begehrten Asylanerkennung die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Der in China nach eigenen Angaben unpolitische und sogar aus Opportunismus der kommunistischen Jugendbewegung beigetretene Kläger hat nämlich mit seinem exilpolitischen Engagement in Deutschland ganz offensichtlich nicht eine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat er sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass hier erkennbar wäre, dass dies aufgrund eines einmaligen, ihn tiefgreifend berührenden Schlüssel oder Erweckungserlebnisses bzw. aufgrund eines späten politischen Erwachens und eines daraus resultierenden inneren Überzeugungsdrangs geschehen wäre.
16 
Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden allerdings keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylVfG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies im Regelfall („insbesondere“) dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind. Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylVfG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
17 
Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
18 
Denn seine Furcht ist begründet, wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylVfG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
19 
Zwar hat der Kläger keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb der Ostturkestanischen Union inne, sondern hat sich bislang nur als einfaches Mitglied betätigt, indem er an den genannten Demonstrationen und Versammlungen dieser Organisation teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
20 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Urumqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen wie der Ostturkestan Union reagieren, die kaum mehr als 50 bis 60 Uiguren für solche insbesondere in München durchgeführte chinakritische Aktionen auf die Beine bringen. Das zeigt insbesondere der Umstand, dass das chinesische Generalkonsulat sogar versuchte, mit allen Mitteln die Veranstaltung dieser Gruppierung mit dem Bayerischen Landtag zu verhindern, und in diesem Zusammenhang - wie nach der Auskunftslage auch die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren ganz allgemein - ganz offenbar in keiner Weise mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten zu unterscheiden vermochte, sondern auch diese Gruppierung unterschiedslos als terroristisch einstufte. Das zeigt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren solche Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die agressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen, zu denen das Engagement der Ostturkestanischen Union zweifellos zählt, können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen.
21 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das des Klägers, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mangels ausreichender Profiliertheit nicht für eine Flüchtlingsanerkennung ausgereicht hätte, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls heute in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (vgl. zur früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: BayVGH, u. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris; OVG Thüringen, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 -, juris; VG Frankfurt, U. v. 13.11.2003 - 4 E 5241/01.AF(2) -, juris; VG Chemnitz, U. v. 1.4.2006 - 3 A 277/04.A -, juris; VG Würzburg, U. v. 23.6.2004 - W 4 K 03.30773 -, juris; VG Chemnitz, U. v. 10.3.2006 - 3 A 108/02.A -, juris; aus jüngster Zeit siehe VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 961/12 -, juris stattgebend unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Situation für einen Uiguren, der allerdings noch ein Interview gegeben und durch Singen uigurischer Lieder individuell hervorgetreten war).
22 
Im Einzelnen stellt sich die geschilderte Situation nach den vorliegenden Auskünften und Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16, 17; amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München) wie folgt dar:
23 
Ganz generell rückt die chinesische Regierung heute jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stellt damit alle uigurischen Organisationen, auch die Ostturkestan Union in Europa e.V., unter den Generalverdacht eines solchen Separatismus, obwohl diese, anders als die East Turkestan Islamic Movement ETIM nicht auf der Liste der Vereinten Nationen als Terrororganisation geführt wird (siehe dazu AA Lagebericht China 18.6.2013, S. 17, wonach die chinesische Regierung Erkenntnisse über Verbindungen einzelner uigurischer separatistischer Splittergruppen zu den Taliban bzw. Al Qaida „zu einem Generalverdacht“ gegenüber allen uigurischen Organisationen „missbraucht“; zu den Einschüchterungsversuchen des Chinesischen Generalkonsulats in München gegenüber der Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags wegen dessen gemeinsamer Aktion mit dem - von chinesischer Seite der ETIM gleichgesetzten - Uigurischen Weltkongress zum chinesischen Nationalfeiertag am 1.10.2012 - siehe http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). Obwohl im Jahre 2004 sogar BKA Verbindungsbeamte nach China reisten, um den von chinesischer Seite immer wieder vorgebrachten Vorwürfen einer Verbindung der uigurischen Exilgruppen zu terroristisch agierenden Gruppen wie der ETIM nachzugehen, konnte die chinesische Seite offenbar keine handfesten Anhaltspunkte liefern, so dass diese Gruppen nach wie vor in Deutschland nicht verboten sind (amnesty international, Auskunft vom 30.11.2006 an VG München, S. 7) und auch in der EU nicht auf der Terrorismusliste stehen.
24 
Die Beteiligung an einer von chinesischer Seite als staatsgefährdend angesehenen Organisation wie der Osturkestan-Bewegung reicht nach chinesischem Recht für eine Strafbarkeit aus, wobei auch gewaltfreies Eintreten für solche Ziele nicht vor harten Strafen schützt (amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München; AA Lagebericht China, 18.6.2013 -, S. 16, 17).
25 
Die Organisation wird trotz ihres überschaubaren Mitgliederkreises und der geringen Zahl der Teilnehmer genau beobachtet (so ausführlich VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 962/12 -, juris unter anderem auch unter Verweis auf den Briefwechsel zwischen der bayerischen Landtagsvizepräsidentin und dem chinesischen Generalkonsulat, das gefordert hatte, die „absurde“ Veranstaltung zu unterbinden; zur intensiven chinesischen geheimdienstlichen Beobachtung der uigurischen Exilszene in Deutschland, obwohl diese mit ca. 600 hauptsächlich in München lebenden Uiguren vergleichsweise klein und überschaubar ist, siehe unter anderem DER SPIEGEL Nr. 29/2009 v. 13.7.2009, S. 39 - im internet über google auffindbar -, wonach uigurische Aktivitäten, neben den Aktivitäten der Tibeter, der Demokratiebewegung in China, der Falun-Gong-Anhänger und der Aktivitäten Taiwans von der chinesischen Staatspropaganda bezeichnenderweise als eines der „fünf Gifte“ bezeichnet werden; zur Strafbarkeit von Aktivitäten für die Ostturkestan Bewegung nach chinesischem Strafrecht - § 103 Chin.StGB und zur verschärften, undifferenziert gewaltfreie wie gewalttätige Aktivitäten gleichsetzenden Anwendung dieser Norm, sowie der Abhängigkeit ihrer Anwendung durch die Sicherheitsbehörden und chinesischen Gerichte von den politischen Richtlinien amnesty international, Auskunft vom 29.4.2002 an BayVGH und amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München zur verschärften Anwendung des Separatismusstraftatbestandes nach dem Anschlag vom 11. September; eine ausführliche Darstellung der Auskunftslage zu diesem Fragenkreis und zur besonderen Empfindlichkeit der chinesischen Staatsführung gegenüber uigurischen Aktivitäten und zum Separatismusstraftatbestand findet sich auch in der Entscheidung des BayVGH, U. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris, Rdnrn. 27 - 39 und ThürOVG, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 - juris, Rdnrn. 42 - 51).
26 
Den vorliegenden Berichten zufolge sind auch immer wieder aus anderen Staaten nach China abgeschobene Uiguren dort inhaftiert und wegen Separatismus angeklagt worden oder gar spurlos (wahrscheinlich in einem der sogenannten „schwarzen“ Geheimgefängnisse) verschwunden. Selbst die von den USA aus der Haft in Guantanamo freigelassenen Uiguren, die immerhin als Terroristen verdächtigt worden waren, wurden nicht nach China zurück abgeschoben, sondern statt dessen zu ihrem Schutz vor chinesischer Strafverfolgung in jeweils kleineren Gruppen von einigen mit den USA verbündeten Staaten aufgenommen, wie etwa Albanien etc. (siehe amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 3, Fn. 6 und 7; zur Behandlung uigrischer Rückkehrer: AA Lagebericht China 18.6.2013 S. 17 unten; zur Verhaftung von Malaysia und auch Thailand aus nach China abgeschobener Uiguren unter Separatismusverdacht Human Rights Watch v. 14.3.2014 unter www.ecoi.net; GfbV, www.gfbv.ch - factsheets uiguren - dort die Meldungen v. 29.8.2011: China drängt Nachbarstaaten zur Auslieferung uigurischer Flüchtlinge, v. 18.12.2010 - Seit einem Jahr verschwunden: Von Kambodscha nach China abgeschobene Uiguren, v. 24.3.2010: Guantanamo Uiguren - Willkommen in der Schweiz; siehe auch Der Spiegel online v. 2.1.2014: China verlangt Auslieferung von Guantanamo Häftlingen).
27 
Wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf alle auch gewaltfreien uigurischen Aktivitäten reagiert, zeigt sich bereits daran, dass sie Rebiya Kadeer, die gewählte Präsidentin des Uigurischen Weltkongresses (World Uyghur Congress - WUC), die schon 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, als Staatsfeindin Nr. 1 bezeichnete (http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china; dazu auch amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 4 Fn. 18 und S. 6 Fn. 23 zur Sippenhaft, Folter und Strafverfolgung der drei Söhne von Rebiya Kadeer als Sanktion für ihre politischen Aktivitäten).
28 
Vom jeweiligen Grad der Spannungen zwischen der chinesischen Staatsführung und der uigurischen Minderheit hängt auch die Anwendung und Auslegung der Separatismusstraftatbestände durch die chinesischen Sicherheitsbehörden und die der staatlichen Kontrolle unterworfenen chinesischen Strafgerichte ab (so amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH, S. 3).
29 
Dass diese Spannungen seit den Vorfällen in Urumqi im Juli 2009 sich bis heute noch stetig weiter gesteigert haben, ist daher durchaus von Bedeutung für die Frage, inwieweit der Kläger wegen seines exilpolitischen Engagements für die zum Uigurischen Weltkongress zählende Osturkestanische Union in Europa e.V. bei einer Rückkehr nach China dort politisch motivierte Strafverfolgung droht. Insofern ist bedeutsam, dass die Situation seit 2009 immer weiter gefährlich eskaliert ist und die Nerven der chinesischen Führung aufgrund der zahlreichen im Folgenden dargestellten Ereignisse „blank liegen“ dürften, was regelmäßig die Gefahr auch von Überreaktionen gegenüber selbst nur geringfügig aktiven Uiguren begründen wird, die aus dem Exil zurückkehren und sich dort für Ostturkestan stark gemacht haben: So kam es am 19.8.2010 in Aksu/Xinjiang zu einem Sprengstoffanschlag mit 7 Toten und 14 Verletzten kam, im Juli 2011 zu einem Überfall auf eine Polizeistation in Hotan 19 Personen und bei Unruhen in Kashgar wurden am 30.7.2011 mehr als 20 Personen getötet. Im Februar 2012 kam es in Yengchen zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Uiguren und Sicherheitskräften und am 29.6.2012 zu einer von sechs Uiguren versuchten Flugzeugentführung in Hotan (AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16). Im Oktober 2013 verursachte eine uigurische Familie absichtlich einen Autounfall auf dem Platz des himmlischen Friedens und setzte dann sich und das Fahrzeug in Brand, im November 2013 kam es zu einer tödlichen Explosion vor der chinesischen KP-Zentrale und in Nordwestchina erschoss im Dezember 2013 die Polizei acht Menschen (siehe dazu spiegel-online v. 30.10., 6.11 und 30.12.2013). Zuletzt gab es am 2.3.2014 einen blutigen Anschlag mit Messern und Beilen auf die Reisenden eines Busbahnhofs in der chinesischen Stadt Kunming mit 29 Toten, und 130 Verletzten, den die Staatsführung sofort und - trotz der Tötung von vier Angreifern und Festnahme von drei weiteren bisher ohne Beleg - terroristischen uigurischen Separatisten anlastete (DER SPIEGEL online - 2.3.2014 - www.spiegel.de). Im Februar war zuvor am 20.2.2014 der uigurische Universitätsprofessor Ilham Tohti wegen mutmaßlichen Separatismus festgenommen worden, der die Webseite Uyghur Online gegründet hatte. Acht junge Uigurinnen, die entweder seine Studentinnen waren oder zu der Webseite beigetragen hatten, sind bereits im Januar 2014 verhaftet worden. Der Parteichef der Region Xinjiang gelobte, den Terrorismus mit äußerster Macht zu bekämpfen und der Vorsitzende der Region Xinjiang erklärte laut Bejing News Reports, dass „Kräfte von außen“ den Separatismus beeinflussen. Es gebe „Leute außerhalb Chinas“, die kein einiges, starkes kommunistisches China wollten (siehe zu alldem Reporters Sans Frontieres v. 12.3.2014 und BBC-News v. 3.3.2014 und v. 7.3.2014 sowie Congressional Executive Commission to China v. 4.3.2014 - alle über www.ecoi.net unter dem Stichwort China, Uiguren zu finden).
30 
In der Provinz Xinjinang werden vor diesem Hintergrund besonders grausame Foltermethoden gegenüber (vermeintlichen) Separatisten angewandt. Zehntausende Uiguren wurden als solche in den letzten Jahren verhaftet (amnesty international, Auskunft 30.11.2006 an VG München, S. 7). Die chinesische Staatsführung hält schon seit Jahren die Provinz Xinjiang in ihrem dauernden Fokus, in jeder Ortschaft soll mindestens ein Polizist stationiert sein, zahlreiche uigurische Webseiten wurden blockiert, Telefon und Telekommunikationsverkehr wird überwacht. Obwohl die Provinz nur 2 % der Gesamtbevölkerung Chinas aufweist, werden 50 % aller chinesischen Staatsschutzstrafverfahren in Xinjiang geführt. Deren Zahl stiegt insoweit von 376 im Jahre 2010 um 10% auf 414 im Jahre 2011. Die Intensität der Repressionen gegenüber mutmaßlichen Separatisten, die aus dem Ausland nach China zurückkehren, wird durch offizielle Äußerungen deutlich, wonach schon 2005 zahlreiche solcher Rückkehrer unmittelbar bei Grenzübertritt festgenommen worden seien und selbst in Fällen einer unstreitigen ausländischen Staatsbürgerschaft eine konsularische Betreuung verweigert wird. Zum Verbleib und der Identität werden in der Regel keine Angaben gemacht, da es sich um innere Angelegenheiten Chinas handle (so zu alldem AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16 und 17).
31 
Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, es handle sich bei den Aktivitäten des Klägers um derart offenkundig allein aus dem Bestreben nach Sicherung eines legalen Aufenthalts heraus motivierte asyltaktische Handlungen, dass dieses Verhalten auf eine selbst aus Sicht des Klägers objektiv nicht gegebene Verfolgungsgefahr schließen lasse (Art. 4 Abs. 3 d QRL).
32 
Nach allem erweist sich schließlich aufgrund der gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden aktuellen Fassung des AsylVfG dieunter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids getroffene negative Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG als rechtswidrig.
33 
Denn für eine solche Feststellung fehlt es in diesem Zeitpunkt an einer Ermächtigungsgrundlage. Europarechtlicher subsidiärer Schutz, wie er bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG geregelt war und nunmehr unter § 4 AsylVfG geregelt ist, ist nämlich gem. Art. 2 f der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) nur subsidiär, d.h. nur einer Person zu gewähren, welche die Voraussetzungen der „Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt“. Deshalb sieht § 31 Abs. 2 AsylVfG auch nur vor, dass in der Entscheidung des Bundesamtes über einen (beachtlichen) Asylantrag festzustellen ist, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder“ (falls dies nicht der Fall ist) der subsidiäre Schutz zuzuerkennen ist.
34 
Auch die unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids außerdem enthaltene negative Feststellung zum Vorliegen des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG erweist sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG „kann“ nämlich bei Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zum Vorliegen dieses nationalen Abschiebungsverbots abgesehen werden. Von dem damit der Beklagten eingeräumten Ermessen hat diese aber (entgegen § 40 1. HS VwVfG) keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr gar keine Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie den Bescheid auch hinsichtlich seiner Ziff. 3 hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit insoweit unter Kontrolle halten muss.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Asylanerkennung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt ist.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass der Status eines anerkannten Asylberechtigten mittlerweile nahezu vollständig dem Status eines anerkannten Flüchtlings gleicht (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 21.12.2006 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2007, 469 und B. v. 22.4.2008 - 10 B 88.07 -, InfAuslR 2008, 322; siehe auch BVerwG, Urt. v. 1.3. 2011 - 10 C 2/10 -, juris - Rdziff. 53), ist das Unterliegen des Klägers bezüglich seiner Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

Gründe

 
12 
Die zulässige Klage ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet.
13 
Der angefochtene Bescheid ist hinsichtlich der Ziffer 2 - 4 rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten (§113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Er hat Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung und Aufhebung der Abschiebungsandrohung sowie der negativen Feststellung zu § 60 AufenthG (a.F.) (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Im Übrigen ist der Bescheid bezüglich der Ziff. 1 rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.
14 
Der Kläger ist unverfolgt aus China ausgereist. Wie er in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, war er nicht - wie noch zuvor der Wahrheit zuwider beim Bundesamt angegeben - zweieinhalb Jahre inhaftiert. Soweit er in der mündlichen Verhandlung angab, immerhin zwei Tage inhaftiert worden zu sein, ist auch dies nicht glaubhaft. Seine Angaben zu seiner Verhaftung und den anschließenden Ereignissen stehen nicht nur im klaren Gegensatz zu seinem bisherigen Vorbringen beim Bundesamt, sondern waren einsilbig, in keiner Weise auch nur ansatzweise detailliert oder lebensnah und beruhten offenbar nicht auf selbst Erlebtem. Von sich aus vermochte der Kläger hier nichts zu sagen, sondern hat nur sehr knapp und zum Teil erst auf intensives Nachfragen jeweils die Fragen des Gerichts beantwortet. Wie das Bundesamt im Ablehnungsbescheid bereits zutreffend ausgeführt hat, spricht zudem klar gegen die behauptete Verfolgung, dass der Kläger vollkommen legal, mit eigenem auf seinen Namen lautenden echten Reisepass problemlos China auf dem Luftweg verlassen konnte.
15 
Was die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers angeht, steht der begehrten Asylanerkennung die in § 28 Abs. 1 AsylVfG kodifizierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entgegen, wonach eine (ohne Not eines inneren identitätsprägenden Überzeugungsdrucks vorgenommene) risikolose Verfolgungsprovokation vom sicheren Hort des Aufnahmelandes Deutschland nach dem Sinn der Asylverheißung nicht als asylbegründend anzuerkennen ist (BVerfG, B. v. 26.11.1986 - 2 BvR 1085/84 -, BVerfGE 74,51 = InfAuslR 1987,56). Der in China nach eigenen Angaben unpolitische und sogar aus Opportunismus der kommunistischen Jugendbewegung beigetretene Kläger hat nämlich mit seinem exilpolitischen Engagement in Deutschland ganz offensichtlich nicht eine bereits im Heimatland erkennbar betätigte politische Überzeugung fortgesetzt. Vielmehr hat er sich erstmals hier in Deutschland politisch betätigt, ohne dass hier erkennbar wäre, dass dies aufgrund eines einmaligen, ihn tiefgreifend berührenden Schlüssel oder Erweckungserlebnisses bzw. aufgrund eines späten politischen Erwachens und eines daraus resultierenden inneren Überzeugungsdrangs geschehen wäre.
16 
Die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht zum Ausschluss subjektiver selbstgeschaffener Nachfluchtgründe aus dem Schutzbereich des Asylgrundrechts entwickelt hat, finden allerdings keine Anwendung auf den Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Wie § 28 Abs. 1 a AsylVfG i. V.m. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Qualifikationsrichtlinie - QRL - (EU-Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 - ABl. L 337/9 v. 20.12.2011) ausdrücklich hervorhebt, kann die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Antragsteller das Herkunftsland verlassen hat und zwar auch auf Aktivitäten des Antragstellers nach Verlassen seines Herkunftslandes, wobei dies im Regelfall („insbesondere“) dann anzunehmen ist, wenn diese Aktivitäten Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland betätigten Überzeugung oder Ausrichtung sind. Von der in Art. 5 Abs. 3 QRL den Mitgliedsstaaten eingeräumten Möglichkeit, unbeschadet der Genfer Flüchtlingskonvention, die Flüchtlingsanerkennung im Regelfall auszuschließen, wenn es sich um selbst geschaffene Verfolgungsgefahren handelt, hat der Gesetzgeber in § 28 AsylVfG nicht Gebrauch gemacht. Nach Art. 4 Abs. 3 d QRL, der mangels ausdrücklicher Umsetzung im AsylVfG bzw. AufenthG als Unionsrecht unmittelbar gilt, ist allerdings die Frage zu berücksichtigen, ob die Aktivitäten des Antragstellers seit Verlassen des Heimatlandes ausschließlich oder hauptsächlich aufgenommen wurden, um die für die Beantragung von internationalem Schutz erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit bewertet werden kann, ob der Antragsteller im Fall einer Rückkehr in dieses Land aufgrund dieser Aktivitäten verfolgt würde.
17 
Vor diesem Hintergrund ist die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a, Abs. 4, 31 Abs. 2 S. 1 AsylVfG).
18 
Denn seine Furcht ist begründet, wegen seiner exilpolitischen Aktivitäten im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat China dort in Anknüpfung an eine (womöglich nur unterstellte - siehe § 3b Abs. 2 AsylVfG) separatistische politische Überzeugung bzw. wegen strafbarer Unterstützung vom Ausland aus betriebener separatistischer Bestrebungen (§§ 103, 105, 106 Chines.StGB) von den chinesischen Sicherheitsbehörden mit Haft, Strafhaft, Folter oder Administrativhaft verfolgt zu werden.
19 
Zwar hat der Kläger keine führende oder sonst herausgehobene Position innerhalb der Ostturkestanischen Union inne, sondern hat sich bislang nur als einfaches Mitglied betätigt, indem er an den genannten Demonstrationen und Versammlungen dieser Organisation teilgenommen, Fahnen und Plakate gehalten und Parolen gerufen hat.
20 
Gleichwohl kann nicht übersehen werden, dass die chinesischen Behörden insbesondere seit den Demonstrationen in Urumqi im Juli 2009 und den in den letzten Jahren infolge auch gewalttätiger Aktionen kleiner Splittergruppen von uigurischen Separatisten noch deutlich gestiegenen Spannungen offensichtlich mit äußerster Anspannung, Härte und Überempfindlichkeit selbst auf vergleichsweise unbedeutende harmlose und vor allem gewaltfreie Aktionen auch zahlenmäßig nur sehr kleiner uigurischer Gruppierungen wie der Ostturkestan Union reagieren, die kaum mehr als 50 bis 60 Uiguren für solche insbesondere in München durchgeführte chinakritische Aktionen auf die Beine bringen. Das zeigt insbesondere der Umstand, dass das chinesische Generalkonsulat sogar versuchte, mit allen Mitteln die Veranstaltung dieser Gruppierung mit dem Bayerischen Landtag zu verhindern, und in diesem Zusammenhang - wie nach der Auskunftslage auch die chinesische Staatsführung in den letzten Jahren ganz allgemein - ganz offenbar in keiner Weise mehr zwischen gewaltfreien und terroristischen separatistischen Aktivitäten zu unterscheiden vermochte, sondern auch diese Gruppierung unterschiedslos als terroristisch einstufte. Das zeigt ferner der Umstand, dass China mit einer großen Gruppe von Geheimdienstmitarbeitern in Deutschland in den letzten Jahren solche Gruppierungen engmaschig überwacht und sogar nicht davor zurückschreckt, Mitarbeiter des bayerischen Landtags abzuhören. Schließlich wird dies dadurch deutlich, dass China die Vorsitzende des Uigurischen Weltkongresses offenbar als besonders gefährliche Separatistin, Staatsfeind Nr. 1 und Hauptgegner in Sachen Bekämpfung des uigurischen Separatismus ansieht, obwohl diese nur gewaltfrei agierte, fünf Jahr in chinesischen Gefängnissen in Haft war und sogar 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war. Zudem zeigt die Behandlung aus dem Ausland nach China abgeschobener Uiguren (Verschwindenlassen, Haft, Anklagen, langjährige Haft) und die agressive Politik, mit der China auf die Abschiebung und Auslieferung von Uiguren drängt, wenn sich diese im Ausland aufhalten, dass China sich offenbar in der aktuellen Situation zu einem differenzierten Vorgehen nicht mehr in der Lage sieht, sondern versucht, mit harter Hand jegliche Spur eines uigurischen Separatismus auszumerzen. Die chinesischen Straftatbestände, die auch eine bloße Unterstützung separatistischer Aktivitäten unter Strafe stellen, zu denen das Engagement der Ostturkestanischen Union zweifellos zählt, können zudem nach der Auskunftslage wenn sie im Ausland verletzt werden, als sogar besonders schwerer Fall mit besonders harten Strafen geahndet werden. Nach der Auskunftslage hängt die Anwendung und Auslegung dieser Straftatbestände insbesondere von der jeweiligen politischen Lage und den politischen Spannungen ab, unter denen die chinesische Staatsführung und die von ihr kontrollierten Sicherheitsbehörden aber auch chinesischen Strafgerichte jeweils gerade stehen.
21 
Ein vergleichsweise niedrigschwelliges Engagement wie das des Klägers, welches nach der früheren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte mangels ausreichender Profiliertheit nicht für eine Flüchtlingsanerkennung ausgereicht hätte, genügt zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls heute in der aktuell äußerst angespannten Lage aller Voraussicht nach für ein Einschreiten der chinesischen Behörden (vgl. zur früheren verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: BayVGH, u. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris; OVG Thüringen, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 -, juris; VG Frankfurt, U. v. 13.11.2003 - 4 E 5241/01.AF(2) -, juris; VG Chemnitz, U. v. 1.4.2006 - 3 A 277/04.A -, juris; VG Würzburg, U. v. 23.6.2004 - W 4 K 03.30773 -, juris; VG Chemnitz, U. v. 10.3.2006 - 3 A 108/02.A -, juris; aus jüngster Zeit siehe VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 961/12 -, juris stattgebend unter Bezugnahme auf die oben dargestellte Situation für einen Uiguren, der allerdings noch ein Interview gegeben und durch Singen uigurischer Lieder individuell hervorgetreten war).
22 
Im Einzelnen stellt sich die geschilderte Situation nach den vorliegenden Auskünften und Erkenntnisquellen (insbesondere AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16, 17; amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München) wie folgt dar:
23 
Ganz generell rückt die chinesische Regierung heute jedwede Stellungnahme für eine stärkere Berücksichtigung der Rechte der Uiguren als nationaler Minderheit oder gar für mehr Autonomie undifferenziert in den Bereich des terroristischen Separatismus und stellt damit alle uigurischen Organisationen, auch die Ostturkestan Union in Europa e.V., unter den Generalverdacht eines solchen Separatismus, obwohl diese, anders als die East Turkestan Islamic Movement ETIM nicht auf der Liste der Vereinten Nationen als Terrororganisation geführt wird (siehe dazu AA Lagebericht China 18.6.2013, S. 17, wonach die chinesische Regierung Erkenntnisse über Verbindungen einzelner uigurischer separatistischer Splittergruppen zu den Taliban bzw. Al Qaida „zu einem Generalverdacht“ gegenüber allen uigurischen Organisationen „missbraucht“; zu den Einschüchterungsversuchen des Chinesischen Generalkonsulats in München gegenüber der Vizepräsidentin des Bayerischen Landtags wegen dessen gemeinsamer Aktion mit dem - von chinesischer Seite der ETIM gleichgesetzten - Uigurischen Weltkongress zum chinesischen Nationalfeiertag am 1.10.2012 - siehe http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china). Obwohl im Jahre 2004 sogar BKA Verbindungsbeamte nach China reisten, um den von chinesischer Seite immer wieder vorgebrachten Vorwürfen einer Verbindung der uigurischen Exilgruppen zu terroristisch agierenden Gruppen wie der ETIM nachzugehen, konnte die chinesische Seite offenbar keine handfesten Anhaltspunkte liefern, so dass diese Gruppen nach wie vor in Deutschland nicht verboten sind (amnesty international, Auskunft vom 30.11.2006 an VG München, S. 7) und auch in der EU nicht auf der Terrorismusliste stehen.
24 
Die Beteiligung an einer von chinesischer Seite als staatsgefährdend angesehenen Organisation wie der Osturkestan-Bewegung reicht nach chinesischem Recht für eine Strafbarkeit aus, wobei auch gewaltfreies Eintreten für solche Ziele nicht vor harten Strafen schützt (amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH und Auskunft v. 30.11.2006 an VG München; AA Lagebericht China, 18.6.2013 -, S. 16, 17).
25 
Die Organisation wird trotz ihres überschaubaren Mitgliederkreises und der geringen Zahl der Teilnehmer genau beobachtet (so ausführlich VG Karlsruhe, U. v. 5.2.2013 - A 6 K 962/12 -, juris unter anderem auch unter Verweis auf den Briefwechsel zwischen der bayerischen Landtagsvizepräsidentin und dem chinesischen Generalkonsulat, das gefordert hatte, die „absurde“ Veranstaltung zu unterbinden; zur intensiven chinesischen geheimdienstlichen Beobachtung der uigurischen Exilszene in Deutschland, obwohl diese mit ca. 600 hauptsächlich in München lebenden Uiguren vergleichsweise klein und überschaubar ist, siehe unter anderem DER SPIEGEL Nr. 29/2009 v. 13.7.2009, S. 39 - im internet über google auffindbar -, wonach uigurische Aktivitäten, neben den Aktivitäten der Tibeter, der Demokratiebewegung in China, der Falun-Gong-Anhänger und der Aktivitäten Taiwans von der chinesischen Staatspropaganda bezeichnenderweise als eines der „fünf Gifte“ bezeichnet werden; zur Strafbarkeit von Aktivitäten für die Ostturkestan Bewegung nach chinesischem Strafrecht - § 103 Chin.StGB und zur verschärften, undifferenziert gewaltfreie wie gewalttätige Aktivitäten gleichsetzenden Anwendung dieser Norm, sowie der Abhängigkeit ihrer Anwendung durch die Sicherheitsbehörden und chinesischen Gerichte von den politischen Richtlinien amnesty international, Auskunft vom 29.4.2002 an BayVGH und amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München zur verschärften Anwendung des Separatismusstraftatbestandes nach dem Anschlag vom 11. September; eine ausführliche Darstellung der Auskunftslage zu diesem Fragenkreis und zur besonderen Empfindlichkeit der chinesischen Staatsführung gegenüber uigurischen Aktivitäten und zum Separatismusstraftatbestand findet sich auch in der Entscheidung des BayVGH, U. v. 24.7.2002 - 2 B 98.34950 -, juris, Rdnrn. 27 - 39 und ThürOVG, U. v. 26.6.2003 - 3 KO 321/01 - juris, Rdnrn. 42 - 51).
26 
Den vorliegenden Berichten zufolge sind auch immer wieder aus anderen Staaten nach China abgeschobene Uiguren dort inhaftiert und wegen Separatismus angeklagt worden oder gar spurlos (wahrscheinlich in einem der sogenannten „schwarzen“ Geheimgefängnisse) verschwunden. Selbst die von den USA aus der Haft in Guantanamo freigelassenen Uiguren, die immerhin als Terroristen verdächtigt worden waren, wurden nicht nach China zurück abgeschoben, sondern statt dessen zu ihrem Schutz vor chinesischer Strafverfolgung in jeweils kleineren Gruppen von einigen mit den USA verbündeten Staaten aufgenommen, wie etwa Albanien etc. (siehe amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 3, Fn. 6 und 7; zur Behandlung uigrischer Rückkehrer: AA Lagebericht China 18.6.2013 S. 17 unten; zur Verhaftung von Malaysia und auch Thailand aus nach China abgeschobener Uiguren unter Separatismusverdacht Human Rights Watch v. 14.3.2014 unter www.ecoi.net; GfbV, www.gfbv.ch - factsheets uiguren - dort die Meldungen v. 29.8.2011: China drängt Nachbarstaaten zur Auslieferung uigurischer Flüchtlinge, v. 18.12.2010 - Seit einem Jahr verschwunden: Von Kambodscha nach China abgeschobene Uiguren, v. 24.3.2010: Guantanamo Uiguren - Willkommen in der Schweiz; siehe auch Der Spiegel online v. 2.1.2014: China verlangt Auslieferung von Guantanamo Häftlingen).
27 
Wie empfindlich die chinesische Staatsführung auf alle auch gewaltfreien uigurischen Aktivitäten reagiert, zeigt sich bereits daran, dass sie Rebiya Kadeer, die gewählte Präsidentin des Uigurischen Weltkongresses (World Uyghur Congress - WUC), die schon 2006 und 2007 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurde, als Staatsfeindin Nr. 1 bezeichnete (http://max-online.de/2012/10/uigurischer-weltkongress-im-maximilianeum-spd-und-grune-gegen-menschenrechtsverletzungen-durch-china; dazu auch amnesty international, Auskunft v. 30.11.2006 an VG München, S. 4 Fn. 18 und S. 6 Fn. 23 zur Sippenhaft, Folter und Strafverfolgung der drei Söhne von Rebiya Kadeer als Sanktion für ihre politischen Aktivitäten).
28 
Vom jeweiligen Grad der Spannungen zwischen der chinesischen Staatsführung und der uigurischen Minderheit hängt auch die Anwendung und Auslegung der Separatismusstraftatbestände durch die chinesischen Sicherheitsbehörden und die der staatlichen Kontrolle unterworfenen chinesischen Strafgerichte ab (so amnesty international, Auskunft v. 29.4.2002 an BayVGH, S. 3).
29 
Dass diese Spannungen seit den Vorfällen in Urumqi im Juli 2009 sich bis heute noch stetig weiter gesteigert haben, ist daher durchaus von Bedeutung für die Frage, inwieweit der Kläger wegen seines exilpolitischen Engagements für die zum Uigurischen Weltkongress zählende Osturkestanische Union in Europa e.V. bei einer Rückkehr nach China dort politisch motivierte Strafverfolgung droht. Insofern ist bedeutsam, dass die Situation seit 2009 immer weiter gefährlich eskaliert ist und die Nerven der chinesischen Führung aufgrund der zahlreichen im Folgenden dargestellten Ereignisse „blank liegen“ dürften, was regelmäßig die Gefahr auch von Überreaktionen gegenüber selbst nur geringfügig aktiven Uiguren begründen wird, die aus dem Exil zurückkehren und sich dort für Ostturkestan stark gemacht haben: So kam es am 19.8.2010 in Aksu/Xinjiang zu einem Sprengstoffanschlag mit 7 Toten und 14 Verletzten kam, im Juli 2011 zu einem Überfall auf eine Polizeistation in Hotan 19 Personen und bei Unruhen in Kashgar wurden am 30.7.2011 mehr als 20 Personen getötet. Im Februar 2012 kam es in Yengchen zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Uiguren und Sicherheitskräften und am 29.6.2012 zu einer von sechs Uiguren versuchten Flugzeugentführung in Hotan (AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16). Im Oktober 2013 verursachte eine uigurische Familie absichtlich einen Autounfall auf dem Platz des himmlischen Friedens und setzte dann sich und das Fahrzeug in Brand, im November 2013 kam es zu einer tödlichen Explosion vor der chinesischen KP-Zentrale und in Nordwestchina erschoss im Dezember 2013 die Polizei acht Menschen (siehe dazu spiegel-online v. 30.10., 6.11 und 30.12.2013). Zuletzt gab es am 2.3.2014 einen blutigen Anschlag mit Messern und Beilen auf die Reisenden eines Busbahnhofs in der chinesischen Stadt Kunming mit 29 Toten, und 130 Verletzten, den die Staatsführung sofort und - trotz der Tötung von vier Angreifern und Festnahme von drei weiteren bisher ohne Beleg - terroristischen uigurischen Separatisten anlastete (DER SPIEGEL online - 2.3.2014 - www.spiegel.de). Im Februar war zuvor am 20.2.2014 der uigurische Universitätsprofessor Ilham Tohti wegen mutmaßlichen Separatismus festgenommen worden, der die Webseite Uyghur Online gegründet hatte. Acht junge Uigurinnen, die entweder seine Studentinnen waren oder zu der Webseite beigetragen hatten, sind bereits im Januar 2014 verhaftet worden. Der Parteichef der Region Xinjiang gelobte, den Terrorismus mit äußerster Macht zu bekämpfen und der Vorsitzende der Region Xinjiang erklärte laut Bejing News Reports, dass „Kräfte von außen“ den Separatismus beeinflussen. Es gebe „Leute außerhalb Chinas“, die kein einiges, starkes kommunistisches China wollten (siehe zu alldem Reporters Sans Frontieres v. 12.3.2014 und BBC-News v. 3.3.2014 und v. 7.3.2014 sowie Congressional Executive Commission to China v. 4.3.2014 - alle über www.ecoi.net unter dem Stichwort China, Uiguren zu finden).
30 
In der Provinz Xinjinang werden vor diesem Hintergrund besonders grausame Foltermethoden gegenüber (vermeintlichen) Separatisten angewandt. Zehntausende Uiguren wurden als solche in den letzten Jahren verhaftet (amnesty international, Auskunft 30.11.2006 an VG München, S. 7). Die chinesische Staatsführung hält schon seit Jahren die Provinz Xinjiang in ihrem dauernden Fokus, in jeder Ortschaft soll mindestens ein Polizist stationiert sein, zahlreiche uigurische Webseiten wurden blockiert, Telefon und Telekommunikationsverkehr wird überwacht. Obwohl die Provinz nur 2 % der Gesamtbevölkerung Chinas aufweist, werden 50 % aller chinesischen Staatsschutzstrafverfahren in Xinjiang geführt. Deren Zahl stiegt insoweit von 376 im Jahre 2010 um 10% auf 414 im Jahre 2011. Die Intensität der Repressionen gegenüber mutmaßlichen Separatisten, die aus dem Ausland nach China zurückkehren, wird durch offizielle Äußerungen deutlich, wonach schon 2005 zahlreiche solcher Rückkehrer unmittelbar bei Grenzübertritt festgenommen worden seien und selbst in Fällen einer unstreitigen ausländischen Staatsbürgerschaft eine konsularische Betreuung verweigert wird. Zum Verbleib und der Identität werden in der Regel keine Angaben gemacht, da es sich um innere Angelegenheiten Chinas handle (so zu alldem AA, Lagebericht China, 18.6.2013, S. 16 und 17).
31 
Vor diesem Hintergrund kann nicht angenommen werden, es handle sich bei den Aktivitäten des Klägers um derart offenkundig allein aus dem Bestreben nach Sicherung eines legalen Aufenthalts heraus motivierte asyltaktische Handlungen, dass dieses Verhalten auf eine selbst aus Sicht des Klägers objektiv nicht gegebene Verfolgungsgefahr schließen lasse (Art. 4 Abs. 3 d QRL).
32 
Nach allem erweist sich schließlich aufgrund der gem. § 77 Abs. 1 AsylVfG im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung geltenden aktuellen Fassung des AsylVfG dieunter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids getroffene negative Feststellung zum Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 AufenthG als rechtswidrig.
33 
Denn für eine solche Feststellung fehlt es in diesem Zeitpunkt an einer Ermächtigungsgrundlage. Europarechtlicher subsidiärer Schutz, wie er bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 S. 2 AufenthG geregelt war und nunmehr unter § 4 AsylVfG geregelt ist, ist nämlich gem. Art. 2 f der Qualifikationsrichtlinie (2011/95/EU) nur subsidiär, d.h. nur einer Person zu gewähren, welche die Voraussetzungen der „Flüchtlingseigenschaft nicht erfüllt“. Deshalb sieht § 31 Abs. 2 AsylVfG auch nur vor, dass in der Entscheidung des Bundesamtes über einen (beachtlichen) Asylantrag festzustellen ist, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft „oder“ (falls dies nicht der Fall ist) der subsidiäre Schutz zuzuerkennen ist.
34 
Auch die unter Ziff. 3 des angefochtenen Bescheids außerdem enthaltene negative Feststellung zum Vorliegen des nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 S. 1 AufenthG erweist sich im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt als rechtswidrig, weil ermessensfehlerhaft. Nach § 31 Abs. 3 AsylVfG „kann“ nämlich bei Anerkennung als Asylberechtigter oder Zuerkennung internationalen Schutzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG von der Feststellung zum Vorliegen dieses nationalen Abschiebungsverbots abgesehen werden. Von dem damit der Beklagten eingeräumten Ermessen hat diese aber (entgegen § 40 1. HS VwVfG) keinen Gebrauch gemacht, sondern vielmehr gar keine Ermessenserwägungen angestellt, obwohl sie den Bescheid auch hinsichtlich seiner Ziff. 3 hinsichtlich seiner Rechtmäßigkeit insoweit unter Kontrolle halten muss.
35 
Schließlich erweist sich die unter Ziff. 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Abschiebungsandrohung als rechtswidrig, da das Bundesamt in dem hier maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur Asylanerkennung und Zuerkennung des Flüchtlingsstatus verpflichtet und daher nach § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 AsylVfG nicht zum Erlass einer Abschiebungsandrohung ermächtigt ist.
36 
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 S. 3 VwGO, 83 b AsylVfG. Im Hinblick darauf, dass der Status eines anerkannten Asylberechtigten mittlerweile nahezu vollständig dem Status eines anerkannten Flüchtlings gleicht (so ausdrücklich BVerwG, B. v. 21.12.2006 - 1 C 29.03 -, NVwZ 2007, 469 und B. v. 22.4.2008 - 10 B 88.07 -, InfAuslR 2008, 322; siehe auch BVerwG, Urt. v. 1.3. 2011 - 10 C 2/10 -, juris - Rdziff. 53), ist das Unterliegen des Klägers bezüglich seiner Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter (siehe Ziff. 1 des angefochtenen Bescheids) als derart marginal anzusehen, dass es gerechtfertigt ist, der im Übrigen unterliegenden Beklagten die Verfahrenskosten voll aufzuerlegen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Asylberechtigte genießen im Bundesgebiet die Rechtsstellung nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge.

(2) Unberührt bleiben die Vorschriften, die den Asylberechtigten eine günstigere Rechtsstellung einräumen.

(3) Ausländer, denen bis zum Wirksamwerden des Beitritts in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet Asyl gewährt worden ist, gelten als Asylberechtigte.